Kündigungsschutz, Kündigungsschutzgesetz, Kündigung, Kündigungsgründe, fristlos, fristgemäß, ordentlich, außerordentlich, Recht, Arbeit, Kündigung, sozial, gerechtfertigt, betriebsgedingt, personenbedingt, verhaltensbedingt, unwirksam, wirksam, Arbeitnehmer,
Arbeitgeber, Klage, Kündigungsschutzklage, Klagefrist, Wochen, drei, Gütetermin, Arbeitsrichter, Arbeitsgericht, Anspruch, Urlaub, Sonderurlaub, Abgeltung Zeugnis, Verfall, Ausschlussfrist
Volltextsuche | Datenschutz - Sicherheit | EU-Recht suchen! | Suchmaschinen |
Kündigungsschutzgesetz - Leitsatzkommentar
© 1997 bis heute / KD Mainlaw - Rechtsanwalt Tronje Döhmer, Grünberger Straße 140 (Geb 606), 35394 Gießen Tel. 06445-92310-43 oder 0171-6205362 / Fax: 06445-92310-45 / eMail / Impressum |
Ä - A - B - C - D - E - F - G - H - I - J - K - L - M - N - Ö - O - P - Q - R - S - T - Ü - U - V - W - X - Y - Z |
Stand: 2. November 2014
Das Arbeitsgericht Gießen zieht um. Neue Adresse ab 26.01.2012:
Arbeitsgericht Gießen (vormals Arbeitsgericht Wetzlar, Arbeitsgericht Marburg)
Aulweg 45
35390 Gießen
(weniger als 1000 m entfernt von der Kanzlei Döhmer)
Rechtsprechung des BAG im Jahr - 1998 - 1999 - 2000 - 2001 - 2002 - 2003 - 2004 - 2005 - 2006 - 2007 - weiter siehe unten mit geänderter Systematik ...
Neu: Grundlagen des Streikrechts
Diese umfangreiche Datei kann mit Hilfe der Suchfunktion Ihres Browsers nach Stichworten durchsucht werden.
§ 1 Sozial ungerechtfertigte Kündigungen (mit Leitsätzen - und einem Dank für den aufmerksamen Leser)
§ 1a Abfindungsanspruch bei betriebsbedingter Kündigung (mit Leitsätzen)
§ 2 Änderungskündigung (mit Leitsätzen)
§ 3 Kündigungseinspruch
§ 4 Anrufung des Arbeitsgerichtes (mit Leitsätzen)
§ 5 Zulassung verspäteter Klagen (mit Leitsätzen)
§ 6 Verlängerte Anrufungsfrist (mit Leitsätzen)
§ 7 Wirksamwerden der Kündigung (mit Leitsätzen)
§ 8 Wiederherstellung der früheren Arbeitsbedingungen
§ 9 Auflösung des Arbeitsverhältnisses (mit Leitsätzen)
§ 10 Höhe der Abfindung (mit Leitsätzen)
§ 11 Anrechnung auf entgangenen Zwischenverdienst (mit Leitsätzen)
§ 12 Neues Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers (mit Leitsätzen)
§ 13 Verhältnis zu sonstigen Kündigungen (mit Leitsätzen)
§ 14 Angestellte in leitender Stellung (mit Leitsätzen)
§ 15 Unzulässigkeit der Kündigung (mit Leitsätzen)
§ 16 Neues Arbeitsverhältnis; Auflösung
§ 17 Anzeigepflicht (mit Leitsätzen)
§ 18 Entlassungssperre (mit Leitsätzen)
§ 19 Zulässigkeit von Kurzarbeit
§ 20 Entscheidungen des Arbeitsamtes
§ 21 Entscheidungen der Hauptstelle der Bundesanstalt für Arbeit (mit Leitsätzen)
§ 22 Ausnahmebetriebe (mit Leitsätzen)
§ 22 A Übergangsregelung
§ 23 Geltungsbereich (mit Leitsätzen)
§ 24 Anwendung des Gesetzes
§ 25 Kündigung in Arbeitskämpfen
§ 25 A Berlin-Klausel
§ 26 Inkrafttreten
Kündigungsschutzgesetz (KSchG)
vom 10. August 1951 (BGBl. I S. 499) in der Fassung vom 25. August 1969 (BGBl. I S. 1317) zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 24. Dezember
2003 (BGBl. I S. 3002).
§ 1 Sozial ungerechtfertigte Kündigungen
(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in emselben Betrieb oder Unternehmen ohne
Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.
(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch
dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch
sozial ungerechtfertigt, wenn
1. in Betrieben des privaten Rechts
a) die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b) der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann und
der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung
innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2. in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a) die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b) der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweiges an demselben
Dienstort einschließlich seines Einzugsgebietes weiterbeschäftigt werden kann und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht
gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, dass die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die
Einwendungen nicht aufrechterhalten hat. Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder
Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein
Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.
(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial
ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und
die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem
Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht
einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen
Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt.
(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den
Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die
Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit geprüft werden.
(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in
einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche
Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1
und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1
ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.
Leitsätze/Entscheidungen:
Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der
Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Bestimmung wie § 10 Nr. 5 des Allgemeinen
Gleichbehandlungsgesetzes, wonach Klauseln über die automatische Beendigung von Arbeitsverhältnissen bei Erreichen des Rentenalters des Beschäftigten
zulässig sind, nicht entgegensteht, soweit zum einen diese Bestimmung objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel der Beschäftigungs- und
Arbeitsmarktpolitik gerechtfertigt ist und zum anderen die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind. Die Nutzung dieser
Ermächtigung in einem Tarifvertrag ist als solche nicht der gerichtlichen Kontrolle entzogen, sondern muss gemäß den Anforderungen des Art. 6 Abs. 1 der
Richtlinie 2000/78 ebenfalls in angemessener und erforderlicher Weise ein legitimes Ziel verfolgen. Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78 ist dahin auszulegen,
dass er einer Maßnahme wie der in § 19 Nr. 8 des Rahmentarifvertrags für die gewerblichen Beschäftigten in der Gebäudereinigung enthaltenen Klausel über
die automatische Beendigung der Arbeitsverhältnisse von Beschäftigten, die das Rentenalter von 65 Jahren erreicht haben, nicht entgegensteht. Die Art. 1 und 2
der Richtlinie 2000/78 sind dahin auszulegen, dass es ihnen nicht zuwiderläuft, dass ein Mitgliedstaat einen Tarifvertrag wie den im Ausgangsverfahren in
Frage stehenden für allgemeinverbindlich erklärt, soweit dieser Tarifvertrag den in seinen Geltungsbereich fallenden Arbeitnehmern nicht den Schutz nimmt,
den ihnen diese Bestimmungen gegen Diskriminierungen wegen des Alters gewähren (EuGH, Urteil vom 12.10.2010, Rs. C-45/09).
***
Artikel 2 Absatz 1 und Artikel 5 Absatz 1 der Richtlinie 76/207/EWG des Rates vom 9. Februar 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der
Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf
die Arbeitsbedingungen stehen einer Auslegung einer nationalen Bestimmung wie § 1 Absatz 3 des Kündigungsschutzgesetzes in der bis zum 30. September
1996 geltenden Fassung nicht entgegen, nach der teilzeit- und vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer bei der sozialen Auswahl, die der Arbeitgeber bei der
betriebsbedingten Streichung eines Teilzeitarbeitsplatzes vorzunehmen hat, generell nicht vergleichbar sind (EuGH, Urteil vom 26.09.2000, C 322/98).
*** (BVerfG)
Außerhalb des Geltungsbereichs des allgemeinen Kündigungsschutzes nach § 1 KSchG ist der Arbeitnehmer durch die zivilrechtlichen Generalklauseln vor
einer sitten- oder treuwidrigen Kündigung des Arbeitgebers geschützt, wobei im Rahmen dieser Generalklauseln auch der objektive Gehalt der Grundrechte
zu beachten ist. Dies gilt nicht nur im Kleinbetrieb, sondern auch für die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses in der Wartezeit gem. § 1 I KSchG, das heißt in
den ersten sechs Monaten des Arbeitsverhältnisses. Auch bei Einstellungen im öffentlichen Dienst wird durch Art. 33 II GG das Recht des Arbeitgebers,
während der sechsmonatigen Wartezeit nach § 1 I KSchG die Eignung, Befähigung und fachliche Leistung des neu eingestellten Arbeitnehmers zu überprüfen,
nicht eingeschränkt (BVerfG, Beschluss vom 21.06.2006 - 1 BvR 1659/04, NZA 2006, 913).
*** (BAG)
Kirchenaustritt: Der Austritt eines im verkündigungsnahen Bereich eingesetzten Mitarbeiters einer ihrer Einrichtungen aus der katholischen Kirche kann die -
ggf. außerordentliche - Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen (BAG, Urteil vom 25.04.2013 - 2 AZR 579/12).
***
„... a) Für die Beurteilung der Wirksamkeit der Kündigung ist maßgeblich, welche unternehmerische Entscheidung im Zeitpunkt der Kündigung von
der Beklagten getroffen worden war. Frühere Überlegungen, etwa der Gesellschafterbeschluss vom 6. Dezember 2010, sind dagegen grundsätzlich nicht
erheblich. Die streitbefangene Kündigung vom 23. Dezember 2010 ging dem Kläger am 28. Dezember 2010 zu. Zu diesem Zeitpunkt war der Bereich
„Hafenverkehre" schon veräußert und die Vereinbarung zur Übertragung der Geschäftsbereiche „Gebietsspedition, Nahverkehrsversorgung und
Werksversorgung" sowie „Spezialverkehre" auf Ma bereits unterzeichnet. Als die Kündigung dem Kläger zuging, stand also fest, dass einige Geschäftsbetriebe
auf Dritte übertragen, der dann noch bestehende Restbetrieb stillgelegt werden sollte. Es kann dahinstehen, ob diese unternehmerische Entscheidung im
Widerspruch zum Beschluss vom 6. Dezember 2010 stand, der eine vollständige Stilllegung des Betriebs vorsah, oder ob im Wege der Auslegung die
Abwicklung des Geschäftsbetriebs der Beklagten nicht auch die Veräußerung und Übertragung einzelner Geschäftsbereiche umfassen sollte. Denn die
unternehmerische Entscheidung zur Stilllegung des Betriebs einer GmbH setzt keinen wirksamen Beschluss der Gesellschafter voraus (BAG 5. April 2001 - 2
AZR 696/99 - zu II 3 der Gründe, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 117 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 110; 11. März
1998 - 2 AZR 414/97 - zu II 1 c der Gründe, AP BetrVG 1972 § 111 Nr. 43 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 99; APS/Kiel 4. Aufl. § 1
KSchG Rn. 492; KR/Griebeling 10. Aufl. § 1 KSchG Rn. 579; ErfK/Oetker 13. Aufl. § 1 KSchG Rn. 277). Es gibt auch keine Anhaltspunkte dafür, dass im
Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung die Stilllegung des - restlichen - Betriebs durch einzelne Gesellschafter oder durch ein anderes Organ der Gesellschaft
verzögert oder gar verhindert werden konnte (BAG 5. April 2001 - 2 AZR 696/99 - aaO). Vielmehr hat die Beklagte unbestritten vorgetragen, Herr Bö habe als
Geschäftsführer der Komplementärin ihren Geschäftsführer V in einem Gespräch am 15. Dezember 2010 angewiesen, alle Arbeitsverhältnisse zum
nächstmöglichen Zeitpunkt zu kündigen. Damit hat die Gesellschafterin der Beklagten auch in Ansehung der möglichen Übertragung von Geschäftsbereichen
auf Dritte ihren Kündigungsentschluss bestätigt. Dagegen brauchte es kündigungsrechtlich eines nochmaligen, den veränderten oder sich verändernden
Umständen entsprechenden Beschlusses der Gesellschafterin der Beklagten nicht.
b) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts wird die Ernsthaftigkeit der Stilllegungsabsicht auch nicht denknotwendig durch die Regelungen in dem
mit Ma vereinbarten Rahmenmietvertrag über die Vermietung von Fahrzeugen infrage gestellt. Das Berufungsgericht meint, es sei nicht nachvollziehbar, wie
die Beklagte ohne eigene Leute der Verpflichtung zur monatlichen Aktualisierung der Bereitstellung von Fahrzeugen nachkommen wolle oder wie die
Rückabwicklung im Falle einer Kündigung des Mietvertrages vorgenommen werden könne. Das Landesarbeitsgericht verkennt, dass für die monatliche
Bereitstellung von Mietfahrzeugen grundsätzlich nur eine kaufmännische Organisation erforderlich ist. Auch die Überlegung, die Beklagte könne nach einer
Kündigung des Rahmenmietvertrages verpflichtet sein, die vermieteten Lkw zurückzunehmen, führt nicht zwingend zu der Annahme, in Wahrheit wolle die
Beklagte einen Gewerbebetrieb aufrecht erhalten. Bei der Vermietung oder Verpachtung von Betriebsmitteln führt die Möglichkeit eines durch Kündigung des
Miet- oder Pachtvertrages ausgelösten Rückfalls der Miet- oder Pachtsache regelmäßig nicht zur Annahme, deswegen müsse ein „Restbetrieb" beim Vermieter
oder Verpächter bestehen bleiben (vgl. BAG 27. April 1995 - 8 AZR 197/94 - BAGE 80, 74 = AP BGB § 613a Nr. 128 = EzA BGB § 613a Nr. 126).
c) Schließlich hatte die beabsichtigte Stilllegung des nicht von der Übernahmevereinbarung mit Ma betroffenen Teilbetriebs auch „greifbare Formen" angenommen.
Die Beklagte hat sämtliche Arbeitsverhältnisse gekündigt. An dieser Stelle ist nicht zu beurteilen, wie es sich auswirkte, dass denjenigen Mitarbeitern, die auf
Ma übergehen sollten, zugesagt worden war, dass Ma aus der Kündigung durch die Beklagte keine Rechte herleiten werde, denn der Kläger war - den Vortrag
der Beklagten als wahr unterstellt - dem Bereich „Ladungsverkehre in M" zugeordnet, der jedenfalls nicht auf Ma übergehen sollte. Neue Aufträge hat sie nicht
angenommen. Die Beklagte hat ferner gegenüber der Agentur für Arbeit in R eine Massenentlassungsanzeige iSv. § 17 KSchG abgegeben (vgl. zu der dadurch
begründeten Indizwirkung für eine ernsthafte und endgültige Stilllegungsabsicht: BAG 16. Februar 2012 - 8 AZR 693/10 - Rn. 44, AP KSchG 1969 § 1
Betriebsbedingte Kündigung Nr. 188). Sie hat des Weiteren das auf den 9. Dezember 2010 datierende Kündigungsschreiben hinsichtlich des Mietverhältnisses
der Räumlichkeiten am Standort M vorgelegt. Die Kündigung hat der Kläger zwar mit Nichtwissen bestritten. Dies war angesichts des zur Akte gereichten
Kündigungsschreibens aber nicht ausreichend, zumal die Vermieterin, die B GmbH & Co. KG, den Empfang der Kündigung am 13. Dezember 2010 schriftlich
bestätigte. Die Beklagte hat auch zahlreiche Erklärungen von ehemaligen Geschäftspartnern vorgelegt, die dafür sprechen, dass bereits vor dem
Kündigungsausspruch die Absicht der Stilllegung des Bereichs „Ladungsverkehre" greifbare Formen angenommen hat. Die Ka GmbH & Co. KG bestätigte mit
Schreiben vom 30. März 2011, dass die Beklagte die Beschaffungslogistiktransporte am 13. Dezember 2010 - und damit noch vor Ausspruch der Kündigung
des Arbeitsverhältnisses des Klägers - gekündigt habe. Mit Schreiben vom 23. Dezember 2010 hat die Beklagte ferner den laufenden Frachtvertrag mit der
Firma G zum 31. Dezember 2010 gekündigt.
II. Soweit das Landesarbeitsgericht mit einer weiteren Begründung davon ausgegangen ist, die Beklagte sei ihrer Darlegungslast hinsichtlich der Sozialauswahl
nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG nicht nachgekommen, weil ihr Sachvortrag nicht den hinreichenden Schluss darauf zulasse, dass dem Kläger auch bei einer
nachträglichen Sozialauswahl im Ergebnis hätte gekündigt werden dürfen, hält auch dies einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Das
Landesarbeitsgericht hat keine Feststellungen dazu getroffen, ob die Betriebsstätte M, der der Kläger angehörte, als eigenständiger Betrieb zu qualifizieren ist
oder ob es sich lediglich um einen Betriebsteil handelt.
1. Die Sozialauswahl ist betriebsbezogen durchzuführen, § 1 Abs. 3 KSchG. Regelmäßig sind deshalb alle vergleichbaren Arbeitnehmer in die
Auswahlentscheidung einzubeziehen, die in demselben Betrieb wie der unmittelbar kündigungsbedrohte Arbeitnehmer beschäftigt sind. Dies gilt selbst dann,
wenn sich der Arbeitgeber ein betriebsübergreifendes Versetzungsrecht vorbehalten hat (BAG 31. Mai 2007 - 2 AZR 276/06 - Rn. 16, BAGE 123, 1 = AP
KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 94 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 77). Aus der Betriebsbezogenheit der Sozialauswahl folgt weiter, dass sie
nicht auf Betriebsteile oder Betriebsabteilungen beschränkt werden kann, insbesondere steht der Notwendigkeit einer betriebsbezogenen Sozialauswahl nicht
schon die räumliche Entfernung einzelner Filialen eines Bezirks entgegen.
Wie auch das Berufungsurteil nicht verkennt, gilt das Erfordernis einer Sozialauswahl auch dann, wenn sich der Arbeitgeber einerseits zu einer
Teilbetriebsstilllegung und andererseits zu einem Betriebsteilübergang entschließt (BAG 28. Oktober 2004 - 8 AZR 391/03 - zu II 3 b der Gründe, BAGE 112,
273 = AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 69 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 56; APS/Kiel 4. Aufl. § 1 KSchG Rn. 501; KR/Griebeling 10. Aufl.
§ 1 KSchG Rn. 611). Bei einer betriebsbedingten Kündigung eines Arbeitnehmers des stillzulegenden Betriebsteils sind bei der Sozialauswahl auch diejenigen
vergleichbaren Arbeitnehmer zu berücksichtigen, die zur Zeit der Kündigung dem später zu übertragenden Betriebsteil angehören. Das Kündigungsverbot in §
613a Abs. 4 Satz 1 BGB schließt die Vergleichbarkeit der Arbeitnehmer in dem stillzulegenden und dem später übergehenden Betriebsteil nicht aus (BAG 28.
Oktober 2004 - 8 AZR 391/03 - zu II 3 c der Gründe, aaO). Die Vorschriften der § 613a Abs. 4 BGB und § 1 Abs. 3 KSchG stehen gleichwertig nebeneinander
(BAG 28. Oktober 2004 - 8 AZR 391/03 - zu II 3 c aa der Gründe, aaO).
2. Das Landesarbeitsgericht hat keine Feststellungen zu der betrieblichen Organisation bei der Beklagten getroffen. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts ist
deshalb aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Eine
Sachentscheidung durch das Revisionsgericht verbietet sich, weil der Rechtsstreit noch nicht zur Entscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO).
Sollte sich herausstellen, dass der Kläger zwar dem Bereich „Ladungsverkehre" in M zugeordnet war, die Beklagte aber insgesamt nur einen einzigen Betrieb
unterhielt, so ist der Frage nachzugehen, ob die Beklagte bei der Kündigung des Klägers gegen die Grundsätze der Sozialauswahl (§ 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG)
verstoßen hat. Sollte das Landesarbeitsgericht die Feststellung treffen, die Betriebsstätte in M sei kündigungsrechtlich als eigener Betrieb (neben anderen)
anzusehen, so wäre eine Sozialauswahl entbehrlich gewesen und die Kündigung scheiterte nicht an § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG, weil allen diesem Betrieb
zugeordneten Arbeitnehmern gekündigt wurde. Die Beklagte hat hierzu im Anschluss an den Hinweisbeschluss des Landesarbeitsgerichts behauptet, die
Betriebsstätte M stelle einen eigenständigen Betrieb und nicht nur einen Betriebsteil dar. Vorgesetzter bzw. Niederlassungsleiter sei Herr Pa und zuletzt
kommissarisch der Geschäftsführer Herr V gewesen. Die Betriebsstätte werde als eigenes Profitcenter mit eigener Kostenstelle geführt. Der Vorgesetzte übe das
Direktionsrecht für die Beklagte aus. Dies umfasse personelle und soziale Angelegenheiten wie Einstellungen und Kündigungen, Abmahnungen, Regelung der
Arbeitszeit, Gewährung von Urlaub etc. Am Standort M seien ursprünglich 104 Arbeitnehmer beschäftigt gewesen, dieser sei auch räumlich weit von dem
Hauptsitz in R, nämlich ca. 420 km, entfernt gewesen. Dies könnte dafür sprechen, dass der Standort M als eigenständiger Betrieb anzusehen ist.
3. Sollte das Landesarbeitsgericht feststellen, dass die Beklagte nur einen einzigen Betrieb unterhalten hat, so hätte bei Ausspruch der Kündigung am 23.
Dezember 2010 eine auf diesen Betrieb bezogene Sozialauswahl stattfinden müssen, die auch all jene Arbeitnehmer hätte miteinbeziehen müssen, die zum 1.
Januar 2011 auf Ma übergegangen sind.
Eine solche Sozialauswahl entfiel vorliegend auch nicht deshalb, weil die Beklagte allen Arbeitnehmern ihres Betriebs gekündigt hat. Zwar ist es richtig, dass
der Arbeitgeber grundsätzlich keine Sozialauswahl vornehmen muss, wenn er allen Arbeitnehmern seines Betriebs kündigt (vgl. BAG 7. Juli 2005 - 2 AZR
447/04 - zu II 3 a der Gründe, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 136 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 139). Dem liegt
aber die Überlegung zugrunde, dass eine Sozialauswahl keinen Sinn mehr macht, wenn - wie bei einer vollständigen Betriebsstilllegung - keine
Weiterbeschäftigungsmöglichkeit mehr besteht. Im vorliegenden Fall hatte die Beklagte bei Ausspruch der Kündigung des Klägers jedoch nicht mehr geplant,
den gesamten Betrieb stillzulegen, sondern es sollte ein Teil der Belegschaft auf Ma übertragen werden. Eine Sozialauswahl war in so einem Fall nicht
entbehrlich, da dem Arbeitnehmer auf diesem Weg sein Arbeitsverhältnis erhalten bleiben konnte. Denn mangels entgegenstehender Anhaltspunkte hätte auch
der Kläger eine Zusage der Ma bekommen müssen, dass diese aus der seitens der Beklagten ausgesprochenen Kündigung keine Rechte herleite. Soweit die
Revision diesbezüglich rügt, das Landesarbeitsgericht habe zu Unrecht in seinem Tatbestand den vollständigen Wortlaut der Unterrichtungsschreiben nach §
613a Abs. 5 BGB gegenüber den auf Ma übergehenden Arbeitnehmern aufgenommen und im Urteil verwertet, ist diese Rüge unbegründet. Es liegt weder eine
Verletzung der Hinweispflicht noch eine Verletzung des rechtlichen Gehörs vor. Den Inhalt ihres Unterrichtungsschreibens musste die Beklagte kennen. Es ist
Sache eines Gerichts, aus derartigem Tatsachenmaterial die rechtlichen Schlussfolgerungen zu ziehen.
4. Allerdings kann entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts die Beklagte geltend machen, zwar habe sie eine Sozialauswahl unterlassen, die Kündigung des
Klägers stelle sich aber bei einer nachträglichen Sozialauswahl als im Ergebnis vertretbare Entscheidung dar.
a) Es ist anerkannt, dass eine Kündigung dann nicht unwirksam ist, wenn mit der Kündigung des Arbeitnehmers eine - gleichwohl zufällig - vertretbare
Auswahlentscheidung getroffen wurde (BAG 7. Juli 2011 - 2 AZR 476/10 - Rn. 48, mwN). Bei der Gewichtung der Auswahlkriterien kommt dem Arbeitgeber
ein Wertungsspielraum zu. Die sozialen Gesichtspunkte muss der Arbeitgeber nur „ausreichend" berücksichtigen. Es handelt sich hierbei um die Anwendung
eines unbestimmten Rechtsbegriffs, die vom Revisionsgericht nur darauf überprüft werden kann, ob das angefochtene Urteil die Rechtsbegriffe selbst verkannt
hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnorm des § 1 KSchG Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt hat (BAG 31.
Mai 2007 - 2 AZR 276/06 - Rn. 63, BAGE 123, 1 = AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 94 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 77). Die
Auswahlentscheidung muss vertretbar sein und nicht unbedingt der Entscheidung entsprechen, die das Gericht getroffen hätte, wenn es eigenverantwortlich
soziale Erwägungen hätte anstellen müssen. Der dem Arbeitgeber vom Gesetz eingeräumte Wertungsspielraum führt dazu, dass nur deutlich schutzwürdigere
Arbeitnehmer mit Erfolg die Fehlerhaftigkeit der sozialen Auswahl rügen können (BAG 7. Juli 2011 - 2 AZR 476/10 - Rn. 48, mwN; 31. Mai 2007 - 2 AZR
276/06 - Rn. 64, aaO).
b) Danach ist die Beklagte ihrer Darlegungslast entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nachgekommen. Der Kläger hat die unterbliebene Sozialauswahl
zunächst gerügt und geltend gemacht, er sei mit denjenigen Arbeitnehmern, die auf Ma übergehen sollten, vergleichbar gewesen. Die Beklagte hat sich sodann
auf den Standpunkt gestellt, sie habe gar keine Sozialauswahl durchführen müssen. Nach einem Hinweis des Berufungsgerichts hat sie die vollständigen
Sozialdaten der nach ihrer Ansicht vergleichbaren Arbeitnehmer vorgelegt, auf ein abstraktes Punkteschema verwiesen und gemeint, die Kündigung des
Klägers stelle sich im Ergebnis als richtig dar. Das Landesarbeitsgericht hat diesen Vortrag für ungenügend gehalten, weil die Beklagte nicht mitgeteilt habe,
welche Arbeitnehmer eine Kündigung erhalten haben und wie vielen Arbeitnehmern - bezogen auf den stillzulegenden Restbetrieb - überhaupt gekündigt
werden musste. Es kann dahinstehen, ob die Beklagte gehalten war, diese zusätzlichen Angaben zu machen. Denn sie hat ihre Angaben in dem Kammertermin,
wie aus den Entscheidungsgründen zu entnehmen ist und wie die Beklagte in ihrer Revisionsschrift mit einer Gehörsrüge auch vorgetragen hat, vor dem
Berufungsgericht ergänzt. Diesen ergänzenden Sachvortrag hat das Landesarbeitsgericht zu Unrecht unberücksichtigt gelassen. Grundsätzlich muss das Gericht
sowohl schriftliches als auch mündliches Vorbringen im Termin zur Kenntnis nehmen. Entscheidungsgrundlage ist das gesamte schriftliche, aber auch
mündliche Vorbringen der Parteien (vgl. Zöller/Greger ZPO 29. Aufl. § 128 Rn. 8; Musielak/Stadler ZPO 9. Aufl. § 128 Rn. 1). Die Garantie des rechtlichen
Gehörs verpflichtet die Gerichte, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (BVerfG 20. September 2012 -
1 BvR 1633/09 - Rn. 11, BeckRS 2012, 59273).
Dies gilt nicht, wenn das Berufungsgericht das ergänzende mündliche Vorbringen zu Recht nach Maßgabe des Verfahrensrechts als verspätet hätte
zurückweisen dürfen. Eine solche Ausnahme ist hier indes nicht ersichtlich. Gemäß § 64 Abs. 7 ArbGG gilt für das Verfahren vor dem Landesarbeitsgericht ua.
die Regelung des § 56 ArbGG. Nach § 56 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 ArbGG kann der Vorsitzende den Parteien die Ergänzung oder Erläuterung ihrer Schriftsätze
aufgeben und eine Frist zur Erklärung über bestimmte klärungsbedürftige Punkte setzen. Das Landesarbeitsgericht ist nach dieser Regelung im Grundsatz
verfahren, indem es die Beklagte durch den Hinweisbeschluss vom 2. September 2011 darauf aufmerksam gemacht hat, dass eine Sozialauswahl uU nicht
entbehrlich war. Es fehlt aber an einer Belehrung über die Folgen nicht fristgerechten Vorbringens (§ 56 Abs. 2 Satz 2 ArbGG). Die Belehrungspflicht gilt auch
dann, wenn die betreffende Partei - wie hier - anwaltlich vertreten ist (vgl. BAG 19. Mai 1998 - 9 AZR 362/97 - zu II 2 d der Gründe, EzA ArbGG 1979 § 56
Nr. 2; GMP/Germelmann 7. Aufl. § 56 Rn. 32; ErfK/Koch 13. Aufl. § 56 ArbGG Rn. 9; Helml in Hauck/Helml/Biebl ArbGG 4. Aufl. § 56 Rn. 18;
GK-ArbGG/Schütz Stand März 2013 § 56 Rn. 50; HWK/Ziemann 5. Aufl. § 56 ArbGG Rn. 47). Das Berufungsgericht kann eine Präklusion des Vorbringens
der Beklagten auch nicht auf die Verletzung der allgemeinen Prozessförderungspflicht nach § 282 Abs. 1 und Abs. 2 iVm. § 296 Abs. 2 ZPO stützen. Es fehlt
insoweit schon an einer nachvollziehbaren Begründung der Präklusion in den Entscheidungsgründen des Berufungsurteils. Insbesondere hat es eine grobe
Nachlässigkeit aufseiten der Beklagten nicht festgestellt (vgl. BVerfG 29. November 1990 - 2 BvR 801/90 - zu B I 2 der Gründe, NJW 1991, 2275; ErfK/Koch
aaO Rn. 14).
Auf diesem Mangel beruht auch das Urteil. Hätte das Landesarbeitsgericht den ergänzenden Vortrag der Beklagten in der mündlichen Verhandlung
berücksichtigt, hätte es zu dem Ergebnis kommen müssen, dass der Sachvortrag der Beklagten zur Darlegung einer unter dem Aspekt der Sozialauswahl im
Ergebnis vertretbaren Kündigung zumindest schlüssig war.
5. Sollte das Landesarbeitsgericht feststellen, dass die Beklagte mit ihrem Argument einer fehlerfreien nachträglichen Sozialauswahl durchdringt, wird das
Landesarbeitsgericht zu prüfen haben, wie es sich kündigungsrechtlich auswirkt, dass die Beklagte in ihrer Massenentlassungsanzeige nach § 17 KSchG nur
von einem Betrieb mit Sitz in R ausgegangen ist. Im Rahmen des § 17 KSchG ist von einem betriebsverfassungsrechtlichen Betriebsbegriff (§§ 1, 4 BetrVG)
auszugehen (BAG 28. Juni 2012 - 6 AZR 780/10 - Rn. 41, EzA KSchG § 17 Nr. 26; 15. Dezember 2011 - 8 AZR 692/10 - Rn. 73, AP BGB § 613a Nr. 424 =
EzA BGB 2002 § 613a Nr. 132). Sofern in M eine Person mit Leitungsmacht die Weisungsrechte des Arbeitgebers ausübte, könnte die betriebliche Einheit
schon aufgrund ihrer räumlichen Entfernung gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG als qualifizierter Betriebsteil und damit als Betrieb iSv. § 17 Abs. 1 KSchG
anzusehen sein. Die Auswirkungen der in R erstatteten Massenentlassungsanzeige nach § 17 KSchG sind im Übrigen auch in dem Fall zu prüfen, dass der
Standort M nicht als Betriebsteil, sondern als eigenständiger Betrieb - bei dem alle Arbeitnehmer entlassen wurden - aufzufassen ist. Die herrschende Meinung
in der Literatur steht auf dem Standpunkt, dass die Einreichung einer Massenentlassungsanzeige bei der örtlich unzuständigen Agentur für Arbeit zur
Unwirksamkeit der Kündigung führen kann (ErfK/Kiel 13. Aufl. § 17 KSchG Rn. 28; MüKoBGB/Hergenröder 6. Aufl. § 17 KSchG Rn. 49; APS/Moll 4. Aufl.
§ 17 KSchG Rn. 96; KR/Weigand 10. Aufl. § 17 KSchG Rn. 74; HaKo-KSchR/Pfeiffer 4. Aufl. § 17 Rn. 62; Schrader in Schwarze/Eylert/Schrader KSchG §
17 Rn. 69; Krieger/Ludwig NZA 2010, 919, 924). ..." (BAG, Urteil vom 14.03.2013 - 8 AZR 153/12)
***
„.. II. Der Anspruch des Klägers auf Abgabe der begehrten Annahmeerklärung folgt aus § 1 Abs. 1 Satz 1 des Vertrags der Parteien vom 30. April 2005 iVm. §
2 Nr. 1 des Vertrags vom 1. September 2003 und Nr. 1 Buchst. b, Nr. 2 Buchst. a SV.
1. Der Senat hat über die zu behandelnden Rechtsfragen großteils schon mit Urteil vom 9. Februar 2011 entschieden (- 7 AZR 91/10 - AP BGB § 307 Nr. 52 =
EzA BGB 2002 § 311a Nr. 2) und unter Berücksichtigung der weiteren Argumente der Beklagten an den Ergebnissen in den Urteilen vom 19. Oktober 2011 (-
7 AZR 471/10 -, - 7 AZR 672/10 - AP BGB § 307 Nr. 58 = EzA KSchG § 1 Wiedereinstellungsanspruch Nr. 10, - 7 AZR 33/11 - und - 7 AZR 743/10 -) sowie
vom 13. Juni 2012 (- 7 AZR 519/10 -, - 7 AZR 537/10 -, - 7 AZR 647/10 -, - 7 AZR 669/10 -, - 7 AZR 738/10 - und - 7 AZR 169/11 -) festgehalten. § 1 Abs. 1
Satz 1 des nach einem einheitlichen Muster geschlossenen Vertrags zwischen vormals beurlaubten Arbeitnehmern und der Beklagten vom 30. April 2005 iVm.
§ 2 Nr. 1 des ebenso mit mehreren Arbeitnehmern inhaltsgleich geschlossenen Vertrags vom 1. September 2003 und Nr. 1 Buchst. b, Nr. 2 Buchst. a SV
begründen für die vertragsschließenden Arbeitnehmer ein sog. besonderes, bis 31. Dezember 2008 auszuübendes Rückkehrrecht in die Dienste der Beklagten,
welches mit einer Klage auf Abgabe einer Annahme- oder einer Angebotserklärung geltend gemacht werden kann. Die benannten Regelungen des
Rückkehrrechts enthalten Allgemeine Geschäftsbedingungen iSv. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB und unterliegen der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1
Satz 1 BGB. Wie die Auslegung von Nr. 2 Buchst. a SV ergibt, verlangt die Vorschrift nicht nur eine wirksame Kündigung; erforderlich ist darüber hinaus,
dass die Kündigung unter Einhaltung der Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 ff. KSchG ausgesprochen wurde. Dieses in Nr. 2 Buchst. a SV begründete
Erfordernis einer nicht nur wirksamen, sondern unter Einhaltung der Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 ff. KSchG ausgesprochenen Kündigung ist unwirksam. Es
benachteiligt den betroffenen Arbeitnehmer entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Weder § 310
Abs. 4 Satz 1 BGB noch § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB stehen der Inhalts- und Angemessenheitskontrolle entgegen. Das besondere Rückkehrrecht in Nr. 1 Buchst. b
und Nr. 2 Buchst. a SV ist teilbar und kann ohne unzumutbare Härte für die Beklagte iSv. § 306 Abs. 3 BGB aufrechterhalten bleiben. Der wirksame Teil der
Nr. 2 Buchst. a SV beschränkt sich auf die Voraussetzung einer - aus betrieblichen Gründen ausgesprochenen - ‚wirksamen Kündigung'. Erfüllt der
Arbeitnehmer die Voraussetzungen des besonderen Rückkehrrechts in diesem Verständnis, hat er - von den Fällen eines kollusiven Zusammenwirkens
zwischen ihm und dem kündigenden Vertragsarbeitgeber im Zeitpunkt der Kündigung abgesehen - einen Anspruch auf (Wieder-)Einstellung bei der Beklagten
und ist nicht auf einen Vertrag zu den Arbeitsbedingungen verwiesen, die im Vermittlungs- und Qualifizierungsbetrieb Vivento gelten (ausf. zu all dem zB
BAG 9. Februar 2011 - 7 AZR 91/10 -; zuletzt zB 13. Juni 2012 - 7 AZR 519/10 -).
2. Hiernach hat das Landesarbeitsgericht zu Recht nach dem in der Revision noch angefallenen Antrag erkannt.
a) Die Anspruchsvoraussetzungen des besonderen Rückkehrrechts nach Nr. 1 Buchst. b, Nr. 2 Buchst. a SV iVm. § 1 Abs. 1 Satz 1 des Vertrags der Parteien
vom 30. April 2005 sowie § 2 Nr. 1 des Vertrags vom 1. September 2003 sind erfüllt. Der Kläger ist ehemaliger Arbeitnehmer der Beklagten. Er stand zum 1.
Oktober 2002 in einem Arbeitsverhältnis mit einer der sog. Kabelgesellschaften und war von der Beklagten beurlaubt. Die KDVS kündigte sein
Arbeitsverhältnis mit ihr unter dem 9. Dezember 2008 ‚aus betriebsbedingten Gründen'. Der Kläger machte das besondere Rückkehrrecht mit der Beklagten am
22. Dezember 2008 übersandten Schreiben geltend. Die von der KDVS aus betrieblichen Gründen ausgesprochene Kündigung ist wirksam. Sie hat das
Arbeitsverhältnis beendet. Die vom Kläger gegen die KDVS erhobene Kündigungsschutzklage ist rechtskräftig abgewiesen. Der Kläger musste entgegen der
Ansicht der Beklagten nicht darlegen und beweisen, dass die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 ff. KSchG erfüllt sind.
b) Für ein kollusives Zusammenwirken des Klägers mit der KDVS bei Ausspruch der Kündigung bestehen keine Anhaltspunkte. Dagegen sprechen schon der
im Zusammenhang mit der Restrukturierungsmaßnahme geschlossene Interessenausgleich und Sozialplan.
c) Der Kläger ist nicht auf einen Vertrag zu den Arbeitsbedingungen verwiesen, die im Vermittlungs- und Qualifizierungsbetrieb Vivento gelten. Die von der
Beklagten geltend gemachte Unmöglichkeit einer Beschäftigung des Klägers zu den Konditionen des begehrten Arbeitsvertrags (‚Disponent') steht dem auf die
Abgabe einer Willenserklärung gerichteten Klageanspruch nicht entgegen. Mit Rechtskraft der den Vertrag begründenden Annahmeerklärung steht der
Vertragsmindestinhalt fest; die Abgabe einer solchen Erklärung ist der Beklagten nicht unmöglich. Allenfalls der - nicht (mehr) streitgegenständlichen -
Beschäftigungsverpflichtung könnte die Beklagte mit dem Unmöglichkeitseinwand begegnen. ..." (BAG, Urteil vom 13.03.2013 - 7 AZR 334/11)
***
„... Das Arbeitsverhältnis des Klägers ist nicht im Wege eines Betriebsübergangs nach § 613a BGB von der Beklagten zu 2. auf die Beklagte zu 1. übergegangen.
1. Die Beklagte zu 2. hat in Vollzug ihres Beschlusses vom 26. Oktober 2009 ihren Betrieb in E mit Wirkung ab 7. Dezember 2009 in zwei eigenständige
Betriebe aufgespalten, und zwar in einen ‚Backoffice'- und einen ‚Callcenter'-Betrieb. Dabei handelte es sich nicht um eine Aufspaltung auf der
Rechtsträgerebene iSd. §§ 123 ff. UmwG, sondern um eine Aufspaltung des bisher von der Beklagten zu 2. unterhaltenen einheitlichen Betriebes in zwei neue
selbständige Betriebe, also um eine unternehmensinterne Betriebsaufspaltung durch Änderung der Organisationsstrukturen.
2. Der seit dem 7. Dezember 2009 selbständige Betrieb ‚Backoffice' wurde mit Wirkung ab 1. Januar 2010 auf die b GmbH im Wege eines Betriebsübergangs
nach § 613a BGB übertragen. Eine entsprechende Übertragung des Betriebes ‚Service-Center Telekommunikation' erfolgte zum selben Zeitpunkt auf die
Beklagte zu 1.
Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, dass die Beklagte zu 2. ihre beiden durch Spaltung neu entstandenen Betriebe zum 1. Januar 2010 mit sämtlichen
materiellen und immateriellen Betriebsmitteln an die Beklagte zu 1. bzw. die b GmbH verpachtet hat und dass beide Pächter nicht nur in die
Kundenbeziehungen eingetreten sind, sondern auch einen nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teil des Personals des jeweiligen Betriebes übernommen
haben. Diese für den Senat bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts (§ 559 Abs. 2 ZPO) rechtfertigten nach der ständigen Rechtsprechung des
Bundesarbeitsgerichts (vgl. BAG 18. August 2011 - 8 AZR 230/10 - AP BGB § 613a Nr. 412 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 127) die Annahme des
Landesarbeitsgerichts, dass im Streitfalle zwei Betriebsübergänge vorgelegen haben. Im Übrigen ist das Vorliegen von Betriebsübergängen zwischen allen
Beteiligten auch unstreitig.
3. Ein Übergang des mit der Betriebsveräußerin, der Beklagten zu 2., bestehenden Arbeitsverhältnisses des Klägers auf die Beklagte zu 1. gemäß § 613a Abs. 1
Satz 1 BGB hätte allerdings nur dann stattgefunden, wenn der Kläger dem übergegangenen Betrieb zugeordnet gewesen wäre (allgemeine Meinung, vgl. BAG
18. Oktober 2012 - 6 AZR 41/11 - Rn. 43, DB 2013, 586).
a) Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht angenommen, dass der Kläger dem Bereich ‚Backoffice' zugeordnet war, welcher ab 7. Dezember 2009 im Wege der
Betriebsaufspaltung als neuer Betrieb ‚Backoffice' verselbständigt wurde.
b) Für die Frage, welchem Betrieb oder Betriebsteil ein Arbeitnehmer zugeordnet ist, kommt es zunächst auf den Willen der Arbeitsvertragsparteien an (st.
Rspr., vgl. BAG 21. Juni 2012 - 8 AZR 181/11 - Rn. 78, BB 2012, 3144). Liegt ein solcher weder in ausdrücklicher noch in konkludenter Form vor, so erfolgt
die Zuordnung grundsätzlich - ebenfalls ausdrücklich oder konkludent - durch den Arbeitgeber aufgrund seines Direktionsrechts (st. Rspr., vgl. BAG 24. Mai
2005 - 8 AZR 398/04 - Rn. 41, BAGE 114, 374 = AP BGB § 613a Nr. 284 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 35).
Das Landesarbeitsgericht hat für den Senat bindend festgestellt, dass der Kläger aufgrund einer Anweisung der Beklagten zu 2. ab Sommer 2009 - entweder ab
1. Juli oder ab September 2009 - einen Arbeitsplatz in einem Raum, dem sogenannten Studio 5b, im ersten Obergeschoss des Gebäudes in der C in E
zugewiesen bekommen hatte. Dort verrichtete er ausschließlich sogenannte ‚Backofficetätigkeiten' im Zwei-Schicht-Modell. Im übrigen Bereich, dem
Großraumbüro des Callcenters, wurden andere Mitarbeiter mit Telefontätigkeiten im 24-Stunden-Takt eingesetzt.
Es kann dahinstehen, ob dies eine einvernehmliche Zuordnung des Klägers zum Arbeitsbereich ‚Backoffice' dargestellt hat. Auf jeden Fall lag eine
entsprechende Zuordnung des Klägers aufgrund einer im Rahmen des Direktionsrechts getroffenen Weisung der Beklagten zu 2. vor. Davon ist auch das
Landesarbeitsgericht in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise ausgegangen. Dass und warum die Beklagte zu 2. in diesem Zusammenhang ihr
Direktionsrecht dem Kläger gegenüber unter Verstoß gegen § 106 GewO, dh. insbesondere nicht nach billigem Ermessen, ausgeübt haben soll, ist in den
Vorinstanzen vom Kläger nicht konkret dargetan worden. Auch in seiner Revisionserwiderung macht er lediglich geltend, die ‚Zuordnungsentscheidung der
Beklagten zu 2. im Sommer 2009' habe ‚die Grenzen des billigen Ermessens verletzt', da ‚es einen sachlichen Grund für eine Versetzung des Klägers in den
Betriebsteil Backoffice nicht gab'. Nachdem es grundsätzlich dem Arbeitgeber freisteht, mit welchen vertraglich geschuldeten Tätigkeiten er den Arbeitnehmer
betraut, hätte es dem Kläger oblegen, konkret darzutun, warum es billigem Ermessen widersprochen haben soll, dass ihm die Beklagte zu 2. Aufgaben im
‚Backoffice'-Bereich zugewiesen hat, obwohl er solche Tätigkeiten - zumindest teilweise - bereits zuvor ausgeübt hatte. Nur wenn ein solches substantiiertes
Bestreiten erfolgt wäre, hätte die Beklagte zu 2. darlegen und beweisen müssen, dass und aus welchen Gründen ihre Zuordnungsentscheidung durch § 106
GewO gedeckt war.
c) Dem Umstand, dass der Kläger in der Anlage 1 zum Interessenausgleich vom 27. November 2009 als ‚Mitarbeiter Betrieb Backoffice' genannt ist, kommt für
seine Zuordnung zu diesem Betrieb keine rechtlich bindende Wirkung zu. Wäre nämlich keine wirksame (frühere) Zuordnung des Klägers zum Betrieb
‚Backoffice' erfolgt gewesen, so wäre die (nachträgliche) Zuordnung zu diesem Betrieb mittels eines Interessenausgleichs wegen Verstoßes gegen § 613a BGB
unwirksam (vgl. BAG 21. Juni 2012 - 8 AZR 181/11 - Rn. 81, BB 2012, 3144).
4. Damit wäre das Arbeitsverhältnis des Klägers nach § 613a Abs. 1 BGB grundsätzlich auf die Übernehmerin des Betriebes ‚Backoffice', dh. auf die b GmbH
übergegangen. Diesem Übergang hat der Kläger jedoch form- und fristgerecht gemäß § 613a Abs. 6 BGB mit Schreiben vom 29. Dezember 2009 gegenüber der
Beklagten zu 2. widersprochen.
5. Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts war der Kläger nach seinem Widerspruch nicht dem Betrieb ‚Service-Center Telekommunikation'
zuzuordnen, welcher am 1. Januar 2010 im Wege des Betriebsübergangs auf die Beklagte zu 1. übergegangen ist.
a) Arbeitsverhältnisse von Arbeitnehmern, die dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf einen Betriebserwerber wirksam gemäß § 613a Abs. 6 BGB
widersprochen haben, fallen nicht ‚automatisch' in den vom Arbeitgeber eventuell weitergeführten und einem späteren Betriebsübergang zugänglichen Bereich
(BAG 13. Februar 2003 - 8 AZR 102/02 - Rn. 45, AP BGB § 613a Nr. 245 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 6).
b) Der Kläger hatte keinen Anspruch gegen die Beklagte zu 2. auf Zuordnung zum Betrieb ‚Service-Center Telekommunikation' ab Zugang seines
Widerspruches vom 29. Dezember 2009.
Zwar hat der Kläger in seinem Widerspruchsschreiben erklärt: ‚Ich stehe Ihnen gern für eine Tätigkeit in der neu gegründeten Firma t GmbH zur Verfügung'.
Dies kann als Angebot zu einer Änderung der arbeitsvertraglichen Vereinbarungen über den Beschäftigungsbereich, dh. nunmehrige Beschäftigung im Betrieb
‚Service-Center Telekommunikation' verstanden werden. Allerdings bestand keine Verpflichtung der Beklagten zu 2., dieses Änderungsangebot des Klägers
anzunehmen. Das Vertragsrecht, wozu auch das Arbeitsvertragsrecht zählt, kennt grundsätzlich keinen Kontrahierungszwang und damit auch keinen Anspruch,
das Vertragsänderungsangebot eines Vertragspartners anzunehmen. Gesetzliche Ausnahmen von diesem Grundsatz, wie zB die Vertragsänderungsansprüche in
§ 8 TzBfG oder § 15 BEEG, greifen vorliegend nicht ein. Ebenso wenig folgt ein solcher Anspruch des Klägers auf Vertragsänderung aus § 242 BGB. Die
Beklagte zu 2. war nicht nach Treu und Glauben verpflichtet, mit dem Kläger eine Vereinbarung über eine Weiterbeschäftigung in dem Betrieb ‚Service-Center
Telekommunikation' für die Zeit zwischen Zugang des Widerspruches und dem Betriebsübergang zu treffen und ihm somit die Übernahme durch die t GmbH
gemäß § 613a Abs. 1 BGB zu ermöglichen und die Möglichkeit einer betriebsbedingten Kündigung wegen Wegfalls seines Arbeitsplatzes bei der Beklagten zu
2. auszuschließen. Der Schutz des Arbeitnehmers, insbesondere der vor einem Arbeitsplatzverlust bei Betriebsübergängen, wird durch die Regelungen des §
613a BGB und des Kündigungsschutzgesetzes gewährleistet. Darüber hinausgehende besondere Fürsorgepflichten treffen den Arbeitgeber als
Betriebsveräußerer gegenüber dem vom Betriebsübergang betroffenen Arbeitnehmer im Regelfalle nicht. Hinzukommt, dass die Beklagte zu 2. im Falle einer
vereinbarten Beschäftigung im Betrieb ‚Service-Center Telekommunikation' den Kläger gleichzeitig gemäß § 613a Abs. 5 BGB über den zum 1. Januar 2010
geplanten Betriebsübergang auf die Beklagte zu 1. hätte unterrichten müssen. Abgesehen von der Frage, ob eine solche Unterrichtung vor dem 1. Januar 2010
im Streitfalle überhaupt noch in der gesetzlichen Form und dem vorgeschriebenen Umfang möglich gewesen wäre, ist bei der nach § 242 BGB
vorzunehmenden Abwägung zugunsten der Beklagten zu 2. auch zu berücksichtigen, dass sie damit rechnen musste, dass der Kläger auch einem Übergang
seines Arbeitsverhältnisses auf die Beklagte zu 1. nach einer dem § 613a Abs. 5 BGB entsprechenden Unterrichtung widersprechen werde. Ob die Erklärung
des Klägers in seinem Widerspruchsschreiben vom 29. Dezember 2009, er stehe auch für eine Tätigkeit bei der Beklagten zu 1. zur Verfügung, einen
wirksamen Verzicht auf das Widerspruchsrecht nach § 613a Abs. 6 BGB - auch für die Zeit nach der Unterrichtung gemäß § 613a Abs. 5 BGB - darstellt,
musste für die Beklagte zu 2. zumindest zweifelhaft erscheinen.
c) Da die Beklagte zu 2. nach dem Widerspruch des Klägers keine neue Zuordnung vorgenommen hat, ist § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB nicht einschlägig, da es an
einer ‚getroffenen Bestimmung' im Sinne dieser Vorschrift fehlt. Allein die Freistellung des Klägers ab 1. Januar 2010 stellt keine Zuordnung zu einem Betrieb
oder Betriebsteil dar, weil es an der Zuweisung eines anderen Arbeitsbereiches fehlt (vgl. BAG 28. März 2000 - 1 ABR 17/99 - BAGE 94, 163 = AP BetrVG
1972 § 95 Nr. 39 = EzA BetrVG 1972 § 95 Nr. 33).
d) § 315 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 BGB, der für den Fall gilt, dass eine Bestimmung iSd. § 315 BGB ‚verzögert wird', ist im Streitfalle ebenfalls nicht anwendbar,
weil die Beklagte nicht verpflichtet war, den Kläger dem Betrieb ‚Service-Center Telekommunikation' zuzuordnen. Eine solche Zuordnung hätte sich als
Versetzung iSd. § 95 Abs. 3 BetrVG dargestellt, da die Tätigkeit in einem anderen Betrieb stets als Tätigkeit in einem anderen Arbeitsbereich iSd. § 95 Abs. 3
BetrVG anzusehen ist (BAG 19. Februar 1991 - 1 ABR 36/90 - BAGE 67, 236 = AP BetrVG 1972 § 95 Nr. 26 = EzA BetrVG 1972 § 95 Nr. 24). Eine solche
Versetzung hätte daher auch nicht durch die Beklagte zu 2. unmittelbar nach Zugang des Widerspruchsschreibens des Klägers (dh. frühestens am 29. Dezember
2009) erfolgen dürfen, da eine solche Versetzung der Zustimmung des Betriebsrats nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG bedurft hätte. Eine ‚vorläufige' Versetzung
nach § 100 Abs. 1 BetrVG wäre allein deshalb unzulässig gewesen, weil es an einem sachlichen Grund gefehlt hätte, der die Versetzung als dringend
erforderlich iSd. § 100 Abs. 1 Satz 1 BetrVG hätte erscheinen lassen. Als solche sachlichen Gründe gelten nämlich nur betriebliche Gründe (hM: vgl. Fitting
26. Aufl. § 100 Rn. 4a). Daran ändert auch ein Einverständnis des Klägers mit seiner Versetzung nichts, weil dieses das Beteiligungsrecht des Betriebsrats nach
§ 99 BetrVG nicht ausschließt (BAG 14. November 1989 - 1 ABR 87/88 - Rn. 27, AP BetrVG 1972 § 99 Nr. 76 = EzA BetrVG 1972 § 99 Nr. 85).
aa) Grundsätzlich entscheidet der Arbeitgeber aufgrund seines Organisations- und Direktionsrechts über den Arbeitseinsatz des Arbeitnehmers. Dieser hat nur
Anspruch auf vertragsgemäße Arbeit zu vertragsgemäßen Bedingungen (vgl. BAG 7. Februar 2007 - 5 AZR 422/06 - Rn. 18, BAGE 121, 133 = AP BGB § 615
Böswilligkeit Nr. 12 = EzA BGB 2002 § 615 Nr. 19), nicht auf eine Beschäftigung auf einem bestimmten Arbeitsplatz oder in einem bestimmten
Arbeitsbereich, außer wenn die Tätigkeit sich entsprechend konkretisiert hatte. Dies war jedoch nicht der Fall, weil der Kläger bisher sowohl Tätigkeiten im
‚Backoffice' als auch im ‚Callcenter-Bereich' ausgeübt hatte.
bb) Im Übrigen ist die ermessensfehlerfreie Ausübung des Weisungsrechts bezogen auf den Beginn der Personalmaßnahme zu prüfen. Dies ist hier die
Zuordnung des Klägers zum Tätigkeitsbereich ‚Backoffice' im Juli oder September 2009. Eine neuerliche Prüfung bei Eintritt der Beendigung der
Personalmaßnahme, die sich im Streitfalle als der Zeitpunkt des Widerspruches des Klägers gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die b GmbH
darstellt, erfolgt nicht (vgl. BAG 17. Januar 2006 - 9 AZR 226/05 - Rn. 48, AP BAT-O § 24 Nr. 6).
e) Der Kläger hatte nach seinem Widerspruch keinen Anspruch aus § 241 Abs. 2 BGB auf Versetzung durch die Beklagte zu 2. in den Betrieb ‚Service-Center
Telekommunikation'. Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils
verpflichten (§ 241 Abs. 2 BGB). Die Interessen des Klägers im Hinblick auf den Bestand seines Arbeitsverhältnisses waren jedoch durch § 613a BGB
gewahrt. Danach geht das Arbeitsverhältnis mit allen Rechten und Pflichten auf den Betriebserwerber über. Insbesondere bleibt dem Arbeitnehmer auch ein
einzelvertraglich vereinbarter besonderer Kündigungsschutz erhalten. Widerspricht der Arbeitnehmer, trägt er das Risiko, dass für ihn kein
Beschäftigungsbedarf beim Betriebsveräußerer mehr besteht, weil aufgrund des Betriebsübergangs sein alter Betrieb nicht mehr existiert. Der Arbeitgeber ist
grundsätzlich nicht verpflichtet, dem Arbeitnehmer dieses Risiko dadurch zu nehmen, dass er ihn in einen anderen Betrieb seines Unternehmens versetzt. Dies
gilt auf jeden Fall dann, wenn er - wie im Streitfalle - den anderen Betrieb ebenfalls bereits an einen Betriebserwerber veräußert hat und er diesem - nach
Abschluss der Übernahmevereinbarungen - einen zusätzlich zu übernehmenden Arbeitnehmer ‚verschaffen' würde.
Der in § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Buchst. b KSchG zum Ausdruck kommende Rechtsgedanke ist auf die vorliegende Fallgestaltung nicht entsprechend
anzuwenden. Diese Norm erklärt eine Kündigung ua. dann für sozial ungerechtfertigt und damit für rechtsunwirksam, wenn der gekündigte Arbeitnehmer in
einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann und der Betriebsrat aus diesem Grund der Kündigung nach § 102 Abs. 2 Satz 1
BetrVG schriftlich widersprochen hat. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts führt diese anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit auch ohne
einen diesbezüglichen Widerspruch des Betriebsrats zur Unwirksamkeit der Kündigung (BAG 17. Mai 1984 - 2 AZR 109/83 - BAGE 46, 191 = AP KSchG
1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 21 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 32). Aus diesem gesetzlichen Schutz des Arbeitnehmers vor
betriebsbedingten Arbeitgeberkündigungen ist nicht die Verpflichtung des Arbeitgebers abzuleiten, einen Arbeitnehmer, der einem gemäß § 613a Abs. 1 BGB
auf einen Erwerber übergegangen Betrieb zugeordnet war, einem anderen Betrieb zuzuordnen, wenn er dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf den
Erwerber widersprochen hat. Dies gilt insbesondere bei einer Fallgestaltung wie der vorliegenden. Hier würde eine analoge Anwendung des Rechtsgedankens
des § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Buchst. b KSchG dazu führen, dass der Kläger ein Wahlrecht hätte, von welchem der beiden Betriebserwerber er gemäß § 613a
BGB ‚übernommen' werden möchte. Er könnte sich seinen neuen Arbeitgeber gleichsam durch Ausübung oder Nichtausübung seines Widerspruchsrechts
auswählen. Für eine Anwendbarkeit des § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Buchst. b KSchG ist allenfalls Raum im Rahmen der Prüfung, ob eine vom Betriebsveräußerer
wegen des Wegfalls eines Beschäftigungsbedarfs ausgesprochene betriebsbedingte Kündigung sozial gerechtfertigt ist. ..." (BAG, Urteil vom 21.02.2013 - 8
AZR 877/11)
***
„... II. Im Übrigen ist die Revision des Klägers begründet. Die Begründung, mit der das Landesarbeitsgericht den geltend gemachten Entschädigungsanspruch
abgewiesen hat, hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.
1. Der auf Zahlung einer Entschädigung gerichtete Klageantrag ist zulässig, insbesondere ist er hinreichend bestimmt (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Der Kläger
durfte die Höhe der von ihm begehrten Entschädigung in das Ermessen des Gerichts stellen. § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG räumt dem Gericht bei der Höhe der
Entschädigung einen Beurteilungsspielraum ein, weshalb eine Bezifferung des Zahlungsantrags nicht notwendig ist. Erforderlich ist allein, dass der Kläger
Tatsachen, die das Gericht bei der Bestimmung des Betrags heranziehen soll, benennt und die Größenordnung der geltend gemachten Forderung angibt (vgl.
BAG 13. Oktober 2011 - 8 AZR 608/10 - Rn. 16, EzA AGG § 15 Nr. 16). Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Der Kläger hat einen Sachverhalt dargelegt, der
dem Gericht die Bestimmung einer Entschädigung ermöglicht, und den Mindestbetrag der angemessenen Entschädigung mit 10.500,00 Euro beziffert.
2. Ob die Klage begründet ist und dem Kläger ein Anspruch auf eine angemessene Entschädigung gemäß § 15 Abs. 2 AGG zusteht, kann der Senat aufgrund
der vom Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellungen nicht entscheiden.
a) Der Kläger ist als Bewerber ‚Beschäftigter' nach § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG und fällt in den persönlichen Anwendungsbereich des AGG. Dabei spielt es keine
Rolle, ob er für die ausgeschriebene Tätigkeit objektiv geeignet ist (BAG 13. Oktober 2011 - 8 AZR 608/10 - Rn. 18, EzA AGG § 15 Nr. 16). Auch auf die
subjektive Ernsthaftigkeit der Bewerbung kommt es nicht an. Das Fehlen einer solchen würde allenfalls zum Einwand treuwidrigen Verhaltens des Bewerbers
führen (BAG 16. Februar 2012 - 8 AZR 697/10 - Rn. 24, EzA AGG § 15 Nr. 17).
b) Die Beklagte ist als ‚Arbeitgeberin' passiv legitimiert. Nach § 6 Abs. 2 Satz 1 AGG ist Arbeitgeber im Sinne des Gesetzes, wer ‚Personen nach Absatz 1'
des § 6 AGG ‚beschäftigt'. Arbeitgeber eines Bewerbers ist also der, der um Bewerbungen für ein von ihm angestrebtes Beschäftigungsverhältnis gebeten hat
(BAG 13. Oktober 2011 - 8 AZR 608/10 - Rn. 19, EzA AGG § 15 Nr. 16).
c) Der Entschädigungsanspruch ist rechtzeitig geltend gemacht worden.
aa) Gemäß § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG muss ein Anspruch aus § 15 Abs. 2 AGG innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden. Im
Falle einer Bewerbung beginnt die Frist mit dem Zugang der Ablehnung (§ 15 Abs. 4 Satz 2 AGG). Mit Schreiben vom 4. Juni 2009 hat die Beklagte dem
Kläger eine Absage erteilt. Dieser hat am 2. August 2009 einen Entschädigungs- und Unterlassungsanspruch schriftlich geltend gemacht. Mangels
anderweitigen Sachvortrags der Parteien ist deshalb unter Zugrundelegung der üblichen Postlaufzeiten davon auszugehen, dass die Frist des § 15 Abs. 4 Satz 1
AGG gewahrt ist.
bb) Der Kläger hat seinen Entschädigungsanspruch durch die beim Arbeitsgericht am 28. Oktober 2009 eingegangene Klage innerhalb der dreimonatigen
Klageerhebungsfrist des § 61b Abs. 1 ArbGG geltend gemacht.
d) Voraussetzung für einen Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG ist ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 AGG. § 15 Abs. 2
AGG enthält nur eine Rechtsfolgenregelung, für die Anspruchsvoraussetzungen ist auf § 15 Abs. 1 AGG zurückzugreifen (BAG 16. Februar 2012 - 8 AZR
697/10 - Rn. 30, EzA AGG § 15 Nr. 17).
Im Streitfalle liegen Indizien vor, die eine unzulässige Benachteiligung des Klägers wegen dessen Alters vermuten lassen (§§ 1, 3 Abs. 1, § 7 Abs. 1, § 22 AGG).
aa) Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG liegt eine unmittelbare Benachteiligung vor, wenn ein Beschäftigter wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes - zu denen
auch das Alter zählt - eine weniger günstige Behandlung erfährt als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde.
bb) Der Kläger erfuhr eine weniger günstige Behandlung als die Bewerber, die zu einem Assessment-Center bei der Beklagten eingeladen wurden. Ein Nachteil
im Rahmen einer Auswahlentscheidung liegt auch dann vor, wenn der Bewerber - wie hier der Kläger - nicht in die Auswahl einbezogen, sondern vorab in
einem Bewerbungsverfahren ausgeschieden wird. Die Benachteiligung liegt bereits in der Versagung einer Chance (st. Rspr., vgl. BAG 13. Oktober 2011 - 8
AZR 608/10 - Rn. 24, EzA AGG § 15 Nr. 16).
cc) Das Vorliegen einer vergleichbaren Situation setzt voraus, dass der Kläger objektiv für die ausgeschriebene Stelle geeignet war, denn vergleichbar (nicht:
gleich) ist die Auswahlsituation nur für Arbeitnehmer, die gleichermaßen die objektive Eignung für die zu besetzende Stelle aufweisen. Für das Vorliegen einer
Benachteiligung ist es erforderlich, dass eine Person, die an sich für die Tätigkeit geeignet wäre, nicht ausgewählt oder schon nicht in Betracht gezogen wurde.
Könnte auch ein objektiv ungeeigneter Bewerber immaterielle Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG verlangen, stünde dies nicht im Einklang mit dem
Schutzzweck des AGG. Das AGG will vor ungerechtfertigter Benachteiligung schützen, nicht eine unredliche Gesinnung des (potentiellen) Arbeitgebers
sanktionieren. Die objektive Eignung ist keine ungeschriebene Voraussetzung der Bewerbereigenschaft, sondern Kriterium der ‚vergleichbaren Situation' iSd. §
3 Abs. 1 AGG (BAG 13. Oktober 2011 - 8 AZR 608/10 - Rn. 26, EzA AGG § 15 Nr. 16).
Grundsätzlich ist für die objektive Eignung nicht auf das formelle Anforderungsprofil, welches der Arbeitgeber erstellt hat, abzustellen, sondern auf die
Anforderungen, die der Arbeitgeber an einen Stellenbewerber stellen durfte. Der Arbeitgeber darf zwar grundsätzlich über den der Stelle zugeordneten
Aufgabenbereich und die dafür geforderten Qualifikationen des Stelleninhabers frei entscheiden, er darf aber nicht durch willkürlich gewählte Anforderungen
den Schutz des AGG faktisch beseitigen (vgl. BAG 7. April 2011 - 8 AZR 679/09 - Rn. 38, AP AGG § 15 Nr. 6 = EzA AGG § 15 Nr. 13). Der Arbeitgeber des
öffentlichen Dienstes ist verpflichtet, für die zu besetzende Stelle ein Anforderungsprofil festzulegen und nachvollziehbar zu dokumentieren, weil nur so seine
Auswahlentscheidung nach den Kriterien der Bestenauslese gerichtlich überprüft werden kann (BAG 7. April 2011 - 8 AZR 679/09 - Rn. 43, aaO). Dem
Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes steht bei der Anwendung von Art. 33 Abs. 2 GG und damit auch bei der Festlegung des Anforderungsprofils ein
Beurteilungsspielraum zu, der nur eine eingeschränkte gerichtliche Kontrolle zulässt. Die Festlegung des Anforderungsprofils muss aber dem Grundsatz der
‚Bestenauslese' Rechnung tragen und muss im Hinblick auf die Anforderungen der zu besetzenden Stelle sachlich nachvollziehbar sein (BAG 7. April 2011 - 8
AZR 679/09 - Rn. 45, aaO).
dd) Die Beklagte hat in ihrer Stellenanzeige Hochschulabsolventen gesucht, um Führungskräfte in der Verwaltung zu rekrutieren. Der Kläger verfügt über das
erste und zweite juristische Staatsexamen und erfüllt daher grundsätzlich die von der Beklagten gestellten Anforderungen. Eine bestimmte Mindestnote hat sie
in dem Stellenprofil nicht gefordert, obwohl sie dazu grundsätzlich berechtigt gewesen wäre (vgl. BAG 7. April 2011 - 8 AZR 679/09 - Rn. 48, AP AGG § 15
Nr. 6 = EzA AGG § 15 Nr. 13).
ee) Es liegen auch Indizien für die Vermutung vor, dass der Kläger ‚wegen' seines Alters benachteiligt worden ist.
Der Kausalzusammenhang zwischen nachteiliger Behandlung und Alter ist bereits dann gegeben, wenn die Benachteiligung an das Alter anknüpft oder durch
dieses motiviert ist. Dabei ist es nicht erforderlich, dass der betreffende Grund das ausschließliche Motiv für das Handeln des Benachteiligenden ist.
Ausreichend ist vielmehr, dass das verpönte Merkmal Bestandteil eines Motivbündels ist, welches die Entscheidung beeinflusst hat. Auf ein schuldhaftes
Handeln oder gar eine Benachteiligungsabsicht kommt es nicht an (BAG 16. Februar 2012 - 8 AZR 697/10 - Rn. 42, EzA AGG § 15 Nr. 17).
Hinsichtlich der Kausalität zwischen Nachteil und dem verpönten Merkmal ist in § 22 AGG eine Beweislastregelung getroffen, die sich auch auf die
Darlegungslast auswirkt. Der Beschäftigte genügt danach seiner Darlegungslast, wenn er Indizien vorträgt, die seine Benachteiligung wegen eines verbotenen
Merkmals vermuten lassen. Dies ist der Fall, wenn die vorgetragenen Tatsachen aus objektiver Sicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen
lassen, dass die Benachteiligung wegen dieses Merkmals erfolgt ist. Durch die Verwendung der Wörter ‚Indizien' und ‚vermuten' bringt das Gesetz zum
Ausdruck, dass es hinsichtlich der Kausalität zwischen einem der in § 1 AGG genannten Gründe und einer ungünstigeren Behandlung genügt, Hilfstatsachen
vorzutragen, die zwar nicht zwingend den Schluss auf die Kausalität erfordern, die aber die Annahme rechtfertigen, dass Kausalität gegeben ist (BAG 27.
Januar 2011 - 8 AZR 580/09 - Rn. 29, EzA AGG § 22 Nr. 3). Liegt eine Vermutung für die Benachteiligung vor, trägt nach § 22 AGG die andere Partei die
Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat.
ff) Nach diesen Grundsätzen ist eine Benachteiligung des Klägers wegen seines Alters zu vermuten.
Anknüpfungspunkt für die Vermutung einer Benachteiligung wegen des Alters ist im vorliegenden Falle der Text der Stellenausschreibung. Diese enthält neben
den Bewerbungskriterien ‚Hochschulabsolventen' und ‚Berufsanfänger' auch das Kriterium ‚Young Professionells'. Letzteres kann mit ‚junger Fachmann/-frau'
übersetzt werden (vgl. Wahrig Deutsches Wörterbuch 8. Aufl. S. 1680). Damit hat die Beklagte direkt auf das Merkmal ‚Alter' abgestellt. Sie hat zum Ausdruck
gebracht, dass es ihr nicht allein darum ging, Bewerber, die gerade ihren Hochschulabschluss geschafft haben und demnach noch keine oder wenig
Berufserfahrung aufweisen, anzusprechen. Diese Kriterien mag etwa auch derjenige erfüllen, der ungewöhnlich lange studiert und erst im vorgerückten Alter
seinen Abschluss gemacht hat. Diesen Bewerberkreis wollte die Beklagte erkennbar aber nicht ansprechen. Neben fehlender Berufserfahrung sollten die
Bewerber vielmehr auch noch ‚jung' sein. Zwar ist der Begriff ‚jung' nicht eindeutig zu definieren (BAG 19. August 2010 - 8 AZR 530/09 - Rn. 59, AP AGG §
15 Nr. 5 = EzA AGG § 15 Nr. 10), jedoch bringt die Zusammenschau der Kriterien ‚Hochschulabsolvent' und ‚Berufsanfänger' sowie ‚Young Professionells'
aus Sicht eines objektiven Lesers des Stellenprofils die Erwartungshaltung der Beklagten zum Ausdruck, dass die Bewerber nicht älter als 30, maximal 35 Jahre
alt sein sollten. Auch die Beklagte geht davon aus, dass sie mit der Stellenanzeige vornehmlich jüngere Menschen im Altersdurchschnitt von 25 bis 30 Jahren
angesprochen hat.
Nach § 11 AGG darf ein Arbeitsplatz nicht unter Verstoß gegen § 7 Abs. 1 AGG ausgeschrieben werden. Eine Ausschreibung verstößt gegen § 7 Abs. 1 AGG,
wenn Menschen, die ein in § 1 AGG genanntes Merkmal aufweisen, vom Kreis der für die zu besetzende Stelle in Betracht kommenden Personen
ausgeschlossen werden (BAG 19. August 2010 - 8 AZR 530/09 - Rn. 57, AP AGG § 15 Nr. 5 = EzA AGG § 15 Nr. 10). Die Verletzung der Verpflichtung,
einen Arbeitsplatz nicht unter Verstoß gegen § 7 Abs. 1 AGG auszuschreiben, kann die Vermutung begründen, die Benachteiligung sei wegen des in der
Ausschreibung bezeichneten verbotenen Merkmals erfolgt (vgl. BAG 19. August 2010 - 8 AZR 530/09 - Rn. 59, aaO).
gg) Nach der Stellenanzeige wurden ‚junge' Fachleute bzw. Hochschulabsolventen ohne Berufserfahrung gesucht. Mit dieser Einschränkung werden solche
Personen, die nicht mehr ‚jung' sind, vom Kreis derer, die für die zu besetzende Stelle in Betracht kommen, ausgeschlossen. Dabei ist es nicht entscheidend,
dass der Begriff ‚jung' nicht eindeutig zu definieren ist. Jedenfalls im Zusammenhang mit den anderen geforderten Kriterien, nämlich ‚Hochschulabsolvent' und
‚Berufsanfänger', wird deutlich, dass es der Beklagten um eine Zielgruppe von Akademikern von rund 30 Jahren ging. Der Kläger erfüllte dieses Kriterium mit
36 Jahren nicht mehr.
hh) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist nicht davon auszugehen, dass die unterschiedliche Behandlung wegen des Alters nach § 10 Satz 1
AGG gerechtfertigt ist.
§ 10 Satz 1 und Satz 2 AGG gestatten die unterschiedliche Behandlung wegen des Alters, wenn diese objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel
gerechtfertigt ist. Die Rechtfertigungsgründe werden in § 10 Satz 1 und Satz 2 AGG zunächst in Form einer Generalklausel umschrieben. § 10 Satz 3 AGG
zählt dann, wie sich aus dem Wort ‚insbesondere' ergibt, Beispielsfälle auf, ohne dass es sich um einen abschließenden Katalog handelt (BAG 22. Januar 2009 -
8 AZR 906/07 - Rn. 40, BAGE 129, 181 = AP AGG § 15 Nr. 1 = EzA AGG § 15 Nr. 1). Unter einem ‚legitimen Ziel' iSv. § 10 Satz 1 und Satz 2 AGG sind
nicht nur im Interesse der Allgemeinheit liegende Ziele zu verstehen, sondern auch betriebs- und unternehmensbezogene Interessen, wobei es sich nicht um
gesetzlich anerkannte Interessen handeln muss (BAG 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 53, aaO).
Die unterschiedliche Behandlung muss ‚objektiv' gerechtfertigt sein. Es ist dabei zu prüfen, ob das verfolgte Interesse auf tatsächlichen und nachvollziehbaren
Erwägungen beruht und ob die Ungleichbehandlung nicht nur aufgrund von bloßen Vermutungen oder subjektiven Einschätzungen vorgenommen wird. Sie
muss ferner ‚angemessen' sein. Dies erfordert eine Verhältnismäßigkeitsprüfung. Danach muss das verfolgte Ziel in einem angemessenen Verhältnis zu der
Ungleichbehandlung stehen. Dafür ist eine Abwägung zwischen dem Schutz vor Ungleichbehandlung und dem verfolgten Ziel vorzunehmen. Die
Ungleichbehandlung muss letztlich durch das verfolgte Ziel sachlich gerechtfertigt sein. Nach § 10 Satz 2 AGG ist ferner zu prüfen, ob auch die eingesetzten
Mittel zur Erreichung des Ziels verhältnismäßig sind (BAG 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 55, BAGE 129, 181 = AP AGG § 15 Nr. 1 = EzA AGG § 15
Nr. 1).
Gemessen an diesen Anforderungen hat die Beklagte keine Rechtfertigung iSv. § 10 AGG dargelegt.
Sie kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass sie mit dem Anforderungsprofil ‚junge Berufsanfänger' eine ausgewogene Altersstruktur anstrebe, weil die
Mitarbeiter in der Verwaltung eher in vorgerücktem Alter stünden.
Allerdings kann die Sicherung einer ausgewogenen Altersstruktur grundsätzlich als ein legitimes Ziel iSv. § 10 Satz 1 AGG angesehen werden. Zu
Altersgrenzen vertritt der EuGH nach gefestigter Rechtsprechung die Auffassung, dass ein ‚günstiger Altersaufbau' sogar aus Gründen der Beschäftigungs- und
Sozialpolitik gerechtfertigt sein könne. Denn es gehe regelmäßig auch darum, zum Erfahrungsaustausch zwischen Beschäftigten verschiedener Generationen
beizutragen und die Einstellung jüngerer Arbeitnehmer zu ermöglichen (vgl. EuGH 21. Juli 2011 - C-159/10 und C-160/10 - [Fuchs und Köhler] Rn. 49 f., AP
Richtlinie 2000/78/EG Nr. 21 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 20). Auch der deutsche Gesetzgeber hat in § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG beim
Ausspruch von betriebsbedingten Kündigungen die Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur im Betrieb grundsätzlich als legitimes Ziel anerkannt (vgl.
BAG 15. Dezember 2011 - 2 AZR 42/10 - Rn. 52 ff., AP KSchG 1969 § 1 Namensliste Nr. 21 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 84). Allerdings deckt die
Vorschrift nur die ‚Sicherung', nicht aber eine ‚Veränderung' der Personalstruktur ab. Wenn, wie hier, der Arbeitgeber einem drohenden Überalterungsprozess
in seiner Belegschaft entgegenwirken will, indem er nur noch jüngere Arbeitnehmer einstellt, lässt sich dies jedenfalls nicht mit dem Rechtsgedanken aus § 1
Abs. 3 Satz 2 KSchG begründen (vgl. BAG 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 57, BAGE 129, 181 = AP AGG § 15 Nr. 1 = EzA AGG § 15 Nr. 1).
Ob es ein legitimes Ziel iSv. § 10 Satz 1 und Satz 2 AGG sein kann, wenn der Arbeitgeber nur noch jüngere Bewerber einstellen will, um eine verjüngte
Personalstruktur erst zu schaffen, kann letztlich dahin gestellt bleiben. Denn die Arbeitgeberin ist im vorliegenden Falle jedenfalls nicht ihrer Darlegungslast
bzgl. des Vorliegens eines legitimen Ziels iSv. § 10 Satz 1 AGG nachgekommen. Sie hätte zunächst vortragen müssen, welche konkrete Personalstruktur sie
schaffen oder erhalten will und aus welchen Gründen. Schlagwortartige Bezeichnungen genügen dafür nicht. Andernfalls kann nicht überprüft werden, ob die
Ungleichbehandlung durch das verfolgte Ziel gerechtfertigt ist (vgl. BAG 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 59, BAGE 129, 181 = AP AGG § 15 Nr. 1 =
EzA AGG § 15 Nr. 1). Die Beklagte hat zwar vorgebracht, dass in den nächsten zehn Jahren 35 % der Mitarbeiter (gemeint sind wohl die in der Verwaltung)
planmäßig ausscheiden werden und fast die Hälfte ihrer Beschäftigten mehr als 50 Jahre alt sei. Wenn etwa die Hälfte der Mitarbeiter mehr als 50 Jahre alt ist,
spricht dies indes noch nicht für ein evident drohendes Problem der Überalterung. Geht man von einem durchschnittlichen Eintrittsalter von 30 Jahren und
einem Ausscheiden bei 65 oder mehr Jahren aus, so liegt das Alter von 50 Jahren nur knapp über dem Durchschnittsalter in einem Erwerbsleben. Vor diesem
Hintergrund hätte die Beklagte näher erläutern müssen, welche Altersstruktur sie anstrebt und welche Nachteile ansonsten ggf. drohen würden.
Entsprechendes gilt für ihren Vortrag, sie verfolge das Ziel, jüngeren Berufsanfängern ohne Berufserfahrung den Einstieg in das Berufsleben zu erleichtern. Auf
§ 10 Satz 3 Nr. 1 AGG kann sich die Beklagte in diesem Zusammenhang nicht berufen, da diese Regelung die Eingliederung von Jugendlichen, nicht von
Berufsanfängern, bezweckt. Als ein legitimes Ziel könnte es uU anzuerkennen sein, dass der Arbeitgeber die bevorzugte Einstellung von Berufsanfängern
bezweckt, weil diese arbeitslos sind und auf dem primären Arbeitsmarkt keine guten Einstellungschancen hätten. Bei Hochschulabsolventen aus den Bereichen
Medizin, Naturwissenschaften, Wirtschafts- und Rechtswissenschaften ist dies aber grundsätzlich nicht der Fall. Die Beklagte wendet sich in ihrer
Stellenanzeige (‚Young Professionells') gerade an besonders qualifizierte Berufseinsteiger mit regelmäßig guten Berufschancen.
Die Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, dass sie für die Teilnahme an dem zweijährigen Traineeprogramm ausschließlich jüngere Bewerberinnen und
Bewerber ohne Berufserfahrung suchen durfte.
§ 10 Satz 3 Nr. 3 AGG ist nicht zur Rechtfertigung heranzuziehen. Danach kann die Festsetzung eines Höchstalters für die Einstellung aufgrund der
spezifischen Ausbildungsanforderungen eines bestimmten Arbeitsplatzes oder aufgrund der Notwendigkeit einer angemessenen Beschäftigungszeit vor dem
Eintritt in den Ruhestand eine Ungleichbehandlung wegen des Alters rechtfertigen. Nach der Gesetzesbegründung liegt der Regelung die Überlegung zugrunde,
dass bei älteren Beschäftigten, deren Rentenalter bereits absehbar ist, einer aufwendigen Einarbeitung am Arbeitsplatz auch eine betriebswirtschaftlich
sinnvolle Mindestdauer einer produktiven Arbeitsleistung gegenüberstehen muss (BT-Drucks. 16/1780 S. 36). Legt man hier zugrunde, dass der Kläger bei
seiner Bewerbung 36 Jahre alt war, so lägen noch rund 30 Berufsjahre bei der Beklagten vor ihm, um eine zweijährige Ausbildung zu kompensieren. Dies wäre
in jedem Falle hinreichend lang.
Die Beklagte führt zur Rechtfertigung ihres Anforderungsprofils für Bewerber für das Traineeprogramm aus, sie habe bewusst Berufsanfänger ohne
Berufserfahrung gesucht, um diese Bewerber in ihrem Sinne ‚formen' zu können. Die Bewerber sollten ihr theoretisch erworbenes Wissen allein mit dem im
Unternehmen der Beklagten erlangten Wissen verknüpfen. Anderweitig erworbenes Spezialwissen von außen oder sonstige Berufserfahrung sollten sie gerade
nicht mit einbringen. Berufseinsteiger könnten auch besser und schneller auf die betriebsspezifischen Erfordernisse vorbereitet werden. Schließlich seien
vergleichbare Traineeprogramme in bestimmten Brachen üblich.
In der Literatur wird teilweise betont, es sei zulässig, für Traineeprogramme nach jungen Hochschulabsolventen zu suchen (Wichert/Zange DB 2007, 970 ff.;
Bauer/Göpfert/Krieger AGG 3. Aufl. § 10 Rn. 35; Adomeit/Mohr AGG 2. Aufl. § 10 Rn. 132; wohl auch Däubler/Bertzbach - Däubler 2. Aufl. § 7 Rn. 37; für
eine Altersgrenze bei der Suche nach Führungskräften tendenziell großzügig auch MüKoBGB/Thüsing 6. Aufl. § 10 AGG Rn. 22; Schaub/Linck ArbR-Hdb.
14. Aufl. § 36 Rn. 65). Teilweise wird demgegenüber betont, das Alter dürfe nur in besonderen Ausnahmefällen bei Einstellungen eine Rolle spielen,
insbesondere könne der Arbeitgeber eine unterschiedliche Behandlung nicht damit begründen, der Arbeitnehmer bringe mit zunehmendem Alter nicht mehr die
erforderliche Flexibilität mit (Däubler/Bertzbach - Buschmann 2. Aufl. § 11 Rn. 15; Weber AuR 2002, 401, 403 f.; Kittner/Zwanziger - Zwanziger 6. Aufl. § 92
Rn. 121).
Der Fall nötigt nicht zu einer abschließenden Beantwortung der Frage, ob Altersgrenzen bei einer ausgeschriebenen Traineestelle zur Nachwuchsförderung von
Führungskräften generell keine Rolle spielen dürfen. Denn hierfür möglicherweise in Betracht kommende Gründe hat die Beklagte jedenfalls nicht ausreichend
dargelegt. Eine unterschiedliche Behandlung muss dabei ‚objektiv' gerechtfertigt sein. Es kommt demnach darauf an, ob das verfolgte Interesse auf
tatsächlichen und nachvollziehbaren Erwägungen beruht und ob die Ungleichbehandlung nicht nur aufgrund von bloßen Vermutungen oder subjektiven
Einschätzungen vorgenommen wird (vgl. BAG 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 55, BAGE 129, 181 = AP AGG § 15 Nr. 1 = EzA AGG § 15 Nr. 1).
Wenn die Beklagte darauf abstellt, dass sie sich ihren Führungskräftenachwuchs hat ‚formen' wollen, so liegt dem die Annahme zugrunde, dass dies bei älteren
Arbeitnehmern mit Berufserfahrung nicht oder weniger gut ginge. Ein allgemeiner Erfahrungssatz, dass ein älterer Arbeitnehmer weniger gut lernt als ein
jüngerer, existiert nicht und ist auch vom Landesarbeitsgericht nicht festgestellt worden. Allenfalls verringert sich die Lerngeschwindigkeit mit zunehmendem
Alter (vgl. BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 68, BAGE 132, 210 = AP AGG § 7 Nr. 1 = EzA AGG § 10 Nr. 2). Zwar hat dies die Beklagte
pauschal behauptet, doch genügt sie damit nicht ihren Anforderungen an einen substantiierten Sachvortrag. Bloße Vermutungen können eine
Ungleichbehandlung nicht rechtfertigen. Entsprechendes gilt, sofern man bei jungen Hochschulabsolventen eine größere Bereitschaft unterstellen mag, sich voll
und ganz auf ein neues Unternehmen einzulassen. Anerkannt ist bislang allenfalls, dass bei typisierender Betrachtungsweise die Chancen für Ältere auf dem
Arbeitsmarkt sinken (vgl. BAG 15. Dezember 2011 - 2 AZR 42/10 - Rn. 56, AP KSchG 1969 § 1 Namensliste Nr. 21 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr.
84) und dass die körperliche und psychische Belastbarkeit mit zunehmendem Alter sinkt (EuGH 13. September 2011 - C-447/09 - [Prigge] Rn. 67, AP
Richtlinie 2000/78/EG Nr. 23 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 22; BAG 17. Juni 2009 - 7 AZR 112/08 (A) - Rn. 21, BAGE 131, 113 = AP
TzBfG § 14 Nr. 64 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 12). Nicht anerkannt ist aber, dass die Mobilität oder Flexibilität mit zunehmendem Alter
sinkt (vgl. BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 63 ff., aaO). Auch Arbeitnehmer mit fortgeschrittenem Alter müssen sich fort- und weiterbilden. Es
spricht daher im Grundsatz nichts dagegen, dass auch ein fast Vierzigjähriger mit Erfolg an einem Traineeprogramm teilnehmen und anschließend eine Position
in der Führungsebene eines Unternehmens ausfüllen kann.
Sofern die Beklagte vorträgt, Bewerber mit bereits in einem anderen Unternehmen erworbener Berufserfahrung sollten diese Erfahrungen nicht bei ihr
einbringen können, erscheint dies ohne weitere Erläuterung nicht nachvollziehbar. Allgemein wird es als Vorteil angesehen, wenn Bewerber bereits über
Berufserfahrung verfügen, da sie diese Kenntnisse dem neuen Arbeitgeber zur Verfügung stellen können. Eine ‚Verbildung' durch die bisher ausgeübte
Tätigkeit ist im Allgemeinen nicht ohne Weiteres anzunehmen (vgl. BAG 8. Dezember 2010 - 7 ABR 98/09 - Rn. 63, BAGE 136, 237 = AP BetrVG 1972 § 99
Einstellung Nr. 62 = EzA TVG § 1 Betriebsnorm Nr. 5). Aus welchen konkreten unternehmensspezifischen Gründen im vorliegenden Falle erworbenes
Praxiswissen für das Traineeprogramm bei der Beklagten schadet, erschließt sich demnach nicht.
Die Beklagte kann sich auch nicht erfolgreich darauf berufen, Traineeprogramme seien in bestimmten Branchen für Berufseinsteiger üblich. Das
Landesarbeitsgericht hat lediglich festgestellt, Traineeprogramme hätten bei Banken und Versicherungen eine lange Tradition. Dies verfängt im Streitfalle
jedoch nicht, weil es vorliegend um einen Krankenhausbetrieb geht.
Wenn die Beklagte meint, das Traineeprogramm diene auch dazu, zu ermitteln, ob der Bewerber für eine Tätigkeit in einer Krankenhausverwaltung in Betracht
komme, so stellt sich die Beschränkung des Bewerberkreises aus diesem Grund jedenfalls nicht als eine erforderliche Maßnahme dar. Es bestünde nämlich die
Möglichkeit einer befristeten Probezeit (§ 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 TzBfG) oder einer sachgrundlosen Befristung (§ 14 Abs. 2 TzBfG), um Klarheit zu finden, ob
der Bewerber langfristig für die Stelle geeignet ist.
e) Ein etwaiger Entschädigungsanspruch des Klägers wäre nicht ausnahmsweise unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs ausgeschlossen (§ 242 BGB).
aa) Im Falle von Ansprüchen nach § 15 AGG kann unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls der Erwerb der Rechtsstellung als Bewerber dann als
unredlich erscheinen, wenn die Bewerbung allein deshalb erfolgt ist, um Entschädigungsansprüche zu erlangen. Für die fehlende Ernsthaftigkeit der
Bewerbung, dh. den Rechtsmissbrauch, ist der Arbeitgeber darlegungs- und beweisbelastet, wobei der Arbeitgeber Indizien vortragen muss, die geeignet sind,
den Schluss auf die fehlende Ernsthaftigkeit zuzulassen (BAG 13. Oktober 2011 - 8 AZR 608/10 - Rn. 54, EzA AGG § 15 Nr. 16).
bb) Die Beklagte hat keine ausreichenden Anhaltspunkte für die Annahme vorgebracht, der Kläger habe sich nicht ernsthaft beworben. Zwar könnte ein krasses
Missverhältnis zwischen Anforderungsprofil der zu vergebenden Stelle und der Qualifikation des Bewerbers die Ernsthaftigkeit der Bewerbung in Frage stellen.
Die Beklagte meint in diesem Kontext, der Kläger sei mit seiner Berufserfahrung und seinem vermutlich bisherigen Einkommen für die Traineestelle
überqualifiziert. Demgegenüber hat der Kläger behauptet, er wolle sich nach einem Auslandsaufenthalt neu orientieren und sei im Zeitpunkt der Bewerbung
ohne nennenswerte Einkünfte gewesen. Das im Anforderungsprofil genannte Kriterium ‚abgeschlossenes Hochschulstudium' in ‚Jura' erfüllt er. Sofern die
Beklagte mutmaßt, der Kläger habe eine Vielzahl von Bewerbungen verschickt und mehrere Entschädigungsprozesse geführt, spricht auch dies nicht zwingend
gegen die Ernsthaftigkeit der Bewerbung (vgl. BAG 13. Oktober 2011 - 8 AZR 608/10 - Rn. 56, EzA AGG § 15 Nr. 16). Der Hinweis des Klägers in seinem
Bewerbungsschreiben, sein Vater sei Opfer eines ‚Ärztepfusches' geworden, mutet bei einer Bewerbung in einem Krankenhausbetrieb zwar befremdlich an, ist
aber letztlich für sich genommen nicht geeignet, die Ernsthaftigkeit der Bewerbung auszuschließen.
3. Da der Kläger somit Tatsachen vorgetragen hat, die eine Benachteiligung wegen seines Alters vermuten lassen, trägt die Beklagte nach § 22 AGG die
Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorliegt. Der Arbeitgeber muss das Gericht davon überzeugen,
dass die Benachteiligung nicht (auch) auf dem Alter beruht. Damit muss er Tatsachen vortragen und gegebenenfalls beweisen, aus denen sich ergibt, dass es
ausschließlich andere Gründe waren als das Alter, die zu der weniger günstigen Behandlung geführt haben (vgl. BAG 16. Februar 2012 - 8 AZR 697/10 - Rn.
58, EzA AGG § 15 Nr. 17).
Solche Tatsachen hat die Beklagte vorgetragen. Sie wäre berechtigt gewesen, den Kläger nicht zu einem Assessment-Center zu laden, wenn er schlechtere
Examensnoten als die eingeladenen Mitbewerber aufgewiesen hätte. Zwar hat die Beklagte in ihrer Stellenausschreibung nicht ausdrücklich
Mindestanforderungen an die Examensnoten der potentiellen Bewerber gestellt. Da nach Art. 33 Abs. 2 GG jeder Deutsche nach seiner Eignung, Befähigung
und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt hat, muss der öffentliche Arbeitgeber jede Bewerbung nach den genannten Kriterien
beurteilen (allg. Meinung, vgl. BAG 18. September 2007 - 9 AZR 672/06 - Rn. 19, BAGE 124, 80 = AP GG Art. 33 Abs. 2 Nr. 64 = EzA GG Art. 33 Nr. 33).
Aus diesem Grunde war die Beklagte als öffentliche Arbeitgeberin berechtigt, wenn nicht sogar verpflichtet, nur die von der Examensnote her besten Bewerber
in die engere Auswahl einzubeziehen.
Auf dieses Einstellungsverfahren nach der sog. ‚Bestenauslese' brauchte sie in ihrer Stellenausschreibung nicht besonders hinzuweisen, weil eine solche
Auswahl im öffentlichen Dienst selbstverständlich ist. Es handelt sich dabei nicht um ein ‚besonderes Anforderungsprofil', an welches die Beklagte während
des gesamten Bewerbungsverfahrens gebunden wäre.
Dies widerspricht nicht der Entscheidung des Neunten Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 21. Juli 2009 (- 9 AZR 431/08 - BAGE 131, 232 = AP SGB IX §
82 Nr. 1 = EzA SGB IX § 82 Nr. 1). In dieser ging es vor allem um die Frage, ob ein schwerbehinderter Bewerber wegen offensichtlichen Fehlens der
fachlichen Eignung nach § 82 Satz 3 SGB IX vom öffentlichen Arbeitgeber nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen werden musste. Offensichtlich
ungeeignet iSd. § 82 Satz 3 SGB IX wäre der Kläger nicht gewesen, nachdem die Beklagte keine Mindestanforderungen an die Examensnoten gestellt hatte.
Dies verbietet es aber nicht, diese Noten im Rahmen der Auswahlentscheidung bei einem nicht behinderten Bewerber zu berücksichtigen. Auch das
Bundesverfassungsgericht geht in seiner Entscheidung vom 28. Februar 2007 (- 2 BvR 2494/06 - Rn. 6 ff., BVerfGK 10, 355) davon aus, dass der öffentliche
Dienstherr an das Prinzip der ‚Bestenauslese' im gesamten Bewerbungsverfahren gebunden ist.
Im Übrigen hat die Beklagte in ihrer Stellenausschreibung auch darauf hingewiesen, dass sie ‚ihre Personalentscheidungen nach Eignung, Befähigung und
fachlicher Leistung' treffe.
Die Beklagte hat schlüssig dargelegt, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligungen vorgelegen hat. Ihr ‚Geschäftsleiter
Finanzen' Dr. H hat namens der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 14. Januar 2011 vor dem Landesarbeitsgericht erklärt: ‚Als ich seinerzeit, es
war der 1. Mai 2009, die Sichtung der Bewerbungen auf die Stellenanzeige vornahm, habe ich eine Auswahl nach den Examensnoten getroffen und nur
diejenigen Bewerbungen in Betracht gezogen, die Examensnoten von gut oder sehr gut auswiesen'. Dieses Abstellen auf die Examensnoten war sachgerecht,
weil die Beklagte Hochschulabsolventen als Bewerber gesucht hatte. Da der Kläger diese Vorgehensweise der Beklagten bestritten hat, wird das
Landesarbeitsgericht darüber Beweis erheben müssen, nachdem die Beklagte für die Richtigkeit ihrer diesbezüglichen Behauptung den Veranstalter des
Traineeprogramms Dr. H als Zeugen angeboten hatte.
Aus diesem Grunde war die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Wenn sich die Behauptung der Beklagten nach Überzeugung des Berufungsgerichts (§ 286 ZPO) als wahr erweist, wird dieses im Rahmen des ihm
eingeräumten Beurteilungsspielraums (vgl. BAG 19. August 2010 - 8 AZR 530/09 - Rn. 56, AP AGG § 15 Nr. 5 = EzA AGG § 15 Nr. 10) zu entscheiden
haben, ob der Beklagten der Beweis gelungen ist, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat, dh. dass sie ihre
Entscheidung, den Kläger nicht zum Assessment-Center einzuladen, ausschließlich anhand der Examensnoten und damit nach den Kriterien des Art. 33 Abs. 2
GG getroffen hat. Dies gölte dann auch für eine vom Kläger vermutete unzulässige Benachteiligung wegen seines Geschlechts. ..." (BAG, Urteil vom
24.01.2013 - 8 AZR 429/11)
***
„... (1) Das geltend gemachte betriebliche Erfordernis ist nicht dringend iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG, wenn der Arbeitnehmer auf einem anderen, freien
Arbeitsplatz desselben Betriebs oder eines anderen Betriebs des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann. Als „frei" sind grundsätzlich nur solche
Arbeitsplätze anzusehen, die zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung unbesetzt sind (vgl. BAG 15. Dezember 2011 - 2 AZR 42/10 - Rn. 24, EzA KSchG §
1 Soziale Auswahl Nr. 84). Es obliegt dem Arbeitnehmer darzulegen, wie er sich eine anderweitige Beschäftigung vorstellt, wenn sein bisheriger Arbeitsplatz
weggefallen ist. Erst danach muss der Arbeitgeber erläutern, weshalb eine Beschäftigung auf einem freien Arbeitsplatz nicht möglich war (vgl. zB BAG 1.
März 2007 - 2 AZR 650/05 - Rn. 21, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 164 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 154).
(2) Die Klägerin hat nicht dargelegt, wie sie sich eine Beschäftigung durch den Beklagten vorstellt. Sie hat nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts
insbesondere nicht behauptet, der Beklagte habe zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung vom 6. April 2010 noch „Minis" oder andere Filialen betrieben, in
denen freie Arbeitsplätze vorhanden gewesen seien. Soweit sich die Klägerin auf Beschäftigungsangebote in K gegenüber anderen Arbeitnehmerinnen bezogen
hat, hat sie nicht behauptet, dass der Beklagte diese Beschäftigungsangebote unterbreitet habe oder die anderen Arbeitnehmerinnen beschäftige. Die Klägerin
hat den Vortrag des Beklagten, nicht er habe die Filiale in K seit 1. Juli 2009 geführt, nach den unangegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht bestritten.
(3) Eine unternehmensübergreifende Weiterbeschäftigungspflicht bei der D W GmbH bestand nicht. Der Beklagte führte mit diesem Unternehmen keinen Gemeinschaftsbetrieb.
(a) Eine Weiterbeschäftigungspflicht auf freien Arbeitsplätzen eines anderen Unternehmens kommt in Betracht, wenn das kündigende Unternehmen mit dem
anderen Unternehmen einen Gemeinschaftsbetrieb führt. Eine unternehmensübergreifende Weiterbeschäftigungspflicht besteht jedoch nicht, wenn es den
Gemeinschaftsbetrieb bei Zugang der Kündigung als solchen bereits nicht mehr gibt. Mit der Beseitigung der einheitlichen Leitungsstruktur ist der
Unternehmer des stillzulegenden Betriebs rechtlich nicht mehr in der Lage, eine Weiterbeschäftigung im fortgeführten Betrieb des anderen Unternehmens
durchzusetzen (vgl. BAG 23. März 2006 - 2 AZR 162/05 - Rn. 35 mwN, AP KSchG 1969 § 1 Konzern Nr. 13 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung
Nr. 147).
(b) Die Klägerin hat schon nicht behauptet, die Schuldnerin oder der Beklagte und die D W GmbH hätten zu irgendeinem Zeitpunkt einen
Gemeinschaftsbetrieb gebildet. Ein solcher Gemeinschaftsbetrieb wäre aufgrund der Stilllegung der „Minis" durch den Beklagten im Jahr 2009 jedenfalls
aufgelöst worden. Der Beklagte hätte nicht durchsetzen können, dass die Klägerin von der D W GmbH weiterbeschäftigt wird.
cc) Die Kündigung vom 6. April 2010 ist auch nicht deswegen unwirksam, weil die Klägerin erstmals in der Revisionsinstanz davon ausgeht, im Konzern
weiterbeschäftigt werden zu können.
(1) Das Kündigungsschutzgesetz ist nicht konzernbezogen. Der Arbeitgeber ist vor Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung grundsätzlich nicht
verpflichtet, den Arbeitnehmer in dem Betrieb eines anderen Unternehmens unterzubringen. Das ergibt sich schon daraus, dass Vertragspartner des
Arbeitnehmers das vertragsschließende Unternehmen, der Arbeitgeber, ist. Die Weiterbeschäftigung durch ein anderes Unternehmen führt zwangsläufig zu
einem Vertragspartnerwechsel (st. Rspr., vgl. nur BAG 23. April 2008 - 2 AZR 1110/06 - Rn. 22, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 177 =
EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 160; 23. März 2006 - 2 AZR 162/05 - Rn. 20, AP KSchG 1969 § 1 Konzern Nr. 13 = EzA KSchG § 1
Betriebsbedingte Kündigung Nr. 147; 23. November 2004 - 2 AZR 24/04 - zu B III 2 b aa der Gründe, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr.
132 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 135; grundlegend 14. Oktober 1982 - 2 AZR 568/80 - zu B II der Gründe, BAGE 41, 72).
(2) Eine konzernbezogene Weiterbeschäftigungspflicht kann ausnahmsweise bestehen, wenn sich ein anderes Konzernunternehmen ausdrücklich zur
Übernahme des Arbeitnehmers bereit erklärt hat. Entsprechendes gilt, wenn sich eine Unterbringungsverpflichtung unmittelbar aus dem Arbeitsvertrag, einer
sonstigen vertraglichen Absprache oder der in der Vergangenheit geübten Praxis ergibt (vgl. BAG 23. April 2008 - 2 AZR 1110/06 - Rn. 22 mwN, AP KSchG
1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 177 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 160). In solchen Fallgestaltungen kann der Arbeitnehmer
einen vertraglichen Anspruch gegen seinen Arbeitgeber auf Verschaffung eines Arbeitsvertrags haben (vgl. BAG 23. März 2006 - 2 AZR 162/05 - Rn. 21, AP
KSchG 1969 § 1 Konzern Nr. 13 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 147; 23. November 2004 - 2 AZR 24/04 - zu B III 2 b bb der Gründe, AP
KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 132 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 135). Weitere Voraussetzung einer
unternehmensübergreifenden Weiterbeschäftigungspflicht ist ein bestimmender Einfluss des vertragsschließenden Unternehmens auf die „Versetzung" (vgl. zB
BAG 23. April 2008 - 2 AZR 1110/06 - aaO; 23. November 2004 - 2 AZR 24/04 - aaO; Gallner FS Düwell S. 208, 214 ff. mwN; Rost FS Schwerdtner S. 169,
171; weiter gehend Lingemann FS Bauer S. 661, 666; kritisch zum sog. Durchsetzungskriterium etwa Bayreuther NZA 2006, 819, 820 ff.).
(3) Beruft sich der Arbeitnehmer auf konzernweiten Kündigungsschutz, muss er konkret aufzeigen, aus welchen vertraglichen Regelungen sich die
konzernweite Weiterbeschäftigungspflicht ableitet und wie er sich eine anderweitige Beschäftigung vorstellt (vgl. BAG 10. Mai 2007 - 2 AZR 626/05 - Rn. 46,
BAGE 122, 264).
(4) Der Beklagte übt als Insolvenzverwalter ein ihm vom Gesetz übertragenes Amt aus. Er ist Rechtsnachfolger der Schuldnerin (vgl. BAG 27. Februar 2008 - 5
AZB 43/07 - Rn. 7, BAGE 126, 117; BGH 28. März 2007 - VII ZB 25/05 - Rn. 7, BGHZ 172, 16). Schon deshalb ist nicht ersichtlich, wie er auf die
„Versetzung" der Klägerin zur D W GmbH bestimmenden gesellschaftsrechtlichen Einfluss hätte nehmen können. Einen früheren bestimmenden
gesellschaftsrechtlichen Einfluss der Schuldnerin auf dieses Unternehmen hat die Klägerin nicht behauptet.
(5) Die Klägerin hat ferner nicht dargelegt, dass die D W GmbH und die Schuldnerin oder später der Beklagte einen Konzern bildeten.
(a) Ein Konzern ist nach § 18 AktG die Zusammenfassung mehrerer rechtlich selbständiger Unternehmen unter einheitlicher Leitung. Dabei wird zwischen dem
Unterordnungskonzern (§ 18 Abs. 1 AktG) und dem Gleichordnungskonzern (§ 18 Abs. 2 AktG) unterschieden.
(b) Die Klägerin hat nicht schlüssig behauptet, dass die Schuldnerin oder später der Beklagte und die D W GmbH unter einheitlicher Leitung zusammengefasst
waren. Die Klägerin hat vielmehr vorgetragen, dass es sich bei der D W GmbH um eine neu gegründete Gesellschaft gehandelt habe. Die Klägerin hat auch
keinen Konzernbezug ihres Arbeitsverhältnisses geltend gemacht. Der mit der Schuldnerin geschlossene Arbeitsvertrag sieht eine konzernweite
Versetzungsmöglichkeit nicht vor. Er bestimmt lediglich, dass die Klägerin verpflichtet ist, „vertretungsweise auch in anderen W-Läden zu arbeiten". Diese
Regelung bezieht sich nur auf Filialen der Schuldnerin (später des Beklagten) und lediglich auf einen „vertretungsweisen", dh. keinen dauerhaften Einsatz. Die
Klägerin hat schließlich nicht behauptet, es sei üblich gewesen, dass die Schuldnerin oder der Beklagte sie entsandt hätten, um in anderen Konzernunternehmen
zu arbeiten.
dd) Der Beklagte musste keine soziale Auswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG treffen. Er beschäftigte im Kündigungszeitpunkt keine vergleichbaren, weniger
schutzwürdigen Arbeitnehmer.
(1) Die Rüge der Revision, das Landesarbeitsgericht habe aufgrund der getroffenen Feststellungen nicht davon ausgehen dürfen, dass der „Mini" in B und
andere Filialen nicht zu einem Betrieb gehörten, lässt außer Acht, dass die weitergeführten „Traditionals" seit 1. Juli 2009 von der D W GmbH, einem anderen
Unternehmen, fortgeführt wurden. Die beim Beklagten verbliebenen Betriebe oder Betriebsteile wurden demgegenüber stillgelegt. Die Sozialauswahl war
betriebsbezogen durchzuführen (vgl. BAG 5. Juni 2008 - 2 AZR 907/06 - Rn. 23, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 179 = EzA KSchG § 1
Soziale Auswahl Nr. 81; 15. Dezember 2005 - 6 AZR 199/05 - Rn. 24 f., AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 76 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr.
66). Sie konnte sich daher nur auf den vom Beklagten geführten Betrieb, dem die Klägerin zuzuordnen war, beziehen, nicht auf ein anderes Unternehmen. Die
Klägerin hat - wie bereits ausgeführt - keine tatsächlichen Umstände dafür vorgetragen, dass der Beklagte mit der D W GmbH zu irgendeinem Zeitpunkt einen
Gemeinschaftsbetrieb führte.
(2) Die Klägerin hat zudem nicht behauptet, der Beklagte habe noch zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung weniger schutzwürdige Arbeitnehmer beschäftigt.
(a) Sie meint, maßgeblicher Zeitpunkt der zu treffenden Sozialauswahl sei der Zeitpunkt der Schließung der Filialen am 1. Juli 2009 oder 31. August 2009
gewesen. Dabei übersieht sie, dass maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt für die Rechtswirksamkeit der Kündigung ihr Zugang ist.
(b) Dass andere Arbeitnehmer der Insolvenzschuldnerin von der D W GmbH oder ihrer Rechtsnachfolgerin beschäftigt werden, ist darauf zurückzuführen, dass
deren Arbeitsverhältnisse - anders als das der Klägerin - nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB übergingen oder die Arbeitnehmer neue Arbeitsverträge schlossen.
Nach den bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts betrieb der Beklagte über den 31. August 2009 hinaus keine Filialen mehr, die ursprünglich von
der Schuldnerin unterhalten worden waren. ..." (BAG, Urteil vom 18.10.2012 - 6 AZR 41/11)
***
„... Diese Angriffe der Revision berücksichtigen nicht, dass es an einem „freien" Arbeitsplatz unabhängig von der Vorhersehbarkeit der Vertretungszeiten im
Allgemeinen fehlt, wenn der Arbeitgeber Leiharbeitnehmer wie hier nur als „externe Personalreserve" zur Abdeckung von Vertretungsbedarf
einsetzen will. Dann liegt kein Austausch eigener Arbeitnehmer durch Leiharbeitnehmer vor (vgl. dazu LAG Köln 25. Januar 2010 - 5 Sa 917/09 - zu II 1 c der
Gründe). Vielmehr sollen in der hier gegebenen Fallgestaltung Leiharbeitnehmer nicht dauerhaft, sondern nur zur Vertretung anderer Arbeitnehmer auf
von diesen besetzten Arbeitsplätzen eingesetzt werden. Auch wenn sie dabei Tätigkeiten versehen sollen, die ggf. auch der Arbeitnehmer verrichten kann,
dessen Kündigung beabsichtigt oder erfolgt ist, steht das dem Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit für diesen Arbeitnehmer nicht entgegen (vgl. BAG 15.
Dezember 2011 - 2 AZR 42/10 - Rn. 27 f. mwN, EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 84; Moll/Ittmann RdA 2008, 321, 323; Rost NZA Beilage 1/2009, 23,
26). ..." (BAG, Urteil vom 18.10.2012 - 6 AZR 289/11)
***
Grobe Fehlerhaftigkeit der Sozialauswahl bei Verkennung des Betriebsbegriffs (BAG, Urteil vom 20.09.2012 - 6 AZR 483/11):
„... 3. Anders als die Revision im Ausgangspunkt ihrer Angriffe gegen die angefochtene Entscheidung annimmt, ist eine Sozialauswahl, der eine Verkennung
des Betriebsbegriffs zugrunde liegt, nicht stets als grob fehlerhaft anzusehen.
a) Die Verkennung des Betriebsbegriffs ist ein Unterfall einer Verkennung des auswahlrelevanten Personenkreises. Bei der Frage, ob Arbeitnehmer einer
anderen Betriebsstätte in die Auswahl einzubeziehen sind, gilt deshalb der Maßstab der groben Fehlerhaftigkeit. Die Sozialauswahl ist dabei nur dann grob
fehlerhaft, wenn im Interessenausgleich der Betriebsbegriff selbst grob verkannt worden ist, seine Fehlerhaftigkeit also „ins Auge springt". Sprechen dagegen
gut nachvollziehbare und ersichtlich nicht auf Missbrauch zielende Überlegungen für die - ggf. fehlerhaft - getroffene Eingrenzung des auswahlrelevanten
Personenkreises, ist die Grenze der groben Fehlerhaftigkeit unterschritten (vgl. für einen Interessenausgleich nach § 1 Abs. 5 KSchG BAG 3. April 2008 - 2
AZR 879/06 - Rn. 16 f., AP KSchG 1969 § 1 Namensliste Nr. 17 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 15).
b) Bewerten die Betriebspartner, zumal unter dem Druck eilbedürftiger Entscheidungen in der Insolvenz, die tatsächlichen Verhältnisse bei der Abgrenzung, ob
ein eigenständiger Betrieb im Sinne des Betriebsbegriffs des § 23 KSchG vorliegt, in nachvollziehbarer und ersichtlich nicht auf Missbrauch zielender Weise
falsch, liegt noch ein vom Maßstab der groben Fehlerhaftigkeit gedeckter Auswahlfehler vor. Dies gilt umso mehr, als sich bei einer Vielzahl von Filialen, wie
sie hier von den Betriebspartnern zu beurteilen waren, die Kompetenzen der Filialleiter durchaus unterscheiden können (vgl. für einen Interessenausgleich nach
§ 1 Abs. 5 KSchG BAG 3. April 2008 - 2 AZR 879/06 - Rn. 25, AP KSchG 1969 § 1 Namensliste Nr. 17 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 15). Erst
jenseits dieser Grenze, wenn sich also die Betriebspartner bewusst über die nicht zu ihrer Disposition stehenden gesetzlichen Grundbedingungen der sozialen
Auswahl hinwegsetzen, entfaltet ein auf dieser Basis geschlossener Interessenausgleich mit Namensliste die gesetzliche Vermutungswirkung nicht mehr (vgl.
ErfK/Gallner 12. Aufl. § 125 InsO Rn. 10; vgl. für § 1 Abs. 5 KSchG APS/Kiel 4. Aufl. § 1 KSchG Rn. 802). Die Betriebspartner können deshalb auch in der
Insolvenz über die Definition des Betriebsbegriffs im Interessenausgleich nicht bewusst den Kreis der in die Sozialauswahl einzubeziehenden Arbeitnehmer
enger oder weiter ziehen, als es das Kündigungsschutzgesetz in seiner Auslegung durch das Bundesarbeitsgericht zulässt. § 125 InsO eröffnet ihnen insoweit
keinen über den des § 1 KSchG hinausgehenden Spielraum.
c) Ob das Landesarbeitsgericht zu Recht angenommen hat, dass die Betriebspartner im Interessenausgleich vom 23. September 2009 bei Anlegung dieses
Maßstabs den Betriebsbegriff nicht grob verkannt haben, unterliegt nur einer eingeschränkten revisionsrechtlichen Überprüfung. Die Würdigung des
Landesarbeitsgerichts kann nur dahin überprüft werden, ob es die unbestimmten Rechtsbegriffe des Betriebs iSv. § 1, § 23 Abs. 1 KSchG und seiner groben
Verkennung verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnorm des § 125 InsO Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze
verletzt hat, ob es alle wesentlichen Umstände berücksichtigt hat und ob die Entscheidung in sich widerspruchsfrei ist (st. Rspr., vgl. BAG 12. März 2009 - 2
AZR 418/07 - Rn. 16, AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 97 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 17).
4. Es kann dahinstehen, ob insoweit dem Landesarbeitsgericht revisionsrechtlich relevante Fehler unterlaufen sind. Der Kläger berücksichtigt bei seinen
Revisionsangriffen nicht, dass selbst dann, wenn die Betriebspartner bei ihrer durch § 4 Ziff. 1 des Interessenausgleichs vom 23. September 2009
dokumentierten Entscheidung, die Sozialauswahl auf die einzelnen QTC zu beschränken, den kündigungsschutzrechtlichen Betriebsbegriff grob verkannt
hätten, die Kündigung nur unwirksam wäre, wenn die Sozialauswahl im Ergebnis unwirksam wäre (vgl. ErfK/Gallner 12. Aufl. § 125 InsO Rn. 10). Die der
Kündigung vom 25. September 2009 zugrunde liegende Sozialauswahl war jedoch auch bei Anwendung des nach Auffassung der Revision zutreffenden
Maßstabs des § 1 Abs. 3 KSchG im Ergebnis eindeutig fehlerfrei.
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist eine Sozialauswahl nur dann unwirksam, wenn sich ihr Ergebnis als fehlerhaft erweist. Auch
ein mangelhaftes Auswahlverfahren kann zu einem richtigen, nicht fehlerhaften Auswahlergebnis führen (vgl. BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 420/09 - Rn. 19, AP
KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 98 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 22; 9. November 2006 - 2 AZR 812/05 - Rn. 24, BAGE 120, 137). Ist eine
Sozialauswahl gar nicht oder methodisch fehlerhaft durchgeführt worden, ist die Kündigung jedenfalls nicht aus diesem Grund unwirksam, wenn mit der
tatsächlich getroffenen Auswahl des Gekündigten eine, sei es auch zufällig, objektiv vertretbare Auswahl getroffen worden ist (vgl. BAG 7. Juli 2011 - 2 AZR
476/10 - Rn. 48). Die Würdigung des Gerichts, die soziale Auswahl sei nicht ausreichend bzw. fehlerhaft, setzt deshalb die Feststellung voraus, dass der vom
Arbeitnehmer konkret gerügte Auswahlfehler tatsächlich vorliegt, also ein bestimmter mit dem Gekündigten vergleichbarer Arbeitnehmer in dem nach dem
Gesetz erforderlichen Maß weniger schutzbedürftig ist (vgl. BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 420/09 - aaO).
b) Eine solche Feststellung hat das Landesarbeitsgericht ausgehend von seinem Rechtsstandpunkt, eine grobe Fehlerhaftigkeit liege nicht vor, weil die
Verkennung des Betriebsbegriffs nicht „ins Auge springe", nicht getroffen. Dass die soziale Auswahl selbst bei einer derartigen Verkennung des
Betriebsbegriffs im Ergebnis nicht fehlerhaft ist, kann jedoch vom Senat selbst beurteilt werden. Mit der in der mündlichen Verhandlung vor der
Berufungskammer erfolgten vorbehaltlosen Antragstellung ist grundsätzlich der gesamte bisherige Inhalt der Verfahrensakten in Bezug genommen, der damit
insgesamt iSv. § 559 Abs. 1 ZPO der revisionsrechtlichen Beurteilung unterliegt (BAG 12. Mai 2010 - 2 AZR 544/08 - Rn. 22, AP BGB § 123 Nr. 68 = EzA
BGB 2002 § 123 Nr. 9; 5. Februar 2009 - 6 AZR 151/08 - Rn. 24, BAGE 129, 265). Der Interessenausgleich, aus dem sich die für die Beurteilung der
Sozialauswahl maßgeblichen Tatsachen ergeben, ist Teil dieses Akteninhalts.
c) Die Entscheidung, den Kläger zu entlassen, ist auch am Maßstab des § 1 Abs. 3 KSchG gemessen im Ergebnis nicht zu beanstanden. Allerdings spricht eine
vom Arbeitgeber auszuräumende tatsächliche Vermutung dafür, dass die Auswahl auch im Ergebnis sozialwidrig ist, wenn er entgegen § 1 Abs. 3 KSchG keine
Sozialauswahl vorgenommen hat. Hat der Arbeitgeber unter Verkennung des Betriebsbegriffs die Sozialauswahl auf einzelne Filialen beschränkt, die keine
eigenständigen Betriebe iSd. § 23 KSchG sind, führt die Unterlassung der sozialen Auswahl aber dann nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung, wenn sich aus
dem Vorbringen des Arbeitgebers bzw. dem Parteivorbringen ergibt, dass in den anderen Filialen keine vergleichbaren Arbeitnehmer beschäftigt waren (BAG
3. April 2008 - 2 AZR 879/06 - Rn. 30 f., AP KSchG 1969 § 1 Namensliste Nr. 17 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 15). Dies ist vorliegend der Fall.
Der Beklagte hat nicht nur das QTC G, in dem der Kläger beschäftigt war, stillgelegt, sondern hat auch alle anderen 108 QTC entweder ebenfalls stillgelegt
oder einem anderen Geschäftszweck zugeführt. Kein anderes QTC ist unverändert weiterbetrieben worden. Ein Einsatz des Klägers wäre nur noch in einem
Küchen-Megastore möglich gewesen. Der Kläger war jedoch mit den in den Küchen-Megastores tätigen Arbeitnehmern nicht vergleichbar. Ein etwaiger, auf
der Verkennung des Betriebsbegriffs beruhender Auswahlfehler hätte sich deshalb auf das Ergebnis der Sozialauswahl nicht ausgewirkt.
(1) Der Beklagte hat mitgeteilt, dass er in die Sozialauswahl nur die Arbeitnehmer des QTC G einbezogen hat und die Arbeitnehmer aller anderen QTC als
nicht vergleichbar angesehen hat. Die Namen der von ihm für vergleichbar gehaltenen Arbeitnehmer ergaben sich aus der Anlage 2 zum Interessenausgleich.
Damit hat der Beklagte dem Kläger Auskunft über die von ihm zugrunde gelegten Auswahlkriterien, deren Gewichtung und die Namen der seiner subjektiven
Auffassung nach in die Auswahl einzubeziehenden Arbeitnehmer erteilt. Er hat dadurch, wie das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerfrei festgestellt hat, auch
dann seiner Auskunftspflicht nach § 1 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 KSchG genügt, wenn sich aus der erteilten Auskunft ergäbe, dass seine Auffassung unrichtig
gewesen wäre (vgl. BAG 21. Juli 1988 - 2 AZR 75/88 - AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 17 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 26).
(2) Der Kläger nimmt bei seiner Argumentation zwar im Ansatzpunkt zur Kenntnis, dass der Beklagte nicht nur das QTC G, sondern 106 weitere der bisher 109
QTC geschlossen hat. Er lässt bei seiner Rüge, er hätte in den beiden verbleibenden QTC oder in den übrigen Küchen-Megastores als Leiter eingesetzt werden
können und müssen, aber außer Acht, dass sich das Anforderungsprofil dafür von seinem bisherigen erheblich unterscheidet. Auch die QTC R und F sollten
nicht in der bisherigen Form weitergeführt werden, sondern zu Küchen-Megastores umgestaltet werden. Für den Vertrieb von Küchen reichen aber die für den
Verkauf technischer Geräte an den Endverbraucher, wie er in den QTC und auch im QTC G erfolgt ist, verlangten Kenntnisse und Fähigkeiten nicht aus. Der
Beklagte hat unter Hinweis auf den anders gelagerten Geschäftszweck der Küchen-Megastores die Vergleichbarkeit des Klägers mit den dort beschäftigten
Leitern in Abrede gestellt. Dass für die Tätigkeit in einem Küchen-Megastore besondere Kenntnisse erforderlich sind, ergibt sich aus § 4 Ziff. 1 Abs. 2 des
Interessenausgleichs und ist im Übrigen offenkundig iSv. § 291 ZPO. Zum Vertrieb von Küchen gehören neben vertieften Kenntnissen der dafür benötigten
technischen Geräte auch solche der Küchenplanung und des damit zwingend verbundenen Möbelbaus. Das gilt grundsätzlich auch für den Leiter eines solchen
Stores, zumal angesichts der geringen Anzahl der dort jeweils beschäftigten Arbeitnehmer, die es erfordern dürfte, dass der Leiter auch selbst beim
Küchenvertrieb tätig wird. Der Beklagte hat unwidersprochen vorgetragen, der Kläger sei mit dem Vertrieb von Küchen in seiner bisherigen Tätigkeit nicht
befasst gewesen. Wieso der Kläger ungeachtet dessen die Leitung eines Küchen-Megastores nach allenfalls kurzer Einarbeitungszeit hätte übernehmen können,
hätte er deshalb näher darlegen müssen. Er hat dies jedoch nicht einmal behauptet, sondern sich darauf beschränkt, auf seine sich aus § 1 Abs. 3 seines
Anstellungsvertrags ergebende bundesweite Einsetzbarkeit zu verweisen. Dieser Hinweis ersetzt den erforderlichen Tatsachenvortrag zur Vergleichbarkeit des
Klägers mit den Leitern der (künftigen) Küchen-Megastores nicht.
(3) Der Kläger hat auch nicht behauptet, dass er mit Arbeitnehmern in anderen Betrieben der Schuldnerin außerhalb der QTC vergleichbar gewesen sei. ..."
***
Eine Altersgruppenbildung ist zur Erhaltung der Altersstruktur der Belegschaft nur geeignet, wenn sie dazu führt, dass die bestehende Struktur bewahrt bleibt.
Sind mehrere Gruppen vergleichbarer Arbeitnehmer von den Entlassungen betroffen, muss deshalb eine proportionale Berücksichtigung aller Altersgruppen
auch innerhalb der jeweiligen Vergleichsgruppen möglich sein (BAG, Urteil vom 19.07.2012 - 2 AZR 352/11):
„... b) Die Altersgruppenbildung war hier zur Erhaltung der Altersstruktur in jedem Fall ungeeignet. Eine Abweichung von den Grundsätzen des § 1 Abs. 3 Satz
1 KSchG war deshalb nicht gerechtfertigt.
aa) Eine Altersgruppenbildung ist zur Erhaltung der Altersstruktur der Belegschaft nur geeignet, wenn sie dazu führt, dass die bestehende Struktur bewahrt
bleibt. Dafür muss die bisherige Verteilung der Beschäftigten auf die Altersgruppen ihre prozentuale Entsprechung in der Anzahl der in der jeweiligen
Altersgruppe zu Kündigenden finden. Dadurch wird die Erhaltung der bisherigen Struktur der Gesamtbelegschaft - in etwa - erreicht. Sind mehrere Gruppen
vergleichbarer Arbeitnehmer von den Entlassungen betroffen, muss deshalb eine proportionale Berücksichtigung aller Altersgruppen auch innerhalb der
jeweiligen Vergleichsgruppen möglich sein. Die betriebsweite Sicherung der Altersstruktur muss die Folge der proportionalen Beteiligung sämtlicher
Altersgruppen auch innerhalb der einzelnen Vergleichsgruppen sein. Es ist das Kennzeichen der Sozialauswahl, dass sie innerhalb von Vergleichsgruppen zu
erfolgen hat (BAG 22. März 2012 - 2 AZR 167/11 - Rn. 33).
bb) Diesen Mindestanforderungen an eine Sozialauswahl im Rahmen von Altersgruppen genügt die von der Beklagten getroffene Auswahl der Klägerin nicht.
In der Vergleichsgruppe, der die Klägerin angehört, war eine proportionale Beteiligung aller Altersgruppen bereits deshalb nicht möglich, weil bei drei
Altersgruppen nur zwei Arbeitnehmer zur Kündigung anstanden. Danach konnten allenfalls zwei Altersgruppen überhaupt an den Entlassungen beteiligt
werden. Dies musste notwendig zu einer Verschiebung der Altersstruktur führen. Dementsprechend haben die ausgesprochenen Kündigungen in der
Vergleichsgruppe der Klägerin zu einem Absinken des Altersdurchschnitts um 3,3 Jahre geführt.
III. Liegen danach die Voraussetzungen für eine Abweichung von den Grundsätzen der Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG durch die Bildung von
Altersgruppen nicht vor, hatte die Sozialauswahl ohne Rücksicht auf Altersgruppen zu erfolgen. Eine Prüfung, ob sie auch dann nicht grob fehlerhaft ist, hat das
Landesarbeitsgericht nicht vorgenommen. Der Senat vermag dies aufgrund der bisherigen Feststellungen nicht selbst zu beurteilen. Diese lassen keine
abschließende Entscheidung darüber zu, ob die Herausnahme der Mitarbeiterin K grob fehlerhaft war.
1. Die Sozialauswahl ist grob fehlerhaft, wenn eine evidente, ins Auge springende erhebliche Abweichung von den Grundsätzen des § 1 Abs. 3 KSchG vorliegt
und der Interessenausgleich jede soziale Ausgewogenheit vermissen lässt (BAG 12. März 2009 - 2 AZR 418/07 - Rn. 32, AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl
Nr. 97 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 17; 3. April 2008 - 2 AZR 879/06 - Rn. 16, AP KSchG 1969 § 1 Namensliste Nr. 17 = EzA KSchG § 1
Interessenausgleich Nr. 15). Dabei muss sich die getroffene Auswahl gerade mit Blick auf den klagenden Arbeitnehmer im Ergebnis als grob fehlerhaft
erweisen. Nicht entscheidend ist, dass das gewählte Auswahlverfahren als solches Anlass zu Beanstandungen gibt (BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 420/09 - Rn.
19, AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 98 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 22; 18. Oktober 2006 - 2 AZR 473/05 - Rn. 23, BAGE 120, 18).
2. Bei der erneut anzustellenden Prüfung, ob die Sozialauswahl grob fehlerhaft war, wird das Landesarbeitsgericht deshalb die folgenden Grundsätze zu
beachten haben.
a) Nach § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG sind in die Sozialauswahl vergleichbare Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen
ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Aus dem Umstand, dass das Gesetz dafür ein betriebliches Interesse
nicht ausreichen lässt, sondern fordert, dieses müsse „berechtigt" sein, folgt, dass ein betriebliches Interesse auch „unberechtigt" sein kann. Nach dem Gesetz
sind danach dem betrieblichen Interesse entgegengesetzte Interessen denkbar, die einer Herausnahme von sog. Leistungsträgern aus der Sozialauswahl
entgegenstehen können. Bei den gegenläufigen Interessen kann es sich angesichts des Umstands, dass § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG eine Ausnahme vom Gebot der
Sozialauswahl statuiert, nur um die Belange des sozial schwächeren Arbeitnehmers handeln. Diese sind im Rahmen des § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG demnach
gegen das betriebliche Interesse an einer Herausnahme von Leistungsträgern abzuwägen. Je schutzbedürftiger dabei der sozial schwächere Arbeitnehmer ist,
umso gewichtiger müssen die Gründe für die Ausklammerung des Leistungsträgers sein (BAG 31. Mai 2007 - 2 AZR 306/06 - BAGE 123, 20). Diese
Abwägung hat im konkreten Vergleich zu erfolgen (BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 420/09 - Rn. 29, AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 98 = EzA KSchG
§ 1 Interessenausgleich Nr. 22).
b) Es ist rechtlich nicht zu beanstanden, dass das Landesarbeitsgericht die Möglichkeit störungsfreier Kommunikation mit der spanischen Vorgesetzten der
Sekretärinnen im Bereich „Entwicklung" als betrieblichen Belang angesehen hat. Ob dieser im Sinne von § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG auch „berechtigt" ist, hängt
vom Ergebnis der Abwägung gegen die sozialen Interessen der Klägerin im konkreten Vergleich mit Frau K als derjenigen Arbeitnehmerin ab, die die Beklagte
wegen ihrer Englischkenntnisse aus der Sozialauswahl herausgenommen hat.
aa) Der Unterschied der sozialen Schutzbedürftigkeit von Frau K und der Klägerin ist erheblich. Die Klägerin war zum Zeitpunkt der Kündigung 52 Jahre alt
und ca. 31 Jahre im Betrieb beschäftigt. Frau K war mit 26 Jahren nur halb so alt und gehörte dem Betrieb erst rund vier Jahre zu. Dementsprechend kam die
Klägerin unter Anwendung der Regelungen des Interessenausgleichs auf 102, Frau K lediglich auf 29 „soziale" Punkte.
bb) Angesichts dieses erheblichen Unterschieds bedarf es gewichtiger betrieblicher Interessen, um eine Herausnahme von Frau K aus der Sozialauswahl nach §
1 Abs. 3 Satz 2 KSchG zu rechtfertigen. Die Feststellung des Landesarbeitsgerichts, es bedürfe zur notwendigen Kommunikation mit der spanischen
Vorgesetzten „verhandlungssicherer" Englischkenntnisse, bietet keine hinlängliche Grundlage für die Beurteilung, ob es sich hierbei um einen betrieblichen
Belang von ausreichendem Gewicht handelt. Zweifel hieran könnten deshalb bestehen, weil die Sekretärinnen der Vergleichsgruppe, der die Klägerin angehört,
nach eigenem Vortrag der Beklagten die englische Sprache generell nicht verhandlungssicher beherrschen müssen und daher niedriger eingruppiert sind als die
übrigen Sekretärinnen im Betrieb. Das Landesarbeitsgericht wird deshalb festzustellen haben, wie sich die Zusammenarbeit mit der Vorgesetzten im Einzelnen
gestaltet hat, insbesondere in welchem zeitlichen und inhaltlichen Umfang eine Kommunikation erfolgt ist. Sollte das Berufungsgericht zu dem Ergebnis
kommen, dass im Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs zur Kommunikation mit der spanischen Vorgesetzten „verhandlungssichere" Englischkenntnisse in
nennenswertem Umfang jedenfalls bei einer der mehreren zu ihren Untergebenen zählenden Sekretärinnen erforderlich waren, wird es weiter zu prüfen haben,
ob allein Frau K oder auch andere, nicht gekündigte Arbeitnehmerinnen der Abteilung über diese Kenntnisse verfügten. Im ersten Fall käme dem betrieblichen
Belang ein größeres Gewicht zu als im zweiten. ..."
***
Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses einer Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen bedarf gem. § 96 Abs. 3 Satz 1 SGB IX iVm. § 103
BetrVG bzw. den maßgeblichen personalvertretungsrechtlichen Vorschriften der Zustimmung des Betriebs- bzw. Personalrats. Einer Zustimmung der
Schwerbehindertenvertretung bedarf es nicht ( BAG, Urteil vom 19.07.2012 - 2 AZR 989/11).
***
Bei der einem Interessenausgleich mit Namensliste nach § 125 InsO zugrunde liegenden Sozialauswahl kann sich die Berücksichtigung von
Unterhaltspflichten gegenüber Kindern auf diejenigen beschränken, die aus der Lohnsteuerkarte entnommen werden können. Dagegen darf bei der einem
solchen Interessenausgleich zugrunde liegenden Sozialauswahl jedenfalls die Verpflichtung zur Gewährung von Familienunterhalt an den mit dem
Arbeitnehmer in ehelicher Lebensgemeinschaft lebenden Ehegatten gemäß § 1360 BGB nicht gänzlich außer Betracht bleiben (BAG, Urteil vom 28.06.2012 - 6
AZR 682/10).
***
Entwendet eine Verkäuferin Zigarettenpackungen aus dem Warenbestand des Arbeitgebers, kann dies auch nach längerer Beschäftigungsdauer eine
Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen. Das aus einer verdeckten Videoüberwachung öffentlich zugänglicher Arbeitsplätze gewonnene
Beweismaterial unterliegt nicht allein deshalb einem prozessualen Beweisverwertungsverbot, weil es unter Verstoß gegen das Gebot in § 6b Abs. 2 BDSG
gewonnen wurde, bei Videoaufzeichnungen öffentlich zugänglicher Räume den Umstand der Beobachtung und die verantwortliche Stelle durch geeignete
Maßnahmen kenntlich zu machen (BAG, Urteil vom 21.06.2012 - 2 AZR 153/11):
„... bb) ... Die Klägerin hat - den vom Landesarbeitsgericht festgestellten Sachverhalt als wahr unterstellt - heimlich und vorsätzlich das in sie gesetzte
Vertrauen als Verkäuferin und stellvertretende Filialleiterin zu einer Schädigung des Vermögens ihrer Arbeitgeberin missbraucht. Es ist angesichts dessen
revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn das Landesarbeitsgericht angenommen hat, eine Wiederherstellung des Vertrauens sei auch angesichts der
unbeanstandeten Betriebszugehörigkeit der Klägerin von 18 Jahren und des geringen Werts der entwendeten Gegenstände nicht zu erwarten gewesen. Für den
Grad des Verschuldens und die Möglichkeit einer Wiederherstellung des Vertrauens macht es objektiv einen Unterschied, ob es sich bei einer Pflichtverletzung
um ein Verhalten handelt, das insgesamt auf Heimlichkeit angelegt ist - wie nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts im Streitfall - oder nicht (vgl.
BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 45, BAGE 134, 349).
3. Die Beweiswürdigung des Landesarbeitsgerichts lässt für den Fall, dass hinsichtlich der Videoaufzeichnungen vom 6. und 17. Dezember 2008 ein
Beweisverwertungsverbot nicht bestand, keinen Rechtsfehler erkennen.
a) Eine vom Berufungsgericht nach § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO vorgenommene Beweiswürdigung kann durch das Revisionsgericht nur begrenzt überprüft
werden. Dieses kann lediglich prüfen, ob das Berufungsgericht die Voraussetzungen und Grenzen des § 286 ZPO gewahrt und eingehalten hat.
Revisionsrechtlich von Bedeutung ist nur, ob das Berufungsgericht den gesamten Inhalt der Verhandlung berücksichtigt und alle erhobenen Beweise gewürdigt
hat, ob die Beweiswürdigung in sich widerspruchsfrei und ohne Verletzung von Denkgesetzen sowie allgemeinen Erfahrungssätzen erfolgt ist und ob sie
rechtlich möglich ist. Ausreichend ist, dass das Berufungsgericht insgesamt widerspruchsfrei und umfassend hinsichtlich aller wesentlichen Aspekte zum
Ergebnis der Beweisaufnahme Stellung genommen hat (BAG 27. Juli 2011 - 7 AZR 402/10 - Rn. 51, EzA TzBfG § 17 Nr. 14; 18. Januar 2007 - 2 AZR 759/05
- Rn. 28, PatR 2008, 34; 1. Oktober 1997 - 5 AZR 685/96 - zu II 3 a der Gründe, BAGE 86, 347; BGH 14. Januar 1993 - IX ZR 238/91 - zu B II 3 a der
Gründe, NJW 1993, 935).
b) Danach ist die Beweiswürdigung des Landesarbeitsgerichts revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Das Berufungsgericht hat umfassend, widerspruchsfrei
und ohne Verstoß gegen Denkgesetze begründet, warum es für wahr erachte, dass die Klägerin am 6. und am 17. Dezember 2008 jeweils zumindest eine
Zigarettenpackung aus dem Warenbestand der Rechtsvorgängerin der Beklagten entwendet habe.
aa) Soweit die Klägerin geltend macht, sie selbst habe eine derartige Feststellung auch bei intensiver Betrachtung der Aufnahmen nicht treffen können, schließt
dies nicht aus, dass die Berufungskammer ohne Rechtsfehler zu einer anderen Überzeugung gelangt ist.
bb) Zur Überzeugung des Landesarbeitsgerichts ist nach dem Inhalt der Videoaufzeichnungen widerlegt, dass die Klägerin - wie von ihr behauptet - lediglich
Aufräumarbeiten an dem Zigarettenträger durchgeführt hat. Das Landesarbeitsgericht hat insoweit auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts Bezug genommen.
Dieses hatte das aus den Videoaufnahmen ersichtliche Verhalten der Klägerin näher beschrieben und im Einzelnen ausgeführt, warum es ein bloßes
„Aufräumen" in keiner Weise habe erkennen lassen.
cc) Das Landesarbeitsgericht hat in seine Würdigung einbezogen, dass es sich bei den in Augenschein genommenen Videoaufnahmen nicht um ungeschnittene
Originalaufnahmen, sondern um Ausschnitte aus dem Gesamtmaterial handelte. Es hat angenommen, deren Beweiswert hinsichtlich der konkreten
Tathandlungen sei dadurch nicht gemindert. Entgegen der Auffassung der Klägerin hat es die Möglichkeit einer Manipulation zu deren Lasten nicht ohne
Begründung, sondern wegen der im Bild mitlaufenden Zeit- und Datumsangaben ausgeschlossen. Dies lässt keinen Rechtsfehler erkennen.
III. Aufgrund der bisherigen Feststellungen kann der Senat nicht abschließend entscheiden, ob der Verwertung der Videoaufzeichnungen zum Beweis des
Verhaltens der Klägerin ein prozessuales Verbot wegen einer Verletzung von deren allgemeinem Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG
entgegenstand. Die Frage, ob ein Beweisverwertungsverbot auch aus einer möglichen Verletzung von § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG folgt, stellt sich hingegen für
die Videoaufzeichnungen aus dem Jahr 2008 nicht. § 32 BDSG ist erst mit Wirkung vom 1. September 2009 in Kraft getreten.
1. Im gerichtlichen Verfahren tritt der Richter den Verfahrensbeteiligten in Ausübung staatlicher Hoheitsgewalt gegenüber. Er ist daher nach Art. 1 Abs. 3 GG
bei der Urteilsfindung an die insoweit maßgeblichen Grundrechte gebunden und zu einer rechtsstaatlichen Verfahrensgestaltung verpflichtet (BVerfG 13.
Februar 2007 - 1 BvR 421/05 - Rn. 93 mwN, BVerfGE 117, 202). Dabei können sich auch aus materiellen Grundrechten wie Art. 2 Abs. 1 GG Anforderungen
an das gerichtliche Verfahren ergeben, wenn es um die Offenbarung und Verwertung von persönlichen Daten geht, die grundrechtlich vor der Kenntnis durch
Dritte geschützt sind (BVerfG 13. Februar 2007 - 1 BvR 421/05 - Rn. 94 mwN, aaO). Das Gericht hat deshalb zu prüfen, ob die Verwertung von heimlich
beschafften persönlichen Daten und Erkenntnissen, die sich aus diesen Daten ergeben, mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Betroffenen vereinbar ist
(BVerfG 13. Februar 2007 - 1 BvR 421/05 - aaO).
a) Bei der Abwägung zwischen dem Interesse an einer funktionstüchtigen Rechtspflege und dem Schutz des informationellen Selbstbestimmungsrechts als
Ausfluss des allgemeinen Persönlichkeitsrechts hat das Interesse an der Verwertung der einschlägigen Daten und Erkenntnisse nur dann höheres Gewicht, wenn
weitere, über das schlichte Beweisinteresse hinausgehende Aspekte hinzukommen, die ergeben, dass das Verwertungsinteresse trotz der
Persönlichkeitsbeeinträchtigung überwiegt. Allein das Interesse, sich ein Beweismittel zu sichern, reicht nicht aus (BVerfG 13. Februar 2007 - 1 BvR 421/05 -
BVerfGE 117, 202). Die weiteren Aspekte müssen gerade eine bestimmte Informationsbeschaffung und Beweiserhebung als schutzbedürftig qualifizieren
(BVerfG 9. Oktober 2002 - 1 BvR 1611/96, 1 BvR 805/98 - zu C II 4 a der Gründe, BVerfGE 106, 28; BAG 13. Dezember 2007 - 2 AZR 537/06 - Rn. 36, AP
BGB § 626 Nr. 210 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 20; vgl. zur Problematik auch BAG 23. April 2009 - 6 AZR 189/08 - BAGE 130, 347).
b) Das durch Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG gewährleistete, auch im Privatrechtsverkehr und insbesondere im Arbeitsverhältnis zu beachtende allgemeine
Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers ist - auch in seiner Ausprägung als Recht am eigenen Bild - nicht schrankenlos gewährleistet. Eingriffe können durch
Wahrnehmung überwiegend schutzwürdiger Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt sein. Bei einer Kollision des allgemeinen Persönlichkeitsrechts mit den
Interessen des Arbeitgebers ist durch eine Güterabwägung im Einzelfall zu ermitteln, ob dieses den Vorrang verdient (vgl. BVerfG 9. Oktober 2002 - 1 BvR
1611/96, 1 BvR 805/98 - zu C II 4 a der Gründe, BVerfGE 106, 28; BAG 13. Dezember 2007 - 2 AZR 537/06 - Rn. 36, AP BGB § 626 Nr. 210 = EzA BGB
2002 § 626 Nr. 20; 14. Dezember 2004 - 1 ABR 34/03 - zu B I der Gründe, AP BetrVG 1972 § 87 Überwachung Nr. 42 = EzA BetrVG 2001 § 87
Überwachung Nr. 1). Danach ist die heimliche Videoüberwachung eines Arbeitnehmers zulässig, wenn der konkrete Verdacht einer strafbaren Handlung oder
einer anderen schweren Verfehlung zu Lasten des Arbeitgebers besteht, weniger einschneidende Mittel zur Aufklärung des Verdachts ergebnislos ausgeschöpft
sind, die verdeckte Videoüberwachung damit praktisch das einzig verbleibende Mittel darstellt und sie insgesamt nicht unverhältnismäßig ist (BAG 27. März
2003 - 2 AZR 51/02 - zu B I 3 b cc der Gründe, BAGE 105, 356). Der Verdacht muss in Bezug auf eine konkrete strafbare Handlung oder andere schwere
Verfehlung zu Lasten des Arbeitgebers gegen einen zumindest räumlich und funktional abgrenzbaren Kreis von Arbeitnehmern bestehen. Er darf sich nicht auf
die allgemeine Mutmaßung beschränken, es könnten Straftaten begangen werden, er muss sich jedoch nicht notwendig nur gegen einen einzelnen, bestimmten
Arbeitnehmer richten (vgl. BAG 27. März 2003 - 2 AZR 51/02 - zu B I 3 b dd (1) der Gründe, aaO). Auch im Hinblick auf die Möglichkeit einer weiteren
Einschränkung des Kreises der Verdächtigen müssen weniger einschneidende Mittel als eine verdeckte Videoüberwachung zuvor ausgeschöpft worden sein.
2. Nach diesen Grundsätzen stellten die verdeckte Videoüberwachung der Klägerin und die Verwertung der zum Beweis für ihr Verhalten angebotenen
Videoaufnahmen vom 6. und 17. Dezember 2008 einen Eingriff in das Recht der Klägerin am eigenen Bild als Ausprägung ihres grundrechtlich gewährleisteten
allgemeinen Persönlichkeitsrechts dar. Ob der Eingriff gerechtfertigt war, steht dagegen noch nicht fest.
a) Das Landesarbeitsgericht hat bisher keine Feststellungen getroffen, aufgrund derer die Annahme berechtigt wäre, es habe der hinreichend konkrete Verdacht
einer strafbaren Handlung oder einer anderen schweren Verfehlung zu Lasten der Arbeitgeberin bestanden. Es hat nicht in einer den Senat gem. § 559 Abs. 2
ZPO bindenden Weise festgestellt, dass und welche Inventurdifferenzen tatsächlich vorgelegen haben. Soweit es ausführt, es habe der Verdacht bestanden,
„dass Mitarbeiterdiebstähle erheblichen Einfluss auf die festgestellten Inventurdifferenzen" gehabt hätten, ist nicht festgestellt, auf welche Tatsachen sich dieser
Verdacht gründete und welcher zumindest eingrenzbare Kreis von Mitarbeitern hiervon betroffen war. Die von der Beklagten behaupteten Inventurdifferenzen
hat die Klägerin bestritten. Das Landesarbeitsgericht hat hierzu keine eigenen Feststellungen getroffen. Ob zudem auf Tatsachen gegründete Verdachtsmomente
oder Erkenntnisse vorlagen, die die Einschätzung rechtfertigten, weniger einschneidende Mittel zur Aufklärung als die verdeckte Videoüberwachung seien nicht
(mehr) in Betracht gekommen, lässt sich aufgrund der bisherigen Feststellungen ebenfalls nicht beurteilen.
b) Der Umstand, dass der Betriebsrat der Überwachungsmaßnahme zugestimmt hat, vermag die Feststellung der den Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der
Klägerin rechtfertigenden Tatsachen nicht zu ersetzen. Dass die Betriebsparteien die Voraussetzungen für eine Rechtfertigung des Eingriffs als gegeben
ansahen, genügt nicht. Diese müssen vielmehr tatsächlich vorgelegen haben. Die Betriebsparteien haben höherrangiges Recht zu beachten (BAG 26. August
2008 - 1 ABR 16/07 - Rn. 14, BAGE 127, 276; Byers Die Videoüberwachung am Arbeitsplatz 2010 S. 54; Fitting BetrVG 25. Aufl. § 77 Rn. 55). Sie können
die Grenzen eines rechtlich zulässigen Eingriffs nicht zulasten der Arbeitnehmer verschieben (Byers aaO; Haußmann/Krets NZA 2005, 259, 262; Richardi in
Richardi BetrVG 12. Aufl. § 87 Rn. 529; GK-BetrVG/Wiese 9. Aufl. § 87 Rn. 487 f.).
c) Umgekehrt erscheint nach dem Vorbringen der Beklagten nicht ausgeschlossen, dass auf ihrer Seite ein überwiegendes Interesse an der vorgenommenen
Videoüberwachung und der Verwertung der dadurch gewonnenen Erkenntnisse bestand. Die Beklagte hat unter Beweisantritt behauptet, in der Filiale der
Klägerin hätten erhebliche Inventurverluste in Höhe von monatlich etwa 7.600,00 Euro bestanden, die im Rahmen der üblichen Maßnahmen zur Reduzierung
von Inventurdifferenzen nicht hätten aus der Welt geschafft werden können. So seien unter anderem die Anzahl der Inventuren sowie der Früh- und
Spätkontrollen erhöht und der Umfang der Warenabschreibungen stärker kontrolliert worden. Die Aufklärungsbemühungen über das Warenwirtschaftssystem
hätten ergeben, dass insbesondere im Bereich Tabak erhebliche Verluste aufgetreten seien. Da Tabakartikel unter Haltbarkeitsgesichtspunkten nicht
abgeschrieben würden, habe der Verdacht bestanden, dass Mitarbeiterdiebstähle einen erheblichen Einfluss auf die Inventurdifferenzen gehabt hätten. Die
Videoüberwachung sei auf die besonders sensiblen Filialbereiche, insbesondere auf die Kassenzone mit Zigarettenschütte, beschränkt worden.
3. Soweit es sich bei den in Augenschein genommenen Aufnahmen um Videoaufzeichnungen öffentlich zugänglicher Räume iSv. § 6b Abs. 1 BDSG gehandelt
haben sollte, folgt ein Beweisverwertungsverbot nicht schon aus einer Verletzung des Gebots in § 6b Abs. 2 BDSG, den Umstand der Beobachtung und die
verantwortliche Stelle durch geeignete Maßnahmen erkennbar zu machen.
a) § 6b BDSG wurde im Zuge der Novellierung des Bundesdatenschutzgesetzes im Jahr 2001 in das Gesetz aufgenommen und regelt die Beobachtung
öffentlich zugänglicher Räume mit optisch-elektronischen Einrichtungen. Die Bestimmung gilt ua. für Videoaufzeichnungen in öffentlich zugänglichen
Verkaufsräumen (BT-Drucks. 14/4329 S. 38). Unerheblich ist, ob Ziel der Beobachtung die Allgemeinheit ist oder die an Arbeitsplätzen in diesen
Verkaufsräumen beschäftigten Arbeitnehmer (Bayreuther NZA 2005, 1038; Byers Die Videoüberwachung am Arbeitsplatz 2010 S. 73; Otto Anm. zu BAG 27.
März 2003 - 2 AZR 51/02 - AP BetrVG 1972 § 87 Überwachung Nr. 36).
b) Im Streitfall haben die in Augenschein genommenen Videoaufzeichnungen möglicherweise deshalb keinen öffentlich zugänglichen Raum iSv. § 6b BDSG
betroffen, weil die Verkaufsräume zum Zeitpunkt der der Klägerin zur Last gelegten Vorgänge bereits geschlossen und daher für die Öffentlichkeit nicht mehr
zugänglich waren. Nach dem Sachvortrag der Beklagten ging es um Handlungen der Klägerin „nach Geschäftsschluss". Dies kann letztlich dahinstehen. Ein
Verstoß gegen § 6b Abs. 2 BDSG führt nicht zu dem Verbot, eine im Verhältnis zum überwachten Arbeitnehmer ansonsten in zulässiger Weise beschaffte
Information zu Beweiszwecken zu verwerten.
aa) Unter welchen Voraussetzungen eine Videoüberwachung öffentlich zugänglicher Räume zulässig ist, bestimmt § 6b Abs. 1 BDSG. Dies ist nach § 6b Abs.
1 Nr. 3 BDSG ua. dann der Fall, wenn und soweit sie zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zwecke erforderlich ist und keine
Anhaltspunkte dafür bestehen, dass schutzwürdige Interessen der Betroffenen überwiegen. Dass eine Videoüberwachung in öffentlich zugänglichen Räumen
ausschließlich offen erfolgen dürfte, ergibt sich aus § 6b Abs. 1 BDSG nicht.
bb) Allerdings regelt § 6b Abs. 2 BDSG, dass der Umstand der Beobachtung und die verantwortliche Stelle bei Videoaufzeichnungen in öffentlich
zugänglichen Räumen durch geeignete Maßnahmen erkennbar zu machen sind. Daraus wird teilweise gefolgert, eine verdeckte Videoüberwachung in öffentlich
zugänglichen Räumen sei ausnahmslos unzulässig (ArbG Frankfurt 25. Januar 2006 - 7 Ca 3342/05 - RDV 2006, 214; Bayreuther NZA 2005, 1038, 1040 f.;
Lunk NZA 2009, 457, 460; Otto Anm. zu BAG 27. März 2003 - 2 AZR 51/02 - AP BetrVG 1972 § 87 Überwachung Nr. 36). Diese Auffassung überzeugt
nicht. Falls die verdeckte Videoüberwachung das einzige Mittel zur Überführung von Arbeitnehmern ist, die der Begehung von Straftaten konkret verdächtig
sind, kann vielmehr eine heimliche Videoaufzeichnung auch in öffentlich zugänglichen Räumen nach § 6b Abs. 1 Nr. 3 BDSG zulässig sein (so auch Bergwitz
NZA 2012, 353, 357 f.; Byers Die Videoüberwachung am Arbeitsplatz 2010 S. 79; Forst RDV 2009, 204, 209; Gola/Schomerus BDSG 10. Aufl. § 6b BDSG
Rn. 28; Grimm/Schiefer RdA 2009, 329, 334 f.; Grimm/Strauf ZD 2011, 188; Maschmann FS Hromadka 2008, 233, 244 f.; Müller Die Zulässigkeit der
Videoüberwachung am Arbeitsplatz 2008 S. 126 f.; Oberwetter NZA 2008, 609, 610; Thüsing Arbeitnehmerdatenschutz und Compliance 2010 Rn. 358;
Vietmeyer DB 2010, 1462, 1463).
(1) Das Kennzeichnungsgebot gem. § 6b Abs. 2 BDSG ist weder in § 6b Abs. 1 BDSG noch in § 6b Abs. 3 BDSG als Voraussetzung für die Zulässigkeit einer
Verarbeitung oder Nutzung von nach § 6b Abs. 1 BDSG erhobenen Daten aufgeführt. Auch aus der Gesetzesbegründung (vgl. BT-Drucks. 14/4329 S. 28, 30
und 38) ergibt sich nicht, dass die Einhaltung des Gebots nach § 6b Abs. 2 BDSG Voraussetzung für die materiellrechtliche Zulässigkeit der Maßnahme wäre.
Nach dem Bericht des Innenausschusses normieren die Absätze 1, 3 und 5 der Vorschrift die Zulässigkeitsvoraussetzungen in den verschiedenen
Verarbeitungsphasen (BT-Drucks. 14/5793 S. 61), während die Kennzeichnungspflicht des Abs. 2 lediglich die nach dem Gesetz bestehenden allgemeinen
Verfahrenssicherungen ergänzt (BT-Drucks. 14/5793 S. 62).
(2) Im Hinblick auf die ihrerseits durch Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Integritätsinteressen des Arbeitgebers begegnete ein absolutes, nur durch
bereichsspezifische Spezialregelungen (vgl. etwa § 100c und § 100h StPO) eingeschränktes Verbot verdeckter Videoaufzeichnungen in öffentlich zugänglichen
Räumen verfassungsrechtlichen Bedenken. Ob und inwieweit eine verdeckte Videoüberwachung öffentlich zugänglicher Verkaufsräume zulässig ist, wenn sie
dem Ziel der Aufklärung eines gegen dort beschäftigte Arbeitnehmer bestehenden konkreten Verdachts der Begehung von Straftaten oder anderer
schwerwiegender Pflichtverletzungen dient, lässt sich nur durch eine Abwägung der gegenläufigen Grundrechtspositionen unter Wahrung des Grundsatzes der
Verhältnismäßigkeit im Einzelfall beurteilen. Dem trägt auch die Formulierung in § 6b Abs. 1 Nr. 3 BDSG Rechnung. Ein uneingeschränktes Verbot der
verdeckten Videoüberwachung öffentlich zugänglicher Räume würde dem nicht gerecht. § 6b BDSG ist deshalb - verfassungskonform - dahin auszulegen, dass
auch eine verdeckte Videoüberwachung öffentlich zugänglicher Räume im Einzelfall zulässig sein kann (zutreffend Byers Die Videoüberwachung am
Arbeitsplatz 2010 S. 79 f.; Müller Die Zulässigkeit der Videoüberwachung am Arbeitsplatz 2008 S. 126 f.; Vietmeyer DB 2010, 1462, 1463 f.).
(3) Die nach § 6b Abs. 2 BDSG gebotene Erkennbarkeit der Videoüberwachung öffentlich zugänglicher Räume ist auch für die Verarbeitung oder Nutzung der
nach § 6b Abs. 1 BDSG erhobenen Daten nicht zwingende materielle Voraussetzung. Nach § 6b Abs. 3 BDSG sind Verarbeitung oder Nutzung dann zulässig,
wenn dies zum Erreichen des verfolgten Zwecks erforderlich ist und keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass schutzwürdige Interessen der Betroffenen
überwiegen. Von der Einhaltung des Kennzeichnungsgebots gem. § 6b Abs. 2 BDSG hängt beides nicht zwingend ab.
4. Im Hinblick auf eine Unionsrechtskonformität besteht kein Klärungsbedarf. Die Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24.
Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (ABl. L 281 S. 31) enthält keine §
6b BDSG vergleichbare Regelung für die Videoüberwachung. Zweifel daran, dass diesbezüglich die Regelungen des Bundesdatenschutzgesetzes den
allgemeinen Vorgaben für die Zulässigkeit der Verarbeitung personenbezogener Daten gem. Art. 7 RL 95/46/EG gerecht werden, sind nicht veranlasst. Art. 7
Buchst. f) RL 95/46/EG lässt die Verarbeitung personenbezogener Daten in der Sache ebenso wie das nationale Recht dann zu, wenn sie zur Verwirklichung
eines berechtigten Interesses des für die Verarbeitung Verantwortlichen erforderlich ist und das Interesse oder die Grundrechte und Grundfreiheiten der
betroffenen Person nicht überwiegen. ..."
***
„... (3) Das in Nr. 2 Buchst. a SV begründete Erfordernis einer nicht nur wirksamen, sondern unter Einhaltung der Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 ff. KSchG
ausgesprochenen Kündigung benachteiligt den Kläger unangemessen iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB.
(a) Nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders
entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Unangemessen ist jede Beeinträchtigung eines rechtlich anerkannten Interesses des
Arbeitnehmers, die nicht durch begründete und billigenswerte Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt ist oder durch gleichwertige Vorteile ausgeglichen
wird. Die Feststellung einer unangemessenen Benachteiligung setzt eine wechselseitige Berücksichtigung und Bewertung rechtlich anzuerkennender Interessen
der Vertragspartner voraus. Die beiderseitigen Positionen müssen unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben umfassend gewürdigt werden.
Bei der Beurteilung der Unangemessenheit ist ein genereller, typisierender, vom Einzelfall losgelöster Maßstab anzulegen. Abzuwägen sind die Interessen des
Verwenders gegenüber den Interessen der typischerweise beteiligten Vertragspartner. Art und Gegenstand, Zweck und besondere Eigenart des jeweiligen
Geschäfts sind zu berücksichtigen (BAG 19. Oktober 2011 - 7 AZR 672/10 - Rn. 57, EzA KSchG § 1 Wiedereinstellungsanspruch Nr. 10; 9. Februar 2011 - 7
AZR 91/10 - Rn. 56, AP BGB § 307 Nr. 52 = EzA BGB 2002 § 311a Nr. 2; vgl. auch 18. Januar 2006 - 7 AZR 191/05 - Rn. 30 mwN, AP BGB § 305 Nr. 8 =
EzA BGB 2002 § 307 Nr. 13).
(b) Eine unangemessene Benachteiligung ist nach § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung wesentliche Rechte oder Pflichten,
die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist. § 307 Abs. 2 BGB konkretisiert § 307 Abs. 1
Satz 1 BGB. Sind die Voraussetzungen des § 307 Abs. 2 BGB erfüllt, wird eine unangemessene Benachteiligung vermutet (BAG 19. Oktober 2011 - 7 AZR
672/10 - Rn. 58, EzA KSchG § 1 Wiedereinstellungsanspruch Nr. 10; 9. Februar 2011 - 7 AZR 91/10 - Rn. 57 mwN, AP BGB § 307 Nr. 52 = EzA BGB 2002 §
311a Nr. 2).
(c) Gemessen daran wird hier unwiderlegt vermutet, dass das in Nr. 2 Buchst. a SV begründete Erfordernis einer von ihm zu beweisenden nicht nur wirksamen,
sondern unter Einhaltung der Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 ff. KSchG ausgesprochenen Kündigung den Kläger entgegen den Geboten von Treu und Glauben
unangemessen iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB benachteiligt.
(aa) Nr. 2 Buchst. a SV verkehrt zum einen die für den Kündigungsschutzprozess in § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG vorgesehene Darlegungs- und Beweislast. Die
Regelung macht die Einhaltung der Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 ff. KSchG für eine von der K ausgesprochene „betriebsbedingte" Kündigung zur
Anspruchsvoraussetzung des Rückkehrrechts. Zum anderen beseitigt Nr. 2 Buchst. a SV die Fiktion in § 13 Abs. 1 Satz 2, § 7 Halbs. 1 KSchG. Die Wirkung
dieser Fiktion beschränkt sich darauf, dass eine bestimmte Kündigung wirksam ist. Ob der Kündigungsgrund tatsächlich zutrifft, ist nicht Gegenstand der
Fiktion (BAG 19. Oktober 2011 - 7 AZR 672/10 - Rn. 60 mwN, EzA KSchG § 1 Wiedereinstellungsanspruch Nr. 10; 9. Februar 2011 - 7 AZR 91/10 - Rn. 59,
AP BGB § 307 Nr. 52 = EzA BGB 2002 § 311a Nr. 2). Die Beseitigung der Fiktion geht über die bloße Umkehr der Darlegungs- und Beweislast im
Wiedereinstellungsprozess hinaus (vgl. zu der Verkehrung der Behauptungs- und Beweislast: zB BAG 25. September 2008 - 8 AZR 607/07 - Rn. 38, AP BGB
§ 613a Nr. 355 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 98).
(bb) Diese in Nr. 2 Buchst. a SV enthaltene Voraussetzung ist nach § 307 Abs. 2 iVm. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam.
(aaa) Für den Arbeitnehmer, der das Rückkehrrecht ausüben will, begründet sie die Obliegenheit, eine Kündigungsschutzklage nicht nur anzustrengen, sondern
sie durch streitiges, klageabweisendes und rechtskräftiges Urteil zu beenden. Darin liegt eine unzumutbare Belastung des Arbeitnehmers, dh. eine
Einschränkung, die es gefährdet, dass der Vertragszweck - die Verknüpfung der Aufhebung des Arbeitsverhältnisses mit dem Wiedereinstellungsanspruch -
erreicht wird (vgl. § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB). Der Arbeitnehmer kann sich nicht frei entschließen, die Unsicherheiten und Belastungen eines
Kündigungsschutzrechtsstreits auf sich zu nehmen, wenn er das besondere Rückkehrrecht - den Wiedereinstellungsanspruch - durchsetzen will. Er kann seine
Klage gegen die Kabelgesellschaft nicht zurücknehmen, keinen Klageverzicht erklären, kein Versäumnisurteil gegen sich ergehen lassen und sich, ohne den
Verlust des Wiedereinstellungsanspruchs zu riskieren, nicht vergleichsweise einigen. Er kann seine Entscheidung über die Einleitung und Fortführung des
Rechtsstreits auch nicht von einer Beurteilung der Prozessaussichten abhängig machen. Er muss den Rechtsstreit vielmehr sogar dann führen, wenn er selbst der
Auffassung ist, die klagebegründenden Tatsachen nicht schlüssig vortragen zu können (vgl. zu einer auf der Grundlage von § 75 Abs. 1 BetrVG überprüften
Klageobliegenheit im Zusammenhang mit einer Sozialplanforderung: BAG 22. Juli 2003 - 1 AZR 575/02 - zu III 1 b cc (1) der Gründe, BAGE 107, 100). Der
Prozesserfolg steht regelmäßig erst nach Jahren fest. Das widerspricht dem typischen Zweck eines Wiedereinstellungsanspruchs, der ua. darin besteht, Zeiten
der Arbeitslosigkeit entgegenzuwirken (BAG 19. Oktober 2011 - 7 AZR 672/10 - Rn. 62, EzA KSchG § 1 Wiedereinstellungsanspruch Nr. 10; 9. Februar 2011
- 7 AZR 91/10 - Rn. 61, AP BGB § 307 Nr. 52 = EzA BGB 2002 § 311a Nr. 2).
(bbb) Hinzu kommt die von § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG abweichende atypische Verkehrung der Darlegungs- und Beweislast im Wiedereinstellungsprozess. Der
Arbeitnehmer muss hinsichtlich der Kündigungsgründe Tatsachen darlegen und beweisen, die er selbst idR nicht kennt und die jedenfalls nicht aus seiner
Sphäre stammen. Diese atypische Überbürdung der Beweislast für die Kündigungsgründe auf den gekündigten Arbeitnehmer ist nicht etwa geboten, um die
berechtigten Interessen der Beklagten zu wahren. Sie mag ein berechtigtes Interesse daran haben, den sich aufdrängenden Verdacht eines kollusiven
Zusammenwirkens zwischen dem Arbeitnehmer und der Kabelgesellschaft bei Ausspruch der Kündigung erkennen zu können. Die berechtigten Belange der
Beklagten gebieten es aber nicht, die Beweislast und das sog. non-liquet-Risiko für die Kündigungstatsachen auf den Arbeitnehmer zu übertragen. Die
Interessen der Beklagten sind ausreichend durch § 2 Abs. 1 Satz 2 des Vertrags vom 30. April 2005 gewahrt. Der Kläger hat ihr damit das Recht eingeräumt,
sich die Fragen der sozialen Rechtfertigung und Wirksamkeit der Kündigung von der K offenlegen zu lassen (BAG 19. Oktober 2011 - 7 AZR 672/10 - Rn. 63,
EzA KSchG § 1 Wiedereinstellungsanspruch Nr. 10; 9. Februar 2011 - 7 AZR 91/10 - Rn. 62, AP BGB § 307 Nr. 52 = EzA BGB 2002 § 311a Nr. 2).
ff) Das besondere Rückkehrrecht in Nr. 1 Buchst. b und Nr. 2 Buchst. a SV kann ohne das Erfordernis einer nicht nur wirksamen, sondern unter Einhaltung der
Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 ff. KSchG ausgesprochenen Kündigung aufrechterhalten bleiben.
(1) § 306 Abs. 1 BGB weicht von der Auslegungsregel des § 139 BGB ab. Er bestimmt, dass der Vertrag bei Teilnichtigkeit grundsätzlich aufrechterhalten
bleibt. Die Teilbarkeit der Klausel ist durch Streichung des unwirksamen Teils zu ermitteln (BAG 19. Oktober 2011 - 7 AZR 672/10 - Rn. 65, EzA KSchG § 1
Wiedereinstellungsanspruch Nr. 10; 9. Februar 2011 - 7 AZR 91/10 - Rn. 64, AP BGB § 307 Nr. 52 = EzA BGB 2002 § 311a Nr. 2). Maßgeblich ist, ob die
Klausel mehrere sachliche Regelungen enthält und der unzulässige Teil sprachlich eindeutig abtrennbar ist. Ist die verbleibende Regelung weiter verständlich,
bleibt sie bestehen (sog. blue-pencil-Test, vgl. für die st. Rspr.: BAG 14. September 2011 - 10 AZR 526/10 - Rn. 27, EzA BGB 2002 § 307 Nr. 54; 6. Mai 2009
- 10 AZR 443/08 - Rn. 11 mwN, AP BGB § 307 Nr. 43 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 44). Handelt es sich um eine teilbare Klausel, ist die Inhaltskontrolle
jeweils für die verschiedenen, nur formal verbundenen Bestimmungen vorzunehmen (vgl. BAG 11. April 2006 - 9 AZR 610/05 - Rn. 32, BAGE 118, 36).
(2) Die Klausel in Nr. 1 Buchst. b und Nr. 2 Buchst. a SV ist teilbar und kann ohne unzumutbare Härte für die Beklagte iSv. § 306 Abs. 3 BGB aufrechterhalten
bleiben. Der wirksame Teil der Nr. 2 Buchst. a SV beschränkt sich auf die Voraussetzung einer wirksamen Kündigung, die auch bei Eintritt der Fiktion des § 7
Halbs. 1 KSchG(im Fall einer außerordentlichen Kündigung iVm. § 13 Abs. 1 Satz 2 KSchG) erfüllt ist. Die sprachliche Teilbarkeit der Klausel kann sich darin
ausdrücken, dass die Regelungen in unterschiedlichen Sätzen getroffen sind (vgl. zu einem solchen Fall: BAG 12. März 2008 - 10 AZR 152/07 - Rn. 29, AP
BGB § 305 Nr. 10 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 33). Das ist jedoch nicht zwingend. Wird die Passage „unter Einhaltung der Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 ff.
KSchG" in Nr. 2 Buchst. a SV gestrichen, setzt das besondere Rückkehrrecht nur noch eine wirksame Kündigung voraus, die aus Gründen der betrieblichen
Sphäre ausgesprochen wird (vgl. zu einer ähnlichen Streichung innerhalb desselben Satzes: BAG 6. Mai 2009 - 10 AZR 443/08 - Rn. 11 mwN, AP BGB § 307
Nr. 43 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 44). Die Klausel ist damit inhaltlich und sprachlich teilbar. Die Regelung bleibt verständlich (BAG 19. Oktober 2011 - 7
AZR 672/10 - Rn. 66, EzA KSchG § 1 Wiedereinstellungsanspruch Nr. 10).
gg) Das danach ausreichende Erfordernis einer wirksamen Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers durch die K ist gewahrt. Die von der K am 9.
Dezember 2008 ausgesprochene Kündigung gilt nach § 7 Halbs. 1, § 13 Abs. 1 Satz 2 KSchG als wirksam. Der Kläger musste entgegen der Ansicht des
Landesarbeitsgerichts nicht weiter darlegen und beweisen, dass die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 ff. KSchG erfüllt sind. Der Rechtsstreit ist damit trotz des
Rechtsfehlers des Landesarbeitsgerichts nach § 563 Abs. 3 ZPO abschließend entscheidungsreif.
3. Für ein kollusives Zusammenwirken des Klägers mit der K bei Ausspruch der Kündigung bestehen im Streitfall keine Anhaltspunkte. Dagegen sprechen
schon der im Zusammenhang mit der Restrukturierungsmaßnahme geschlossene Interessenausgleich und Sozialplan. Der Senat kann offenlassen, welche
Auswirkungen der gegenüber der Beklagten erfolgreich durchgesetzte Wiedereinstellungsanspruch auf die von der K geleisteten Ausgleichszahlungen hat. Es
kann auch auf sich beruhen, ob sich die Beklagte unter irgendeinem rechtlichen Gesichtspunkt auf die dem Kläger zugeflossenen Vorteile berufen kann, wenn
Zahlungsansprüche gegen sie erhoben werden (vgl. BAG 19. Oktober 2011 - 7 AZR 672/10 - Rn. 68, EzA KSchG § 1 Wiedereinstellungsanspruch Nr. 10). ..."
(BAG, Urteil vom 13.06.2012 - 7 AZR 519/10).
***
„... II. Eine betriebsbedingte Änderungskündigung ist iSv. § 2 Satz 1, § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt, wenn sich der Arbeitgeber bei Vorliegen eines
Kündigungsgrundes darauf beschränkt hat, solche Änderungen anzubieten, die der Arbeitnehmer billigerweise hinnehmen muss.
1. In diesem Rahmen ist zu prüfen, ob ein Beschäftigungsbedürfnis für den Arbeitnehmer zu den bisherigen Vertragsbedingungen entfallen ist und dem
Arbeitnehmer bei Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes die am wenigsten beeinträchtigende Änderung angeboten wurde (BAG 29. September 2011
- 2 AZR 451/10 - Rn. 17, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 151 = EzA KSchG § 2 Nr. 82; 16. Dezember 2010 - 2 AZR 576/09 - Rn. 30, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 150 =
EzA KSchG § 2 Nr. 81; jeweils mwN). Dieser Maßstab gilt unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer das Änderungsangebot abgelehnt oder unter Vorbehalt
angenommen hat (BAG 23. Februar 2012 - 2 AZR 45/11 - Rn. 11; 26. November 2009 - 2 AZR 658/08 - Rn. 16, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 144 = EzA KSchG §
2 Nr. 76).
2. Eine Änderungskündigung ist durch dringende betriebliche Erfordernisse iSv. § 1 Abs. 2 KSchG bedingt, wenn sich der Arbeitgeber zu einer
organisatorischen Maßnahme entschlossen hat, bei deren innerbetrieblicher Umsetzung das Bedürfnis für die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers entweder
ganz oder jedenfalls zu den bisherigen Vertragsbedingungen entfällt (BAG 15. Januar 2009 - 2 AZR 641/07 - Rn. 13, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 141; 27.
September 2001 - 2 AZR 246/00 - zu I 1 b der Gründe, EzA KSchG § 2 Nr. 41).
III. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt.
1. Aufgrund der Entscheidung der britischen Streitkräfte, bundesweit in fünf Garnisonen statt bisher 19 „Station Manager" künftig nur noch 14 „Station
Business Manager" mit zumindest teilweise geändertem Aufgaben- und Verantwortungsbereich zu beschäftigen, lagen dringende betriebliche Erfordernisse zur
Änderung der Arbeitsbedingungen iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG vor.
a) Nach den für den Senat gemäß § 559 Abs. 2 ZPO bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts haben die Streitkräfte die entsprechende Entscheidung
zur Umstrukturierung in Umsetzung eines N-Studienberichts getroffen und durchgeführt.
b) Es gehört zum Kern der unternehmerischen Freiheit, die betriebliche Organisation zu gestalten und festzulegen, an welchem Standort welche
arbeitstechnischen Zwecke und Ziele verfolgt werden sollen. Der gesetzliche Kündigungsschutz verpflichtet den Arbeitgeber nicht, eine bestimmte betriebliche
Organisationsstruktur oder einen konkreten Standort beizubehalten (BAG 12. August 2010 - 2 AZR 558/09 - Rn. 17, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 146 = EzA
KSchG § 2 Nr. 78; 21. Februar 2002 - 2 AZR 556/00 - zu II 2 der Gründe, EzA KSchG § 2 Nr. 45). Zu diesem Entscheidungsspielraum des Arbeitgebers zählt
grundsätzlich auch die Befugnis, den Inhalt der Arbeitsaufgaben und damit das Anforderungsprofil des Arbeitsplatzes zu bestimmen. Außerdem unterliegt es
seiner freien Entscheidung, die Zahl der Arbeitskräfte zu bestimmen, mit denen eine Arbeitsaufgabe - zukünftig - erledigt werden soll (BAG 18. Mai 2006 - 2
AZR 245/05 - Rn. 30, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 157 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 148; 17. Juni 1999 - 2
AZR 522/98 - BAGE 92, 61). Solche unternehmerischen Entscheidungen können von den Gerichten für Arbeitssachen nur daraufhin überprüft werden, ob sie
offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich sind.
c) Der Kläger stellt den Rückgang von 19 auf 14 Stellen nicht in Frage. Seinen eigenen Angaben zufolge hängt dieser Abbau damit zusammen, dass das
Arbeitsvolumen insgesamt zurückgegangen ist. Mehrere Standorte seien geschlossen und die Truppenstärke erheblich reduziert worden. Ebenso wenig
bezweifelt er die Entscheidung der Streitkräfte, die Funktion des „Station Managers" in ihrer bisherigen Ausgestaltung entfallen zu lassen und stattdessen 14
Arbeitsplätze für „Station Business Manager" mit erweitertem Aufgaben- und Verantwortungsbereich vorzuhalten. Da die britischen Streitkräfte die
Änderungen der Organisationsstruktur auch tatsächlich umgesetzt haben, ist die Vermutung berechtigt, dass die Organisationsentscheidung aus sachlichen
Gründen erfolgt ist und kein Rechtsmissbrauch vorliegt (BAG 23. April 2008 - 2 AZR 1110/06 - Rn. 18, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr.
177 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 160). Der Kläger hat keine Umstände dargelegt, aus denen sich Anderes ergäbe. Die Würdigung des
Landesarbeitsgerichts, damit sei die Möglichkeit einer Weiterbeschäftigung des Klägers zu den bisherigen Arbeitsbedingungen entfallen, lässt auf dieser
Grundlage keinen Rechtsfehler erkennen.
2. Die britischen Streitkräfte haben sich darauf beschränkt, dem Kläger solche Änderungen anzubieten, die er billigerweise hat hinnehmen müssen.
Zwar waren im Kündigungszeitpunkt außer der Position, die die Beklagte dem Kläger angetragen hat, auch die neu zugeschnittenen Positionen der „Station
Business Manager" zu besetzen. Eine Beschäftigung auf einer dieser Stellen wäre für den Kläger weniger belastend gewesen, da finanzielle Einbußen insoweit
nicht zu erwarten standen. Die Streitkräfte waren aber kündigungsschutzrechtlich nicht verpflichtet, dem Kläger die Weiterbeschäftigung als „Station Business
Manager" anzubieten. Dies hat das Landesarbeitsgericht im Ergebnis zutreffend erkannt.
a) Zugunsten des Klägers kann unterstellt werden, dass er ungeachtet des erweiterten Aufgaben- und Verantwortungsbereichs fachlich in der Lage gewesen
wäre, die fragliche Tätigkeit zu verrichten. Es ist auch nicht ersichtlich, dass es sich bei den Arbeitsplätzen der „Station Business Manager" gegenüber denen
der „Station Manager" um sog. Beförderungsstellen gehandelt hätte, zumal nach Darstellung der Beklagten auch die erstgenannten Tätigkeiten in die
Gehaltsgruppe C 6a TV AL II eingruppiert sind. Im Übrigen wäre selbst im anderen Fall fraglich, ob die Umwandlung der Stellen der „Station Manager" in
Beförderungsstellen für sich genommen einer Weiterbeschäftigung des Klägers entgegenstünde (zur Problematik vgl. BAG 23. Februar 2010 - 2 AZR 656/08 -
Rn. 40, BAGE 133, 226; 10. Juli 2008 - 2 AZR 1111/06 - Rn. 37, AP KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 181 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte
Kündigung Nr. 163).
b) Der Annahme, die Streitkräfte hätten dem Kläger eine Weiterbeschäftigung auf der Position „Station Business Manager" ermöglichen müssen, dürfte im
Streitfall schon deren Entscheidung entgegenstehen, die Stellen durch Mitglieder des zivilen Gefolges iSd. Art. I Abs. 1 Buchst. b NTS zu besetzen. Die
Würdigung des Landesarbeitsgerichts, dabei handele es sich um ein berechtigterweise festgelegtes Stellenprofil, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
aa) „Ziviles Gefolge" ist gemäß Art. I Abs. 1 Buchst. b NTS das die Truppe einer Vertragspartei des NTS begleitende Zivilpersonal, das bei den Streitkräften
beschäftigt ist, soweit es sich ua. nicht um Staatsangehörige des Staates handelt, in welchem die Truppe stationiert ist, oder um Personen, die dort ihren
gewöhnlichen Aufenthalt haben. Der Unterschied der Zivilpersonen, die die Truppe begleiten, zu den von Art. IX Abs. 4 NTS erfassten zivilen Arbeitnehmern
besteht darin, dass die zuletzt genannten Beschäftigten im Aufnahmestaat akquiriert werden, um den örtlichen Bedarf der Truppe zu decken. Demgegenüber
stehen die die Truppe begleitenden und bei ihr beschäftigten Zivilpersonen iSv. Art. I Abs. 1 Buchst. b NTS regelmäßig in einer engen organisatorischen
Verbindung zur Truppe selbst und erbringen Arbeitsleistungen, die für den Bestand, die Erhaltung und Unterhaltung der Truppe von Bedeutung sind, ständig
anfallen und die typischerweise eine Qualifikation erfordern, die die Kenntnis der Verhältnisse und des Rechts des Entsendestaats einschließt. Ihre
Beschäftigungsbedingungen werden regelmäßig durch das Recht des Entsendestaates bestimmt (BAG 12. Februar 1985 - 1 ABR 3/83 - zu B III 2 und 3a der
Gründe, BAGE 48, 81). Da der Kläger im Kündigungszeitpunkt seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hatte, konnte er nicht
Mitglied des zivilen Gefolges im Sinne des Vertragswerks sein. Er erfüllte damit nicht das von den Streitkräften festgelegte Anforderungsprofil für die Tätigkeit
des „Station Business Managers".
bb) Die Auffassung des Klägers, die Besetzung der Arbeitsplätze der „Station Business Manager" ausschließlich mit Zivilpersonen iSv. Art. I Abs. 1 Buchst. b
NTS sei sachlich ungerechtfertigt, weil die ihr zugrunde liegende Entscheidung von rein fiskalischen und nicht von militärischen Erwägungen bestimmt sei,
geht fehl.
(1) Richtig ist, dass im Zusammenhang mit einer Kündigung auch die - grundsätzlich der freien Unternehmerentscheidung unterliegende - Gestaltung des
Anforderungsprofils eines neu eingerichteten Arbeitsplatzes der rechtlichen Überprüfung auf offenbare Unsachlichkeit hin unterliegt (BAG 7. Juli 2005 - 2
AZR 399/04 - Rn. 32, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 138 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 138; 24. Juni 2004 - 2
AZR 326/03 - AP KSchG 1969 § 1 Nr. 76 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 132). Gestaltet der Arbeitgeber das Stellenprofil für
Arbeitsplätze um, die bereits mit langjährig beschäftigten Arbeitnehmern besetzt sind, muss er darlegen, dass es sich bei einer neuen Anforderung nicht nur um
eine „wünschenswerte Voraussetzung" für die Tätigkeit handelt, sondern um ein nachvollziehbares, arbeitsplatzbezogenes Kriterium für eine
Stellenprofilierung (BAG 18. März 2010 - 2 AZR 337/08 - Rn. 20, AP BGB § 626 Nr. 228 = EzA BGB 2002 § 626 Unkündbarkeit Nr. 17; 10. Juli 2008 - 2
AZR 1111/06 - Rn. 31, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 181 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 163).
(2) Diese Grundsätze sind allerdings auf den Bereich der Stationierungsstreitkräfte nur mit Einschränkungen übertragbar. Nach ständiger Rechtsprechung des
Bundesarbeitsgerichts entscheidet der Entsendestaat aufgrund seiner Hoheitsgewalt grundsätzlich allein, ob er den Bedarf seiner Truppe an zivilen
Arbeitskräften durch örtliche Arbeitskräfte iSv. Art. IX Abs. 4 NTS oder durch Zivilpersonen iSv. Art. I Abs. 1 Buchst. b NTS, die bei der Truppe beschäftigt
sind und diese begleiten, decken will. Nach Art. 56 Abs. 7 Buchst. a Satz 1 ZA-NTS bestimmen die Behörden der Truppe und eines zivilen Gefolges zudem die
Zahl und Art der benötigten Arbeitsplätze. Hat der Entsendestaat aufgrund seiner Hoheitsgewalt abschließend entschieden, die vom Arbeitnehmer erledigten
Arbeiten in Zukunft nicht mehr im bisherigen Umfang durch örtliche Arbeitskräfte erledigen zu lassen, so entfällt damit infolge einer grundsätzlich nicht
nachprüfbaren Entscheidung der bisherige Arbeitsplatz (BAG 18. Mai 2006 - 2 AZR 245/05 - Rn. 30, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr.
157 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 148; 27. Februar 1997 - 2 AZR 361/96 - zu II 3 der Gründe, RzK III 2a Nr. 37). Dies beruht ua. auf der
Überlegung, dass die Organisation der Truppe, von der die Bestimmungen des NTS ausgehen, keine statische ist. Sie muss an veränderte Verhältnisse oder
bessere Erkenntnisse angepasst werden können. Schon aus diesem Grund muss es dem Entsendestaat freistehen, seine Organisation zu ändern und aufgrund
seines Organisationsrechts zu bestimmen, dass Tätigkeiten künftig nur noch von Zivilpersonen ausgeübt werden sollen, die in einem so engen Verhältnis zur
Truppe stehen, dass sie zu dem die Truppe begleitenden Zivilpersonal gehören, auch wenn diese Tätigkeiten bislang von örtlichen Arbeitskräften verrichtet
wurden (BAG 12. Februar 1985 - 1 ABR 3/83 - zu B III 3 b der Gründe, BAGE 48, 81). Dem steht nicht entgegen, dass die Entsendestaaten in Art. IX Abs. 4
NTS die Verpflichtung eingegangen sind, von ihrer Organisationsgewalt nicht in vollem Umfang Gebrauch zu machen und ihren Bedarf an Zivilbediensteten in
einem möglichst großen Umfang durch örtlich requirierte zivile Arbeitskräfte zu decken. Wenn ein Entsendestaat dieser Verpflichtung nicht entspricht und von
seiner Organisationsgewalt einen zu weitgehenden Gebrauch macht, mag deshalb ein Verstoß gegen das Vertragswerk vorliegen. Er führt aber allenfalls zu
einer Streitigkeit zwischen den Vertragsparteien des NTS über die Auslegung oder Anwendung dieses Abkommens im Sinne von Art. XVI NTS, die ggf. in
dem dort geregelten Verfahren auszutragen und beizulegen ist (BAG 18. Mai 2006 - 2 AZR 245/05 - aaO; 12. Februar 1985 - 1 ABR 3/83 - aaO; 28. Mai 2002 -
1 ABR 35/01 - BAGE 101, 232). Die Würdigung der Rechtsfolgen eines solchen Verstoßes unterliegt dagegen nicht der deutschen Gerichtsbarkeit. Das schließt
es zugleich aus, mögliche Verstöße gegen das Vertragswerk kündigungsrechtlich zugunsten der Arbeitnehmer zu berücksichtigen.
cc) Ebenso wenig kann der Ansicht des Klägers gefolgt werden, die Entscheidung der britischen Streitkräfte sei deshalb kündigungsrechtlich unbeachtlich, weil
sie gegen Regelungen der Richtlinie 2000/78/EG vom 27. November 2000 und der Richtlinie 2000/43/EG vom 29. Juni 2000 in ihrer innerstaatlichen
Ausformung durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verstoße. Auch einer solchen Beurteilung hätte die Prüfung vorauszugehen, ob die
Entsendestaaten von der ihnen durch das NTS zuerkannten Organisationsgewalt in zulässiger Weise Gebrauch gemacht haben. Eben diese Prüfung ist der
deutschen Gerichtsbarkeit entzogen. Es kann daher offenbleiben, ob bei Sachverhalten wie dem vorliegenden der Anwendungsbereich der Richtlinien und/oder
des AGG überhaupt eröffnet ist. Entsprechendes gilt für die Ansicht des Klägers, die Entscheidung der Streitkräfte verstoße gegen den aus Art. 3 Abs. 1 GG
herzuleitenden allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz.
dd) Es besteht kein Anlass zu entscheiden, ob es Fälle geben kann, in denen der Entscheidung des Entsendestaates und seiner Streitkräfte darüber, welche
Arbeitsplätze mit Zivilpersonen iSv. Art. I Abs. 1 Buchst. b NTS besetzt werden sollen, eine Bindungswirkung im aufgezeigten Sinne ausnahmsweise nicht
zukommt, etwa weil die betreffenden Festlegungen von evident sachwidrigen, nicht mit dem Vertragswerk in Einklang stehenden Erwägungen getragen sind.
Für eine solche Annahme fehlt es im Streitfall an jeglichen Anhaltspunkten. Die auf eine Entschließung des britischen Parlaments zurückgehende
Organisationsentscheidung der Streitkräfte zielt nicht spezifisch auf das Arbeitsverhältnis des Klägers. Sie beruht auf einem übergreifenden, einen ganzen
Arbeitsbereich gleichmäßig betreffenden Konzept. Sie geht einher mit einer Erweiterung des Aufgabenbereichs und Änderung der Berichtspflichten der
künftigen Arbeitsplatzinhaber. Auch waren schon die Stellen der „Station Manager" hauptsächlich mit Personen besetzt, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt in
Großbritannien hatten. Selbst wenn die Entscheidung, die verbliebenen Stellen ausschließlich dem zivilen Gefolge vorzubehalten, wesentlich durch
Überlegungen zur Kosteneinsparung bestimmt gewesen sein sollte, kann deshalb nicht die Rede davon sein, sie bewege sich offensichtlich außerhalb der
Zwecke, die dem NTS immanent sind. Das gilt umso mehr, als sich die Beklagte ausdrücklich auf eine von den Streitkräften angestrebte stärkere
„Militarisierung" der Dienstposten berufen hat.
c) Im Ergebnis kommt es auf die Berechtigung der Streitkräfte, die Stellen der „Station Business Manager" Personen des zivilen Gefolges vorzubehalten, nicht
an. Angesichts des zugleich beschlossenen und tatsächlich durchgeführten Personalabbaus könnte sich der Kläger auf eine Weiterbeschäftigung als „Station
Business Manager" nur berufen, wenn er bei der Stellenbesetzung nach den Grundsätzen der Sozialauswahl (§ 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG) vorrangig zu
berücksichtigen gewesen wäre. Darauf hat er sich zu keiner Zeit berufen.
aa) Sind von einer Organisationsmaßnahme mehrere vergleichbare Arbeitnehmer betroffen, so hat der Arbeitgeber - soweit diese um eine geringere Anzahl im
Betrieb fortbestehender Beschäftigungsmöglichkeiten konkurrieren - durch eine Sozialauswahl gem. § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG zu entscheiden, welchen
Arbeitnehmer er auf welchem der noch vorhandenen Arbeitsplätze weiterbeschäftigt (BAG 23. Februar 2012 - 2 AZR 45/11 - Rn. 12; 12. August 2010 - 2 AZR
945/08 - Rn. 40 mwN, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 147 = EzA KSchG § 2 Nr. 79). Dieser Grundsatz kommt auch bei der Änderungskündigung zum Tragen. § 2
Satz 1 KSchG verweist uneingeschränkt auf § 1 Abs. 2 Satz 1 bis Satz 3, Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 KSchG. Liegen dringende betriebliche Erfordernisse vor, die
eine Änderung der Arbeitsbedingungen bedingen, und stehen für eine Weiterbeschäftigung Tätigkeiten zur Verfügung, von denen sich einige mehr und andere
weniger vom Inhalt des bisherigen Arbeitsvertrags entfernen, ist es grundsätzlich eine Frage der sozialen Auswahl, welchem Arbeitnehmer das in dieser
Hinsicht „günstigere" Weiterbeschäftigungsangebot zu unterbreiten ist (BAG 23. Februar 2012 - 2 AZR 45/11 - aaO; 12. August 2010 - 2 AZR 945/08 - Rn. 41
mwN, aaO).
bb) Will der Arbeitnehmer geltend machen, der Arbeitgeber habe bei der Beurteilung, welchem Arbeitnehmer er die Weiterbeschäftigung zu objektiv
schlechteren Bedingungen anbietet, soziale Gesichtspunkte nicht hinreichend beachtet, muss er dies - wie in den Fällen der Beendigungskündigung - konkret
rügen. Andernfalls braucht der Arbeitgeber die soziale Rechtfertigung der getroffenen Auswahlentscheidung mit Blick auf § 1 Abs. 3 KSchG nicht näher zu begründen.
cc) So liegt es hier. Aufgrund des von den Streitkräften beschlossenen Personalabbaus kamen nur 14 der bisher 19 „Station Manager" für eine
Weiterbeschäftigung als „Station Business Manager" in Frage. Dem eigenen Vorbringen des Klägers zufolge wurden diese Stellen ausschließlich mit Personen
besetzt, die zuvor als „Station Manager" beschäftigt waren. Die Angriffe des Klägers gegen die Auswahlentscheidung richten sich nicht gegen die Auswahl als
solche, sondern ausschließlich gegen das für die verbliebenen 14 Arbeitsplätze festgelegte Stellenprofil. Darauf käme es für die Entscheidung aber nur an, wenn
auf den fraglichen Arbeitsplätzen Arbeitnehmer weiterbeschäftigt würden, die nach den Maßstäben des § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG sozial weniger schutzbedürftig
sind als der Kläger. Das hat der Kläger schon in den Vorinstanzen nicht geltend gemacht.
d) Da keine Verpflichtung der Streitkräfte bestand, dem Kläger eine Weiterbeschäftigung als „Station Business Manager" anzubieten, kann dahinstehen, ob die
Beklagte dem Kläger andernfalls entgegenhalten könnte, er habe sich auf die in Großbritannien ausgeschriebenen Stellen nicht beworben.
e) Die Änderung der Arbeitsbedingungen ist nicht aus anderen Gründen unverhältnismäßig.
aa) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, eine andere Beschäftigungsmöglichkeit, die gegenüber einer Tätigkeit als „P Barracks SHE Advisor Team
Manager" zu finanziell geringeren Belastungen des Klägers geführt hätte, sei nicht ersichtlich. Dagegen wendet sich dieser nicht. Ein Rechtsfehler ist auch
objektiv nicht erkennbar.
bb) Unschädlich ist, dass die Beklagte die angestrebte Änderung der Vergütung des Klägers nicht näher begründet hat. Wenn durch die Änderungskündigung
neben der Tätigkeit des Arbeitnehmers auch dessen Vergütung geändert werden soll, sind grundsätzlich beide Elemente des Änderungsangebots am
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu messen. Eine gesonderte Rechtfertigung des Vergütungsangebots ist allerdings dann entbehrlich, wenn sich die geänderte
Vergütung aus einem im Betrieb angewandten tariflichen Vergütungssystem ergibt - also bei Eingreifen der sog. Tarifautomatik (BAG 9. September 2010 - 2
AZR 936/08 - Rn. 35, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 149; 27. November 2008 - 2 AZR 757/07 - Rn. 31 mwN, BAGE 128, 308). Davon ist im Streitfall auszugehen.
Die Parteien hatten arbeitsvertraglich die Geltung des TV AL II in seiner jeweils gültigen Fassung vereinbart. Diese Vereinbarung blieb von der Änderung der
Vertragsbedingungen unberührt. ..." (BAG, Urteil vom 24.05.2012 - 2 AZR 163/11)
***
„... II. Die Revision ist unbegründet, soweit sie sich gegen die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts über den Feststellungsantrag richtet. Diesem hat das
Landesarbeitsgericht zu Recht stattgegeben. Die Kündigungsschutzklage ist begründet. Die ordentliche Kündigung vom 24. September 2009 ist sozial
ungerechtfertigt. Sie ist nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse iSd. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG bedingt.
1. Dringende betriebliche Erfordernisse für eine Kündigung iSv. § 1 Abs. 2 KSchG können sich aus innerbetrieblichen oder außerbetrieblichen Gründen
ergeben. Innerbetriebliche Gründe liegen vor, wenn sich der Arbeitgeber zu einer organisatorischen Maßnahme entschließt, bei deren Umsetzung das Bedürfnis
für die Weiterbeschäftigung eines oder mehrerer Arbeitnehmer entfällt. Eine solche unternehmerische Entscheidung ist gerichtlich nicht auf ihre sachliche
Rechtfertigung oder ihre Zweckmäßigkeit hin zu überprüfen, sondern nur darauf, ob sie offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist (BAG 23.
Februar 2012 - 2 AZR 548/10 - Rn. 17, NZA 2012, 852; 16. Dezember 2010 - 2 AZR 770/09 - Rn. 13, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr.
186 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 165). Nachzuprüfen ist aber, ob die fragliche Entscheidung tatsächlich umgesetzt wurde und dadurch
das Beschäftigungsbedürfnis für einzelne Arbeitnehmer entfallen ist (BAG 23. Februar 2012 - 2 AZR 548/10 - aaO; 16. Dezember 2010 - 2 AZR 770/09 - aaO).
2. Allerdings kann in Fällen, in denen die Organisationsentscheidung des Arbeitgebers und sein Kündigungsentschluss praktisch deckungsgleich sind, die
ansonsten berechtigte Vermutung, die fragliche Entscheidung sei aus sachlichen Gründen erfolgt, nicht unbesehen greifen. Da die Kündigung nach dem Gesetz
an das Vorliegen von Gründen gebunden ist, die außerhalb ihrer selbst liegen, muss der Arbeitgeber in solchen Fällen seine Entscheidung hinsichtlich ihrer
organisatorischen Durchführbarkeit und zeitlichen Nachhaltigkeit verdeutlichen (BAG 16. Dezember 2010 - 2 AZR 770/09 - Rn. 14, AP KSchG 1969 § 1
Betriebsbedingte Kündigung Nr. 186 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 165; 17. Juni 1999 - 2 AZR 522/98 - zu II 1 c der Gründe, BAGE 92,
61). Daran fehlt es, wenn die Kündigung zu einer rechtswidrigen Überforderung oder Benachteiligung des im Betrieb verbliebenen Personals führte (vgl. Rost
Jahrbuch des Arbeitsrechts Bd. 39 S. 83) oder die zugrunde liegende unternehmerische Entscheidung lediglich Vorwand dafür wäre, bestimmte Arbeitnehmer
aus dem Betrieb zu drängen, obwohl Beschäftigungsbedarf und Beschäftigungsmöglichkeiten objektiv fortbestehen und etwa nur der Inhalt des Arbeitsvertrags
als zu belastend angesehen wird (BAG 23. Februar 2012 - 2 AZR 548/10 - Rn. 18, NZA 2012, 852; 22. Mai 2003 - 2 AZR 326/02 - zu B I 3 d (1) der Gründe,
AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 128 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 126).
Läuft die unternehmerische Entscheidung auf den Abbau einer Hierarchieebene oder die Streichung eines einzelnen Arbeitsplatzes hinaus verbunden mit einer
Umverteilung der dem betroffenen Arbeitnehmer bisher zugewiesenen Aufgaben, muss der Arbeitgeber konkret erläutern, in welchem Umfang und aufgrund
welcher Maßnahmen die bisher vom gekündigten Arbeitnehmer ausgeübten Tätigkeiten für diesen zukünftig entfallen. Nur so kann geprüft werden, ob die
Entscheidung den dargestellten Voraussetzungen genügt. Der Arbeitgeber muss die Auswirkungen seiner unternehmerischen Vorgaben und Planungen auf das
erwartete Arbeitsvolumen anhand einer schlüssigen Prognose im Einzelnen darstellen und angeben, wie die anfallenden Arbeiten vom verbliebenen Personal
ohne überobligationsmäßige Leistungen, dh. im Rahmen ihrer vertraglich geschuldeten regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit erledigt werden können (BAG
23. Februar 2012 - 2 AZR 548/10 - Rn. 18, NZA 2012, 852; 13. Februar 2008 - 2 AZR 1041/06 - Rn. 16, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr.
174 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 158).
3. Zu den nur auf Willkür zu überprüfenden Organisationsentscheidungen des Arbeitgebers zählt die Festlegung des Anforderungsprofils einer Stelle. Das
Bestreben des Arbeitgebers, bestimmte Tätigkeiten nur von Arbeitnehmern mit bestimmten Qualifikationen ausführen zu lassen, ist grundsätzlich hinzunehmen
(BAG 18. März 2010 - 2 AZR 337/08 - Rn. 19, AP BGB § 626 Nr. 228 = EzA BGB 2002 § 626 Unkündbarkeit Nr. 17). Schafft der Arbeitgeber neu
zugeschnittene Arbeitsplätze, ist dies jedenfalls dann zu respektieren, wenn die Qualifikationsmerkmale einen nachvollziehbaren Bezug zur Organisation der
auszuführenden Arbeiten haben (BAG 10. Juli 2008 - 2 AZR 1111/06 - Rn. 25, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 181 = EzA KSchG § 1
Betriebsbedingte Kündigung Nr. 163; 7. Juli 2005 - 2 AZR 399/04 - Rn. 32 mwN, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 138 = EzA KSchG § 1
Betriebsbedingte Kündigung Nr. 138).
a) Erhöhte Anforderungen an die Darlegungslast sind dabei mit Blick auf § 1 Abs. 2 KSchG dann zu stellen, wenn der Arbeitgeber das Anforderungsprofil für
Arbeitsplätze ändert, die bereits mit langjährig beschäftigten Arbeitnehmern besetzt sind. Der Arbeitgeber kann nicht unter Berufung auf eine gerichtlich nur
eingeschränkt überprüfbare Unternehmerentscheidung den Kündigungsschutz des betreffenden Arbeitnehmers dadurch umgehen, dass er in sachlich nicht
gebotener Weise die Anforderungen an die Kenntnisse des Arbeitsplatzinhabers verschärft (BAG 10. Juli 2008 - 2 AZR 1111/06 - Rn. 26, AP KSchG 1969 § 1
Betriebsbedingte Kündigung Nr. 181 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 163; 7. Juli 2005 - 2 AZR 399/04 - Rn. 33, AP KSchG 1969 § 1
Betriebsbedingte Kündigung Nr. 138 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 138).
b) Der Arbeitgeber muss deshalb, will er dem Vorwurf des Missbrauchs entgehen, dartun, dass es sich bei der zusätzlich geforderten Qualifikation für die
Ausführung der Tätigkeit nicht nur um eine „wünschenswerte Voraussetzung", sondern um ein sachlich gebotenes, arbeitsplatzbezogenes Kriterium für das
Stellenprofil handelt (BAG 10. Juli 2008 - 2 AZR 1111/06 - Rn. 26, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 181 = EzA KSchG § 1
Betriebsbedingte Kündigung Nr. 163; 24. Juni 2004 - 2 AZR 326/03 - zu B II 2 a der Gründe, AP KSchG 1969 § 1 Nr. 76 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte
Kündigung Nr. 132). Die Änderung des Anforderungsprofils muss im Zusammenhang mit einer organisatorischen Maßnahme des Arbeitgebers stehen, die nach
ihrer Durchführung angesichts eines veränderten Beschäftigungsbedarfs - etwa aufgrund von Änderungen des Arbeitsvolumens oder des Inhalts der Tätigkeit -
auch die Anforderungen an den Arbeitsplatzinhaber erfasst (BAG 10. Juli 2008 - 2 AZR 1111/06 - Rn. 31, aaO). Gestaltet der Arbeitgeber lediglich
Arbeitsabläufe um, ohne dass sich die Tätigkeit inhaltlich ändert, und ist der bisherige Stelleninhaber aufgrund seiner Fähigkeiten und Ausbildung in der Lage,
die künftig anfallenden Arbeiten zu verrichten, so ist eine auf betriebliche Gründe gestützte Kündigung selbst dann nicht sozial gerechtfertigt, wenn der
Arbeitgeber die Änderungen zum Anlass nimmt, die Stelle in eine „Beförderungsstelle" umzuwandeln (ähnlich BAG 10. November 1994 - 2 AZR 242/94 - zu
B I 2 der Gründe, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 65 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 77). Das gleiche gilt, wenn der
Arbeitgeber die auf dem Arbeitsplatz bislang zu verrichtende Tätigkeit um zusätzliche Aufgaben erweitert, der dadurch veränderte Arbeitsplatz aber nach
Bedeutung und Verantwortung nicht um so viel anspruchsvoller ist, dass insgesamt ein anderer Arbeitsbereich entstanden wäre (BAG 30. August 1995 - 1 ABR
11/95 - zu A II 3 b bb der Gründe, AP BetrVG 1972 § 99 Versetzung Nr. 5 = EzA BetrVG 1972 § 99 Nr. 130).
4. Daran gemessen hat das Landesarbeitsgericht an die Darlegungslast der Beklagten zu Recht erhöhte Anforderungen gestellt. Dabei macht es keinen
Unterschied, ob sich die behauptete Umstrukturierung als Umgestaltung des bisherigen Arbeitsplatzes des Klägers oder als Abbau dieser Stelle bei
gleichzeitiger Einrichtung eines neuen, als Beförderungsstelle zu qualifizierenden Arbeitsplatzes darstellt. In beiden Fällen liegt die Organisationsentscheidung
nahe am Kündigungsentschluss. Hinzu kommt, dass nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten die bisherigen Aufgaben des Klägers weiterhin anfallen. Die
Beklagte musste deshalb zum einen aufzeigen, dass durch die behauptete Bündelung von Funktionen und Zuständigkeiten auf der Leitungsebene tatsächlich ein
anderer Arbeitsbereich entstanden ist. Zum anderen war sie gehalten, ihren Entschluss zur Umverteilung der anfallenden Tätigkeiten hinsichtlich seiner
Durchführbarkeit und Nachhaltigkeit durch konkreten Tatsachenvortrag zu verdeutlichen.
5. Dem wird das Vorbringen der Beklagten nicht gerecht. Sie hat nicht nachvollziehbar dargelegt, dass zum Zeitpunkt der Kündigung die Prognose
gerechtfertigt war, die Hälfte der bisherigen Arbeitsaufgaben des Klägers könnten von dem ihm bislang nachgeordneten Personal im Rahmen regulärer
zeitlicher Verpflichtungen erledigt werden. Bereits dies führt zur Unwirksamkeit der Kündigung.
a) Die Beklagte hat durchaus im Einzelnen vorgetragen, welche konkreten Aufgaben aus den Bereichen „Betriebsleitung GUR" und „Standortleitung" in
welchem zeitlichen Umfang künftig durch Frau K und weitere sieben namentlich benannte Arbeitnehmer übernommen werden sollten. Sie hat es aber versäumt
schlüssig darzutun, dass die fraglichen sieben Personen über hinreichend freie Arbeitszeitkapazität verfügten, um das zusätzliche Pensum von täglich bis zu
einer Stunde ohne überobligationsmäßige Leistungen zu bewältigen. Sie hat dies lediglich pauschal behauptet ohne aufzuzeigen, worauf sich ihre Einschätzung
stützt. Spätestens nachdem der Kläger die mangelnde Schlüssigkeit ihres Vorbringens beanstandet und sich beispielhaft unter Angabe von Beginn und Ende
täglicher Arbeitszeiten darauf berufen hatte, zwei der betroffenen Mitarbeiter seien bereits in der Zeit vor seiner Freistellung voll ausgelastet gewesen, hätte die
Beklagte ihren Vortrag im Rahmen der abgestuften Darlegungslast substantiieren müssen. Das ist nicht geschehen. Sie hat nur ihren nicht weiter
einlassungsfähigen Vortrag wiederholt, einer der Genannten sei „genau wie alle anderen Mitarbeiter in der Lage, die ihm übertragenen Aufgaben ohne
überobligatorische Verpflichtung zu übernehmen", die Arbeitszeit eines anderen werde vom Kläger unzutreffend dargestellt. Stattdessen hätte sie, um ihrer
Vortragslast zu genügen, die zutreffenden Arbeitszeiten der fraglichen Mitarbeiter nebst der Möglichkeit, „freie" Kapazitäten für die Übertragung weiterer
Arbeiten zu nutzen, darstellen müssen.
b) Eine Konkretisierung ihres Vorbringens war auch dann nicht entbehrlich, wenn es sich - wie die Beklagte geltend macht - bei den fraglichen Arbeitnehmern
um „leitende Angestellte" oder zumindest außertariflich vergütete Arbeitnehmer handeln sollte. Aus beidem folgt nicht, dass mit diesen keine vertraglichen
Vereinbarungen hinsichtlich des Umfangs der zu leistenden Arbeitszeit bestanden. Im Übrigen unterliegen auch sog. AT-Mitarbeiter den Grenzen des
Arbeitszeitgesetzes und nimmt nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 ArbZG nur leitende Angestellte iSv. § 5 Abs. 3 BetrVG aus seinem Anwendungsbereich aus (vgl. BAG
6. Mai 2003 - 1 ABR 13/02 - zu B II 2 b aa der Gründe, BAGE 106, 111). Inwieweit diese Voraussetzungen bei einzelnen Arbeitnehmern erfüllt sind, ist dem
Vorbringen der Beklagten nicht zu entnehmen.
c) In welcher Weise ein Arbeitgeber darlegt, dass die Umverteilung von Arbeitsaufgaben nicht zu einer überobligatorischen Beanspruchung im Betrieb
verbliebener Arbeitnehmer führt, bleibt ihm überlassen. Handelt es sich um nicht taktgebundene Arbeiten, muss nicht in jedem Fall und minutiös dargelegt
werden, welche einzelnen Tätigkeiten die fraglichen Mitarbeiter künftig mit welchen Zeitanteilen täglich zu verrichten haben. Es kann ausreichend sein, wenn
der Arbeitgeber die getroffenen Vereinbarungen zu Umfang und Verteilung der Arbeitszeit darstellt und Anhaltspunkte dafür darlegt, dass Freiräume für die
Übernahme zusätzlicher Aufgaben vorhanden sind. Im Streitfall hat die Beklagte auch dies unterlassen. Soweit das Landesarbeitsgericht noch strengere
Anforderungen an ihr Vorbringen gestellt hat, wirkt sich dies im Ergebnis nicht aus.
d) Die Rüge der Beklagten, das Landesarbeitsgericht habe sie auf die Mängel in ihrem Vortrag hinweisen müssen, ist unberechtigt.
aa) Ein Verstoß gegen die richterliche Hinweispflicht (§ 139 ZPO) liegt schon deshalb nicht vor, weil die Beklagte darauf durch die erstinstanzliche
Entscheidung und die Ausführungen der Gegenseite aufmerksam gemacht wurde (vgl. BGH 23. April 2009 - IX ZR 95/06 - Rn. 6 mwN, NJW-RR 2010, 70).
Das Arbeitsgericht hat der Kündigungsschutzklage mit der Begründung stattgegeben, die Beklagte sei ihrer Darlegungslast nicht nachgekommen. Sie habe es
ua. versäumt deutlich zu machen, in welchem Umfang die anderen Mitarbeiter, auf die nunmehr neue Aufgaben zukämen, bisher ausgelastet gewesen seien und
warum sie in der Lage sein sollten, die neuen Arbeitsaufgaben ohne überobligatorischen Aufwand zu bewältigen. Dies hat der Kläger aufgegriffen und geltend
gemacht, das Vorbringen der Beklagten in ihrer Berufungsbegründung sei „immer noch" unsubstantiiert. Überdies stützen sich die Entscheidungen der
Vorinstanzen insoweit auf die ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Die Beklagte war daher auch ohne richterlichen Hinweis gehalten, deutlich
konkreter vorzutragen.
bb) Ob der im Rahmen der Revision nachgeholte Vortrag den Anforderungen an eine substantiierte Darlegung entspricht, kann dahinstehen. Allerdings handelt
es sich bei der Vereinbarung einer „Vertrauensarbeitszeit", auf die die Beklagte hinsichtlich einzelner Arbeitnehmer verweist, typischerweise um ein
Arbeitszeitmodell, bei dem der Arbeitgeber lediglich auf die Festlegung von Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit verzichtet und darauf vertraut, dass die
Arbeitnehmer ihre Arbeitsverpflichtung auch ohne Kontrolle erfüllen (vgl. BAG 6. Mai 2003 - 1 ABR 13/02 - Rn. 65, BAGE 106, 111; Schaub/Vogelsang
ArbR-Hdb. 14. Aufl. § 160 Rn. 33). Aus der Vereinbarung einer „Vertrauensarbeitszeit" folgt dagegen nicht, dass es an arbeits- oder tarifvertraglichen
Vorgaben zur wöchentlichen Arbeitszeit fehlt und die Beklagte über die tatsächlich erbrachte Arbeitszeit hinaus Arbeitsleistungen im Umfang von bis zu einer
Stunde täglich verlangen konnte.
e) Dringende betriebliche Erfordernisse, die die Kündigung bedingen, hat die Beklagte damit nicht dargelegt. Unerheblich ist, dass das in Rede stehende zu
verteilende Arbeitsvolumen - ausgehend vom Vorbringen der Beklagten - lediglich 50 Prozent der bislang dem Kläger zugewiesenen Arbeitsaufgaben umfasst.
Auch wenn die Übertragung der anderen 50 Prozent auf Frau K kündigungsrechtlich nicht zu beanstanden sein sollte, hätte die Beklagte dem Kläger zumindest
eine Weiterbeschäftigung im entsprechend reduzierten Umfang anbieten müssen. Dafür, dass ein solches Angebot wegen „Unannehmbarkeit" hätte unterbleiben
können (vgl. dazu BAG 23. Februar 2010 - 2 AZR 656/08 - Rn. 57, BAGE 133, 226; 21. September 2006 - 2 AZR 607/05 - Rn. 34, AP KSchG 1969 § 2 Nr.
130 = EzA KSchG § 2 Nr. 62), fehlt es an Anhaltspunkten. Im Übrigen kann der Vortrag der Beklagten so verstanden werden, dass ihre gesamte
Organisationsentscheidung mit der Möglichkeit der Umverteilung von Aufgaben auf nachgeordnete Mitarbeiter „steht und fällt". ..."(BAG, Urteil vom
24.05.2012 - 2 AZR 124/11)
***
„... I. Aufgrund der bisherigen Feststellungen durfte das Landesarbeitsgericht einen Kündigungsgrund im Verhalten der Klägerin iSv. § 1 Abs. 2 KSchG nicht verneinen.
1. Nach § 1 Abs. 2 KSchG ist eine Kündigung aus Gründen im Verhalten des Arbeitnehmers bedingt, wenn dieser seine vertraglichen Haupt- oder
Nebenpflichten erheblich und in der Regel schuldhaft verletzt hat und eine dauerhaft störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft nicht mehr zu erwarten steht.
Dann kann dem Risiko künftiger Störungen nur durch die (fristgemäße) Beendigung des Arbeitsverhältnisses begegnet werden. Das wiederum ist nicht der Fall,
wenn schon mildere Mittel und Reaktionen von Seiten des Arbeitgebers geeignet gewesen wären, beim Arbeitnehmer künftige Vertragstreue zu bewirken
(BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 284/10 - Rn. 34, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 64 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 37; 28. Oktober 2010 - 2
AZR 293/09 - Rn. 12, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 62 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 78). Im Vergleich mit
einer fristgemäßen Kündigung kommen als mildere Mittel insbesondere Versetzung und Abmahnung in Betracht.
Beruht die Vertragspflichtverletzung auf steuerbarem Verhalten des Arbeitnehmers, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sein künftiges Verhalten schon
durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann (BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 36,
BAGE 134, 349; Schlachter NZA 2005, 433, 436). Einer Abmahnung bedarf es nach Maßgabe des auch in § 314 Abs. 2 iVm. § 323 Abs. 2 BGB zum Ausdruck
kommenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes demnach nur dann nicht, wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach
Abmahnung nicht zu erwarten steht, oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach
objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich - auch für den Arbeitnehmer erkennbar - ausgeschlossen ist (vgl. BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR
284/10 - Rn. 35, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 64 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 37; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 37 mwN, aaO).
2. Danach steht noch nicht fest, ob die Kündigung vom 3. Juni 2009 sozial gerechtfertigt ist. Eine erhebliche Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten läge
jedenfalls dann vor, wenn die Klägerin - wie das beklagte Land behauptet - den Schülern tatsächlich zu Disziplinierungszwecken mit einem
Tesafilmstreifen den Mund verklebt hätte. Das dies nicht der Fall war, hat das Gericht bislang nicht festgestellt.
a) Nach dem Schulgesetz des Landes Sachsen-Anhalt gehört es zum Erziehungsauftrag einer Grundschullehrerin, die Schüler zur Achtung der Würde des
Menschen, zur Selbstbestimmung, zur Anerkennung und Bindung an ethische Werte, zum verantwortlichen Gebrauch der Freiheit und zu friedlicher Gesinnung
zu erziehen (vgl. § 1 Abs. 2 Nr. 1 SchulG LSA). Weiter sieht § 44 SchulG LSA ausdrücklich vor, dass „Ordnungsmaßnahmen getroffen werden (können), wenn
dies zur Sicherung der Unterrichts- und Erziehungsarbeit oder zum Schutz von Personen oder Sachen erforderlich ist. Die Würde der Schülerin oder des
Schülers darf durch Ordnungsmaßnahmen nicht verletzt werden". Dementsprechend hat eine Lehrerin ihr Verhalten in der Schule so einzurichten, dass die
Verwirklichung des ihr nach dem Arbeitsverhältnis zukommenden Erziehungsauftrags nicht gefährdet wird (BAG 27. November 2008 - 2 AZR 98/07 - Rn. 24,
AP KSchG 1969 § 1 Nr. 90 = EzA KSchG § 1 Verdachtskündigung Nr. 4). Sie darf deshalb gegen ausdrückliche, berechtigte Vorgaben und konkrete
Weisungen des Arbeitgebers nicht verstoßen. Nach Ziff. 4 des Runderlasses vom 26. Mai 1994 ist eine „körperliche Züchtigung von Schülern unzulässig".
Nach seiner Ziff. 1 sind „kränkende, ehrverletzende Äußerungen, Drohungen und Einschüchterungsversuche" untersagt. Danach ist das Zukleben eines
Schülermundes mit Tesafilm zweifellos kein zulässiges Erziehungsmittel.
Dabei kann dahingestellt bleiben, ob eine solche Handhabung den Tatbestand der körperlichen Bestrafung oder seelischen Verletzung erfüllt. Regelmäßig wird
darin jedenfalls eine entwürdigende Maßnahme liegen, weil Kinder hierdurch zum Gespött anderer Personen, insbesondere von Freunden oder
Klassenkameraden werden und deren Verachtung ausgesetzt sind, so dass Selbstachtung und Ehrgefühl des betroffenen Kindes erheblich beeinträchtigt werden
(vgl. § 1631 Abs. 2 BGB, der einem Kind auch im Verhältnis zu seinen Eltern ein Recht auf gewaltfreie Erziehung einräumt; dazu Palandt/Diederichsen BGB
71. Aufl. § 1631 Rn. 7; MüKoBGB/Huber § 1631 Rn. 28; NK-BGB/Rakete-Dombek § 1631 Rn. 14). Es kommt nicht darauf an, ob die entwürdigende
Maßnahme vom betroffenen Kind tatsächlich als Verletzung aufgefasst und gefühlt oder ob sie als „spaßig" empfunden wird. Entscheidend ist ihre objektive
Eignung als entwürdigend (Huber/Scherer FamRZ 2001, 797, 799).
b) Ein den erhobenen Vorwürfen entsprechendes Verhalten einer Grundschullehrerin wäre geeignet, eine Kündigung iSv. § 1 Abs. 2 KSchG zu bedingen. Hätte
die Klägerin den Schülern E und P zum Zwecke der Disziplinierung die Münder mit einem Streifen Tesafilm verklebt, hätte sie damit massiv gegen ihre
Pflichten als Erzieherin verstoßen. Einer Abmahnung hätte es dann vor Ausspruch einer Kündigung nicht bedurft. Selbst wenn durch eine Abmahnung die
Gefahr einer künftigen Wiederholung hätte ausgeschlossen werden können, wäre der Pflichtenverstoß als so schwerwiegend einzustufen, dass dem beklagten
Land schon die erstmalige Hinnahme nicht zuzumuten wäre. Auch angesichts der langen Dienstzugehörigkeit der Klägerin zerstörte ein solcher Missgriff in
ihren Erziehungsmethoden das Vertrauen des beklagten Landes in ihre von dem nötigen Respekt vor der Verletzlichkeit und Würde der ihr anvertrauten jungen
Personen getragene Grundhaltung in irreparabler Weise. Aus diesem Grund wäre auch eine Versetzung kein vorrangiges Reaktionsmittel.
c) Die Klägerin hat bestritten, dass sie den Schülern Tesafilm über den Mund geklebt und dies gar zu Disziplinierungszwecken getan hat. Sie hat behauptet, sie
habe dem einen Jungen wegen seiner Unruhe scherzhaft einen Streifen Tesafilm in Höhe des Mundes auf die Wange geklebt und dies bei dem anderen Jungen
auf dessen Wunsch hin wiederholt. Beide hätten sich die Streifen, nachdem sie abgefallen seien, von sich aus sogar wieder aufgeklebt. Alle Kinder hätten die
Angelegenheit als Spaß aufgefasst. Einen früheren Vorfall dieser Art habe es nicht gegeben.
Auf der Grundlage dieses Vortrags liegt ein Verhalten der Klägerin, das eine Kündigung bedingen könnte, nicht vor. Mag sie sich wegen der äußerlichen Nähe
zu Disziplinierungsmaßnahmen und möglicher Missverständlichkeiten pädagogisch unkorrekt verhalten haben, so liegt doch ein Übergriff in den Schutzbereich
des Persönlichkeitsrechts der Kinder, der eine erhebliche arbeitsvertragliche Pflichtverletzung darstellen würde, nicht vor.
d) Es ist nicht mit einer für die Beurteilung nach § 559 Abs. 1, Abs. 2 ZPO ausreichenden Deutlichkeit erkennbar, welchen tatsächlichen Geschehensablauf das
Landesarbeitsgericht seiner rechtlichen Würdigung zugrunde gelegt hat.
aa) Unter II. 2.1 der Entscheidungsgründe heißt es, „die Handlung der Klägerin, den Schülern E und P der damaligen ersten Klasse ... zum Zwecke der
Disziplinierung einen Tesafilmstreifen, nach Angabe der Klägerin von etwa 2 cm Breite und 5 cm Länge, über den Mund zu kleben", stelle einen Verstoß gegen
ihre Pflichten dar, „ein derartiges ‚Überkleben' des Mundes eines Schülers" sei kein zulässiges Erziehungsmittel. Anschließend führt das Landesarbeitsgericht
an gleicher Stelle aus, „eine negative Prognose (liege) nicht vor, weil die Klägerin die von ihr gegenüber den Schülern E und P begangene Handlung nie
bestritten" habe. Sie habe schon im Verlauf der ersten Anhörung eingesehen, dass die Maßnahme pädagogisch nicht zulässig gewesen sei.
Die Klägerin hat indessen die Behauptungen des beklagten Landes durchaus substantiiert bestritten. Sie hat gerade kein Überkleben der Münder zu
Disziplinierungszwecken eingeräumt. Es bleibt deshalb offen, von welchem Sachverhalt das Landesarbeitsgericht ausgegangen ist: Lag ein Zukleben der
Münder zu Disziplinierungszwecken vor? Lag zwar ein Überkleben der Münder vor, aber ohne Disziplinierungsabsicht und „zum Spaß"? Oder wurden die
Tesafilmstreifen zum Spaß ohnehin nur auf die Wange geklebt?
Für die kündigungsrechtliche Bewertung kann dies nicht dahingestellt bleiben.
3. Da die Begründung des Berufungsurteils, sollte die erste der aufgezählten Sachverhaltsvarianten zutreffen, eine Rechtsverletzung ergäbe und sich mangels
Feststellungen zu möglichen Fehlern bei der Personalratsanhörung auch nicht beurteilen lässt, ob die Entscheidung selbst aus anderen Gründen sich als richtig
darstellt, war das Urteil des Landesarbeitsgerichts aufzuheben (§§ 561, 562 Abs. 1 ZPO). Da ein Fall des § 563 Abs. 3 ZPO nicht gegeben ist, war die Sache an
das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen. ..." (BAG, Urteil vom 19.04.2012 - 2 AZR 156/11)
***
„... dd) Das Landesarbeitsgericht hat zugunsten der Beklagten unterstellt, dass der Kläger das Internet an mehreren Tagen und insgesamt über mehrere Stunden
privat genutzt und dabei ua. pornografisches Bildmaterial heruntergeladen hat. Auch ein solches Verhalten schafft keinen absoluten Kündigungsgrund. Zwar hat
der Senat dies als einen denkbaren Fall erachtet, in dem es vor Ausspruch einer Kündigung einer Abmahnung nicht bedarf (BAG 7. Juli 2005 - 2 AZR 581/04 -
zu B III 2 der Gründe, BAGE 115, 195). Dies ändert aber nichts daran, dass die Verhältnismäßigkeit einer Kündigung auch bei einem solchen Sachverhalt
anhand aller relevanten Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile zu prüfen ist. Diese Prüfung hat das
Landesarbeitsgericht in vertretbarer Weise vorgenommen. Nicht zu entscheiden ist, wie es zu beurteilen wäre, wenn der Kläger mithilfe des ihm dienstlich zur
Verfügung gestellten Internets Straftaten begangen hätte. Hierfür fehlt es an Vortrag der Beklagten. ..." (BAG, Urteil vom 19.04.2012 - 2 AZR 186/11)
***
„... 1. In seiner Entscheidung vom 7. Juli 2011 (- 2 AZR 377/10 - Rn. 13 ff., AP KSchG 1969 § 15 Nr. 69 = EzA KSchG § 15 nF Nr. 68) hat der Senat an der
Auffassung festgehalten, dass der Sonderkündigungsschutz für Wahlbewerber beginnt, sobald ein Wahlvorstand für die Wahl bestellt ist und ein Wahlvorschlag
für den Kandidaten vorliegt, der die nach dem Betriebsverfassungsgesetz erforderliche Mindestzahl von Stützunterschriften aufweist (vgl. BAG 5. Dezember
1980 - 7 AZR 781/78 - BAGE 34, 291; 4. März 1976 - 2 AZR 620/74 - BAGE 28, 30). Der Wahlvorschlag ist dann im Sinne des Gesetzes „aufgestellt". Auf
seine Einreichung beim Wahlvorstand oder auf den Erlass des Wahlausschreibens kommt es nicht an (BAG 7. Juli 2011 - 2 AZR 377/10 - Rn. 14 mwN, aaO).
2. Dieses Ergebnis entspricht dem Wortlaut und dem Regelungszweck des § 15 Abs. 3 Satz 1 KSchG sowie den Regelungen der Wahlordnung. Der besondere
Kündigungsschutz soll die Durchführung der Betriebsratswahlen sichern und gewährleisten, dass Arbeitnehmer zur Kandidatur zum Betriebsrat bereit sind und
nicht durch Kündigung des Arbeitgebers daran gehindert werden, an der Wahl teilzunehmen. Um dieses Ziel effektiv zu gewährleisten, muss der
Kündigungsschutz zu dem Zeitpunkt einsetzen, zu welchem die aus der Kandidatur erwachsene Gefährdung des Arbeitsverhältnisses eines Wahlbewerbers
entsteht. Das ist der Fall, wenn für den Arbeitgeber erkennbar wird, dass der Arbeitnehmer für das Amt in Aussicht genommen ist. Davon ist regelmäßig
auszugehen, sobald ein formwirksamer Wahlvorschlag vorliegt, der den Arbeitnehmer als Kandidaten ausweist. Von diesem Zeitpunkt an muss der Arbeitgeber
ernsthaft mit der Möglichkeit rechnen, ein ihm möglicherweise nicht genehmer Bewerber werde in ein betriebsverfassungsrechtliches Amt gewählt. Damit
vergrößert sich für den Bewerber die Kündigungsgefahr und aktiviert sich das Bedürfnis nach einem Schutz der Betriebsratswahl (BAG 4. März 1976 - 2 AZR
620/74 - zu I 4 c aa der Gründe, BAGE 28, 30). Dies gilt unabhängig davon, ob das Wahlausschreiben gemäß § 3 WO schon erlassen ist. Allerdings ist zu
berücksichtigen, dass der besondere Kündigungsschutz eng mit dem Wahlverfahren verknüpft und durch dieses zeitlich und funktional begrenzt ist. Die
„Aufstellung" des Wahlvorschlags verlangt nach der Einhaltung einer bestimmten Form. Schon der Wortlaut des § 15 Abs. 3 Satz 1 KSchG verweist deshalb
für den Beginn des Schutzes auf einen Abschnitt im Wahlverfahren, der zeitlich nach der bloßen Verlautbarung einer möglichen Kandidatur oder eines
Interesses an der Bewerbung liegt. Er verbietet es, auf einen Zeitpunkt abzustellen, zu dem das Wahlverfahren noch nicht einmal in Gang gesetzt worden ist.
Erforderlich ist die Existenz eines Wahlvorschlags, auf dessen Grundlage immerhin die greifbare Möglichkeit einer Wahl zum Betriebsrat besteht (BAG 7. Juli
2011 - 2 AZR 377/10 - Rn. 24, AP KSchG 1969 § 15 Nr. 69 = EzA KSchG § 15 nF Nr. 68). Diesen Anforderungen wird ein Wahlvorschlag am ehesten
gerecht, der die nach § 14 Abs. 4 BetrVG erforderliche Mindestzahl von Stützunterschriften von Arbeitnehmern trägt. Hat sich eine Kandidatur auf diese Weise
verfestigt, muss der Arbeitgeber ernsthaft mit der Möglichkeit rechnen, dass ein Kandidat in den Betriebsrat gewählt wird. Die damit verbundene „Vorwirkung"
des potentiellen Betriebsratsamts bewirkt eine erhöhte Kündigungsgefahr, die ein entsprechendes Schutzbedürfnis auf Seiten des Arbeitnehmers auslöst (BAG
7. Juli 2011 - 2 AZR 377/10 - Rn. 25, aaO).
3. Für den Beginn des Sonderkündigungsschutzes nach § 15 Abs. 3 Satz 1 KSchG kommt es nicht darauf an, ob bei der Anbringung der letzten erforderlichen
Stützunterschrift die Frist zur Einreichung von Wahlvorschlägen, die regelmäßig am Tag nach Aushang des Wahlausschreibens beginnt (§ 6 Abs. 1 WO), schon
angelaufen war (BAG 7. Juli 2011 - 2 AZR 377/10 - Rn. 28, AP KSchG 1969 § 15 Nr. 69 = EzA KSchG § 15 nF Nr. 68). Ein Wahlvorschlag, der vor Beginn
der für die Einreichung maßgebenden Fristen beim Wahlvorstand eingeht, ist nicht etwa ein von vornherein ungültiger Vorschlag. Die „greifbare Möglichkeit"
einer Wahl besteht deshalb auch dann, wenn der Wahlvorschlag „vorfristig" aufgestellt worden ist. Das Wahlausschreiben muss - entgegen der Auffassung der
Beklagten - nicht deshalb schon erlassen sein, weil erst von diesem Zeitpunkt an feststünde, wieviel Stützunterschriften wirklich benötigt werden. Zum einen
reicht gemäß § 14 Abs. 4 Satz 2 BetrVG unabhängig von der genauen Anzahl der wahlberechtigten Arbeitnehmer das Vorliegen von 50 Stützunterschriften in
jedem Fall aus. Zum anderen ist es das Risiko des Arbeitnehmers und Wahlbewerbers, dass der Wahlvorschlag die erforderliche Anzahl von Stützunterschriften
nicht aufweist und deshalb (noch) nicht iSv. § 15 Abs. 3 Satz 1 KSchG „aufgestellt" ist.
4. Ein bereits vollzogener Erlass des Wahlausschreibens ist auch nicht zur Vermeidung von Rechtsmissbrauch erforderlich (BAG 7. Juli 2011 - 2 AZR 377/10 -
Rn. 29 f., AP KSchG 1969 § 15 Nr. 69 = EzA KSchG § 15 nF Nr. 68). Dem wird hinreichend dadurch vorgebeugt, dass der Sonderkündigungsschutz nach § 15
Abs. 3 Satz 1 KSchG die Existenz eines Wahlvorstands voraussetzt. Da § 16 Abs. 1 Satz 1 BetrVG nur regelt, bis wann spätestens ein Wahlvorstand zu
bestellen ist, nicht aber festlegt, ab wann frühestens er bestellt werden kann, liegt nicht allein in einer „unnötig" frühen Bestellung schon ein Rechtsmissbrauch,
solange nicht der Zeitpunkt der Bestellung sachlich gänzlich unangemessen ist.
III. Im Streitfall besaß der Kläger im Kündigungszeitpunkt am 22. Februar 2010 den besonderen Kündigungsschutz als Wahlbewerber. ..." (BAG, Urteil vom
19.04.2012 - 2 AZR 299/11)
***
„... I. Die Kündigung vom 26. Oktober 2009 ist sozial ungerechtfertigt iSd. § 1 Abs. 2, Abs. 3 KSchG. Die Beklagte hat bei der Auswahl des Klägers soziale
Gesichtspunkte gem. § 1 Abs. 3 KSchG nicht ausreichend berücksichtigt. Ob die Auswahl zudem grob fehlerhaft iSd. § 1 Abs. 5 Satz 2 KSchG war, bedarf
keiner Entscheidung. § 1 Abs. 5 KSchG findet im Streitfall keine Anwendung. Die Liste der zu kündigenden Arbeitnehmer in der Anlage 2 zum
Interessenausgleich ist ausdrücklich nicht dessen Bestandteil.
1. Nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG ist eine Kündigung trotz Vorliegens dringender betrieblicher Erfordernisse iSd. Abs. 2 sozial ungerechtfertigt, wenn der
Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des
Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat. Der Arbeitgeber hat in die Sozialauswahl diejenigen Arbeitnehmer einzubeziehen, die
miteinander vergleichbar sind. Vergleichbar sind Arbeitnehmer, die nach arbeitsplatzbezogenen Merkmalen aufgrund ihrer Fähigkeiten und Kenntnisse sowie
nach dem Inhalt der von ihnen vertraglich geschuldeten Aufgaben austauschbar sind (st. Rspr., BAG 15. Dezember 2011 - 2 AZR 42/10 - Rn. 41; 23. Oktober
2008 - 2 AZR 163/07 - Rn. 64, AP KSchG 1969 § 1 Namensliste Nr. 18 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 16). Nach dem Gesetzeswortlaut (§ 1 Abs. 3
Satz 1 KSchG) sind die sozialen Gesichtspunkte „ausreichend" zu berücksichtigen. Dem Arbeitgeber kommt damit bei der Gewichtung der Sozialkriterien ein
Wertungsspielraum zu. Die Auswahlentscheidung muss sozial vertretbar sein, muss aber nicht unbedingt der Entscheidung entsprechen, die das Gericht
getroffen hätte, wenn es eigenverantwortlich soziale Erwägungen hätte anstellen sollen. Der dem Arbeitgeber vom Gesetz eingeräumte Wertungsspielraum
führt dazu, dass nur deutlich schutzwürdigere Arbeitnehmer mit Erfolg die Fehlerhaftigkeit der sozialen Auswahl rügen können (BAG 31. Mai 2007 - 2 AZR
276/06 - Rn. 64, BAGE 123, 1; 18. Januar 2007 - 2 AZR 796/05 - Rn. 32, AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 89 = EzA KSchG § 2 Nr. 64).
2. Das Landesarbeitsgericht hat ohne Rechtsfehler angenommen, dass die Beklagte selbst unter Berücksichtigung dieses Wertungsspielraums bei der Auswahl
des Klägers soziale Gesichtspunkte nicht ausreichend iSd. § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG berücksichtigt hat. Der Kläger ist deutlich schutzwürdiger als der
Arbeitnehmer H, dessen Arbeitsverhältnis nicht gekündigt wurde.
a) Der Arbeitnehmer H gehört zu der Gruppe der mit dem Kläger vergleichbaren und daher in die Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG grundsätzlich
einzubeziehenden Arbeitnehmer.
b) Der Kläger ist deutlich schutzwürdiger. Er ist verheiratet, ist zumindest einem Kind zum Unterhalt verpflichtet und war am maßgeblichen Stichtag 55 Jahre
alt sowie 22 Jahre bei der Beklagten beschäftigt. Der ebenfalls verheiratete und einem Kind gegenüber unterhaltspflichtige Arbeitnehmer H war zum Stichtag
24 Jahre alt und seit sieben Jahren bei der Beklagten beschäftigt. Nach dem im Interessenausgleich vom 31. August 2009 vereinbarten Punkteschema erreichte
er 47 Sozialpunkte, der Kläger dagegen - selbst bei Berücksichtigung nur eines unterhaltsberechtigten Kindes - 92 Punkte. Die Würdigung des
Landesarbeitsgerichts, angesichts dieser Unterschiede sowohl bei der Beschäftigungsdauer als auch beim Lebensalter, die sich ebenso in der Anzahl der
erreichten Sozialpunkte ausdrückten, sei der Kläger als deutlich schutzwürdiger anzusehen, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Das Berufungsurteil
kann in dieser Hinsicht vom Revisionsgericht nur daraufhin überprüft werden, ob es den Inhalt der Norm selbst verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des
Sachverhalts unter die Rechtsnorm Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt hat, ob es alle wesentlichen Umstände berücksichtigt hat und ob es in
sich widerspruchsfrei ist (BAG 31. Mai 2007 - 2 AZR 276/06 - Rn. 63, BAGE 123, 1; 6. Juli 2006 - 2 AZR 442/05 - zu B II 3 a der Gründe, AP KSchG 1969 §
1 Soziale Auswahl Nr. 82 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 69). Dem hält das angefochtene Urteil stand. Der Kläger war mehr als doppelt so alt wie der
Arbeitnehmer H, zudem mehr als dreimal so lang bei der Beklagten beschäftigt. Er erzielte nach Ziffer 4.3 des Interessenausgleichs etwa doppelt so viele
Sozialpunkte wie der Mitarbeiter H. Das Landesarbeitsgericht durfte unter diesen Umständen ohne rechtliche Bedenken annehmen, der Kläger sei der sozial
deutlich schutzwürdigere.
3. Das Landesarbeitsgericht hat ferner ohne Rechtsfehler angenommen, der Arbeitnehmer H habe nicht deshalb von der sozialen Auswahl nach § 1 Abs. 3 Satz
1 KSchG ausgenommen werden dürfen, weil seine Weiterbeschäftigung im berechtigten betrieblichen Interesse gelegen hätte (§ 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG).
a) Nach § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG sind in die soziale Auswahl nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG ua. diejenigen Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren
Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt.
b) Die vom Arbeitgeber mit der Herausnahme verfolgten Interessen müssen auch im Kontext der Sozialauswahl berechtigt sein. Das Interesse des sozial
schwächeren Arbeitnehmers ist im Rahmen des § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG gegen das betriebliche Interesse des Arbeitgebers an der Herausnahme des sog.
Leistungsträgers abzuwägen. Je schwerer dabei das soziale Interesse wiegt, desto gewichtiger müssen die Gründe für die Ausklammerung des Leistungsträgers
sein. An dieser Ansicht, die er zu § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG in seiner vom 1. Oktober 1996 bis 31. Dezember 1998 geltenden Fassung vertreten hat (BAG 12.
April 2002 - 2 AZR 706/00 - zu II 4 b bb (1) der Gründe, AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 56 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 48), hält der
Senat für die seit dem 1. Januar 2004 geltende - identische - Fassung der Bestimmung fest. Aus dem Umstand, dass § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG von 1999 bis
2003 mit einem anderen Wortlaut galt, folgt entgegen der Auffassung der Beklagten nichts für das Verständnis der Vorschrift in ihrer früheren und wieder
aktuellen Fassung.
c) Bei Anwendung dieser Grundsätze ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Landesarbeitsgericht für die Herausnahme des Arbeitnehmers H
aus der Sozialauswahl ein berechtigtes betriebliches Interesse iSv. § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG verneint hat.
aa) Es ist von der zutreffenden fachlichen Qualifikation des Arbeitnehmers ausgegangen. Es hat dessen Ausbildung als Mechatroniker ebenso berücksichtigt
wie dessen Qualifikation in der Bedienung und Optimierung der sog. Handlinger und der Fehlerbehebung in diesem Bereich. Es hat ferner dessen Qualifikation
im Bereich der „Reis"-Roboter und des „Reinraums" beachtet. Die Revision erhebt insoweit keine Einwände.
bb) Das Landesarbeitsgericht hat den Begriff des „berechtigten betrieblichen Interesses" in § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG nicht verkannt. Es hat ihn - anders als die
Beklagte meint - nicht dahin ausgelegt, ein berechtigtes betriebliches Interesse in diesem Sinne könne nur dann gegeben sein, wenn die Weiterbeschäftigung des
aus der Sozialauswahl herausgenommenen Arbeitnehmers „notwendig" sei. Es hat lediglich den Umstand, dass die Beklagte die betriebliche Notwendigkeit
einer Weiterbeschäftigung von Herrn H nicht dargelegt habe, bei der erforderlichen Abwägung mit den Belangen des Klägers berücksichtigt. Es hat
angenommen, damit sei der betriebliche Nutzen einer Weiterbeschäftigung von Herrn H nicht so erheblich, dass er das soziale Schutzbedürfnis des Klägers
überwiegen könne. Dies lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Den betrieblichen Vorteil einer Beschäftigung des breiter qualifizierten und damit flexibler
einsetzbaren Arbeitnehmers H hat das Landesarbeitsgericht gewürdigt. Diejenigen Tätigkeiten, die Qualifikationen voraussetzten, über die der Kläger nicht
verfüge, könnten aber auch von anderen Arbeitnehmern mit bzw. anderweitig erledigt werden. Gegen diese Feststellungen hat die Beklagte keine
Verfahrensrügen erhoben.
4. Die Auswahl des Klägers ist ebenso wenig unter dem Gesichtspunkt der Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebs iSv. § 1 Abs. 3 Satz 2
KSchG ordnungsgemäß. Zwar ist regelmäßig vom Vorliegen berechtigter betrieblicher Interessen an einer Abweichung von der Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3
Satz 1 KSchG auszugehen, wenn Massenkündigungen aufgrund einer Betriebsänderung iSv. § 111 Satz 3 Nr. 1 BetrVG erfolgen. In diesen Fällen ist die
bestehende Altersstruktur der Belegschaft in der Regel gefährdet und liegt zu deren Erhaltung eine Auswahl unter Bildung von Altersgruppen grundsätzlich im
berechtigten betrieblichen Interesse (BAG 6. November 2008 - 2 AZR 523/07 - Rn. 54, BAGE 128, 238). Die konkrete Altersgruppenbildung muss aber zur
Sicherung der bestehenden Altersstruktur der Belegschaft auch geeignet sein. Daran fehlt es im Streitfall.
a) Inwieweit Kündigungen Auswirkungen auf die Altersstruktur des Betriebs haben und welche Nachteile sich daraus ergeben, hängt von den betrieblichen
Verhältnissen ab und kann nicht abstrakt für alle denkbaren Situationen beschrieben werden. Dementsprechend muss der Arbeitgeber, wenn er sich auf § 1 Abs.
3 Satz 2 KSchG berufen will, zu diesen Auswirkungen und möglichen Nachteilen konkret vortragen (BAG 15. Dezember 2011 - 2 AZR 42/10 - Rn. 65; 18.
März 2010 - 2 AZR 468/08 - Rn. 23, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 184 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 83). Jedenfalls dann,
wenn die Anzahl der Entlassungen innerhalb einer Gruppe vergleichbarer Arbeitnehmer im Verhältnis zur Anzahl aller Arbeitnehmer des Betriebs die
Schwellenwerte des § 17 KSchG erreicht, kommen ihm dabei Erleichterungen zugute; in diesem Fall ist ein berechtigtes betriebliches Interesse an der
Beibehaltung der Altersstruktur - widerlegbar - indiziert (BAG 15. Dezember 2011 - 2 AZR 42/10 - aaO; 18. März 2010 - 2 AZR 468/08 - Rn. 24, aaO; 6.
November 2008 - 2 AZR 523/07 - Rn. 54, BAGE 128, 238).
b) Im Streitfall ist der Schwellenwert gem. § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KSchG bezogen auf die insgesamt entlassenen Arbeitnehmer überschritten. Die
Gesamtbelegschaft von 181 Mitarbeitern wurde um 48 Mitarbeiter reduziert. Mit Blick auf die Anzahl der fünf Arbeitnehmer, die in der Gruppe der mit dem
Kläger vergleichbaren Arbeitnehmer zu entlassen waren, war der Schwellenwert des § 17 KSchG bezogen auf die Anzahl aller Arbeitnehmer im Betrieb
hingegen nicht erreicht. Ob die Erleichterung bei der Darlegung des berechtigten betrieblichen Interesses an einer Altersgruppenbildung iSv. § 1 Abs. 3 Satz 2
KSchG, die dem Arbeitgeber bei einer Massenkündigung gewährt wird, auch in einem solchen Fall berechtigt ist, bedarf keiner Entscheidung. Selbst wenn dies
anzunehmen wäre, war die Altersgruppenbildung im Streitfall zur Erhaltung der Altersstruktur ungeeignet und deshalb eine Abweichung von den Grundsätzen
nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG nicht gerechtfertigt.
c) Nicht zu beanstanden ist, dass Arbeitgeber und Betriebsrat in Ziffer 4.3 des Interessenausgleichs vom 31. August 2009 die Bildung von Altersgruppen für die
untereinander vergleichbaren Arbeitnehmer vereinbart haben. In die Sozialauswahl sind nur miteinander vergleichbare Arbeitnehmer einzubeziehen. Auch die
Altersgruppen sind dementsprechend innerhalb der Gruppen der vergleichbaren Arbeitnehmer zu bilden. Es dient auch gerade der Erhaltung der Altersstruktur,
dass nach Ziffer 4.3 des Interessenausgleichs die Anzahl der in den einzelnen Bereichen erforderlichen Entlassungen auf die jeweiligen Altersgruppen
proportional zu deren Stärke verteilt werden sollten.
d) Die konkrete Ausgestaltung der Altersgruppen war im Streitfall zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur dennoch nicht geeignet. Sind mehrere
Gruppen vergleichbarer Arbeitnehmer von den Entlassungen betroffen, muss auch innerhalb der jeweiligen Vergleichsgruppe eine proportionale
Berücksichtigung der Altersgruppen an den Entlassungen möglich sein. Die betriebsweite Sicherung der bestehenden Altersstruktur muss die Folge der
proportionalen Beteiligung der Altersgruppen an den Entlassungen innerhalb der einzelnen Vergleichsgruppen sein. Eine vergleichsgruppenübergreifende
Anwendung des Altersgruppenschemas ist rechtlich ausgeschlossen. Es ist das Wesen der Sozialauswahl, dass sie innerhalb der Vergleichsgruppen zu erfolgen
hat. Nur dort kann deshalb eine Sicherung der Altersstruktur - mit positiven Effekten für den Betrieb insgesamt - angestrebt werden.
aa) In der Gruppe der mit dem Kläger vergleichbaren Arbeitnehmer war eine proportionale Beteiligung der Altersgruppen an den Entlassungen nicht möglich.
Als rechnerische Größe ergab sich bei der Ermittlung der Anzahl der in den jeweiligen Altersgruppen betroffenen Arbeitnehmer teilweise ein Wert unter 1.
Nach ihrer Stärke entfielen auf die drei mittleren Altersgruppen insgesamt vier zu entlassende Arbeitnehmer, während aus den Altersgruppen 1 und 5
rechnerisch gleichermaßen je 0,45 Arbeitnehmer zu entlassen gewesen wären. Damit war eine proportionale Berücksichtigung der Altersgruppen nicht möglich.
Tatsächlich sank das Durchschnittsalter in dieser Vergleichsgruppe durch die ausgesprochenen Kündigungen um 2,66 Jahre. Ein freies Ermessen, ob dem
Kläger als einzigem Vertreter der Altersgruppe 5 oder dem Arbeitnehmer H als alleinigem Vertreter der Altersgruppe 1 zu kündigen war, stand der Beklagten
nicht zu. Bei § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG handelt es sich um eine Ausnahmeregelung zu Satz 1 der Vorschrift (BAG 31. Mai 2007 - 2 AZR 306/06 - zu B II 2 a
der Gründe, BAGE 123, 20; KR/Griebeling 9. Aufl. § 1 KSchG Rn. 628, 630; ErfK/Oetker 12. Aufl. § 1 KSchG Rn. 342). Liegen die Voraussetzungen für eine
Abweichung von den Grundsätzen der Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG nicht vor, verbleibt es bei diesen.
bb) Die Auswahl des Klägers war auch nicht dann ordnungsgemäß, wenn - wie die Beklagte geltend macht - der Altersdurchschnitt im Betrieb nach
Durchführung des Personalabbaus nur um 0,2 Jahre gesunken sein sollte. Dies wäre nicht die Folge einer proportionalen Beteiligung der Altersgruppen
innerhalb der einzelnen Vergleichsgruppen, sondern das betriebsweite arithmetische Ergebnis aus den verschiedenen Disproportionalitäten bei der Beteiligung
der Altersgruppen an den Entlassungen. So waren von den 48 zu entlassenden Arbeitnehmern nur 39 überhaupt von der Altersgruppenbildung betroffen. Bei
den übrigen neun Arbeitnehmern erfolgte keine Altersgruppenbildung, weil in deren Vergleichsgruppen jeweils entweder nur ein Arbeitnehmer oder alle
Arbeitnehmer zu entlassen waren. In den acht Vergleichsgruppen, auf welche sich die 39 von der Altersgruppenbildung betroffenen Arbeitnehmer verteilten,
waren zudem überwiegend jeweils nur drei und demnach weniger Arbeitnehmer zu entlassen, als Altersgruppen - fünf - zu bilden waren. Auch in der
Vergleichsgruppe des Klägers war, wie ausgeführt, eine proportionale Berücksichtigung der Altersgruppen nicht möglich. ..." (BAG. Urteil vom 22.03.2012 - 2
AZR 167/11)
***
„... II. Sind von einer Organisationsmaßnahme des Arbeitgebers mehrere vergleichbare Arbeitnehmer betroffen und konkurrieren diese um anderweitige
Beschäftigungsmöglichkeiten in demselben Betrieb, hat der Arbeitgeber durch eine Sozialauswahl analog § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG zu entscheiden, welchen
Arbeitnehmer er auf dem freien Arbeitsplatz weiterbeschäftigt (BAG 12. August 2010 - 2 AZR 945/08 - Rn. 40 mwN, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 147 = EzA
KSchG § 2 Nr. 79). Dieser Grundsatz findet auch bei der Änderungskündigung Anwendung. § 2 Satz 1 KSchG verweist uneingeschränkt auf § 1 Abs. 2 Satz 1
bis 3, Abs. 3 Satz 1 und 2 KSchG. Auch bei ihr kann sich der Arbeitnehmer auf andere Beschäftigungsmöglichkeiten zu ihn weniger belastenden
Arbeitsbedingungen berufen. Dass es dabei nicht um das „Ob" einer Kündigung, sondern das „Wie" der Änderungen der Vertragsbedingungen geht, entbindet
den Arbeitgeber jedenfalls dann nicht von einer entsprechend § 1 Abs. 3 KSchG vorzunehmenden sozialen Auswahl, wenn für eine Weiterbeschäftigung -
objektiv - unterschiedliche Tätigkeiten zur Verfügung stehen, zugleich mehrere Arbeitnehmer um eine geringere Anzahl günstigerer
Beschäftigungsmöglichkeiten konkurrieren und deshalb eine personelle Auswahl zu treffen ist (BAG 12. August 2010 - 2 AZR 945/08 - Rn. 41 mwN, aaO; 16.
September 2004 - 2 AZR 628/03 - zu B I 2 der Gründe, BAGE 112, 58).
III. Die Betriebsbedingtheit einer Änderung der Arbeitsbedingungen ist im Streitfall nicht iSd. § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG zu vermuten. Ebenso wenig kommt bei
der Sozialauswahl allein der Maßstab der groben Fehlerhaftigkeit gemäß § 1 Abs. 5 Satz 2 KSchG zum Tragen. Die Regelungen sind zwar auf
Änderungskündigungen anwendbar (BAG 19. Juni 2007 - 2 AZR 304/06 - Rn. 18 ff., BAGE 123, 160). Die Beklagte hat sich auf sie aber weder berufen, noch
bietet der festgestellte Sachverhalt hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass die Voraussetzungen des § 1 Abs. 5 KSchG vorliegen. Fest steht auf der Grundlage
des unstreitigen Parteivorbringens nur, dass am 16. Juli 2009 ein Interessenausgleich/Sozialplan geschlossen wurde. Soweit darin auf eine Liste mit den Namen
der für eine Änderungskündigung vorgesehenen Arbeitnehmer Bezug genommen wird, ist nicht erkennbar, ob und wann eine solche Liste erstellt wurde und ob
sie mit dem Interessenausgleich eine einheitliche Urkunde bildet (zu dieser Voraussetzung BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 420/09 - Rn. 16, AP KSchG 1969 § 1
Soziale Auswahl Nr. 98 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 22; 12. Mai 2010 - 2 AZR 551/08 - Rn. 17, AP KSchG 1969 § 1 Namensliste Nr. 20 = EzA
KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 21). Soweit die Beklagte eine - weder von ihr selbst, noch vom Betriebsrat unterzeichnete - „Personalliste" zur Gerichtsakte
gereicht hat, in der die von einer Änderungskündigung betroffenen Arbeitnehmer namentlich aufgeführt sind, handelt es sich ihren eigenen Ausführungen
zufolge um die „Anlage 1" zur Anhörung des Betriebsrats. Anhaltspunkte dafür, dass diese oder eine gleichlautende Liste dem Interessenausgleich beigefügt
und mit ihm im Kündigungszeitpunkt fest verbunden gewesen wäre, liegen nicht vor. Ob die übrigen Voraussetzungen des § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG erfüllt sind
und von einer Betriebsänderung iSd. § 111 BetrVG auszugehen ist, kann offenbleiben.
IV. Die dem Kläger angetragene Änderung der Arbeitsbedingungen ist nicht iSv. § 2 Satz 1, § 1 Abs. 2, Abs. 3 KSchG sozial gerechtfertigt. Dabei kann
zugunsten der Beklagten unterstellt werden, dass ihre Organisationsentscheidung, die Schinkenzerlegung einzustellen und die Abteilung „Materialvorbereitung"
zu schließen, auf Dauer angelegt war. Ferner kann unterstellt werden, dass im Kündigungszeitpunkt für eine Weiterbeschäftigung lediglich die in der
Personalliste ausgewiesenen Arbeitsplätze in Frage kamen. Diese Umstände bedingen nicht die mit der Änderungskündigung angestrebte Änderung der
Vertragsbedingungen. Die Beklagte hat bei Abgabe des Änderungsangebots soziale Auswahlgesichtspunkte nicht ausreichend beachtet. Jedenfalls aus diesem
Grund ist die Änderung der Arbeitsbedingungen unverhältnismäßig und dem Kläger unzumutbar.
1. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die dem Kläger zugewiesene Tätigkeit in der „Verpackung" sei nach der Lohngruppe III LTV zu bewerten. Das
sieht offenbar auch der Kläger so, der dagegen in der Revision keine Einwände erhoben hat.
2. Ob diese Bewertung zutreffend ist, kann dahingestellt bleiben. Im Ergebnis kommt es darauf nicht an. Die Beklagte verfügte im Kündigungszeitpunkt über
andere, iSv. § 1 Abs. 2 Satz 2 KSchG freie Arbeitsplätze ua. in der sog. Pökelei. Diese Arbeitsplätze hat sie im Wege der Änderungskündigung Arbeitnehmern
angeboten, die wie der Kläger zuvor in der „Materialvorbereitung" beschäftigt und mit diesem nach arbeitsplatzbezogenen Kriterien vergleichbar waren. Das
hält einer Überprüfung anhand § 1 Abs. 2, Abs. 3 KSchG nicht stand. Die Tätigkeiten in der „Pökelei" sind, soweit sie von einem ausgebildeten Fleischer
durchgeführt werden, nach Lohngruppe I LTV zu vergüten. Die Beklagte musste daher unter den zuvor in der „Materialvorbereitung" beschäftigten
ausgebildeten Fleischern eine Auswahl analog § 1 Abs. 3 KSchG treffen. Diese Auswahl musste zugunsten des Klägers ausfallen, weil er sozial schutzwürdiger
ist als der Arbeitnehmer H. Die Beklagte hätte den Kläger, sofern keine andere gleichwertige Tätigkeit infrage kam, in der „Pökelei" weiterbeschäftigen müssen.
a) Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts finden „im Betrieb" der Beklagten die jeweiligen firmentariflichen Regelungen, darunter der
Lohntarifvertrag vom 26. August 2008, Anwendung. Dagegen wendet sich die Revision nicht. Beide Parteien gehen im Übrigen übereinstimmend von einer
vertraglichen Inbezugnahme der zwischen der Beklagten und der NGG abgeschlossenen „Haus-Tarifverträge" aus.
b) Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln (zu den Kriterien vgl. ua. BAG 17.
Oktober 2007 - 4 AZR 1005/06 - Rn. 40, BAGE 124, 240; 7. Juli 2004 - 4 AZR 433/03 - zu I 1 b aa der Gründe, BAGE 111, 204) und ist - wie die Auslegung
von Gesetzen selbst - in der Revisionsinstanz in vollem Umfang nachzuprüfen (vgl. BAG 18. Mai 2011 - 4 AZR 549/09 - Rn. 28, EzA TVG § 4 Metallindustrie
Nr. 139).
c) Danach sind Arbeitnehmer, die eine Berufsausbildung als Fleischer erfolgreich abgeschlossen haben, bereits dann in die Lohngruppe I LTV eingruppiert,
wenn sie eine dem Berufsbild des Fleischers zugehörige Teiltätigkeit verrichten. Das gilt unabhängig davon, ob die Tätigkeit, wenn sie von einem
Arbeitnehmer ohne abgeschlossene Berufsausbildung durchgeführt wird, nach einer der Lohngruppen II bis IV LTV zu vergüten wäre. Die Tarifvertragsparteien
veranschlagen - wie § 3 Abs. 2 Satz 2 LTV verdeutlicht - die fachliche Qualifikation eines Arbeitnehmers stets höher, auch wenn er nur Teilaufgaben aus dem
Berufsbild des Fleischers verrichtet.
aa) Sind einem allgemein gefassten Tätigkeitsmerkmal einer Lohngruppe konkrete Richt-, Regel- oder Tätigkeitsbeispiele beigefügt, ist das Tätigkeitsmerkmal
regelmäßig dann erfüllt, wenn der Arbeitnehmer eine den Beispielen entsprechende Tätigkeit ausübt (BAG 21. April 2010 - 4 AZR 735/08 - Rn. 20; 20. Mai
2009 - 4 ABR 99/08 - Rn. 30 mwN, BAGE 131, 36). Dies folgt zum einen aus den Grundsätzen der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit, denen die
Tarifvertragsparteien bei Abfassung von Tarifnormen gerecht werden wollen. Zum anderen beruht dies auf dem Umstand, dass die Tarifvertragsparteien im
Rahmen ihrer rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten gewisse häufig vorkommende und typische Aufgaben und Funktionen einer bestimmten Lohngruppe fest
zuordnen können. Ob es sich dabei um eine den allgemeinen Merkmalen entsprechende Tätigkeit handelt, braucht in einem solchen Fall regelmäßig nicht mehr
geprüft zu werden (BAG 21. April 2010 - 4 AZR 735/08 - Rn. 20; 10. März 1999 - 4 AZR 246/98 - zu 3 b der Gründe). Etwas anderes kann gelten, wenn sich
aus dem Wortlaut oder dem tariflichen Gesamtzusammenhang ergibt, dass die von den Tarifvertragsparteien genannten Beispielstätigkeiten nur der Erläuterung
des abstrakten Tätigkeitsmerkmals dienen, allein aber nicht ausreichen sollen, dessen Anforderungen zu genügen (BAG 18. April 2007 - 4 AZR 77/06 - Rn. 17).
bb) Hiervon ausgehend spricht einiges dafür, dass der Kläger schon wegen des dort aufgeführten Richtbeispiels „Fleischergeselle" in die Lohngruppe I LTV
eingruppiert ist. Dem steht § 3 Abs. 1 Satz 2 LTV nicht entgegen. Danach dienen die aufgeführten Tätigkeitsbeispiele der Erläuterung, stellen keinen
abschließenden Katalog dar und begründen nur in Verbindung mit den Lohngruppenmerkmalen (Oberbegriffen) einen Anspruch auf eine entsprechende
Eingruppierung. Mit diesen Formulierungen kommt nicht hinreichend deutlich zum Ausdruck, dass die Tätigkeitsbeispiele bei der Eingruppierung nicht
selbständig anwendbar sein sollen, sondern stets noch eine umfassende Prüfung der abstrakten Lohngruppenmerkmale vorgenommen werden müsse. Zur
Erfüllung des Richtbeispiels muss ein Fleischergeselle auch keine „Führungsverantwortung" haben. Dies ergibt sich weder aus dem Beispiel selbst noch aus
den allgemeinen Merkmalen der Lohngruppe I LTV.
cc) Die Eingruppierung des Klägers in die Lohngruppe I LTV ergibt sich in jedem Fall aus § 3 Abs. 2 Satz 2 LTV. Der Wortlaut der Bestimmung, von dem bei
der Tarifauslegung vorrangig auszugehen ist (st. Rspr., zB BAG 14. September 2011 - 10 AZR 358/10 - Rn. 15, NZA 2011, 1358; 6. Dezember 2006 - 4 AZR
659/05 - BAGE 120, 269), sieht eine Eingruppierung von Arbeitnehmern mit einschlägiger abgeschlossener Berufsausbildung in die Lohngruppe I LTV vor,
sofern sie dem Berufsbild entsprechend tätig sind. Die Tarifregelung setzt somit für die Eingruppierung eines Arbeitnehmers mit Berufsabschluss in diese
Lohngruppe lediglich voraus, dass er „dem Berufsbild entsprechend tätig" ist, ohne zusätzliche Anforderungen an die Schwierigkeit oder den Umfang der
fraglichen Aufgaben zu stellen. Sie erfasst damit auch Teiltätigkeiten, sofern sie dem Ausbildungsberuf zuzurechnen sind. Lediglich fachfremde Arbeiten oder
bloße Hilfstätigkeiten, die bei jeder beruflichen Tätigkeit anfallen und deshalb für diese nicht charakterisierend sind - etwa Reinigungs- oder vergleichbare
Begleittätigkeiten - fallen nach dem Sprachgebrauch des Tarifvertrags aus dem Anwendungsbereich der Vorschrift heraus.
§ 3 Abs. 2 Satz 2 LTV macht auf diese Weise deutlich, dass es bei nachgewiesener Qualifikation für eine Einreihung in die Lohngruppe I LTV nicht noch
zusätzlich auf eine bestimmte Qualität der „dem Berufsbild entsprechenden" Tätigkeiten ankommt. Wollte man die Tarifregelung anders verstehen und - wie
die Beklagte - zusätzlich verlangen, dass die fraglichen Aufgaben in ihrer Breite das „klassische Berufsbild" abdecken und sich etwa durch das Merkmal der
„Wesentlichkeit" von den in den Lohngruppen II bis IV erfassten Teilaufgaben eines Facharbeiters unterscheiden, verbliebe für § 3 Abs. 2 Satz 2 LTV kein
eigenständiger Anwendungsbereich. Die Regelung liefe weitgehend leer.
dd) Dem steht die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht entgegen, derzufolge im Regelfall eine Tätigkeit, die dem Beispiel einer niedrigeren
Lohngruppe entspricht, nicht unter die abstrakten Tätigkeitsmerkmale einer höheren Lohngruppe subsumiert werden kann (vgl. BAG 19. Mai 2010 - 4 AZR
903/08 - Rn. 32, AP TVG § 1 Tarifverträge: Lufthansa Nr. 46; 25. September 1991 - 4 AZR 87/91 - zu II 2 a der Gründe, AP TVG § 1 Tarifverträge:
Großhandel Nr. 7 = EzA TVG § 4 Großhandel Nr. 2). Sie ist schon wegen des Ausnahmecharakters der Regelung des § 3 Abs. 2 Satz 2 LTV auf den Streitfall
nicht übertragbar. Ebenso wenig besteht ein Widerspruch zur Auslegung einer Eingruppierungsregelung im Einzelhandel, die Gegenstand der Entscheidung des
Bundesarbeitsgerichts vom 24. September 2008 (- 4 ABR 83/07 - Rn. 15 ff., AP TVG § 1 Tarifverträge: Einzelhandel Nr. 94) war. In die dortige Lohngruppe
III LTV waren eingruppiert „Arbeitskräfte, die ihre Abschlussprüfung bestanden haben und in ihrem erlernten Beruf beschäftigt sind". Soweit die Beklagte aus
dieser Formulierung für die Auslegung von § 3 Abs. 2 Satz 2 LTV abgeleitet hat, die Tätigkeit müsse „im Wesentlichen" dem Berufsbild entsprechen und das
Gepräge derjenigen einer Fachkraft haben, fehlt es schon nach dem Wortlaut an einer Vergleichbarkeit der Tarifbestimmungen. Überdies stehen beide
Eingruppierungsregelungen in einem unterschiedlichen Gesamtzusammenhang. Die darin zum Ausdruck kommenden unterschiedlichen Bewertungen der
Bedeutung einer abgeschlossenen Berufsausbildung durch die Tarifvertragsparteien sind zu respektieren. Sie könnten selbst bei größerer Übereinstimmung in
der Formulierung der Eingruppierungsvoraussetzungen zu verschiedenen Ergebnissen führen.
ee) Dieses Auslegungsergebnis wird durch die Tarifgeschichte gestützt.
(1) Der Lohntarifvertrag vom 5. Juli 2006 ist, was die Eingruppierungsregelungen anbelangt, gleichlautend mit dem hier einschlägigen. Die beiden
Vorgängertarifverträge vom 19. April 2005 und 16. Dezember 2003 (LTV-Alt), stimmen in den allgemeinen Eingruppierungsmerkmalen der Lohngruppe 1
LTV-Alt mit § 2 LTV vom 26. August 2008 überein. In die Lohngruppe 2 LTV-Alt waren „angelernte ArbeitnehmerInnen" eingruppiert, soweit diese nach
einer Einarbeitungszeit von 12 Monaten Teilaufgaben eines/r Facharbeiters/in ausführten. In die Lohngruppen 3 und 4 LTV-Alt waren „ungelernte
ArbeitnehmerInnen" eingruppiert, je nachdem ob sie „mit schweren Arbeiten" oder „mit leichten Arbeiten" betraut waren. Eine der Bestimmung des § 3 LTV
vom 26. August 2008 vergleichbare Regelung enthielten die LTV-Alt nicht. Stattdessen hatten die Tarifvertragsparteien unter § 3 LTV-Alt eine
Besitzstandsregelung getroffen, nach der „bisher gezahlte höhere Löhne und Leistungszulagen" unberührt blieben. Die zeitlich weiter zurückliegenden
Lohntarifverträge vom 5. November 2002, vom 29. August 2001 und vom 20. Mai 1992 nennen in der Lohngruppe 1 keine allgemeinen
Eingruppierungsmerkmale, sondern führen ausschließlich Berufsgruppen wie folgt an: „Gesellen, Handwerker und Kraftfahrer". Hinsichtlich einer
Eingruppierung in die Lohngruppen 2 bis 4 wurde - wie in den Tarifverträgen vom 19. April 2005 und 16. Dezember 2003 - nach „angelernten" und
„ungelernten" Arbeitnehmern unterschieden.
(2) Diese Entwicklung zeigt, dass die Tarifvertragsparteien seit jeher die fachliche Qualifikation der Arbeitnehmer in Form einer abgeschlossenen
Berufsausbildung als gewichtigen Grund für eine Eingruppierung in die höchste Lohngruppe angesehen haben. Soweit sie diese Voraussetzung ab dem Jahr
2003 um einen Tätigkeitsbezug ergänzt haben, sollte dies für Arbeitnehmer mit abgeschlossener Berufsausbildung erkennbar nicht zu einer grundlegend
anderen Bewertung führen. Dafür spricht die Beibehaltung der Unterscheidung zwischen „angelernten" und „ungelernten" Arbeitnehmern im Übrigen. Mit dem
Tarifvertrag vom 5. Juli 2006 wurden zwar die allgemeinen Eingruppierungsmerkmale der Lohngruppen II bis IV differenzierter ausgestaltet und auch diese um
tätigkeitsbezogene Kriterien ergänzt. Zugleich haben die Tarifvertragsparteien mit der Regelung in § 3 Abs. 2 Satz 2 LTV aber deutlich gemacht, dass sie an der
Qualifikation als Differenzierungskriterium - mit gewissen Einschränkungen - festhalten. Dies kann bei objektiver Betrachtung nur so verstanden werden, dass
sie ein „Abrutschen" von Arbeitnehmern mit abgeschlossener Berufsausbildung in eine niedrigere Vergütungsgruppe jedenfalls dann ausschließen wollten,
wenn diese nicht „fachfremd", sondern mit Aufgaben beschäftigt sind, die Gegenstand der Berufsausbildung sind.
ff) Die von der Beklagten vorgelegte - anderslautende - „Tarifauskunft" des Verbands der Ernährungswirtschaft e.V. Niedersachsen/Bremen/Sachsen-Anhalt
vom 17. September 2010 ist unbeachtlich (vgl. BAG 19. September 2007 - 4 AZR 670/06 - Rn. 32, BAGE 124, 110; zur Problematik ferner Creutzfeldt in FS
Düwell 2011 S. 293 ff.) und vermag das Ergebnis nicht in Frage zu stellen. Zum einen ist der Verband nicht Partei des im Streitfall einschlägigen Tarifvertrags
und war nach eigenem Bekunden nicht in die Tarifverhandlungen eingebunden. Er ist also ohnehin kein „authentischer Interpret". Zum anderen hat der in der
Auskunft bekundete Wille der Beklagten, Tätigkeiten, die dem Berufsbild des Fleischers zwar entsprechen, aber als Tätigkeitsbeispiele bei den Lohngruppen II
und III LTV aufgeführt sind, aus dem Anwendungsbereich des § 3 Abs. 2 Satz 2 LTV auszuklammern, in den Tarifnormen keinen genügenden Niederschlag
gefunden. Dieser Wille kann deshalb bei der Auslegung keine Berücksichtigung finden (vgl. dazu BAG 30. Januar 2002 - 10 AZR 441/01 - zu II 1 a der
Gründe, NZA 2002, 815).
d) Nach allem sind ausgebildete Fleischer, die in der „Pökelei" eingesetzt werden, in die Lohngruppe I LTV eingruppiert. Das der Ausbildung entsprechende
berufliche Tätigkeitsbild erfasst nach § 4 Abs. 1 Nr. 14 der Verordnung über die Berufsausbildung zum Fleischer in der Fassung vom 23. März 2005 (BGBl. I
S. 898) die „Herstellung von Pökelware". Nach eigenem Vorbringen der Beklagten bestehen die in der „Pökelei" anfallenden Tätigkeiten eben darin. Darauf,
dass die Tätigkeit des Pökelns als Beispiel der Lohngruppe III zugeordnet ist, kommt es im Rahmen von § 3 Abs. 2 Satz 2 LTV nicht an.
e) Danach hätte die Beklagte den Kläger mit Aufgaben der Lohngruppe I LTV weiterbeschäftigen können und müssen. Der Kläger ist iSv. § 1 Abs. 3 Satz 1
KSchG des Schutzes deutlich bedürftiger als der in der „Pökelei" weiterbeschäftigte Arbeitnehmer H. Dies hat das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerfrei erkannt.
Nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ist der Kläger acht Jahre länger im Betrieb beschäftigt als der
Arbeitnehmer H. Zwar ist dieser ein Jahr älter als der Kläger. Er ist aber nur gegenüber einer Person zum Unterhalt verpflichtet, während der Kläger drei
Personen Unterhalt zu leisten hat. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, bei dieser Sachlage liege ein Auswahlfehler vor, ist revisionsrechtlich nicht zu
beanstanden. Sie wird von der Revision auch nicht angegriffen.
Das Angebot der Beklagten, den Kläger im Bereich „Verpackung" zu beschäftigen, entsprach damit nicht den Vorgaben des § 1 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 Satz 1
KSchG. Die dem Kläger angebotene Änderung der bisherigen Vertragsbedingungen ist sozial nicht gerechtfertigt. ..." (BAG, Urteil vom 23.02.2012 - 2 AZR 45/11)
***
„... I. Die Klage ist begründet. Die Kündigung vom 7. Juli 2009 ist nicht aus dringenden betrieblichen Erfordernissen iSv. § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt.
1. Eine Kündigung ist durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt, wenn der Bedarf für eine Weiterbeschäftigung des gekündigten Arbeitnehmers im
Betrieb voraussichtlich dauerhaft entfallen ist. Auf der Grundlage der betrieblichen Dispositionen des Arbeitgebers müssen im Tätigkeitsbereich des
Gekündigten mehr Arbeitnehmer beschäftigt sein, als zur Erledigung der anfallenden Arbeiten benötigt werden. Dieser Überhang muss auf Dauer zu erwarten
sein. Regelmäßig entsteht ein Überhang an Arbeitskräften nicht allein und unmittelbar durch bestimmte wirtschaftliche Entwicklungen (Produktions- oder
Umsatzrückgang etc.), sondern aufgrund einer - oftmals durch diese Entwicklungen veranlassten - Organisationsentscheidung des Arbeitgebers
(unternehmerische Entscheidung).
a) Betriebliche Erfordernisse, die eine Kündigung bedingen, können sich aus außerbetrieblichen Umständen ergeben. Passt der Arbeitgeber im Fall eines
Auftragsverlustes oder eines reduzierten Auftragsbestands die Anzahl der benötigten Arbeitnehmer unmittelbar an die verbliebene Arbeitsmenge an, kann sich
daraus ein dringendes betriebliches Erfordernis zur Kündigung ergeben, wenn der Arbeitsanfall - dauerhaft - so zurückgegangen ist, dass zukünftig für einen
oder mehrere Arbeitnehmer kein Bedürfnis für eine Weiterbeschäftigung mehr besteht (BAG 17. Juni 1999 - 2 AZR 141/99 - BAGE 92, 71 und - 2 AZR
456/98 - BAGE 92, 79). Behauptet der Arbeitgeber, das Bedürfnis für eine Weiterbeschäftigung sei wegen eines solchen Auftragsrückgangs entfallen, kann das
Gericht in vollem Umfang nachprüfen, ob die außerbetrieblichen Umstände für die Kündigung zum Zeitpunkt der Kündigung tatsächlich vorlagen und zu
einem dauerhaften Rückgang des Beschäftigungsvolumens führen. Dabei reicht ein bloßer Hinweis auf auslaufende Aufträge und das Fehlen von
Anschlussaufträgen regelmäßig nicht aus, um einen dauerhaften Wegfall des Beschäftigungsbedürfnisses zu begründen. Der Arbeitgeber muss vielmehr anhand
seiner Auftrags- und Personalplanung im Einzelnen darstellen, warum nicht nur eine - kurzfristige - Auftragsschwankung vorliegt, sondern ein dauerhafter
Auftragsrückgang zu erwarten ist (BAG 18. Mai 2006 - 2 AZR 412/05 - Rn. 18, AP AÜG § 9 Nr. 7 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 146).
b) Ein Rückgang des Arbeitskräftebedarfs kann sich auch daraus ergeben, dass sich eine im Betrieb tatsächlich umgesetzte unternehmerische
Organisationsentscheidung auf die Anzahl der verbliebenen Arbeitsplätze auswirkt. Eine unternehmerische Organisationsentscheidung kann etwa in der
Bestimmung der Zahl der Belegschaftsmitglieder liegen, mit denen die im Betrieb anfallende Arbeitsmenge erledigt werden soll (vgl. BAG 2. Juni 2005 - 2
AZR 480/04 - mwN, BAGE 115, 92). Unternehmerische Entscheidungen sind von den Gerichten nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung oder Zweckmäßigkeit
hin zu überprüfen, sondern nur darauf, ob sie offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich sind (BAG 16. Dezember 2010 - 2 AZR 770/09 - Rn. 13,
AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 186 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 165; 10. Juli 2008 - 2 AZR 1111/06 - Rn. 24, AP
KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 181 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 163). Nachzuprüfen ist aber, ob die fragliche
Entscheidung tatsächlich umgesetzt wurde und dadurch das Beschäftigungsbedürfnis für einzelne Arbeitnehmer entfallen ist (BAG 16. Dezember 2010 - 2 AZR
770/09 - Rn. 13, aaO; 10. Juli 2008 - 2 AZR 1111/06 - Rn. 24, aaO).
c) Führen die außer- oder innerbetrieblichen Umstände nicht zu einer dauerhaften Reduzierung des Arbeitskräftebedarfs im Betrieb, so besteht kein dringendes
betriebliches Erfordernis zur Beendigung eines Arbeitsverhältnisses. Erschöpft sich die unternehmerische Entscheidung des Arbeitgebers im Wesentlichen
darin, Personal einzusparen, so ist sie vom Kündigungsentschluss selbst kaum zu unterscheiden. Da die Kündigung nach dem Gesetz an das Vorliegen von
Gründen gebunden ist, die außerhalb ihrer selbst liegen, muss der Arbeitgeber in solchen Fällen seine Entscheidung hinsichtlich ihrer organisatorischen
Durchführbarkeit und zeitlichen Nachhaltigkeit verdeutlichen. Nur so kann das Gericht prüfen, ob sie missbräuchlich ausgesprochen worden ist (BAG 16.
Dezember 2010 - 2 AZR 770/09 - Rn. 14, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 186 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 165;
17. Juni 1999 - 2 AZR 522/98 - BAGE 92, 61). Das wäre der Fall, wenn die Kündigung zu einer rechtswidrigen Überforderung oder Benachteiligung des im
Betrieb verbleibenden Personals führte (Rost Jahrbuch des Arbeitsrechts Bd. 39 S. 83) oder die zugrunde liegende unternehmerische Entscheidung lediglich
Vorwand dafür wäre, bestimmte Arbeitnehmer aus dem Betrieb zu drängen, obwohl Beschäftigungsbedarf und Beschäftigungsmöglichkeiten objektiv
fortbestehen und etwa nur der Inhalt des Arbeitsvertrags als zu belastend angesehen wird (BAG 22. Mai 2003 - 2 AZR 326/02 - AP KSchG 1969 § 1
Betriebsbedingte Kündigung Nr. 128 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 126). Der Arbeitgeber muss deshalb konkret erläutern, in welchem
Umfang und aufgrund welcher Maßnahmen die bisher vom gekündigten Arbeitnehmer ausgeübten Tätigkeiten für diesen zukünftig entfallen. Er muss die
Auswirkungen seiner unternehmerischen Vorgaben und Planungen auf das erwartete Arbeitsvolumen anhand einer schlüssigen Prognose konkret darstellen und
angeben, wie die anfallenden Arbeiten vom verbliebenen Personal ohne überobligationsmäßige Leistungen, dh. im Rahmen ihrer vertraglich geschuldeten
regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit, erledigt werden können (BAG 16. Dezember 2010 - 2 AZR 770/09 - Rn. 15, aaO; 13. Februar 2008 - 2 AZR 1041/06 -
Rn. 16, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 174 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 158).
d) Wird die Kündigung auf eine zu erwartende künftige Entwicklung der betrieblichen Verhältnisse gestützt, braucht diese bei Kündigungsausspruch noch nicht
tatsächlich eingetreten zu sein. Es genügt, dass sie sich konkret und greifbar abzeichnet (vgl. BAG 9. September 2010 - 2 AZR 493/09 - AP KSchG 1969 § 1
Betriebsbedingte Kündigung Nr. 185 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 164; 13. Februar 2008 - 2 AZR 79/06 - Rn. 21, 22; 26. Mai 2011 - 8
AZR 37/10 - Rn. 27, EzA BGB 2002 § 613a Nr. 125). Das ist der Fall, wenn im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung die auf Tatsachen gestützte,
vernünftige betriebswirtschaftliche Prognose gerechtfertigt ist, mit Ablauf der Kündigungsfrist werde mit einiger Sicherheit ein die Entlassung erforderlich
machender betrieblicher Grund vorliegen (BAG 23. Februar 2010 - 2 AZR 268/08 - Rn. 18, BAGE 133, 240; 27. November 2003 - 2 AZR 48/03 - BAGE 109,
40; 12. April 2002 - 2 AZR 256/01 - zu II 2 a der Gründe, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 120 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte
Kündigung Nr. 118). Dabei muss eine der entsprechenden Prognose zugrunde liegende eigene unternehmerische Entscheidung des Arbeitgebers aber bereits im
Kündigungszeitpunkt endgültig getroffen worden sein. Andernfalls kann eine zum Wegfall des Arbeitsplatzes führende Entscheidung nicht sicher prognostiziert
werden.
aa) Der Arbeitgeber hat die Tatsachen näher darzulegen, aus denen sich ergeben soll, dass zukünftig auf Dauer mit einem reduzierten Arbeitsvolumen und
Beschäftigungsbedarf zu rechnen ist. Das Vorliegen von möglicherweise nur kurzfristigen Produktions- oder Auftragsschwankungen muss ausgeschlossen sein
(BAG 18. Mai 2006 - 2 AZR 412/05 - Rn. 18, AP AÜG § 9 Nr. 7 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 146). Dem muss der Inhalt und die
Substanz des Sachvortrags Rechnung tragen. Der Arbeitgeber hat den dauerhaften Rückgang des Arbeitsvolumens nachvollziehbar darzustellen, indem er die
einschlägigen Daten aus repräsentativen Referenzperioden miteinander vergleicht (BAG 18. Mai 2006 - 2 AZR 412/05 - Rn. 17, aaO).
bb) Für die Zukunftsprognose ist auch von Bedeutung, ob die Kündigung im zeitlichen Zusammenhang mit einer vereinbarten oder prognostizierten Kurzarbeit
erfolgt. Wird Kurzarbeit geleistet, so spricht dies dafür, dass die Betriebsparteien nur von einem vorübergehenden Arbeitsmangel und nicht von einem
dauerhaft gesunkenen Beschäftigungsbedarf ausgehen. Ein nur vorübergehender Arbeitsmangel wiederum kann eine betriebsbedingte Kündigung nicht
rechtfertigen. Dieses aus der Kurzarbeit folgende Indiz kann der Arbeitgeber durch konkreten Sachvortrag entkräften (BAG 26. Juni 1997 - 2 AZR 494/96 - AP
KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 86 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 93). Entfällt die Beschäftigungsmöglichkeit für
einzelne von der Kurzarbeit betroffene Arbeitnehmer aufgrund später eingetretener weiterer Umstände oder veränderter wirtschaftlicher und/oder
organisatorischer Rahmenbedingungen auf Dauer, so kann trotz der Kurzarbeit ein dringendes betriebliches Erfordernis für eine Kündigung bestehen (BAG 26.
Juni 1997 - 2 AZR 494/96 - aaO).
Da die betrieblichen Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des gekündigten Arbeitnehmers entgegenstehen, dringend sein müssen, die Kündigung im
Interesse des Betriebs also unvermeidbar sein muss, hat der Arbeitgeber zuvor alle Möglichkeiten auszuschöpfen, die mit dem Ziel geschaffen worden sind und
bestehen, durch eine Flexibilisierung der Arbeitszeit betriebsbedingte Kündigungen in Zeiten geringeren Arbeitsanfalls zu vermeiden (BAG 8. November 2007
- 2 AZR 418/06 - Rn. 16, EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 157, zur Inanspruchnahme von Arbeitszeitkonten). Haben die Betriebsparteien
durch die Einführung von Kurzarbeit den Umfang der vertraglich geschuldeten Arbeitszeit auf ein Niveau abgesenkt, dass den Ausspruch betriebsbedingter
Kündigungen gerade überflüssig macht, so kann ein dringendes betriebliches Kündigungserfordernis regelmäßig erst dann angenommen werden, wenn der
Arbeitgeber die Möglichkeit zur Arbeitszeitreduzierung voll ausgeschöpft hat und gleichwohl noch ein Beschäftigungsüberhang besteht (vgl. BAG 8.
November 2007 - 2 AZR 418/06 - aaO).
2. Unter Beachtung der vorstehenden Grundsätze hält die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, die Beklagte habe für die Zeit nach Ablauf der Kündigungsfrist
keine dringenden betrieblichen Erfordernisse iSd. § 1 Abs. 2 KSchG dargelegt, der revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Bei Ausspruch der Kündigung war
die Prognose nicht gerechtfertigt, der Bedarf für eine Weiterbeschäftigung des Klägers sei zum 1. März 2010 auf Dauer entfallen. Das hat das
Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt. Einen revisionsrechtlich relevanten Fehler im Zusammenhang mit dieser Würdigung hat die Beklagte nicht aufgezeigt.
a) Aus dem Vortrag der Beklagten lässt sich - auch unter Berücksichtigung ihres Vorbringens in der Revisionsbegründung - nicht hinreichend konkret
entnehmen, dass ein dringendes betriebliches Erfordernis zur Kündigung des Klägers vorgelegen hat. Ihr Entschluss, die Stelle eines
„Anfasers/Ofenbedieners/Einteilsägers" zu streichen und dessen Tätigkeiten auf insgesamt sieben Mitarbeiter der Rohrzieherei zu verteilen, lag nahe an der
Kündigungsentscheidung. Die Beklagte musste demnach die Möglichkeit, ihre Organisationsentscheidung tatsächlich umzusetzen, näher erläutern.
b) Die Beklagte hat nicht dargetan, dass zum Zeitpunkt der Kündigung die Prognose gerechtfertigt war, die bisher vom Kläger ausgeübten Tätigkeiten könnten
von den verbliebenen Mitarbeitern ab dem 1. März 2010 im Rahmen ihrer normalen Verpflichtungen (mit-)übernommen werden. Sie hat zwar das vom Kläger
und den fraglichen sieben Mitarbeitern zum Kündigungszeitpunkt zu erledigende Arbeitsvolumen dargestellt. Danach waren sie sämtlich nicht voll ausgelastet.
Sie hat auch dargetan, dass durch die Neuorganisation und Umverteilung der Arbeit eine Übernahme der Tätigkeiten des Klägers durch die anderen
Arbeitnehmer möglich erscheint. Soweit die Beklagte aber dafür auf den 1. Oktober 2009 abstellt, hat sie den Zeitpunkt verkannt, zu welchem die dringenden
betrieblichen Erfordernisse iSd. § 1 Abs. 2 KSchG vorliegen müssen. Eine entsprechende Prognose war nicht für den 30. September 2009, sondern für den
beabsichtigten Beendigungszeitpunkt, den 28. Februar 2010, zu erstellen. Die Beklagte konnte für ihre Prognose nicht auf einen beliebigen Zeitpunkt zwischen
Ausspruch der Kündigung und Ablauf der Kündigungsfrist abstellen. Maßgeblich ist vielmehr ausschließlich letzterer. Erst bei Ablauf der Kündigungsfrist,
aber zugleich auch dann noch müssen dringende betriebliche Erfordernisse gegeben sein, die einer Weiterbeschäftigung des gekündigten Arbeitnehmers
entgegenstehen. In den Fällen, in denen längere Kündigungsfristen zu beachten sind, kann der Prognosezeitpunkt nicht etwa vorgezogen werden. Bei der
Kündigung länger beschäftigter Arbeitnehmer würden sonst unter Umständen geringere Anforderungen an eine Prognose und damit an den Kündigungsgrund
gestellt als bei weniger lang beschäftigten Arbeitnehmern (vgl. BAG 12. April 2002 - 2 AZR 256/01 - zu II 2 c der Gründe, AP KSchG 1969 § 1
Betriebsbedingte Kündigung Nr. 120 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 118).
c) Das Landesarbeitsgericht hat ferner zu Recht darauf hingewiesen, dass die Beklagte zur Dauerhaftigkeit und Nachhaltigkeit eines nur geringen - und damit
auf andere Arbeitnehmer aufteilbaren - Arbeitsvolumens des Klägers nicht hinreichend vorgetragen hat. Sie hat sich auf den pauschalen Vortrag beschränkt, das
Volumen habe sich zum 30. September 2009 dauerhaft reduziert, Anhaltspunkte für eine Besserung habe sie zum Zeitpunkt der Kündigung nicht gehabt, auch
seien keine Überstunden geleistet worden. Damit hat sie ihrer Darlegungslast nicht genügt. Bestimmte Tatsachen, aus denen zu schließen wäre, dass der
mögliche Rückgang der Arbeitsmenge im Kündigungszeitpunkt als dauerhaft anzusehen war, hat sie auf diese Weise nicht behauptet. Es kann nicht
ausgeschlossen werden, dass es sich bei diesem Rückgang nur um einen kurzzeitigen, nicht nachhaltigen Trend gehandelt hat. Aus dem Rückgang der
Produktion in den ersten Monaten des Jahres 2009 im Vergleich zum selben Zeitraum im Jahr 2008 lässt sich nicht hinreichend sicher folgern, diese
Entwicklung werde sich auch im weiteren Verlauf des Jahres fortsetzen. Hierzu hätte es eines stärker substantiierten, detaillierten Vortrags bedurft, dem
beispielsweise die üblichen Auftragseingangszahlen und Bearbeitungsabläufe aus den Vorjahren zu entnehmen gewesen wären. So kann sich die Situation bei
kurzfristig erfolgenden Auftragsabrufen anders darstellen als bei langfristigen und planbaren Auftragserteilungen.
d) Zudem bleibt unklar, ob sich selbst bei Ausschöpfung der vereinbarten Optionen für Kurzarbeit das Arbeitsvolumen so verringert hat, dass ein dringendes
Erfordernis für eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger bestand. Immerhin erlaubte es die Betriebsvereinbarung Nr. 163 der Beklagten, die
wöchentlich geschuldete Arbeitszeit der Mitarbeiter auf 14 Stunden abzusenken. Im Streitfall geht es deshalb nicht darum, ob der Arbeitgeber rechtlich
gezwungen sein kann, vor dem Ausspruch der Kündigung die Einführung von Kurzarbeit zu betreiben. Hier besaß die Beklagte vielmehr bei Ausspruch der
Kündigung bereits die Möglichkeit, die Arbeitszeit der Mitarbeiter rechtswirksam bis auf 14 Wochenstunden zu reduzieren. Von ihr hatte sie wegen des
Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes Gebrauch zu machen. Dass auch dann noch ein Arbeitskräfteüberhang bestanden hätte, hat sie nicht dargelegt. Auch hat sie
nicht dargelegt, dass die fraglichen sieben Arbeitnehmer ausgehend von einem durch Kurzarbeit absenkbaren Arbeitszeitumfang überhaupt in der Lage gewesen
wären, die verbliebenen Tätigkeiten des Klägers ohne Überschreitung dieses Zeitumfangs mitzuerledigen.
e) Schließlich ist offen, ob im umgekehrten Fall - bei Aufhebung der Kurzarbeit - die fraglichen sieben Mitarbeiter die Arbeiten des Klägers weiterhin ohne
überobligationsmäßige Zusatzleistungen würden übernehmen können. Die Betriebsparteien gingen, wie die Betriebsvereinbarung Nr. 163 und ihre Ergänzungen
zeigen, von einer vorübergehenden, 18-monatigen Reduzierung des Beschäftigungsbedarfs aus. Dies spricht dafür, dass sie erwarteten, das frühere oder
zumindest ein deutlich höheres Arbeitsvolumen als in den ersten Monaten des Jahres 2009 würde in absehbarer Zeit wieder erreicht.
II. Da die Kündigung vom 7. Juli 2009 das Arbeitsverhältnis des Klägers wegen Fehlens dringender betrieblicher Erfordernisse iSv. § 1 Abs. 2 KSchG nicht
rechtswirksam beendet hat, bedurfte es keiner Auseinandersetzung mit der Frage, ob die Sozialauswahl fehlerhaft iSv. § 1 Abs. 3 KSchG war. ..." (BAG, Urteil
vom 23.02.2012 - 2 AZR 548/10)
***
„... I. Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts kann auf der Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen nicht beurteilt werden, ob die Kündigung
vom 27. März 2009 gegen § 20 Nr. 4 Satz 1 MTV/EMTV verstößt. Die zum Kündigungszeitpunkt 55 Jahre alte und seit 17 Jahren bei der Beklagten
beschäftigte Klägerin erfüllt zwar die persönlichen Voraussetzungen des besonderen Kündigungsschutzes nach dieser Bestimmung. Der Schutz des § 20 Nr. 4
Satz 1 MTV/EMTV findet aber nach Satz 2 Halbs. 2 Spiegelstrich 2 der Bestimmung keine Anwendung, wenn die Kündigung anlässlich einer
„Betriebsänderung" erfolgt und „ein anderer zumutbarer Arbeitsplatz nicht vorhanden ist". Ob die letztgenannte Voraussetzung vorliegt, steht nicht fest.
1. Der besondere tarifliche Kündigungsschutz gilt - unter der genannten Voraussetzung - nicht „bei Betriebsänderungen".
a) Der in § 20 Nr. 4 Satz 2 Halbs. 2 Spiegelstrich 2 MTV/EMTV verwandte Begriff „Betriebsänderung" ist so zu verstehen wie in § 111 BetrVG. Gebrauchen
Tarifvertragsparteien Begriffe, die auch in Gesetzen verwendet werden und dort einen bestimmten Inhalt haben, so ist regelmäßig anzunehmen, dass sie diese
mit der entsprechenden Bedeutung angewendet wissen wollen (vgl. BAG 22. Januar 2004 - 2 AZR 111/02 - zu VI der Gründe, AP BetrVG 1972 § 112
Namensliste Nr. 1 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 11).
b) Eine Betriebsänderung iSv. § 111 Satz 3 Nr. 1 BetrVG kann in einem bloßen Personalabbau liegen. Dies zeigt die Regelung in § 112a Abs. 1 Satz 1 BetrVG.
Voraussetzung für die Annahme einer Einschränkung des ganzen Betriebs oder von wesentlichen Betriebsteilen iSv. § 111 Satz 3 Nr. 1 BetrVG ist, dass der
Personalabbau eine relevante Zahl von Arbeitnehmern erfasst. Maßgebend sind dafür die Schwellenwerte des § 17 Abs. 1 KSchG; in Betrieben mit mehr als
600 Arbeitnehmern müssen allerdings mindestens 5 vH der Belegschaft betroffen sein (BAG 31. Mai 2007 - 2 AZR 254/06 - Rn. 16, AP BetrVG 1972 § 111
Nr. 65 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 12).
Da die Beklagte gegenüber insgesamt 222 von knapp 800 Arbeitnehmern Kündigungen ausgesprochen hat, ist dieser Wert erreicht.
2. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, andere zumutbare Arbeitsplätze seien zumindest solche, auf denen mit der Klägerin vergleichbare Arbeitnehmer,
ohne dass diese ihrerseits tariflichen Sonderkündigungsschutz besäßen, weiterhin beschäftigt würden. Das überzeugt nicht. Die Annahme des
Landesarbeitsgerichts beruht auf einem unzutreffenden Verständnis der Regelung in § 20 Nr. 4 Satz 2 Halbs. 2 MTV/EMTV. Das zeigt eine die Systematik und
den Sinn und Zweck der Vorschrift in den Blick nehmende Auslegung.
a) Der Wortlaut der Bestimmung lässt kein eindeutiges Verständnis zu.
aa) Ein „anderer" zumutbarer Arbeitsplatz kann einmal jeder Arbeitsplatz sein, der bislang nicht mit dem sondergeschützten Arbeitnehmer besetzt war, den
dieser aber nach seinen Fähigkeiten einnehmen könnte und der ihm zumutbar ist. Bei einem solchen Verständnis - das dem des Landesarbeitsgerichts entspricht
- sind sämtliche mit dem Arbeitsplatz des sondergeschützten Arbeitnehmers vergleichbaren Arbeitsplätze „andere" und ohne Weiteres zumutbare Arbeitsplätze
iSv. § 20 Nr. 4 Satz 2 Halbs. 2 Spiegelstrich 2 MTV/EMTV. Bei Betriebsänderungen entfiele der Sonderkündigungsschutz deshalb allenfalls dann, wenn
zugleich die Arbeitsverhältnisse sämtlicher Inhaber vergleichbarer Arbeitsplätze - etwa im Rahmen einer Schließung ganzer Betriebsteile - gekündigt würden.
bb) Unter einem „anderen" Arbeitsplatz im Sinne der tariflichen Bestimmung kann stattdessen auch ein solcher zu verstehen sein, der mit dem des
sondergeschützten Arbeitnehmers gerade nicht vergleichbar, sondern von diesem nach tätigkeitsbezogenen Merkmalen unterschieden und in einem solchen
Sinne „anders" ist. Bei Betriebsänderungen entfiele der Sonderkündigungsschutz demnach nur dann nicht, wenn ein Arbeitsplatz gerade außerhalb des Kreises
der vergleichbaren Arbeitsplätze „vorhanden" und für den betreffenden Arbeitnehmer zumutbar ist.
cc) Besäße die (Rück-)Ausnahme vom besonderen Kündigungsschutz nach der ersten Lesart bei Betriebsänderungen einen eher kleinen Anwendungsbereich,
weil der besondere Schutz, solange eine Sozialauswahl stattzufinden hätte, nicht eingeschränkt wäre, so wäre der Anwendungsbereich der (Rück-)Ausnahme
nach der zweiten Verständnisalternative im Falle von Betriebsänderungen recht groß, weil sich der besondere Kündigungsschutz im Rahmen der Sozialauswahl
unter den vergleichbaren Arbeitnehmern eben nicht auswirkte.
b) Das Bundesarbeitsgericht hatte sich mit der hier zu beantwortenden Frage bislang nicht zu befassen. In dem seiner Entscheidung vom 22. Januar 2004 (- 2
AZR 111/02 - AP BetrVG 1972 § 112 Namensliste Nr. 1 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 11) zugrunde liegenden Fall war mit dem im Rahmen einer
Betriebsänderung gekündigten Kläger bei der Sozialauswahl kein Arbeitnehmer vergleichbar und war ein anderer zumutbarer Arbeitsplatz unstreitig nicht
vorhanden. Auf das richtige Verständnis der fraglichen Bestimmung im dargelegten Sinne kam es nicht an.
c) Systematische und teleologische Erwägungen sprechen für die Richtigkeit der zweiten Lesart von § 20 Nr. 4 Satz 2 Halbs. 2 Spiegelstrich 2 MTV/EMTV.
Bei Kündigungen im Rahmen von Betriebsänderungen entfällt der besondere Kündigungsschutz, es sei denn, ein mit dem bisherigen Arbeitsplatz nach
tätigkeitsbezogenen Merkmalen gerade nicht vergleichbarer „anderer" Arbeitsplatz ist „vorhanden" und zumutbar.
aa) Im Anschluss an die Regelung über das Entstehen des besonderen Kündigungsschutzes in Satz 1 der Vorschrift dehnt Satz 2 Halbs. 1 den Schutz auf
„Änderungskündigungen im Einzelfall zum Zwecke der Entgeltminderung" aus. Satz 2 Halbs. 2 Spiegelstrich 1 nimmt den besonderen Schutz sodann zurück
„bei allen sonstigen Änderungskündigungen". Demnach entfällt der besondere Kündigungsschutz ua. bei Änderungskündigungen zum Zwecke der
Entgeltminderung, die nicht auf einen Einzelfall beschränkt sind, sondern - etwa im Rahmen einer Sanierungsmaßnahme - die gesamte Belegschaft oder Teile
von ihr betreffen.
bb) Dies zeigt, dass die Tarifvertragsparteien im Fall von kollektiven Maßnahmen, die nicht nur einzelne Arbeitnehmer, sondern die Belegschaft als ganze oder
doch Teile der Belegschaft betreffen, die Möglichkeit einer ordentlichen Änderungskündigung auch für den Personenkreis des § 20 Nr. 4 Satz 1 MTV/EMTV
nicht ausschließen wollten.
cc) Dieser Umstand wiederum legt die Annahme nahe, dass die Tarifvertragsparteien auch bei Betriebsänderungen - die stets die ganze Belegschaft oder doch
wesentliche Teile von ihr betreffen - die Möglichkeit der ordentlichen Beendigungskündigung gegenüber dem fraglichen Personenkreis weitgehend zulassen
wollten. Wenn schon bei Änderungskündigungen im Falle kollektiv wirkender Maßnahmen nicht einzelne Arbeitnehmer allein wegen der Kriterien des § 20
Nr. 4 Satz 1 MTV/EMTV zu ihren Gunsten aus der Solidargemeinschaft herausgenommen werden sollen, so ist anzunehmen, dass dieser Grundsatz im Falle
von Beendigungskündigungen aufgrund einer Betriebsänderung gleichermaßen gelten soll. Es soll sich in diesen Fällen auch der Personenkreis des § 20 Nr. 4
Satz 1 MTV/EMTV möglichen Maßnahmen des Arbeitgebers - etwa einer Sozialauswahl - nach den für alle Arbeitnehmer geltenden Kriterien stellen müssen.
Dieses Ziel würde weitgehend verfehlt, wäre bei einer Betriebsänderung jeder vergleichbare und nicht weggefallene Arbeitsplatz ein „anderer" im Sinne der
tariflichen Vorschrift. Dann würde sich bei der Sozialauswahl der sondergeschützte Arbeitnehmer allein aufgrund seines Lebensalters von mindestens 55 Jahren
und der Dauer seiner Betriebszugehörigkeit von mindestens zehn Jahren zum Beispiel durchsetzen können gegenüber einem - objektiv durchaus vorrangig zu
schützenden - Arbeitnehmer mit einem Lebensalter von 54 Jahren, einer 20-jährigen Betriebszugehörigkeit und Unterhaltsverpflichtungen gegenüber mehreren Personen.
dd) Angesichts dieser Konsequenzen spricht schon der Umstand, dass die Tarifvertragsparteien den Fall von „Betriebsänderungen" überhaupt eigens unter den
Gründen für den Ausschluss von Sonderkündigungsschutz erwähnt haben, dafür, dass sie diesen Ausschlussgrund nicht für den Regelfall einer
Betriebsänderung - den der mit ihr verbundenen Notwendigkeit einer Sozialauswahl - zugleich wieder deutlich marginalisieren wollten. Wenn die
Tarifvertragsparteien gewollt hätten, es solle der Sonderkündigungsschutz im Falle von Betriebsänderungen nur unter der Voraussetzung ausgeschlossen sein,
dass vergleichbare Arbeitsplätze nicht mehr vorhanden sind, eine Sozialauswahl also - etwa wegen Schließung einer ganzen Betriebsabteilung - nicht
erforderlich ist, hätte es nahegelegen, dies sprachlich klar zum Ausdruck zu bringen. Es wäre zu erwarten gewesen, dass § 20 Nr. 4 Satz 2 Halbs. 2 Spiegelstrich
2 MTV/EMTV dahin formuliert worden wäre, der Ausschluss der ordentlichen Kündigung gelte nicht „bei Betriebsänderungen, wenn ein vergleichbarer oder
ein anderer zumutbarer Arbeitsplatz nicht vorhanden ist" oder „…, wenn weder ein vergleichbarer, noch ein anderer zumutbarer Arbeitsplatz vorhanden ist". Da
es einfach gewesen wäre, einen entsprechenden Willen sprachlich deutlich auszudrücken, und mit dem Fehlen bzw. Vorhandensein des Ausdrucks
„vergleichbarer Arbeitsplatz" inhaltlich so weit reichende Folgen verbunden sind, spricht der tatsächliche Text der Tarifregelung, in dem dieser Ausdruck fehlt,
dafür, dass vergleichbare Arbeitsplätze keine „anderen" Arbeitsplätze im Sinne der Bestimmung sind. Hinzu kommt, dass nach der gewählten Formulierung der
Sonderkündigungsschutz bei Betriebsänderungen entfällt, wenn ein „anderer zumutbarer" Arbeitsplatz nicht vorhanden ist. Da Arbeitsplätze, die nach
tätigkeitsbezogenen Merkmalen vergleichbar sind, stets „zumutbare" Arbeitsplätze sind, hätte es, um den vermeintlichen Willen der Tarifvertragsparteien
auszudrücken, des Zusatzes „anderer … Arbeitsplatz" nicht bedurft. Es hätte gereicht zu formulieren, dass der Ausschluss der ordentlichen Kündigung nicht
gelte, wenn ein „zumutbarer Arbeitsplatz nicht mehr vorhanden ist".
ee) Dafür, dass nach tätigkeitsbezogenen Merkmalen vergleichbare Arbeitsplätze gerade keine „anderen" im Sinne der Tarifbestimmung sind, spricht
schließlich die Erwägung, dass die Regelung andernfalls wegen Verstoßes gegen § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG, § 7 Abs. 1, Abs. 2, § 3 Abs. 1, § 1 AGG unwirksam
sein könnte. Bei einer erforderlich werdenden Sozialauswahl würde sich, wie erwähnt, der durch § 20 Nr. 4 Satz 1 MTV/EMTV geschützte Arbeitnehmer allein
aufgrund seines Lebensalters gegenüber objektiv stärker zu schützenden Belegschaftsangehörigen durchsetzen können. Dies erscheint nicht unproblematisch.
ff) Dem Landesarbeitsgericht ist einzuräumen, dass bei einem solchen Verständnis der Bestimmung dem Satzteil „…, wenn ein anderer zumutbarer
Arbeitsplatz nicht vorhanden ist" keine besonders große praktische Bedeutung zukommen wird. Gleichwohl verbleibt ihm, wie dargelegt, ein
Anwendungsbereich. Das gilt etwa dann, wenn die Anzahl der von einer Kündigung betroffenen Arbeitnehmer - einschließlich derjenigen, die die
Voraussetzungen des § 20 Nr. 4 Satz 1 MTV/EMTV erfüllen - größer ist als die Anzahl der „vorhandenen" anderen Arbeitsplätze; dann vermöchte sich der
Sonderkündigungsschutz durchzusetzen. Die Lesart des Landesarbeitsgerichts verfehlt demgegenüber im Regelfall das aus der Systematik erkennbar werdende
Ziel der Tarifregelung. Dieses besteht darin, im Falle kollektiv bedeutsamer Tatbestände, zu denen Betriebsänderungen zählen, den besonderen Schutz
einzelner Arbeitnehmer(gruppen) auszuschließen und sie innerhalb der betrieblichen Solidargemeinschaft nicht zu bevorzugen.
II. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts stellt sich nicht aus anderen Gründen als richtig dar, so dass die Revision gem. § 561 ZPO trotz der
festgestellten Rechtsverletzung zurückzuweisen wäre. Die Kündigung vom 27. März 2009 ist nicht wegen nicht ordnungsgemäßer Anhörung des Betriebsrats unwirksam.
1. Nicht nur das gänzliche Fehlen einer Anhörung, sondern auch eine fehlerhafte Anhörung des Betriebsrats führt zur Unwirksamkeit der Kündigung nach §
102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG (BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 45, AP BGB § 626 Nr. 236 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 36; 16. September 1993 - 2 AZR
267/93 - zu B II 2 b cc (1) der Gründe, BAGE 74, 185). Die Anhörung ist fehlerhaft, wenn der Arbeitgeber seine Mitteilungspflicht gegenüber dem Betriebsrat
nicht ausreichend erfüllt. Der Arbeitgeber muss dem Betriebsrat die Gründe mitteilen, die nach seiner subjektiven Sicht die Kündigung rechtfertigen und für
seinen Kündigungsentschluss maßgeblich sind. Diesen Kündigungsentschluss hat er regelmäßig unter Angabe von Tatsachen so zu beschreiben, dass der
Betriebsrat ohne zusätzliche eigene Nachforschungen die Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe prüfen kann. Teilt der Arbeitgeber dem Betriebsrat
kündigungsrechtlich erhebliche Tatsachen nicht mit, weil er auf sie die Kündigung nicht stützen will, wird die Anhörung dadurch nicht fehlerhaft. In diesem
Fall ist es dem Arbeitgeber nur verwehrt, die fraglichen Gründe im Kündigungsschutzprozess nachzuschieben. Das gilt nicht für Tatsachen, die der Arbeitgeber
dem Betriebsrat bei der Anhörung zwar nicht mitgeteilt hat, die diesem aber bekannt sind (BAG 11. Dezember 2003 - 2 AZR 536/02 - zu II 3 der Gründe mwN,
AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 65 = EzA BetrVG 2001 § 102 Nr. 5; 27. Februar 1997 - 2 AZR 302/96 - AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte
Kündigung Nr. 36 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 51). Was der Betriebsrat schon weiß, braucht ihm nicht mehr mitgeteilt zu werden
(BAG 11. Dezember 2003 - 2 AZR 536/02 - aaO).
2. Die Beklagte hat nicht gegen ihre Unterrichtungspflichten verstoßen. Zwar hat sie in ihrem Anhörungsschreiben vom 26. März 2009 den besonderen
tariflichen Kündigungsschutz der Klägerin nicht ausdrücklich erwähnt. Dem Betriebsrat war dieser Schutz aber bekannt. Er ergab sich aus den Unterlagen zum
Interessenausgleich und der Liste mit den Sozialdaten der Arbeitnehmer in der Altersgruppe der Klägerin. In dieser Liste waren das Lebensalter und die
Beschäftigungsdauer der betreffenden Beschäftigten einschließlich der Klägerin aufgeführt. Der Betriebsrat wusste ferner, dass der MTV/EMTV auf das
Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung fand und darin ein Sonderkündigungsschutz geregelt ist. Ob für die Beklagte insoweit eine entsprechende Pflicht zur
Unterrichtung nach § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG überhaupt bestand, kann deshalb dahinstehen.
III. Das angefochtene Urteil war aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht
zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO). Ein Fall von § 563 Abs. 3 ZPO liegt mangels Entscheidungsreife nicht vor.
1. Sind „andere zumutbare Arbeitsplätze" iSv. § 20 Nr. 4 Satz 2 Halbs. 2 Spiegelstrich 2 MTV/EMTV zwar, wie dargelegt, nicht diejenigen, auf denen mit der
Klägerin vergleichbare Arbeitnehmer aufgrund der durchgeführten Sozialauswahl weiterbeschäftigt werden, so steht doch nicht fest, ob es im Sinne der
zutreffenden Lesart der tariflichen Bestimmung einen anderen zumutbaren Arbeitsplatz im Betrieb oder Unternehmen der Beklagten gibt und die Kündigung
aus diesem Grund gegen § 20 Nr. 4 Satz 1 MTV/EMTV verstößt. Dazu haben die Parteien nichts vorgetragen und hat das Landesarbeitsgericht Feststellungen
nicht getroffen. Das Vorhandensein eines solchen Arbeitsplatzes ist gleichwohl nicht ausgeschlossen. Das Landesarbeitsgericht wird auf entsprechendes
Vorbringen hinzuwirken und ggf. eigene Feststellungen zu treffen haben. Der Senat sieht mangels jeglichen Vortrags von Hinweisen dazu ab, unter welchen
Voraussetzungen ein anderer Arbeitsplatz im Sinne der Tarifbestimmung „vorhanden" und „zumutbar" ist. Allerdings spricht vieles dafür, dass ein anderer
Arbeitsplatz nur „vorhanden" ist, wenn er auch frei und nicht schon besetzt ist. Es kann schwerlich angenommen werden, dass die Tarifvertragsparteien
insoweit den Anwendungsbereich von § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Buchst. b KSchG haben erweitern wollen.
2. Sollte das Landesarbeitsgericht zu dem Ergebnis gelangen, dass kein anderer zumutbarer Arbeitsplatz vorhanden war, bestand kein tariflicher
Sonderkündigungsschutz zugunsten der Klägerin. Es wird dann zu prüfen haben, ob die Kündigung vom 27. März 2009 aus dringenden betrieblichen
Erfordernissen iSv. § 1 Abs. 2, Abs. 3 KSchG sozial gerechtfertigt ist.
a) Ob sich die Beklagte für die soziale Rechtfertigung auf § 1 Abs. 5 KSchG und einen zugrunde liegenden Interessenausgleich mit Namensliste stützen kann,
was für den Prüfungsmaßstab von Bedeutung ist, wird das Landesarbeitsgericht im Einzelnen festzustellen und zu bewerten haben. Hinreichender Sachvortrag
zu den formellen Voraussetzungen eines Interessenausgleichs mit Namensliste fehlt bisher.
b) Ggf. wird das Landesarbeitsgericht sodann die Erfüllung der Auskunftspflicht der Beklagten nach § 1 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 KSchG näher aufzuklären und
zu prüfen haben. Die Klägerin rügt zu Recht, die Beklagte habe ihr nicht die Sozialdaten sämtlicher vergleichbaren Arbeitnehmer mitgeteilt; ihr seien nur die
Daten der 30 Personen aus ihrer eigenen Altersgruppe, nicht aber die aller anderen mechanischen Helfer und Helferinnen vorgelegt worden.
aa) Nach § 1 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 KSchG hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer auf Verlangen die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen
Auswahl geführt haben. Er hat unter Angabe der relevanten Auswahlkriterien und der Bewertungsmaßstäbe im Besonderen Angaben darüber zu machen,
welche Arbeitnehmer für ihn zum auswahlrelevanten Personenkreis gehört haben (BAG 24. März 1983 - 2 AZR 21/82 - zu III 2 a der Gründe, BAGE 42, 151;
SPV/Preis Rn. 1133; ErfK/Oetker § 1 KSchG Rn. 339).
bb) Diesen Anforderungen wird der Vortrag der Beklagten bisher nicht gerecht. Mit der Angabe der Sozialdaten allein der Arbeitnehmer aus der Altersgruppe
der Klägerin kann diese die Korrektheit der Sozialauswahl nicht überprüfen. Ihr ist es insbesondere nicht möglich zu erkennen, ob sämtliche mechanischen
Helfer berücksichtigt und den einzelnen Altersgruppen richtig zugeordnet wurden. Dies gilt um so mehr, als ihr auch das der Sozialauswahl zugrunde liegende
Punkteschema erst in der Revisionsbegründung mitgeteilt wurde. ..." (BAG, Urteil vom 23.02.2012 - 2 AZR 773/10)
***
„... I. Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts kann auf der Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen nicht beurteilt werden, ob die Kündigung
vom 27. März 2009 gegen § 20 Nr. 4 Satz 1 MTV/EMTV verstößt. Die zum Kündigungszeitpunkt 55 Jahre alte und seit 17 Jahren bei der Beklagten
beschäftigte Klägerin erfüllt zwar die persönlichen Voraussetzungen des besonderen Kündigungsschutzes nach dieser Bestimmung. Der Schutz des § 20 Nr. 4
Satz 1 MTV/EMTV findet aber nach Satz 2 Halbs. 2 Spiegelstrich 2 der Bestimmung keine Anwendung, wenn die Kündigung anlässlich einer
„Betriebsänderung" erfolgt und „ein anderer zumutbarer Arbeitsplatz nicht vorhanden ist". Ob die letztgenannte Voraussetzung vorliegt, steht nicht fest.
1. Der besondere tarifliche Kündigungsschutz gilt - unter der genannten Voraussetzung - nicht „bei Betriebsänderungen".
a) Der in § 20 Nr. 4 Satz 2 Halbs. 2 Spiegelstrich 2 MTV/EMTV verwandte Begriff „Betriebsänderung" ist so zu verstehen wie in § 111 BetrVG. Gebrauchen
Tarifvertragsparteien Begriffe, die auch in Gesetzen verwendet werden und dort einen bestimmten Inhalt haben, so ist regelmäßig anzunehmen, dass sie diese
mit der entsprechenden Bedeutung angewendet wissen wollen (vgl. BAG 22. Januar 2004 - 2 AZR 111/02 - zu VI der Gründe, AP BetrVG 1972 § 112
Namensliste Nr. 1 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 11).
b) Eine Betriebsänderung iSv. § 111 Satz 3 Nr. 1 BetrVG kann in einem bloßen Personalabbau liegen. Dies zeigt die Regelung in § 112a Abs. 1 Satz 1 BetrVG.
Voraussetzung für die Annahme einer Einschränkung des ganzen Betriebs oder von wesentlichen Betriebsteilen iSv. § 111 Satz 3 Nr. 1 BetrVG ist, dass der
Personalabbau eine relevante Zahl von Arbeitnehmern erfasst. Maßgebend sind dafür die Schwellenwerte des § 17 Abs. 1 KSchG; in Betrieben mit mehr als
600 Arbeitnehmern müssen allerdings mindestens 5 vH der Belegschaft betroffen sein (BAG 31. Mai 2007 - 2 AZR 254/06 - Rn. 16, AP BetrVG 1972 § 111
Nr. 65 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 12).
Da die Beklagte gegenüber insgesamt 222 von knapp 800 Arbeitnehmern Kündigungen ausgesprochen hat, ist dieser Wert erreicht.
2. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, andere zumutbare Arbeitsplätze seien zumindest solche, auf denen mit der Klägerin vergleichbare Arbeitnehmer,
ohne dass diese ihrerseits tariflichen Sonderkündigungsschutz besäßen, weiterhin beschäftigt würden. Das überzeugt nicht. Die Annahme des
Landesarbeitsgerichts beruht auf einem unzutreffenden Verständnis der Regelung in § 20 Nr. 4 Satz 2 Halbs. 2 MTV/EMTV. Das zeigt eine die Systematik und
den Sinn und Zweck der Vorschrift in den Blick nehmende Auslegung.
a) Der Wortlaut der Bestimmung lässt kein eindeutiges Verständnis zu.
aa) Ein „anderer" zumutbarer Arbeitsplatz kann einmal jeder Arbeitsplatz sein, der bislang nicht mit dem sondergeschützten Arbeitnehmer besetzt war, den
dieser aber nach seinen Fähigkeiten einnehmen könnte und der ihm zumutbar ist. Bei einem solchen Verständnis - das dem des Landesarbeitsgerichts entspricht
- sind sämtliche mit dem Arbeitsplatz des sondergeschützten Arbeitnehmers vergleichbaren Arbeitsplätze „andere" und ohne Weiteres zumutbare Arbeitsplätze
iSv. § 20 Nr. 4 Satz 2 Halbs. 2 Spiegelstrich 2 MTV/EMTV. Bei Betriebsänderungen entfiele der Sonderkündigungsschutz deshalb allenfalls dann, wenn
zugleich die Arbeitsverhältnisse sämtlicher Inhaber vergleichbarer Arbeitsplätze - etwa im Rahmen einer Schließung ganzer Betriebsteile - gekündigt würden.
bb) Unter einem „anderen" Arbeitsplatz im Sinne der tariflichen Bestimmung kann stattdessen auch ein solcher zu verstehen sein, der mit dem des
sondergeschützten Arbeitnehmers gerade nicht vergleichbar, sondern von diesem nach tätigkeitsbezogenen Merkmalen unterschieden und in einem solchen
Sinne „anders" ist. Bei Betriebsänderungen entfiele der Sonderkündigungsschutz demnach nur dann nicht, wenn ein Arbeitsplatz gerade außerhalb des Kreises
der vergleichbaren Arbeitsplätze „vorhanden" und für den betreffenden Arbeitnehmer zumutbar ist.
cc) Besäße die (Rück-)Ausnahme vom besonderen Kündigungsschutz nach der ersten Lesart bei Betriebsänderungen einen eher kleinen Anwendungsbereich,
weil der besondere Schutz, solange eine Sozialauswahl stattzufinden hätte, nicht eingeschränkt wäre, so wäre der Anwendungsbereich der (Rück-)Ausnahme
nach der zweiten Verständnisalternative im Falle von Betriebsänderungen recht groß, weil sich der besondere Kündigungsschutz im Rahmen der Sozialauswahl
unter den vergleichbaren Arbeitnehmern eben nicht auswirkte.
b) Das Bundesarbeitsgericht hatte sich mit der hier zu beantwortenden Frage bislang nicht zu befassen. In dem seiner Entscheidung vom 22. Januar 2004 (- 2
AZR 111/02 - AP BetrVG 1972 § 112 Namensliste Nr. 1 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 11) zugrunde liegenden Fall war mit dem im Rahmen einer
Betriebsänderung gekündigten Kläger bei der Sozialauswahl kein Arbeitnehmer vergleichbar und war ein anderer zumutbarer Arbeitsplatz unstreitig nicht
vorhanden. Auf das richtige Verständnis der fraglichen Bestimmung im dargelegten Sinne kam es nicht an.
c) Systematische und teleologische Erwägungen sprechen für die Richtigkeit der zweiten Lesart von § 20 Nr. 4 Satz 2 Halbs. 2 Spiegelstrich 2 MTV/EMTV.
Bei Kündigungen im Rahmen von Betriebsänderungen entfällt der besondere Kündigungsschutz, es sei denn, ein mit dem bisherigen Arbeitsplatz nach
tätigkeitsbezogenen Merkmalen gerade nicht vergleichbarer „anderer" Arbeitsplatz ist „vorhanden" und zumutbar.
aa) Im Anschluss an die Regelung über das Entstehen des besonderen Kündigungsschutzes in Satz 1 der Vorschrift dehnt Satz 2 Halbs. 1 den Schutz auf
„Änderungskündigungen im Einzelfall zum Zwecke der Entgeltminderung" aus. Satz 2 Halbs. 2 Spiegelstrich 1 nimmt den besonderen Schutz sodann zurück
„bei allen sonstigen Änderungskündigungen". Demnach entfällt der besondere Kündigungsschutz ua. bei Änderungskündigungen zum Zwecke der
Entgeltminderung, die nicht auf einen Einzelfall beschränkt sind, sondern - etwa im Rahmen einer Sanierungsmaßnahme - die gesamte Belegschaft oder Teile
von ihr betreffen.
bb) Dies zeigt, dass die Tarifvertragsparteien im Fall von kollektiven Maßnahmen, die nicht nur einzelne Arbeitnehmer, sondern die Belegschaft als ganze oder
doch Teile der Belegschaft betreffen, die Möglichkeit einer ordentlichen Änderungskündigung auch für den Personenkreis des § 20 Nr. 4 Satz 1 MTV/EMTV
nicht ausschließen wollten.
cc) Dieser Umstand wiederum legt die Annahme nahe, dass die Tarifvertragsparteien auch bei Betriebsänderungen - die stets die ganze Belegschaft oder doch
wesentliche Teile von ihr betreffen - die Möglichkeit der ordentlichen Beendigungskündigung gegenüber dem fraglichen Personenkreis weitgehend zulassen
wollten. Wenn schon bei Änderungskündigungen im Falle kollektiv wirkender Maßnahmen nicht einzelne Arbeitnehmer allein wegen der Kriterien des § 20
Nr. 4 Satz 1 MTV/EMTV zu ihren Gunsten aus der Solidargemeinschaft herausgenommen werden sollen, so ist anzunehmen, dass dieser Grundsatz im Falle
von Beendigungskündigungen aufgrund einer Betriebsänderung gleichermaßen gelten soll. Es soll sich in diesen Fällen auch der Personenkreis des § 20 Nr. 4
Satz 1 MTV/EMTV möglichen Maßnahmen des Arbeitgebers - etwa einer Sozialauswahl - nach den für alle Arbeitnehmer geltenden Kriterien stellen müssen.
Dieses Ziel würde weitgehend verfehlt, wäre bei einer Betriebsänderung jeder vergleichbare und nicht weggefallene Arbeitsplatz ein „anderer" im Sinne der
tariflichen Vorschrift. Dann würde sich bei der Sozialauswahl der sondergeschützte Arbeitnehmer allein aufgrund seines Lebensalters von mindestens 55 Jahren
und der Dauer seiner Betriebszugehörigkeit von mindestens zehn Jahren zum Beispiel durchsetzen können gegenüber einem - objektiv durchaus vorrangig zu
schützenden - Arbeitnehmer mit einem Lebensalter von 54 Jahren, einer 20-jährigen Betriebszugehörigkeit und Unterhaltsverpflichtungen gegenüber mehreren Personen.
dd) Angesichts dieser Konsequenzen spricht schon der Umstand, dass die Tarifvertragsparteien den Fall von „Betriebsänderungen" überhaupt eigens unter den
Gründen für den Ausschluss von Sonderkündigungsschutz erwähnt haben, dafür, dass sie diesen Ausschlussgrund nicht für den Regelfall einer
Betriebsänderung - den der mit ihr verbundenen Notwendigkeit einer Sozialauswahl - zugleich wieder deutlich marginalisieren wollten. Wenn die
Tarifvertragsparteien gewollt hätten, es solle der Sonderkündigungsschutz im Falle von Betriebsänderungen nur unter der Voraussetzung ausgeschlossen sein,
dass vergleichbare Arbeitsplätze nicht mehr vorhanden sind, eine Sozialauswahl also - etwa wegen Schließung einer ganzen Betriebsabteilung - nicht
erforderlich ist, hätte es nahegelegen, dies sprachlich klar zum Ausdruck zu bringen. Es wäre zu erwarten gewesen, dass § 20 Nr. 4 Satz 2 Halbs. 2 Spiegelstrich
2 MTV/EMTV dahin formuliert worden wäre, der Ausschluss der ordentlichen Kündigung gelte nicht „bei Betriebsänderungen, wenn ein vergleichbarer oder
ein anderer zumutbarer Arbeitsplatz nicht vorhanden ist" oder „…, wenn weder ein vergleichbarer, noch ein anderer zumutbarer Arbeitsplatz vorhanden ist". Da
es einfach gewesen wäre, einen entsprechenden Willen sprachlich deutlich auszudrücken, und mit dem Fehlen bzw. Vorhandensein des Ausdrucks
„vergleichbarer Arbeitsplatz" inhaltlich so weit reichende Folgen verbunden sind, spricht der tatsächliche Text der Tarifregelung, in dem dieser Ausdruck fehlt,
dafür, dass vergleichbare Arbeitsplätze keine „anderen" Arbeitsplätze im Sinne der Bestimmung sind. Hinzu kommt, dass nach der gewählten Formulierung der
Sonderkündigungsschutz bei Betriebsänderungen entfällt, wenn ein „anderer zumutbarer" Arbeitsplatz nicht vorhanden ist. Da Arbeitsplätze, die nach
tätigkeitsbezogenen Merkmalen vergleichbar sind, stets „zumutbare" Arbeitsplätze sind, hätte es, um den vermeintlichen Willen der Tarifvertragsparteien
auszudrücken, des Zusatzes „anderer … Arbeitsplatz" nicht bedurft. Es hätte gereicht zu formulieren, dass der Ausschluss der ordentlichen Kündigung nicht
gelte, wenn ein „zumutbarer Arbeitsplatz nicht mehr vorhanden ist".
ee) Dafür, dass nach tätigkeitsbezogenen Merkmalen vergleichbare Arbeitsplätze gerade keine „anderen" im Sinne der Tarifbestimmung sind, spricht
schließlich die Erwägung, dass die Regelung andernfalls wegen Verstoßes gegen § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG, § 7 Abs. 1, Abs. 2, § 3 Abs. 1, § 1 AGG unwirksam
sein könnte. Bei einer erforderlich werdenden Sozialauswahl würde sich, wie erwähnt, der durch § 20 Nr. 4 Satz 1 MTV/EMTV geschützte Arbeitnehmer allein
aufgrund seines Lebensalters gegenüber objektiv stärker zu schützenden Belegschaftsangehörigen durchsetzen können. Dies erscheint nicht unproblematisch.
ff) Dem Landesarbeitsgericht ist einzuräumen, dass bei einem solchen Verständnis der Bestimmung dem Satzteil „…, wenn ein anderer zumutbarer
Arbeitsplatz nicht vorhanden ist" keine besonders große praktische Bedeutung zukommen wird. Gleichwohl verbleibt ihm, wie dargelegt, ein
Anwendungsbereich. Das gilt etwa dann, wenn die Anzahl der von einer Kündigung betroffenen Arbeitnehmer - einschließlich derjenigen, die die
Voraussetzungen des § 20 Nr. 4 Satz 1 MTV/EMTV erfüllen - größer ist als die Anzahl der „vorhandenen" anderen Arbeitsplätze; dann vermöchte sich der
Sonderkündigungsschutz durchzusetzen. Die Lesart des Landesarbeitsgerichts verfehlt demgegenüber im Regelfall das aus der Systematik erkennbar werdende
Ziel der Tarifregelung. Dieses besteht darin, im Falle kollektiv bedeutsamer Tatbestände, zu denen Betriebsänderungen zählen, den besonderen Schutz
einzelner Arbeitnehmer(gruppen) auszuschließen und sie innerhalb der betrieblichen Solidargemeinschaft nicht zu bevorzugen.
II. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts stellt sich nicht aus anderen Gründen als richtig dar, so dass die Revision gem. § 561 ZPO trotz der
festgestellten Rechtsverletzung zurückzuweisen wäre. Die Kündigung vom 27. März 2009 ist nicht wegen nicht ordnungsgemäßer Anhörung des Betriebsrats unwirksam.
1. Nicht nur das gänzliche Fehlen einer Anhörung, sondern auch eine fehlerhafte Anhörung des Betriebsrats führt zur Unwirksamkeit der Kündigung nach §
102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG (BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 45, AP BGB § 626 Nr. 236 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 36; 16. September 1993 - 2 AZR
267/93 - zu B II 2 b cc (1) der Gründe, BAGE 74, 185). Die Anhörung ist fehlerhaft, wenn der Arbeitgeber seine Mitteilungspflicht gegenüber dem Betriebsrat
nicht ausreichend erfüllt. Der Arbeitgeber muss dem Betriebsrat die Gründe mitteilen, die nach seiner subjektiven Sicht die Kündigung rechtfertigen und für
seinen Kündigungsentschluss maßgeblich sind. Diesen Kündigungsentschluss hat er regelmäßig unter Angabe von Tatsachen so zu beschreiben, dass der
Betriebsrat ohne zusätzliche eigene Nachforschungen die Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe prüfen kann. Teilt der Arbeitgeber dem Betriebsrat
kündigungsrechtlich erhebliche Tatsachen nicht mit, weil er auf sie die Kündigung nicht stützen will, wird die Anhörung dadurch nicht fehlerhaft. In diesem
Fall ist es dem Arbeitgeber nur verwehrt, die fraglichen Gründe im Kündigungsschutzprozess nachzuschieben. Das gilt nicht für Tatsachen, die der Arbeitgeber
dem Betriebsrat bei der Anhörung zwar nicht mitgeteilt hat, die diesem aber bekannt sind (BAG 11. Dezember 2003 - 2 AZR 536/02 - zu II 3 der Gründe mwN,
AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 65 = EzA BetrVG 2001 § 102 Nr. 5; 27. Februar 1997 - 2 AZR 302/96 - AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte
Kündigung Nr. 36 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 51). Was der Betriebsrat schon weiß, braucht ihm nicht mehr mitgeteilt zu werden
(BAG 11. Dezember 2003 - 2 AZR 536/02 - aaO).
2. Die Beklagte hat nicht gegen ihre Unterrichtungspflichten verstoßen. Zwar hat sie in ihrem Anhörungsschreiben vom 26. März 2009 den besonderen
tariflichen Kündigungsschutz der Klägerin nicht ausdrücklich erwähnt. Dem Betriebsrat war dieser Schutz aber bekannt. Er ergab sich aus den Unterlagen zum
Interessenausgleich und der Liste mit den Sozialdaten der Arbeitnehmer in der Altersgruppe der Klägerin. In dieser Liste waren das Lebensalter und die
Beschäftigungsdauer der betreffenden Beschäftigten einschließlich der Klägerin aufgeführt. Der Betriebsrat wusste ferner, dass der MTV/EMTV auf das
Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung fand und darin ein Sonderkündigungsschutz geregelt ist. Ob für die Beklagte insoweit eine entsprechende Pflicht zur
Unterrichtung nach § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG überhaupt bestand, kann deshalb dahinstehen.
III. Das angefochtene Urteil war aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht
zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO). Ein Fall von § 563 Abs. 3 ZPO liegt mangels Entscheidungsreife nicht vor.
1. Sind „andere zumutbare Arbeitsplätze" iSv. § 20 Nr. 4 Satz 2 Halbs. 2 Spiegelstrich 2 MTV/EMTV zwar, wie dargelegt, nicht diejenigen, auf denen mit der
Klägerin vergleichbare Arbeitnehmer aufgrund der durchgeführten Sozialauswahl weiterbeschäftigt werden, so steht doch nicht fest, ob es im Sinne der
zutreffenden Lesart der tariflichen Bestimmung einen anderen zumutbaren Arbeitsplatz im Betrieb oder Unternehmen der Beklagten gibt und die Kündigung
aus diesem Grund gegen § 20 Nr. 4 Satz 1 MTV/EMTV verstößt. Dazu haben die Parteien nichts vorgetragen und hat das Landesarbeitsgericht Feststellungen
nicht getroffen. Das Vorhandensein eines solchen Arbeitsplatzes ist gleichwohl nicht ausgeschlossen. Das Landesarbeitsgericht wird auf entsprechendes
Vorbringen hinzuwirken und ggf. eigene Feststellungen zu treffen haben. Der Senat sieht mangels jeglichen Vortrags von Hinweisen dazu ab, unter welchen
Voraussetzungen ein anderer Arbeitsplatz im Sinne der Tarifbestimmung „vorhanden" und „zumutbar" ist. Allerdings spricht vieles dafür, dass ein anderer
Arbeitsplatz nur „vorhanden" ist, wenn er auch frei und nicht schon besetzt ist. Es kann schwerlich angenommen werden, dass die Tarifvertragsparteien
insoweit den Anwendungsbereich von § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Buchst. b KSchG haben erweitern wollen.
2. Sollte das Landesarbeitsgericht zu dem Ergebnis gelangen, dass kein anderer zumutbarer Arbeitsplatz vorhanden war, bestand kein tariflicher
Sonderkündigungsschutz zugunsten der Klägerin. Es wird dann zu prüfen haben, ob die Kündigung vom 27. März 2009 aus dringenden betrieblichen
Erfordernissen iSv. § 1 Abs. 2, Abs. 3 KSchG sozial gerechtfertigt ist.
a) Ob sich die Beklagte für die soziale Rechtfertigung auf § 1 Abs. 5 KSchG und einen zugrunde liegenden Interessenausgleich mit Namensliste stützen kann,
was für den Prüfungsmaßstab von Bedeutung ist, wird das Landesarbeitsgericht im Einzelnen festzustellen und zu bewerten haben. Hinreichender Sachvortrag
zu den formellen Voraussetzungen eines Interessenausgleichs mit Namensliste fehlt bisher.
b) Ggf. wird das Landesarbeitsgericht sodann die Erfüllung der Auskunftspflicht der Beklagten nach § 1 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 KSchG näher aufzuklären und
zu prüfen haben. Die Klägerin rügt zu Recht, die Beklagte habe ihr nicht die Sozialdaten sämtlicher vergleichbaren Arbeitnehmer mitgeteilt; ihr seien nur die
Daten der 30 Personen aus ihrer eigenen Altersgruppe, nicht aber die aller anderen mechanischen Helfer und Helferinnen vorgelegt worden.
aa) Nach § 1 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 KSchG hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer auf Verlangen die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen
Auswahl geführt haben. Er hat unter Angabe der relevanten Auswahlkriterien und der Bewertungsmaßstäbe im Besonderen Angaben darüber zu machen,
welche Arbeitnehmer für ihn zum auswahlrelevanten Personenkreis gehört haben (BAG 24. März 1983 - 2 AZR 21/82 - zu III 2 a der Gründe, BAGE 42, 151;
SPV/Preis Rn. 1133; ErfK/Oetker § 1 KSchG Rn. 339).
bb) Diesen Anforderungen wird der Vortrag der Beklagten bisher nicht gerecht. Mit der Angabe der Sozialdaten allein der Arbeitnehmer aus der Altersgruppe
der Klägerin kann diese die Korrektheit der Sozialauswahl nicht überprüfen. Ihr ist es insbesondere nicht möglich zu erkennen, ob sämtliche mechanischen
Helfer berücksichtigt und den einzelnen Altersgruppen richtig zugeordnet wurden. Dies gilt um so mehr, als ihr auch das der Sozialauswahl zugrunde liegende
Punkteschema erst in der Revisionsbegründung mitgeteilt wurde. ..." (BAG, Urteil vom 23.02.2012 - 2 AZR 773/10)
***
„... a) Die Stilllegung des gesamten Betriebes durch den Arbeitgeber gehört zu den dringenden betrieblichen Erfordernissen iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG, die
einen Grund zur sozialen Rechtfertigung einer Kündigung abgeben können (st. Rspr., vgl. BAG 28. Mai 2009 - 8 AZR 273/08 - AP BGB § 613a Nr. 370 = EzA
KSchG § 17 Nr. 20). Unter Betriebsstilllegung ist die Auflösung der zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bestehenden Betriebs- und
Produktionsgemeinschaft zu verstehen, die ihre Veranlassung und ihren unmittelbaren Ausdruck darin findet, dass der Unternehmer die bisherige
wirtschaftliche Betätigung in der ernstlichen Absicht einstellt, die Verfolgung des bisherigen Betriebszweckes dauernd oder für eine ihrer Dauer nach
unbestimmte, wirtschaftlich nicht unerhebliche Zeitspanne nicht weiter zu verfolgen. Mit der Stilllegung des gesamten Betriebes entfallen alle
Beschäftigungsmöglichkeiten. Der Arbeitgeber ist aber nicht gehalten, eine Kündigung erst nach Durchführung der Stilllegung auszusprechen. Neben der
Kündigung wegen erfolgter Stilllegung kommt auch eine Kündigung wegen beabsichtigter Stilllegung in Betracht. Erforderlich ist dazu aber, dass der
Arbeitgeber im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung den ernsthaften und endgültigen Entschluss gefasst hat, den Betrieb endgültig und nicht nur
vorübergehend stillzulegen (vgl. BAG 14. August 2007 - 8 AZR 1043/06 - AP BGB § 613a Nr. 325 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 74). Der Ernsthaftigkeit der
Stilllegungsabsicht steht dabei nicht entgegen, dass sich der Arbeitgeber entschlossen hat, die gekündigten Arbeitnehmer in der jeweiligen Kündigungsfrist
noch für die Abarbeitung vorhandener Aufträge einzusetzen. Der Arbeitgeber erfüllt damit gegenüber den tatsächlich eingesetzten Arbeitnehmern lediglich
seine auch im gekündigten Arbeitsverhältnis bestehende Beschäftigungspflicht (vgl. BAG 8. November 2007 - 2 AZR 554/05 - AP KSchG 1969 § 17 Nr. 28 =
EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 156). An einem endgültigen Entschluss zur Betriebsstilllegung fehlt es aber, wenn der Arbeitgeber im
Zeitpunkt der Kündigung noch in Verhandlungen über eine Veräußerung des Betriebes steht (vgl. BAG 29. September 2005 - 8 AZR 647/04 - AP KSchG 1969
§ 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 139 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 140). Gleiches gilt, wenn der Arbeitgeber sich im Zeitpunkt der
Kündigung noch um neue Aufträge bemüht (vgl. BAG 13. Februar 2008 - 2 AZR 75/06 -). Ist andererseits im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung die
Betriebsstilllegung endgültig geplant und bereits eingeleitet, behält sich der Arbeitgeber aber eine Betriebsveräußerung vor, falls sich eine Chance bietet, und
gelingt dann später noch eine Betriebsveräußerung, bleibt es bei der sozialen Rechtfertigung der Kündigung (vgl. BAG 4. Mai 2006 - 8 AZR 299/05 - BAGE
118, 168 = AP BGB § 613a Nr. 304 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 51; 29. September 2005 - 8 AZR 647/04 - aaO).
Auch ist bei einer Betriebsstilllegung erforderlich, dass die geplanten Maßnahmen zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung bereits „greifbare Formen"
angenommen haben. Diese liegen vor, wenn im Zeitpunkt des Ausspruches der Kündigung aufgrund einer vernünftigen betriebswirtschaftlichen Betrachtung
davon auszugehen ist, bis zum Ablauf der einzuhaltenden Kündigungsfrist werde mit einiger Sicherheit der Eintritt eines die Entlassung erforderlich
machenden betrieblichen Grundes, dh. die Stilllegung, gegeben sein. Von einer Stilllegung kann jedenfalls dann ausgegangen werden, wenn der Arbeitgeber
seine Stilllegungsabsicht unmissverständlich äußert, allen Arbeitnehmern kündigt, etwaige Miet- oder Pachtverträge zum nächstmöglichen Zeitpunkt auflöst,
die Betriebsmittel, über die er verfügen darf, veräußert und die Betriebstätigkeit vollständig einstellt (vgl. BAG 26. Mai 2011 - 8 AZR 37/10 - EzA BGB 2002 §
613a Nr. 125).
Betriebsveräußerung und Betriebsstilllegung schließen sich nach diesen Grundsätzen demnach systematisch aus. Dabei kommt es auf das tatsächliche Vorliegen
des Kündigungsgrundes und nicht auf die vom Arbeitgeber gegebene Begründung an. Eine vom Arbeitgeber mit einer Stilllegungsabsicht begründete
Kündigung ist nur dann sozial gerechtfertigt, wenn sich die geplante Maßnahme objektiv als Betriebsstilllegung und nicht als Betriebsveräußerung darstellt,
weil etwa die für die Fortführung des Betriebes wesentlichen Gegenstände einem Dritten überlassen werden sollten, der Veräußerer diesen Vorgang aber
rechtlich unzutreffend als Betriebsstilllegung wertet (vgl. BAG 28. Mai 2009 - 8 AZR 273/08 - AP BGB § 613a Nr. 370 = EzA KSchG § 17 Nr. 20).
Maßgeblicher Zeitpunkt zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Kündigung ist der des Kündigungszugangs (vgl. BAG 9. September 2010 - 2 AZR 493/09 -
AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 185 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 164). Dies schließt es nicht aus, dass -
insbesondere, wenn dem Kündigungsgrund ein prognostisches Element innewohnt - der tatsächliche Eintritt der prognostizierten Entwicklung Rückschlüsse auf
die Ernsthaftigkeit und Plausibilität der Prognose zulässt (vgl. BAG 27. November 2003 - 2 AZR 48/03 - BAGE 109, 40 = AP KSchG 1969 § 1 Soziale
Auswahl Nr. 64 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 128). Verläuft die Umsetzung der unternehmerischen Entscheidung planmäßig, ist es
gerechtfertigt, von einem tragfähigen Konzept im Zeitpunkt der Kündigung auszugehen (vgl. ErfK/Oetker 12. Aufl. § 1 KSchG Rn. 280). Die im
Kündigungszeitpunkt gestellte Prognose, mit Ablauf der Kündigungsfrist werde der Beschäftigungsbedarf entfallen, wird so bestätigt (vgl. BAG 7. Juli 2005 - 2
AZR 447/04 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 136 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 139). Umgekehrt spricht bei
alsbaldiger Wiedereröffnung des Betriebes bzw. bei alsbaldiger Wiederaufnahme der Produktion durch einen Betriebserwerber eine tatsächliche Vermutung
gegen eine ernsthafte Absicht, den Betrieb stillzulegen (vgl. BAG 21. Juni 2001 - 2 AZR 137/00 - AP KSchG 1969 § 15 Nr. 50 = EzA KSchG § 15 nF Nr. 53).
Der Arbeitgeber trägt im Kündigungsschutzprozess die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass dringende betriebliche Erfordernisse die Kündigung bedingen, §
1 Abs. 2 Satz 4 KSchG. Beruft sich der Arbeitgeber auf den betriebsbedingten Kündigungsgrund der Stilllegung, so ist, wenn das Vorliegen eines
Stilllegungsentschlusses im Kündigungszeitpunkt bestritten wird, der Arbeitgeber verpflichtet, substanziiert darzulegen, dass und zu welchem Zeitpunkt er
diejenigen organisatorischen Maßnahmen, die sich rechtlich als Betriebsstilllegung darstellen, geplant und beschlossen hat. Über diese Entschlussfassung
hinaus muss der Arbeitgeber substanziiert vortragen, dass auch die geplanten Maßnahmen selbst im Kündigungszeitpunkt bereits greifbare Formen
angenommen hatten (BAG 23. März 1984 - 7 AZR 409/82 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 38). Der Umfang der Darlegungslast hängt
dabei auch davon ab, wie sich der gekündigte Arbeitnehmer auf die vom Arbeitgeber gegebene Begründung der Kündigung einlässt (vgl. BAG 17. Oktober
1980 - 7 AZR 675/78 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 10 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 15). Trägt der gekündigte
Arbeitnehmer beispielsweise Anhaltspunkte dafür vor, dass im Zeitpunkt der Kündigung eine Stilllegungsentscheidung nicht ernsthaft getroffen war, weil es
Veräußerungsverhandlungen gegeben habe, und kommt es zu einer alsbaldigen Wiedereröffnung bzw. nahtlosen Fortsetzung durch einen Betriebserwerber, so
trägt der Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Wiedereröffnung bzw. Veräußerung nicht bereits voraussehbar oder gar geplant war (vgl.
ErfK/Oetker 12. Aufl. § 1 KSchG Rn. 279).
b) Gemessen an diesen Grundsätzen ist das Landesarbeitsgericht in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, dass der Beklagte
entgegen der ihn treffenden Darlegungslast keine ausreichenden Umstände für die Annahme vorgetragen hat, bei einer vernünftigen betriebswirtschaftlichen
Betrachtung sei zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruches davon auszugehen gewesen, eine Weiterbeschäftigung des Klägers werde mit Ablauf der
Kündigungsfrist nicht mehr möglich sein.
Die gemäß § 286 Abs. 1 ZPO gewonnene Überzeugung des Tatsachengerichts, ob die vom Beklagten vorgetragenen und vom Kläger bestrittenen Tatsachen
den Schluss auf einen endgültigen und ernsthaften Entschluss zur Betriebsstilllegung im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung rechtfertigen, ist nur beschränkt
revisibel (vgl. oben B II 1).
Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass für einen ernsthaften und endgültigen Beschluss, den Betrieb in P stillzulegen, zunächst der
Gesellschafterbeschluss vom 14. April 2009 spricht. Gleiches gilt auch für die Information des Gläubigerausschusses durch den Beklagten am 6. Mai 2009.
Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht weiter berücksichtigt, dass der Abschluss des Interessenausgleichs und Sozialplans und die Massenentlassungsanzeige
für eine ernsthafte und endgültige Stilllegungsabsicht sprechen. Dies macht aber nicht entbehrlich, die weiteren Umstände zu würdigen, die - wie die alsbaldige
Wiedereröffnung bzw. Fortsetzung der betrieblichen Tätigkeit durch einen Betriebserwerber - gegen einen ernsthaften, endgültigen Stilllegungsentschluss
sprechen. Die Prüfung, ob nach Würdigung der Umstände des Einzelfalles im Zeitpunkt der Kündigung die im Zusammenhang mit der behaupteten
Stilllegungsabsicht getroffenen Maßnahmen bereits „greifbare Formen" angenommen hatten, die ihrerseits wiederum einen Rückschluss auf die Ernsthaftigkeit
des Stilllegungsentschlusses zulassen, obliegt zuvörderst dem Tatsachengericht.
Angesichts der Veräußerung des Betriebsgrundstückes und materieller Betriebsmittel an die LPP sowie der Fortsetzung der betrieblichen Tätigkeit durch diese
in P ab 1. September 2009 begegnet die Würdigung der weiteren Umstände durch das Landesarbeitsgericht keinen Bedenken. Die Wiederaufnahme der
Produktion durch einen Betriebserwerber begründet eine tatsächliche Vermutung gegen eine ernsthafte Absicht, den Betrieb stillzulegen (vgl. BAG 21. Juni
2001 - 2 AZR 137/00 - AP KSchG 1969 § 15 Nr. 50 = EzA KSchG § 15 nF Nr. 53). Dies gilt nicht nur dann, wenn ein Betriebsübergang innerhalb der
Kündigungsfrist stattfindet. Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 27. September 1984 (- 2 AZR 309/83 - BAGE 47, 13 = AP BGB § 613a Nr. 39 =
EzA BGB § 613a Nr. 40) steht dem nicht entgegen. Zwar könnte ein solcher Bezug zur Kündigungsfrist aus dem Leitsatz Nr. 3c hergeleitet werden. Ein solcher
ergibt sich aus den Entscheidungsgründen jedoch nicht. Vielmehr heißt es dort, dass bei alsbaldiger Wiedereröffnung eine tatsächliche Vermutung gegen eine
ernsthafte Stilllegungsabsicht spricht. Der Entscheidung lässt sich nicht entnehmen, eine tatsächliche Vermutung gegen eine ernsthafte Stilllegungsabsicht sei
nur dann gegeben, wenn ein Betriebsübergang noch innerhalb der individuellen Kündigungsfrist stattfindet. Auch in späteren Entscheidungen des Zweiten
Senats findet sich keine Einschränkung auf den Zeitraum der Kündigungsfrist (vgl. BAG 21. Juni 2001 - 2 AZR 137/00 - aaO; 12. Februar 1987 - 2 AZR
247/86 - AP BGB § 613a Nr. 67 = EzA BGB § 613a Nr. 64). Kommt es noch vor dem beabsichtigten oder alsbald nach dem beabsichtigten Stilllegungstermin
zu einer Betriebsfortführung durch einen Betriebserwerber, so spricht die Erfahrung dafür, dass die Verhandlungen bzw. der Abschluss der Rechtsgeschäfte
hierfür bereits längere Zeit zuvor stattgefunden haben. Dies rechtfertigt es, an die Betriebsfortführung durch den Unternehmer bzw. einen Erwerber die
tatsächliche Vermutung zu knüpfen, zum Zeitpunkt der Kündigung der Arbeitsverhältnisse habe keine endgültige Stilllegungsabsicht bestanden. Es ist dann
Sache des Arbeitgebers, durch näheren Sachvortrag diese Vermutung zu widerlegen.
Ohne Unterbrechung der betrieblichen Tätigkeit setzte die LPP ab dem 1. September 2009 die Produktion von Leiterplatten im Betrieb in P mit den dort
vorhandenen Betriebsmitteln fort. Zwar spricht der Inhalt der Grundbucheintragung vom 15. Oktober 2009 „Bezug: Bewilligung vom 21.07.2009/ 01.09.2009"
dafür, dass die zur Übertragung des Eigentums notwendigen rechtsgeschäftlichen Erklärungen vom 21. Juli 2009 bzw. 1. September 2009 - also einem
Zeitpunkt nach Zugang der Kündigung - stammen. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht aber darauf abgestellt, dass auch ernsthafte
Veräußerungsverhandlungen zwischen dem Beklagten und der LPP einer ernsthaften Stilllegungsabsicht entgegenstehen. Erfahrungsgemäß gehen vertraglichen
Vereinbarungen bzgl. einer Betriebsübernahme und eines Grunderwerbs, die in die Eintragung einer Auflassungsvormerkung münden, langfristige
Vorverhandlungen voraus. Demnach ist die Vermutung gerechtfertigt, solche Verhandlungen seien bereits im Mai 2009, dem Zeitpunkt des
Kündigungsausspruches, geführt worden. Dass solche zum Zeitpunkt der Kündigung (noch) nicht stattfanden, sondern tatsächlich ein endgültiger
Stilllegungsentschluss getroffen war, hat der Beklagte nicht schlüssig dargelegt.
Allein die Entlassung von Arbeitnehmern spricht nicht für eine ernsthafte Stilllegungsabsicht, weil es gerade um die Frage geht, ob diese Kündigungen sozial
gerechtfertigt sind (vgl. BAG 19. Juni 1991 - 2 AZR 127/91 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 53 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte
Kündigung Nr. 70). Auch die Freistellung von einzelnen Arbeitnehmern ist kein ausschlaggebendes Indiz für einen ernsthaften Stilllegungsentschluss. Solche
Freistellungen können nämlich in Absprache mit einem Betriebserwerber auch dazu dienen, angepasst an ein bestimmtes Auftragsvolumen nur bestimmte
Leistungsträger zu übernehmen. So wie die Beschäftigung der Arbeitnehmer während der Kündigungsfrist nicht gegen eine ernsthafte Stilllegungsabsicht
spricht (vgl. BAG 8. November 2007 - 2 AZR 554/05 - AP KSchG 1969 § 17 Nr. 28 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 156), so darf auch
nicht allein aus deren Freistellung auf das Vorliegen eines endgültigen Stilllegungsentschlusses des Arbeitgebers geschlossen werden.
Auch die finanzielle Situation bei der Insolvenzschuldnerin ist kein Indiz für die Ernsthaftigkeit des Stilllegungsbeschlusses. Die Eröffnung des
Insolvenzverfahrens bedeutet noch keine Betriebsstilllegung, weil der Insolvenzverwalter den Betrieb weiterführen kann (vgl. BAG 27. November 1986 - 2
AZR 706/85 -).
Demnach ist auch die zur Insolvenz führende Überschuldung grundsätzlich kein Indiz für eine Stilllegungsabsicht. Dies gilt im Streitfalle vor allem deshalb,
weil der Beklagte die Veräußerung der Insolvenzschuldnerin in einem internationalen Bieterverfahren angesichts der unzureichenden Gewinnsituation
angestrebt, also zunächst keine Stilllegung der Betriebe in G und P beabsichtigt hatte. Auch das Scheitern des internationalen Bieterverfahrens spricht nicht
zwangsläufig für die Ernsthaftigkeit eines anschließenden Stilllegungsentschlusses, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt hat. Dass der Wunsch,
einen Betrieb zu veräußern, sich nicht im ersten Anlauf verwirklichen lässt, drängt nicht zwingend den Schluss auf, dass der Arbeitgeber nach dem ersten
gescheiterten Versuch das Gegenteil - nämlich die endgültige Betriebsstilllegung - beabsichtigt.
Nicht zu beanstanden ist, dass das Landesarbeitsgericht den Vortrag des Beklagten, er habe den Kunden mitgeteilt, die Insolvenzschuldnerin produziere bis zum
31. August 2009, nicht für die Annahme hat genügen lassen, die beabsichtigte Betriebsstilllegung habe bereits im Zeitpunkt der Kündigungserklärung greifbare
Formen angenommen gehabt.
Allerdings liegt in der Regel ein starkes Indiz für einen ernstlichen und endgültigen Stilllegungsplan vor, wenn der Arbeitgeber den Stilllegungsbeschluss
gegenüber Lieferanten, Kunden, Banken usw. bekannt gibt (vgl. APS/Kiel 4. Aufl. § 1 KSchG Rn. 489), weil ein Arbeitgeber, der die Betriebsfortführung oder
Veräußerung ernsthaft ins Auge fasst, die Geschäftsbeziehungen zu Lieferanten, Kunden, Banken etc. in der Regel nicht durch die Bekanntgabe einer
Stilllegungsentscheidung gefährden will (vgl. BAG 10. Oktober 1996 - 2 AZR 477/95 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 81 = EzA KSchG
§ 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 87). Erst recht wird der Arbeitgeber langfristige Geschäftsbeziehungen nicht kündigen, wenn eine Betriebsveräußerung
bzw. -fortführung beabsichtigt ist. Deshalb begründen organisatorische Vorkehrungen wie der Ausspruch von Kündigungen solcher Geschäftsbeziehungen ein
starkes Indiz für einen ernsthaften Stilllegungsbeschluss. Nach eigenem Sachvortrag hat der Beklagte aber weder gegenüber Kunden, Banken, Lieferanten noch
gegenüber dem Leasinggeber Kündigungen ausgesprochen. Dass der Beklagte nach § 103 Abs. 2 Satz 1 InsO die Erfüllung von Verträgen abgelehnt hat, wird
von ihm ebenfalls nicht konkret behauptet. Er trägt vor, er habe im Hinblick auf die in der Branche übliche Verfahrensweise - die Kunden avisierten mit einem
„letter of intent" ein bestimmtes (jährliches) Abrufvolumen und würden dieses dann kurzfristig vor dem gewünschten Liefertermin abrufen - keine
Kündigungen aussprechen müssen und deshalb die Kunden darüber informiert, die Insolvenzschuldnerin werde bis zum 31. August 2009 produzieren. Nicht
angegeben hat der Beklagte, wann und wie genau diese Information gegeben worden sein soll. Mit diesem Sachvortrag ist der Beklagte seiner Darlegungslast
nicht nachgekommen, da es gerade auf den Zeitpunkt und den Inhalt der Kundeninformation ankommt, wenn daraus auf die Ernsthaftigkeit eines
Stilllegungsentschlusses geschlossen werden soll. Hätte der Beklagte die von ihm behauptete Information bspw. erst während laufender
Veräußerungsverhandlungen an Kunden gegeben, spräche dies nicht für einen ernsthaften Stilllegungsentschluss, da damit nur ein Hinweis auf ein Auslaufen
der Produktion durch den Beklagten und die künftige Veräußerung des Betriebes verbunden sein könnte. Hinzu kommt, dass nach dem eigenen Sachvortrag des
Beklagten bei dem von ihm geschilderten Vertriebsmodell nur mit einer unmissverständlichen Kundeninformation hätte sichergestellt werden können, dass kein
Beschäftigungsbedarf über den 31. August 2009 hinaus besteht. Während bei anderen Arbeitgebern das Bemühen um neue Aufträge im Kündigungszeitpunkt
einer endgültigen Stilllegungsabsicht entgegensteht, könnte bei dem vom Beklagten geschilderten Vertriebsmodell eine Prognose, mit Ablauf der
Kündigungsfrist werde der Beschäftigungsbedarf für alle Arbeitnehmer entfallen, dann sichergestellt werden, wenn die Kunden unmissverständlich darüber
informiert worden wären, dass Bestellungen und Lieferungen für die Zeit nach der beabsichtigten Stilllegung nicht mehr erfolgen können. Dies wird auch am
eigenen Sachvortrag des Beklagten zum Betrieb in G deutlich. Dort hatte der Beklagte den Kunden bereits mitgeteilt, ein Investor werde einsteigen, weshalb ein
Auftragsvolumen bzw. Abrufe für die Zeit nach dem 31. August 2009 zu verzeichnen waren, welche zunächst eine Verlängerung der Ausproduktion bis in den
Dezember 2009 hinein notwendig machten. Eine unmissverständliche Kundeninformation kann dem Vortrag des Beklagten nicht schlüssig entnommen werden.
Vielmehr kündigten Kunden der Insolvenzschuldnerin für den Betrieb in P Warenabrufe für die Zeit nach dem 31. August 2009 an bzw. stellten solche in
Aussicht. Der Kläger hat dazu unwidersprochen vorgetragen, dass die LPP für die Zeit nach dem 31. August 2009 ausreichend Aufträge vorfand. Schon diese
Umstände sprechen gegen eine unmissverständliche Kundeninformation. Weiter kommt in diesem Zusammenhang dem Inhalt der Pressemitteilung der
Insolvenzschuldnerin vom 14. September 2009 Bedeutung zu. Nach dieser ist es der Insolvenzschuldnerin bzw. dem Beklagten durch die hervorragende
Reputation der Insolvenzschuldnerin gelungen, „in den Folgemonaten sogar einen neuen Großkunden für sich zu gewinnen und andere maßgebliche
Bedarfsträger platzierten Zusatzaufträge zur Stützung ihres strategischen Lieferantenpartners". Diese Angaben in der Pressemitteilung der Insolvenzschuldnerin
stehen im Widerspruch zu den Angaben des Beklagten, er habe nur eine Ausproduktion geplant und die Kunden hierüber informiert. Es wäre deshalb Sache des
Beklagten gewesen, konkret anzugeben, wie die behauptete Information der Kunden erfolgt ist und ob sich die in der Pressemitteilung angedeutete werbende
Tätigkeit am Markt - „ein neuer Großkunde wurde gewonnen" - ggf. allein auf den Betrieb in G bezog, weil sich das von beiden Betrieben gefertigte Sortiment
ggf. stark unterschied. Die Darlegung des Zeitpunktes und des Inhalts einer Kundeninformation wäre - deren Existenz unterstellt - auch unschwer durch
Vorlage von Informationsschreiben möglich gewesen.
Soweit der Beklagte vorgetragen hat, es sei vorbereitet worden, dass pünktlich zum 31. August 2009 die Lieferanten ihre Lieferungen einstellen, weil der
Beklagte nicht mehr erfüllen werde, stellt dieser Sachvortrag eine pauschale, nicht überprüfbare Behauptung dar, mit welcher der Beklagte seiner
Darlegungslast (§ 138 Abs. 2 ZPO) nicht nachgekommen ist. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht daher auch diesen Vortrag nicht genügen lassen, um
„greifbare Formen" der Stilllegung als Indiz für einen endgültigen Stilllegungsentschluss anzunehmen.
Auch die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, aus dem Vortrag zur Veräußerung und Verwertung von Betriebsmitteln ergebe sich kein ausreichendes Indiz
für eine endgültige, ernsthafte Stilllegungsabsicht, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Beklagte hat zwar vorgetragen, die Firma A habe in seinem
Auftrag Betriebsmittel inventarisiert, bewertet und teilweise veräußert. Allerdings ergibt sich aus seinem eigenen Vortrag, dass dies nur Betriebsmittel betraf,
die nicht für die Ausproduktion, dh. eine Produktion mit geringerer Auslastung, benötigt wurden. Eine Beauftragung zur Veräußerung von Betriebsmitteln
darüber hinaus, dh. insbesondere eine Beauftragung zur Veräußerung aller im Eigentum der Insolvenzschuldnerin stehenden Betriebsmittel für die Zeit nach der
beabsichtigten Stilllegung, behauptet der Beklagte nicht. Vor allem ergibt sich aus seinem Vortrag nicht, wann die Beauftragung der Firma A erfolgt ist, so dass
es auch denkbar wäre, dass die Beauftragung erst erfolgte, als die Betriebsveräußerung an die LPP unmittelbar bevorstand und in Absprache mit dieser
vorgenommen wurde. Im Übrigen ergibt sich aus dem Sachvortrag des Beklagten nur, dass in G schon Vermessungen der Maschinen und Anlagen sowie
Gewichtsklärungen zum Abtransport vorgenommen worden sind. Deshalb liegt es nahe, dass sich die vom Beklagten vorgelegte Bestätigung der Firma A auf
Betriebsmittel des Betriebes in G bezieht. Daher wäre auch insoweit ein konkreter Sachvortrag, wann die Beauftragung erfolgte und welchen konkreten Inhalt
sie hatte, notwendig gewesen, um mit einer etwaig eingeleiteten Veräußerung von Betriebsmitteln ein Indiz für eine beabsichtigte Stilllegung, die bereits
greifbare Formen angenommen hatte, zu liefern.
Soweit der Beklagte geltend macht, zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruches habe er keinerlei Veräußerungsverhandlungen geführt und das
Landesarbeitsgericht habe seinen Vortrag, wonach erst im August 2009 die E GmbH ein Angebot zum Erwerb des Betriebsgrundstücks unterbreitet habe,
übergangen, greift diese Rüge nicht durch. Dieser Sachvortrag war nicht geeignet, die gegen eine Stilllegungsabsicht sprechende Vermutung infolge der
tatsächlich ab 1. September 2009 erfolgten Betriebsfortführung zu widerlegen. Der Sachvortrag des Beklagten ist schon zeitlich nicht hinreichend konkret.
Zudem enthält er keine Ausführungen zu Art, Inhalt und zeitlichem Rahmen der Vertragsverhandlungen. Entgegen der Ansicht der Revision hat das
Landesarbeitsgericht auch nicht festgestellt, vor dem 21. Juli 2009 habe es keine Verhandlungen gegeben. Unstreitig ist vielmehr, dass es Gespräche mit Z
gegeben hat. Unklar ist, wann genau diese stattfanden und welchen Inhalt sie hatten. Der Sachvortrag, es habe im August 2009 durch die E GmbH ein Angebot
gegeben war schließlich durch die Einlassung des Beklagtenvertreters in der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht überholt, weshalb sich das
Landesarbeitsgericht hiermit nicht näher auseinandersetzen musste. Der Beklagtenvertreter hat in der mündlichen Verhandlung vom 10. September 2010
erklärt, „womöglich habe es am 21.07.2009 bereits ein Angebot gegeben. Er könne nicht sagen, ob es da schon entsprechende Verhandlungen gegeben hat". Mit
diesem Vortrag genügte der Beklagte seiner Darlegungslast nach § 138 Abs. 2 ZPO nicht. Zur Widerlegung der gegen die Stilllegungsabsicht sprechenden
Vermutung der Betriebsfortführung hätte der Beklagte konkret dartun müssen, wann und auf wessen Initiative, Verhandlungen mit der LPP oder der E GmbH
bzw. mit den für diese handelnden Personen stattgefunden hatten. Nur so wäre auszuschließen, dass eine Betriebsveräußerung schon zum Kündigungszeitpunkt
ins Auge gefasst war. Soweit der Beklagte erstmals in der Revisionsinstanz vorträgt, dass ein Angebot der „E bzw. der LPP GmbH erstmalig am 21.07.2009 in
notariell beglaubigter Form" erfolgt ist, welches bis zum 15. September 2009 habe geprüft werden können, handelt es sich um einen in der Revisionsinstanz
nicht zu beachtenden neuen Sachvortrag, § 559 Abs. 1 ZPO. Die erhobene Verfahrensrüge nach § 139 Abs. 2 ZPO bleibt demzufolge ohne Erfolg.
Auch die übrigen vom Beklagten erhobenen Rügen von Verfahrensmängeln sind nicht durchgreifend. Insoweit sieht der Senat nach § 564 ZPO iVm. § 72 Abs.
5 ArbGG von einer Begründung ab.
3. Für den Prüfungsmaßstab und die Darlegungslast des Arbeitgebers ist es unerheblich, ob dem Arbeitnehmer ggf. ein Anspruch auf Wiedereinstellung zusteht,
wenn sich die Prognose des Arbeitgebers bezüglich der Betriebsstilllegung als fehlerhaft erweist. Denn der von einem möglichen Wiedereinstellungsanspruch
vermittelte Schutz bleibt hinter dem des Kündigungsschutzgesetzes zurück (vgl. BAG 13. Februar 2008 - 2 AZR 75/06 -; 12. April 2002 - 2 AZR 256/01 - AP
KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 120 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 118). Insbesondere trägt der Arbeitnehmer, der einen
Wiedereinstellungsanspruch geltend macht, die Darlegungs- und Beweislast für die anspruchsbegründenden Tatsachen (vgl. BAG 25. September 2008 - 8 AZR
607/07 - AP BGB § 613a Nr. 355 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 98). Auch erlischt ein möglicherweise entstandener Wiedereinstellungsanspruch, wenn
berechtigte Interessen des Arbeitgebers entgegenstehen, was der Fall sein kann, wenn der Arbeitgeber den Arbeitsplatz schon mit einem anderen Arbeitnehmer
besetzt und damit Dispositionen getroffen hat (vgl. BAG 4. Mai 2006 - 8 AZR 299/05 - BAGE 118, 168 = AP BGB § 613a Nr. 304 = EzA BGB 2002 § 613a
Nr. 51). Vor allem kommt nach der Rechtsprechung des Senats ein Wiedereinstellungsanspruch bei einem Betriebsübergang nach dem Ablauf der
Kündigungsfrist bei einer insolvenzbedingten Kündigung ohnehin nicht in Betracht (vgl. BAG 28. Oktober 2004 - 8 AZR 199/04 - EzA BGB 2002 § 613a Nr. 30).
III. Da die streitgegenständliche Kündigung sozial ungerechtfertigt und mithin rechtsunwirksam ist (§ 1 Abs. 1 KSchG), bedarf es keiner Entscheidung, ob die
Kündigung auch wegen Verstoßes gegen § 613a Abs. 4 Satz 1 BGB unwirksam ist. ..." (BAG, Urteil vom 16.02.2012 - 8 AZR 693/10)
***
Die Frage des Arbeitgebers nach der Schwerbehinderung bzw. einem diesbezüglich gestellten Antrag ist im bestehenden Arbeitsverhältnis jedenfalls nach
sechs Monaten, dh. ggf. nach Erwerb des Behindertenschutzes gemäß §§ 85 ff. SGB IX, zulässig. Das gilt insbesondere zur Vorbereitung von beabsichtigten
Kündigungen (BAG, Urteil vom 16.02.2012 - 6 AZR 553/10).
***
„... III. Das Arbeitsverhältnis des Klägers endete nicht aufgrund seiner Befristung mit dem Ende des Monats der Vollendung des 60. Lebensjahres am 31.
Oktober 2007. Die auf das Arbeitsverhältnis anzuwendende tarifliche Altersgrenze in § 19 Abs. 1 MTV Nr. 1 verstößt gegen das Benachteiligungsverbot
wegen des Alters in § 7 Abs. 1 iVm. § 1 AGG. Sie ist nach § 7 Abs. 2 AGG unwirksam (vgl. zu der abweichenden früheren Rspr., die Altersgrenzen von 60
Jahren für Piloten vor Inkrafttreten des AGG für sachlich gerechtfertigt iSv. § 14 Abs. 1 Satz 1 TzBfG hielt, zuletzt BAG 21. Juli 2004 - 7 AZR 589/03 - zu II
der Gründe mwN, EzA BGB 2002 § 620 Altersgrenze Nr. 5; verfassungsrechtlich gebilligt von BVerfG 25. November 2004 - 1 BvR 2459/04 - zu B II 3 c aa
der Gründe, BVerfGK 4, 219).
1. Die Vorschriften des AGG sind auf den Streitfall anzuwenden.
a) Dem steht nicht entgegen, dass die tarifliche Altersgrenze in § 19 Abs. 1 MTV Nr. 1 von den Tarifvertragsparteien am 1. Januar 2005 und damit vor
Inkrafttreten des AGG am 18. August 2006 vereinbart wurde. Die Regelungen des AGG sind auch auf Altersgrenzen anzuwenden, die vor Inkrafttreten des
AGG einzelvertraglich oder tarifvertraglich vereinbart wurden, wenn die Altersgrenze im Einzelfall erst mit oder nach Inkrafttreten des AGG erreicht wird. Nur
wenn die Altersgrenze bereits vor dem 18. August 2006 erreicht wurde, gilt nach § 33 Abs. 1 AGG altes Recht (vgl. ausführlich BAG 17. Juni 2009 - 7 AZR
112/08 (A) - Rn. 36 ff. mwN, BAGE 131, 113).
b) Das ist hier nicht der Fall. Der Kläger vollendete sein 60. Lebensjahr am 11. Oktober 2007 und erreichte die tarifliche Altersgrenze am 31. Oktober 2007.
2. Die tarifliche Altersgrenze in § 19 Abs. 1 MTV Nr. 1 verstößt gegen das Verbot der Altersdiskriminierung in § 7 Abs. 1 iVm. § 1 AGG. Mit der Altersgrenze
ist eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters verbunden. Die Altersgrenze des § 19 Abs. 1 MTV Nr. 1 ist nicht nach Art. 2 Abs. 5 der
Gleichbehandlungsrahmenrichtlinie von deren Geltungsbereich ausgenommen. Die Benachteiligung ist weder durch § 8 Abs. 1 AGG noch durch § 10 Satz 1
und Satz 2 AGG gerechtfertigt. Da das AGG ua. der Umsetzung der Gleichbehandlungsrahmenrichtlinie dient, ist es grundsätzlich unionsrechtskonform in
Übereinstimmung mit der Richtlinie auszulegen (vgl. BAG 17. Juni 2009 - 7 AZR 112/08 (A) - Rn. 43, BAGE 131, 113; 14. Januar 2009 - 3 AZR 20/07 - Rn.
17, BAGE 129, 105). Der Grundsatz der unionsrechtskonformen Auslegung verlangt, dass die nationalen Gerichte unter Berücksichtigung des gesamten
innerstaatlichen Rechts und unter Anwendung der danach anerkannten Auslegungsmethoden alles tun, was in ihrer Zuständigkeit liegt, um die volle
Wirksamkeit der betreffenden Richtlinie zu gewährleisten und zu einem Ergebnis zu gelangen, das mit dem von der Richtlinie verfolgten Ziel übereinstimmt
(vgl. für die st. Rspr. EuGH 10. März 2011 - C-109/09 - [Deutsche Lufthansa] Rn. 55 mwN, EzA TzBfG § 14 Nr. 69).
a) Die tarifliche Altersgrenzenregelung des § 19 Abs. 1 MTV Nr. 1 enthält eine unmittelbar auf dem Merkmal des Alters beruhende Ungleichbehandlung der
Arbeitnehmer, die das 60. Lebensjahr vollendet haben, gegenüber jüngeren Arbeitnehmern.
aa) Nach § 7 Abs. 1 AGG dürfen Beschäftigte nicht wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt werden. Vereinbarungen, die gegen dieses
Benachteiligungsverbot verstoßen, sind nach § 7 Abs. 2 AGG unwirksam. Der Begriff der Benachteiligung bestimmt sich nach § 3 AGG. Eine unmittelbare
Benachteiligung liegt nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung
erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde.
bb) Wird eine tarifliche Altersgrenze wie die des § 19 Abs. 1 MTV Nr. 1 erreicht, wird der Arbeitsvertrag automatisch beendet. Arbeitnehmer, die dieses Alter
erreicht haben, erfahren eine weniger günstige Behandlung iSv. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG als vergleichbare jüngere Arbeitnehmer.
(1) Eine solche Regelung führt unmittelbar zu einer auf dem Alter beruhenden Ungleichbehandlung bei den Entlassungsbedingungen (vgl. BAG 21. September
2011 - 7 AZR 134/10 - Rn. 27; 8. Dezember 2010 - 7 AZR 438/09 - Rn. 39 mwN, AP TzBfG § 14 Nr. 77 = EzA BGB 2002 § 620 Altersgrenze Nr. 10; 17. Juni
2009 - 7 AZR 112/08 (A) - Rn. 44 f., BAGE 131, 113). Wie der Gerichtshof in der Vorabentscheidung Prigge ausdrücklich erkannt hat, erfährt ein Pilot, dessen
Arbeitsverhältnis aufgrund einer tariflichen Altersgrenze automatisch mit dem Monat endet, in dem er das 60. Lebensjahr vollendet, eine weniger günstige
Behandlung als ein Pilot, der jünger ist und für dieselbe Luftfahrtgesellschaft die gleiche Tätigkeit ausübt und/oder demselben Tarifvertrag unterliegt. Die
Altersgrenze begründet eine unmittelbar auf dem Alter beruhende Ungleichbehandlung iSv. Art. 1 iVm. Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/78/EG (vgl.
EuGH 13. September 2011 - C-447/09 - [Prigge] Rn. 42 ff., EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 22 mit erläuternder Anm. Thüsing/Pötters ZIP 2011,
1886; siehe auch 21. Juli 2011 - C-159/10 und C-160/10 - [Fuchs] Rn. 33, EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 20; 18. November 2010 - C-250/09 -
[Georgiev] Rn. 32, EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 18; 12. Oktober 2010 - C-45/09 - [Rosenbladt] Rn. 37, AP Richtlinie 2000/78/EG Nr. 18 =
EzA BGB 2002 § 620 Altersgrenze Nr. 9; 12. Januar 2010 - C-229/08 - [Wolf] Rn. 28, Slg. 2010, I-1; 12. Januar 2010 - C-341/08 - [Petersen] Rn. 34, Slg.
2010, I-47; 18. Juni 2009 - C-88/08 - [Hütter] Rn. 37, Slg. 2009, I-5325; 5. März 2009 - C-388/07 - [Age Concern England] Rn. 33, Slg. 2009, I-1569; 16.
Oktober 2007 - C-411/05 - [Palacios de la Villa] Rn. 51, Slg. 2007, I-8531; zu der Altersgrenzenrechtsprechung des Gerichtshofs Preis NZA 2010, 1323).
(2) Eine nationale Regelung - hier § 14 Abs. 1 Satz 1 TzBfG - kann es aus einem sachlichen Grund zulassen, dass ein Tarifvertrag Arbeitsverträge automatisch
enden lässt, wenn ein bestimmtes Alter erreicht wird. Das ändert nichts daran, dass dieser Tarifvertrag dem Unionsrecht und insbesondere der
Gleichbehandlungsrahmenrichtlinie 2000/78/EG zu entsprechen hat (vgl. EuGH 13. September 2011 - C-447/09 - [Prigge] Rn. 46, EzA EG-Vertrag 1999
Richtlinie 2000/78 Nr. 22; 12. Oktober 2010 - C-45/09 - [Rosenbladt] Rn. 53, AP Richtlinie 2000/78/EG Nr. 18 = EzA BGB 2002 § 620 Altersgrenze Nr. 9).
Das in Art. 28 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union proklamierte Recht auf Kollektivverhandlungen muss im Geltungsbereich des Unionsrechts
im Einklang mit ihm ausgeübt werden (vgl. EuGH 13. September 2011 - C-447/09 - [Prigge] Rn. 47, aaO; 18. Dezember 2007 - C-341/05 - [Laval un Partneri]
Rn. 91, Slg. 2007, I-11767; 11. Dezember 2007 - C-438/05 - [Viking Line] Rn. 44, Slg. 2007, I-10779). Wenn die Sozialpartner Maßnahmen treffen, die in den
Geltungsbereich der Gleichbehandlungsrahmenrichtlinie fallen, die für Beschäftigung und Beruf das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters
konkretisiert, müssen sie daher unter Beachtung dieser Richtlinie vorgehen (vgl. EuGH 13. September 2011 - C-447/09 - [Prigge] Rn. 48, aaO).
b) Die Altersgrenze des § 19 Abs. 1 MTV Nr. 1 ist nicht nach Art. 2 Abs. 5 der Gleichbehandlungsrahmenrichtlinie von deren Geltungsbereich ausgenommen.
aa) Nach ihrem Art. 2 Abs. 5 berührt die Gleichbehandlungsrahmenrichtlinie nicht die im einzelstaatlichen Recht vorgesehenen Maßnahmen, die in einer
demokratischen Gesellschaft für die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit, die Verteidigung der Ordnung und die Verhütung von Straftaten, zum Schutz
der Gesundheit und zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig sind.
bb) Die Sozialpartner sind keine öffentlich-rechtlich verfassten Einrichtungen. Das hindert die Mitgliedstaaten aber nicht, es den Sozialpartnern zu gestatten,
Maßnahmen iSv. Art. 2 Abs. 5 der Gleichbehandlungsrahmenrichtlinie auf den in dieser Bestimmung genannten Gebieten, die in den Anwendungsbereich von
Tarifverträgen fallen, zu treffen. Diese Ermächtigungsvorschriften müssen hinreichend genau sein, damit gewährleistet wird, dass die genannten Maßnahmen
die in Art. 2 Abs. 5 der Gleichbehandlungsrahmenrichtlinie genannten Anforderungen beachten (vgl. EuGH 13. September 2011 - C-447/09 - [Prigge] Rn. 60
f., EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 22).
cc) Die Tarifvertragsparteien sind mit Blick auf § 19 Abs. 1 MTV Nr. 1 der Ansicht, dass für die Ausübung der Tätigkeit der Piloten wegen der Sicherheit der
Passagiere und der Bewohner der überflogenen Gebiete, aber auch aus Gründen, die die Gesundheit und die Sicherheit der Piloten selbst betreffen, eine
Altersgrenze von 60 Jahren festzulegen ist. Diese Maßnahme verfolgt Ziele, die mit der öffentlichen Sicherheit und dem Schutz der Gesundheit in
Zusammenhang stehen. Sie fällt in den Anwendungsbereich von Tarifverträgen. Es ist nach der nationalen und der internationalen Lizenzregelung jedoch nicht
erforderlich, den Piloten die Ausübung ihrer Tätigkeit nach Vollendung des 60. Lebensjahres zu untersagen. Es genügt nach JAR-FCL 1.060 Buchst. a, diese
Ausübung dahin zu beschränken, dass ein weiterer Pilot, der das 60. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, Mitglied der Flugbesatzung ist. Das in der tariflichen
Altersgrenze enthaltene Verbot, mit dem Ende des Monats, in dem das 60. Lebensjahr vollendet wird, ein Flugzeug zu führen, ist nicht notwendig iSv. Art. 2
Abs. 5 der Gleichbehandlungsrahmenrichtlinie, um das verfolgte Ziel zu erreichen (vgl. EuGH 13. September 2011 - C-447/09 - [Prigge] Rn. 62 bis 64, EzA
EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 22; zu der vom Gerichtshof vorgenommenen strengen Verhältnismäßigkeitsprüfung bei Altersgrenzen unterhalb der
gesetzlichen Regelaltersgrenze für bestimmte Beschäftigtengruppen Preis NZA 2010, 1323, 1327; Thüsing/Pötters ZIP 2011, 1886, 1888).
c) Die unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters durch die Altersgrenze in § 19 Abs. 1 MTV Nr. 1 ist nicht nach § 8 Abs. 1 AGG oder § 10 Satz 1 und
Satz 2 AGG gerechtfertigt.
aa) Eine unterschiedliche Behandlung wegen eines der in § 1 genannten Merkmale ist nach § 8 Abs. 1 AGG zulässig, wenn dieses Merkmal wegen der Art der
auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, sofern der Zweck
rechtmäßig und die Anforderung angemessen ist. Eine besondere Rechtfertigung von Ungleichbehandlungen wegen des Alters enthält § 10 AGG. Nach § 10
Satz 1 AGG ist - ungeachtet des § 8 AGG - eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein
legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Die Mittel zur Erreichung dieses Ziels müssen nach § 10 Satz 2 AGG angemessen und erforderlich sein (vgl. BAG 17. Juni
2009 - 7 AZR 112/08 (A) - Rn. 42, BAGE 131, 113).
bb) Mit § 8 Abs. 1 sowie § 10 Satz 1 und Satz 2 AGG hat der Gesetzgeber die Regelungen in Art. 4 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der
Gleichbehandlungsrahmenrichtlinie in nationales Recht umgesetzt (vgl. zu § 8 Abs. 1 AGG den besonderen Teil der Gesetzesbegründung in BT-Drucks.
16/1780 S. 35 f.; zum Umsetzungswillen für die gesamte Gleichbehandlungsrahmenrichtlinie auch den allgemeinen Teil der Gesetzesbegründung in
BT-Drucks. 16/1780 S. 1 bis 3 und S. 20 bis 27). Dabei hat er den Text der Richtlinie nahezu wörtlich in das nationale Recht übernommen (BAG 17. Juni 2009
- 7 AZR 112/08 (A) - Rn. 43, BAGE 131, 113). Dessen Regelungen sind unionsrechtskonform in Übereinstimmung mit der Richtlinie auszulegen (vgl. BAG
17. Juni 2009 - 7 AZR 112/08 (A) - aaO; 14. Januar 2009 - 3 AZR 20/07 - Rn. 17, BAGE 129, 105).
cc) Die unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters durch die Altersgrenze in § 19 Abs. 1 MTV Nr. 1 ist nicht durch § 8 Abs. 1 AGG gerechtfertigt.
(1) Nach § 8 Abs. 1 AGG ist eine unterschiedliche Behandlung wegen eines der in § 1 genannten Merkmale zulässig, wenn dieses Merkmal wegen der Art der
auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, sofern der Zweck
rechtmäßig und die Anforderung angemessen ist. Das entspricht weitgehend dem Wortlaut des Art. 4 Abs. 1 der Gleichbehandlungsrahmenrichtlinie. Danach
können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass eine Ungleichbehandlung wegen eines Merkmals, das in Zusammenhang mit einem der in Art. 1 dieser Richtlinie
genannten Diskriminierungsgründe steht, keine Diskriminierung darstellt, wenn das betreffende Merkmal aufgrund der Art einer bestimmten beruflichen
Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, sofern es sich um einen rechtmäßigen
Zweck und eine angemessene Anforderung handelt.
(2) Für Verkehrspiloten ist es wesentlich, dass sie über besondere körperliche Fähigkeiten verfügen, weil körperliche Schwächen in diesem Beruf erhebliche
Konsequenzen haben können. Die körperlichen Fähigkeiten nehmen aus Sicht des Gerichtshofs ab einem bestimmten Lebensalter ab (vgl. EuGH 13. September
2011 - C-447/09 - [Prigge] Rn. 67, EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 22 mit Bezug auf 12. Januar 2010 - C-229/08 - [Wolf] Rn. 41, Slg. 2010, I-1;
vgl. auch BVerfG 25. November 2004 - 1 BvR 2459/04 - zu B II 3 c aa der Gründe mwN, BVerfGK 4, 219). Für die Ausübung des Berufs eines
Verkehrspiloten kann das Vorhandensein besonderer körperlicher - altersabhängiger - Fähigkeiten deswegen als eine wesentliche und entscheidende berufliche
Anforderung iSv. Art. 4 Abs. 1 der Gleichbehandlungsrahmenrichtlinie angesehen werden (vgl. EuGH 13. September 2011 - C-447/09 - [Prigge] aaO).
(3) Rechtmäßiger Zweck der tariflichen Altersgrenze ist es, die Sicherheit des Flugverkehrs zu gewährleisten (vgl. EuGH 13. September 2011 - C-447/09 -
[Prigge] Rn. 68 f., EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 22).
(4) Die Tarifvertragsparteien haben den Verkehrspiloten, die unter § 19 Abs. 1 MTV Nr. 1 fallen, aber eine unverhältnismäßige Anforderung iSv. Art. 4 Abs. 1
der Gleichbehandlungsrahmenrichtlinie auferlegt, indem sie die Altersgrenze, von der an die Piloten als körperlich nicht mehr fähig zur Ausübung ihrer
beruflichen Tätigkeit gelten, auf das Ende des Monats der Vollendung des 60. Lebensjahres festgelegt haben. Die nationalen und die internationalen
Lizenzregelungen lassen die Ausübung dieser Tätigkeit im doppelt besetzten (Co-)Pilotencockpit bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres zu, wenn der
Besatzung ein (Co-)Pilot angehört, der das 60. Lebensjahr noch nicht vollendet hat (vgl. EuGH 13. September 2011 - C-447/09 - [Prigge] Rn. 73, 75, EzA
EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 22). Es gibt keine hinreichend belastbaren Erkenntnisse dafür, dass die derzeit geltenden öffentlich-rechtlichen
Beschränkungen für die Sicherheit des Luftverkehrs nicht ausreichend und deshalb weiter gehende tarifliche Beschränkungen erforderlich sind (vgl. EuGH 13.
September 2011 - C-447/09 - [Prigge] Rn. 74, aaO).
(5) Für den mit Art. 4 Abs. 1 der Gleichbehandlungsrahmenrichtlinie fast textgleichen § 8 Abs. 1 AGG gilt nach richtlinienkonformer Auslegung nichts
anderes. Die tarifliche Altersgrenze in § 19 Abs. 1 MTV Nr. 1 begründet eine unangemessene Anforderung iSv. § 8 Abs. 1 AGG.
dd) Die unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters durch die Altersgrenze in § 19 Abs. 1 MTV Nr. 1 ist nicht durch § 10 Satz 1 und Satz 2 AGG gerechtfertigt.
(1) Nach § 10 Satz 1 AGG ist - ungeachtet des § 8 AGG - eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und
durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Die Mittel zur Erreichung dieses Ziels müssen nach § 10 Satz 2 AGG angemessen und erforderlich sein. Diese
Vorschriften setzen Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Gleichbehandlungsrahmenrichtlinie um. Dort ist bestimmt, dass Ungleichbehandlungen wegen des Alters
keine Diskriminierung darstellen, sofern sie objektiv und angemessen sind und im Rahmen des nationalen Rechts durch ein legitimes Ziel, worunter
insbesondere rechtmäßige Ziele aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung zu verstehen sind, gerechtfertigt sind und die
Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind.
(2) Das Ziel der Flugsicherheit unterfällt nicht dem Begriff des Ziels iSv. § 10 Satz 1 und Satz 2 AGG. Diese Vorschriften sind richtlinienkonform dahin
auszulegen, dass die Flugsicherheit kein legitimes Ziel iSv. § 10 Satz 1 AGG ist. Ziele, die als „legitim" iSv. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der
Gleichbehandlungsrahmenrichtlinie und damit als geeignet angesehen werden können, eine Ausnahme vom Grundsatz des Verbots von Diskriminierungen aus
Gründen des Alters zu rechtfertigen, sind sozialpolitische Ziele wie solche aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt oder berufliche Bildung (vgl.
EuGH 13. September 2011 - C-447/09 - [Prigge] Rn. 81, EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 22; 18. Juni 2009 - C-88/08 - [Hütter] Rn. 41, Slg.
2009, I-5325; 5. März 2009 - C-388/07 - [Age Concern England] Rn. 46, Slg. 2009, I-1569). Ein Ziel wie das der Flugsicherheit gehört nicht zu den in Art. 6
Abs. 1 Unterabs. 1 der Gleichbehandlungsrahmenrichtlinie genannten Zielen (vgl. EuGH 13. September 2011 - C-447/09 - [Prigge] Rn. 82, aaO).
d) Die tarifliche Altersgrenze in § 19 Abs. 1 MTV Nr. 1, die schon eintritt, bevor das gesetzliche Rentenalter erreicht ist, verstößt damit gegen das
Benachteiligungsverbot wegen des Alters in § 7 Abs. 1 iVm. § 1 AGG. Sie ist nach § 7 Abs. 2 AGG unwirksam. Die Unwirksamkeitsfolge gilt auch für
tarifliche Regelungen (vgl. zB BAG 15. Februar 2011 - 9 AZR 584/09 - Rn. 54, AP TVG § 1 Vorruhestand Nr. 34; 8. Dezember 2010 - 7 ABR 98/09 - Rn. 63,
EzA TVG § 1 Betriebsnorm Nr. 5). Die Altersgrenze entfällt, ohne dass die Lücke gefüllt werden könnte (vgl. ErfK/Schlachter 12. Aufl. § 7 AGG Rn. 6). ..."
(BAG, Urteil vom 18.01.2012 - 7 AZR 211/09)
***
Die gesetzliche Vorgabe in § 1 Abs 3 S 1 KSchG, das Lebensalter als eines von mehreren Kriterien bei der Sozialauswahl zu berücksichtigen, und die durch §
1 Abs 3 S 2 KSchG eröffnete Möglichkeit, die Auswahl zum Zweck der Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur innerhalb von Altersgruppen
vorzunehmen, verstoßen nicht gegen das unionsrechtliche Verbot der Altersdiskriminierung und dessen Ausgestaltung durch die Richtlinie 2000/78/EG vom
27. November 2000 (juris: EGRL 78/2000; BAG, Urteil vom 15.12.2011 - 2 AZR 42/10).
***
„... II. Die Kündigung vom 25. September 2009 ist sozial gerechtfertigt (§ 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG). Sie ist durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt,
welche der Weiterbeschäftigung der Klägerin über den 31. Dezember 2009 hinaus entgegenstehen. Das Kündigungsschutzgesetz ist auch bei einer Kündigung
des Insolvenzverwalters zu beachten, wenn es - wie vorliegend - nach dem persönlichen und betrieblichen Geltungsbereich Anwendung findet. § 113 InsO stellt
keinen selbständigen Kündigungsgrund bei Insolvenz oder Sanierung dar (vgl. BAG 26. Juli 2007 - 8 AZR 769/06 - Rn. 52, AP BGB § 613a Nr. 324; 20.
September 2006 - 6 AZR 249/05 - Rn. 39, AP BGB § 613a Nr. 316 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 62).
Nach § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO wird vermutet, dass die Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin durch dringende betriebliche Erfordernisse, die
einer Weiterbeschäftigung im QTC BK entgegenstanden, bedingt war, da die Klägerin namentlich in der Namensliste des Interessenausgleichs vom 22.
September 2009 genannt war. Als speziellere Norm geht § 125 InsO dem allgemeinen Kündigungsschutzrecht, § 1 Abs. 5 KSchG, vor (vgl. ErfK/Gallner 11.
Aufl. § 125 InsO Rn. 1). Die Voraussetzungen des § 125 InsO liegen vor.
1. Die Betriebsänderung wurde in Form der Stilllegung des Betriebs QTC BK durchgeführt, § 111 Satz 3 Nr. 1 BetrVG.
a) Im Verhältnis zum ca. 300 km entfernten Hauptbetrieb in N/F war das QTC BK mit seinen zwölf Arbeitnehmern (§ 1 Abs. 1 BetrVG) ein selbständiger
Betrieb, § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG.
aa) Der Betrieb ist die organisatorische Einheit, innerhalb derer ein Arbeitgeber allein oder mit seinen Arbeitnehmern mit Hilfe von technischen und
immateriellen Mitteln bestimmte arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt (st. Rspr., vgl. BAG 9. Dezember 2009 - 7 ABR 38/08 - Rn. 22, AP BetrVG
1972 § 4 Nr. 19 = EzA BetrVG 2001 § 1 Nr. 8; 9. Februar 2000 - 7 ABR 21/98 -). Ein Betriebsteil ist zwar auf den Zweck des Hauptbetriebs ausgerichtet und
in dessen Organisation eingegliedert, ihm gegenüber aber organisatorisch abgrenzbar und relativ verselbständigt (vgl. BAG 19. Februar 2002 - 1 ABR 26/01 -
zu B II 1 a der Gründe, AP BetrVG 1972 § 4 Nr. 13 = EzA BetrVG 1972 § 4 Nr. 8). Für die Differenzierung zwischen Betrieb und Betriebsteil ist entscheidend
der Grad der Verselbständigung, der im Umfang der Leitungsmacht zum Ausdruck kommt. Erstreckt sich die in der organisatorischen Einheit ausgeübte
Leitungsmacht auf die wesentlichen Funktionen des Arbeitgebers in den sozialen und personellen Angelegenheiten, handelt es sich um einen Betrieb im Sinne
des § 1 BetrVG. Demgegenüber genügt für das Vorliegen eines Betriebsteils im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ein Mindestmaß an organisatorischer
Selbständigkeit gegenüber dem Hauptbetrieb. Diese liegt vor, wenn in der Einheit wenigstens eine Person mit Leitungsmacht vorhanden ist, die überhaupt
Weisungsrechte des Arbeitgebers ausübt (vgl. BAG 7. Mai 2008 - 7 ABR 15/07 - Rn. 19, NZA 2009, 328; 19. Februar 2002 - 1 ABR 26/01 - aaO; 28. Juni
1995 - 7 ABR 59/94 - AP BetrVG 1972 § 4 Nr. 8 = EzA BetrVG 1972 § 4 Nr. 7). Tritt dann die weitere Voraussetzung einer räumlich weiten Entfernung vom
Hauptbetrieb oder bei räumlicher Nähe eine durch Aufgabenbereich und Organisation weitgehende Eigenständigkeit hinzu, liegt eine eigene
betriebsverfassungsrechtliche Einheit vor (vgl. BAG 19. Februar 2002 - 1 ABR 26/01 - aaO).
Betriebsteile sind nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG vom „Hauptbetrieb" räumlich weit entfernt, wenn wegen dieser Entfernung eine sachgerechte Vertretung
der Arbeitnehmer des Betriebsteils durch den Betriebsrat des Betriebs nicht erwartet werden kann (vgl. BAG 19. Februar 2002 - 1 ABR 26/01 - AP BetrVG
1972 § 4 Nr. 13 = EzA BetrVG 1972 § 4 Nr. 8). Bei dem Merkmal der räumlich weiten Entfernung handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff.
Dessen Anwendung durch die Tatsachengerichte ist im Revisionsverfahren nur dahin gehend zu überprüfen, ob der zutreffende Bewertungsmaßstab angewandt
wurde, die Gesamtwürdigung der maßgeblichen Umstände vertretbar erscheint und keine Verstöße gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze vorliegen (vgl.
BAG 9. Dezember 2009 - 7 ABR 38/08 - Rn. 25, AP BetrVG 1972 § 4 Nr. 19 = EzA BetrVG 2001 § 1 Nr. 8; 7. Mai 2008 - 7 ABR 15/07 - Rn. 27, NZA 2009,
328; 19. Februar 2002 - 1 ABR 26/01 - aaO).
bb) Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts, die die Klägerin im Einzelnen nicht angegriffen hat, war das QTC BK in die Gesamtorganisation der
QTC der Q GmbH eingegliedert und relativ verselbständigt. Es verfügte über einen Leiter, der ausreichend Weisungsrechte ausübte. Dem Vortrag des
Beklagten, der Filialleiter habe selbständig Vorstellungsgespräche geführt, über Abmahnungen und Kündigungen entschieden sowie Urlaubsanträge
entgegengenommen, ist die Klägerin nicht entgegengetreten. Mit der Revisionsbegründung hat sie vielmehr bestätigt, der Filialleiter Herr K habe den
Mitarbeitern des QTC BK auch fachliche Weisungen erteilt. Schließlich hat das Landesarbeitsgericht festgestellt, dass der Filialleiter die Urlaubsplanung der
Reisemitarbeiter durchführte, wobei er sich mit dem NUW-Distriktleiter abzustimmen und auf die Hauptbuchungsmonate Rücksicht zu nehmen hatte. Die
dadurch zum Ausdruck kommende Leitungsmacht des Filialleiters genügt für die Annahme eines Mindestmaßes an organisatorischer Selbständigkeit.
Rechtsfehlerfrei ist auch die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, das QTC BK habe sich räumlich weit entfernt vom Hauptbetrieb in N/F befunden. Die
Entfernung betrug ca. 300 km. Eine sachgerechte Vertretung der Arbeitnehmer in B K durch den Betriebsrat in N/F konnte in einem solchen Fall nicht mehr
gewährleistet werden (vgl. BAG 19. Februar 2002 - 1 ABR 26/01 - AP BetrVG 1972 § 4 Nr. 13 = EzA BetrVG 1972 § 4 Nr. 8: dort 260 km).
b) Die Stilllegung eines Betriebs setzt den ernstlichen und endgültigen Entschluss des Unternehmers voraus, die Betriebs- und Produktionsgemeinschaft
zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer aufzuheben und die Verfolgung des bisherigen Betriebszwecks dauernd oder für eine ihrer Dauer nach unbestimmte,
wirtschaftlich nicht unerhebliche Zeitspanne nicht weiter zu verfolgen (vgl. BAG 26. April 2007 - 8 AZR 695/05 - Rn. 55, AP InsO § 125 Nr. 4; 29. September
2005 - 8 AZR 647/04 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 139 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 140; 21. Juni 2001 - 2
AZR 137/00 - AP KSchG 1969 § 15 Nr. 50 = EzA KSchG § 15 nF Nr. 53). Bei der Auflösung der Betriebsorganisation im Falle einer Betriebsstilllegung ist der
Arbeitgeber nicht gehalten, eine Kündigung erst nach deren Durchführung auszusprechen. Vielmehr kann er die Kündigung wegen beabsichtigter Stilllegung
bereits dann erklären, wenn die betrieblichen Umstände einer Betriebsstilllegung schon „greifbare Formen" angenommen haben und eine vernünftige,
betriebswirtschaftliche Betrachtung die Prognose rechtfertigt, dass bis zum Ablauf der einzuhaltenden Kündigungsfrist die Stilllegung durchgeführt sein wird
(vgl. BAG 29. September 2005 - 8 AZR 647/04 - aaO).
Der Interessenausgleich vom 22. September 2009 sah die Stilllegung von 107 der insgesamt damals bestehenden 109 QTC spätestens zum 31. Dezember 2009
vor, ohne dass sich eine Einschränkung für QTC mit Reiseschaltern ergab. Zu den 107 zum 31. Dezember 2009 stillzulegenden QTC gehörte auch der
Beschäftigungsbetrieb der Klägerin in B K, wie sich der Anlage 1 des Interessenausgleichs entnehmen lässt. Im Zeitpunkt der Kündigung hatte die Stilllegung
auch schon greifbare Formen angenommen. Nach den Regelungen des Interessenausgleichs waren die Mietverträge über die Räumlichkeiten der stillzulegenden
QTC bis spätestens 31. Dezember 2009 zu kündigen. Vor Kündigungsausspruch hatte der Beklagte am 24. September 2009 nach § 103 InsO erklärt, in den
Geschäftsbesorgungsvertrag vom 20. Juni 2008 nicht einzutreten und dessen weitere Erfüllung abzulehnen. Damit waren Ansprüche der NUW aus dem
Geschäftsbesorgungsvertrag vom 20. Juni 2008 nicht mehr durchsetzbar (vgl. Uhlenbruck/Wegener 13. Aufl. § 103 InsO Rn. 157; Andres/Leithaus InsO 2.
Aufl. § 103 Rn. 2). Das Landesarbeitsgericht hat auch festgestellt, dass der Stilllegungsbeschluss umgesetzt wurde. Mit dem Schreiben vom 15. Oktober 2009
hat sich Reise Q aus B K bei den Kunden verabschiedet und zum 31. Dezember 2009 wurde das QTC BK tatsächlich geschlossen. Dies ergibt sich auch aus
dem eigenen Sachvortrag der Klägerin, wonach „mit der Schließung des QTC B K im Dezember 2009 ... alle Unterlagen vernichtet und entsorgt" wurden,
soweit diese nicht an die NUW gingen. ..." (BAG, Urteil vom 15.12.2011 - 8 AZR 692/10)
***
Der in Art. 30 GRC geregelte Schutz von Arbeitnehmern vor ungerechtfertigter Entlassung ist nach nationalem Recht für Arbeitnehmer während der
gesetzlichen Wartezeit des § 1 KSchG dadurch gewährleistet, dass von den Gerichten für Arbeitssachen überprüft wird, ob die Kündigung gegen die guten
Sitten verstößt (§ 138 Abs. 1 BGB) oder ob sie Treu und Glauben (§ 242 BGB) aus Gründen verletzt, die nicht von § 1 KSchG erfasst sind.(Rn.11) Nach der
am 1. Januar 2005 in Kraft getretenen Neuregelung des Revisionszugangs zum Bundesarbeitsgericht zählen Landesarbeitsgerichte, die die Revision bzw. die
Rechtsbeschwerde nicht zulassen, aufgrund der Möglichkeit, die Nichtzulassungsbeschwerde auf die grundsätzliche Bedeutung einer Frage des
Unionsrechts zu stützen, nicht mehr zum Kreis der vorlagepflichtigen Gerichte iSv. Art. 267 Abs. 3 AEUV (BAG, Beschluss vom 08.12.2011 - 6 AZN 1371/11).
***
„... I. Das Landesarbeitsgericht durfte aufgrund seiner bisherigen Feststellungen nicht annehmen, die Kündigung vom 9. März 2009 sei iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1
KSchG aus verhaltensbedingten Gründen sozial gerechtfertigt.
1. Das Landesarbeitsgericht unterstellt die Anwendbarkeit von § 1 KSchG, ohne Feststellungen zur Betriebsgröße nach § 23 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 KSchG
getroffen zu haben. Dies wird es im Fall des Fehlens einer sozialen Rechtfertigung nachzuholen haben.
2. Die Begründung des Berufungsurteils hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.
a) Eine Kündigung ist aus Gründen im Verhalten des Arbeitnehmers gem. § 1 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 KSchG sozial gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer seine
vertraglichen Haupt- oder Nebenpflichten erheblich und in der Regel schuldhaft verletzt hat, eine dauerhaft störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft nicht
mehr zu erwarten steht und die Lösung des Arbeitsverhältnisses in Abwägung der Interessen beider Vertragsteile angemessen erscheint (BAG 9. Juni 2011 - 2
AZR 284/10 - Rn. 34, EzA BGB 2002 § 626 Nr. 37; 28. Oktober 2010 - 2 AZR 293/09 - Rn. 12, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 62 =
EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 78). Ein nachhaltiger Verstoß des Arbeitnehmers gegen berechtigte Weisungen des Arbeitgebers stellt eine
Vertragspflichtverletzung dar, die eine Kündigung zu rechtfertigen vermag (BAG 24. März 2011 - 2 AZR 282/10 - Rn. 12, AP BGB § 626 Nr. 233 = EzA BGB
2002 § 626 Nr. 34; 12. Mai 2010 - 2 AZR 845/08 - Rn. 20, AP BGB § 626 Nr. 230 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 31; KR/Fischermeier 9. Aufl. § 626 BGB Rn.
459 mwN). Ebenso kann eine erhebliche Verletzung der den Arbeitnehmer gemäß § 241 Abs. 2 BGB treffenden Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen
des Arbeitgebers eine Kündigung rechtfertigen (vgl. zu § 626 Abs. 1 BGB: BAG 24. März 2011 - 2 AZR 282/10 - aaO; 12. Mai 2010 - 2 AZR 845/08 - aaO).
b) Im vorliegenden Fall kann offen bleiben, ob eine verhaltensbedingte Kündigung unter besonderen Umständen auch dann berechtigt sein kann, wenn das
Verhalten dem Arbeitnehmer nicht vorwerfbar ist (vgl. bejahend APS/Dörner 3. Aufl. § 1 KSchG Rn. 276; Liebscher in Thüsing/Laux/Lembke 2. Aufl. KSchG
§ 1 KSchG Rn. 371; Linck in v. Hoyningen-Huene/Linck KSchG 14. Aufl. § 1 Rn. 475; differenzierend: MünchKommBGB/Hergenröder 5. Aufl. § 1 KSchG
Rn. 193; ablehnend: HaKo/Fiebig 3. Aufl. § 1 KSchG Rn. 224; KR/Griebeling 9. Aufl. § 1 KSchG Rn. 395; Löwisch/Spinner KSchG 9. Aufl. § 1 Rn. 96;
ErfK/Oetker 12. Aufl. § 1 KSchG Rn. 191). Die Beklagte hat derartige besondere Umstände nicht behauptet. Sie wirft dem Kläger ausschließlich
Ordnungsverstöße ohne besondere, schwerwiegende Folgen vor. Unter diesen Umständen setzt eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses voraus, dass die
Nichterfüllung der vertraglichen Pflichten dem Kläger vorwerfbar ist.
c) Eine Pfichtverletzung ist vorwerfbar, wenn der Arbeitnehmer seine ihr zugrunde liegende Handlungsweise steuern konnte (ErfK/Oetker aaO Rn. 188). Ein
Verhalten ist steuerbar, wenn es vom Willen des Arbeitnehmers beeinflusst werden kann (Linck aaO Rn. 461). Dies ist nicht der Fall, wenn dem Arbeitnehmer
die Pflichterfüllung aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen subjektiv nicht möglich ist (vgl. BAG 21. Mai 1992 - 2 AZR 10/92 - zu II 2 b bb der Gründe,
BAGE 70, 262). Ist dies vorübergehend nicht der Fall, ist er für diese Zeit von der Pflichterfüllung befreit (vgl. Palandt/Heinrichs BGB 71. Aufl. § 275 Rn. 10).
d) Der Arbeitgeber trägt im Kündigungsschutzprozess die Darlegungs- und Beweislast auch dafür, dass solche Tatsachen nicht vorgelegen haben, die das
Verhalten des Arbeitnehmers gerechtfertigt oder entschuldigt erscheinen lassen (vgl. BAG 21. Mai 1992 - 2 AZR 10/92 - BAGE 70, 262; 18. Oktober 1990 - 2
AZR 204/90 - zu II 3 a der Gründe, RzK I 10h Nr. 30). Der Umfang der ihm obliegenden Darlegungslast ist allerdings davon abhängig, wie sich der
Arbeitnehmer auf einen bestimmten Vortrag einlässt (BAG 18. Oktober 1990 - 2 AZR 204/90 - zu II 3 b der Gründe, aaO). Nach den Grundsätzen der
abgestuften Darlegungs- und Beweislast darf sich der Arbeitgeber zunächst darauf beschränken, den objektiven Tatbestand einer Arbeitspflichtverletzung
darzulegen. Er muss nicht jeden erdenklichen Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgrund vorbeugend ausschließen (BAG 21. Mai 1992 - 2 AZR 10/92 - aaO).
Will der Arbeitnehmer geltend machen, er sei aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen gehindert gewesen, seine Pflichten ordnungsgemäß zu erfüllen, muss
er diese Gründe genau angeben. Beruft er sich auf krankheitsbedingte Gründe kann es erforderlich sein, dass er substantiiert darlegt, woran er erkrankt war und
weshalb er deshalb seine Pflichten nicht ordnungsgemäß erfüllen konnte (vgl. BAG 18. Oktober 1990 - 2 AZR 204/90 - aaO).
e) Gemessen an diesen Grundsätzen durfte das Landesarbeitsgericht aufgrund seiner bisherigen Feststellungen nicht davon ausgehen, der Kläger habe dadurch,
dass er sich beharrlich rechtmäßigen Weisungen seines Arbeitgebers widersetzte, in vorwerfbarer Weise erhebliche Nebenpflichtverletzungen begangen.
aa) Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, es könne eine Verletzung der vertraglichen Pflicht des Klägers zur Rücksichtnahme aus § 241 Abs. 2
BGB darstellen, dem Verlangen der Beklagten nicht nachzukommen, während Abwesenheitszeiten aufgrund Urlaubs oder Arbeitsunfähigkeit die Schlüssel und
das Fahrtenbuch für das Dienstfahrzeug herauszugeben. Die Möglichkeit, einen Zweitschlüssel für das Fahrzeug fertigen zu lassen, stand der Berechtigung des
Verlangens nicht entgegen. Dem Kläger war das Dienstfahrzeug samt Utensilien nur zu dienstlichen Zwecken überlassen.
bb) Revisionsrechtlich ist die Annahme des Landesarbeitsgerichts nicht zu beanstanden, es sei unerheblich, dass dem Kläger als einzigem Mitarbeiter der
Dienstwagen nicht auch zur privaten Nutzung überlassen worden war. Der Kläger hat keine Tatsachen dafür vorgetragen, dass es sich um eine unzulässige
Maßregelung oder einen Verstoß gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz handeln könnte.
cc) Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, der Kläger habe die Anweisungen der Beklagten, die Utensilien für das Dienstfahrzeug für die Dauer
seiner Arbeitsunfähigkeit herauszugeben bzw. mitzuteilen, wie eine Übergabe erfolgen könne, nicht befolgt und habe damit diese sich aus dem
Arbeitsverhältnis ergebende Pflicht objektiv nicht erfüllt.
dd) Nicht zu beanstanden ist die Annahme des Landesarbeitsgerichts, der Kläger sei auch den Anzeige- und Nachweispflichten im Zusammenhang mit seiner
Arbeitsunfähigkeit nicht korrekt nachgekommen.
(1) Die Beklagte hatte den Kläger mit den Abmahnungen vom 16. und 18. Februar 2009 darauf hingewiesen, dass die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen
seinem Vorgesetzten oder dessen Stellvertreterin vorzulegen seien. Obgleich er jedenfalls am 21. Februar 2009 vom Inhalt der Abmahnungen Kenntnis
genommen hatte, sandte der Kläger die Bescheinigung für den Zeitraum vom 21. bis zum 28. Februar 2009 nicht an den Vorgesetzten oder dessen
Stellvertreterin, sondern zu Händen einer Mitarbeiterin nach H.
(2) Auch hatte der Kläger die Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit vorweg nicht unverzüglich angezeigt. Die Verpflichtung zur Anzeige nach § 5 Abs. 1 Satz 1
EFZG gilt nach dem Sinn und Zweck der Regelung für den Fall einer Fortdauer der Erkrankung entsprechend (ErfK/Dörner 12. Aufl. § 5 EFZG Rn. 19;
HaKo-EFZR/Feichtinger 2. Aufl. § 5 EFZG Rn. 16; Kunz/Wedde EFZR 2. Aufl. § 5 EFZG Rn. 61; Lepke Krankheit als Kündigungsgrund 13. Aufl. Rn. 514;
Schmitt EFZG 6. Aufl. § 5 Rn. 128 f. mwN). Nach der ausdrücklich Anweisung der Beklagten war auch die Anzeige gegenüber dem Vorgesetzten oder dessen
Vertreterin vorzunehmen. Statt dessen zeigte der Kläger die voraussichtliche Fortdauer seiner Erkrankung am 24. Februar 2009 zunächst nur dem
Sachbearbeiter „Einsatzsteuerung" an. Seinen Vorgesetzten setzte er erst um 21:33 Uhr per E-Mail in Kenntnis.
ee) Hingegen hält die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, der Kläger habe in vorwerfbarer Weise gegen seine Vertragspflichten verstoßen, einer
revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Der Kläger hat hinreichend substantiiert dargelegt, in der Zeit vom 9. Februar 2009 bis 7. März 2009 aufgrund
gesundheitlicher Beeinträchtigungen zu einem pflichtgemäßen Verhalten nicht in der Lage gewesen zu sein. Auf der Grundlage seines Vorbringens war ihm die
Erfüllung seiner Pflichten aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen subjektiv unmöglich, deren Nichterfüllung daher nicht vorwerfbar. Eine beharrliche
Weigerung, die Pflichten zu erfüllen, lag unter den behaupteten Umständen nicht vor.
(1) Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 6. Oktober 2010 vorgetragen, er habe sich im Zeitraum vom 9. Februar 2009 bis 7. März 2009 in einer akuten
depressiven Episode befunden. Diese sei durch völlige Antriebsschwäche gekennzeichnet gewesen. Er habe unter Schlafstörungen und Erschöpfungszuständen
gelitten, die ihn zeitweise tagelang ans Bett gefesselt hätten. Neben Antriebsstörungen habe er eine massive Tendenz zum sozialen Rückzug sowie eine
Vermeidungshaltung aufgewiesen. Er sei in seiner Konzentrations- und Denkfähigkeit völlig eingeschränkt gewesen. Aufgrund dessen sei er nicht in der Lage
gewesen, zu handeln wie von ihm verlangt. Er habe weder die Rückgabe des Schlüssels organisieren noch mit entsprechenden Personen Rücksprache halten
können. Aufgrund seines Zustands habe er sogar vergessen, dass sich die Gegenstände überhaupt in seinem Besitz befunden hätten.
(2) Trifft dies zu, war es dem Kläger aufgrund gesundheitlicher Beeinträchtigungen - und damit aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen - subjektiv nicht
möglich, seine Pflichten ordnungsgemäß zu erfüllen. Der Kläger hat im einzelnen dargelegt, worunter er gelitten habe, so dass er seinen Pflichten nicht habe
nachkommen können. Auch wenn sich eine solche Einschränkung der Handlungsfähigkeit nicht bereits aus den vorgelegten Attesten ergibt, ist das Vorbringen
des Klägers erheblich. Der Kläger hat sich zum Beweis nicht nur auf die ärztlichen Bescheinigungen und das Zeugnis des ihn erst später behandelnden Dr. L
berufen. Er hat außerdem Beweis angetreten durch das Zeugnis der Hausärztin, die ihn im fraglichen Zeitraum behandelt habe, und hat diese von der
Schweigepflicht entbunden.
(3) Die Behauptung des Klägers, er habe in der Zeit vom 9. Februar 2009 bis 7. März 2009 krankheitsbedingt nicht wie von ihm verlangt handeln können, ist
durch seinen Anruf bei dem Sachbearbeiter am Morgen des 24. Februar 2009 und seine E-Mail an den Vorgesetzten am Abend desselben Tages nicht widerlegt.
Zum einen hat er auch damit seine Anzeigepflichten nicht weisungsgerecht erfüllt. Zum anderen ist nicht ausgeschlossen, dass ihm gerade im Verhältnis zu
seinem Vorgesetzten ein pflichtgemäßes Verhalten nicht möglich war. ..." (BAG, Urteil vom 03.11.2011 - 2 AZR 748/10)
***
„... Die Revision hat Erfolg. Das Landesarbeitsgericht hat die auf Abgabe eines Wiedereinstellungsangebots gerichtete Klage zu Unrecht abgewiesen. Der Senat
hat über die zu behandelnden Rechtsfragen großteils schon mit Urteil vom 9. Februar 2011 entschieden (- 7 AZR 91/10 - AP BGB § 307 Nr. 52 = EzA BGB
2002 § 311a Nr. 2). Daran hält er auch unter Berücksichtigung der weiteren Argumente der Beklagten fest. Der Anspruch des Klägers folgt aus § 1 des
Änderungsvertrags der Parteien vom 30. April 2005 iVm. § 2 Nr. 1 des Vertrags vom 1. September 2003 und Nr. 1 Buchst. b, Nr. 2 Buchst. a SV. Die
Voraussetzungen dieser Bestimmungen sind erfüllt. Das Arbeitsverhältnis des Klägers wurde von der K wirksam gekündigt. Entgegen der Auffassung des
Landesarbeitsgerichts musste der Kläger nicht darlegen und beweisen, dass die Kündigung aus dringenden betrieblichen Gründen iSv. § 1 Abs. 2 KSchG
gerechtfertigt war. Er übte sein Rückkehrrecht nicht kollusiv aus. Der Kläger hat Anspruch auf eine Eingruppierung in Vergütungsgruppe T 3 Stufe 4 des
Entgeltrahmentarifvertrags (ERTV). Der als uneigentlicher Hilfsantrag zu verstehende Weiterbeschäftigungsantrag zu 2. fällt dem Senat nicht zur Entscheidung
an. Der Zahlungsantrag zu 3. hat keinen Erfolg, soweit er auf Annahmeverzug gerichtet ist. Durch die Fiktion der Abgabe der Angebotserklärung nach § 894
Satz 1 ZPO kommt noch kein Arbeitsvertrag zustande. Ob dem Antrag hingegen aus dem Klagegrund des Schuldnerverzugs zu entsprechen ist, wird das
Landesarbeitsgericht nach der gebotenen Aufhebung und Zurückverweisung festzustellen haben.
A. Die vom Landesarbeitsgericht im Tenor der angefochtenen Entscheidung zugelassene Revision ist insgesamt statthaft. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt
sowie frist- und ordnungsgemäß begründet worden, § 72 Abs. 5, § 73 Abs. 1, § 74 Abs. 1 ArbGG. Die Revision setzt sich ausreichend mit den Gründen des
angefochtenen Urteils auseinander.
I. Zur ordnungsgemäßen Begründung der Revision müssen die Revisionsgründe angegeben werden, § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO.
Bei Sachrügen sind diejenigen Umstände bestimmt zu bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt. Die Revisionsbegründung muss die Rechtsfehler
des Landesarbeitsgerichts so aufzeigen, dass Gegenstand und Richtung des Revisionsangriffs erkennbar sind. Daher muss die Revisionsbegründung eine
Auseinandersetzung mit den Gründen des angefochtenen Urteils enthalten. Hat das Berufungsgericht über mehrere selbständige Streitgegenstände mit jeweils
eigenständiger Begründung entschieden, muss die Revision für jeden Streitgegenstand begründet werden, anderenfalls ist sie hinsichtlich des nicht begründeten
Streitgegenstands unzulässig (vgl. BAG 27. Juli 2010 - 1 AZR 186/09 - Rn. 13 mwN, NZA 2010, 1446; 10. November 2010 - 5 AZR 844/09 - Rn. 11 mwN;
18. Mai 2011 - 10 AZR 346/10 - Rn. 10, NZA 2011, 878).
II. Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Das Landesarbeitsgericht hat sowohl den auf Abgabe eines Angebots gerichteten Antrag zu 1. als auch den
Weiterbeschäftigungsantrag zu 2. und den Zahlungsantrag zu 3. mit der Begründung abgewiesen, dem Kläger stehe kein Rückkehrrecht zu. Deshalb genügte es,
dass sich der Kläger ausführlich mit der Begründung des Landesarbeitsgerichts befasst hat, ihm stehe kein Anspruch auf Abgabe eines
Wiedereinstellungsangebots zu, weil dafür nach § 1 des Vertrags vom 30. April 2005 iVm. Nr. 1 Buchst. b und Nr. 2 Buchst. a SV die Wirksamkeit der
außerordentlichen Kündigung gewesen wäre, deren Voraussetzungen von ihm nicht dargelegt worden seien. Der Kläger musste bezogen auf die Anträge zu 2.
und 3. keine eigenständigen Ausführungen machen.
B. Die Revision ist hinsichtlich des Antrags zu 1., der auf Abgabe der Angebotserklärung gerichtet ist, erfolgreich. Der Kläger kann eine Eingruppierung in
Vergütungsgruppe T 3 Stufe 4 ERTV verlangen.
I. Der Antrag zu 1. ist zulässig.
1. Der Wortlaut des Antrags zu 1. ist unzweifelhaft auf die Verurteilung der Beklagten zur Abgabe eines Angebots gerichtet. Er ist nicht abweichend von
seinem Wortlaut dahin auszulegen, dass der Kläger die Verurteilung der Beklagten zur Annahme des Vertragsangebots verlangt, das er selbst mit Zustellung
des Antrags zu 1. abgegeben haben könnte.
a) Dem Kläger geht es auch nach der Klagebegründung noch nicht um das endgültige Zustandekommen eines Arbeitsvertrags mit der Beklagten, das er nur mit
übereinstimmenden Willenserklärungen - Antrag und Annahme (§§ 145 bis 147 BGB) - erwirken könnte. Eine solche Auslegung wird zwar häufig dem mit
einer sog. Wiedereinstellungsklage bekundeten Willen des Arbeitnehmers entsprechen (vgl. zB BAG 21. August 2008 - 8 AZR 201/07 - Rn. 54, AP BGB §
613a Nr. 353 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 95; 25. Oktober 2007 - 8 AZR 989/06 - Rn. 14, AP BGB § 613a Wiedereinstellung Nr. 2 = EzA BGB 2002 § 613a
Nr. 80; 14. August 2007 - 9 AZR 943/06 - Rn. 11, BAGE 123, 358). Zwingend ist das aber nicht. Es kann auch im Interesse des Arbeitnehmers liegen, nicht
schon mit Rechtskraft des seiner Klage stattgebenden Urteils vertraglich gebunden zu sein, sondern unter Berücksichtigung der konkreten Umstände
entscheiden zu können, ob er das Vertragsangebot des Arbeitgebers annimmt. Dafür spricht ua., dass im Fall einer Wiedereinstellungsklage eine Regelung fehlt,
die § 12 Satz 1 KSchG entspricht. Der Arbeitnehmer kann sich nicht durch besondere Erklärung einseitig von dem Arbeitsverhältnis lösen, das mit Rechtskraft
des Urteils durch die Fiktion der Abgabe der Annahmeerklärung nach § 894 Satz 1 ZPO entsteht (vgl. zu der Fiktion BAG 17. Dezember 2009 - 6 AZR 242/09
- Rn. 12 f., AP BGB § 620 Aufhebungsvertrag Nr. 41 = EzA BGB 2002 § 623 Nr. 10; 13. August 2008 - 7 AZR 513/07 - Rn. 14, BAGE 127, 239). Ihm bleibt
nur sein - idR ordentliches - Kündigungsrecht, wenn er inzwischen ein anderes Arbeitsverhältnis eingegangen ist. Dem Arbeitnehmer kann es demnach im
ersten Schritt auch nur um die Abgabe eines Angebots gehen (BAG 9. Februar 2011 - 7 AZR 91/10 - Rn. 20, AP BGB § 307 Nr. 52 = EzA BGB 2002 § 311a
Nr. 2).
b) Für eine Auslegung des Antrags zu 1. gegen seinen Wortlaut sprechen auch nicht die Anträge zu 2. und 3., die auf Weiterbeschäftigung und auf
Annahmeverzugsentgelt gerichtet sind und damit ein zustande gekommenes Arbeitsverhältnis voraussetzen. Bis auf diesen Umstand ist weder dem Wortlaut
des Antrags zu 1. noch der Klagebegründung in irgendeiner Weise zu entnehmen, dass der Kläger in der Sache die Abgabe einer Annahmeerklärung anstrebt.
Er hat an dem Wortlaut des auf Abgabe eines Angebots gerichteten Antrags vielmehr auch dann noch festgehalten und ihn nicht in Richtung der Abgabe einer
Annahmeerklärung interpretiert, nachdem die Beklagte diesen Antrag für unzulässig gehalten hatte.
2. Der Antrag zu 1. ist in dieser Auslegung zulässig.
a) Er ist hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.
aa) Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO muss die Klageschrift die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs sowie einen
bestimmten Antrag enthalten. Der Kläger muss eindeutig festlegen, welche Entscheidung er begehrt. Er hat den Streitgegenstand so genau zu bezeichnen, dass
der Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis (§ 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO) keinem Zweifel unterliegt und die eigentliche Streitfrage mit
Rechtskraftwirkung (§ 322 Abs. 1 ZPO) zwischen den Parteien entschieden werden kann (vgl. BAG 18. Mai 2011 - 5 AZR 181/10 - Rn. 10 mwN, EzA BGB
2002 § 611 Mehrarbeit Nr. 4). Bei dem Antrag auf Abgabe einer Willenserklärung, die nach § 894 Satz 1 ZPO mit der Rechtskraft des der Klage stattgebenden
Urteils als abgegeben gilt, erfordert das Bestimmtheitsgebot des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, dass der Klageantrag - ggf. in Verbindung mit der Klagebegründung -
die wesentlichen Vertragsbedingungen festlegt. Dazu gehören neben der Art der Tätigkeit, dem Arbeitsumfang, der Vergütung und den übrigen
Arbeitsbedingungen auch der Vertragsbeginn und die Angabe, ob der Vertrag befristet oder auf unbefristete Zeit abgeschlossen werden soll (BAG 16. Juli 2008
- 7 AZR 322/07 - Rn. 25).
bb) Nach diesen Grundsätzen ist der Inhalt des anzubietenden Arbeitsvertrags ausreichend konkretisiert. Der Zeitpunkt der Wirkung der Abgabe des Angebots -
der 1. August 2009 - ist genannt. Der wesentliche Vertragsbestandteil der Dauer der Arbeitszeit - Vollzeit - ist bezeichnet. Es fehlt allerdings die ausdrückliche
Bezeichnung der begehrten Vergütung. Nach dem Zahlungsantrag zu 3. und der Begründung dazu unterliegt es aber keinem Zweifel, dass der Kläger Vergütung
der Vergütungsgruppe T 3 Stufe 4 nach § 10 ERTV verlangt. Die von ihm ursprünglich aus Annahmeverzug begehrte Vergütung nach der Vergütungsgruppe T
5 Stufe 4 ETV hat er im Berufungsverfahren nicht mehr weiterverfolgt, sondern seinen Antrag auf die von der Beklagten für den Fall eines Rückkehranspruchs
als zutreffend erachtete Vergütung beschränkt. Die übrigen Arbeitsbedingungen ergeben sich aus Nr. 4 Satz 2 SV. Danach wird der Arbeitnehmer hinsichtlich
der zu vereinbarenden Arbeitsvertragsbedingungen und anzuwendenden tarifvertraglichen Regelungen so gestellt, als wäre er ohne Unterbrechung bei der
Beklagten weiterbeschäftigt worden (BAG 9. Februar 2011 - 7 AZR 91/10 - Rn. 22, AP BGB § 307 Nr. 52 = EzA BGB 2002 § 311a Nr. 2; vgl. auch 25.
Oktober 2007 - 8 AZR 989/06 - Rn. 14, AP BGB § 613a Wiedereinstellung Nr. 2 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 80).
b) Für die erstrebte Verurteilung zur Abgabe eines Angebots auf Abschluss eines Arbeitsvertrags besteht entgegen der Auffassung der Beklagten ein
allgemeines Rechtsschutzbedürfnis (vgl. zu einer auf Abgabe eines Angebots gerichteten zulässigen Klage BAG 27. Juli 2005 - 7 AZR 488/04 - zu I 1 der
Gründe, AP BGB § 308 Nr. 2 = EzA BGB 2002 § 308 Nr. 2). Das gilt insbesondere deshalb, weil ein einseitiges, § 12 Satz 1 KSchG entsprechendes
Lösungsrecht des Arbeitnehmers vom Vertrag fehlt (BAG 9. Februar 2011 - 7 AZR 91/10 - Rn. 23, AP BGB § 307 Nr. 52 = EzA BGB 2002 § 311a Nr. 2).
II. Der dahin zu verstehende Antrag zu 1. hat in der Sache Erfolg. Er ist in nicht zu beanstandender Weise auf die rückwirkende Abgabe einer
Angebotserklärung gerichtet. Der Kläger hat Anspruch auf Abgabe des Angebots. Die Regelungen des Rückkehrrechts im Auflösungsvertrag vom 1. September
2003, in § 1 des Änderungsvertrags vom 30. April 2005 und in der SV unterliegen einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Dem stehen weder §
310 Abs. 4 Satz 1 noch § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB entgegen. Die in Nr. 2 Buchst. a SV enthaltene Anspruchsvoraussetzung, die nicht nur eine wirksame
Kündigung, sondern darüber hinaus dringende betriebliche Gründe unter Einhaltung der Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 ff. KSchG verlangt, ist unwirksam. Sie
benachteiligt den Kläger entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Der Kläger erfüllt die übrigen
Voraussetzungen des sog. Rückkehrrechts der SV.
1. Die Klage ist nicht schon deswegen teilweise unbegründet, weil die Verurteilung der Beklagten zur Abgabe der Angebotserklärung zum 1. August 2009
(rück-)wirken soll.
a) Die Abgabe der Angebotserklärung als der ersten der beiden nötigen übereinstimmenden Willenserklärungen soll es dem Kläger ermöglichen, darüber zu
entscheiden, ob er erneut ein Arbeitsverhältnis mit der Beklagten eingehen will. Mit Rechtskraft eines obsiegenden Urteils gilt die Angebotserklärung nach §
894 Satz 1 ZPO als abgegeben. Zu welchem Zeitpunkt die fingierte Abgabe des Antrags wirkt, beurteilt sich nach materiellem Recht. Seit Inkrafttreten des §
311a Abs. 1 BGB idF des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26. November 2001 (BGBl. I S. 3138) kommt auch die Verurteilung zur Abgabe
einer Willenserklärung in Betracht, die auf eine Vertragsänderung zu einem in der Vergangenheit liegenden Zeitpunkt gerichtet ist. Nach § 275 Abs. 1 BGB ist
der Anspruch auf die Leistung zwar ausgeschlossen, soweit diese für den Schuldner oder jedermann unmöglich ist. Im Unterschied zum alten Recht ist in §
311a Abs. 1 BGB aber klargestellt, dass ein Vertrag selbst dann nicht nichtig ist, wenn er in der Vergangenheit tatsächlich nicht durchgeführt werden kann (für
die st. Rspr. BAG 9. Februar 2011 - 7 AZR 91/10 - Rn. 26, AP BGB § 307 Nr. 52 = EzA BGB 2002 § 311a Nr. 2; 15. September 2009 - 9 AZR 643/08 - Rn. 15
mwN, AP TVG § 1 Altersteilzeit Nr. 44 = EzA TVG § 4 Altersteilzeit Nr. 31).
b) Die rückwirkende Begründung eines Arbeitsverhältnisses durch Urteil, die mit der Fiktion der Abgabe der Angebotserklärung vorbereitet werden soll, ist
daher zulässig. Ausgeschlossen ist lediglich eine gerichtliche Entscheidung, mit der ein Arbeitsverhältnis mit Rückwirkung zu einem Zeitpunkt vor der
(fingierten) Abgabe des Angebots begründet werden soll (vgl. BAG 9. Februar 2011 - 7 AZR 91/10 - Rn. 27, AP BGB § 307 Nr. 52 = EzA BGB 2002 § 311a
Nr. 2; grundlegend 4. Mai 2010 - 9 AZR 155/09 - Rn. 17 und 35, BAGE 134, 223).
2. Der Kläger hat entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts Anspruch auf Abgabe der mit dem Antrag zu 1. verlangten Angebotserklärung. Grundlage
des Anspruchs ist § 1 Abs. 1 Satz 1 des Vertrags der Parteien vom 30. April 2005 iVm. § 2 Nr. 1 des Vertrags vom 1. September 2003 und Nr. 1 Buchst. b, Nr.
2 Buchst. a SV. Das ergibt eine Auslegung dieser Regelungen.
a) § 2 Nr. 1 des ursprünglichen Auflösungsvertrags der Parteien vom 1. September 2003 ist ein von der Beklagten vorformulierter Vertrag, den sie nach dem
Erscheinungsbild mehrfach verwendet hat. Der Text der Vereinbarung enthält über die persönlichen Daten des Klägers hinaus keine individuellen
Besonderheiten. Dieser Vertrag wurde durch § 1 der Vereinbarung vom 30. April 2005 lediglich an die von der SV umgestalteten Rückkehrrechte angepasst,
blieb nach § 1 Abs. 2 des Vertrags vom 30. April 2005 aber im Übrigen bestehen. Den Inhalt eines solchen typischen Mustervertrags kann der Senat selbst nach
§§ 133, 157 BGB auslegen (BAG 9. Februar 2011 - 7 AZR 91/10 - Rn. 29 mwN, AP BGB § 307 Nr. 52 = EzA BGB 2002 § 311a Nr. 2).
b) Die Regelung des besonderen Rückkehrrechts in § 1 Abs. 1 Satz 1 des Vertrags der Parteien vom 30. April 2005 iVm. § 2 Nr. 1 des Vertrags vom 1.
September 2003 und Nr. 1 Buchst. b, Nr. 2 Buchst. a SV enthält Allgemeine Geschäftsbedingungen iSv. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB. Auch Vertragsbedingungen,
die vor ihrer Verwendung kollektivrechtlich ausgehandelt worden sind, können Allgemeine Geschäftsbedingungen sein (vgl. BAG 19. März 2009 - 6 AZR
557/07 - Rn. 20 mwN, AP BGB § 611 Arbeitgeberdarlehen Nr. 1 = EzA BGB 2002 § 305c Nr. 17).
aa) Die Parteien haben hier in § 1 Abs. 1 Satz 1 des Vertrags vom 30. April 2005 auf die in Anlage 1 enthaltene SV verwiesen. Sie haben den Text der SV
vollständig verwendet, so dass deren Charakter als Allgemeine Geschäftsbedingung erhalten geblieben ist.
bb) Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen
Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden. Dabei sind die Verständnismöglichkeiten
des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen. Ansatzpunkt für die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster
Linie der Vertragswortlaut. Dabei kommt es nur dann auf das Verständnis des Wortlauts durch die konkreten Vertragspartner an, wenn sie den Inhalt der
Regelung übereinstimmend abweichend vom objektiven Wortsinn interpretieren (§ 305b BGB). Ist der Wortlaut eines Formularvertrags nicht eindeutig, ist für
die Auslegung entscheidend, wie der Vertragstext aus der Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist. Der
Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner muss beachtet werden (§ 157 BGB). Soweit auch der mit dem Vertrag verfolgte Zweck einzubeziehen
ist, gilt das nur für typische und von redlichen Geschäftspartnern verfolgte Ziele. Eine solche Auslegung nach einem objektiv-generalisierenden Maßstab ist
geboten, weil der Vertragspartner des Verwenders auf den Inhalt der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die für eine Vielzahl von Fallgestaltungen
vorformuliert worden sind und gerade unabhängig von den Besonderheiten des Einzelfalls zur Anwendung kommen sollen, keinen Einfluss nehmen kann
(BAG 9. Februar 2011 - 7 AZR 91/10 - Rn. 32, AP BGB § 307 Nr. 52 = EzA BGB 2002 § 311a Nr. 2).
cc) Klauseln in arbeitsvertraglichen Vereinbarungen, die auf kollektivrechtlich ausgehandelte Vertragsbedingungen Bezug nehmen oder inhaltlich mit ihnen
übereinstimmen, sind nach denselben Maßstäben auszulegen wie einseitig vom Arbeitgeber vorformulierte Klauseln. Auch sie betreffen eine Vielzahl von
Fällen, die eine einheitliche Auslegung erfordern. Die Arbeitnehmer, die derartige Verträge unterzeichnen, waren zudem an der Aushandlung der
Kollektivregelung nicht beteiligt und konnten sie nicht beeinflussen (vgl. BAG 28. Juli 2009 - 3 AZR 250/07 - Rn. 18, AP ArbGG 1979 § 45 Nr. 16). Die
Gründe, die zu der später in die vertragliche Vereinbarung übernommenen Kollektivregelung geführt haben, sind ihnen unbekannt. Für die Auslegung solcher
Klauseln kommt es deshalb nicht auf das Verständnis der an den Verhandlungen über die Kollektivregelung Beteiligten, sondern nach § 157 BGB auf die
Verständnismöglichkeiten der Arbeitnehmer an, mit denen später die darauf verweisende arbeitsvertragliche Regelung vereinbart wird (BAG 9. Februar 2011 -
7 AZR 91/10 - Rn. 33, AP BGB § 307 Nr. 52 = EzA BGB 2002 § 311a Nr. 2; vgl. auch 19. März 2009 - 6 AZR 557/07 - Rn. 22 mwN, AP BGB § 611
Arbeitgeberdarlehen Nr. 1 = EzA BGB 2002 § 305c Nr. 17).
c) § 1 Abs. 1 Satz 1 des Vertrags der Parteien vom 30. April 2005 iVm. § 2 Nr. 1 des Vertrags vom 1. September 2003 und Nr. 1 Buchst. b, Nr. 2 Buchst. a SV
begründen ein sog. besonderes, bis 31. Dezember 2008 auszuübendes Rückkehrrecht des Klägers in die Dienste der Beklagten. Der Kläger hat diesen
Wiedereinstellungsanspruch wirksam geltend gemacht.
aa) Die allgemeinen Anspruchsvoraussetzungen sind erfüllt. Der Kläger ist ehemaliger Arbeitnehmer der Beklagten. Er stand zum 1. Oktober 2002 in einem
Arbeitsverhältnis mit einer der sog. Kabelgesellschaften und war von der Beklagten beurlaubt.
bb) Das Arbeitsverhältnis des Klägers mit der K wurde aus dringenden betrieblichen Gründen iSv. Nr. 2 Buchst. a SV gekündigt. Dem steht nicht entgegen,
dass diese Bestimmung auf § 1 Abs. 2 ff. KSchG Bezug nimmt, die K wegen des tariflichen Sonderkündigungsschutzes des Klägers jedoch eine
außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist erklärte. Die Wirksamkeit einer solchen außerordentlichen „betriebsbedingten" Kündigung wird zwar nicht an § 1
KSchG gemessen, sondern an § 626 BGB. Zu prüfen ist nach § 626 Abs. 1 BGB aber, ob dem Arbeitnehmer im Fall ordentlicher Kündbarkeit eine
Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unzumutbar wäre (vgl. nur BAG 18. März 2010 - 2 AZR 337/08 - Rn. 16 mwN, AP BGB § 626 Nr.
228 = EzA BGB 2002 § 626 Unkündbarkeit Nr. 17). Die Voraussetzungen der außerordentlichen Kündigung sind dadurch mit denen einer ordentlichen
Kündigung verknüpft. Bei einer außerordentlichen „betriebsbedingten" Kündigung handelt es sich deswegen um eine Kündigung „aus dringenden betrieblichen
Gründen" iSv. Nr. 2 Buchst. a SV. Das Erfordernis einer „aus dringenden betrieblichen Gründen" ausgesprochenen Kündigung dient der Abgrenzung von
personen- und verhaltensbedingten Kündigungen, bei denen kein Rückkehrrecht besteht. Das macht insbesondere Nr. 5 SV deutlich. Aus der SV geht im
Übrigen nicht hervor, dass dieses Regelwerk Arbeitnehmer, die tariflich gegen ordentliche Kündigungen geschützt sind, von ihrem persönlichen
Geltungsbereich ausnehmen will. Wegen des besonderen Schutzes dieser Arbeitnehmergruppe hätte es hierfür eines klaren Anhaltspunkts im Wortlaut der SV
bedurft (BAG 9. Februar 2011 - 7 AZR 91/10 - Rn. 36, AP BGB § 307 Nr. 52 = EzA BGB 2002 § 311a Nr. 2).
cc) Der Kläger hat ein besonderes Rückkehrrecht iSv. Nr. 1 Buchst. b SV, obwohl sein Arbeitsverhältnis mit der K nicht schon mit dem 31. Dezember 2008,
sondern erst am 31. Juli 2009 endete.
(1) Nach Nr. 1 Buchst. b SV räumte die Beklagte dem Kläger ein besonderes Rückkehrrecht „nach Ablauf des allgemeinen Rückkehrrechts für weitere 36
Monate" ein. Das allgemeine Rückkehrrecht bestand nach Nr. 1 Buchst. a SV für einen Zeitraum von 24 Monaten, berechnet ab 1. Januar 2004, also bis 31.
Dezember 2005. Der Zeitraum für das besondere Rückkehrrecht endete 36 Monate später mit dem 31. Dezember 2008.
(2) Nr. 1 Buchst. b SV ist auslegungsbedürftig. Aus dem Wortlaut der Regelung geht nicht eindeutig hervor, ob mit dem Rückkehrrecht „für weitere 36
Monate" die Entstehung des Rechts bis 31. Dezember 2008, seine Geltendmachung oder die tatsächliche Rückkehr bis zu diesem Zeitpunkt gemeint ist. Der
Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner (§ 157 BGB) spricht aber dafür, dass es jedenfalls genügt, wenn das Rückkehrrecht bis 31. Dezember
2008 durch den Zugang einer ordentlichen oder außerordentlichen „betriebsbedingten" Kündigung entstand und gegenüber der Beklagten geltend gemacht
wurde. Mit Ausübung des Rückkehrrechts bis 31. Dezember 2008 erlangte die beklagte Verwenderin Planungssicherheit hinsichtlich der tatsächlichen
Rückkehr des einzelnen Arbeitnehmers. Die in Nr. 3 Satz 2 SV enthaltene Ankündigungsfrist von drei Monaten deutet zudem darauf hin, dass das Regelwerk
zwischen dem Rückkehrrecht und der tatsächlichen Rückkehr unterscheidet.
(3) Der Kläger erfüllt diese Voraussetzung des besonderen Rückkehrrechts. Die K kündigte sein Arbeitsverhältnis mit ihr unter dem 9. Dezember 2008
außerordentlich „aus betriebsbedingten Gründen". Der Kläger machte das besondere Rückkehrrecht mit dem am 15. Dezember 2008 zugegangenen Schreiben
vom 11. Dezember 2008 gegenüber der Beklagten geltend.
dd) Nr. 2 Buchst. a SV verlangt nicht nur eine wirksame Kündigung. Nach der Regelung genügt insbesondere nicht der Eintritt der Fiktion in § 7 Halbs. 1, § 13
Abs. 1 Satz 2 KSchG. Erforderlich ist darüber hinaus, dass die Kündigung unter Einhaltung der Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 ff. KSchG ausgesprochen
wurde. Die Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB ist nicht anzuwenden.
(1) Bleibt bei der Auslegung einer Allgemeinen Geschäftsbedingung nach Ausschöpfung der Auslegungsmethoden ein nicht behebbarer Zweifel, geht er nach §
305c Abs. 2 BGB zulasten des Verwenders. Die Anwendung der Unklarheitenregel setzt voraus, dass die Auslegung mindestens zwei Ergebnisse als vertretbar
erscheinen lässt und keines den klaren Vorzug verdient. Es müssen „erhebliche Zweifel" an der richtigen Auslegung bestehen. Die entfernte Möglichkeit, zu
einem anderen Ergebnis zu kommen, genügt für die Anwendung der Bestimmung nicht. Der Arbeitgeber, der die Allgemeinen Geschäftsbedingungen
verwendet, muss bei Unklarheiten die ihm am wenigsten günstige Auslegungsmöglichkeit gegen sich gelten lassen (BAG 29. Juni 2011 - 7 AZR 6/10 - Rn. 20,
NJW 2011, 3675; 9. Februar 2011 - 7 AZR 91/10 - Rn. 42 mwN, AP BGB § 307 Nr. 52 = EzA BGB 2002 § 311a Nr. 2).
(2) Die Voraussetzung zumindest zweier gleichrangiger Auslegungsergebnisse ist nicht erfüllt. Die Klausel in Nr. 2 Buchst. a SV lässt nach gebotener
Auslegung (§§ 133, 157 BGB) unter Beachtung eines objektiv-generalisierenden Maßstabs hinreichend klar erkennen, dass das Rückkehrrecht an eine
Kündigung gebunden wird, die wirksam und darüber hinaus unter Einhaltung der Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 ff. KSchG aus dringenden betrieblichen
Gründen ausgesprochen wird. Aus dem Erfordernis der Einhaltung der Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 ff. KSchG geht der Wille der verwendenden Beklagten
hervor, das Rückkehrrecht davon abhängig zu machen, dass auch im Fall der außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines ordentlich
Unkündbaren bestimmte Umstände - dringende betriebliche Gründe - tatsächlich gegeben sind. Es genügt daher nicht, dass die außerordentliche oder
ordentliche Kündigung durch Unterlassen oder Rücknahme der Kündigungsschutzklage aufgrund der Fiktionen in § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO, § 7 Halbs. 1 iVm.
§ 13 Abs. 1 Satz 2 KSchG wirksam wird.
ee) Das in Nr. 2 Buchst. a SV begründete Erfordernis einer nicht nur wirksamen, sondern unter Einhaltung der Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 ff. KSchG
ausgesprochenen Kündigung ist unwirksam. Das hat das Landesarbeitsgericht übersehen. Das Erfordernis benachteiligt den Kläger entgegen den Geboten von
Treu und Glauben unangemessen iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Die Klausel unterliegt der Inhaltskontrolle. Dem stehen weder § 310 Abs. 4 Satz 1 noch § 307
Abs. 3 Satz 1 BGB entgegen.
(1) § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB hindert die Inhaltskontrolle nicht.
(a) Nach § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB finden §§ 305 ff. BGB auf Tarifverträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen keine Anwendung. Formularmäßig
verwendete Klauseln in Arbeitsverträgen, die auf eine solche Kollektivregelung Bezug nehmen oder mit ihr übereinstimmen und lediglich deren gesamten
Inhalt wiedergeben, unterliegen deshalb keiner Inhaltskontrolle (BAG 9. Februar 2011 - 7 AZR 91/10 - Rn. 46, AP BGB § 307 Nr. 52 = EzA BGB 2002 § 311a
Nr. 2; vgl. auch 19. März 2009 - 6 AZR 557/07 - Rn. 22 mwN, AP BGB § 611 Arbeitgeberdarlehen Nr. 1 = EzA BGB 2002 § 305c Nr. 17).
(b) Die Unterzeichner der SV haben dem Regelwerk nicht den normativen Charakter eines Tarifvertrags iSv. § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB beigelegt.
(aa) Entscheidend ist, ob die Vertragspartner ihren Willen zur Normsetzung hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht haben. Dazu müssen sie durch
bindende, dh. normative Regelungen die Klärung von Rechtsanwendungsproblemen verbindlich vorwegnehmen (BAG 9. Februar 2011 - 7 AZR 91/10 - Rn. 48,
AP BGB § 307 Nr. 52 = EzA BGB 2002 § 311a Nr. 2; vgl. auch 19. Mai 2010 - 4 AZR 903/08 - Rn. 37 und 39, AP TVG § 1 Tarifverträge: Lufthansa Nr. 46).
(bb) Das trifft auf die SV nicht zu. Nach Nr. 1 SV räumt die Beklagte den Arbeitnehmern „einzelvertraglich" ein Rückkehrrecht zu ihr ein. Daran wird deutlich,
dass die SV den Anspruch nicht normativ durch unmittelbare und zwingende Wirkung für die Regelungsunterworfenen begründen will. Sie trifft vielmehr nur
eine vereinheitlichende Regelung für individualvertragliche Umsetzungsakte. Das ist der typische Fall Allgemeiner Geschäftsbedingungen (BAG 9. Februar
2011 - 7 AZR 91/10 - Rn. 49, AP BGB § 307 Nr. 52 = EzA BGB 2002 § 311a Nr. 2).
(c) Nr. 1 Buchst. b und Nr. 2 Buchst. a SV sind entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht deswegen durch § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB der sog.
AGB-Kontrolle der §§ 305 ff. BGB entzogen, weil der SV der Charakter einer schuldrechtlichen Koalitionsvereinbarung zugunsten Dritter iSv. § 328 BGB
zukäme (vgl. zum Begriff der schuldrechtlichen Koalitionsvereinbarung zugunsten Dritter BAG 5. November 1997 - 4 AZR 872/95 - zu II 1.3 der Gründe,
BAGE 87, 45; allgemein zu schuldrechtlichen Koalitionsvereinbarungen BAG 26. Januar 2011 - 4 AZR 159/09 - Rn. 21 mwN, EzA TVG § 1 Betriebsnorm Nr.
6). Der Arbeitnehmer erwirbt den Anspruch auf das Rückkehrrecht gegenüber der Beklagten nicht unmittelbar im Sinne eines echten Vertrags zugunsten Dritter
nach § 328 Abs. 1 BGB aus der SV (vgl. zu dem Erfordernis eines unmittelbaren Leistungsrechts bspw. Palandt/Grüneberg 70. Aufl. Einf. v. § 328 Rn. 1). Nr. 1
Buchst. b SV verlangt vielmehr ausdrücklich den Zwischenschritt einer einzelvertraglichen Vereinbarung des besonderen Rückkehrrechts. Die Arbeitgeberin
verpflichtet sich als Vertragspartnerin der SV gegenüber den Kabelgesellschaften und der Gewerkschaft ver.di, im Verhältnis zum Arbeitnehmer
einzelvertraglich eine entsprechende Vertragsänderung vorzunehmen. Der Anspruch des Arbeitnehmers auf die (Gegen-)Leistung des besonderen
Rückkehrrechts gegenüber der Beklagten entsteht jedoch erst mit Abschluss des Aufhebungsvertrags aufgrund des dadurch begründeten
Gegenseitigkeitsverhältnisses von Aufhebungsvereinbarung und Wiedereinstellungszusage (vgl. zu einem vergleichbaren Zwischenschritt BAG 14. August
2007 - 9 AZR 18/07 - Rn. 52, BAGE 123, 337). Der Senat kann daher offenlassen, ob schuldrechtliche Koalitionsvereinbarungen zugunsten Dritter dem
Tarifvertragsbegriff des § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB überhaupt unterfallen.
(2) § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB schließt eine Angemessenheitskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht aus.
(a) § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB bestimmt, dass die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308, 309 BGB nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen
gelten, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Eine fehlende ausdrückliche gesetzliche Regelung
führt aber nicht dazu, dass ein Klauselwerk nicht nach §§ 307 ff. BGB zu kontrollieren wäre. Auch Vertragstypen, die gesetzlich nicht geregelt sind, können am
Maßstab der §§ 307 ff. BGB gemessen werden (BAG 9. Februar 2011 - 7 AZR 91/10 - Rn. 51, AP BGB § 307 Nr. 52 = EzA BGB 2002 § 311a Nr. 2; vgl. auch
18. Januar 2006 - 7 AZR 191/05 - Rn. 27 mwN, AP BGB § 305 Nr. 8 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 13).
(aa) Nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB sind von der Inhaltskontrolle zum einen deklaratorische Vertragsklauseln ausgenommen, die in jeder Hinsicht mit einer
bestehenden gesetzlichen Regelung übereinstimmen. Eine Inhaltskontrolle derartiger Klauseln liefe leer, weil an ihre Stelle im Fall ihrer Unwirksamkeit nach §
306 Abs. 2 BGB die inhaltsgleiche gesetzliche Bestimmung träte (BAG 9. Februar 2011 - 7 AZR 91/10 - Rn. 52 mwN, AP BGB § 307 Nr. 52 = EzA BGB 2002
§ 311a Nr. 2).
(bb) Zum anderen unterliegen Abreden, die ihrer Art nach nicht der Regelung durch Gesetz oder andere Rechtsvorschriften unterfallen, sondern von den
Vertragsparteien festgelegt werden müssen, nicht der Inhaltskontrolle der §§ 307 ff. BGB. Das sind Abreden über den unmittelbaren Gegenstand der
Hauptleistung (sog. Leistungsbeschreibung) und des dafür zu zahlenden Entgelts. Der gerichtlichen Kontrolle entzogene Leistungsbeschreibungen sind solche,
die Art, Umfang und Güte der geschuldeten Leistung festlegen. Demgegenüber sind Klauseln, die das Haupt- oder Gegenleistungsversprechen einschränken,
verändern oder ausgestalten, inhaltlich zu kontrollieren (vgl. BAG 9. Februar 2011 - 7 AZR 91/10 - Rn. 53 mwN, AP BGB § 307 Nr. 52 = EzA BGB 2002 §
311a Nr. 2).
(b) Nach diesen Grundsätzen unterliegt die Regelung des besonderen Rückkehrrechts in Nr. 1 Buchst. b und Nr. 2 Buchst. a SV der Angemessenheitskontrolle
des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Die Bestimmungen gestalten iVm. § 1 des Vertrags vom 30. April 2005 - ebenso wie schon Anlage 1 Nr. 1 Buchst. b, Nr. 2
Buchst. a des Auflösungsvertrags vom 1. September 2003 - das Gegenleistungsversprechen in § 2 Nr. 1 des Auflösungsvertrags vom 1. September 2003 aus.
Dieser Vertrag vom 1. September 2003, der nach seinem Erscheinungsbild selbst Allgemeine Geschäftsbedingungen enthält, verknüpft die Aufhebung des
Arbeitsverhältnisses der Parteien mit zeitlich begrenzten Rückkehrrechten. Die Zustimmung des Arbeitnehmers zu der Vertragsaufhebung steht im
Gegenseitigkeitsverhältnis zu der Zusage der Wiedereinstellung (vgl. zu der Gegenleistung einer Abfindungszusage für die Einwilligung in die
Vertragsaufhebung zB BAG 26. September 2001 - 4 AZR 497/00 - zu I 2 b der Gründe mwN, EzA TVG § 4 Einzelhandel Nr. 51). Unmittelbarer Gegenstand
des Haupt- und Gegenleistungsversprechens ist die Aufhebung des Arbeitsverhältnisses gegen mehrere verschiedenartige Wiedereinstellungsansprüche, ein
allgemeines und ein besonderes Rückkehrrecht unterschiedlicher Dauer. Das eng zu fassende, kontrollfreie Haupt- und Gegenleistungsversprechen beschränkt
sich auf die Aufhebung des Arbeitsverhältnisses gegen das Versprechen der Wiedereinstellung. Nr. 1 Buchst. b und Nr. 2 Buchst. a SV stellen das besondere
(verlängerte) Rückkehrrecht - ebenso wie schon Anlage 1 Nr. 1 Buchst. b, Nr. 2 Buchst. a des Auflösungsvertrags vom 1. September 2003 - unter zusätzliche
Voraussetzungen, die Einhaltung der Erfordernisse des § 1 Abs. 2 ff. KSchG für eine von der K ausgesprochene „betriebsbedingte" wirksame Kündigung. Die
Klauseln gestalten damit das Gegenleistungsversprechen aus. Sie sind inhaltlich zu kontrollieren.
(3) Das in Nr. 2 Buchst. a SV begründete Erfordernis einer nicht nur wirksamen, sondern unter Einhaltung der Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 ff. KSchG
ausgesprochenen Kündigung benachteiligt den Kläger unangemessen iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB.
(a) Nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders
entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Unangemessen ist jede Beeinträchtigung eines rechtlich anerkannten Interesses des
Arbeitnehmers, die nicht durch begründete und billigenswerte Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt ist oder durch gleichwertige Vorteile ausgeglichen
wird. Die Feststellung einer unangemessenen Benachteiligung setzt eine wechselseitige Berücksichtigung und Bewertung rechtlich anzuerkennender Interessen
der Vertragspartner voraus. Die beiderseitigen Positionen müssen unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben umfassend gewürdigt werden.
Bei der Beurteilung der Unangemessenheit ist ein genereller, typisierender, vom Einzelfall losgelöster Maßstab anzulegen. Abzuwägen sind die Interessen des
Verwenders gegenüber den Interessen der typischerweise beteiligten Vertragspartner. Art und Gegenstand, Zweck und besondere Eigenart des jeweiligen
Geschäfts sind zu berücksichtigen (BAG 9. Februar 2011 - 7 AZR 91/10 - Rn. 56, AP BGB § 307 Nr. 52 = EzA BGB 2002 § 311a Nr. 2; vgl. auch 18. Januar
2006 - 7 AZR 191/05 - Rn. 30 mwN, AP BGB § 305 Nr. 8 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 13).
(b) Eine unangemessene Benachteiligung ist nach § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung wesentliche Rechte oder Pflichten,
die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist. § 307 Abs. 2 BGB konkretisiert § 307 Abs. 1
Satz 1 BGB. Sind die Voraussetzungen des § 307 Abs. 2 BGB erfüllt, wird eine unangemessene Benachteiligung vermutet (BAG 9. Februar 2011 - 7 AZR
91/10 - Rn. 57 mwN, AP BGB § 307 Nr. 52 = EzA BGB 2002 § 311a Nr. 2).
(c) Gemessen daran wird hier unwiderlegt vermutet, dass das in Nr. 2 Buchst. a SV begründete Erfordernis einer von ihm zu beweisenden nicht nur wirksamen,
sondern unter Einhaltung der Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 ff. KSchG ausgesprochenen Kündigung den Kläger entgegen den Geboten von Treu und Glauben
unangemessen iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB benachteiligt.
(aa) Nr. 2 Buchst. a SV verkehrt zum einen die für den Kündigungsschutzprozess in § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG vorgesehene Darlegungs- und Beweislast. Die
Regelung macht die Einhaltung der Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 ff. KSchG für eine von der K ausgesprochene „betriebsbedingte" Kündigung zur
Anspruchsvoraussetzung des Rückkehrrechts. Zum anderen beseitigt Nr. 2 Buchst. a SV die Fiktion in § 13 Abs. 1 Satz 2, § 7 Halbs. 1 KSchG. Die Wirkung
dieser Fiktion beschränkt sich darauf, dass eine bestimmte Kündigung wirksam ist. Ob der Kündigungsgrund tatsächlich zutrifft, ist nicht Gegenstand der
Fiktion (vgl. BAG 9. Februar 2011 - 7 AZR 91/10 - Rn. 59, AP BGB § 307 Nr. 52 = EzA BGB 2002 § 311a Nr. 2; APS/Ascheid/Hesse 3. Aufl. § 7 KSchG Rn.
7; KR/Rost 9. Aufl. § 7 KSchG Rn. 20a). Die Beseitigung der Fiktion geht über die bloße Umkehr der Darlegungs- und Beweislast im
Wiedereinstellungsprozess hinaus (vgl. zu der Verkehrung der Behauptungs- und Beweislast zB BAG 25. September 2008 - 8 AZR 607/07 - Rn. 38, AP BGB §
613a Nr. 355 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 98).
(bb) Diese in Nr. 2 Buchst. a SV enthaltene Voraussetzung ist nach § 307 Abs. 2 iVm. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam.
(aaa) Für den Arbeitnehmer, der das Rückkehrrecht ausüben will, begründet sie die Obliegenheit, eine Kündigungsschutzklage nicht nur anzustrengen, sondern
sie durch streitiges, klageabweisendes und rechtskräftiges Urteil zu beenden. Darin liegt eine unzumutbare Belastung des Arbeitnehmers, dh. eine
Einschränkung, die es gefährdet, dass der Vertragszweck - die Verknüpfung der Aufhebung des Arbeitsverhältnisses mit dem Wiedereinstellungsanspruch -
erreicht wird (vgl. § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB). Der Arbeitnehmer kann sich nicht frei entschließen, die Unsicherheiten und Belastungen eines
Kündigungsschutzrechtsstreits auf sich zu nehmen, wenn er das besondere Rückkehrrecht - den Wiedereinstellungsanspruch - durchsetzen will. Er kann seine
Klage gegen die Kabelgesellschaft nicht zurücknehmen, keinen Klageverzicht erklären, kein Versäumnisurteil gegen sich ergehen lassen und sich, ohne den
Verlust des Wiedereinstellungsanspruchs zu riskieren, nicht vergleichsweise einigen. Er kann seine Entscheidung über die Einleitung und Fortführung des
Rechtsstreits auch nicht von einer Beurteilung der Prozessaussichten abhängig machen. Er muss den Rechtsstreit vielmehr sogar dann führen, wenn er selbst der
Auffassung ist, die klagebegründenden Tatsachen nicht schlüssig vortragen zu können (vgl. zu einer auf der Grundlage von § 75 Abs. 1 BetrVG überprüften
Klageobliegenheit im Zusammenhang mit einer Sozialplanforderung BAG 22. Juli 2003 - 1 AZR 575/02 - zu III 1 b cc (1) der Gründe, BAGE 107, 100). Der
Prozesserfolg steht regelmäßig erst nach Jahren fest. Das widerspricht dem typischen Zweck eines Wiedereinstellungsanspruchs, der ua. darin besteht, Zeiten
der Arbeitslosigkeit entgegenzuwirken (BAG 9. Februar 2011 - 7 AZR 91/10 - Rn. 61, AP BGB § 307 Nr. 52 = EzA BGB 2002 § 311a Nr. 2).
(bbb) Hinzu kommt die von § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG abweichende atypische Verkehrung der Darlegungs- und Beweislast im Wiedereinstellungsprozess. Der
Arbeitnehmer muss hinsichtlich der Kündigungsgründe Tatsachen darlegen und beweisen, die er selbst idR nicht kennt und die jedenfalls nicht aus seiner
Sphäre stammen. Diese atypische Überbürdung der Beweislast für die Kündigungsgründe auf den gekündigten Arbeitnehmer ist nicht etwa geboten, um die
berechtigten Interessen der Beklagten zu wahren. Sie mag ein berechtigtes Interesse daran haben, den sich aufdrängenden Verdacht eines kollusiven
Zusammenwirkens zwischen dem Arbeitnehmer und der Kabelgesellschaft bei Ausspruch der Kündigung erkennen zu können. Die berechtigten Belange der
Beklagten gebieten es aber nicht, die Beweislast und das sog. non-liquet-Risiko für die Kündigungstatsachen auf den Arbeitnehmer zu übertragen. Die
Interessen der Beklagten sind ausreichend durch § 2 Abs. 1 Satz 2 des Vertrags vom 30. April 2005 gewahrt. Der Kläger hat ihr damit das Recht eingeräumt,
sich die Fragen der sozialen Rechtfertigung und Wirksamkeit der Kündigung von der K offenlegen zu lassen (vgl. BAG 9. Februar 2011 - 7 AZR 91/10 - Rn.
62, AP BGB § 307 Nr. 52 = EzA BGB 2002 § 311a Nr. 2).
ff) Das besondere Rückkehrrecht in Nr. 1 Buchst. b und Nr. 2 Buchst. a SV kann ohne das Erfordernis einer nicht nur wirksamen, sondern unter Einhaltung der
Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 ff. KSchG ausgesprochenen Kündigung aufrechterhalten bleiben.
(1) § 306 Abs. 1 BGB weicht von der Auslegungsregel des § 139 BGB ab. Er bestimmt, dass der Vertrag bei Teilnichtigkeit grundsätzlich aufrechterhalten
bleibt. Die Teilbarkeit der Klausel ist durch Streichung des unwirksamen Teils zu ermitteln (BAG 9. Februar 2011 - 7 AZR 91/10 - Rn. 64, AP BGB § 307 Nr.
52 = EzA BGB 2002 § 311a Nr. 2). Maßgeblich ist, ob die Klausel mehrere sachliche Regelungen enthält und der unzulässige Teil sprachlich eindeutig
abtrennbar ist. Ist die verbleibende Regelung weiter verständlich, bleibt sie bestehen (sog. blue-pencil-test, vgl. für die st. Rspr. BAG 14. September 2011 - 10
AZR 526/10 - Rn. 27, EzA-SD 2012 Nr. 1, 9; 6. Mai 2009 - 10 AZR 443/08 - Rn. 11 mwN, AP BGB § 307 Nr. 43 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 44). Handelt es
sich um eine teilbare Klausel, ist die Inhaltskontrolle jeweils für die verschiedenen, nur formal verbundenen Bestimmungen vorzunehmen (vgl. BAG 11. April
2006 - 9 AZR 610/05 - Rn. 32, BAGE 118, 36).
(2) Die Klausel in Nr. 1 Buchst. b und Nr. 2 Buchst. a SV ist teilbar und kann ohne unzumutbare Härte für die Beklagte iSv. § 306 Abs. 3 BGB aufrechterhalten
bleiben. Der wirksame Teil der Nr. 2 Buchst. a SV beschränkt sich auf die Voraussetzung einer wirksamen Kündigung, die auch bei Eintritt der Fiktion des § 7
Halbs. 1 KSchG(im Fall einer außerordentlichen Kündigung iVm. § 13 Abs. 1 Satz 2 KSchG) erfüllt ist. Die sprachliche Teilbarkeit der Klausel kann sich darin
ausdrücken, dass die Regelungen in unterschiedlichen Sätzen getroffen sind (vgl. zu einem solchen Fall BAG 12. März 2008 - 10 AZR 152/07 - Rn. 29, AP
BGB § 305 Nr. 10 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 33). Das ist jedoch nicht zwingend. Wird die Passage „unter Einhaltung der Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 ff
KSchG" in Nr. 2 Buchst. a SV gestrichen, setzt das besondere Rückkehrrecht nur noch eine wirksame Kündigung voraus, die aus Gründen der betrieblichen
Sphäre ausgesprochen wird (vgl. zu einer ähnlichen Streichung innerhalb desselben Satzes BAG 6. Mai 2009 - 10 AZR 443/08 - Rn. 11 mwN, AP BGB § 307
Nr. 43 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 44). Die Klausel ist damit inhaltlich und sprachlich teilbar. Die Regelung bleibt verständlich.
gg) Das danach ausreichende Erfordernis einer wirksamen Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers durch die K ist gewahrt. Die von der K
ausgesprochene Kündigung gilt nach § 7 Halbs. 1, § 13 Abs. 1 Satz 2 KSchG, § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO als wirksam. Der Kläger musste entgegen der Ansicht
des Landesarbeitsgerichts nicht weiter darlegen und beweisen, dass die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 ff. KSchG erfüllt sind.
3. Für ein kollusives Zusammenwirken des Klägers mit der K bei Ausspruch der Kündigung bestehen im Streitfall keine Anhaltspunkte. Dagegen spricht schon
der im Zusammenhang mit der Restrukturierungsmaßnahme geschlossene Interessenausgleich und Sozialplan (vgl. BAG 9. Februar 2011 - 7 AZR 91/10 - Rn.
66, AP BGB § 307 Nr. 52 = EzA BGB 2002 § 311a Nr. 2). Die Klagerücknahme lässt ein bewusstes Zusammenwirken des Klägers mit der K zum Nachteil der
Beklagten ebenfalls nicht erkennen. Dem Kläger war es nicht verwehrt, sich auf die Wiedereinstellungsklage zu beschränken und selbst zu bewerten, welche
Klage er für aussichtsreicher und welchen Schuldner er für „sicherer" hielt.
4. Der Kläger ist nicht auf einen Vertrag zu den Arbeitsbedingungen verwiesen, die im Vermittlungs- und Qualifizierungsbetrieb Vivento gelten. Das folgt aus
der Auslegung von § 4 Satz 1 und Satz 2 SV. Nach dieser Regelung richten sich die Wiedereinstellungsbedingungen.
a) Nr. 4 Satz 1 SV sieht vor, dass im Fall der Rückkehr ab diesem Zeitpunkt die Bestimmungen der jeweils geltenden Rationalisierungsschutz-Tarifverträge der
Deutschen Telekom AG Anwendung finden. Nach Nr. 4 Satz 2 SV wird der Arbeitnehmer hinsichtlich der zu vereinbarenden Arbeitsvertragsbedingungen und
anzuwendenden tarifvertraglichen Regelungen so gestellt, als wäre er ohne Unterbrechung bei der Deutschen Telekom AG weiterbeschäftigt worden. § 5 Abs. 1
Satz 1 und Satz 2 TV Ratio bestimmt, dass der nach den §§ 3 und 4 ausgewählte Arbeitnehmer ein Angebot auf Abschluss eines Änderungsvertrags für eine
Tätigkeit im Vermittlungs- und Qualifizierungsbetrieb Vivento der Deutschen Telekom AG erhält. § 5 Abs. 3 Satz 1 TV Ratio lässt eine Änderungskündigung
zu, wenn der Arbeitnehmer den Abschluss eines Änderungsvertrags ablehnt.
b) Der Wortlaut von Nr. 4 Satz 1 SV bindet die Geltung der Rationalisierungsschutz-Tarifverträge an den Fall der Rückkehr, dh. die Neubegründung des
Arbeitsverhältnisses durch übereinstimmende Willenserklärungen. Der Passus, wonach die Tarifverträge „ab diesem Zeitpunkt" zur Anwendung kommen
sollen, stellt klar, dass keine „automatische Überführung" in den Vermittlungs- und Qualifizierungsbetrieb Vivento zeitgleich mit der Wiedereinstellung
gemeint ist. Die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 bis Abs. 3 TV Ratio müssen erfüllt sein. Die Beklagte soll die Rechte aus § 5 Abs. 1 Satz 1 und § 5 Abs. 3
Satz 1 TV Ratio, dem betroffenen Arbeitnehmer ein Änderungsgebot zu unterbreiten und eine Änderungskündigung zu erklären, wenn der Arbeitnehmer das
Änderungsangebot ablehnt, erst mit der Neubegründung des Arbeitsverhältnisses ausüben können. Dem steht Nr. 4 Satz 2 SV nicht entgegen. Würde die
Bestimmung, nach der der Arbeitnehmer so zu stellen ist, als wäre er ohne Unterbrechung von der Beklagten weiterbeschäftigt worden, in der Weise
verstanden, dass sie unmittelbar eine Versetzung zu Vivento zur Folge hätte, wäre Nr. 4 Satz 1 SV überflüssig. Der Regelung bliebe kein Anwendungsbereich.
An dem Zusammenspiel von Nr. 4 Satz 1 und Satz 2 SV wird vielmehr deutlich, dass mit Nr. 4 Satz 2 SV sichergestellt werden soll, dass der erneut eingestellte
Arbeitnehmer trotz der Beendigung des früheren Arbeitsverhältnisses weder arbeitsvertragliche noch tarifliche Nachteile erleidet. Die arbeitsvertraglich zu
vereinbarenden Arbeitsbedingungen und die tariflichen Regelungen sollen nachgezeichnet werden, als wäre das frühere Arbeitsverhältnis nicht beendet worden.
Auf die Aufklärungsrüge der Beklagten kommt es aufgrund der vorzunehmenden Auslegung nicht an.
5. Der Rechtsstreit ist im Hinblick auf den Antrag des Klägers auf Abgabe eines Angebots nach § 563 Abs. 3 ZPO entscheidungsreif. Der Kläger hat Anspruch
auf Abgabe eines Angebots, das darauf gerichtet ist, ab 1. August 2009 ein Arbeitsverhältnis zu begründen. Das Angebot muss eine Vollzeitstelle der
Vergütungsgruppe T 3 Stufe 4 ERTV umfassen und auf die in Nr. 4 SV bezeichneten Tarifverträge Bezug nehmen.
C. Die Revision ist dagegen unbegründet, soweit der Kläger „Weiterbeschäftigung" begehrt. Der auf künftige Leistung gerichtete Antrag ist unzulässig. Die
Voraussetzungen des § 259 ZPO sind nicht erfüllt. Dabei kann dahinstehen, ob nach den Umständen des Streitfalls die Besorgnis gerechtfertigt ist, die Beklagte
werde sich der rechtzeitigen Leistung entziehen. § 259 ZPO ermöglicht nicht die Verfolgung eines erst in der Zukunft entstehenden Anspruchs. Er setzt
vielmehr voraus, dass der geltend gemachte Anspruch bereits entstanden ist (vgl. BAG 27. Oktober 2010 - 7 ABR 36/09 - Rn. 13, EzA BetrVG 2001 § 99
Einstellung Nr. 16; BGH 12. Juli 2006 - VIII ZR 235/04 - Rn. 11, NJW-RR 2006, 1485). Hieran fehlt es. Ein Vertragsverhältnis, das einen
Beschäftigungsanspruch rechtfertigen könnte, soll nach dem Antrag des Klägers erst begründet werden.
D. Hinsichtlich des Zahlungsantrags ist der Rechtsstreit an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen. Der Senat kann nicht abschließend entscheiden, ob die
Zahlungsklage begründet ist. Hierzu bedarf es weiterer tatsächlicher Feststellungen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
I. Die Revision ist jedenfalls unbegründet, soweit der Kläger Annahmeverzugsentgelt nach § 615 Satz 1 BGB begehrt. Die Beklagte schuldet dem Kläger keine
Annahmeverzugsvergütung, solange noch nicht feststeht, ob der Kläger das Angebot der Beklagten auf Abschluss eines Arbeitsvertrags annimmt, dessen
Abgabe durch die Rechtskraft dieser Entscheidung fingiert wird (§ 894 Satz 1 ZPO). Ein Anspruch aus § 611 Abs. 1, § 615 Satz 1, §§ 293 ff. BGB setzt
zumindest voraus, dass durch Abschluss eines Arbeitsvertrags ein Arbeitsverhältnis zustande gekommen ist.
II. Das Landesarbeitsgericht hat sich aber - aus seiner Sicht konsequent - nicht damit auseinandergesetzt, ob die Voraussetzungen eines
Schadensersatzanspruchs wegen Schuldnerverzugs nach § 280 Abs. 1 und Abs. 2, § 286 Abs. 1 BGB iVm. § 249 Abs. 1, § 251 Abs. 1 BGB deshalb gegeben
sind, weil die Beklagte ihre Verpflichtung zur Abgabe des im Antrag bezeichneten Vertragsangebots zum 1. August 2009 nicht erfüllt hat.
1. Nach der gebotenen Antragsauslegung verlangt der Kläger mit dem Antrag zu 3. für August 2009 und September 2009 Entgelt nicht nur aus dem
Lebenssachverhalt des Annahmeverzugs. Er fordert alternativ Schadensersatz aus dem davon zu unterscheidenden Klagegrund (§ 253 Abs. 2 Nr. 2, § 260 ZPO)
des Schuldnerverzugs. Das ergibt sich jedenfalls daraus, dass der Kläger die arbeitsgerichtliche Entscheidung gegen die Berufung der Beklagten vollumfänglich
verteidigt hat. Das Arbeitsgericht hat angenommen, die Beklagte befinde sich in Verzug mit Ihrer Verpflichtung aus der Schuldrechtlichen Vereinbarung, dem
Kläger ein Arbeitsvertragsangebot zu unterbreiten. Der Kläger habe mit der am 5. Mai 2009 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage sein Rückkehrrecht
geltend gemacht. Seither befinde sich die Beklagte in Verzug. Sie habe den Kläger nach § 249 BGB so zu stellen, als habe sie ihm rechtzeitig ein
Arbeitsvertragsangebot unterbreitet.
2. Das Landesarbeitsgericht wird nicht nur das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen dem Grunde nach, sondern insbesondere auch zum Schadensumfang
zu prüfen haben, ob der Kläger - etwa in Gestalt von Abfindungszahlungen der K nach Abschnitt B § 1 des Sozialplans vom 12. November 2008 - dadurch
möglicherweise anrechenbare Vorteile erlangt hat, dass die Beklagte ihm kein Rückkehrangebot unterbreitet hat. ..." (BAG, Urteil vom 19.10.2011 - 7 AZR 33/11).
***
Auch bei Kündigungen wegen Enttäuschung der berechtigten Loyalitätserwartungen eines kirchlichen Arbeitgebers kann die stets erforderliche
Interessenabwägung im Einzelfall zu dem Ergebnis führen, dass dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers zumutbar und die Kündigung
deshalb unwirksam ist. Abzuwägen sind das Selbstverständnis der Kirchen einerseits und das Recht des Arbeitnehmers auf Achtung seines Privat- und
Familienlebens andererseits (BAG, Urteil vom 08.09.2011 - 2 AZR 543/10).
***
Die Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG kann auch durch Zeiten einer Beschäftigung in demselben Betrieb oder Unternehmen erfüllt werden, während derer auf
das Arbeitsverhältnis nicht deutsches, sondern ausländisches Recht zur Anwendung gelangte (BAG, Urteil vom 07.07.2011 - 2 AZR 12/10):
„... II. Die persönlichen und betrieblichen Voraussetzungen für die Anwendung des Kündigungsschutzgesetzes (§ 1 Abs. 1, § 23 Abs. 1 KSchG) liegen vor.
1. Die Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG ist erfüllt. Das Arbeitsverhältnis des Klägers hat bei Zugang der Kündigung im Unternehmen der Beklagten „ohne
Unterbrechung" länger als sechs Monate bestanden. Die unter Geltung des Arbeitsvertrags vom 7. April 2008 zurückgelegten Beschäftigungszeiten sind trotz
der zwischenzeitlichen Vertragsänderungen zu berücksichtigen. Das gilt selbst dann, wenn im Zusammenhang mit der Anfang Juli 2008 eingetretenen
rechtlichen Unterbrechung ein Wechsel des Arbeitsvertragsstatuts stattgefunden haben sollte. Zugunsten der Beklagten kann daher unterstellt werden, dass -
wovon das Landesarbeitsgericht positiv ausgegangen ist - auf das erste Arbeitsverhältnis der Parteien lettisches Recht Anwendung fand.
a) § 1 Abs. 1 KSchG schließt die Anrechnung von Beschäftigungszeiten aus einem vorangehenden Arbeitsverhältnis auf die Wartezeit nicht unter allen
Umständen aus.
aa) Zwar ist nach dem Wortlaut des Gesetzes für die Wahrung der Frist jede rechtliche Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses schädlich, sei sie auch nur von
kürzester Dauer. Dies würde jedoch Sinn und Zweck der Wartezeit nicht gerecht. Danach soll der Arbeitnehmer erst nach einer gewissen Dauer der
Zugehörigkeit zum Betrieb oder Unternehmen Kündigungsschutz erwerben (BAG 23. September 1976 - 2 AZR 309/75 - zu I 2 c der Gründe, BAGE 28, 176).
Den Arbeitsvertragsparteien soll für eine gewisse Zeit die Prüfung ermöglicht werden, ob sie sich auf Dauer binden wollen (BAG 24. November 2005 - 2 AZR
614/04 - zu B 1 b der Gründe, BAGE 116, 254). Dieses Regelungsziel verlangt nicht danach, mit jeder noch so kurzen rechtlichen Unterbrechung des
Arbeitsverhältnisses die Wartezeit erneut beginnen zu lassen. So wäre es etwa vor diesem Ziel sachlich nicht zu begründen, ein Arbeitsverhältnis, das an einem
- ohnehin arbeitsfreien - Wochenende auf Veranlassung des Arbeitgebers geendet hat, selbst bei Wiedereinstellung des Arbeitnehmers zu Beginn der
darauffolgenden Woche als iSv. § 1 Abs. 1 KSchG unterbrochen anzusehen (BAG 28. August 2008 - 2 AZR 101/07 - Rn. 18, AP KSchG 1969 § 1 Nr. 88; 19.
Juni 2007 - 2 AZR 94/06 - Rn. 13, BAGE 123, 185). Es ist deshalb für den Lauf der Wartezeit unschädlich, wenn innerhalb des Sechsmonatszeitraums zwei
oder mehr Arbeitsverhältnisse liegen, die ohne zeitliche Unterbrechung unmittelbar aufeinanderfolgen. Setzt sich die Beschäftigung des Arbeitnehmers nahtlos
fort, ist typischerweise von einem „ununterbrochenen" Arbeitsverhältnis auszugehen. Das gilt auch dann, wenn der Arbeitnehmer während der Wartezeit
verschiedenartige Tätigkeiten ausgeübt hat (vgl. BAG 23. September 1976 - 2 AZR 309/75 - zu I 2 f der Gründe, aaO; KR/Griebeling 9. Aufl. § 1 Rn. 114;
MünchKommBGB/Hergenröder 5. Aufl. § 1 KSchG Rn. 33; Schwarze in Schwarze/Schrader/Eylert KSchG § 1 Rn. 1; SPV/Vossen 10. Aufl. Rn. 876;
einschränkend: ErfK/Oetker 11. Aufl. § 1 KSchG Rn. 40; Löwisch/Spinner KSchG 9. Aufl. § 1 Rn. 43).
bb) Selbst in Fällen, in denen es an einer nahtlosen Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses fehlt, kann eine rechtliche Unterbrechung unbeachtlich sein, wenn sie
verhältnismäßig kurz ist und zwischen beiden Arbeitsverhältnissen ein enger sachlicher Zusammenhang besteht. Dafür kommt es insbesondere auf Anlass und
Dauer der Unterbrechung sowie auf die Art der Weiterbeschäftigung an (st. Rspr., bspw. BAG 28. August 2008 - 2 AZR 101/07 - Rn. 19, AP KSchG 1969 § 1
Nr. 88; 19. Juni 2007 - 2 AZR 94/06 - Rn. 13, BAGE 123, 185; grundlegend: 6. Dezember 1976 - 2 AZR 470/75 - zu 3 d der Gründe, BAGE 28, 252). Ob diese
Voraussetzungen erfüllt sind, hängt vom Einzelfall ab. Eine feste zeitliche Begrenzung für den Unterbrechungszeitraum besteht nicht. Je länger die
Unterbrechung gedauert hat, desto gewichtiger müssen die für einen sachlichen Zusammenhang sprechenden Umstände sein (vgl. BAG 28. August 2008 - 2
AZR 101/07 - Rn. 20, aaO; 20. August 1998 - 2 AZR 76/98 - zu II 1 der Gründe, AP KSchG 1969 § 1 Wartezeit Nr. 9 = EzA KSchG § 1 Nr. 49).
b) Diese Grundsätze kommen auch dann zum Tragen, wenn für das frühere Arbeitsverhältnis nicht deutsches, sondern ausländisches Recht galt. Für die
Anrechnung von Beschäftigungszeiten aus einem vorangegangenen Arbeitsverhältnis ist es grundsätzlich unerheblich, ob dieses einem anderen
Arbeitsvertragsstatut unterlag.
aa) Ob fremdem Recht unterfallende Vorgänge bei der Anwendung einer deutschen Rechtsnorm Berücksichtigung finden, ist durch Auslegung des
einschlägigen deutschen Gesetzes zu ermitteln (bspw. MünchKommBGB/Sonnenberger 5. Aufl. Einl. IPR Rn. 609; Deinert RIW 2008, 148, 150 f.; Otto/Mückl
BB 2008, 1231). Maßgeblich ist § 1 Abs. 1 KSchG.
bb) Dem Wortlaut nach verlangt diese Bestimmung nur, dass das Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen länger als sechs Monate bestanden
hat. Eine (Selbst-)Beschränkung in dem Sinne, dass auf das Arbeitsverhältnis durchgehend deutsches Recht zur Anwendung gelangt sein müsse, lässt sich
daraus nicht ableiten. Das Gesetz stellt - im Gegenteil - mit der Anknüpfung an den Begriff „Unternehmen" einen Auslandsbezug zumindest insoweit her, als es
in seinen Geltungsbereich auf diese Weise auch solche Arbeitsverhältnisse einbezieht, die mit ausländischen Unternehmen bestehen. Bereits dies spricht dafür,
dass es auf das Vertragsstatut, unter dem die Beschäftigungszeiten zurückgelegt wurden, nicht entscheidend ankommt.
cc) Dies wird durch Sinn und Zweck der Wartezeitregelung bestätigt. Dem Ziel, sich gegenseitig kennenzulernen und prüfen zu können, dient auch die
Beschäftigung in einem Arbeitsverhältnis, auf das vorübergehend deutsches Recht keine Anwendung fand. Die Frage, ob sich der Arbeitgeber enger an den
Arbeitnehmer binden will, stellt sich im Geltungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes nach sechsmonatiger Dauer der Beschäftigung. Die Möglichkeit, dies
sachgerecht zu beurteilen, hängt nicht davon ab, dass auf das Arbeitverhältnis durchgängig deutsches Recht zur Anwendung gelangt ist. Auch Zeiten einer
Beschäftigung auf der Grundlage fremden Vertragsstatuts bieten dem Arbeitgeber dazu ausreichend Gelegenheit (vgl. ErfK/Oetker 11. Aufl. § 1 KSchG Rn. 41).
dd) Der Anrechnung von Beschäftigungszeiten unter fremdem Arbeitsvertragsstatut stehen keine systematischen Erwägungen entgegen. Sie gerät insbesondere
nicht in Widerspruch zur Begrenzung des Geltungsbereichs des Kündigungsschutzgesetzes auf in Deutschland gelegene Betriebe in § 23 Abs. 1 KSchG.
(1) Der Erste Abschnitt des Kündigungsschutzgesetzes findet zwar nur auf Betriebe Anwendung, die in Deutschland gelegen sind (vgl. BAG 8. Oktober 2009 -
2 AZR 654/08 - Rn. 13, EzA KSchG § 23 Nr. 35; 17. Januar 2008 - 2 AZR 902/06 - BAGE 125, 274; siehe auch BVerfG 12. März 2009 - 1 BvR 1250/08 -).
Dies schließt es aus, bei der Beurteilung, ob die deutsche Zweigniederlassung eines ausländischen Unternehmens die Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 KSchG
erfüllt, im Ausland tätige Arbeitnehmer zu berücksichtigen, jedenfalls soweit deren Arbeitsverhältnisse nicht deutschem Recht unterliegen (BAG 26. März
2009 - 2 AZR 883/07 - Rn. 22, AP KSchG 1969 § 23 Nr. 45). Im Gegensatz zu § 23 Abs. 1 KSchG stellt § 1 Abs. 1 KSchG aber nicht nur auf die jeweiligen
Verhältnisse im Betrieb ab, sondern erweitert seinen Anwendungsbereich auf das gesamte Unternehmen des Arbeitgebers.
(2) Zudem beruht die Beschränkung des Geltungsbereichs des Kündigungsschutzgesetzes auf in Deutschland gelegene Betriebe auf dem Umstand, dass die
Gewährung von Kündigungsschutz gegenüber einem Arbeitnehmer Auswirkungen auf die Arbeitsverhältnisse des Arbeitgebers mit anderen Arbeitnehmern
haben kann. Das ist widerspruchsfrei nur möglich, wenn im Zeitpunkt der Kündigung gegenüber allen möglicherweise betroffenen Arbeitnehmern und
gegenüber dem Arbeitgeber dasselbe, nämlich deutsches Kündigungsschutz- und Arbeitsrecht angewendet und auch durchgesetzt werden kann (vgl. BAG 26.
März 2009 - 2 AZR 883/07 - Rn. 15 ff., AP KSchG 1969 § 23 Nr. 45). Demgegenüber berührt die Frage, ob auf die Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG
Beschäftigungszeiten aus einem Arbeitsverhältnis anzurechnen sind, das einer anderen Rechtsordnung unterfällt, in erster Linie die individuellen Verhältnisse
des betreffenden Arbeitnehmers. Außerdem stellt sie sich nur in Bezug auf Arbeitsverhältnisse, die jedenfalls im Kündigungszeitpunkt deutschem Recht unterlagen.
ee) Zu Unrecht meint die Revision, die Anrechnung von Beschäftigungszeiten, die unter Geltung fremden Arbeitsvertragsstatuts zurückgelegt wurden, schränke
in unzulässiger Weise ihre nach Kollisionsrecht gegebenen Rechtswahlmöglichkeiten ein. Es entspricht den allgemeinen Grundsätzen des Internationalen
Privatrechts, dass im Fall eines Statutenwechsels das „alte" Statut für die Begründung der Rechte, Rechtslagen und Rechtsverhältnisse und für die bis zum
Statutenwechsel eingetretenen Wirkungen anwendbar bleibt. Über weitere Wirkungen entscheidet das „neue" Vertragsstatut. So ist an deutschem Recht zu
messen, ob und inwieweit Vorgänge, die sich unter Geltung fremden Rechts ereignet haben, im Sinne der fraglichen inländischen Norm als tatbestandsmäßig
anzuerkennen sind oder nicht (vgl. MünchKommBGB/Sonnenberger 5. Aufl. Einl. IPR Rn. 607; Deinert RIW 2008, 148; v. Hoffmann/Thorn IPR 9. Aufl. § 5
Rn. 104; ähnlich für den Fall des Betriebsübergangs: BAG 26. Mai 2011 - 8 AZR 37/10 - Rn. 43 ff.). Es geht in solchen Fällen nicht um eine - unzulässige -
Anwendung deutschen Rechts auf einen Auslandssachverhalt, sondern um die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine deutsche Norm - hier § 1 Abs. 1
KSchG - auf ein ihrem Wirkungskreis unterliegendes Arbeitsverhältnis anzuwenden ist (vgl. Junker RIW 2001, 94, 105; Schlachter NZA 2000, 57, 63; Straube
DB 2009, 1406). Darauf musste und konnte sich die Beklagte einrichten, als sie sich der deutschen Rechtsordnung unterwarf.
ff) Mögliche praktische Schwierigkeiten, die sich im Hinblick auf eine Einbeziehung solcher Beschäftigungszeiten ergeben können, die unter Geltung
ausländischen Rechts zurückgelegt wurden, rechtfertigen kein anderes Ergebnis. Zwar mag im Einzelfall die Feststellung, ob es sich bei einem
Vertragsverhältnis, das zeitweise ausländischem Vertragsstatut unterlag, durchgängig um ein Arbeitsverhältnis im kündigungsschutzrechtlichen Sinne
gehandelt hat, nicht einfach sein. Dies ist aber nach der ratio legis des § 1 Abs. 1 KSchG hinzunehmen. Abgesehen davon dürfte vielfach - so auch im Streitfall
- der Arbeitnehmerstatus des Beschäftigten während der ausländischem Recht unterfallenden Zeiten unstreitig sein.
c) Danach hat das Landesarbeitsgericht zu Recht die unter Geltung des Arbeitsvertrags vom 7. April 2008 zurückgelegten Beschäftigungszeiten in die
Berechnung der Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG einbezogen.
aa) Der Kläger stand ab dem 7. April 2008 in einem Arbeitsverhältnis zur „P AG". Der auf den 9. Juni 2008 datierte - neue - Arbeitsvertrag bezeichnet als
Arbeitgeberin die „P, Aktiengesellschaft lettischen Rechts, Zweigniederlassung B". Eine Änderung der Arbeitgeberstellung ging damit nicht einher. Mit beiden
Bezeichnungen ist dieselbe juristische Person angesprochen. Die Zweigniederlassung der Beklagten ist ausweislich der Eintragungen in das Handelsregister
rechtlich unselbständig. Aus § 53 des Kreditwesengesetzes (KWG) folgt nicht, dass sie als eigenständiges Unternehmen iSv. § 1 Abs. 1 KSchG anzusehen
wäre. Gemäß § 53 Abs. 1 Satz 1 KWG gilt die inländische Zweigstelle eines ausländischen Unternehmens, die Bankgeschäfte betreibt oder
Finanzdienstleistungen erbringt, als Kreditinstitut oder Finanzdienstleistungsinstitut. Nach § 53 Abs. 2 Nr. 6 KWG gilt das Institut für die Anwendung von § 36
Abs. 1 KWG als juristische Person. Darüber hinaus gilt nach § 53 Abs. 2a KWG die Zweigstelle für die Bestimmungen des Gesetzes, „die daran anknüpfen,
dass ein Institut das Tochterunternehmen eines Unternehmens mit Sitz im Ausland ist, als hundertprozentiges Tochterunternehmen der Institutszentrale mit Sitz
im Ausland". Diesen Regelungen ist der Zweck gemein, die Vorschriften des KWG auf rechtlich und wirtschaftlich unselbständige Zweigstellen eines
Unternehmens mit Sitz in einem anderen Staat anwendbar zu machen. Ihre Wirkungen gehen aber nicht darüber hinaus.
bb) Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, die rechtliche - in tatsächlicher Hinsicht allenfalls den 5. und 6. Juli 2008 betreffende - Unterbrechung des
Arbeitsverhältnisses der Parteien sei unbeachtlich, lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Da die rechtliche Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses mit einem
Wochenende zusammenfiel, dürfte ohnehin von einer nahtlosen Fortsetzung der Beschäftigung des Klägers auszugehen sein. Zumindest ist revisionsrechtlich
nicht zu beanstanden, dass das Landesarbeitsgericht einen engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang zwischen den beiden Arbeitsverhältnissen bejaht
hat. Nach übereinstimmendem Vortrag der Parteien war der Kläger durchweg als Filialleiter beschäftigt, mag er sich zeitweise auch in der Einarbeitung
befunden haben. Die Gründe für die Unterbrechung lagen weder in den betrieblichen Verhältnissen noch im Verhalten des Klägers. Ebenso wenig ist für die
Anwendung von § 1 Abs. 1 KSchG von Belang, ob der Kläger unter Geltung des ersten Arbeitsvertrags nach Deutschland lediglich „entsandt" worden war. Die
Beklagte hat selbst vorgebracht, dies habe seiner Erprobung gedient.
cc) Unschädlich ist, dass der Kläger mit Unterzeichnung des Arbeitsvertrags vom 9. Juni 2008 erklärte, zwischen den Parteien habe zuvor kein
Arbeitsverhältnis bestanden. Mit dieser Erklärung konnte er sich künftiger Rechte aus dem Kündigungsschutzgesetz nicht begeben.
dd) Ausgehend vom 7. April 2008 errechnet sich bis zum Zugang der Kündigung eine Beschäftigungszeit von knapp acht Monaten. Selbst wenn man nur auf
die Zeiten abstellen wollte, während derer der Kläger regelmäßig in M tätig war, mithin die Zeit ab dem 20. Mai 2008, wäre die Wartezeit erfüllt.
2. Der betriebliche Geltungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes ist eröffnet.
a) Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, die M Filiale und die damals in B ansässige Zweigniederlassung der Beklagten seien als ein einheitlicher Betrieb
iSv. § 23 Abs. 1 KSchG anzusehen, wird von der Revision nicht angegriffen. Sie ist auch materiellrechtlich nachvollziehbar. Die Beklagte hat im vorliegenden
Rechtsstreit nicht behauptet, in der M Filiale sei ein Leitungsapparat vorhanden gewesen, der wesentliche Entscheidungen in personellen und sozialen
Angelegenheiten selbständig habe treffen können. Solche Befugnisse lagen bei der Leitung der Zweigniederlassung B. Diese zeichnete auch für die Kündigung
des Klägers und anderer Beschäftigter der Filiale verantwortlich (zu den einzelnen Voraussetzungen eines selbständigen Leitungsapparats vgl. BAG 28.
Oktober 2010 - 2 AZR 392/08 - Rn. 17, EzA KSchG § 23 Nr. 37; 15. März 2001 - 2 AZR 151/00 - zu II 1 b der Gründe, EzA KSchG § 23 Nr. 23; jeweils
mwN). Die Entfernung zwischen B und M rechtfertigt kein anderes Ergebnis. Ein Betrieb im kündigungsrechtlichen Sinne setzt keine räumliche Einheit voraus
(BAG 15. März 2001 - 2 AZR 151/00 - aaO).
b) In ihrem Betrieb beschäftigte die Beklagte regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer ausschließlich der Auszubildenden. Der Kläger gehörte, was ausreicht,
dem Betrieb im Kündigungszeitpunkt an.
III. Die Kündigung ist sozial ungerechtfertigt. Sie ist nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse iSv. § 1 Abs. 2 KSchG bedingt.
1. Dringende betriebliche Erfordernisse iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG liegen vor, wenn das Bedürfnis für eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers im
Betrieb entfallen ist (BAG 16. Dezember 2010 - 2 AZR 770/09 - Rn. 13, EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 165). Regelmäßig entsteht ein
solches Erfordernis nicht allein und unmittelbar durch bestimmte wirtschaftliche Entwicklungen (Produktions- oder Umsatzrückgang etc.), sondern aufgrund
einer hierdurch veranlassten Organisationsentscheidung des Arbeitgebers (unternehmerische Entscheidung). Diese Entscheidung als solche ist gerichtlich nicht
auf ihre sachliche Rechtfertigung oder ihre Zweckmäßigkeit hin, sondern nur darauf hin zu überprüfen, ob sie offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder
willkürlich ist (BAG 16. Dezember 2010 - 2 AZR 770/09 - aaO; 10. Juli 2008 - 2 AZR 1111/06 - Rn. 24 mwN, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte
Kündigung Nr. 181 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 163; 18. Oktober 2006 - 2 AZR 434/05 - Rn. 31, EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte
Kündigung Nr. 151). Von den Gerichten nachzuprüfen ist dagegen, ob die Entscheidung tatsächlich vollzogen wurde und das Beschäftigungsbedürfnis für
einzelne Arbeitnehmer hat entfallen lassen (BAG 10. Juli 2008 - 2 AZR 1111/06 - aaO; 17. Juni 1999 - 2 AZR 522/98 - zu II 1 a der Gründe, BAGE 92, 61).
2. Allerdings kann in Fällen, in denen die Organisationsentscheidung des Arbeitgebers und sein Kündigungsentschluss praktisch deckungsgleich sind, die
ansonsten berechtigte Vermutung, die Entscheidung sei aus sachlichen Gründen erfolgt, nicht unbesehen greifen. In diesen Fällen muss der Arbeitgeber
vielmehr konkrete Angaben dazu machen, wie sich seine Organisationsentscheidung auf die Einsatzmöglichkeiten der Arbeitnehmer auswirkt (BAG 16.
Dezember 2010 - 2 AZR 770/09 - Rn. 14, EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 165; 10. Juli 2008 - 2 AZR 1111/06 - Rn. 26, AP KSchG 1969 § 1
Betriebsbedingte Kündigung Nr. 181 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 163; jeweils mwN). Der Arbeitgeber muss konkret erläutern, in
welchem Umfang und aufgrund welcher Maßnahmen die bisher von dem betroffenen Arbeitnehmer ausgeübten Tätigkeiten für diesen zukünftig entfallen. Er
muss die Auswirkungen seiner unternehmerischen Vorgaben auf die zukünftige Arbeitsmenge anhand einer schlüssigen Prognose konkret darstellen und
angeben, wie die anfallenden Arbeiten vom verbliebenen Personal ohne überobligationsmäßige Leistungen erledigt werden können (BAG 16. Dezember 2010 -
2 AZR 770/09 - Rn. 15, aaO; 13. Februar 2008 - 2 AZR 1041/06 - Rn. 16 mwN, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 174 = EzA KSchG § 1
Betriebsbedingte Kündigung Nr. 158).
3. Diesen Anforderungen wird der Sachvortrag der Beklagten nicht gerecht. Ihre Organisationsentscheidung (Einsparung von Personalkosten durch
Arbeitsplatzabbau, ua. Streichung der Stelle eines Filialleiters) ist mit dem Entschluss zur Kündigung nahezu identisch. Die Beklagte hätte daher die
organisatorische Durchführbarkeit und Nachhaltigkeit ihrer Entscheidung näher darlegen müssen. Das ist, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend ausgeführt
hat, nicht geschehen. ..."
***
„... II. Die persönlichen und betrieblichen Voraussetzungen für die Anwendung des Kündigungsschutzgesetzes (§ 1 Abs. 1, § 23 Abs. 1 KSchG) liegen vor.
1. Die Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG ist erfüllt. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin hat bei Zugang der Kündigung im Unternehmen der Beklagten „ohne
Unterbrechung" länger als sechs Monate bestanden. Die unter Geltung des Arbeitsvertrags vom 6. Mai 2008 zurückgelegten Beschäftigungszeiten sind trotz der
zwischenzeitlichen Vertragsänderung zu berücksichtigen. Das gilt selbst dann, wenn im Zusammenhang mit der Anfang September 2008 eingetretenen
rechtlichen Unterbrechung ein Wechsel des Arbeitsvertragsstatuts stattgefunden haben sollte. Zugunsten der Beklagten kann daher unterstellt werden, dass -
wovon das Landesarbeitsgericht positiv ausgegangen ist - auf das erste Arbeitsverhältnis der Parteien lettisches Recht Anwendung fand.
a) § 1 Abs. 1 KSchG schließt die Anrechnung von Beschäftigungszeiten aus einem vorangehenden Arbeitsverhältnis auf die Wartezeit nicht unter allen
Umständen aus.
aa) Zwar ist nach dem Wortlaut des Gesetzes für die Wahrung der Frist jede rechtliche Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses schädlich, sei sie auch nur von
kürzester Dauer. Dies würde jedoch Sinn und Zweck der Wartezeit nicht gerecht. Danach soll der Arbeitnehmer erst nach einer gewissen Dauer der
Zugehörigkeit zum Betrieb oder Unternehmen Kündigungsschutz erwerben (BAG 23. September 1976 - 2 AZR 309/75 - zu I 2 c der Gründe, BAGE 28, 176).
Den Arbeitsvertragsparteien soll für eine gewisse Zeit die Prüfung ermöglicht werden, ob sie sich auf Dauer binden wollen (BAG 24. November 2005 - 2 AZR
614/04 - zu B 1 b der Gründe, BAGE 116, 254). Dieses Regelungsziel verlangt nicht danach, mit jeder noch so kurzen rechtlichen Unterbrechung des
Arbeitsverhältnisses die Wartezeit erneut beginnen zu lassen. So wäre es etwa vor diesem Ziel sachlich nicht zu begründen, ein Arbeitsverhältnis, das an einem
- ohnehin arbeitsfreien - Wochenende auf Veranlassung des Arbeitgebers geendet hat, selbst bei Wiedereinstellung des Arbeitnehmers zu Beginn der
darauffolgenden Woche als iSv. § 1 Abs. 1 KSchG unterbrochen anzusehen (BAG 28. August 2008 - 2 AZR 101/07 - Rn. 18, AP KSchG 1969 § 1 Nr. 88; 19.
Juni 2007 - 2 AZR 94/06 - Rn. 13, BAGE 123, 185). Es ist deshalb für den Lauf der Wartezeit unschädlich, wenn innerhalb des Sechsmonatszeitraums zwei
oder mehr Arbeitsverhältnisse liegen, die ohne zeitliche Unterbrechung unmittelbar aufeinanderfolgen. Setzt sich die Beschäftigung des Arbeitnehmers nahtlos
fort, ist typischerweise von einem „ununterbrochenen" Arbeitsverhältnis auszugehen. Das gilt auch dann, wenn der Arbeitnehmer während der Wartezeit
verschiedenartige Tätigkeiten ausgeübt hat (vgl. BAG 23. September 1976 - 2 AZR 309/75 - zu I 2 f der Gründe, aaO; KR/Griebeling 9. Aufl. § 1 Rn. 114;
MünchKommBGB/Hergenröder 5. Aufl. § 1 KSchG Rn. 33; Schwarze in Schwarze/Schrader/Eylert KSchG § 1 Rn. 1; SPV/Vossen 10. Aufl. Rn. 876;
einschränkend: ErfK/Oetker 11. Aufl. § 1 KSchG Rn. 40; Löwisch/Spinner KSchG 9. Aufl. § 1 Rn. 43).
bb) Selbst in Fällen, in denen es an einer nahtlosen Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses fehlt, kann eine rechtliche Unterbrechung unbeachtlich sein, wenn sie
verhältnismäßig kurz ist und zwischen beiden Arbeitsverhältnissen ein enger sachlicher Zusammenhang besteht. Dafür kommt es insbesondere auf Anlass und
Dauer der Unterbrechung sowie auf die Art der Weiterbeschäftigung an (st. Rspr., bspw. BAG 28. August 2008 - 2 AZR 101/07 - Rn. 19, AP KSchG 1969 § 1
Nr. 88; 19. Juni 2007 - 2 AZR 94/06 - Rn. 13, BAGE 123, 185; grundlegend: 6. Dezember 1976 - 2 AZR 470/75 - zu 3 d der Gründe, BAGE 28, 252). Ob diese
Voraussetzungen erfüllt sind, hängt vom Einzelfall ab. Eine feste zeitliche Begrenzung für den Unterbrechungszeitraum besteht nicht. Je länger die
Unterbrechung gedauert hat, desto gewichtiger müssen die für einen sachlichen Zusammenhang sprechenden Umstände sein (vgl. BAG 28. August 2008 - 2
AZR 101/07 - Rn. 20, aaO; 20. August 1998 - 2 AZR 76/98 - zu II 1 der Gründe, AP KSchG 1969 § 1 Wartezeit Nr. 9 = EzA KSchG § 1 Nr. 49).
b) Diese Grundsätze kommen auch dann zum Tragen, wenn für das frühere Arbeitsverhältnis nicht deutsches, sondern ausländisches Recht galt. Für die
Anrechnung von Beschäftigungszeiten aus einem vorangegangenen Arbeitsverhältnis ist es grundsätzlich unerheblich, ob dieses einem anderen
Arbeitsvertragsstatut unterlag.
aa) Ob fremdem Recht unterfallende Vorgänge bei der Anwendung einer deutschen Rechtsnorm Berücksichtigung finden, ist durch Auslegung des
einschlägigen deutschen Gesetzes zu ermitteln (bspw. MünchKommBGB/Sonnenberger 5. Aufl. Einl. IPR Rn. 609; Deinert RIW 2008, 148, 150 f.; Otto/Mückl
BB 2008, 1231). Maßgeblich ist § 1 Abs. 1 KSchG.
bb) Dem Wortlaut nach verlangt diese Bestimmung nur, dass das Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen länger als sechs Monate bestanden
hat. Eine (Selbst-)Beschränkung in dem Sinne, dass auf das Arbeitsverhältnis durchgehend deutsches Recht zur Anwendung gelangt sein müsse, lässt sich
daraus nicht ableiten. Das Gesetz stellt - im Gegenteil - mit der Anknüpfung an den Begriff „Unternehmen" einen Auslandsbezug zumindest insoweit her, als es
in seinen Geltungsbereich auf diese Weise auch solche Arbeitsverhältnisse einbezieht, die mit ausländischen Unternehmen bestehen. Bereits dies spricht dafür,
dass es auf das Vertragsstatut, unter dem die Beschäftigungszeiten zurückgelegt wurden, nicht entscheidend ankommt.
cc) Dies wird durch Sinn und Zweck der Wartezeitregelung bestätigt. Dem Ziel, sich gegenseitig kennenzulernen und prüfen zu können, dient auch die
Beschäftigung in einem Arbeitsverhältnis, auf das vorübergehend deutsches Recht keine Anwendung fand. Die Frage, ob sich der Arbeitgeber enger an den
Arbeitnehmer binden will, stellt sich im Geltungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes nach sechsmonatiger Dauer der Beschäftigung. Die Möglichkeit, dies
sachgerecht zu beurteilen, hängt nicht davon ab, dass auf das Arbeitverhältnis durchgängig deutsches Recht zur Anwendung gelangt ist. Auch Zeiten einer
Beschäftigung auf der Grundlage fremden Vertragsstatuts bieten dem Arbeitgeber dazu ausreichend Gelegenheit (vgl. ErfK/Oetker 11. Aufl. § 1 KSchG Rn. 41).
dd) Der Anrechnung von Beschäftigungszeiten unter fremdem Arbeitsvertragsstatut stehen keine systematischen Erwägungen entgegen. Sie gerät insbesondere
nicht in Widerspruch zur Begrenzung des Geltungsbereichs des Kündigungsschutzgesetzes auf in Deutschland gelegene Betriebe in § 23 Abs. 1 KSchG.
(1) Der Erste Abschnitt des Kündigungsschutzgesetzes findet zwar nur auf Betriebe Anwendung, die in Deutschland gelegen sind (vgl. BAG 8. Oktober 2009 -
2 AZR 654/08 - Rn. 13, EzA KSchG § 23 Nr. 35; 17. Januar 2008 - 2 AZR 902/06 - BAGE 125, 274; siehe auch BVerfG 12. März 2009 - 1 BvR 1250/08 -).
Dies schließt es aus, bei der Beurteilung, ob die deutsche Zweigniederlassung eines ausländischen Unternehmens die Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 KSchG
erfüllt, im Ausland tätige Arbeitnehmer zu berücksichtigen, jedenfalls soweit deren Arbeitsverhältnisse nicht deutschem Recht unterliegen (BAG 26. März
2009 - 2 AZR 883/07 - Rn. 22, AP KSchG 1969 § 23 Nr. 45). Im Gegensatz zu § 23 Abs. 1 KSchG stellt § 1 Abs. 1 KSchG aber nicht nur auf die jeweiligen
Verhältnisse im Betrieb ab, sondern erweitert seinen Anwendungsbereich auf das gesamte Unternehmen des Arbeitgebers.
(2) Zudem beruht die Beschränkung des Geltungsbereichs des Kündigungsschutzgesetzes auf in Deutschland gelegene Betriebe auf dem Umstand, dass die
Gewährung von Kündigungsschutz gegenüber einem Arbeitnehmer Auswirkungen auf die Arbeitsverhältnisse des Arbeitgebers mit anderen Arbeitnehmern
haben kann. Das ist widerspruchsfrei nur möglich, wenn im Zeitpunkt der Kündigung gegenüber allen möglicherweise betroffenen Arbeitnehmern und
gegenüber dem Arbeitgeber dasselbe, nämlich deutsches Kündigungsschutz- und Arbeitsrecht angewendet und auch durchgesetzt werden kann (vgl. BAG 26.
März 2009 - 2 AZR 883/07 - Rn. 15 ff., AP KSchG 1969 § 23 Nr. 45). Demgegenüber berührt die Frage, ob auf die Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG
Beschäftigungszeiten aus einem Arbeitsverhältnis anzurechnen sind, das einer anderen Rechtsordnung unterfällt, in erster Linie die individuellen Verhältnisse
des betreffenden Arbeitnehmers. Außerdem stellt sie sich nur in Bezug auf Arbeitsverhältnisse, die jedenfalls im Kündigungszeitpunkt deutschem Recht unterlagen.
ee) Zu Unrecht meint die Revision, die Anrechnung von Beschäftigungszeiten, die unter Geltung fremden Arbeitsvertragsstatuts zurückgelegt wurden, schränke
in unzulässiger Weise ihre nach Kollisionsrecht gegebenen Rechtswahlmöglichkeiten ein. Es entspricht den allgemeinen Grundsätzen des Internationalen
Privatrechts, dass im Fall eines Statutenwechsels das „alte" Statut für die Begründung der Rechte, Rechtslagen und Rechtsverhältnisse und für die bis zum
Statutenwechsel eingetretenen Wirkungen anwendbar bleibt. Über weitere Wirkungen entscheidet das „neue" Vertragsstatut. So ist an deutschem Recht zu
messen, ob und inwieweit Vorgänge, die sich unter Geltung fremden Rechts ereignet haben, im Sinne der fraglichen inländischen Norm als tatbestandsmäßig
anzuerkennen sind oder nicht (vgl. MünchKommBGB/Sonnenberger 5. Aufl. Einl. IPR Rn. 607; Deinert RIW 2008, 148; v. Hoffmann/Thorn IPR 9. Aufl. § 5
Rn. 104; ähnlich für den Fall des Betriebsübergangs: BAG 26. Mai 2011 - 8 AZR 37/10 - Rn. 43 ff.). Es geht in solchen Fällen nicht um eine - unzulässige -
Anwendung deutschen Rechts auf einen Auslandssachverhalt, sondern um die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine deutsche Norm - hier § 1 Abs. 1
KSchG - auf ein ihrem Wirkungskreis unterliegendes Arbeitsverhältnis anzuwenden ist (vgl. Junker RIW 2001, 94, 105; Schlachter NZA 2000, 57, 63; Straube
DB 2009, 1406). Darauf musste und konnte sich die Beklagte einrichten, als sie sich der deutschen Rechtsordnung unterwarf.
ff) Mögliche praktische Schwierigkeiten, die sich im Hinblick auf eine Einbeziehung solcher Beschäftigungszeiten ergeben können, die unter Geltung
ausländischen Rechts zurückgelegt wurden, rechtfertigen kein anderes Ergebnis. Zwar mag im Einzelfall die Feststellung, ob es sich bei einem
Vertragsverhältnis, das zeitweise ausländischem Vertragsstatut unterlag, durchgängig um ein Arbeitsverhältnis im kündigungsschutzrechtlichen Sinne
gehandelt hat, nicht einfach sein. Dies ist aber nach der ratio legis des § 1 Abs. 1 KSchG hinzunehmen. Abgesehen davon dürfte vielfach - so auch im Streitfall
- der Arbeitnehmerstatus des Beschäftigten während der ausländischem Recht unterfallenden Zeiten unstreitig sein.
c) Danach hat das Landesarbeitsgericht zu Recht die unter Geltung des Arbeitsvertrags vom 6. Mai 2008 zurückgelegten Beschäftigungszeiten in die
Berechnung der Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG einbezogen.
aa) Die Klägerin stand ab dem 7. Mai 2008 in einem Arbeitsverhältnis zur „P AG". Der auf den 13. August 2008 datierte - neue - Arbeitsvertrag bezeichnet als
Arbeitgeberin die „P, Aktiengesellschaft lettischen Rechts, Zweigniederlassung B". Eine Änderung der Arbeitgeberstellung ging damit nicht einher. Mit beiden
Bezeichnungen ist dieselbe juristische Person angesprochen. Die Zweigniederlassung der Beklagten ist ausweislich der Eintragungen in das Handelsregister
rechtlich unselbständig. Aus § 53 des Kreditwesengesetzes (KWG) folgt nicht, dass sie als eigenständiges Unternehmen iSv. § 1 Abs. 1 KSchG anzusehen
wäre. Gemäß § 53 Abs. 1 Satz 1 KWG gilt die inländische Zweigstelle eines ausländischen Unternehmens, die Bankgeschäfte betreibt oder
Finanzdienstleistungen erbringt, als Kreditinstitut oder Finanzdienstleistungsinstitut. Nach § 53 Abs. 2 Nr. 6 KWG gilt das Institut für die Anwendung von § 36
Abs. 1 KWG als juristische Person. Darüber hinaus gilt nach § 53 Abs. 2a KWG die Zweigstelle für die Bestimmungen des Gesetzes, „die daran anknüpfen,
dass ein Institut das Tochterunternehmen eines Unternehmens mit Sitz im Ausland ist, als hundertprozentiges Tochterunternehmen der Institutszentrale mit Sitz
im Ausland". Diesen Regelungen ist der Zweck gemein, die Vorschriften des KWG auf rechtlich und wirtschaftlich unselbständige Zweigstellen eines
Unternehmens mit Sitz in einem anderen Staat anwendbar zu machen. Ihre Wirkungen gehen aber nicht darüber hinaus.
bb) Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, die rechtliche Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses der Parteien sei unbeachtlich, lässt keinen Rechtsfehler
erkennen. Dafür spricht schon, dass sich die beiden Arbeitsverhältnisse nahtlos aneinander anfügten und die Beschäftigung der Klägerin offenbar kontinuierlich
fortgesetzt wurde. Zumindest bestand zwischen den Arbeitsverhältnissen ein enger zeitlicher und sachlicher Zusammenhang. Die Klägerin war durchweg als
Kundenberaterin beschäftigt. Die Gründe für die Unterbrechung lagen weder in den betrieblichen Verhältnissen, noch im Verhalten der Klägerin. Ebenso wenig
ist für die Anwendung von § 1 Abs. 1 KSchG von Belang, ob die Klägerin unter Geltung des ersten Arbeitsvertrags nach Deutschland lediglich „entsandt"
worden war. Dem Vorbringen der Beklagten ist nicht zu entnehmen, dass dieser Umstand die Arbeitsleistung der Klägerin entscheidend geprägt hätte.
cc) Unschädlich ist, dass die Klägerin mit Unterzeichnung des Arbeitsvertrags vom 13. August 2008 erklärte, zwischen den Parteien habe zuvor kein
Arbeitsverhältnis bestanden. Mit dieser Erklärung konnte sie sich ihrer Rechte aus dem Kündigungsschutzgesetz nicht begeben.
dd) Ausgehend vom 7. Mai 2008 errechnet sich bis zum Zugang der Kündigung eine Beschäftigungszeit von etwas mehr als sieben Monaten. Selbst wenn man
nur auf die Zeiten abstellte, während derer die Klägerin unstreitig regelmäßig in M tätig war, mithin die Zeit ab dem 2. Juni 2008, wäre die Wartezeit erfüllt.
2. Der betriebliche Geltungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes ist eröffnet. Das Landesarbeitsgericht hat für die Berechnung des Schwellenwerts (§ 23 Abs.
1 Satz 2 und Satz 3 KSchG) zutreffend nicht nur die in der M Filiale beschäftigten Arbeitnehmer berücksichtigt, sondern die in der Zweigniederlassung B
tätigen Arbeitnehmer mitgezählt. Der hiergegen gerichtete Angriff der Revision bleibt erfolglos.
a) Unter einem Betrieb im kündigungsschutzrechtlichen Sinne ist die organisatorische Einheit zu verstehen, innerhalb derer der Arbeitgeber allein oder in
Gemeinschaft mit seinen Mitarbeitern mit Hilfe von sächlichen und immateriellen Mitteln bestimmte arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt, die sich
nicht in der Befriedigung von Eigenbedarf erschöpfen (BAG 28. Oktober 2010 - 2 AZR 392/08 - Rn. 15, EzA KSchG § 23 Nr. 37; 17. Januar 2008 - 2 AZR
902/06 - Rn. 15, BAGE 125, 274). Dies setzt einen einheitlichen organisatorischen Einsatz der Sachmittel und Personalressourcen voraus. Die einen Betrieb
konstituierende Leitungsmacht wird dadurch bestimmt, dass der Kern der Arbeitgeberfunktionen in personellen und sozialen Angelegenheiten von derselben
institutionalisierten Leitung im Wesentlichen selbstständig ausgeübt wird. Entscheidend ist, wo schwerpunktmäßig über Arbeitsbedingungen und
Organisationsfragen entschieden wird und in welcher Weise Einstellungen, Entlassungen und Versetzungen vorgenommen werden (BAG 28. Oktober 2010 - 2
AZR 392/08 - Rn. 16, aaO; 3. Juni 2004 - 2 AZR 386/03 - zu B II 1 der Gründe, AP KSchG 1969 § 23 Nr. 33 = EzA KSchG § 23 Nr. 27).
b) Vom Betrieb als Ganzem zu unterscheiden sind Betriebsteile, die gegenüber dem Hauptbetrieb organisatorisch selbstständig sind und eine Teilfunktion von
dessen arbeitstechnischem Zweck wahrnehmen (BAG 28. Oktober 2010 - 2 AZR 392/08 - Rn. 17, EzA KSchG § 23 Nr. 37; 15. März 2001 - 2 AZR 151/00 - zu
II 1 b der Gründe, EzA KSchG § 23 Nr. 23). Auch ein Hauptbetrieb und eine räumlich weit entfernte Betriebsstätte iSv. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG können
einen Betrieb iSd. § 23 KSchG bilden. Im Unterschied zu § 4 Abs. 1 Satz 1 BetrVG differenziert § 23 KSchG nicht zwischen Betrieben und räumlich entfernten
Betriebsteilen, die als selbstständige Betriebe im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes gelten. Die räumliche Einheit ist kündigungsschutzrechtlich kein
entscheidendes Abgrenzungsmerkmal, weil es wesentlich auf die Leitung des Betriebs ankommt, der es obliegt, die Einzelheiten der arbeitstechnischen
Zwecksetzung zu regeln (vgl. BAG 3. Juni 2004 - 2 AZR 577/03 - zu C I 1 der Gründe, AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 141 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr.
55).
c) Gemessen hieran ist die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, die M Filiale und die in B ansässige Zweigniederlassung der Beklagten seien als ein
einheitlicher Betrieb iSv. § 23 Abs. 1 KSchG anzusehen, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
aa) Das Landesarbeitsgericht hat als wesentliches Indiz für das Bestehen einer einheitlichen, in B ansässigen Leitung die äußeren Umstände, insbesondere das
zur Akte gereichte Organigramm der Zweigniederlassung gewertet. Ihm zufolge waren die in M beschäftigten Mitarbeiter - auch hinsichtlich ihrer
Unterstellungsverhältnisse - in die Organisationsstruktur der Zweigniederlassung eingebunden. Darüber hinaus hat das Landesarbeitsgericht auf den eigenen
Vortrag der Beklagten verwiesen, nach dem sämtliche für die Kündigung der Klägerin relevanten Entscheidungen in B getroffen wurden, mögen sie auch einer
allgemeinen Vorgabe aus R entsprochen haben. Das an die Klägerin gerichtete Kündigungsschreiben wurde ebenso wie die Kündigung einer anderen im
Dezember 2008 entlassenen Mitarbeiterin der M Filiale von der Leiterin der Zweigniederlassung B und nicht von dem in M ansässigen Filialleiter unterzeichnet.
bb) Die Beklagte hat keine Umstände dargetan, die der Würdigung des Landesarbeitsgerichts entgegen stünden. Ihr zweitinstanzliches Vorbringen,
Einstellungen und Entlassungen würden zwar im Außenverhältnis durch die Leiterin der Zweigniederlassung vorgenommen, im Innenverhältnis trage die
Verantwortung jedoch die jeweilige Filialleitung, lässt offen, was unter dieser „Verantwortung" zu verstehen ist. Nach der vorgelegten Stellenbeschreibung ist
es Aufgabe des Filialleiters M, die Einstellung der Arbeitskräfte, deren Beförderung und Entlassung zu „initiieren". Das lässt den Schluss zu, bei ihm habe nicht
die Letztentscheidungsbefugnis über die zu treffende Maßnahme gelegen. Soweit die Beklagte auf Befugnisse des Filialleiters bei der Urlaubsplanung
verwiesen hat, fehlt es an Anhaltspunkten dafür, dass diesem auch die Genehmigung des Urlaubsplans oder einzelner Urlaubsanträge oblag. Ebenso wenig hat
die Beklagte behauptet, dass mit fachlichen Weisungsbefugnissen des Filialleiters das Recht zur Erteilung von Abmahnungen verbunden gewesen sei. Im
Übrigen belegen ihre Ausführungen zur Umorganisation der M Filiale und Übertragung bislang dort erledigter Aufgaben auf in B tätige Arbeitnehmer, dass ein
einheitlicher organisatorischer Einsatz der Sachmittel und Personalressourcen erfolgte. In der Zweigniederlassung B wurde offensichtlich auch über
Arbeitsbedingungen und Organisation der M Filiale entschieden.
cc) In ihrem Betrieb beschäftigte die Beklagte regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer ausschließlich der Auszubildenden. Die Klägerin gehörte, was ausreicht,
dem Betrieb im Kündigungszeitpunkt an.
III. Zu Recht rügt die Revision eine fehlerhafte Anwendung von § 1 Abs. 3 KSchG.
1. Nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG ist die Kündigung eines Arbeitnehmers, dem aus dringenden betrieblichen Gründen gekündigt worden ist, sozial nicht
gerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter und ggf. die Unterhaltspflichten
und eine Schwerbehinderung nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat. Gemäß § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG sind in die soziale Auswahl nach Satz 1
Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer
ausgewogenen Personalstruktur des Betriebs, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt.
2. Die Entscheidung des Berufungsgerichts über die Sozialwidrigkeit einer Kündigung ist revisionsrechtlich zwar nur eingeschränkt überprüfbar. Dies gilt bei
der sozialen Auswahl nicht nur mit Blick auf die sozialen Indikatoren und deren Gewichtung selbst, sondern auch mit Blick auf die Bildung der
auswahlrelevanten Gruppen (BAG 5. Dezember 2002 - 2 AZR 697/01 - Rn. 20, BAGE 104, 138). Auch dem eingeschränkten Prüfungsmaßstab hält die
Entscheidung des Berufungsgerichts aber nicht stand.
a) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Klägerin sei aufgrund ihres um 11 Jahre höheren Lebensalters sozial schutzbedürftiger als die in H
beschäftigte Kundenberaterin S. Die Beklagte könne sich nicht auf § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG berufen. Es seien keine Umstände dargetan, die den Schluss
zuließen, die Weiterbeschäftigung von Frau S habe im berechtigten betrieblichen Interesse gelegen.
b) Es ist schon fraglich, ob auf der Grundlage der Feststellungen des Landesarbeitsgerichts davon ausgegangen werden kann, die Klägerin und Frau S gehörten
demselben Betrieb an. Dem Vorbringen der Beklagten zufolge war Frau S in der Zweigstelle H eingesetzt. Das Landesarbeitsgericht hat nicht geprüft, ob diese
Filiale dem aus der Zweigniederlassung B und der M Filiale bestehenden Betrieb zuzuordnen war. Nach der Konzeption des § 1 Abs. 3 KSchG ist die
Sozialauswahl betriebsbezogen durchzuführen. In die Auswahlentscheidung sind nur diejenigen vergleichbaren Arbeitnehmer einzubeziehen, welche in
demselben Betrieb beschäftigt sind (st. Rspr., bspw. BAG 31. Mai 2007 - 2 AZR 276/06 - Rn. 16, BAGE 123, 1; 2. Juni 2005 - 2 AZR 158/04 - BAGE 115,
82). Im Übrigen war die Klägerin ausdrücklich für die M Filiale eingestellt worden. Die der Beklagten im Arbeitsvertrag vom 13. August 2008 vorbehaltene
Versetzungsoption bezog sich jedenfalls dem Wortlaut nach nicht auf einen möglichen Einsatz in der H Filiale.
c) Zugunsten der Klägerin kann die Zugehörigkeit von Frau S zum selben Betrieb unterstellt werden. Auch dann durfte das Landesarbeitsgericht nicht von einer
fehlerhaften Sozialauswahl ausgehen. Seine Würdigung nimmt nicht ausreichend auf den Wertungsspielraum der Beklagten Bedacht.
aa) § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG verlangt vom Arbeitgeber die „ausreichende" Berücksichtigung der dort angeführten sozialen Grunddaten. Ihm steht damit bei
deren Gewichtung ein Wertungsspielraum zu (BAG 5. Dezember 2002 - 2 AZR 549/01 - AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 59 = EzA KSchG § 1
Soziale Auswahl Nr. 49). Dem Gesetzeswortlaut ist nicht zu entnehmen, wie die in § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG genannten sozialen Gesichtspunkte zueinander ins
Verhältnis zu setzen sind. Keinem Kriterium kommt eine Priorität gegenüber den anderen zu (bspw. BAG 5. November 2009 - 2 AZR 676/08 - Rn. 29, EzA
KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 20; 2. Juni 2005 - 2 AZR 480/04 - Rn. 39, BAGE 115, 92). Der dem Arbeitgeber verbleibende Wertungsspielraum ist auch
dann zu beachten, wenn er - wie im Streitfall - eine Sozialauswahl zunächst für entbehrlich gehalten hat. Auch wenn eine Sozialauswahl gar nicht oder
methodisch fehlerhaft durchgeführt wurde, ist die Kündigung jedenfalls nicht aus diesem Grund unwirksam, wenn mit der Person des Gekündigten gleichwohl -
zufällig - eine objektiv vertretbare Auswahl getroffen wurde (bspw. BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 420/09 - Rn. 19, AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 98
= EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 22; 3. April 2008 - 2 AZR 879/06 - Rn. 30, AP KSchG 1969 § 1 Namensliste Nr. 17 = EzA KSchG § 1
Interessenausgleich Nr. 15). Der Arbeitgeber braucht grundsätzlich nicht die „bestmögliche" Sozialauswahl vorgenommen zu haben. Ebenso wenig ist
entscheidend, ob das Arbeitsgericht diese Auswahl getroffen hätte, wenn es eigenverantwortlich die sozialen Erwägungen hätte anstellen und die
entsprechenden sozialen Grunddaten hätte gewichten müssen. Der dem Arbeitgeber einzuräumende Wertungsspielraum führt dazu, dass nur deutlich
schutzwürdigere Arbeitnehmer sich mit Erfolg auf einen Auswahlfehler berufen können (BAG 2. Juni 2005 - 2 AZR 480/04 - Rn. 38, aaO; 18. Januar 1990 - 2
AZR 357/89 - BAGE 64, 34).
bb) Die von § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG vorgegebene Einbeziehung des Lebensalters in die Sozialauswahl wirkt sich für die Klägerin nicht derart günstig aus,
dass die Beklagte bei Berücksichtigung dieses Kriteriums statt ihrer die Arbeitnehmerin S hätte entlassen müssen.
(1) Die Berücksichtigung des Lebensalters bei der Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG verfolgt das Ziel, ältere Arbeitnehmer, die typischerweise schlechtere
Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben, besser zu schützen (vgl. BAG 5. November 2009 - 2 AZR 676/08 - Rn. 25, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte
Kündigung Nr. 183 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 20; 12. März 2009 - 2 AZR 418/07 - Rn. 39, AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 97 = EzA
KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 17). Es ist ein geeignetes und erforderliches Kriterium, um auf die individuellen Arbeitsmarktchancen angemessen Bedacht
zu nehmen (vgl. BAG 5. November 2009 - 2 AZR 676/08 - Rn. 25 mwN, aaO). Seine Berücksichtigung verlangt keine konkret-individuelle, je bezogen auf den
einzelnen Arbeitnehmer vorzunehmende Bewertung der Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Das Gesetz selbst nimmt eine typisierende Betrachtung vor. Daran
kann der Arbeitgeber anknüpfen und seinerseits im Sinne einer mit steigendem Alter zunehmenden Schutzbedürftigkeit typisieren, beispielsweise eine
kontinuierlich linear aufsteigende Bewertung des Alters vornehmen (vgl. BAG 5. November 2009 - 2 AZR 676/08 - Rn. 25 mwN, aaO). Er braucht dabei nicht
nach einzelnen Jahren zu differenzieren, soweit auch eine grobere Gewichtung bei typisierender Betrachtung noch sachlich angemessen erscheint.
(2) Die von der Beklagten getroffene Auswahl wird den gesetzlichen Vorgaben gerecht.
(a) Die Klägerin ist ausweislich einer von der Beklagten erstellten Auswahlliste am 3. April 1976 geboren. Soweit das Landesarbeitsgericht ihr Geburtsdatum
mit dem 3. April 1978 angegeben hat, handelt es sich um ein offenbares Versehen. Sie ist damit 11 Jahre älter als die am 12. März 1987 geborene
Arbeitnehmerin S. Dennoch haben sich beide Arbeitnehmerinnen im Kündigungszeitpunkt in einem Alter befunden - Frau S mit 21 Jahren, die Klägerin mit 32
Jahren -, in dem bei typisierender Betrachtung von ähnlich guten Vermittlungschancen auf dem Arbeitsmarkt auszugehen war. Sowohl die Klägerin als auch
Frau S waren unverheiratet und keiner Person zum Unterhalt verpflichtet. Frau S war bereits ein Jahr länger bei der Beklagten beschäftigt als die Klägerin.
Angesichts der ohnehin kurzen Betriebszugehörigkeit stellt dies einen durchaus beachtlichen Unterschied dar.
(b) Unter diesen Umständen ist in der Entscheidung der Beklagten für eine Weiterbeschäftigung von Frau S kein rechtlich relevanter Auswahlfehler zu
erkennen. Ob Frau S, wie das Landesarbeitsgericht angenommen hat, aufgrund ihrer deutschen Staatsangehörigkeit und ihrer im Inland absolvierten Ausbildung
bessere Vermittlungschancen als die Klägerin hatte, steht mit den Auswahlkriterien des § 1 Abs. 3 KSchG nicht in Zusammenhang. Die Einbeziehung solcher
Gesichtspunkte in die soziale Auswahl widerspräche der gesetzlichen Regelung (vgl. BAG 12. August 2010 - 2 AZR 945/08 - Rn. 46, EzA KSchG § 2 Nr. 79).
Ob die Weiterbeschäftigung von Frau S überdies im Sinne von § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG im berechtigten betrieblichen Interesse der Beklagten lag, kann offen bleiben.
B. Die Sache war an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen. Das Berufungsurteil stellt sich nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Der
Rechtsstreit ist nicht zur Endentscheidung reif (§ 563 Abs. 3 ZPO).
I. Der Senat kann auf der Grundlage des bisherigen Sach- und Streitstands nicht abschließend beurteilen, ob die Kündigung vom 8. Dezember 2008 iSv. § 1
Abs. 2, Abs. 3 KSchG sozial gerechtfertigt ist. Das Landesarbeitsgericht hat sich mit der Frage, ob die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse
bedingt war, nicht befasst und hierzu keine Feststellungen getroffen. Der entsprechende Vortrag der Beklagten ist weitgehend streitig geblieben. Darüber hinaus
hat die Klägerin weitere Arbeitnehmerinnen benannt, die aus ihrer Sicht weniger schutzbedürftig sind, ohne dass das Berufungsgericht diesem Vorbringen
nachgegangen wäre.
II. Sollte das Landesarbeitsgericht zu dem Ergebnis gelangen, die Kündigung sei wirksam, wird es sich - bei ordentlicher Kündbarkeit des zuletzt geschlossenen
Arbeitsverhältnisses - mit der Dauer der Kündigungsfrist zu befassen haben. Berechnet diese sich nach § 622 BGB, dürften für die Bemessung des Zeitraums
von sechs Monaten iSv. § 622 Abs. 3 BGB mit Blick auf Beschäftigungszeiten, die unter Geltung fremden Rechts zurückgelegt wurden, keine anderen
Maßstäbe gelten als für die Berechnung der Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG. ..." (BAG, Urteil vom 07.07.2011 - 2 AZR 476/10)
***
„... II. Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist weder durch die Anfechtungserklärung der Beklagten noch durch die
außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung aufgelöst worden.
1. Die Rüge der Beklagten, das Landesarbeitsgericht habe den nicht entschiedenen Teil des Rechtsstreits nicht nach § 148 ZPO aussetzen dürfen, geht als
Verfahrensrüge gegen das Teilurteil ins Leere. Der Aussetzungsbeschluss betrifft den durch dieses nicht entschiedenen Teil des Rechtsstreits. Die Frage, ob
dem Verfahren hinsichtlich dieses Teils Fortgang hätte gegeben werden müssen, berührt nicht die in die Revision gelangten Streitgegenstände. Das Teilurteil
teilt den Rechtsstreit in zwei selbständige Verfahren (BGH 30. Oktober 1997 - VII ZR 299/95 - zu II 3 a der Gründe, NJW 1998, 686).
2. Die Anfechtung vom 8. Oktober 2008 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgelöst. Eine arglistige Täuschung iSv. § 123 Abs. 1 BGB liegt nicht
vor. Die Beklagte ist nicht durch die falsche Antwort der Klägerin zum Abschluss des Arbeitsvertrags bestimmt worden. Auf einen Irrtum nach § 119 Abs. 2
BGB stützt sie die Anfechtung nicht.
a) Die falsche Beantwortung einer dem Arbeitnehmer bei der Einstellung zulässigerweise gestellten Frage kann den Arbeitgeber nach § 123 Abs. 1
BGB dazu berechtigen, den Arbeitsvertrag wegen arglistiger Täuschung anzufechten (BAG 18. Oktober 2000 - 2 AZR 380/99 - zu II 1 der Gründe,
BAGE 96, 123; 5. Oktober 1995 - 2 AZR 923/94 - zu B II 1 der Gründe, BAGE 81, 120). Das setzt voraus, dass die Täuschung für den Abschluss des
Arbeitsvertrags ursächlich war (vgl. für die widerrechtliche Drohung BAG 12. Mai 2010 - 2 AZR 544/08 - Rn. 41, AP BGB § 123 Nr. 68 = EzA BGB 2002 §
123 Nr. 9; 28. November 2007 - 6 AZR 1108/06 - Rn. 59, BAGE 125, 70).
b) Im Streitfall bedarf es keiner Entscheidung darüber, ob sich der Arbeitgeber weiterhin nach einer Anerkennung als Schwerbehinderter auch dann erkundigen
darf, wenn die Behinderung für die Ausübung der vorgesehenen Tätigkeit ohne Bedeutung ist (vgl. dazu bisher BAG 18. Oktober 2000 - 2 AZR 380/99 -
BAGE 96, 123; 3. Dezember 1998 - 2 AZR 754/97 - zu II 2 der Gründe, BAGE 90, 251; 5. Oktober 1995 - 2 AZR 923/94 - BAGE 81, 120). Dies ist seit
Inkrafttreten des § 81 Abs. 2 SGB IX zum 1. Juli 2001 und des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes zum 18. August 2006, insbesondere im Hinblick auf
Art. 1, Art. 4 Abs. 1 und Art. 5 Satz 2 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates, umstritten (verneinend Deinert in Deinert/Neumann Handbuch SGB IX 2. Aufl. §
17 Rn. 17; LPK-SGB IX/Düwell 3. Aufl. § 85 Rn. 16 f., 20; ders. BB 2001, 1527, 1529 und BB 2006, 1741, 1743; KR/Etzel 9. Aufl. §§ 85 - 90 SGB IX Rn.
32; HaKo/Fiebig 3. Aufl. §§ 85-92 SGB IX Rn. 19; Trenk-Hinterberger in HK-SGB IX 3. Aufl. Rn. 36; Knittel SGB IX Kommentar 5. Aufl. § 68 Rn. 43;
Messingschlager NZA 2003, 301, 303; Nollert-Borasio/Perreng AGG 2. Aufl. § 2 Rn. 17 f.; ErfK/Preis 11. Aufl. § 611 BGB Rn. 272, 274; Rolfs/Paschke BB
2002, 1260, 1261; Thüsing/Lambrich BB 2002, 1046, 1049; SPV/Vossen 10. Aufl. Rn. 1522; Wisskirchen/Bissels NZA 2007, 169, 173; bejahend Schaub NZA
2003, 299, 300; differenzierend Joussen NZA 2007, 174, 176 ff.). Selbst wenn die Frage der Beklagten zulässig gewesen wäre und die Klägerin sie
wahrheitsgemäß hätte beantworten müssen, wäre der durch die Täuschung erregte Irrtum für den Abschluss des Arbeitsvertrags auf Seiten der Beklagten nicht
ursächlich gewesen. Die Beklagte hat ausdrücklich erklärt, sie hätte die Klägerin auch dann eingestellt, wenn diese die Frage wahrheitsgemäß beantwortet hätte.
c) Die Beklagte vermag die Anfechtung nach § 123 Abs. 1 BGB nicht darauf zu stützen, die Klägerin habe sie über ihre Ehrlichkeit getäuscht. Ihre Annahme,
die Klägerin sei ehrlich, beruhte nicht auf deren falscher Antwort. Hätte die Klägerin die Frage richtig beantwortet, wäre die Beklagte ebenso von ihrer
Ehrlichkeit ausgegangen.
3. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist nicht durch die außerordentliche Kündigung vom 22. Oktober 2008 beendet worden. Es fehlt an einem wichtigen
Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB.
a) Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen
vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die
Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Das Recht zur außerordentlichen Kündigung wird
durch eine Möglichkeit zur Anfechtung ebenso wenig ausgeschlossen wie umgekehrt. Beide Gestaltungsrechte bestehen nebeneinander (BAG 28. März 1974 -
2 AZR 92/73 - zu 1 der Gründe, AP BGB § 119 Nr. 3 = EzA BGB § 119 Nr. 5). Die Anfechtung setzt zwar einen Grund voraus, der schon bei Abschluss des
Arbeitsvertrags vorgelegen hat, während die Kündigung dazu dient, ein durch nachträgliche Umstände belastetes oder sinnlos gewordenes Arbeitsverhältnis zu
beenden (BAG 28. März 1974 - 2 AZR 92/73 - aaO). Denkbar ist aber, dass ein Anfechtungsgrund im zustande gekommenen Arbeitsverhältnis so stark
nachwirkt, dass dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auch nur bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unzumutbar ist (BAG 28. März 1974 -
2 AZR 92/73 - aaO; KR/Fischermeier 9. Aufl. § 626 BGB Rn. 45; APS/Preis 3. Aufl. Grundlagen K Rn. 23; MünchArbR/Wank 2. Aufl. § 120 Rn. 12).
b) Es kann auch in diesem Zusammenhang dahinstehen, ob die Klägerin verpflichtet war, die Frage nach einer Anerkennung als Schwerbehinderte
wahrheitsgemäß zu beantworten. Selbst wenn dies zu bejahen wäre, läge ein wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB nicht vor. Die Täuschung wirkte nicht in
einer Weise nach, dass der Beklagten eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unzumutbar gewesen wäre. Die Klägerin
war mehr als eineinhalb Jahre im Arbeitsverhältnis tätig, ohne dass es Beanstandungen gegeben hätte.
4. Die ordentliche Kündigung ist ebenfalls unwirksam. Sie ist sozial ungerechtfertigt iSv. § 1 Abs. 1 KSchG. Auf das Arbeitsverhältnis fand im Zeitpunkt der
Kündigung das Kündigungsschutzgesetz Anwendung (§ 1 Abs. 1, § 23 Abs. 1 KSchG). Ein Kündigungsgrund iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG ist nicht gegeben.
Die Täuschung der Klägerin wirkte auch nicht in der Weise fort, dass der Beklagten eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses jedenfalls über die
Kündigungsfrist hinaus unzumutbar gewesen wäre.
III. Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG iVm. § 81 Abs. 2 Satz 2 SGB IX.
1. Der auf Zahlung einer Entschädigung gerichtete Klageantrag ist hinreichend bestimmt (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).
a) § 15 Abs. 2 AGG eröffnet die Möglichkeit, die Höhe der begehrten Entschädigung in das Ermessen des Gerichts zu stellen. Den Gerichten wird insoweit ein
Beurteilungsspielraum eingeräumt. Hängt die Bestimmung eines Betrags vom billigen Ermessen des Gerichts ab, ist ein unbezifferter Zahlungsantrag zulässig.
Der Kläger muss allerdings Tatsachen benennen, die zur Bestimmung des Betrags herangezogen werden können, und muss die Größenordnung der geltend
gemachten Forderung angeben (BAG 19. August 2010 - 8 AZR 370/09 - Rn. 19, EzA AGG § 15 Nr. 11; 17. August 2010 - 9 AZR 839/08 - Rn. 16, EzA SGB
IX § 81 Nr. 21; 16. September 2008 - 9 AZR 791/07 - Rn. 18, BAGE 127, 367).
b) Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Die Klägerin hat einen Sachverhalt dargelegt, der grundsätzlich die Bestimmung einer Entschädigung ermöglicht,
und hat den Mindestbetrag einer aus ihrer Sicht angemessenen Entschädigung mit 96.000,00 Euro beziffert.
2. Die Klage auf Entschädigung ist unbegründet. Die Klägerin wurde von der Beklagten nicht wegen ihrer Behinderung benachteiligt. Es bedarf deshalb keiner
Klärung, ob § 15 Abs. 2 AGG nach § 2 Abs. 4 AGG auf Benachteiligungen durch Kündigungen überhaupt anwendbar ist (offen gelassen auch durch BAG 28.
April 2011 - 8 AZR 515/10 - Rn. 20, NJW 2011, 2458).
a) Die Klägerin hat den Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG innerhalb der Frist des § 15 Abs. 4 AGG schriftlich geltend gemacht und die Klagefrist
des § 61b Abs. 1 ArbGG eingehalten.
aa) Sie hat den Anspruch zwar nicht unmittelbar gegenüber der Beklagten geltend gemacht. Die schriftliche Erhebung kann aber durch die Klageerhebung
ersetzt werden, sofern die Klage innerhalb der Zweimonatsfrist des § 15 Abs. 4 AGG dem Arbeitgeber zugestellt worden ist (Bauer/Göpfert/Krieger AGG 3.
Aufl. § 15 Rn. 55). Die Klageerweiterung mit dem Entschädigungsantrag wurde der Beklagten am 25. November 2008 zugestellt. Die Klägerin stützt den
Anspruch auf Umstände, die ihr nicht länger als zwei Monate zuvor zur Kenntnis gelangt waren, nämlich die Art und Weise, in der sie am 7. Oktober 2008
ihren Arbeitsplatz habe verlassen müssen, die Anfechtungserklärung vom 8. Oktober 2008, die Kündigung vom 22. Oktober 2008 und den Prozessvortrag der
Beklagten im vorliegenden Rechtsstreit.
bb) Durch die am 25. November 2008 zugestellte Klageerweiterung ist auch die Dreimonatsfrist gem. § 61b Abs. 1 ArbGG gewahrt.
b) Die Voraussetzungen für einen Anspruch nach § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG iVm. § 81 Abs. 2 Satz 2 SGB IX auf Zahlung einer angemessenen Entschädigung
sind aber nicht gegeben.
aa) Nach § 81 Abs. 2 Satz 1 SGB IX in der ab 18. August 2006 geltenden Fassung dürfen Arbeitgeber schwerbehinderte Beschäftigte nicht wegen ihrer
Behinderung benachteiligen. Gemäß § 81 Abs. 2 Satz 2 SGB IX gelten hierzu die Regelungen des ebenfalls am 18. August 2006 in Kraft getretenen
Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes. Ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot begründet nach § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG iVm. § 81 Abs. 2 Satz 2 SGB
IX einen Anspruch auf Zahlung einer angemessenen Entschädigung in Geld auch wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist. § 15 Abs. 2 AGG
regelt zwar nicht ausdrücklich, dass der Entschädigungsanspruch einen Verstoß des Arbeitgebers gegen das Benachteiligungsverbot gem. § 7 Abs. 1 AGG
voraussetzt (BAG 19. August 2010 - 8 AZR 370/09 - Rn. 29, EzA AGG § 15 Nr. 11; 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 28, BAGE 129, 181). Dies ergibt
sich aber aus dem Zusammenhang mit § 15 Abs. 1 AGG (vgl. BAG 24. September 2009 - 8 AZR 705/08 - Rn. 24, AP AGG § 3 Nr. 2 = EzA AGG § 3 Nr. 1).
Der Verstoß braucht nicht schuldhaft erfolgt zu sein (BAG 18. März 2010 - 8 AZR 1044/08 - Rn. 36, AP AGG § 15 Nr. 3 = EzA AGG § 15 Nr. 7).
bb) Ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot gem. § 7 Abs. 1 AGG liegt vor, wenn Beschäftigte wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes
benachteiligt werden. Der Kausalzusammenhang ist gegeben, wenn die Benachteiligung an einen oder mehrere der in § 1 AGG genannten Gründe anknüpft
oder dadurch motiviert ist (BT-Drucks. 16/1780 S. 32). Ausreichend ist, dass ein in § 1 AGG genannter Grund jedenfalls mitursächlich war (BAG 18. März
2010 - 8 AZR 1044/08 - Rn. 33, AP AGG § 15 Nr. 3 = EzA AGG § 15 Nr. 7; 22. Oktober 2009 - 8 AZR 642/08 - Rn. 27, AP AGG § 15 Nr. 2 = EzA AGG § 15
Nr. 4; 21. Juli 2009 - 9 AZR 431/08 - Rn. 40, BAGE 131, 232). Für den Begriff der Benachteiligung gilt § 3 AGG.
cc) Die Beweislastregel des § 22 AGG für eine Benachteiligung wegen eines der in § 1 AGG genannten Merkmale wirkt sich auf die Verteilung der
Darlegungslast aus. Der Beschäftigte genügt seiner Darlegungslast, wenn er Indizien vorträgt, die seine Benachteiligung wegen eines verpönten Merkmals
vermuten lassen. Dies ist der Fall, wenn die vorgetragenen Tatsachen aus objektiver Sicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass
die Benachteiligung wegen dieses Merkmals erfolgt ist. Es genügt, Indizien vorzutragen, die zwar nicht zwingend den Schluss auf die Kausalität zulassen, die
aber die Annahme rechtfertigen, dass sie gegeben ist (BAG 27. Januar 2011 - 8 AZR 580/09 - Rn. 29, NZA 2011, 737; 20. Mai 2010 - 8 AZR 287/08 (A) - AP
AGG § 22 Nr. 1 = EzA AGG § 22 Nr. 1). Dabei ist kein zu strenger Maßstab an die Vermutungswirkung der Hilfstatsachen anzulegen (BAG 24. April 2008 - 8
AZR 257/07 - Rn. 40, AP AGG § 33 Nr. 2 = EzA BGB 2002 § 611a Nr. 6 zu § 611a BGB). Werden vom Arbeitnehmer Tatsachen vorgetragen, die je für sich
genommen nicht zur Begründung der Kausalität ausreichen, ist eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen. Zu prüfen ist, ob die Hilfstatsachen, werden sie im
Zusammenhang gesehen, geeignet sind, die Vermutungswirkung zu begründen (vgl. zu § 611a Abs. 1 Satz 3 BGB aF BAG 27. Januar 2011 - 8 AZR 483/09 -
Rn. 25, EzA BGB 2002 § 611a Nr. 7).
dd) Danach hat die Beklagte die Klägerin nicht iSv. § 7 Abs. 1 AGG bzw. § 81 Abs. 2 Satz 1 SGB IX benachteiligt.
(1) Das Landesarbeitsgericht hat unterstellt, die Tatbestandsvoraussetzungen des § 15 Abs. 2 AGG seien erfüllt. Es hat angenommen, ein
Entschädigungsanspruch bestehe selbst dann nicht, weil die Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Klägerin bereits durch den materiellen Schadensersatz
ausgeglichen sei.
(2) Dies hält jedenfalls im Ergebnis einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Ungeachtet der Erwägungen des Landesarbeitsgerichts fehlt es an
hinreichenden Indiztatsachen iSv. § 22 AGG für die Annahme, die Beklagte habe die Klägerin wegen ihrer Behinderung benachteiligt.
(a) Allerdings bestand ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen der Anzeige ihrer Schwerbehinderung durch die Klägerin und den Umständen, auf die sie
ihren Entschädigungsanspruch stützt. Ob schon ein solcher zeitlicher Zusammenhang geeignet sein kann, die Vermutungswirkung des § 22 AGG auszulösen,
bedarf keiner Entscheidung (offen gelassen zu § 611a BGB in BAG 24. April 2008 - 8 AZR 257/07 - Rn. 37, AP AGG § 33 Nr. 2 = EzA BGB 2002 § 611a Nr.
6). Er reicht dafür jedenfalls im Streitfall nicht aus. Das Landesarbeitsgericht ist von der Richtigkeit der Einlassung der Beklagten ausgegangen, nicht der
Umstand, dass die Klägerin anerkannte Schwerbehinderte sei, sondern deren falsche Antwort auf die entsprechende Frage sei der Grund für die Anfechtung und
die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gewesen.
Dies ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Durch den Hinweis der Klägerin auf ihre seit Juli 1998 bestehende Anerkennung als Schwerbehinderte hatte
die Beklagte nicht nur erstmalig Kenntnis von diesem Umstand erlangt. Vielmehr wurde damit zugleich offenbar, dass die Klägerin vor der Einstellung eine
falsche Auskunft gegeben hatte. Die Beklagte hat durchgängig vorgetragen, ausschließlich darauf und auf eine durch die falsche Auskunft bewirkte Zerstörung
des Vertrauensverhältnisses und nicht auf die Schwerbehinderung als solche reagiert zu haben. Dem entspricht die Formulierung im Schreiben vom 8. Oktober
2008, die Anfechtung erfolge wegen der Lüge im Personalfragebogen. Auch aus dem weiteren Vortrag der Beklagten ergeben sich keine hinreichenden
Anhaltspunkte dafür, dass Anfechtung oder Kündigung wegen der Behinderung der Klägerin ausgesprochen worden wären.
(b) Eine Benachteiligung der Klägerin ergibt sich auch nicht aus den Maßnahmen, welche die Beklagte im Zusammenhang mit der Freistellung am 7. Oktober
2008 anordnete. Diese waren nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts auf das beschränkt, was mit der sofortigen Beendigung eines
Arbeitsverhältnisses bei der Beklagten auch in anderen Fällen einherging.
(c) Die Mutmaßung der Beklagten im Schriftsatz vom 20. Februar 2009, die Schwerbehinderung der Klägerin habe „psychologische Ursachen", und die sich
daran anschließenden Ausführungen lassen keine Benachteiligung der Klägerin wegen ihrer Behinderung vermuten. Aus diesem Vorbringen lässt sich nicht
darauf schließen, Freistellung, Anfechtung oder Kündigung seien eben deshalb erfolgt. Die Beklagte hatte lediglich auf den Vortrag reagiert, die Klägerin weise
keine körperlichen Defizite auf.
(d) Die Klägerin beruft sich nicht darauf, bereits die Frage nach einer Schwerbehinderung als solche habe eine unzulässige Benachteiligung dargestellt. Es kann
daher dahinstehen, ob insoweit die Fristen gem. § 15 Abs. 4 AGG, § 61b Abs. 1 ArbGG gewahrt wären.
Die Frage ist auch als Indiztatsache für eine spätere Benachteiligung durch die Freistellung und die diese begleitenden Maßnahmen oder durch die Anfechtung
und Kündigung nicht geeignet. Aus ihr lässt sich auf eine Benachteiligungsabsicht der Beklagten nicht mit hinreichender Sicherheit schließen. Die Beklagte
kann die Frage - so wie sie geltend macht - auch aus dem Grund gestellt haben, bevorzugt Schwerbehinderte einstellen zu wollen.
(e) Auch aus den Gesamtumständen folgen keine hinreichenden Indizien für eine Benachteiligung der Klägerin. Die zeitliche Nähe von Freistellung,
Anfechtung und Kündigung zur Anzeige der Schwerbehinderung genügt selbst unter Berücksichtigung der vor der Einstellung gestellten Frage nicht, um die
Vermutungswirkung des § 22 AGG auszulösen. Die Beklagte hat sich - plausibel - darauf berufen, sie habe allein den Umstand, dass die Klägerin unehrlich
gewesen sei, zum Anlass für die fraglichen Maßnahmen genommen. Das wird nicht dadurch widerlegt, dass sie die Klägerin vor der Einstellung nach einer
Anerkennung als Schwerbehinderte gefragt hatte. ..." (BAG, Urteil vom 07.07.2011 - 2 AZR 396/10)
***
Die Aufforderung des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber, an einem Deutschkurs teilzunehmen, um arbeitsnotwendige Sprachkenntnisse für eine
zulässigerweise angeordnete Tätigkeit zu erwerben, stellt keinen Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz dar. Das gilt auch dann, wenn der
Deutschkurs vertrags- oder tarifvertragswidrig außerhalb der Arbeitszeit und auf eigene Kosten des Arbeitnehmers absolviert werden soll (BAG, Urteil vom
22.06.2011 - 8 AZR 48/10).
***
„... I. Die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 17. Juni 2008 ist wirksam und hat das Arbeitsverhältnis der Parteien mit ihrem Zugang aufgelöst.
1. Ein wichtiger Grund iSv. § 34 Abs. 1 MDK-T, § 626 Abs. 1 BGB liegt vor.
a) Das Arbeitsverhältnis eines nach § 34 Abs. 1 MDK-T ordentlich unkündbaren Arbeitnehmers kann nur noch aus wichtigem Grund gekündigt werden. Der
Begriff des wichtigen Grundes iSv. § 34 Abs. 1 MDK-T ist inhaltsgleich mit dem des § 626 Abs. 1 BGB (BAG 2. März 2006 - 2 AZR 53/05 - Rn. 16, AP BGB
§ 626 Krankheit Nr. 14 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 16). Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer
Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und
unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.
Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände "an sich", dh. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann
bedarf es der Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter
Abwägung der Interessen beider Vertragsteile - jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - zumutbar ist oder nicht (BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 -
Rn. 16, NZA 2010, 1227; 26. März 2009 - 2 AZR 953/07 - Rn. 21 mwN, AP BGB § 626 Nr. 220). Ein wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB ist nur gegeben,
wenn das Ergebnis dieser Gesamtwürdigung die Feststellung der Unzumutbarkeit einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers auch nur bis zum Ablauf der
Kündigungsfrist ist. Bei einem ordentlich unkündbaren Arbeitnehmer ist dabei auf die "fiktive" Kündigungsfrist abzustellen (BAG 18. September 2008 - 2 AZR
827/06 - Rn. 37, EzA BGB 2002 § 626 Nr. 24).
b) Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, das Verhalten der Klägerin rechtfertige an sich eine außerordentliche Kündigung.
aa) Der vorsätzliche Verstoß eines Arbeitnehmers gegen seine Verpflichtung, die abgeleistete, vom Arbeitgeber nur schwer zu kontrollierende Arbeitszeit
korrekt zu dokumentieren, ist an sich geeignet, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung iSv. § 626 Abs. 1 BGB darzustellen (BAG 24.
November 2005 - 2 AZR 39/05 - zu II 3 b der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 197 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 12; 21. April 2005 - 2 AZR 255/04 - zu B II 1 der
Gründe, BAGE 114, 264). Dies gilt für einen vorsätzlichen Missbrauch einer Stempeluhr ebenso wie für das wissentliche und vorsätzlich falsche Ausstellen
entsprechender Formulare (vgl. BAG 24. November 2005 - 2 AZR 39/05 - aaO). Dabei kommt es nicht entscheidend auf die strafrechtliche Würdigung an,
sondern auf den mit der Pflichtverletzung verbundenen schweren Vertrauensbruch (BAG 24. November 2005 - 2 AZR 39/05 - aaO; 12. August 1999 - 2 AZR
832/98 - zu II 3 der Gründe, AP BGB § 123 Nr. 51 = EzA BGB § 123 Nr. 53). Der Arbeitgeber muss auf eine korrekte Dokumentation der Arbeitszeit der am
Gleitzeitmodell teilnehmenden Arbeitnehmer vertrauen können. Überträgt er den Nachweis der geleisteten Arbeitszeit den Arbeitnehmern selbst und füllt ein
Arbeitnehmer die dafür zur Verfügung gestellten Formulare wissentlich und vorsätzlich falsch aus, so stellt dies in aller Regel einen schweren
Vertrauensmissbrauch dar (BAG 21. April 2005 - 2 AZR 255/04 - aaO). Nicht anders zu bewerten ist es, wenn der Arbeitnehmer verpflichtet ist, die geleistete
Arbeitszeit mit Hilfe des Arbeitsplatzrechners in einer elektronischen Zeiterfassung zu dokumentieren, und er hierbei vorsätzlich falsche Angaben macht. Der
Arbeitnehmer verletzt damit in erheblicher Weise seine ihm gegenüber dem Arbeitgeber bestehende Pflicht zur Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB).
bb) Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, die Klägerin habe für den 26., 27., 28. und 29. Mai, sowie den 2., 3. und 4. Juni 2008 jeweils mindestens 13
Minuten, einmal 28 Minuten - insgesamt 135 Minuten - vorsätzlich fehlerhaft zu Lasten der Beklagten als Arbeitszeiten in der Zeiterfassung dokumentiert.
Angesichts der nicht unerheblichen Abweichungen zwischen den angegebenen Arbeitszeiten und dem tatsächlichen Betreten des Dienstgebäudes könne es sich
bei den Falschangaben nicht nur um fahrlässiges Handeln oder ein Versehen gehandelt haben. Die Klägerin habe im Zeitraum der Beobachtung täglich und
damit systematisch fehlerhafte Angaben gemacht. Dabei sei zu ihren Gunsten berücksichtigt, dass die Uhr im Eingangsbereich im Einzelfall um einige Minuten
falsch gegangen sein könnte. Ihr Vorbringen zu einer rechtlichen Information von dritter Seite über Beginn und Ende der zu dokumentierenden
Anwesenheitszeit sei nicht geeignet, ihren Vorsatz in Frage zu stellen. So erklärten sich die Arbeitszeitdifferenzen von 15 bis zu 28 Minuten selbst dann nicht,
wenn man mit der Klägerin das Durchfahren der Parkplatzeinfahrt zu Tagesbeginn und -ende als maßgeblich zugrunde lege.
cc) Gegen diese Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hat die Klägerin keine beachtlichen Verfahrensrügen erhoben. Sie sind damit für den Senat bindend (§
559 Abs. 2 ZPO). Die Bewertung des Fehlverhaltens der Klägerin als vorsätzlich lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Sie liegt im Wesentlichen auf
tatsächlichem Gebiet und ist Gegenstand der tatrichterlichen Beweiswürdigung iSv. § 286 ZPO. Das Revisionsgericht kann bezüglich der Feststellung innerer
Tatsachen nur prüfen, ob das Tatsachengericht von den richtigen Beurteilungsmaßstäben ausgegangen ist, die wesentlichen Umstände berücksichtigt und keine
Denkgesetze, Erfahrungssätze oder Verfahrensvorschriften verletzt hat (vgl. BAG 16. Dezember 2010 - 2 AZR 485/08 - Rn. 21, NZA 2011, 571; 23. Juni 2009
- 2 AZR 103/08 - Rn. 27 mwN, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 59 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte
Kündigung Nr. 17). Danach ist die Würdigung des Landesarbeitsgerichts nicht zu beanstanden. Zwar war in der Dienstvereinbarung keine Definition enthalten,
wann die zu dokumentierende Anwesenheitszeit beginnt bzw. endet, und auch der Begriff der "Arbeitsstelle" in § 12 Abs. 9 MDK-T ist auslegungsfähig.
Hierauf kam es nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts aber nicht an, da die Angaben der Klägerin selbst bei weitest möglichem Begriffsverständnis
nicht zu erklären seien.
c) Auch die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, eine Abmahnung sei im Streitfall entbehrlich gewesen, und seine weitere Interessenabwägung sind im
Ergebnis nicht zu beanstanden.
aa) Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung jedenfalls bis zum
Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses
gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des
Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen (BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 34, NZA 2010, 1227). Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in
Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten
unzumutbar sind (BAG 16. Dezember 2010 - 2 AZR 485/08 - Rn. 24, NZA 2011, 571; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - aaO). Einer Abmahnung bedarf es in
Ansehung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann nicht, wenn eine Verhaltensänderung in Zukunft selbst nach Abmahnung nicht zu erwarten steht oder
es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass eine Hinnahme durch den Arbeitgeber offensichtlich - auch für den Arbeitnehmer erkennbar -
ausgeschlossen ist (BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 37, aaO; 23. Juni 2009 - 2 AZR 103/08 - Rn. 33, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte
Kündigung Nr. 59 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 17). Dies gilt grundsätzlich auch bei Störungen im
Vertrauensbereich (BAG 12. Mai 2010 - 2 AZR 845/08 - Rn. 29, EzA BGB 2002 § 626 Nr. 31; 23. Juni 2009 - 2 AZR 103/08 - Rn. 33 mwN, aaO).
bb) Eine Abmahnung war demnach im Streitfall entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht schon deswegen entbehrlich, weil das Fehlverhalten
der Klägerin den Vertrauensbereich betrifft. Seine Entscheidung erweist sich im Ergebnis aber als richtig, da eine Hinnahme des Fehlverhaltens durch die
Beklagte offensichtlich - auch für die Klägerin erkennbar - ausgeschlossen war.
Die Klägerin hat nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts zu Lasten der Beklagten an mehreren Tagen hintereinander systematisch und vorsätzlich um
jeweils mindestens 13 Minuten - insgesamt 135 Minuten - falsche Arbeitszeiten angegeben und damit in beträchtlichem Umfang über die erbrachte Arbeitszeit
zu täuschen versucht. Dieses auf Heimlichkeit angelegte, vorsätzliche und systematische Fehlverhalten wiegt besonders schwer. Soweit sich die Klägerin darauf
berufen hat, andere Mitarbeiter hätten sie ohne Weiteres beobachten können, wenn sie noch in ihrem Pkw saß, um zu rauchen oder auf ihre Tochter zu warten,
ändert dies nichts daran, dass ihre Falschangaben bei der Arbeitszeiterfassung nicht offen erfolgten. Aus den angegeben Arbeitszeiten als solchen ließ sich nicht
ersehen, dass sie nicht korrekt waren. Die für eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauensgrundlage erscheint angesichts dessen auch
nach Ausspruch einer Abmahnung nicht mehr wiederherstellbar. Eine Hinnahme des vorsätzlichen und systematischen Fehlverhaltens durch die Beklagte war -
auch für die Klägerin erkennbar - aufgrund der Schwere ihrer Pflichtverletzung unabhängig von einer Wiederholungsgefahr ausgeschlossen.
cc) Auch im Übrigen hält die Interessenabwägung des Landesarbeitsgerichts der revisionsrechtlichen Überprüfung stand.
(1) Die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist oder
nicht, lassen sich nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung -
etwa im Hinblick auf das Maß eines durch sie bewirkten Vertrauensverlusts und ihre wirtschaftlichen Folgen -, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers,
eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf (BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 34,
NZA 2010, 1227; 28. Januar 2010 - 2 AZR 1008/08 - Rn. 26, EzA BGB 2002 § 626 Nr. 39).
(2) Angesichts der Schwere der Pflichtverletzung und des durch sie bewirkten Vertrauensverlusts war es der Beklagten nicht zumutbar, die Klägerin auch nur
bis zum Ablauf einer "fiktiven" Kündigungsfrist weiterzubeschäftigen. Die längste ordentliche Kündigungsfrist hätte nach § 33 MDK-T zwölf Monate zum
Schluss eines Kalendervierteljahres betragen. Auch die langjährige unbeanstandete Betriebszugehörigkeit der Klägerin von gut 17 Jahren, ihr Alter sowie die
von ihr angegebene Unterhaltspflicht für eine Person führen angesichts des mit der Pflichtverletzung verbundenen schweren Vertrauensbruchs nicht zu einer
Interessenabwägung zu ihren Gunsten. Die Klägerin hat nicht nur einmal in etwa nur geringem Umfang, sondern an sieben Arbeitstagen hintereinander
systematisch und vorsätzlich ihre Arbeitszeit im Umfang von jeweils 13 bis 28 Minuten zu Lasten der Beklagten falsch angegeben. Die Störung des
Vertrauensverhältnisses durch ihren Täuschungsversuch wiegt besonders schwer, und zwar unabhängig davon, ob eine Wiederholungsgefahr dadurch
ausgeschlossen werden könnte, dass die Klägerin aus der Gleitzeit herausgenommen würde. Das Verschulden der Klägerin ist so erheblich, dass es der
Beklagten nicht zumutbar ist, das Arbeitsverhältnis für die Dauer der fiktiven Kündigungsfrist fortzusetzen. Aus Nr. IX der Dienstvereinbarung über die
gleitende Arbeitszeit lässt sich nicht etwa die Abrede entnehmen, ein Missbrauch könne allenfalls zu einer Herausnahme des Arbeitnehmers aus der gleitenden
Arbeitszeit führen. Dort ist vielmehr für diesen Fall ausdrücklich auf die Möglichkeit arbeitsrechtlicher Schritte hingewiesen.
2. Nicht zu beanstanden ist die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, die Beklagte habe die Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB gewahrt und den
Personalrat ordnungsgemäß angehört. Die Revision erhebt insoweit auch keine Einwände. ..." (BAG, Urteil vom 09.06.2011 - 2 AZR 381/10)
***
Leben Ehegatten in einer gemeinsamen Wohnung und sind sie deshalb nach der Verkehrsanschauung füreinander als Empfangsboten anzusehen, gelangt eine
an einen der Ehegatten gerichtete Willenserklärung grundsätzlich auch dann in dessen Macht- und Zugriffsbereich, wenn sie dem anderen Ehegatten außerhalb
der Wohnung übermittelt wird (BAG, Urteil vom 09.06.2011 - 6 AZR 687/09).
***
Leben Ehegatten in einer gemeinsamen Wohnung und sind sie deshalb nach der Verkehrsanschauung füreinander als Empfangsboten anzusehen, gelangt eine
an einen der Ehegatten gerichtete Willenserklärung grundsätzlich auch dann in dessen Macht- und Zugriffsbereich, wenn sie dem anderen Ehegatten außerhalb
der Wohnung übermittelt wird (BAG, Urteil vom 09.06.2011 - 6 AZR 687/09).
***
„... Der Kläger ist seit dem 1. Juni 1998 bei der Beklagten als Vertriebsingenieur, zuletzt gegen ein monatliches Bruttoarbeitsentgelt iHv. 4. 728, 47 Euro
beschäftigt. Die Alleingesellschafterin der Beklagten ist die G G AG. Zu deren Unternehmen gehört auch die G P S AG in B/CH bei Ba. Die Aktivitäten der
Muttergesellschaft sind in sog. Divisionen aufgeteilt. Die "H-Division" umfasst "P S". Ihr steht R Y vor, der zugleich ein (alleinvertretungsberechtigter)
Geschäftsführer der Beklagten ist. Die Beklagte beschäftigte Ende 2008 in etwas weniger als 60 km Entfernung von B/CH im Betrieb M 30 Arbeitnehmer,
davon 22 in dem der H-Division zugeordneten selbständigen Geschäftsbereich "V", der die Herstellung und den Vertrieb von Klappenventilen, vor allem für
die Pharmaindustrie, zum Gegenstand hatte. Dem Innendienst dieses Bereichs war der Kläger zugeordnet, der teilweise von zu Hause aus arbeitete. Die übrigen
acht Arbeitnehmer in M gehörten zur "Pulverbeschichtung" (P-Division). Am 22. Oktober 2008 informierte der Geschäftsführer Y die Geschäftsleitung der
Beklagten davon, dass der Bereich V in M nicht aufrechterhalten werden solle. Noch am selben Tag stellte die Beklagte bei dem zuständigen Integrationsamt
Antrag auf Zustimmung zur Kündigung eines schwerbehinderten Menschen. Am 24. Oktober 2008 teilte die Beklagte den Mitarbeitern des Bereichs V auf einer
Betriebsversammlung die bestehende Kündigungsabsicht mit und zeigte gegenüber der Bundesagentur für Arbeit die beabsichtigte Entlassung von 22
Arbeitnehmern an. Mit Bescheid vom 10. November 2008 bestätigte die Bundesagentur für Arbeit den Eingang der Massenentlassungsanzeige am 24. Oktober
2008 und wies auf den Ablauf der Entlassungssperre nach § 18 KSchG am 24. November 2008 hin. Mit Schreiben vom 24. Oktober 2008, dem Kläger am
selben Tag zugegangen, sowie mit weiterem Schreiben vom 27. Oktober 2008, Zugang ebenfalls am selben Tag, kündigte die Beklagte das mit dem Kläger
bestehende Arbeitsverhältnis sowie die Arbeitsverhältnisse weiterer 19 Arbeitnehmer zum 28. Februar 2009. Am Tag der ersten Kündigung, also am 24.
Oktober 2008, erhielt der Kläger wie zehn weitere gekündigte Arbeitnehmer, ein Arbeitsvertragsangebot der G P S AG in B/CH. Sechs Arbeitnehmer nahmen
dieses Angebot an, fünf andere, darunter der Kläger, lehnten es ab.
Danach veräußerte die Beklagte die für ihre Produktion und Montage im Geschäftsbereich V genutzten Anlagen, Maschinen und Werkzeuge sowie ihr Lager an
die G P S AG in B/CH. In der Zeit vom 17. bis 23. Dezember 2008 erfolgten Abbau, Verladung und der Abtransport nach B/CH, wo der Wiederaufbau erfolgte.
Die laufenden Projekte der Beklagten aus dem Geschäftsbereich V wurden auf die G P S AG übertragen. Kunden und Lieferanten wurden dahin informiert,
dass die geschäftlichen Aktivitäten von V ab dem 1. Januar 2009 in B/CH konzentriert werden, dass alle bestehenden Verträge nahtlos übernommen werden
und dass als neue Rechnungsanschrift die der G P S AG in der Schweiz gelte.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Kündigungen seien mangels sozialer Rechtfertigung unwirksam. Er hat bestritten, dass die Beklagte eine
unternehmerische Entscheidung getroffen habe, die zum Wegfall seines Arbeitsplatzes geführt habe. Eine Betriebsstilllegung habe es nicht gegeben, vielmehr
sei ein Betriebsteilübergang des Bereichs V auf die G P S AG in B/CH erfolgt. Die Kündigungen seien wegen eines Betriebsübergangs ausgesprochen worden,
also nach § 613a Abs. 4 BGB unwirksam. Dass ein Betriebsübergang in die Schweiz erfolgt sei, ändere daran nichts, weil sich der für die objektive
Anknüpfung maßgebliche vertragliche Erfüllungsort in Deutschland befinde. Außerdem gelte mit Art. 333 Schweizer Obligationenrecht eine dem § 613a BGB
entsprechende Regelung auch in der Schweiz. Ferner hat der Kläger geltend gemacht, er sei sozial schutzbedürftiger als die nicht entlassenen Mitarbeiter aus
dem Bereich der Pulverbeschichtung.
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
1. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die ordentliche schriftliche Kündigung der Beklagten vom 24.
Oktober 2008 zum Ablauf des 28. Februar 2009 endete, sondern unverändert fortbesteht;
2. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die ordentliche schriftliche Kündigung der Beklagten vom 27.
Oktober 2008 zum Ablauf des 28. Februar 2009 endete, sondern unverändert fortbesteht;
3. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger - für den Fall des Obsiegens mit den Feststellungsanträgen Ziffer 1 und 2 - zu den im Arbeitsvertrag vom 20. Mai
1998 geregelten bisherigen Arbeitsbedingungen als internen Vertriebsingenieur bis zu der rechtskräftigen Entscheidung über den Feststellungsantrag weiter zu beschäftigen.
Die Beklagte hat die Abweisung der Klage beantragt und die Ansicht vertreten, die Kündigungen seien sozial gerechtfertigt und weder nach §§ 17 f. KSchG
noch nach § 613a Abs. 4 BGB unwirksam. Dazu hat sie behauptet, im September 2008 sei auf Konzernebene eine Restrukturierung der H-Division beschlossen
worden, die eine Zusammenlegung verschiedener Produktgruppen an den Standorten B/Schweiz, W/Belgien und E/Großbritannien beinhaltete. Zur Umsetzung
dieser Restrukturierungsmaßnahme habe der Geschäftsführer Y beschlossen, den zur H-Division gehörenden Geschäftsbereich V bis spätestens 31. Dezember
2008 stillzulegen. Die Schließung des Bereichs V habe sich seit Ende September entsprechend der unternehmerischen Entscheidung vollzogen, seit Januar 2009
seien keine Produktionsmittel mehr in M vorhanden, die Mehrheit der betroffenen Mitarbeiter sei freigestellt worden. Die Betriebsmittel aus M seien in die
vorhandene betriebliche Einheit der G P S AG in B/CH integriert worden, wo im Dezember 2008 bereits 97 Arbeitnehmer in einer eigenen Organisation
beschäftigt gewesen seien. Diese vorhandene Organisation werde auch für Arbeiten im Geschäftsbereich V mit genutzt, die Arbeitsorganisation der Beklagten
habe sich die G P S AG in B/CH nicht zu eigen gemacht. Eine eigenständige betriebliche Einheit, die dem Betriebsteil "V" der Beklagten entspräche, existiere
in B/CH nicht, zumal auch nicht alle Tätigkeiten, die bei der Beklagten ausgeführt wurden, von der G P S AG wahrgenommen würden. So seien insbesondere
Konstruktions- und Entwicklungsarbeiten an externe Dienstleister vergeben worden. Damit sei ein die Identität wahrender Wiederaufbau des Betriebsteils im
Sinne eines Betriebsteilübergangs in B/CH nicht erfolgt.
Nach Ansicht der Beklagten ist § 613a BGB auf grenzüberschreitende Sachverhalte nicht anwendbar.
Das Arbeitsgericht hat die Klage hinsichtlich beider Kündigungen abgewiesen. Aus den Entscheidungsgründen des erstinstanzlichen Urteils ergibt sich jedoch,
dass die Kündigung vom 24. Oktober 2008 mangels vorheriger Erstattung der Massenentlassungsanzeige für unwirksam befunden wurde. Das
Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des Klägers das arbeitsgerichtliche Urteil abgeändert und die Unwirksamkeit beider Kündigungen festgestellt. Die
weitergehende Berufung des Klägers hat es zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die
Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. ...
Soweit die Revision nicht bereits unzulässig ist (Kündigung vom 24. Oktober 2008), ist sie unbegründet. Für die Kündigung vom 27. Oktober 2008 bestand
kein dringendes betriebliches Erfordernis, da der Beschäftigungsbereich des Klägers bei der Beklagten nicht stillgelegt werden, sondern im Wege des
Betriebsübergangs auf die G P S AG in B/CH übergehen sollte.
A. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
Die Kündigung vom 24. Oktober 2008 sei deswegen unwirksam, weil die Beklagte ihrer Anzeigepflicht nach § 17 KSchG nicht rechtzeitig nachgekommen sei.
Die Kündigung vom 27. Oktober 2008 sei nach § 1 Abs. 1 KSchG rechtsunwirksam. Ihrer Darlegungslast, dass die Kündigung durch dringende betriebliche
Erfordernisse bedingt ist, die einer Weiterbeschäftigung des Klägers in diesem Betrieb entgegenstehen, sei die Beklagte nicht ausreichend nachgekommen. Sie
habe zwar eine zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs beabsichtigte Stilllegungsabsicht behauptet. Jedoch habe sie die Darstellung des Klägers nicht
entkräften können, zu diesem Zeitpunkt habe schon die Absicht bestanden, den Teilbetrieb zu veräußern. Der Kläger habe unwidersprochen dargelegt, die G P
S AG habe nicht nur die materiellen Betriebsmittel der bei der Beklagten selbständigen Abteilung V übernommen. Vielmehr seien auch die Kundschaft und die
laufenden Projekte übertragen sowie alle Verträge und die Lieferanten übernommen worden. Die gesamte Fertigungslinie sei eins zu eins fortgeführt worden.
Es habe bei der G P S AG bis zur Übertragung keine dem Betriebsteil V bei der Beklagten entsprechende Tätigkeit gegeben. Mit der Übertragung sei die
Tätigkeit ohne Unterbrechung und unter Verwendung des bisherigen Produktnamens "V" fortgeführt worden. Darüber hinaus habe die G P S AG in ihrem
Anschreiben an Kunden und Lieferanten selbst von einem Umzug von M nach B/CH gesprochen. All dies spreche bei der vorzunehmenden Gesamtbetrachtung
für das Vorliegen eines Betriebsübergangs. Die von der Beklagten angeführten gegenläufigen Aspekte, wie die Auflösung der vormals eigenständigen Einheit V
durch die G P S AG, die Integration der Betriebsmittel in eine vorhandene Einheit sowie der Umstand, dass die G P S AG nicht mehr alle im Teilbereich V
angefallenen Arbeiten ausführe, genügten nicht, um die festzustellende Absicht einer Betriebsübertragung zu entkräften.
Auch bei einem grenzüberschreitenden Betriebsübergang sei die Beklagte an § 613a BGB gebunden. Das auf den Arbeitsvertrag anzuwendende Recht ändere
sich nicht dadurch, dass der Erwerber einem anderen einzelstaatlichen Recht unterliege. Die Änderung des Betriebssitzes habe keine Auswirkungen auf die
erforderliche Wahrung der Identität. Da die Fahrtstrecke zwischen alter und neuer Arbeitsstelle nur kurz sei, könne auch nicht von einer unzumutbaren
Beschäftigung der Belegschaft am neuen Betriebssitz ausgegangen werden.
Dem Antrag auf Feststellung des unveränderten Fortbestands des Arbeitsverhältnisses hat das Landesarbeitsgericht nicht entsprochen, da durch den
grenzüberschreitenden Betriebsübergang künftig die Arbeitsleistung nicht mehr in Deutschland, sondern in der Schweiz zu erbringen sei. Mithin sei kein
unverändertes Fortbestehen festzustellen. Auch hinsichtlich des Weiterbeschäftigungsantrags hat das Landesarbeitsgericht die Berufung zurückgewiesen. Da die
Beschäftigungspflicht der Beklagten mit dem Betriebsübergang ende, habe der Kläger gegen die Beklagte keinen Weiterbeschäftigungsanspruch für Zeiten nach
dem Betriebsübergang.
B. Dem Landesarbeitsgericht ist im Ergebnis zu folgen.
I. Soweit die Revision die Entscheidung zum Kündigungsschutzantrag gegen die Kündigung vom 24. Oktober 2008 angreift, ist sie unzulässig.
1. Nach § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO gehört zum notwendigen Inhalt der Revisionsbegründung die Angabe der Revisionsgründe.
Bei einer Sachrüge muss die Revisionsbegründung den Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts so aufzeigen, dass Gegenstand und Richtung des
Revisionsangriffs erkennbar sind. Daher muss die Revisionsbegründung eine Auseinandersetzung mit den Urteilsgründen des angefochtenen Urteils enthalten.
Dies erfordert die konkrete Darlegung der Gründe, aus denen das angefochtene Urteil rechtsfehlerhaft sein soll (BAG 15. März 2006 - 4 AZR 73/05 - Rn. 18,
AP ZPO § 551 Nr. 63 = EzA ZPO 2002 § 551 Nr. 2; 6. Januar 2004 - 9 AZR 680/02 - zu II 2 a der Gründe mwN, BAGE 109, 145 = AP ArbGG 1979 § 74 Nr.
11 = EzA ZPO 2002 § 551 Nr. 1). Bei mehreren Streitgegenständen muss für jeden eine solche Begründung gegeben werden. Fehlt sie zu einem
Streitgegenstand, ist das Rechtsmittel insoweit unzulässig (BAG 12. November 2002 - 1 AZR 632/01 - zu B I der Gründe mwN, BAGE 103, 312 = AP BetrVG
1972 § 112 Nr. 155 = EzA BetrVG 2001 § 112 Nr. 2).
2. Das Arbeitsgericht hatte zwar im Tenor die Klage vollständig abgewiesen, in den Gründen seines Urteils jedoch ausgeführt, dass die Kündigung vom 24.
Oktober 2008 unwirksam sei, da jeder Vortrag der Beklagten zu einer Massenentlassungsanzeige vor Ausspruch dieser Kündigung fehle. Das
Landesarbeitsgericht hat dem Kündigungsschutzantrag hinsichtlich der Kündigung vom 24. Oktober 2008 unter Hinweis auf die Feststellungen des
Arbeitsgerichts, die nur im Tenor keinen Niederschlag gefunden hätten und denen die Beklagte in der Berufungsinstanz nicht entgegengetreten sei,
stattgegeben. Damit setzt sich die Revision der Beklagten nicht auseinander.
II. Soweit sich die Revision gegen die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts über die Wirksamkeit der Kündigung vom 27. Oktober 2008 richtet, ist sie
unbegründet. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht eine Rechtsunwirksamkeit der Kündigung der Beklagten vom 27. Oktober 2008 nach § 1 Abs. 1 KSchG
angenommen, da die Kündigung nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Klägers in diesem Betrieb
entgegenstanden, bedingt war. Die von der Beklagten behauptete Stilllegungsabsicht des Betriebsteils V lag im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung nicht vor.
1. Zu den dringenden betrieblichen Erfordernissen, die nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG einen Grund zur sozialen Rechtfertigung einer Kündigung abgeben
können, gehört die Stilllegung des gesamten Betriebs, einer Betriebsabteilung oder eines Betriebsteils (BAG 28. Mai 2009 - 8 AZR 273/08 - Rn. 28, AP BGB §
613a Nr. 370 = EzA KSchG § 17 Nr. 20; 24. August 2006 - 8 AZR 317/05 - Rn. 38, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 152 = EzA BGB
2002 § 613a Nr. 60; 27. November 2003 - 2 AZR 48/03 - zu B I 1 der Gründe, BAGE 109, 40 = AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 64 = EzA KSchG §
1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 128). Die bloße Einstellung der Produktion bedeutet allerdings noch keine Betriebsstilllegung (BAG 16. Mai 2002 - 8 AZR
319/01 - zu B III 1 a bb der Gründe, AP BGB § 613a Nr. 237 = EzA BGB § 613a Nr. 210).
a) Unter der Stilllegung eines Betriebs ist die Auflösung der zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bestehenden Betriebs- und Produktionsgemeinschaft zu
verstehen, die ihre Veranlassung und ihren unmittelbaren Ausdruck darin findet, dass der Unternehmer die bisherige wirtschaftliche Betätigung in der
ernstlichen Absicht einstellt, die Verfolgung des bisherigen Betriebszweckes dauernd oder für eine ihrer Dauer nach unbestimmte, wirtschaftlich nicht
unerhebliche Zeitspanne nicht weiter zu verfolgen. Mit der Stilllegung des gesamten Betriebs entfallen alle Beschäftigungsmöglichkeiten. Der Arbeitgeber
muss endgültig entschlossen sein, den Betrieb stillzulegen. Demgemäß ist von einer Stilllegung auszugehen, wenn der Arbeitgeber seine Stilllegungsabsicht
unmissverständlich äußert, allen Arbeitnehmern kündigt, etwaige Mietverträge zum nächstmöglichen Zeitpunkt auflöst, die Betriebsmittel, über die er verfügen
kann, veräußert und die Betriebstätigkeit vollständig einstellt. Für die Stilllegung von Betriebsabteilungen und Betriebsteilen gilt dies, auf die jeweilige Einheit
begrenzt, entsprechend.
Bei einer mit Betriebsschließung begründeten Kündigung ist der Arbeitgeber nicht gehalten, diese erst nach Durchführung der Stilllegung auszusprechen. Es
kommt auch eine Kündigung wegen der beabsichtigten Stilllegung in Betracht. Wird die Kündigung auf die künftige Entwicklung der betrieblichen
Verhältnisse gestützt, so kann sie ausgesprochen werden, wenn die betrieblichen Umstände greifbare Formen angenommen haben. Grundsätzlich brauchen
betriebliche Gründe noch nicht tatsächlich eingetreten zu sein, sondern es genügt, wenn sie sich konkret und greifbar abzeichnen. Sie liegen dann vor, wenn im
Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung auf Grund einer vernünftigen, betriebswirtschaftlichen Betrachtung davon auszugehen ist, zum Zeitpunkt des
Kündigungstermins sei mit einiger Sicherheit der Eintritt eines die Entlassung erforderlich machenden betrieblichen Grundes gegeben (BAG 16. Mai 2002 - 8
AZR 319/01 - zu B III 1 b bb (1) der Gründe, AP BGB § 613a Nr. 237 = EzA BGB § 613a Nr. 210; 10. Oktober 1996 - 2 AZR 477/95 - zu II 1 b (1) der
Gründe, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 81 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 87).
b) Eine Stilllegungsabsicht des Arbeitgebers liegt dann nicht vor, wenn dieser beabsichtigt, seinen Betrieb bzw. seinen Betriebsteil zu veräußern. Die
Veräußerung des Betriebs oder Betriebsteils allein ist - wie sich aus der Wertung des § 613a BGB ergibt - keine Stilllegung, weil die Identität des Betriebs
gewahrt bleibt und lediglich ein Betriebsinhaberwechsel stattfindet. Betriebsveräußerung und Betriebsstilllegung schließen sich systematisch aus. Dabei kommt
es auf das tatsächliche Vorliegen des Kündigungsgrundes und nicht auf die vom Arbeitgeber gegebene Begründung an. Eine vom Arbeitgeber mit einer
Stilllegungsabsicht begründete Kündigung ist nur dann sozial gerechtfertigt, wenn sich die geplante Maßnahme auch objektiv als Betriebsstilllegung und nicht
etwa deshalb als Betriebsveräußerung darstellt, weil die für die Fortführung des Betriebs wesentlichen Gegenstände einem Dritten überlassen werden sollten,
der Veräußerer diesen Vorgang aber rechtlich unzutreffend als Betriebsstilllegung bewertet (BAG 9. Februar 1994 - 2 AZR 666/93 - zu II 2 c der Gründe, AP
BGB § 613a Nr. 105 = EzA BGB § 613a Nr. 116).
c) Ist in einem Kündigungsrechtsstreit streitig, ob im Zeitpunkt der Kündigung ein Betriebsübergang oder eine Betriebsstilllegung beabsichtigt war, hängt die
Darlegungs- und Beweislast davon ab, ob sich der Arbeitnehmer im Rahmen des Prozesses darauf beruft, der Betrieb sei von dem bisherigen Arbeitgeber nicht
stillgelegt, sondern an einen neuen Inhaber übertragen worden und ihm sei aus diesem Grund gekündigt worden oder ob er nur den Unwirksamkeitsgrund des §
613a Abs. 4 BGB geltend macht. Im letzteren Fall hat der Arbeitnehmer darzulegen und zu beweisen, dass ihm wegen eines rechtsgeschäftlichen
Betriebsübergangs gekündigt worden ist. Im Kündigungsschutzverfahren nach § 1 Abs. 2 KSchG hat demgegenüber der Arbeitgeber die Tatsachen zu
beweisen, die die Kündigung bedingen und es ist seine Aufgabe vorzutragen und nachzuweisen, dass die Kündigung sozial gerechtfertigt ist. Fehlt es daran, ist
der Kündigungsschutzklage stattzugeben, ohne dass es der Feststellung bedarf, dass der tragende Beweggrund für die Kündigung ein Betriebsübergang ist
(BAG 16. Mai 2002 - 8 AZR 319/01 - zu III 1 a bb (2) der Gründe, AP BGB § 613a Nr. 237 = EzA BGB § 613a Nr. 210; 9. Februar 1994 - 2 AZR 666/93 - zu
II 2 d der Gründe, AP BGB § 613a Nr. 105 = EzA BGB § 613a Nr. 116; 5. Dezember 1985 - 2 AZR 3/85 - zu B II 2 a der Gründe, AP BGB § 613a Nr. 47 =
EzA BGB § 613a Nr. 50).
2. Die Entscheidung des Berufungsgerichts über die Sozialwidrigkeit einer Kündigung ist in der Revisionsinstanz nur beschränkt nachprüfbar. Bei der Frage der
Sozialwidrigkeit einer Kündigung handelt es sich um die Anwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffs, die von dem Revisionsgericht nur darauf überprüft
werden kann, ob das angefochtene Urteil den Rechtsbegriff selbst verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnorm des § 1
KSchG Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt hat, ob es bei der gebotenen Interessenabwägung, bei der dem Tatrichter ein
Beurteilungsspielraum zusteht, alle wesentlichen Umstände berücksichtigt hat und ob es in sich widerspruchsfrei ist (BAG 27. November 2008 - 2 AZR 98/07 -
Rn. 19, AP KSchG 1969 § 1 Nr. 90 = EzA KSchG § 1 Verdachtskündigung Nr. 4; 24. Juni 2004 - 2 AZR 63/03 - zu B I der Gründe, AP KSchG 1969 § 1
Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 49 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 65).
3. Unter Berücksichtigung dieses eingeschränkten Prüfungsmaßstabs ist die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, zum Zeitpunkt der Kündigung habe die
Beklagte nicht die Absicht gehabt, den Betriebsteil V dauerhaft stillzulegen, auf der Grundlage des festgestellten und nicht angegriffenen Sachverhalts nicht zu
beanstanden. Zu Recht ist das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen, die Beklagte habe im Oktober 2008 beabsichtigt, den unstreitig organisatorisch
abgegrenzten Bereich V im Wege des Teilbetriebsübergangs iSd. § 613a BGB auf die G P S AG in B/CH zu übertragen.
a) § 613a BGB setzt den rechtsgeschäftlichen Übergang eines Betriebs oder Betriebsteils auf einen anderen Inhaber voraus. Erforderlich ist die Wahrung der
Identität der betreffenden wirtschaftlichen Einheit. Der Begriff wirtschaftliche Einheit bezieht sich auf eine organisatorische Gesamtheit von Personen und/oder
Sachen zur auf Dauer angelegten Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigener Zielsetzung. Bei der Prüfung, ob eine solche Einheit übergegangen ist,
müssen sämtliche den betreffenden Vorgang kennzeichnenden Tatsachen berücksichtigt werden. Dazu gehören als Teilaspekte der Gesamtwürdigung
namentlich die Art des betreffenden Unternehmens oder Betriebs, der etwaige Übergang der materiellen Betriebsmittel wie Gebäude oder bewegliche Güter, der
Wert der immateriellen Aktiva im Zeitpunkt des Übergangs, die etwaige Übernahme der Hauptbelegschaft, der etwaige Übergang der Kundschaft sowie der
Grad der Ähnlichkeit zwischen den vor und nach dem Übergang verrichteten Tätigkeiten und die Dauer einer eventuellen Unterbrechung dieser Tätigkeit. Die
Identität der Einheit kann sich auch aus anderen Merkmalen, wie zB ihrem Personal, ihren Führungskräften, ihrer Arbeitsorganisation, ihren Betriebsmethoden
oder den ihr zur Verfügung stehenden Betriebsmitteln ergeben. Den für das Vorliegen eines Übergangs maßgeblichen Kriterien kommt je nach der ausgeübten
Tätigkeit und je nach den Produktions- und Betriebsmethoden unterschiedliches Gewicht zu (st. Rspr., vgl. BAG 21. August 2008 - 8 AZR 481/07 - Rn. 24, AP
BGB § 613a Nr. 354 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 96; 16. Februar 2006 - 8 AZR 211/05 - zu II 3 a der Gründe mwN, AP BGB § 613a Nr. 301 = EzA BGB
2002 § 613a Nr. 47).
b) Danach hat das Landesarbeitsgericht ohne Rechtsfehler angenommen, dass der Bereich V, der bei der Beklagten eine auf Dauer angelegte, hinreichend
strukturierte und selbständige wirtschaftliche Einheit im Sinne des § 613a BGB darstellte, aufgrund einer Entscheidung aus dem September 2008 zum 1. Januar
2009 identitätswahrend auf die G P S AG übertragen werden sollte.
aa) Der beabsichtigten identitätswahrenden Übertragung des Betriebsteils V steht nicht entgegen, dass die vormals eigenständige Einheit V bei der G P S AG
aufgelöst und die übernommenen Betriebsmittel in die vorhandene Organisation integriert worden sind. Entscheidend ist, worauf das Landesarbeitsgericht auch
zutreffend abstellt, dass der Funktions- und Zweckzusammenhang zwischen den übertragenen materiellen und immateriellen Betriebsmitteln sowie den
sonstigen Produktionsfaktoren wie etwa den Kunden- und Lieferantenbeziehungen oder den Fertigungsmethoden, beibehalten wird, und dies dem Erwerber
gestattet, die verknüpften Produktionsfaktoren zur Verfolgung einer bestimmten wirtschaftlichen Tätigkeit zu nutzen. Auf die Beibehaltung der bisherigen
Organisationsstruktur kommt es hierbei nicht entscheidend an (BAG 22. Januar 2009 - 8 AZR 158/07 - Rn. 19, AP BGB § 613a Nr. 367 = EzA BGB 2002 §
613a Nr. 107; EuGH 12. Februar 2009 - C-466/07 - [Klarenberg] Rn. 47 f., Slg. 2009, I-803 = AP Richtlinie 2001/23/EG Nr. 4 = EzA Richtlinie 2001/23
EG-Vertrag 1999 Nr. 2).
bb) Das für die H-Division im September 2008 erarbeitete Restrukturierungskonzept sah eine Fortführung der bisherigen Aktivitäten des "V" Bereichs der
Beklagten bei der G P S AG in B/CH und die Verbringung der Betriebsmittel von M nach B/CH vor. Dies ergibt sich einerseits aus dem Anschreiben an
Kunden und Lieferanten, andererseits aus der E-mail vom 10. Dezember 2008, die den Ablauf der Umzugsaktivitäten beschreibt und in der ausgeführt wird,
dass in B/CH der Werkstattbereich und das Lager sukzessive aufgebaut werden, "so dass schnellstmöglich die Arbeit fortgesetzt werden kann". Im Rahmen der
vorzunehmenden Gesamtbetrachtung ist der Umstand, dass Konstruktions- und Entwicklungsarbeiten von der G P S AG an externe Dienstleister vergeben
wurden, demgegenüber von nachgeordneter Bedeutung, zumal die Beklagte nicht vorgetragen hat, dass diese später erfolgte externe Vergabe schon Teil des
Restrukturierungskonzepts vom September 2008 gewesen ist.
cc) Der beabsichtigten identitätswahrenden Übertragung des Betriebsteils steht auch nicht die Entfernung zwischen "alter" und "neuer" Betriebsstätte entgegen.
Eine erhebliche räumliche Entfernung, die die Wahrung der Identität zweifelhaft erscheinen lassen könnte, besteht nicht (BAG 25. Mai 2000 - 8 AZR 335/99 -
Rn. 37, RzK I 5e Nr. 137; 13. November 1997 - 8 AZR 435/95 - Rn. 27, ZInsO 1998, 140; 12. Februar 1987 - 2 AZR 247/86 - AP BGB § 613a Nr. 67 = EzA
BGB § 613a Nr. 64). Unstreitig beträgt die Wegstrecke zwischen beiden Betriebsstätten etwa 59 Kilometer, sie lässt sich für die Arbeitnehmer ohne
Notwendigkeit eines Umzugs in einer knappen Autostunde bewältigen.
dd) Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht aufgrund der von ihm durchgeführten Gesamtbetrachtung die Absicht, einen Betriebsteilübergang durchzuführen,
bejaht, nachdem es festgestellt hat, dass die G P S AG nicht nur die Betriebsmittel der Abteilung V, die Kundschaft, die laufenden Projekte sowie alle Verträge
und die Lieferanten übernommen hat, sondern auch die gesamte Fertigungslinie unverändert und ohne Unterbrechung der Tätigkeit fortführt. Angesichts der
übertragenen Produktions- und Montagemaschinen und Werkzeuge, der Läger und der sonstigen Produktionsmittel sind unwesentliche Betriebsmittel, wie
Büroeinrichtungen oder Computer, die nicht nach B/CH verbracht werden sollten, von untergeordneter Bedeutung.
III. Der Berücksichtigung des beabsichtigten Betriebsteilübergangs und der Betriebsverlagerung von M nach B/CH bei der Beurteilung der Kündigung vom 27.
Oktober 2008 steht nicht entgegen, dass es sich um einen grenzüberschreitenden Sachverhalt handelt. Die fehlende Stilllegungsabsicht der Beklagten und §
613a BGB sind auch in diesem Zusammenhang zu beachten.
1. Nach den Regeln des internationalen Privatrechts (IPR) bestimmt sich die Frage, welches Gesetzesrecht auf einen Privatrechtssachverhalt anzuwenden ist,
nach den Regelungen des Staates, dessen Gericht zur Entscheidung angerufen wird. Dies sind vorliegend die das Arbeitsrecht betreffenden Bestimmungen der
Art. 27 bis 37 EGBGB. Diese sind zwar zum 17. Dezember 2009 durch die Bestimmungen der Verordnung Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des
Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht abgelöst worden (RomI-VO). Nach Art. 28 RomI-VO finden aber
die Regelungen des EGBGB auf Vertragsverhältnisse, die vor dem 17. Dezember 2009 begründet worden sind, weiterhin Anwendung.
2. Die Parteien des Rechtsstreits haben keine ausdrückliche oder stillschweigende Rechtswahl getroffen. Das auf den zwischen ihnen geschlossenen
Arbeitsvertrag anzuwendende Recht ist daher nach den in Art. 30 Abs. 2 EGBGB benannten Anknüpfungskriterien zu bestimmen. Vor dem Zeitpunkt des
beabsichtigten Betriebsübergangs, also vor dem 1. Januar 2009 ist wegen der dauerhaften Erfüllung der Arbeitspflicht in Deutschland und der Tatsache, dass
sich aus den Gesamtumständen keine engere Verbindung des Arbeitsvertrags oder des Arbeitsverhältnisses zu einem anderen Land ergibt, deutsches Recht
anzuwenden, also auch § 613a BGB. Zwar ist das Arbeitsvertragsstatut, also die Frage, welches nationale Recht in einem Arbeitsverhältnis anzuwenden ist,
wandelbar. Einerseits können die Arbeitsvertragsparteien ein anderes Arbeitsvertragsstatut ausdrücklich vereinbaren. Andererseits kommt es regelmäßig zu
einem Wechsel des anzuwendenden Rechts, wenn ein Arbeitnehmer, für dessen Arbeitsverhältnis keine Rechtswahl vereinbart ist, dauerhaft in das Ausland
entsandt wird (Thüsing NZA 2003, 1303; MüArbR/Oetker 3. Aufl. Bd. 1 § 11 Rn. 37; Palandt/Thorn 68. Aufl. Art. 30 EGBGB Rn. 7). Die Parteien haben aber
weder vor dem 1. Januar 2009 ein anderes Arbeitsvertragsstatut vereinbart noch ist der Kläger vor diesem Zeitpunkt bereits dauerhaft zur Erbringung seiner
Arbeitsleistung nach B/CH entsandt worden. Ein Arbeitsvertragsangebot der G P S AG in B/CH vom 24. Oktober 2008 hat der Kläger abgelehnt. Im Zeitpunkt
des Ausspruchs der Kündigung am 27. Oktober 2008 als dem maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt greift deutsches Recht, da keine Umstände dafür ersichtlich
sind, dass es vor dem Betriebsübergang zu einer Änderung des Arbeitsvertragsstatuts gekommen ist.
3. Die Parteien streiten nicht darüber, mit wem der Kläger ab dem 1. Januar 2009 ein Arbeitsverhältnis hat und welches Recht dafür gilt. Die beantragte
Feststellung eines Arbeitsverhältnisses zur Beklagten bei unverändertem Fortbestand und den Weiterbeschäftigungsantrag des Klägers hat das
Landesarbeitsgericht rechtskräftig abgewiesen. Selbst wenn das Arbeitsverhältnis des Klägers nach dem Betriebsübergang gemäß einem anderen nationalen
Recht zu beurteilen wäre und wenn sich diesem zufolge kein Eintritt des Erwerbers in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs
bestehenden Arbeitsverhältnissen ergäbe, wirkte dies nicht in der Weise vor, dass der beabsichtigte Betriebsübergang bei der Beurteilung der streitbefangenen
Kündigungen außer Betracht zu bleiben hätte.
a) Nach der Rechtsprechung des Senats ist § 613a BGB auch bei Betriebsübergängen in das Ausland grundsätzlich anwendbar (BAG 16. Mai 2002 - 8 AZR
319/01 - zu B III 1 b cc (3) der Gründe, AP BGB § 613a Nr. 237 = EzA BGB § 613a Nr. 210 - Verlagerung von Deutschland nach Österreich -; vgl. auch 20.
April 1989 - 2 AZR 431/88 - BAGE 61, 369 = AP BGB § 613a Nr. 81 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 61 - möglicher Betriebsübergang
nach Frankreich -).
b) Die Auffassung, bei Betriebsübergängen in das Ausland gelte § 613a BGB nicht, da die Geltung deutschen Gesetzesrechts an der deutschen Grenze ende,
vermag nicht zu überzeugen (MünchKomm/Schaub 3. Aufl. § 613a BGB Rn. 14; Loritz RdA 1987, 65, 84; ArbG Hamburg 20. Juli 1979 - S15 Ca 410/78 - AP
BGB § 613a Nr. 25). Das im öffentlichen Recht zu beachtende Territorialitätsprinzip wird im grenzüberschreitenden Zivilrechtsverkehr von den Regelungen
des IPR verdrängt. Andernfalls müsste schon bei einer vorübergehenden Entsendung eines Arbeitnehmers in das Ausland entgegen Art. 30 Abs. 2 Nr. 1
EGBGB das Recht des betroffenen ausländischen Staates Anwendung finden. Grundsätzlich ist daher die Anwendbarkeit des § 613a BGB nicht auf das Gebiet
der Bundesrepublik beschränkt (Cohnen FS zum 25-jährigen Bestehen der Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht im Deutschen Anwaltsverein S. 595; Richter
ArbuR 1992, 65; Feudner NZA 1999, 1184). Bei Betriebsübergängen mit Auslandsbezug können sachgerechte Lösungen auch nicht über die Regelungen nach
Art. 43 EGBGB, sondern nur über die Regelungen des Arbeitsvertragsstatuts nach Art. 30 EGBGB erzielt werden (Koch RIW 1984, 592; Birk RdA 1984, 129;
Junker Internationales Arbeitsrecht im Konzern S. 235 ff.). Art. 43 EGBGB regelt die Rechte an einer Sache. Bei einem Betriebsübergang werden nicht nur und
auch nicht notwendig Sachen, sondern eine Gesamtheit von materiellen und immateriellen Betriebsmitteln übertragen (BAG 29. Oktober 1992 - 2 AZR 267/92
- zu II 2 der Gründe, BAGE 71, 297 = AP Internat. Privatrecht Arbeitsrecht Nr. 31 = EzA EGBGB Art. 30 Nr. 2). Andererseits ist das Recht der Arbeitsverträge
und der Arbeitsverhältnisse durch Art. 30 EGBGB speziell geregelt, eine für das Sachenrecht geltende Vorschrift kann für die Klärung des
Arbeitsvertragsstatuts nicht herangezogen werden. Soweit beide Ansichten darauf hinweisen, ein ausländischer Betriebserwerber könne bei einer Verlagerung
des Betriebs in das Ausland nicht zur Anwendung deutschen Rechts gezwungen werden, darf die Frage der Anwendbarkeit einer Norm nicht mit der Frage nach
deren Durchsetzbarkeit im Ausland vermengt werden (MüArbR/Wank Bd. 1 § 103 Rn. 60).
c) Andererseits ist die Auffassung, nach einem Betriebsübergang in das Ausland ändere sich nicht das Vertragsstatut von Arbeitsverträgen, in denen keine
Rechtswahl vereinbart ist (MAH Moll/Cohnen/Tepass Arbeitsrecht 2. Aufl. § 50 Rn. 63; Feudner NZA 1999, 1184, 1185), nicht mit Art. 30 Abs. 2 EGBGB
vereinbar. Verrichtet der Arbeitnehmer in Erfüllung seines Vertrags seine Arbeit gewöhnlich in einem bestimmten Staat, so unterliegt sein Arbeitsverhältnis
dem Recht dieses Staates, es sei denn, aus der Gesamtheit der Umstände ergibt sich eine engere Verbindung zu einem anderen Staat.
d) Regelmäßig wird sich daher das Arbeitsvertragsstatut eines Arbeitnehmers, in dessen Vertragsverhältnis keine Rechtswahl vereinbart ist, bei einem Wechsel
von Deutschland in das Ausland infolge eines Betriebsübergangs ändern. In Ausnahmefällen kann eine engere Verbindung des Vertrags zum "alten" Staat, also
zu Deutschland denkbar sein. Regelmäßig wird aber nach dem Betriebsübergang das Recht des Staates zur Anwendung kommen, auf dessen Gebiet der
Betriebsübergang erfolgt ist (AR-Blattei SD/Hergenröder Stand Juni 2007 Internationaler Betriebsinhaberwechsel 500. 3 Rn. 50 ff.). Die Änderung des
Arbeitsvertragsstatuts tritt aber erst ein, nachdem die Arbeitsverhältnisse übergegangen sind. Dies kann zwar bei einem Betriebsübergang in das
Nicht-EU-Ausland zur Folge haben, dass die durch § 613a BGB oder durch die europäische Unternehmensübergangsrichtlinie gewährleisteten, beim
Betriebsübernehmer begründeten Rechte und Pflichten ersatzlos wegfallen, ändert aber nichts daran, dass derartige Rechtswirkungen erst nach dem Übergang
des Arbeitsverhältnisses und nach dem Inkrafttreten des neuen Arbeitsstatuts Bedeutung erlangen können. Für eine vor dem Betriebsübergang ausgesprochene,
nach deutschem Recht zu beurteilende Kündigung, sind solche Rechtsänderungen ohne Belang.
IV. Der offensichtliche Schreibfehler im Tenor des Berufungsurteils bei der Bezeichnung des erstinstanzlichen Urteils (fälschlich: - 14 Ca 516/08 - statt - 14 Ca
515/08 -) war durch Neufassung des Tenors des Berufungsurteils von Amts wegen zu berichtigen, § 319 ZPO. ..."
***
Der bloße Ausspruch einer (später mit Zustimmung des Arbeitnehmers zurückgenommenen) Kündigung, die der Arbeitgeber mit häufigen und
wiederzuerwartenden Arbeitsunfähigkeitszeiten begründet hat, stellt regelmäßig keine hinreichende Indiztatsache für die Vermutung einer Benachteiligung
wegen einer Behinderung dar. Kündigt ein Arbeitgeber einem Arbeitnehmer wegen häufiger krankheitsbedingter Fehlzeiten, ohne zuvor ein ordnungsgemäßes,
nach § 84 Abs. 2 SGB IX erforderliches betriebliches Eingliederungsmanagement durchgeführt zu haben, so begründet dies keine Vermutung nach § 22 AGG
für eine Benachteiligung des Arbeitnehmers wegen einer Behinderung (BAG, Urteil vom 28.04.2011 - 8 AZR 515/10):
„... 1. Die Tatbestandsvoraussetzungen für den geltend gemachten Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG sind nicht erfüllt. Deshalb kann dahinstehen,
ob § 2 Abs. 4 AGG, der für Kündigungen ausschließlich die Bestimmungen zum allgemeinen und besonderen Kündigungsschutz für anwendbar erklärt, dazu
führt, dass § 15 AGG bei unzulässig diskriminierenden Kündigungen nicht anwendbar ist (offengelassen unter Darstellung des Meinungsstreits: Senat 22.
Oktober 2009 - 8 AZR 642/08 - AP AGG § 15 Nr. 2 = EzA AGG § 15 Nr. 4 und BAG 6. November 2008 - 2 AZR 523/07 - BAGE 128, 238 = AP KSchG 1969
§ 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 182 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 82; problematisiert unter europarechtlicher Sicht: Temming Anm. 2 zu BAG
6. November 2008 - 2 AZR 523/07 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 182).
2. Nach § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG kann der Beschäftigte wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine angemessene Entschädigung in Geld
verlangen. Der Entschädigungsanspruch setzt einen Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot gemäß § 7 Abs. 1 iVm. § 1 AGG voraus. Dies stellt zwar § 15
Abs. 2 Satz 1 AGG nicht ausdrücklich klar, ergibt sich aber aus dem Gesamtzusammenhang der Bestimmungen in § 15 AGG (Senat 22. Januar 2009 - 8 AZR
906/07 - BAGE 129, 181 = AP AGG § 15 Nr. 1 = EzA AGG § 15 Nr. 1).
3. Gemäß § 7 Abs. 1 Halbs. 1 AGG dürfen Beschäftigte nicht wegen eines der in § 1 AGG genannten Merkmale benachteiligt werden. Gegen dieses
Benachteiligungsverbot hat die Beklagte nicht verstoßen.
a) § 7 Abs. 1 AGG knüpft an die in § 1 AGG angeführten Merkmale an. Der Kläger beruft sich auf das Merkmal der Behinderung.
aa) Nach der Gesetzesbegründung entspricht der Begriff der Behinderung des AGG den sozialrechtlich entwickelten gesetzlichen Definitionen in § 2 Abs. 1
Satz 1 SGB IX und § 3 BGG (BT-Drucks. 16/1780 S. 31). Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische
Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben
in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Der Gerichtshof der Europäischen Union versteht den Begriff "Behinderung" im Sinne der RL 2000/78/EG dahingehend,
dass er eine Einschränkung erfasse, die insbesondere auf physische, geistige oder psychische Beeinträchtigungen zurückzuführen sei und die ein Hindernis für
die Teilhabe der Betreffenden am Berufsleben bildeten. Die Begriffe "Behinderung" und "Krankheit" ließen sich nicht schlicht und einfach einander
gleichsetzen. Die Bedeutung, welche der Gemeinschaftsgesetzgeber Maßnahmen zur Einrichtung des Arbeitsplatzes nach Maßgabe der Behinderung
beigemessen habe, zeige, dass er an Fälle gedacht habe, in denen die Teilhabe am Berufsleben über einen langen Zeitraum eingeschränkt sei. Damit die
Einschränkung unter den Begriff "Behinderung" falle, müsse wahrscheinlich sein, dass sie von langer Dauer sei (EuGH 11. Juli 2006 - C-13/05 - [Chacón
Navas] Slg. 2006, I-6467).
bb) Das Landesarbeitsgericht hat zugunsten des Klägers eine "Behinderung" iSd. Rechtsprechung des EuGH unterstellt.
b) Die Beklagte hat durch den Ausspruch der krankheitsbedingten Kündigung vom 12. Januar 2009 den Kläger nicht wegen einer (als vorliegend
unterstellten) Behinderung unzulässig iSd. AGG benachteiligt.
aa) Eine unmittelbare Benachteiligung iSv. § 3 Abs. 1 AGG liegt vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten verpönten Merkmals eine weniger
günstige Behandlung erleidet als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Es ist erforderlich, dass die
betreffende Person einer weniger günstigen Behandlung ausgesetzt ist als eine in einer vergleichbaren Situation befindliche Person, bei der das Merkmal nicht
vorliegt (Senat 22. Oktober 2009 - 8 AZR 642/08 - AP AGG § 15 Nr. 2 = EzA AGG § 15 Nr. 4).
bb) Mit der Kündigungserklärung hat sich die Beklagte eines zulässigen Gestaltungsmittels zur Beendigung eines Arbeitsverhältnisses bedient. Sie hat die
Kündigung auf Gründe in der Person des Klägers - konkret: die in der Vergangenheit aufgetretenen Arbeitsunfähigkeitszeiten, welche aus ihrer Sicht die
Befürchtung auch künftiger Fehlzeiten in einem erheblichen Maße begründen - gestützt. Dies ergibt sich ua. auch aus dem Anhörungsschreiben der Beklagten
vom 2. Januar 2009 an den Betriebsrat im Rahmen der Betriebsratsanhörung nach § 102 Abs. 1 BetrVG. In diesem Schreiben hat die Beklagte im Einzelnen
unter Bezugnahme auf die einschlägige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts dargelegt, dass sie aufgrund der bisherigen Fehlzeiten des Klägers mit
weiteren Erkrankungen in bisherigem Umfange rechne und dass diese "zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen" führen würden.
Die Äußerung des Willens zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses mag für den Erklärungsempfänger ungünstig und nachteilig sein. Es sind aber keine
Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Beklagte gegenüber einem anderen, nicht behinderten Arbeitnehmer mit Arbeitsunfähigkeitszeiten in gleichem oder
auch nur ähnlichem Umfange, wie sie beim Kläger vorgelegen haben, keine Kündigung ausspricht, ausgesprochen hat oder aussprechen würde. Dies trägt der
Kläger auch nicht konkret vor.
cc) Es liegt auch keine mittelbare Benachteiligung des Klägers nach § 3 Abs. 2 AGG vor. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass Behinderung
und zu Ausfallzeiten führende Arbeitsunfähigkeit nicht gleichzusetzen sind. Die von der Beklagten ausgesprochene Kündigung basiert auf den Fehlzeiten des
Klägers. Der Schluss, dass die Beklagte bei den von ihr ausgesprochenen personen- bzw. krankheitsbedingten Kündigungen überproportional behinderte
Menschen trifft, kann nicht gezogen werden. Dies hat der Kläger auch weder behauptet noch ist solches anderweitig ersichtlich.
dd) Rechtsfehlerfrei ist das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen, dass der Kläger nicht wegen einer Behinderung benachteiligt worden ist.
Da für einen Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG die Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes erforderlich ist, muss ein
Kausalzusammenhang vorliegen. Dieser ist dann gegeben, wenn die Benachteiligung an einen oder mehrere der in § 1 AGG genannten Gründe anknüpft oder
dadurch motiviert ist (vgl. BT-Drucks. 16/1780 S. 32). Ausreichend ist, dass ein in § 1 AGG genannter Grund Bestandteil eines Motivbündels ist, welches die
Entscheidung beeinflusst hat (Senat 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - BAGE 129, 181 = AP AGG § 15 Nr. 1 = EzA AGG § 15 Nr. 1). Nach den gesetzlichen
Beweisregelungen in § 22 AGG genügt es, dass der Anspruchsteller im Streitfalle Indizien beweist, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG
genannten Grundes vermuten lassen. Sodann trägt die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor
Benachteiligung vorgelegen hat.
Die mit Revisionsrügen nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts lassen keinen Schluss auf die Vermutung einer Ursächlichkeit zwischen der
(zugunsten des Klägers als Benachteiligung gewerteten) Kündigungserklärung und einer (wiederum zugunsten des Klägers angenommenen) Behinderung zu.
Der Kläger beruft sich auf die ausgesprochene, später jedoch zurückgenommene Kündigung und auf das in seiner Person erfüllte Diskriminierungsmerkmal der
Behinderung. Dies vermag eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für eine gesetzwidrige Motivation der Kündigungsentscheidung oder deren Verknüpfung mit
einem verpönten Merkmal nach § 1 AGG nicht zu begründen. Es bedarf bei einem ua. mit dem Entschädigungsanspruch sanktionierten Verstoß gegen das
Benachteiligungsverbot zwar keiner "subjektiven Komponente" im Sinne einer Benachteiligungsabsicht. Allerdings muss eine Anknüpfung der Handlung des
Benachteiligenden an ein Diskriminierungsmerkmal zumindest in Betracht kommen können (Senat 22. Oktober 2009 - 8 AZR 642/08 - AP AGG § 15 Nr. 2 =
EzA AGG § 15 Nr. 4).
Als gestaltende Willenserklärung knüpft die Kündigungserklärung als solche nicht an ein Diskriminierungsmerkmal an. Insoweit können aber etwa die
Kündigungsmotivation bzw. die der Kündigungsentscheidung zugrunde liegenden Überlegungen durchaus Anhaltspunkte für einen Zusammenhang zwischen
der Erklärung und einem Merkmal nach § 1 AGG sein. Auf einen solchen kann aus der Kündigungsbegründung oder aus anderen äußeren Umständen
geschlossen werden. Derartige Umstände sind aber nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hier nicht ersichtlich. Im Gegenteil: Der äußere Anschein
spricht vorliegend gerade dafür, dass es der Beklagten allein um eine mit den krankheitsbedingten Fehlzeiten des Klägers begründete Kündigung gegangen ist.
Soweit sie aus "krankheitsbedingten Gründen" gekündigt hat, ist die Krankheit als solche kein Grund, dessentwegen Personen zu benachteiligen die RL
2000/78/EG verbietet (vgl. EuGH 11. Juli 2006 - C-13/05 - [Chacón Navas] Slg. 2006, I-6467).
Mit der Argumentation des Klägers könnte letztlich bei jeder Kündigungserklärung gegenüber einem Arbeitnehmer, der ein Merkmal iSd. § 1 AGG aufweist
(was beispielsweise beim Geschlecht immer der Fall ist), auch eine Kündigung wegen dieses Merkmals angenommen werden. Allein das Vorliegen eines
Diskriminierungsmerkmals iSd. § 1 AGG in der Person des Benachteiligten reicht für die Annahme eines Kausalzusammenhanges jedoch grundsätzlich nicht
aus (Senat 22. Oktober 2009 - 8 AZR 642/08 - AP AGG § 15 Nr. 2 = EzA AGG § 15 Nr. 4).
4. An diesem Ergebnis würde sich auch nichts ändern, wenn die Beklagte das BEM nach § 84 Abs. 2 SGB IX gesetzwidrig nicht oder nicht ordnungsgemäß
durchgeführt hätte. Daher kommt es auf die streitige Frage, ob die Beklagte mit ihrem Schreiben vom 18. April 2008 an den Kläger in Zusammenschau mit
dessen Antwortschreiben vom 23. Mai 2008 ihren Verpflichtungen nach § 84 Abs. 2 SGB IX genügt hat, nicht an.
a) § 84 Abs. 2 SGB IX gilt nicht nur für behinderte, sondern für alle Arbeitnehmer (BAG 12. Juli 2007 - 2 AZR 716/06 - BAGE 123, 234 = AP KSchG 1969 §
1 Personenbedingte Kündigung Nr. 28 = EzA SGB IX § 84 Nr. 3).
b) Aufgrund der Fehlzeiten des Klägers in den Jahren 2007 und 2008 lagen die Voraussetzungen einer Verpflichtung der Beklagten zur Durchführung eines
BEM nach § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX vor.
c) Das Unterlassen eines vorgeschriebenen BEM führt nicht zur Unwirksamkeit einer aufgrund der Krankheitszeiten ausgesprochenen betriebsbedingten
Kündigung (BAG 24. Januar 2008 - 6 AZR 96/07 - EzA BGB 2002 § 242 Kündigung Nr. 7). Auch sonstige Rechtsfolgen für einen Verstoß gegen § 84 Abs. 2
SGB IX sieht das Gesetz nicht vor (BAG 12. Juli 2007 - 2 AZR 716/06 - BAGE 123, 234 = AP KSchG 1969 § 1 Personenbedingte Kündigung Nr. 28 = EzA
SGB IX § 84 Nr. 3). Allerdings hat ein solcher Verstoß Auswirkungen auf die Darlegungs- und Beweislast des Arbeitgebers in einem Kündigungsschutzprozess
(vgl. dazu: BAG 10. Dezember 2009 - 2 AZR 198/09 - AP SGB IX § 84 Nr. 3 = EzA KSchG § 1 Krankheit Nr. 57).
Da die Beklagte die gegenüber dem Kläger ausgesprochene Kündigung mit dessen Zustimmung zurückgenommen hat, spielt es im Streitfalle keine Rolle, ob
und wie sich ein möglicherweise unterlassenes oder fehlerhaft durchgeführtes BEM auf die Wirksamkeit der Kündigung ausgewirkt haben könnte.
d) Ein Verstoß der Beklagten gegen § 84 Abs. 2 SGB IX würde auch kein Indiz iSd. § 22 AGG für eine unzulässige Benachteiligung des Klägers wegen einer
Behinderung darstellen. § 84 Abs. 2 SGB IX ist keine besondere Schutzvorschrift zugunsten Behinderter, weil sie für alle Arbeitnehmer gilt. Damit ist sie nicht
vergleichbar mit besonders dem Schutz behinderter Arbeitnehmer dienenden Regelungen, wie §§ 81, 82, 83 oder 85 SGB IX.
Ein Verstoß der Beklagten gegen ihre Verpflichtung, ein ordnungsgemäßes BEM nach § 84 Abs. 2 SGB IX durchzuführen, könnte mithin allenfalls ein Indiz
für die Vermutung darstellen, dass sie sich nicht an ihre gesetzlichen Verpflichtungen gegenüber Arbeitnehmern mit längeren Krankheitszeiten hält, aber nicht
dafür, dass sie behinderte Arbeitnehmer unzulässig benachteiligt.
Damit ist ein Verstoß gegen § 84 Abs. 2 SGB IX nicht vergleichbar mit Verstößen gegen ausschließlich zugunsten behinderter Arbeitnehmer bestehende
Verpflichtungen, welche ein Indiz iSd. § 22 AGG für eine unzulässige Benachteiligung Behinderter darstellen können (vgl. BAG 21. Juli 2009 - 9 AZR 431/08
- AP SGB IX § 82 Nr. 1 = EzA SGB IX § 82 Nr. 1 - Verstoß gegen § 82 SGB IX - und 18. November 2008 - 9 AZR 643/07 - AP SGB IX § 81 Nr. 16 = EzA
SGB IX § 81 Nr. 19 - Verstoß gegen § 81 SGB IX aF). ..."
***
Für ein Inkenntnissetzen iSd. § 174 Satz 2 BGB reicht die bloße Mitteilung im Arbeitsvertrag, dass der jeweilige Inhaber einer bestimmten Funktion kündigen
dürfe, nicht aus. Erforderlich ist vielmehr ein zusätzliches Handeln des Vollmachtgebers, aufgrund dessen es dem Empfänger der Kündigungserklärung
möglich ist, der ihm genannten Funktion, mit der das Kündigungsrecht verbunden ist, die Person des jeweiligen Stelleninhabers zuzuordnen (BAG, Urteil vom
14.04.2011 - 6 AZR 727/09)
***
I. Die Kündigung ist durch Gründe in der Person des Klägers sozial gerechtfertigt iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG.
1. Als personenbedingter Kündigungsgrund kommen solche Umstände in Betracht, die auf einer in den persönlichen Verhältnissen oder Eigenschaften des
Arbeitnehmers liegenden "Störquelle" beruhen (BAG 5. Juni 2008 - 2 AZR 984/06 - Rn. 27 mwN, AP BGB § 626 Nr. 212 = EzA KSchG § 1 Personenbedingte
Kündigung Nr. 22). Dazu zählt - anknüpfend an frühere Wertungen des Gesetzgebers in § 72 Abs. 1 Nr. 3 HGB (aF) - auch eine Arbeitsverhinderung des
Arbeitnehmers, die auf einer Straf- oder Untersuchungshaft beruht (st. Rspr., BAG 25. November 2010 - 2 AZR 984/08 - Rn. 12; 22. September 1994 - 2 AZR
719/93 - zu II 1 der Gründe, AP KSchG 1969 § 1 Nr. 25 = EzA KSchG § 1 Personenbedingte Kündigung Nr. 11). Diese Betrachtung lässt es zu, auf eine
mögliche Resozialisierung des straffällig gewordenen Arbeitnehmers Bedacht zu nehmen. Nicht jede Freiheitsstrafe kann ohne Rücksicht auf ihre Dauer und
ihre Auswirkungen zum Verlust des Arbeitsplatzes führen (BAG 25. November 2010 - 2 AZR 984/08 - aaO; 15. November 1984 - 2 AZR 613/83 - AP BGB §
626 Nr. 87 = EzA BGB § 626 nF Nr. 95).
Eine Würdigung des Geschehens unter verhaltensbedingten Gesichtspunkten ist nur veranlasst, wenn die der Verurteilung zugrunde liegenden Taten einen
Bezug zum Arbeitsverhältnis haben oder der Arbeitnehmer auf andere Weise arbeitsvertragliche Pflichten, insbesondere seine Pflicht zur Rücksichtnahme (§
241 Abs. 2 BGB) verletzt hat (BAG 25. November 2010 - 2 AZR 984/08 - Rn. 13; 10. September 2009 - 2 AZR 257/08 - Rn. 19 ff., AP KSchG 1969 § 1
Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 60 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 77). Auf einen solchen, im Verhalten des Klägers begründeten
Kündigungssachverhalt beruft sich die Beklagte nicht. Sie stützt die Kündigung ausschließlich auf die haftbedingten Abwesenheitszeiten des Klägers.
2. Voraussetzung einer - ordentlichen wie außerordentlichen - Kündigung wegen haftbedingter Arbeitsverhinderung ist, dass der Arbeitnehmer für eine
verhältnismäßig erhebliche Zeit nicht in der Lage sein wird, seine arbeitsvertraglichen Verpflichtungen zu erfüllen (BAG 20. November 1997 - 2 AZR 805/96 -
zu II 3 der Gründe, RzK I 6a Nr. 154; 10. Juni 1965 - 2 AZR 339/64 - zu III der Gründe, BAGE 17, 186). Die Nichterfüllung der Arbeitspflicht muss sich
außerdem nachteilig auf das Arbeitsverhältnis auswirken. Da der Arbeitgeber im Fall der haftbedingten Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers typischerweise
von der Lohnzahlungspflicht befreit ist (§ 616 Abs. 1, § 275 Abs. 1, § 326 Abs. 1 BGB), hängt es von der Dauer sowie Art und Ausmaß der betrieblichen
Auswirkungen ab, ob die Inhaftierung geeignet ist, einen Grund zur Kündigung abzugeben (BAG 20. November 1997 - 2 AZR 805/96 - zu II 3 der Gründe,
aaO; 9. März 1995 - 2 AZR 497/94 - zu II 3 der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 123 = EzA BGB § 626 nF Nr. 154). Liegt eine beachtliche Störung vor, bedarf es
der abschließenden, alle Umstände des Einzelfalls einbeziehenden Abwägung, ob es dem Arbeitgeber unter Berücksichtigung der Interessen beider
Vertragsteile unzumutbar war, das Arbeitsverhältnis bis zum Wegfall des Hinderungsgrundes fortzusetzen (BAG 22. September 1994 - 2 AZR 719/93 - AP
KSchG 1969 § 1 Nr. 25 = EzA KSchG § 1 Personenbedingte Kündigung Nr. 11; 15. November 1984 - 2 AZR 613/83 - zu II 2 c der Gründe, AP BGB § 626 Nr.
87 = EzA BGB § 626 nF Nr. 95). Sowohl bei der Frage, ob von einer erheblichen Störung des Austauschverhältnisses auszugehen ist, als auch bei der
Interessenabwägung ist im Fall einer Kündigung wegen Verbüßung einer Freiheitsstrafe zu berücksichtigen, dass der Arbeitnehmer die Arbeitsverhinderung in
aller Regel zu vertreten hat. Deshalb sind dem Arbeitgeber zur Überbrückung des Arbeitsausfalls regelmäßig nicht die gleichen Anstrengungen und
Belastungen zuzumuten wie etwa bei einer Krankheit (BAG 25. November 2010 - 2 AZR 984/08 - Rn. 14, 18).
3. Ausgehend von diesen Grundsätzen liegt ein Kündigungsgrund vor. Das Arbeitsverhältnis war im Kündigungszeitpunkt durch die haftbedingt zu erwartende
Arbeitsverhinderung des Klägers erheblich belastet. Das Freihalten des Arbeitsplatzes war der Beklagten nach den Umständen des Falls nicht zumutbar.
a) Maßgebliche Beurteilungsgrundlage für die Rechtmäßigkeit einer Kündigung sind die objektiven Verhältnisse im Zeitpunkt des Zugangs der
Kündigungserklärung. Die tatsächliche Entwicklung nach Kündigungsausspruch kann nur in eng begrenzten Ausnahmefällen Berücksichtigung finden (BAG
10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 52, EzA BGB 2002 § 626 Nr. 32; 27. November 2003 - 2 AZR 48/03 - zu B I 1 a der Gründe, BAGE 109, 40).
b) Im Kündigungszeitpunkt musste die Beklagte damit rechnen, dass der Kläger für die Dauer von mehr als zwei Jahren an seiner Arbeitsleistung verhindert
wäre. Der Kläger war - unter Einbeziehung der Strafe aus einer vorhergehenden Verurteilung - zu einer Freiheitsstrafe von über sechs Jahren verurteilt worden,
von der im Kündigungszeitpunkt noch knapp fünf Jahre zu verbüßen waren. Konkrete Anhaltspunkte für eine baldige Vollzugslockerung durch die Gewährung
von Freigang (§ 11 StVollzG in der bis 31. Dezember 2009 geltenden Fassung) lagen nicht vor. Die Mitteilung des Klägers vom November 2007, er rechne mit
einer baldigen Arbeitsaufnahme, beruhte auf seiner rein subjektiven Einschätzung, die durch die Feststellungen des Vollzugsplans widerlegt ist. Das Ergebnis
einer für Dezember 2008 "angedachten" erneuten Prüfung der Möglichkeit einer Vollzugslockerung war völlig offen. Dieses hing insbesondere vom künftigen,
keineswegs vorhersehbaren Verhalten des Klägers im Vollzug ab. Als frühestmöglicher Zeitpunkt für eine Aussetzung der Freiheitsstrafe zur Bewährung
aufgrund von § 57 Abs. 1 StGB war im Vollzugsplan ein Termin im Februar 2011 notiert. Auch insoweit ist überdies das Verhalten der verurteilten Person im
Vollzug von Bedeutung und bedarf es zudem deren Einwilligung. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen kann nicht schon für Jahre im Voraus vorhergesagt
werden (ähnlich BAG 25. November 2010 - 2 AZR 984/08 - Rn. 17).
c) Unter diesen Umständen war der Beklagten ein Festhalten am Arbeitsverhältnis über die ordentliche Kündigungsfrist hinaus nicht zumutbar. Der Darlegung
konkreter Betriebsablaufstörungen bedurfte es angesichts der vom Kläger noch zu verbüßenden, 24 Monate deutlich übersteigenden Freiheitsstrafe nicht.
aa) Der Arbeitsvertrag ist auf den ständigen Austausch von Leistung und Gegenleistung gerichtet. Die Verpflichtung des Arbeitnehmers geht dahin, dem
Arbeitgeber seine Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen, damit dieser sie im Rahmen seiner arbeitsteiligen Betriebsorganisation sinnvoll einsetzen kann. Ist der
Arbeitnehmer dazu nicht in der Lage, tritt hinsichtlich seiner Arbeitsleistung Unmöglichkeit ein, wenn - wie bei lang andauernder Arbeitsverhinderung die
Regel - eine Nachleistung beiden Seiten nicht zugemutet werden kann (ErfK/Preis 11. Aufl. § 611 Rn. 676). Zugleich ist der Arbeitgeber gehindert, von seinem
Weisungsrecht Gebrauch zu machen und muss, wenn er seine bisherige Arbeitsorganisation unverändert aufrechterhalten will, für eine anderweitige Erledigung
der Arbeit sorgen. Bereits darin liegt eine Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen (BAG 25. November 2010 - 2 AZR 984/08 - Rn. 22).
bb) Der Beklagten war es nicht zumutbar, zur Beseitigung der langfristigen Störung bloße Überbrückungsmaßnahmen zu ergreifen und dem Kläger den
Arbeitsplatz bis zur Rückkehr aus der Haft freizuhalten.
(1) Angesichts der in der Regel vom Arbeitnehmer selbst verschuldeten Arbeitsverhinderung ist fraglich, ob dem Arbeitgeber bei rechtskräftig verhängter
Freiheitsstrafe überhaupt zugemutet werden kann, für die Zeit nach Ablauf der Kündigungsfrist Überbrückungsmaßnahmen zu ergreifen, wenn eine
Wiederaufnahme der Arbeit nicht kurzfristig zu erwarten steht (vgl. MünchKommBGB/Henssler 5. Aufl. § 626 BGB Rn. 204). Auch bei befristeter Einstellung
läuft er immerhin Gefahr, auf den unbefristeten Fortbestand des Arbeitsverhältnisses in Anspruch genommen zu werden. Hält er eine Personalreserve vor, dient
diese üblicherweise nicht dem Zweck, haftbedingte Ausfälle zu überbrücken. Auch mögen zwar die Folgen langer Strafhaft für den Arbeitgeber besser zu
kalkulieren sein als die einer Untersuchungshaft von unabsehbarer Dauer. Dennoch besteht die Unsicherheit, ob nicht der Arbeitnehmer gerade vorzeitig aus der
Haft entlassen oder ihm eine Vollzugslockerung gewährt wird. Erlangt der Arbeitgeber davon nicht rechtzeitig Kenntnis, kann dies dazu führen, dass er sowohl
von der Ersatzkraft als auch von dem aus der Haft entlassenen Arbeitnehmer auf Lohnzahlung in Anspruch genommen wird (BAG 25. November 2010 - 2 AZR
984/08 - Rn. 24; Franzen Anm. zu Senat 9. März 1995 - 2 AZR 497/94 - SAE 1996, 37, 38).
(2) Zumindest dann, wenn im Kündigungszeitpunkt noch eine Haftstrafe von mehr als zwei Jahren zu verbüßen ist und eine Entlassung vor Ablauf von zwei
Jahren nicht sicher zu erwarten steht, kann dem Arbeitgeber regelmäßig nicht zugemutet werden, lediglich Überbrückungsmaßnahmen zu ergreifen und auf eine
dauerhafte Neubesetzung des Arbeitsplatzes zu verzichten. Dabei ist neben den bereits angesprochenen Unwägbarkeiten zu berücksichtigen, dass dem
Arbeitgeber die Möglichkeit zur Beschäftigung einer Aushilfskraft im sachgrundlos befristeten Arbeitsverhältnis lediglich für einen Zeitraum von 24 Monaten
eröffnet ist. Er kann deshalb bei längerer Haftzeit nicht damit rechnen, die Abwesenheit des Arbeitnehmers einigermaßen problemlos überbrücken zu können.
Hinzu kommt, dass mit zunehmender Haftdauer die Verwirklichung des Vertragszwecks in Frage gestellt wird. Eine mehrjährige Abwesenheit des
Arbeitnehmers geht typischerweise mit einer Lockerung seiner Bindungen an den Betrieb und die Belegschaft sowie dem Verlust von Erfahrungswissen einher,
das aus der täglichen Routine resultiert. Dementsprechend muss der Arbeitgeber bei der Rückkehr eines langjährig inhaftierten Arbeitnehmers mit
Einarbeitungsaufwand rechnen (BAG 25. November 2010 - 2 AZR 984/08 - Rn. 25).
Eine Verpflichtung des Arbeitgebers, selbst bei mehrjähriger Haftstrafe bloße Überbrückungsmaßnahmen zu ergreifen, besteht auch nicht aus Gründen der
Resozialisierung. Zwar ist bei kurzzeitigen Inhaftierungen oder in Fällen, in denen nach Ablauf der Kündigungsfrist zeitnah eine Weiterbeschäftigung im
offenen Vollzug möglich ist, auf die entsprechenden Belange des Arbeitnehmers angemessen Rücksicht zu nehmen. Dies rechtfertigt es aber nicht, vom
Arbeitgeber zu verlangen, den Arbeitsplatz für den inhaftierten Arbeitnehmer für voraussichtlich mehr als zwei Jahre frei zu halten und ihm die damit
verbundenen Lasten aufzuerlegen. Dies gilt insbesondere angesichts des Umstands, dass der Gesetzgeber für Fälle, in denen er es für erforderlich erachtet, dem
Arbeitnehmer den Arbeitsplatz bei persönlicher Leistungsverhinderung mit Rücksicht auf übergeordnete Interessen (Schutz von Ehe und Familie; Erfüllung
staatsbürgerschaftlicher Pflichten) zu sichern, ausdrückliche, eigenständige Regelungen (bspw. §§ 15, 16 BEEG; §§ 3, 4 PflegeZG; § 1 ArbPlSchG) getroffen
hat. Die durchaus strengeren Anforderungen an eine Kündigung wegen lang anhaltender Erkrankung (bspw. BAG 12. Juli 2007 - 2 AZR 716/06 - Rn. 27 mwN,
BAGE 123, 234; 29. April 1999 - 2 AZR 431/98 - zu II 3 a der Gründe, BAGE 91, 271) rechtfertigen sich daraus, dass eine schwere Krankheit - anders als eine
Freiheitsstrafe - für den Betroffenen in der Regel unvermeidbar war (BAG 25. November 2010 - 2 AZR 984/08 - Rn. 26).
cc) Die Besonderheiten des vorliegenden Falls verlangen keine andere Beurteilung.
(1) Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger alsbald den Freigängerstatus erlangen würde, waren bei Kündigungsausspruch nicht ersichtlich. Es bestand
auch keine Verpflichtung der Beklagten, den Arbeitsplatz zumindest bis zur Entscheidung über eine etwaige Vollzugslockerung im Dezember 2008
freizuhalten. Zwar kann sich aus § 241 Abs. 2 BGB eine Verpflichtung des Arbeitgebers ergeben, bei der Erlangung des Freigängerstatus des Arbeitnehmers
mitzuwirken, wenn dies für den Arbeitgeber nicht risikobehaftet ist (BAG 25. November 2010 - 2 AZR 984/08 - Rn. 28; 9. März 1995 - 2 AZR 497/94 - zu II 5
der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 123 = EzA BGB § 626 nF Nr. 154). Im Streitfall war aber völlig ungewiss, ob dem Kläger eine so weitreichende
Vollzugslockerung gewährt würde. Die Pflicht des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer in seinem Resozialisierungsbemühen zu unterstützen, geht nicht so weit,
diesem auf die vage Aussicht hin, in ferner Zukunft eine Vollzugslockerung zu erreichen, den Arbeitsplatz bis zu einer Klärung, ggf. über Monate hinweg
freizuhalten. Ob die Beklagte davon auszugehen hatte, eine Beschäftigung des Klägers im Rahmen eines offenen Vollzugs wäre für sie risikofrei, kann unter
diesen Umständen dahinstehen.
(2) Unerheblich ist, dass die Beklagte den Arbeitsausfall des Klägers durch eine interne Umbesetzung ausgeglichen hat. Damit hat sie nicht zugleich gezeigt,
dass ihr eine Überbrückung des Arbeitsausfalls zumutbar war. Um eine in diesem Sinne vorläufige Maßnahme handelte es sich nicht. Vielmehr hat die Beklagte
den Arbeitsplatz des Klägers dauerhaft mit einem Arbeitnehmer aus dem Personalpool besetzt.
(3) Ebenso wenig kommt es darauf an, dass die Beklagte nach der Inhaftierung des Klägers für eine nicht unerhebliche Zeit mit der Besetzung des
Arbeitsplatzes zugewartet hat. Die damit verbundene Rücksichtnahme auf die Interessen des Klägers belegt - zumal angesichts laufender Verhandlungen über
den Abschluss eines Aufhebungsvertrags - nicht, dass es ihr zumutbar gewesen wäre, den Arbeitsplatz des Klägers auch angesichts der Verurteilung des
Klägers zu einer mehr als zweijährigen Freiheitsstrafe frei zu halten. Dass die Beklagte in anderen Arbeitsbereichen des Unternehmens einen Personalabbau
betrieben haben mag, ist für die Besetzung der Stelle des Klägers nicht relevant. Der Kläger stellt nicht in Abrede, dass bei Ausspruch der Kündigung in seinem
Tätigkeitsbereich Beschäftigungsbedarf bestand.
4. Die Interessenabwägung führt nicht zu einem Überwiegen der Belange des Klägers. Zwar ist zu seinen Gunsten eine mehr als fünfzehnjährige Dauer der
Betriebszugehörigkeit zu berücksichtigen, deren beanstandungsfreier Verlauf unterstellt werden kann. Gleichwohl geht das Beendigungsinteresse der Beklagten
vor. Der Kläger hat seinen langen Ausfall selbst verschuldet. Dabei wiegt besonders schwer, dass er während einer laufenden Bewährungsphase erneut
straffällig geworden ist. Hinzu kommt, dass die Beklagte nach der Inhaftierung des Klägers mit der Kündigung über ein Jahr zugewartet und bereits dadurch in
erheblichem Umfang auf dessen Interessen Rücksicht genommen hat. Außerdem war sie, wie die Neubesetzung des Arbeitsplatzes indiziert, auf die Erledigung
der dem Kläger übertragenen Arbeit angewiesen.
II. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts stellt sich nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO).
1. Die Kündigung ist nicht nach § 102 Abs. 1 BetrVG unwirksam. Insbesondere hat die Beklagte den Personalausschuss des Betriebsrats, dem die
Wahrnehmung der Beteiligungsrechte in personellen Angelegenheiten übertragen ist, ordnungsgemäß über die Gründe der Kündigung unterrichtet. Dies vermag
der Senat auf der Grundlage des im Wesentlichen unstreitigen Vortrags der Beklagten selbst zu entscheiden.
a) Nach § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG muss der Arbeitgeber dem Betriebsrat diejenigen Gründe mitteilen, die aus seiner subjektiven Sicht die Kündigung
rechtfertigen und für seinen Kündigungsentschluss maßgebend sind. Diesen Sachverhalt muss er unter Angabe von Tatsachen, aus denen der
Kündigungsentschluss hergeleitet wird, so beschreiben, dass der Betriebsrat ohne zusätzliche eigene Nachforschungen die Stichhaltigkeit der
Kündigungsgründe prüfen kann. Teilt der Arbeitgeber objektiv erhebliche Tatsachen dem Betriebsrat deshalb nicht mit, weil er darauf die Kündigung nicht oder
zunächst nicht stützen will, dann ist die Anhörung ordnungsgemäß, weil eine nur bei objektiver Würdigung unvollständige Mitteilung der Kündigungsgründe
nicht zur Fehlerhaftigkeit der Anhörung und Unwirksamkeit der Kündigung nach § 102 BetrVG führt. Eine objektiv unvollständige Anhörung verwehrt es dem
Arbeitgeber allerdings, im Kündigungsschutzprozess Gründe nachzuschieben, die über die Erläuterung des mitgeteilten Sachverhalts hinausgehen (BAG 5.
November 2009 - 2 AZR 676/08 - Rn. 40, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 183 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 20; 11.
Dezember 2003 - 2 AZR 536/02 - AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 65 = EzA BetrVG 2001 § 102 Nr. 5).
b) Hiervon ausgehend ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte dem Betriebsrat - wie der Kläger gemeint hat - Tatsachen vorenthalten hätte, die aus ihrer Sicht für
den Kündigungsentschluss maßgebend waren. Unstrittig lag dem zuständigen Personalausschuss die vollständige Personalakte des Klägers vor, aus der sich
dessen Sozialdaten ergaben. Darüber hinaus hatte die Beklagte mitgeteilt, der Kläger sei seit November 2006 haftbedingt der Arbeit fern geblieben und sie
beabsichtigte, das Arbeitsverhältnis aus personenbedingten Gründen "wegen unzumutbarer langer Abwesenheit auf nicht absehbare bzw. nicht weiter
zumutbare längere Dauer" fristgemäß zu kündigen. Auch der Behauptung der Beklagten, sie habe den Personalausschuss im Zusammenhang mit der Einleitung
des Anhörungsverfahrens am 25. Januar 2008 überdies mündlich über die Verurteilung des Klägers und die Dauer der zu verbüßenden Strafhaft unterrichtet, ist
der Kläger nicht entgegen getreten. Damit war der Personalausschuss in die Lage versetzt, den Entschluss der Beklagten zur Kündigung nachzuvollziehen und
sich über dessen Berechtigung klar zu werden. Auf die für Dezember 2008 "angedachte" Prüfung der Möglichkeit eines offenen Vollzugs brauchte die Beklagte
nicht hinzuweisen. Dies war schon mangels Kenntnis für ihren Kündigungsentschluss nicht bestimmend. Den Vollzugsplan vom Januar 2008 hat der Kläger
erst im Verlauf des Kündigungsschutzprozesses vorgelegt. ..." (BAG, Urteil vom 24.03.2011 - 2 AZR 790/09)
***
Beruft sich der Arbeitnehmer gegenüber einer Arbeitsanweisung des Arbeitgebers auf einen ihr entgegenstehenden, ernsthaften inneren Glaubenskonflikt, kann
das Beharren des Arbeitgebers auf Vertragserfüllung ermessensfehlerhaft iSv. § 106 Satz 1 GewO iVm. Art. 4 Abs. 1 GG sein. In diesem Fall stellt zwar die
Weigerung des Arbeitnehmers, der Weisung nachzukommen, keine vorwerfbare Pflichtverletzung dar, kann aber geeignet sein, eine Kündigung des
Arbeitsverhältnisses aus Gründen in der Person des Arbeitnehmers zu rechtfertigen, wenn es dem Arbeitgeber nicht ohne größere Schwierigkeiten möglich ist,
den Arbeitnehmer anderweit sinnvoll einzusetzen (BAG, Urteil vom 24.02.2011 - 2 AZR 636/09):
„... Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts kann nicht beurteilt werden, ob die Kündigung vom 5. März 2008 iSv. § 1 Abs.
2 KSchG sozial gerechtfertigt ist. Der Kläger hat nachvollziehbar dargelegt, dass er sich an das islamische Alkoholverbot gebunden fühle, aus dem er ableite,
auch das Einräumen alkoholischer Getränke unterlassen zu müssen. Seine hierauf gestützte Weigerung, im Getränkebereich im Kontakt mit alkoholischen
Getränken zu arbeiten, berechtigte die Beklagte nur dann zur Kündigung, wenn keine andere, den Glaubenskonflikt vermeidende und ihr den Umständen nach
zumutbare Möglichkeit einer Beschäftigung bestanden hat. Dazu, ob eine solche Alternative gegeben war, hat das Landesarbeitsgericht keine ausreichenden
Feststellungen getroffen.
1. Die Kündigung vom 5. März 2008 ist nicht iSv. § 1 Abs. 2 KSchG durch Gründe im Verhalten des Klägers bedingt.
a) Allerdings stellt die beharrliche Weigerung des Arbeitnehmers, eine vertraglich geschuldete, rechtmäßig und damit wirksam zugewiesene Arbeit zu leisten,
eine erhebliche Pflichtverletzung dar und ist in der Regel geeignet, jedenfalls die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses sozial zu rechtfertigen (BAG
13. März 2008 - 2 AZR 88/07 - Rn. 36, AP KSchG 1969 § 1 Nr. 87 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 73; 5. April 2001 - 2 AZR 580/99 -
zu II 2 a der Gründe mwN, BAGE 97, 276).
Im Streitfall hat die Beklagte den Kläger am 25. Februar 2008 angewiesen, wieder im Getränkebereich zu arbeiten. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, der
Kläger habe sich dieser Anordnung "beharrlich" widersetzt, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Ein Arbeitnehmer verweigert die ihm übertragene
Arbeit beharrlich, wenn er sie bewusst und nachhaltig nicht leisten will. Das war hier der Fall. Der Kläger hat sowohl auf die mündliche als auch auf die
nachfolgende schriftliche Anordnung der Beklagten deutlich zu erkennen gegeben, Arbeiten im Getränkebereich jedenfalls dann nicht auszuführen, wenn von
ihm auch der Umgang mit alkoholhaltigen Getränken verlangt werde. Seine Weigerung war endgültig.
b) Die Beklagte hat dem Kläger jedoch die Arbeiten im Getränkebereich, weil und soweit sie ihn in Glaubenskonflikte brachten, nicht wirksam nach § 106 Satz
1 GewO zugewiesen. Der Kläger hat deshalb mit seiner Weigerung, sie durchzuführen, seine Vertragspflichten nicht verletzt.
aa) Aufgrund seines Weisungsrechts (§ 106 GewO) kann der Arbeitgeber eine im Arbeitsvertrag nur abstrakt umschriebene Leistungspflicht des
Arbeitsnehmers nach Zeit, Ort und Art der Leistung einseitig näher bestimmen, soweit diese nicht durch Gesetz oder Vertrag festgelegt ist. Der Regelung des §
106 Satz 1 GewO kommt insoweit klarstellende Bedeutung zu (BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 18, AP AGG § 7 Nr. 1 = EzA AGG § 10 Nr. 2).
Das Weisungsrecht darf dabei nur nach billigem Ermessen ausgeübt werden. Das verlangt, dass der Arbeitgeber bei seiner Entscheidung die wesentlichen
Umstände des Einzelfalls abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt hat. Maßgeblich ist der Zeitpunkt, in dem der Arbeitgeber
seine Entscheidung trifft (vgl. BAG 15. September 2009 - 9 AZR 643/08 - Rn. 26 und 29, AP TVG § 1 Altersteilzeit Nr. 44 = EzA TVG § 4 Altersteilzeit Nr.
31). Ob die Entscheidung billigem Ermessen entspricht, unterliegt nach § 106 Satz 1 GewO iVm. § 315 Abs. 3 BGB der gerichtlichen Kontrolle (BAG 19.
Januar 2011 - 10 AZR 738/09 - Rn. 18, EzA-SD 2011 Nr. 9, 8; 25. Oktober 1989 - 2 AZR 633/88 - Rn. 41, AP BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 36 = EzA
KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 30).
bb) Danach war die Weisung der Beklagten vom 25. Februar 2008 nicht schon deshalb unbeachtlich, weil sie nach § 99 BetrVG der Zustimmung des
Betriebsrats bedurft hätte. Eine Versetzung iSv. § 99 Abs. 1, § 95 Abs. 3 Satz 1 BetrVG lag nicht vor. Dem Kläger wurde mit der Übertragung von Aufgaben
im Getränkebereich kein anderer "Arbeitsbereich" im Sinne dieser Regelung zugewiesen. Der Gegenstand und das Gesamtbild der Tätigkeit einer mit einfachen
Ein- und Ausräumarbeiten in der Frischwarenabteilung beschäftigten Ladenhilfe wird nicht dadurch verändert, dass die Arbeiten nunmehr in der
Getränkeabteilung zu verrichten sind. Dafür, dass der Getränkebereich intern einem eigenen "Arbeitsregime" unterläge, fehlt es an Anhaltspunkten (vgl. dazu
BAG 17. Juni 2008 - 1 ABR 38/07 - Rn. 21 ff. mwN, AP BetrVG 1972 § 99 Versetzung Nr. 47 = EzA BetrVG 2001 § 95 Nr. 8).
cc) Die Weisung war ebenso wenig deshalb unwirksam, weil sich die Beklagte wegen der Erkrankungen des Klägers entschlossen hatte, diesen wieder im
Getränkebereich einzusetzen. Ein Verstoß gegen das gesetzliche Maßregelungsverbot (§ 612a BGB) ist insoweit nicht ersichtlich. Die Arbeitsunfähigkeitszeiten
des Klägers sind während seiner Tätigkeit in der Frischwarenabteilung angestiegen, ohne dass freilich feststünde, sie seien durch diese Tätigkeit verursacht
worden. Bei den übrigen Mitarbeitern des Bereichs sind nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts weitaus geringere Fehlzeiten angefallen. Unter
diesen Umständen ist nicht zu erkennen, dass die angestrebte Änderung des Einsatzbereichs von sachfremden Motiven getragen gewesen wäre. Näher liegt die
Annahme, die Beklagte habe eine immerhin mögliche, mit den Arbeitsumständen in der Frischwarenabteilung zusammenhängende Krankheitsursache sowohl
im betrieblichen als auch im Interesse der Gesundheit des Klägers ausschließen wollen. Darauf hat das Berufungsgericht zutreffend hingewiesen.
dd) Die angeordnete Tätigkeit im Getränkebereich bewegte sich im arbeitsvertraglich vereinbarten Leistungsspektrum. Die Parteien haben bei Schließung der
Waschstraße im Jahr 2003 einen neuen Arbeitsvertrag geschlossen. Danach wurde der Kläger als "Ladenhilfe" weiterbeschäftigt und war dementsprechend
grundsätzlich verpflichtet, sämtliche im Warenhaus anfallenden Hilfsarbeiten auszuführen. Das schließt die ihm zugewiesenen Arbeiten ein. Mit der im Jahr
2006 auf seinen Wunsch erfolgten Umsetzung in die Frischwarenabteilung hat sich die Beklagte ihres Rechts, ihm Arbeiten im Getränkebereich zuzuweisen,
nicht begeben. Ebenso wenig ist ersichtlich, dass sie zumindest darauf verzichtet hätte, ihn mit dem Ein- und Ausräumen alkoholhaltiger Getränke zu beauftragen.
ee) Die Beklagte hat aber bei der Ausübung ihres Weisungsrechts auf die Glaubensüberzeugungen des Klägers nicht hinreichend Bedacht genommen. Ihre
Weisung, im Getränkebereich zu arbeiten, entsprach damit nicht billigem Ermessen.
(1) Der Arbeitgeber muss einen ihm offenbarten und beachtlichen Glaubens- oder Gewissenskonflikt des Arbeitnehmers bei der Ausübung seines
Weisungsrechts berücksichtigen. Dies setzt voraus, dass der Arbeitnehmer darlegt, ihm sei wegen einer aus einer spezifischen Sachlage folgenden
Gewissensnot heraus nicht zuzumuten, die an sich vertraglich geschuldete Leistung zu erbringen. Lässt sich aus den festgestellten Tatsachen im konkreten Fall
ein die verweigerte Arbeit betreffender Glaubens- oder Gewissenskonflikt ableiten, so unterliegt die Relevanz und Gewichtigkeit der Gewissensbildung keiner
gerichtlichen Kontrolle (vgl. BAG 22. Mai 2003 - 2 AZR 426/02 - zu B II 5 b dd der Gründe, AP KSchG 1969 § 1 Wartezeit Nr. 18 = EzA BGB 2002 § 242
Kündigung Nr. 2; 24. Mai 1989 - 2 AZR 285/88 - zu B I 1 b der Gründe, BAGE 62, 59).
(a) Das gebietet die verfassungskonforme Auslegung und Anwendung von § 106 Satz 1 GewO. Das bei der Ausübung des Leistungsbestimmungsrechts zu
wahrende billige Ermessen wird inhaltlich durch die Grundrechte des Arbeitnehmers mitbestimmt. Kollidieren diese mit dem Recht des Arbeitgebers, dem
Arbeitnehmer im Rahmen der gleichfalls grundrechtlich geschützten unternehmerischen Betätigungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG) eine von der
vertraglichen Vereinbarung gedeckte Tätigkeit zuzuweisen, sind die gegensätzlichen Rechtspositionen grundrechtskonform auszugleichen. Dabei sind die
kollidierenden Grundrechte in ihrer Wechselwirkung zu sehen und so zu begrenzen, dass sie im Sinne einer praktischen Konkordanz für alle Beteiligten
möglichst weitgehend wirksam werden. Insoweit gilt seit seinem Inkrafttreten für § 106 GewO nichts anderes als zuvor für § 315 Abs. 1 BGB (BAG 13. August
2010 - 1 AZR 173/09 - AP GG Art. 9 Nr. 141 = EzA GG Art. 9 Nr. 100; 10. Oktober 2002 - 2 AZR 472/01 - zu B II 3 c der Gründe mwN, BAGE 103, 111;
AnwK-ArbR/Boecken 2. Aufl. § 106 GewO Rn. 92; ErfK/Preis 11. Aufl. § 106 GewO Rn. 6). Auf das unverzichtbare Schutzminimum der Glaubens- und
Bekenntnisfreiheit nach Art. 4 Abs. 1 GG ist Bedacht zu nehmen. Es ist die Intensität des umstrittenen Eingriffs ebenso zu berücksichtigen wie der Umstand,
dass die Vertragspartner mit dem Abschluss des Vertrags in eine Begrenzung grundrechtlicher Freiheiten eingewilligt haben (vgl. BAG 10. Oktober 2002 - 2
AZR 472/01 - zu B II 3 c der Gründe mwN, aaO; ErfK/Schmidt 11. Aufl. Art. 4 GG Rn. 25).
(b) Ob und inwieweit der Arbeitgeber bei der Ausübung seines Weisungsrechts auf die Glaubensüberzeugungen des Arbeitnehmers Rücksicht nehmen muss, ist
damit eine Frage des Einzelfalls.
(aa) Wenn die Weisung mit fundamentalen, unüberwindbaren Glaubensüberzeugungen des Arbeitnehmers kollidiert, wird es häufig nicht billigem Ermessen
entsprechen, wenn der Arbeitgeber an ihr festhält und deren Befolgung verlangt. Das wird in der Regel auch bei einem erst im Anschluss an eine
arbeitgeberseitige Weisung offenbarten Konflikt gelten. Zwar ist eine Weisung so lange, wie der Arbeitnehmer einen Glaubenskonflikt noch nicht offenbart hat,
für den Arbeitnehmer verbindlich. Offenbart aber der Arbeitnehmer nach erteilter Weisung einen solchen ernsten Konflikt, kann sich für den Arbeitgeber aus §
241 Abs. 2 BGB die Verpflichtung ergeben, von seinem Direktionsrecht unter Berücksichtigung der entgegenstehenden Belange des Arbeitnehmers erneut
Gebrauch zu machen (vgl. BAG 19. Mai 2010 - 5 AZR 162/09 - Rn. 27, EzA BGB 2002 § 615 Nr. 33).
(bb) Auch die Glaubensfreiheit ist freilich nicht ohne jede Schranke garantiert. Beschränkt wird sie durch kollidierende Grundrechte oder Verfassungsaufträge
(BVerfG 21. Juli 2009 - 1 BvR 1358/09 - Rn. 14, NJW 2009, 3151). Etwas anderes kann deshalb gelten, wenn auf Seiten des Arbeitgebers nicht nur sein
vertraglich begründetes und aktuell ausgeübtes Weisungsrecht als solches steht, sondern seine Weisung weitergehend durch Art. 12 Abs. 1 GG oder durch
andere grundrechtlich relevante Rechtsgüter geschützt ist, die ein - ggf. nur kurzfristiges - Hintanstellen der Glaubensüberzeugungen geboten erscheinen lassen.
Auch wird der Arbeitgeber, gestützt auf Art. 12 Abs. 1 GG, uU erwarten und verlangen können, dass der Arbeitnehmer eine gewisse - knappe -
Ankündigungsfrist einhält, um ihm eine möglichst reibungslose organisatorische Umstellung zu ermöglichen und Folgeschäden zu vermeiden.
(cc) Die Frage, ob der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Arbeitsleistung trotz eines ernsten, unüberwindbaren Glaubens- oder Gewissenskonflikts verbindlich
zuweisen darf, hängt dagegen nicht ohne Weiteres von der Vorhersehbarkeit des Konflikts ab.
Das ist insbesondere dann nicht der Fall, wenn der Arbeitnehmer zwar erkennen konnte, er verpflichte sich zu Arbeiten, die bestimmten Glaubensinhalten
derjenigen Religion, welcher er angehört, widersprechen, er persönlich aber diese Glaubensinhalte bei Vertragsschluss noch nicht als für sich verbindlich
angesehen hatte. Der Umstand, dass die Möglichkeit eines Glaubenskonflikts in diesem Sinne für den Arbeitnehmer vorhersehbar war, nimmt dessen späterer
Erklärung, er berufe sich nunmehr auf seine (geänderte) Glaubensüberzeugung, nichts von ihrer rechtlichen Beachtlichkeit; der aktuelle Glaubenskonflikt des
Arbeitnehmers ist nicht deshalb weniger bedeutsam iSv. Art. 4 Abs. 1 GG. Eine den Konflikt gleichwohl ignorierende Arbeitsanweisung des Arbeitgebers
braucht der Arbeitnehmer unter diesen Voraussetzungen in der Regel nicht zu befolgen.
Eine andere Beurteilung kann geboten sein, wenn der Arbeitnehmer bei Vertragsschluss bereits positiv wusste, dass er die vertraglich eingegangenen
Verpflichtungen um seiner Glaubensüberzeugungen willen sämtlich und von Beginn an nicht würde erfüllen können. Zum einen kann dies zu Zweifeln an der
Ernsthaftigkeit seiner Überzeugungen führen. Zum anderen wird es einem Arbeitnehmer, der sich im Wissen um einen unvermeidlich auftretenden
Glaubenskonflikt zur Erbringung der diesen auslösenden Arbeiten verpflichtet hat, nach § 242 BGB regelmäßig verwehrt sein, sich gegenüber einer
entsprechenden Arbeitsanweisung auf seinen Glauben zu berufen. Die Aufforderung zur Leistung vertragsgemäßer Arbeiten entspricht dann trotz des
offenbarten Glaubenskonflikts billigem Ermessen. Mit der Weigerung, ihr nachzukommen, verletzt der Arbeitnehmer seine vertraglichen Pflichten.
(2) Die Neuregelung des Leistungsstörungsrechts verlangt nicht nach einem anderen rechtssystematischen Ausgangspunkt für die rechtliche Prüfung. Diese ist
weiterhin im Rahmen von § 106 GewO und nicht von § 275 Abs. 3 BGB vorzunehmen.
Zum einen kommt es auf ein religiös begründetes Leistungsverweigerungsrecht nur an, wenn das Leistungs-/Erfüllungsverlangen des Arbeitgebers billigem
Ermessen iSv. § 106 Satz 1 BGB entspricht (ähnlich Kamanabrou GS Zachert, S. 400 f.; zum Meinungsstand auch: ErfK/Preis 11. Aufl. § 611 BGB Rn. 687;
KR/Fischermeier 9. Aufl. § 626 BGB Rn. 141, 468; Schaub/Linck ArbR-Hdb. 11. Aufl. § 45 Rn. 30; Staudinger/Löwisch/Caspers (2009) § 275 BGB Rn. 104
f.; Henssler RdA 2002, 129, 131; Richardi NZA 2002, 1004, 1007; Greiner Ideelle Unzumutbarkeit S. 135 ff.). Zum anderen ergeben sich die Voraussetzungen,
unter denen ein Glaubens- und Gewissenkonflikt für eine nach dem Arbeitsvertrag geschuldete Leistung Bedeutung gewinnen kann, in jedem Fall aus den
Vorgaben höherrangigen Rechts. Die Prüfung von § 106 GewO ist deshalb vorrangig.
(3) Gemessen an diesen Abwägungsgesichtspunkten entsprach die Arbeitsanweisung der Beklagten nicht billigem Ermessen gem. § 106 Satz 1 GewO. Der vom
Kläger aufgezeigte Glaubenskonflikt fällt in den Schutzbereich des Art. 4 GG. Der Konflikt bestand nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts
ernsthaft. Der Kläger wusste weder bei dem ursprünglichen Vertragsschluss noch bei der späteren Vertragsänderung, dass er unweigerlich auftreten würde.
(a) Die Glaubensfreiheit gemäß Art. 4 Abs. 1 GG gewährleistet dem Einzelnen einen Rechtsraum, in dem er sich die Lebensform zu geben vermag, die seiner
Überzeugung entspricht (BVerfG 8. November 1969 - 1 BvR 59/56 - zu II 1 der Gründe, BVerfGE 12, 1). Zu ihr gehört nicht nur die innere Freiheit, zu glauben
oder nicht zu glauben, sondern auch das Recht des Einzelnen, sein gesamtes Verhalten an den Lehren seines Glaubens auszurichten und seiner inneren
Glaubensüberzeugung gemäß zu handeln (BVerfG 19. Oktober 1971 - 1 BvR 387/65 - zu B II 1 der Gründe mwN, BVerfGE 32, 98).
(aa) Das Grundrecht ist offen für die Entfaltung verschiedener Religionen und Bekenntnisse. Unbeachtlich ist die zahlenmäßige Stärke oder Relevanz einer
bestimmten Glaubenshaltung. Unter den Schutzbereich des Art. 4 GG fallen auch Verhaltensweisen, die nicht allgemein von den Gläubigen geteilt werden
(BVerfG 19. Oktober 1971 - 1 BvR 387/65 - zu B II 1 der Gründe mwN, BVerfGE 32, 98). Glaubensfreiheit ist mehr als religiöse Toleranz. Für eine zulässige
Berufung auf Art. 4 GG kommt es nur darauf an, dass das Verhalten wirklich von einer religiösen Überzeugung getragen und nicht anders motiviert ist.
Andernfalls würde den Gerichten eine Bewertung von Glaubenshaltungen oder die Prüfung von theologischen Lehren aufgebürdet, die sie weder leisten können
noch leisten dürfen (BAG 10. Oktober 2002 - 2 AZR 472/01 - zu B II 3 c aa der Gründe, BAGE 103, 111).
(bb) Als Gewissensentscheidung ist jede ernste sittliche, dh. an den Kategorien "gut" und "böse" orientierte Entscheidung anzusehen, die der Einzelne in einer
bestimmten Lage als für sich bindend und unbedingt verpflichtend innerlich erfährt, so dass er gegen sie nicht ohne ernste Gewissensnot handeln könnte. Die
Gewissensfreiheit überschneidet sich mit der Glaubensfreiheit insoweit, als sie auch das religiös fundierte Gewissen schützt (vgl. BVerfG 11. April 1972 - 2
BvR 75/71 - zu B II 1 der Gründe, BVerfGE 33, 23; BVerwG 25. August 1993 - 6 C 8/91 - BVerwGE 94, 82).
(cc) Beruft sich der Arbeitnehmer gegenüber einer nach dem Arbeitsvertrag geschuldeten Arbeitsleistung darauf, die Erfüllung der Arbeitspflicht bringe ihn aus
religiösen Gründen in Gewissensnot, trifft ihn die Darlegungslast für einen konkreten und ernsthaften Glaubenskonflikt. Die nicht ernsthafte, möglicherweise
nur vorgeschobene Berufung auf bestimmte Glaubensinhalte und -gebote kann keine Beachtung finden. Auch wenn Glaubensüberzeugungen keiner
Nachprüfung anhand von Kriterien wie "irrig", "beachtlich" oder "unbeachtlich" unterliegen, muss doch erkennbar sein, dass der Arbeitnehmer den von ihm ins
Feld geführten Ge- oder Verboten seines Glaubens absolute Verbindlichkeit beimisst (zur Gewissensentscheidung vgl. BAG 24. Mai 1989 - 2 AZR 285/88 - zu
B I 2 b bb der Gründe, BAGE 62, 59; siehe auch BVerwG 25. August 1993 - 6 C 8/91 - BVerwGE 94, 82 sowie die sich auf diese Entscheidung beziehende
Gesetzesbegründung zu § 20 Abs. 1 Nr. 4 AGG [BR-Drucks. 329/06 S. 48]). Dazu müssen die betreffenden Verbote in Fällen der vorliegenden Art die
Arbeitsverweigerung gewissermaßen "decken". Ihre konkrete Reichweite, was die vertraglichen Pflichten betrifft, deren Erfüllung sie entgegenstehen soll, muss
sich aus den Darlegungen des Arbeitnehmers unzweifelhaft ergeben. Nur so kann der Arbeitgeber erkennen, welchen Gebrauch er von seinem Direktionsrecht
noch machen kann.
(b) Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, es entspreche der ernsthaften religiösen Überzeugung des Klägers, dass er sich als gläubiger Moslem jeglicher
Mitwirkung am Alkoholverkauf zu enthalten habe, lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Der Kläger hat aufgezeigt, dass er sich durch verbindliche Ge- oder
Verbote seines Glaubens daran gehindert sieht, der Weisung vom 25. Februar 2008 nachzukommen, soweit sie ihn dazu verpflichtet, durch das Umräumen und
Bereitstellen alkoholischer Getränke an deren Verkauf mitzuwirken. Ob dieses Verständnis der islamischen Schriften der herrschenden Glaubenslehre
entspricht, mag bezweifelt werden, ist jedoch nach dem verfassungsrechtlich gebotenen, subjektiven Gewissensbegriff nicht entscheidend. Ebenso wenig
kommt es darauf an, ob die Haltung des Klägers, sein Glaube erlaube es ihm sehr wohl, mit Produkten umzugehen, die Alkohol in "chemisch veränderter Form"
enthielten, angesichts seines ansonsten strengen Verständnisses des Alkoholverbots in sich logisch und konsequent ist. Die innere Differenzierung erscheint
zumindest möglich und stellt damit die Ernstlichkeit des Glaubenskonflikts nicht in Frage. Entsprechendes gilt für den Umstand, dass der Kläger zeitweise -
möglicherweise ohne ausdrückliche Beanstandung - bereit war, Regale mit alkoholischen Getränken aufzufüllen. Der Kläger hat sich darauf berufen, er habe
diesen Einsatz zunehmend als gewissensbelastend empfunden und sich zwischenzeitlich dazu entschlossen, strikt nach den Vorgaben seines Glaubens zu leben.
Als ein äußeres Zeichen hierfür kann seine im Jahr 2007 geäußerte Bitte gelten, ihm andere Arbeit zu übertragen, auch wenn er seinen Glaubenskonflikt
seinerzeit gegenüber der Beklagten nicht ausdrücklich offenbart haben sollte.
(c) Der Kläger konnte zwar, nachdem er von der Beklagten im Oktober 2003 als "Ladenhilfe" übernommen wurde, nicht ausschließen, bei seiner Tätigkeit mit
Alkoholika in Berührung zu kommen. Abgesehen davon, dass er ursprünglich als Helfer in der Waschstraße eingestellt worden war und der Grund für die
Vertragsänderung in den betrieblichen Verhältnissen der Beklagten lag, haben sich seine jetzigen religiösen Überzeugungen aber offenbar erst im Verlauf des
Arbeitsverhältnisses mit längerem Abstand zum Zeitpunkt der vertraglichen Vereinbarung entwickelt und musste er überdies nicht zwingend damit rechnen,
dass er als Ladenhilfe in den Verkauf alkoholischer Getränke eingebunden würde.
Die Arbeitsanweisung der Beklagten vom 25. Februar 2008 widersprach damit billigem Ermessen und war unverbindlich. Der Kläger hat mit seiner Weigerung,
ihr Folge zu leisten, seine vertraglichen Pflichten nicht verletzt.
2. Ob die Kündigung vom 5. März 2008 iSv. § 1 Abs. 2 KSchG durch Gründe in der Person des Klägers bedingt ist, vermag der Senat nicht abschließend zu beurteilen.
a) Ergibt die Abwägung im Rahmen des § 106 Satz 1 GewO, dass eine Arbeitsanweisung des Arbeitgebers nicht der Billigkeit entspricht, braucht der
Arbeitnehmer ihr nicht nachzukommen. Allerdings schränkt die religiös begründete Begrenzung des Weisungsrechts des Arbeitgebers den auf wirksam
ausgeübter Vertragsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) beruhenden Inhalt des Arbeitsvertrags als solchen nicht ein. Der vertraglich vereinbarte Tätigkeitsumfang
reduziert sich wegen des Glaubenskonflikts nicht etwa von vornherein auf den konfliktfreien Bereich. Vielmehr ist der Arbeitnehmer aus persönlichen Gründen
außerstande, einen Teil der vertraglich (weiterhin) versprochenen Leistungen zu erbringen. Aufgrund dieses Umstands kann eine Kündigung des
Arbeitsverhältnisses durch einen in seiner Person liegenden Grund nach § 1 Abs. 2 KSchG gerechtfertigt sein (BAG 22. Mai 2003 - 2 AZR 426/02 - zu II 5 b dd
der Gründe mwN, AP KSchG 1969 § 1 Wartezeit Nr. 18 = EzA BGB 2002 § 242 Kündigung Nr. 2).
b) Ist der Arbeitnehmer aufgrund eines offenbarten beachtlichen Glaubenskonflikts teilweise außerstande, seine arbeitsvertraglichen Verpflichtungen zu
erfüllen, berechtigt dies den Arbeitgeber gleichwohl nicht zur Kündigung, wenn er den Arbeitnehmer im Betrieb oder Unternehmen entweder innerhalb des
vertraglich vereinbarten Leistungsspektrums oder aber zu geänderten Vertragsbedingungen unter Vermeidung des Konflikts sinnvoll weiterbeschäftigen kann
(vgl. dazu BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 1020/08 - Rn. 15, AP KSchG 1969 § 1 Personenbedingte Kündigung Nr. 31 = EzA KSchG § 1 Personenbedingte
Kündigung Nr. 25; 10. Oktober 2002 - 2 AZR 472/01 - zu B II 2 a der Gründe, BAGE 103, 111).
c) Ob bei der Beklagten eine solche alternative Beschäftigungsmöglichkeit für den Kläger bestand, hat das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt. Festgestellt
hat es lediglich, dass eine Beschäftigung des Klägers in der Drogerieabteilung und der "Nonfood" -Abteilung ausgeschlossen gewesen sei, weil ihm die dafür
notwendigen Fachkenntnisse gefehlt hätten. Offen ist, ob die Beklagte den Kläger in anderen Bereichen des Warenhauses, etwa im Bereich "Backwaren" oder
"Obst und Gemüse" hätte einsetzen können. Darauf hat sich der Kläger ausdrücklich berufen. Auch hat er seine Bereitschaft zum Ausdruck gebracht, in der
Getränkeabteilung zu arbeiten, wenn er von der Verpflichtung ausgenommen werde, alkoholische Getränke zu beräumen. Aus dem Umstand, dass das
Landesarbeitsgericht angenommen hat, der Beklagten sei es bis zum Ablauf der Kündigungsfrist durchaus möglich und zumutbar gewesen, den Kläger
außerhalb des Getränkebereichs einzusetzen, kann nicht ohne Weiteres geschlossen werden, diese Möglichkeit habe auch noch nach Fristablauf bestanden.
d) Einer möglichen Wirksamkeit der Kündigung unter personenbedingten Gesichtspunkten steht nicht entgegen, dass sich die Beklagte gegenüber dem
Betriebsrat nicht ausdrücklich auf solche Aspekte berufen hat. Nach § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG hat der Arbeitgeber dem Betriebsrat die Gründe für die
Kündigung mitzuteilen. Das umfasst zwar auch die Mitteilung darüber, ob eine außerordentliche oder ordentliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses
angestrebt wird (Fitting 25. Aufl. § 102 BetrVG Rn. 25 mwN). Nicht erforderlich ist aber, dass der Arbeitgeber die kündigungsrelevanten Tatsachen einem der
Kündigungsgründe des § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG zuordnet. Tut er dies dennoch, bindet ihn dies im späteren Kündigungsschutzprozess grundsätzlich nicht. Er
kann sich im Rahmen des dem Betriebsrat unterbreiteten tatsächlichen Kündigungssachverhalts auch auf andere rechtliche Gesichtspunkte berufen, sofern die
mitgeteilten Tatsachen diese neuen Aspekte tragen.
e) Ebenso wenig steht der möglichen Wirksamkeit einer personenbedingten Kündigung ein Diskriminierungsverbot entgegen. Eine unmittelbare
Benachteiligung des Klägers wegen seiner Religion iSv. § 7 Abs. 1 iVm. §§ 1, 3 Abs. 1 AGG scheidet aus. Die Kündigung ist nicht deshalb erfolgt, weil der
Kläger Moslem ist, sondern weil er sich außerstande sieht, bestimmte vertraglich eingegangene Verpflichtungen zu erfüllen. Auch eine mittelbare
Diskriminierung liegt nicht vor. Unabhängig davon, ob mit einer solchen Kündigung eine besondere Benachteiligung iSv. § 3 Abs. 2 AGG einhergehen kann,
ist es jedenfalls durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und als Mittel zu dessen Erreichung angemessen und erforderlich, dass der Arbeitgeber das
Arbeitsverhältnis mit einem Arbeitnehmer beendet, der wegen seiner Glaubensüberzeugungen subjektiv nicht in der Lage ist, die vertraglich übernommenen
Aufgaben zu verrichten, und anderweitig nicht eingesetzt werden kann.
3. Dies führt zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht. Die Beurteilung, ob eine den Glaubenskonflikt vermeidende
Beschäftigungsalternative bestand, ist zunächst und im Wesentlichen Tatfrage. Dazu wird das Landesarbeitsgericht die nötigen Feststellungen zu treffen haben.
a) Dabei ist zu beachten, dass im Kündigungsschutzprozess der Arbeitgeber die Voraussetzungen des Kündigungsgrundes darlegen und ggf. beweisen muss.
Das betrifft auch das Fehlen einer anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeit iSv. § 1 Abs. 2 Satz 2 KSchG. Beruft sich ein Arbeitnehmer darauf, dass es ihm
aus Glaubensgründen nicht möglich sei, die vertraglich geschuldete Tätigkeit auszuführen, hat er auf Nachfrage des Arbeitgebers aufzuzeigen, worin die
religiösen Bedenken bestehen und welche vom Arbeitsvertrag umfassten Tätigkeiten ihm seine religiöse Überzeugung verbietet, um verbleibende
Einsatzmöglichkeiten prüfen zu können. Im Streitfall gilt dies in besonderem Maße für den Umgang mit Produkten, die Alkohol enthalten und außerhalb der
Getränkeabteilung vertrieben werden. Dieser materiell-rechtlichen Obliegenheit des Arbeitnehmers folgt die Darlegungslast im Prozess. Es ist Sache des sich
auf einen Glaubenskonflikt berufenden Arbeitnehmers, zumindest in Grundzügen aufzuzeigen, wie er sich eine mit seinen Glaubensüberzeugungen in Einklang
stehende Beschäftigung im Rahmen der vom Arbeitgeber vorgegebenen Betriebsorganisation vorstellt. Nur dann kann zuverlässig beurteilt werden, ob es dem
Arbeitgeber möglich und zumutbar war, dem Arbeitnehmer andere Arbeit zu übertragen.
b) Auch die Frage, welche Anstrengungen dem Arbeitgeber mit Blick auf eine anderweitige Beschäftigung des von einem Glaubenskonflikt betroffenen
Arbeitnehmer zumutbar sind, unterliegt der Einzelfallbeurteilung. Regelmäßig zumutbar ist dem Arbeitgeber die Zuweisung einer anderen Tätigkeit, wenn dem
keine betrieblichen Gründe, zu denen sowohl wirtschaftliche als auch organisatorische Gründe zählen können, entgegenstehen. Betriebliche Gründe stehen der
Übertragung einer anderen Tätigkeit in der Regel nicht entgegen, wenn ein Arbeitsplatz frei ist und Bedarf an der fraglichen Tätigkeit besteht. Kann die
Zuweisung einer anderen Tätigkeit nur durch einen Aufgabentausch mit anderen Arbeitnehmern erfolgen, kann einer solchen Maßnahme die dem Arbeitgeber
gegenüber allen Arbeitnehmern obliegende Pflicht zur Rücksichtnahme aus § 241 Abs. 2 BGB entgegenstehen. Allgemein gilt, dass die Verpflichtung zur
Berücksichtigung einer konfliktvermeidenden Beschäftigungsalternative vom Arbeitgeber nicht verlangt, die Belange des Arbeitnehmers unter Hintanstellung
eigener schutzwürdiger Interessen oder der anderer Arbeitnehmer durchzusetzen (vgl. auch BAG 19. Mai 2010 - 5 AZR 162/09 - Rn. 27 ff., EzA BGB 2002 §
615 Nr. 33). Bei der Frage, welche Anstrengungen dem Arbeitgeber im Hinblick auf eine Umsetzung zuzumuten sind, kann auch die Möglichkeit, den Konflikt
vorherzusehen, Berücksichtigung finden. So wird der Arbeitgeber im Fall eines vorhersehbaren Konflikts nur naheliegende, ohne erhebliche Schwierigkeiten
durchsetzbare Möglichkeiten einer Umsetzung ergreifen müssen.
c) Als alternative Beschäftigungsmöglichkeit ist auch die vom Kläger zuletzt ausgeübte Tätigkeit in der Frischwarenabteilung in Betracht zu ziehen. Ob der
Arbeitsplatz im Kündigungszeitpunkt frei war, hat das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt. Ebenso wenig hat es geklärt, welche konkreten Belastungen mit
den Erkrankungen des Klägers einhergingen. Es lässt sich deshalb nicht beurteilen, ob das betriebliche Interesse der Beklagten, den Kläger nicht mehr in diesem
Bereich einzusetzen, höher zu bewerten ist als dessen Interesse an einer Weiterbeschäftigung. ..."
***
Ein Berufungsurteil muss einen den Anforderungen des § 69 Abs. 3 ArbGG genügenden Tatbestand enthalten. Nach § 69 Abs. 2 ArbGG kann unter den dort
genannten Voraussetzungen von der Darstellung des Tatbestandes nur dann abgesehen werden, wenn das Berufungsurteil unzweifelhaft nicht der Revision
unterliegt (§ 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO). Dies ist nicht schon dann der Fall, wenn das Landesarbeitsgericht die Revision nicht zugelassen hat. Wegen der
Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde nach § 72a ArbGG ist ein Rechtsmittel gegen das Berufungsurteil nicht "unzweifelhaft" unzulässig. Ein völliges
Absehen von der Darstellung des Tatbestandes gem. § 69 Abs. 2 ArbGG, § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO kommt bei Berufungsurteilen nur dann in Betracht, wenn
ein Rechtsmittelverzicht erklärt worden ist. Einem Urteil ohne Tatbestand kann in der Regel nicht entnommen werden, welchen Streitstoff das Berufungsgericht
seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat. Damit ist dem Revisionsgericht eine abschließende Überprüfung verwehrt. Etwas anderes gilt ausnahmsweise dann,
wenn der Zweck des Revisionsverfahrens, dem Revisionsgericht die Nachprüfung des Berufungsurteils und seiner Rechtsanwendung auf den festgestellten
Sachverhalt zu ermöglichen, deshalb erreicht werden kann, weil der Sach- und Streitstand sich aus den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils in
einem für die Beurteilung der aufgeworfenen Rechtsfrage ausreichenden Umfang ergibt. Ein betriebliches Eingliederungsmanagement nach § 84 Abs. 2 SGB
IX (BEM) ist schon dann durchzuführen, wenn die krankheitsbedingten Fehlzeiten des Arbeitnehmers innerhalb eines Jahres insgesamt mehr als sechs Wochen
betragen haben. Nicht erforderlich ist, dass es eine einzelne Krankheitsperiode von durchgängig mehr als sechs Wochen gab. Zwingende Voraussetzung für die
Durchführung eines BEM ist das Einverständnis des Betroffenen. Dabei gehört zu einem regelkonformen Ersuchen des Arbeitgebers um Zustimmung des
Arbeitnehmers die Belehrung nach § 84 Abs. 2 Satz 3 SGB IX über die Ziele des BEM sowie über Art und Umfang der hierfür erhobenen und verwendeten
Daten. Sie soll dem Arbeitnehmer die Entscheidung ermöglichen, ob er ihm zustimmt oder nicht. Stimmt der Arbeitnehmer trotz ordnungsgemäßer Aufklärung
nicht zu, ist das Unterlassen eines BEM "kündigungsneutral"(BAG, 24.03.2011, 2 AZR 170/10):
„... I. Das Berufungsurteil ist schon deswegen aufzuheben, weil es entgegen § 69 Abs. 3 ArbGG keinen den gesetzlichen Bestimmungen entsprechenden
Tatbestand enthält.
1. Ein Berufungsurteil muss einen den Anforderungen des § 69 Abs. 3 ArbGG genügenden Tatbestand enthalten.
a) Nach § 69 Abs. 2 ArbGG kann unter den dort genannten Voraussetzungen von der Darstellung des Tatbestandes nur dann abgesehen werden, wenn das
Berufungsurteil unzweifelhaft nicht der Revision unterliegt (§ 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO). § 69 Abs. 3 ArbGG verlangt für Urteile, gegen die die Revision
statthaft ist, eine gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstandes auf der Grundlage der mündlichen Vorträge der Parteien. Das ist erforderlich, um die
Nachprüfung des angefochtenen Urteils durch das Revisionsgericht zu ermöglichen. Dies gilt auch dann, wenn die Revision vom Landesarbeitsgericht nicht
zugelassen worden ist. Darin liegt kein Fall des § 69 Abs. 2 ArbGG iVm. § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO. Wegen der Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde
nach § 72a ArbGG ist ein Rechtsmittel gegen das Berufungsurteil nicht "unzweifelhaft" unzulässig (Senat 30. September 2010 - 2 AZR 160/09 - Rn. 11, NZA
2011, 349). Ein völliges Absehen von der Darstellung des Tatbestandes gem. § 69 Abs. 2 ArbGG, § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO kommt bei Berufungsurteilen nur
dann in Betracht, wenn ein Rechtsmittelverzicht erklärt worden ist (BAG 18. Mai 2006 - 6 AZR 627/05 - Rn. 15, AP KSchG 1969 § 15 Ersatzmitglied Nr. 2 =
EzA ArbGG 1979 § 69 Nr. 5). Zumindest eine verkürzte Darstellung des zweitinstanzlichen Vorbringens ist erforderlich (BAG 18. Mai 2006 - 6 AZR 627/05 -
Rn. 16, aaO; Senat 15. August 2002 - 2 AZR 386/01 - AP ZPO 1977 § 543 Nr. 12 = EzA ZPO § 543 Nr. 12; BGH 13. August 2003 - XII ZR 303/02 - BGHZ
156, 97; Germelmann in Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge ArbGG 7. Aufl. § 69 Rn. 10, 11).
b) Einem Urteil ohne Tatbestand kann in der Regel nicht entnommen werden, welchen Streitstoff das Berufungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt
hat. Damit ist dem Revisionsgericht eine abschließende Überprüfung verwehrt. Etwas anderes gilt ausnahmsweise dann, wenn der Zweck des
Revisionsverfahrens, dem Revisionsgericht die Nachprüfung des Berufungsurteils und seiner Rechtsanwendung auf den festgestellten Sachverhalt zu
ermöglichen, deshalb erreicht werden kann, weil der Sach- und Streitstand sich aus den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils in einem für die
Beurteilung der aufgeworfenen Rechtsfrage ausreichenden Umfang ergibt (Senat 30. September 2010 - 2 AZR 160/09 - Rn. 11, NZA 2011, 349; BAG 18. Mai
2006 - 6 AZR 627/05 - AP KSchG 1969 § 15 Ersatzmitglied Nr. 2 = EzA ArbGG 1979 § 69 Nr. 5; Senat 17. Juni 2003 - 2 AZR 123/02 - zu I 1 der Gründe, AP
ZPO 1977 § 543 Nr. 13 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 4).
2. Danach enthält das angefochtene Urteil keinen ausreichenden Tatbestand.
a) Das Landesarbeitsgericht hat wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes auf den Tatbestand des arbeitsgerichtlichen Urteils Bezug genommen. Im
Übrigen hat es "gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG von der Darstellung des Tatbestandes abgesehen", weil sein Urteil nicht der Revision unterfalle. Hierbei hat es außer
Acht gelassen, dass auf eine Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers die Revision zugelassen werden konnte. Die Parteien hatten keinen Rechtsmittelverzicht erklärt.
b) Die in den Entscheidungsgründen erwähnten Sachverhaltselemente stellen keine ausreichende tatsächliche Grundlage für eine abschließende Beurteilung der
aufgeworfenen Rechtsfragen dar. Sie erlauben dem Senat keine Entscheidung darüber, ob die Kündigung deswegen unverhältnismäßig ist, weil die Beklagte
mangels Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM) eine erweiterte Darlegungs- und Beweislast im Hinblick auf andere
Beschäftigungsmöglichkeiten für den Kläger trifft.
II. Die Sache ist an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Für die neue Verhandlung und Entscheidung des Rechtsstreits wird
das Landesarbeitsgericht die folgenden Hinweise zu beachten haben.
1. Das Landesarbeitsgericht hat vor einer Prüfung der sozialen Rechtfertigung der Kündigung nach § 1 Abs. 2 KSchG Feststellungen zur Anzahl der im Betrieb
der Beklagten beschäftigten Arbeitnehmer zu treffen.
2. Falls danach der erste Abschnitt des Kündigungsschutzgesetzes im Streitfall Anwendung findet, wird das Landesarbeitsgericht zu prüfen haben, ob die
Beklagte gem. § 84 Abs. 2 SGB IX ein betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) durchzuführen hatte. Ist dies zu bejahen, trifft sie eine erweiterte
Darlegungslast. Sie hätte dann von sich aus zum Fehlen alternativer Beschäftigungsmöglichkeiten vorzutragen.
a) Das Erfordernis eines betrieblichen Eingliederungsmanagements nach § 84 Abs. 2 SGB IX besteht für alle Arbeitnehmer, nicht nur für behinderte Menschen
(Senat 12. Juli 2007 - 2 AZR 716/06 - Rn. 35, BAGE 123, 234). Nach den vom Landesarbeitsgericht zugrunde gelegten Krankheitszeiten des Klägers wäre die
Beklagte grundsätzlich verpflichtet gewesen, ein BEM durchzuführen. Danach war der Kläger iSv. § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX innerhalb eines Jahres länger als
sechs Wochen krank. Dafür genügt es, dass die krankheitsbedingten Fehlzeiten insgesamt, gegebenenfalls in mehreren Abschnitten, mehr als sechs Wochen
betragen haben (Senat 12. Juli 2007 - 2 AZR 716/06 - Rn. 34, aaO; Gagel/Schian br 2006, 46; Neumann in Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen SGB IX 12. Aufl.
§ 84 Rn. 11). Nicht erforderlich ist, dass es eine einzelne Krankheitsperiode von durchgängig mehr als sechs Wochen gab.
b) Die Verpflichtung zur Durchführung eines BEM stellt eine Konkretisierung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes dar. Das BEM ist zwar selbst kein milderes
Mittel gegenüber einer Kündigung. Mit seiner Hilfe können aber solche milderen Mittel, zB die Umgestaltung des Arbeitsplatzes oder die Weiterbeschäftigung
zu geänderten Arbeitsbedingungen auf einem anderen - ggf. durch Umsetzungen "freizumachenden" - Arbeitsplatz erkannt und entwickelt werden (vgl. Senat
10. Dezember 2009 - 2 AZR 400/08 - Rn. 18, AP KSchG 1969 § 1 Krankheit Nr. 48 = EzA KSchG § 1 Krankheit Nr. 56; 23. April 2008 - 2 AZR 1012/06 - Rn.
25, EzA KSchG § 1 Krankheit Nr. 55; 12. Juli 2007 - 2 AZR 716/06 - Rn. 41, BAGE 123, 234).
aa) Wurde entgegen § 84 Abs. 2 SGB IX ein BEM nicht durchgeführt, darf sich der Arbeitgeber nicht darauf beschränken, pauschal vorzutragen, er kenne keine
alternativen Einsatzmöglichkeiten für den erkrankten Arbeitnehmer und es gebe keine leidensgerechten Arbeitsplätze, die dieser trotz seiner Erkrankung
ausfüllen könne. Er hat vielmehr von sich aus denkbare oder vom Arbeitnehmer (außergerichtlich) bereits genannte Alternativen zu würdigen und im Einzelnen
darzulegen, aus welchen Gründen sowohl eine Anpassung des bisherigen Arbeitsplatzes an dem Arbeitnehmer zuträgliche Arbeitsbedingungen als auch die
Beschäftigung auf einem anderen - leidensgerechten - Arbeitsplatz ausscheiden (Senat 10. Dezember 2009 - 2 AZR 400/08 - Rn. 19, AP KSchG 1969 § 1
Krankheit Nr. 48 = EzA KSchG § 1 Krankheit Nr. 56). Erst nach einem solchen Vortrag ist es Sache des Arbeitnehmers, sich hierauf substantiiert einzulassen
und darzulegen, wie er sich selbst eine leidensgerechte Beschäftigung vorstellt.
bb) Das Gleiche gilt, wenn der Arbeitgeber zur Erfüllung seiner Verpflichtung aus § 84 Abs. 2 SGB IX ein Verfahren durchgeführt hat, das nicht den
gesetzlichen Mindestanforderungen an ein BEM genügt (Senat 10. Dezember 2009 - 2 AZR 400/08 - Rn. 20, AP KSchG 1969 § 1 Krankheit Nr. 48 = EzA
KSchG § 1 Krankheit Nr. 56).
cc) Hat der Arbeitgeber ein BEM deshalb nicht durchgeführt, weil der Arbeitnehmer nicht eingewilligt hat, kommt es darauf an, ob der Arbeitgeber den
Betroffenen zuvor auf die Ziele des BEM sowie auf Art und Umfang der hierfür erhobenen und verwendeten Daten hingewiesen hatte (vgl. § 84 Abs. 2 Satz 3
SGB IX; Düwell in Dau/Düwell/Joussen SGB IX 3. Aufl. § 84 Rn. 56). Die Belehrung nach § 84 Abs. 2 Satz 3 SGB IX gehört zu einem regelkonformen
Ersuchen des Arbeitgebers um Zustimmung des Arbeitnehmers zur Durchführung eines BEM (vgl. Fabricius in Schlegel/Voelzke SGB IX § 84 Rn. 22). Sie soll
dem Arbeitnehmer die Entscheidung ermöglichen, ob er ihm zustimmt oder nicht (Trenk-Hinterberger in Lachwitz/Schellhorn/Welti HK-SGB IX 3. Aufl. § 84
Rn. 54). Die Initiativlast für die Durchführung eines BEM trägt der Arbeitgeber (Senat 10. Dezember 2009 - 2 AZR 198/09 - Rn. 18, AP SGB IX § 84 Nr. 3 =
EzA KSchG § 1 Krankheit Nr. 57).
dd) Stimmt der Arbeitnehmer trotz ordnungsgemäßer Aufklärung nicht zu, ist das Unterlassen eines BEM "kündigungsneutral" (vgl. Düwell in
Dau/Düwell/Joussen SGB IX 3. Aufl. § 84 Rn. 56). Zwingende Voraussetzung für die Durchführung eines BEM ist das Einverständnis des Betroffenen (vgl.
Senat 12. Juli 2007 - 2 AZR 716/06 - Rn. 51, BAGE 123, 234; Fabricius in Schlegel/Voelzke SGB IX § 84 Rn. 22; Trenk-Hinterberger in
Lachwitz/Schellhorn/Welti HK-SGB IX 3. Aufl. § 84 Rn. 53). Ohne die ausdrückliche Zustimmung des Betroffenen darf keine Stelle unterrichtet oder
eingeschaltet werden (Neumann in Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen SGB IX 12. Aufl. § 84 Rn. 9).
ee) Möglich ist, dass auch ein BEM kein positives Ergebnis hätte erbringen können. Sofern dies der Fall ist, kann dem Arbeitgeber aus dem Unterlassen eines
BEM kein Nachteil entstehen. Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass ein BEM deshalb entbehrlich war, weil es wegen der gesundheitlichen
Beeinträchtigungen des Arbeitnehmers unter keinen Umständen ein positives Ergebnis hätte bringen können, trägt der Arbeitgeber. Dazu muss er umfassend
und konkret vortragen, warum weder der weitere Einsatz des Arbeitnehmers auf dem bisher innegehabten Arbeitsplatz noch dessen leidensgerechte Anpassung
und Veränderung möglich war und der Arbeitnehmer auch nicht auf einem anderen Arbeitsplatz bei geänderter Tätigkeit hätte eingesetzt werden können,
warum also ein BEM in keinem Fall dazu hätte beitragen können, erneuten Krankheitszeiten des Arbeitnehmers vorzubeugen und ihm den Arbeitsplatz zu
erhalten (Senat 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - Rn. 36, NZA 2011, 39). ..."
***
„... I. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen
vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die
Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.
1. Ein wichtiger Grund zur Kündigung kann sowohl in einer erheblichen Verletzung von vertraglichen Hauptleistungspflichten als auch in der von
Nebenpflichten liegen (BAG 12. Mai 2010 - 2 AZR 845/08 - Rn. 19, EzA BGB 2002 § 626 Nr. 31; 2. März 2006 - 2 AZR 53/05 - Rn. 21, AP BGB § 626
Krankheit Nr. 14 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 16). Als Vertragspflichtverletzung, die eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen vermag, ist ein
nachhaltiger Verstoß des Arbeitnehmers gegen berechtigte Weisungen des Arbeitgebers anzusehen (BAG 12. Mai 2010 - 2 AZR 845/08 - Rn. 20, aaO;
KR/Fischermeier 9. Aufl. § 626 BGB Rn. 459 mwN). Ebenso kann die erhebliche Verletzung der Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des
Arbeitgebers gemäß § 241 Abs. 2 BGB einen wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB bilden. Der konkrete Inhalt dieser Pflicht ergibt sich aus dem jeweiligen
Arbeitsverhältnis und seinen spezifischen Anforderungen (BAG 12. Mai 2010 - 2 AZR 845/08 - aaO; 26. März 2009 - 2 AZR 953/07 - Rn. 24, AP BGB § 626
Nr. 220). Einer besonderen Vereinbarung bedarf es insoweit nicht (BAG 12. Mai 2010 - 2 AZR 845/08 - aaO).
2. Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung jedenfalls bis zum
Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses
gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des
Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen (BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 34, EzA BGB 2002 § 626 Nr. 32).
a) Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber
sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind (BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - EzA BGB 2002 § 626 Nr. 32; 19. April 2007 - 2 AZR
180/06 - Rn. 45, AP BGB § 174 Nr. 20 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 7). Als mildere Reaktionen sind insbesondere
Abmahnung und ordentliche Kündigung anzusehen. Sie sind dann alternative Gestaltungsmittel, wenn schon sie geeignet sind, den mit der außerordentlichen
Kündigung verfolgten Zweck - die Vermeidung des Risikos künftiger Störungen - zu erreichen (BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - aaO; KR/Fischermeier 9.
Aufl. § 626 BGB Rn. 251 mwN). Beruht die Vertragspflichtverletzung auf steuerbarem Verhalten des Arbeitnehmers, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass
sein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann (BAG 10. Juni 2010
- 2 AZR 541/09 - Rn. 36, aaO; Schlachter NZA 2005, 433, 436). Ordentliche und außerordentliche Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung setzen
deshalb regelmäßig eine Abmahnung voraus. Sie dient zugleich der Objektivierung der negativen Prognose (BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - aaO; 23. Juni
2009 - 2 AZR 283/08 - Rn. 14 mwN, AP KSchG 1969 § 1 Abmahnung Nr. 5 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 75; Staudinger/Preis [2002]
§ 626 BGB Rn. 109).
b) Nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist eine Kündigung nicht gerechtfertigt, wenn es mildere Mittel gibt, eine Vertragsstörung zukünftig zu beseitigen
(BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 37, EzA BGB 2002 § 626 Nr. 32). Dieser Aspekt hat durch die Regelung des § 314 Abs. 2 BGB iVm. § 323 Abs. 2
BGB eine gesetzgeberische Bestätigung erfahren. Einer Abmahnung bedarf es in Ansehung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes deshalb nur dann nicht, wenn
eine Verhaltensänderung in Zukunft selbst nach Abmahnung nicht zu erwarten steht oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass eine
Hinnahme durch den Arbeitgeber offensichtlich - auch für den Arbeitnehmer erkennbar - ausgeschlossen ist (BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 56, aaO;
vgl. auch BAG 23. Juni 2009 - 2 AZR 103/08 - Rn. 33, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 59 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2
Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 17).
3. Die Prüfung der Voraussetzungen des wichtigen Grundes ist in erster Linie Sache der Tatsacheninstanzen. Dennoch geht es um Rechtsanwendung, nicht um
Tatsachenfeststellung. Die Würdigung des Berufungsgerichts wird in der Revisionsinstanz darauf hin überprüft, ob es den anzuwendenden Rechtsbegriff in
seiner allgemeinen Bedeutung verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnormen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze
verletzt und ob es alle vernünftigerweise in Betracht zu ziehenden Umstände widerspruchsfrei berücksichtigt hat (BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 17,
EzA BGB 2002 § 626 Nr. 32; 27. November 2008 - 2 AZR 193/07 - Rn. 22, AP BGB § 626 Nr. 219).
II. Bei Anwendung dieser Grundsätze hält die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.
1. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Beklagte habe die Pflichtverletzung des Klägers, unter Verstoß gegen die "Regeln für die Anwendung von
Computerprogrammen und die Behandlung von Dateien" private Dateien auf dem Firmenlaptop gespeichert zu haben, zunächst abmahnen müssen. Dies ist
revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Das Fehlverhalten des Klägers wiegt nicht so schwer, dass es ohne Weiteres eine fristlose Beendigung des
Arbeitsverhältnisses rechtfertigen könnte.
a) In der Speicherung privater Dateien auf dem Firmen-Laptop liegt keine Pflichtverletzung des Klägers, bei der eine Hinnahme des Verhaltens durch den
Arbeitgeber offensichtlich ausgeschlossen wäre. Zwar ist auf den Computern der Beklagten laut Ziff. 6 Abs. 1 Satz 3 der "Regeln über die Anwendung von
Computerprogrammen und die Behandlung von Dateien" die Verwendung privater Software untersagt. Das Landesarbeitsgericht hat aber zutreffend
berücksichtigt, dass der Kläger die privaten Dateien nach seinem unwidersprochenen Vorbringen nicht aus dem Internet heruntergeladen, sondern von eigenen
Datenträgern überspielt hat. Die Beklagte hat weder behauptet, dass es sich dabei um strafrechtlich relevantes oder sonst anrüchiges Material gehandelt habe,
noch lässt sich ihrem Vorbringen entnehmen, dass konkrete Beeinträchtigungen der Funktionen des Laptops oder des Netzwerks eingetreten wären. Dass der
Kläger die auf dem Laptop installierte private Software während der Arbeitszeit zu privaten Zwecken genutzt habe, hat die Beklagte ebenso wenig geltend gemacht.
Auch die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, die Stellung des Klägers als Leiter der IT-Abteilung und Vorgesetzter rechtfertige keine andere Beurteilung, ist
revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Zwar zeigen die Hinweise des Klägers an die Mitarbeiter, dass er sich der Gefahren eines Regelverstoßes für die
Sicherheit und Funktion der IT-Systeme bewusst war. Wenn er selbst die Regeln nicht eingehalten hat, stellt dies aber kein Verhalten dar, dessen auch nur
erstmalige Hinnahme durch die Beklagte offensichtlich ausgeschlossen war.
2. Eine Abmahnung war auch nicht deshalb entbehrlich, weil der Kläger Unternehmensdaten auf dem Laptop nur durch ein einfaches Passwort gesichert hatte.
Ob der Kläger insoweit überhaupt pflichtwidrig gehandelt hat, bedarf keiner Klärung. Die Beklagte hat nicht behauptet, es habe eine ausdrückliche Anordnung
gegeben, weitergehende Sicherungen vorzunehmen. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, eine Abmahnung hätte zukünftig ein vertragsgerechtes Verhalten
des Klägers erwarten lassen, ist unter diesen Umständen revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Dies gilt auch, soweit die Beklagte geltend gemacht hat, es sei
gerade Aufgabe des Klägers gewesen, für weitergehende Sicherungsmaßnahmen zu sorgen. Damit rügt sie eine Schlechtleistung des Klägers, welche ihrerseits
einer Abmahnung bedurft hätte.
3. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht angenommen, auch die Speicherung unternehmensbezogener Dateien auf einer privaten Festplatte und ohne
Sicherung gegen unbefugten Zugriff wiege im Streitfall nicht so schwer, dass sie die außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen könne.
a) Allerdings kann durch eine unerlaubte Speicherung unternehmensbezogener Daten auf einer privaten Festplatte die Pflicht zur Rücksichtnahme aus § 241
Abs. 2 BGB verletzt sein. Sollten personenbezogene Daten iSv. § 3 Abs. 1 BDSG betroffen gewesen sein, kommt zudem ein Verstoß gegen § 5 Satz 1 BDSG in
Betracht. Die Beklagte beruft sich außerdem darauf, der Kläger habe seine Vertragspflichten dadurch verletzt, dass er die Daten nicht auch auf dem
Netzwerkserver hinterlegt habe.
aa) Eine Verletzung von Urheberrechten ist mit dem Verhalten des Klägers nicht verbunden. Die Beklagte hat keine Tatsachen vorgetragen, die die Annahme
rechtfertigten, bei den vom Kläger auf seine private Festplatte kopierten Dateien habe es sich um urheberrechtlich geschützte Werke gehandelt. Es kann daher
dahinstehen, ob die Herstellung von Sicherungskopien bereits eine unerlaubte Vervielfältigung darstellt (vgl. dazu § 15 Abs. 1 Nr. 1, §§ 16, 69c, 69d UrhG).
Zwar sind Computerprogramme nach Maßgabe der §§ 69a ff. UrhG urheberrechtlich geschützt. Daten oder in Dateien gespeicherte Datenbestände sind für sich
genommen aber keine Computerprogramme in diesem Sinne, da sie keine Befehls- oder Steuerungsanweisungen an den Computer enthalten (vgl.
Fromm/Nordemann/Czychowski Urheberrecht 10. Aufl. § 69a UrhG Rn. 12; Dreier/Schulze/Dreier UrhG 3. Aufl. § 69a Rn. 12;
Wandtke/Bullinger/Grützmacher UrhR 3. Aufl. § 69a UrhG Rn. 17). Ein Computerprogramm ist eine Folge von Befehlen, die nach Aufnahme in einen
maschinellen Träger fähig sind zu bewirken, dass eine Maschine mit informationsverarbeitenden Fähigkeiten eine bestimmte Funktion oder Aufgabe oder ein
bestimmtes Ergebnis anzeigt, ausführt oder erzielt (vgl. BGH 9. Mai 1985 - I ZR 52/83 - zu II 2 a aa der Gründe, BGHZ 94, 276). Bloße Daten oder
Datensammlungen sind regelmäßig auch keine urheberrechtlich geschützten Schriftwerke (Fromm/Nordemann/Nordemann Urheberrecht 10. Aufl. § 2 UrhG
Rn. 76). Der Schutz als Schriftwerk iSv. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG verlangt gemäß § 2 Abs. 2 UrhG, dass das Werk Ergebnis einer persönlichen geistigen
Schöpfung ist. Selbst wenn eine Sammlung von Daten auf einer inhaltlichen Verarbeitung und Auswahl von Erkenntnissen beruht, findet diese möglicherweise
schöpferische Tätigkeit keine gestalterische Darstellung in den Daten selbst (Nordemann aaO).
bb) Auch ein Verstoß gegen Ziff. 6 Abs. 2 der betrieblichen "Regeln über die Anwendung von Computerprogrammen und die Behandlung von Dateien" liegt
entgegen der Ansicht der Beklagten nicht vor. Danach ist es untersagt, Programme des Unternehmens mit nach Hause zu nehmen und auf einem eigenen
Computer zu nutzen. Die Regeln differenzieren ebenfalls zwischen Computerprogrammen und Dateien. Die Beklagte hat weder dargelegt, dass es sich bei den
vom Kläger kopierten Dateien um Computerprogramme gehandelt, noch dass der Kläger andere "Programme des Unternehmens" auf seinem eigenen Computer
genutzt habe.
b) Es kann offenbleiben, ob der Kläger gegen § 241 Abs. 2 BGB, ggf. iVm. § 5 BDSG, tatsächlich verstoßen hat. Jedenfalls ist es revisionsrechtlich nicht zu
beanstanden, dass das Landesarbeitsgericht mögliche Pflichtverletzungen des Klägers durch das Kopieren unternehmensbezogener Daten auf eine private
Festplatte nicht als hinreichenden Kündigungsgrund angesehen hat. Dies gilt auch dann, wenn das tatsächliche Vorbringen der Beklagten im Schriftsatz vom
14. Dezember 2009 als wahr unterstellt wird.
aa) Der Umstand, dass der Kläger unternehmensbezogene Dateien auf seiner privaten Festplatte gespeichert hat, rechtfertigt nicht die Annahme, er habe die
fraglichen Daten unterdrücken oder der Beklagten vorenthalten wollen. Diese selbst hat im Schriftsatz vom 14. Dezember 2009 vorgetragen, dass die Dateien
überwiegend auch auf dem firmeneigenen Laptop gespeichert waren. Soweit sie geltend gemacht hat, Dateien im Zusammenhang mit zwei ausländischen
Standorten seien ausschließlich auf der privaten Festplatte des Klägers gespeichert gewesen, stützt sie den Vorwurf des Unterdrückens bzw. Vorenthaltens der
Daten lediglich darauf, dass der Kläger diese Arbeitsergebnisse nicht zusätzlich auf ihrem Netzwerkserver hinterlegt habe. Die Schlussfolgerung der Beklagten
wird durch die behaupteten Indiztatsachen nicht getragen. Sie ist auch dann nicht berechtigt, wenn die Behauptung, der Kläger sei seit Mai 2007 nicht mehr im
betrieblichen Netzwerk eingeloggt gewesen, und das weitere Vorbringen im Schriftsatz vom 14. Dezember 2009 mitbedacht werden. Das Landesarbeitsgericht
hat deshalb im Ergebnis zu Recht keine Veranlassung zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gesehen.
(1) Die Beklagte hat nicht vorgetragen, dass und welche konkreten Weisungen sie zur Hinterlegung von Arbeitsergebnissen im Firmennetz erteilt habe. Sie hat
zwar vorgebracht, zur Datensicherung müssten Änderungen an Dateien auf ihrem Netzwerkserver abgespeichert werden. Nur so sei gewährleistet, dass Daten
nicht verloren gingen oder in die Hände Unbefugter gelangten. Dass es entsprechende ausdrückliche Anordnungen gegeben habe, hat sie aber nicht behauptet.
Soweit sie darauf verweist, der Kläger selbst habe Regeln für die Benutzung eines Firmenlaptops formuliert, handelte es sich bei diesen nach ihrem eigenen
Vorbringen nur um einen nicht weiter verfolgten Regelungsentwurf.
(2) Soweit die Beklagte vorgebracht hat, der Kläger sei auch ohne ausdrückliche Anordnung verpflichtet gewesen, ihr einen digitalen Zugriff auf seine
Arbeitsergebnisse zu ermöglichen, hat sie nicht dargelegt, inwiefern dem Kläger dies in Bezug auf die nicht hinterlegten Daten hätte bewusst sein müssen. Im
Übrigen ist es nach ihrem eigenen Vorbringen durch die Unterlassungen des Klägers nicht zu Beeinträchtigungen ihrer Tätigkeit gekommen.
bb) Die mögliche Unzulänglichkeit der Sicherung der auf der privaten Festplatte des Klägers gespeicherten Daten rechtfertigt eine Kündigung ebensowenig. Ein
damit verbundener Verstoß gegen die Pflicht zur Rücksichtnahme aus § 241 Abs. 2 BGB, ggf. iVm. § 5 BDSG, wiegt nicht so schwer, dass eine vorherige
Abmahnung entbehrlich gewesen wäre. Zwar hat der Kläger die Sicherheit der Daten durch das Kopieren auf seine private Festplatte möglicherweise gefährdet.
Dass er aber geradezu leichtfertig mit den gespeicherten Daten umgegangen wäre, ist nicht ersichtlich. Die Beklagte hat nicht behauptet, dass Dritte tatsächlich
Zugriff auf sie hätten nehmen können.
4. War hinsichtlich der Einzelvorwürfe eine Abmahnung nicht entbehrlich, sind diese auch in ihrer Gesamtheit nicht geeignet, die außerordentliche Kündigung
zu rechtfertigen. ..." (BAG, Urteil vom 24.03.2011 - 2 AZR 282/10)
***
„... Die Revision hat Erfolg. Die Vorinstanzen haben die auf Abgabe eines Wiedereinstellungsangebots gerichtete Klage zu Unrecht abgewiesen. Der Anspruch
des Klägers folgt aus § 1 des Änderungsvertrags der Parteien vom 30. April 2005 iVm. § 2 Nr. 1 des Vertrags vom 1. Juni 2004 und Nr. 1 Buchst. b, Nr. 2
Buchst. a SV. Die Voraussetzungen dieser Bestimmungen sind erfüllt. Das Arbeitsverhältnis des Klägers wurde von der K wirksam gekündigt. Entgegen der
Auffassung des Landesarbeitsgerichts musste der Kläger nicht darlegen und beweisen, dass die Kündigung aus dringenden betrieblichen Gründen iSv. § 1 Abs.
2 KSchG gerechtfertigt war.
A. Die Revision ist zulässig. Entgegen den von der Beklagten geäußerten Zweifeln genügt die Revisionsbegründung den gesetzlichen Anforderungen.
I. Nach § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO gehört die Angabe der Revisionsgründe zum notwendigen Inhalt der Revisionsbegründung. Bei Sachrügen sind
diejenigen Umstände bestimmt zu bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt, § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a ZPO . Die Revisionsbegründung
muss die angenommenen Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts so aufzeigen, dass Gegenstand und Richtung des Revisionsangriffs erkennbar sind (vgl. für die
st. Rspr. BAG 10. November 2010 - 5 AZR 844/09 - Rn. 11). Die Revisionsbegründung hat sich daher mit den tragenden Gründen des Berufungsurteils
auseinanderzusetzen. Das erfordert die konkrete Darlegung der Gründe, aus denen das angefochtene Urteil rechtsfehlerhaft sein soll. Der Revisionsführer darf
sich nicht darauf beschränken, seine Rechtsausführungen aus den Vorinstanzen zu wiederholen. Dadurch soll sichergestellt werden, dass er das angefochtene
Urteil für das Rechtsmittel überprüft und mit Blickrichtung auf die Rechtslage durchdenkt. Die Revisionsbegründung soll durch ihre Kritik an dem
Berufungsurteil außerdem zur richtigen Rechtsfindung des Revisionsgerichts beitragen (vgl. BAG 27. Juli 2010 - 1 AZR 186/09 - Rn. 13 mwN, NZA 2010,
1446 [BAG 27.07.2010 - 1 AZR 186/09] ).
II. Die Revisionsbegründung genügt diesen Anforderungen.
1. Die Revisionsbegründung setzt sich im Einzelnen mit der Auffassung des Landesarbeitsgerichts auseinander, der Kläger trage im Wiedereinstellungsprozess
die Darlegungs- und Beweislast für die Kündigungsgründe der K. Sie führt zudem an, die SV sei entgegen den Erwägungen des Berufungsgerichts kein
Tarifvertrag iSv. § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB . Deshalb sei eine Inhaltskontrolle durchzuführen. Das in Nr. 2 Buchst. a SV enthaltene Erfordernis "unter
Einhaltung der Voraussetzungen des § 1 Absatz 2 ff KSchG wirksam gekündigt" sei bei objektiver Auslegung unklar oder mehrdeutig und benachteilige den
Kläger unangemessen. Seit Inkrafttreten des § 311a Abs. 1 BGB idF des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts sei eine Verurteilung zu einer
rückwirkenden Wiedereinstellung des Arbeitnehmers möglich.
2. Die Revisionsbegründung behandelt damit hinreichend die tragenden Argumentationslinien des Landesarbeitsgerichts. In allen Teilen schlüssig oder sogar
richtig braucht die Revisionsbegründung nicht zu sein. Mit der ausreichenden Angabe der Revisionsgründe iSv. § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a ZPO durch
Sachrügen eröffnet die Revision dem Senat die volle materielle Überprüfung des angefochtenen Urteils ( § 557 Abs. 3 Satz 1 ZPO ).
B. Die Revision ist in der Sache erfolgreich. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils, zur Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung und zur
Stattgabe des Hauptantrags. Der Hauptantrag ist zulässig und begründet. Der Hilfsantrag fällt deswegen nicht zur Entscheidung des Senats an.
I. Der Hauptantrag ist zulässig.
1. Der Wortlaut des Antrags ist eindeutig auf die Verurteilung der Beklagten zur Abgabe eines Angebots gerichtet. Er ist nicht abweichend von seinem
Wortlaut dahin auszulegen, dass der Kläger die Verurteilung der Beklagten zur Annahme des Vertragsangebots verlangt, das er selbst mit Zustellung des
Hauptantrags abgegeben haben könnte. Dem Kläger geht es auch nach der Klagebegründung noch nicht um das endgültige Zustandekommen eines
Arbeitsvertrags mit der Beklagten, das er nur mit übereinstimmenden Willenserklärungen - Antrag und Annahme ( §§ 145 bis 147 BGB ) - erwirken könnte.
Eine solche Auslegung wird zwar häufig dem mit einer sog. Wiedereinstellungsklage bekundeten Willen des Arbeitnehmers entsprechen (vgl. zB BAG 21.
August 2008 - 8 AZR 201/07 - Rn. 54, AP BGB § 613a Nr. 353 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 95; 25. Oktober 2007 - 8 AZR 989/06 - Rn. 14, AP BGB § 613a
Wiedereinstellung Nr. 2 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 80). Zwingend ist das aber nicht. Es kann auch im Interesse des Arbeitnehmers liegen, nicht schon mit
Rechtskraft des seiner Klage stattgebenden Urteils vertraglich gebunden zu sein, sondern unter Berücksichtigung der konkreten Umstände entscheiden zu
können, ob er das Vertragsangebot des Arbeitgebers annimmt. Dafür spricht ua., dass im Fall einer Wiedereinstellungsklage eine Regelung fehlt, die § 12 Satz 1
KSchG entspricht. Der Arbeitnehmer kann sich nicht durch besondere Erklärung einseitig von dem Arbeitsverhältnis lösen, das mit Rechtskraft des Urteils
durch die Fiktion der Abgabe der Annahmeerklärung nach § 894 Satz 1 ZPO entsteht (vgl. zu der Fiktion BAG 17. Dezember 2009 - 6 AZR 242/09 - Rn. 12 f.,
AP BGB § 620 Aufhebungsvertrag Nr. 41 = EzA BGB 2002 § 623 Nr. 10; 13. August 2008 - 7 AZR 513/07 - Rn. 14, BAGE 127, 239). Ihm bleibt nur sein -
idR ordentliches - Kündigungsrecht, wenn er inzwischen ein anderes Arbeitsverhältnis eingegangen ist. Dem Arbeitnehmer kann es demnach im ersten Schritt
auch nur um die Abgabe eines Angebots gehen.
2. Der Hauptantrag ist in dieser Auslegung zulässig.
a) Er ist hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO . Der Inhalt des anzubietenden Arbeitsvertrags ist ausreichend konkretisiert. Der Zeitpunkt der
Wirkung der Abgabe des Angebots - der 1. August 2009 - ist genannt. Die wesentlichen Vertragsbestandteile der Arbeitszeit (Vollzeit) und der Vergütung
(Vergütungsgruppe T 5 Stufe 4 nach § 10 des Entgeltrahmentarifvertrags) sind bezeichnet. Die übrigen Arbeitsbedingungen ergeben sich aus Nr. 4 Satz 2 SV.
Danach wird der Arbeitnehmer hinsichtlich der zu vereinbarenden Arbeitsvertragsbedingungen und anzuwendenden tarifvertraglichen Regelungen so gestellt,
als wäre er ohne Unterbrechung bei der Beklagten weiterbeschäftigt worden.
b) Für die erstrebte Verurteilung zur Abgabe eines Angebots auf Abschluss eines Arbeitsvertrags besteht entgegen der Auffassung der Beklagten ein
allgemeines Rechtsschutzbedürfnis (vgl. zu einer auf Abgabe eines Angebots gerichteten zulässigen Klage BAG 27. Juli 2005 - 7 AZR 488/04 - zu I 1 der
Gründe, AP BGB § 308 Nr. 2 = EzA BGB 2002 § 308 Nr. 2). Das gilt insbesondere deshalb, weil ein einseitiges, § 12 Satz 1 KSchG entsprechendes
Lösungsrecht des Arbeitnehmers vom Vertrag fehlt.
II. Der Hauptantrag hat in der Sache Erfolg. Er ist in nicht zu beanstandender Weise auf die rückwirkende Abgabe einer Angebotserklärung gerichtet. Der
Kläger hat Anspruch auf Abgabe des Angebots. Die Regelungen des Rückkehrrechts im Auflösungsvertrag vom 1. Juni 2004, in § 1 des Änderungsvertrags
vom 30. April 2005 und in der SV unterliegen einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB . Die in Nr. 2 Buchst. a SV enthaltene
Anspruchsvoraussetzung, die nicht nur eine wirksame Kündigung, sondern darüber hinaus dringende betriebliche Gründe unter Einhaltung der
Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 ff. KSchG verlangt, ist unwirksam. Sie benachteiligt den Kläger entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen
iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB . Der Kläger erfüllt die übrigen Voraussetzungen des sog. Rückkehrrechts der SV.
1. Die Klage ist entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts nicht schon deswegen teilweise unbegründet, weil die Verurteilung der Beklagten zur Abgabe
der Angebotserklärung zum 1. August 2009 (rück-)wirken soll.
a) Die Abgabe der Angebotserklärung als der ersten der beiden nötigen übereinstimmenden Willenserklärungen soll es dem Kläger ermöglichen, darüber zu
entscheiden, ob er erneut ein Arbeitsverhältnis mit der Beklagten eingehen will. Mit Rechtskraft eines obsiegenden Urteils gilt die Angebotserklärung nach §
894 Satz 1 ZPO als abgegeben. Zu welchem Zeitpunkt die fingierte Abgabe des Antrags wirkt, beurteilt sich nach materiellem Recht. Seit Inkrafttreten des §
311a Abs. 1 BGB idF des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26. November 2001 (BGBl. I S. 3138) kommt auch die Verurteilung zur Abgabe
einer Willenserklärung in Betracht, die auf eine Vertragsänderung zu einem in der Vergangenheit liegenden Zeitpunkt gerichtet ist. Nach § 275 Abs. 1 BGB ist
der Anspruch auf die Leistung zwar ausgeschlossen, soweit diese für den Schuldner oder jedermann unmöglich ist. Im Unterschied zum alten Recht ist in §
311a Abs. 1 BGB aber klargestellt, dass ein Vertrag selbst dann nicht nichtig ist, wenn er in der Vergangenheit tatsächlich nicht durchgeführt werden kann (vgl.
für die st. Rspr. BAG 15. September 2009 - 9 AZR 643/08 - Rn. 15 mwN, AP TVG § 1 Altersteilzeit Nr. 44 = EzA TVG § 4 Altersteilzeit Nr. 31; 25. Oktober
2007 - 8 AZR 989/06 - Rn. 25 f., AP BGB § 613a Wiedereinstellung Nr. 2 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 80).
b) Die rückwirkende Begründung eines Arbeitsverhältnisses durch Urteil, die mit der Fiktion der Abgabe der Angebotserklärung vorbereitet werden soll, ist
daher zulässig. Ausgeschlossen ist lediglich eine gerichtliche Entscheidung, mit der ein Arbeitsverhältnis mit Rückwirkung zu einem Zeitpunkt vor Abgabe des
Angebots begründet werden soll (vgl. BAG 4. Mai 2010 - 9 AZR 155/09 - Rn. 17 und 35, AP ATG § 3 Nr. 21 = EzA ZPO 2002 § 894 Nr. 2).
2. Der Kläger hat entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts Anspruch auf Abgabe der mit dem Hauptantrag verlangten Angebotserklärung. Grundlage
des Anspruchs ist § 1 Abs. 1 Satz 1 des Vertrags der Parteien vom 30. April 2005 iVm. § 2 Nr. 1 des Vertrags vom 1. Juni 2004 und Nr. 1 Buchst. b, Nr. 2
Buchst. a SV. Das ergibt eine Auslegung dieser Regelungen.
a) § 2 Nr. 1 des ursprünglichen Auflösungsvertrags der Parteien vom 1. Juni 2004 ist ein von der Beklagten vorformulierter Vertrag, den sie nach dem
Erscheinungsbild mehrfach verwendet hat. Der Text der Vereinbarung enthält über die persönlichen Daten des Klägers hinaus keine individuellen
Besonderheiten. Dieser Vertrag wurde durch § 1 der Vereinbarung vom 30. April 2005 lediglich an die von der SV umgestalteten Rückkehrrechte angepasst,
blieb nach § 1 Abs. 2 des Vertrags vom 30. April 2005 aber im Übrigen bestehen. Den Inhalt eines solchen typischen Mustervertrags kann der Senat selbst nach
§§ 133 , 157 BGB auslegen (vgl. etwa BAG 24. März 2009 - 9 AZR 983/07 - Rn. 79 mwN, BAGE 130, 119).
b) Die Regelung des besonderen Rückkehrrechts in § 1 Abs. 1 Satz 1 des Vertrags der Parteien vom 30. April 2005 iVm. § 2 Nr. 1 des Vertrags vom 1. Juni
2004 und Nr. 1 Buchst. b, Nr. 2 Buchst. a SV enthält Allgemeine Geschäftsbedingungen iSv. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB . Auch Vertragsbedingungen, die vor
ihrer Verwendung kollektivrechtlich ausgehandelt worden sind, können Allgemeine Geschäftsbedingungen sein (vgl. BAG 19. März 2009 - 6 AZR 557/07 -
Rn. 20 mwN, AP BGB § 611 Arbeitgeberdarlehen Nr. 1 = EzA BGB 2002 § 305c Nr. 17).
aa) Die Parteien haben hier in § 1 Abs. 1 Satz 1 des Vertrags vom 30. April 2005 auf die in Anlage 1 enthaltene SV verwiesen. Sie haben den Text der SV
vollständig verwendet, so dass deren Charakter als Allgemeine Geschäftsbedingung erhalten geblieben ist.
bb) Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen
Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden. Dabei sind die Verständnismöglichkeiten
des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen. Ansatzpunkt für die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster
Linie der Vertragswortlaut. Dabei kommt es nur dann auf das Verständnis des Wortlauts durch die konkreten Vertragspartner an, wenn sie den Inhalt der
Regelung übereinstimmend abweichend vom objektiven Wortsinn interpretieren ( § 305b BGB ). Ist der Wortlaut eines Formularvertrags nicht eindeutig, ist für
die Auslegung entscheidend, wie der Vertragstext aus der Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist. Der
Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner muss beachtet werden ( § 157 BGB ). Soweit auch der mit dem Vertrag verfolgte Zweck
einzubeziehen ist, gilt das nur für typische und von redlichen Geschäftspartnern verfolgte Ziele. Eine solche Auslegung nach einem objektivgeneralisierenden
Maßstab ist geboten, weil der Vertragspartner des Verwenders auf den Inhalt der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die für eine Vielzahl von
Fallgestaltungen vorformuliert worden sind und gerade unabhängig von den Besonderheiten des Einzelfalls zur Anwendung kommen sollen, keinen Einfluss
nehmen kann (vgl. BAG 19. März 2009 - 6 AZR 557/07 - Rn. 21 mwN, AP BGB § 611 Arbeitgeberdarlehen Nr. 1 = EzA BGB 2002 § 305c Nr. 17).
cc) Klauseln in arbeitsvertraglichen Vereinbarungen, die auf kollektivrechtlich ausgehandelte Vertragsbedingungen Bezug nehmen oder inhaltlich mit ihnen
übereinstimmen, sind nach denselben Maßstäben auszulegen wie einseitig vom Arbeitgeber vorformulierte Klauseln. Auch sie betreffen eine Vielzahl von
Fällen, die eine einheitliche Auslegung erfordern. Die Arbeitnehmer, die derartige Verträge unterzeichnen, waren zudem an der Aushandlung der
Kollektivregelung nicht beteiligt und konnten sie nicht beeinflussen. Die Gründe, die zu der später in die vertragliche Vereinbarung übernommenen
Kollektivregelung geführt haben, sind ihnen unbekannt. Für die Auslegung solcher Klauseln kommt es deshalb nicht auf das Verständnis der an den
Verhandlungen über die Kollektivregelung Beteiligten, sondern nach § 157 BGB auf die Verständnismöglichkeiten der Arbeitnehmer an, mit denen später die
darauf verweisende arbeitsvertragliche Regelung vereinbart wird (vgl. BAG 19. März 2009 - 6 AZR 557/07 - Rn. 22 mwN, AP BGB § 611 Arbeitgeberdarlehen
Nr. 1 = EzA BGB 2002 § 305c Nr. 17).
c) § 1 Abs. 1 Satz 1 des Vertrags der Parteien vom 30. April 2005 iVm. § 2 Nr. 1 des Vertrags vom 1. Juni 2004 und Nr. 1 Buchst. b, Nr. 2 Buchst. a SV
begründen ein sog. besonderes, bis 31. Dezember 2008 auszuübendes Rückkehrrecht des Klägers in die Dienste der Beklagten. Der Kläger hat diesen
Wiedereinstellungsanspruch wirksam geltend gemacht.
aa) Die allgemeinen Anspruchsvoraussetzungen sind erfüllt. Der Kläger ist ehemaliger Arbeitnehmer der Beklagten. Er stand zum 1. Oktober 2002 in einem
Arbeitsverhältnis mit einer der sog. Kabelgesellschaften und war von der Beklagten beurlaubt.
bb) Das Arbeitsverhältnis des Klägers mit der K wurde aus dringenden betrieblichen Gründen iSv. Nr. 2 Buchst. a SV gekündigt. Dem steht nicht entgegen,
dass diese Bestimmung auf § 1 Abs. 2 ff. KSchG Bezug nimmt, die K wegen des tariflichen Sonderkündigungsschutzes des Klägers jedoch eine
außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist erklärte. Die Wirksamkeit einer solchen außerordentlichen "betriebsbedingten" Kündigung wird zwar nicht an § 1
KSchG gemessen, sondern an § 626 BGB . Zu prüfen ist nach § 626 Abs. 1 BGB aber, ob dem Arbeitnehmer im Fall ordentlicher Kündbarkeit eine
Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unzumutbar wäre (vgl. nur BAG 18. März 2010 - 2 AZR 337/08 - Rn. 16 mwN, EzA BGB 2002 §
626 Unkündbarkeit Nr. 17). Die Voraussetzungen der außerordentlichen Kündigung sind dadurch mit denen einer ordentlichen Kündigung verknüpft. Bei einer
außerordentlichen "betriebsbedingten" Kündigung handelt es sich deswegen um eine Kündigung "aus dringenden betrieblichen Gründen" iSv. Nr. 2 Buchst. a
SV. Das Erfordernis einer "aus dringenden betrieblichen Gründen" ausgesprochenen Kündigung dient der Abgrenzung von personen- und verhaltensbedingten
Kündigungen, bei denen kein Rückkehrrecht besteht. Das macht insbesondere Nr. 5 SV deutlich. Aus der SV geht im Übrigen nicht hervor, dass dieses
Regelwerk Arbeitnehmer, die tariflich gegen ordentliche Kündigungen geschützt sind, von ihrem persönlichen Geltungsbereich ausnehmen will. Wegen des
besonderen Schutzes dieser Arbeitnehmergruppe hätte es hierfür eines klaren Anhaltspunkts im Wortlaut der SV bedurft.
cc) Der Kläger hat ein besonderes Rückkehrrecht iSv. Nr. 1 Buchst. b SV, obwohl sein Arbeitsverhältnis mit der K nicht schon mit dem 31. Dezember 2008,
sondern erst am 31. Juli 2009 endete.
(1) Nach Nr. 1 Buchst. b SV räumte die Beklagte dem Kläger ein besonderes Rückkehrrecht "nach Ablauf des allgemeinen Rückkehrrechts für weitere 36
Monate" ein. Das allgemeine Rückkehrrecht bestand nach Nr. 1 Buchst. a SV für einen Zeitraum von 24 Monaten, berechnet ab 1. Januar 2004, also bis 31.
Dezember 2005. Der Zeitraum für das besondere Rückkehrrecht endete 36 Monate später mit dem 31. Dezember 2008.
(2) Das Landesarbeitsgericht hat richtig erkannt, dass Nr. 1 Buchst. b SV auslegungsbedürftig ist. Aus dem Wortlaut der Regelung geht nicht eindeutig hervor,
ob mit dem Rückkehrrecht "für weitere 36 Monate" die Entstehung des Rechts bis 31. Dezember 2008, seine Geltendmachung oder die tatsächliche Rückkehr
bis zu diesem Zeitpunkt gemeint ist. Der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner ( § 157 BGB ) spricht jedoch dafür, dass es jedenfalls genügt,
wenn das Rückkehrrecht bis 31. Dezember 2008 durch den Zugang einer ordentlichen oder außerordentlichen "betriebsbedingten" Kündigung entstand und
gegenüber der Beklagten geltend gemacht wurde. Mit Ausübung des Rückkehrrechts bis 31. Dezember 2008 erlangte die beklagte Verwenderin
Planungssicherheit hinsichtlich der tatsächlichen Rückkehr des einzelnen Arbeitnehmers. Die in Nr. 3 Satz 2 SV enthaltene Ankündigungsfrist von drei
Monaten deutet zudem darauf hin, dass das Regelwerk zwischen dem Rückkehrrecht und der tatsächlichen Rückkehr unterscheidet.
(3) Der Kläger erfüllt diese Voraussetzung des besonderen Rückkehrrechts. Die K kündigte sein Arbeitsverhältnis mit ihr unter dem 9. Dezember 2008
außerordentlich "aus betriebsbedingten Gründen". Der Kläger machte das besondere Rückkehrrecht mit Schreiben vom 19. Dezember 2008 gegenüber der
Beklagten geltend.
dd) Nr. 2 Buchst. a SV verlangt nicht nur eine wirksame Kündigung. Nach der Regelung genügt insbesondere nicht der Eintritt der Fiktion der § 7 Halbs. 1 , §
13 Abs. 1 Satz 2 KSchG . Erforderlich ist darüber hinaus, dass die Kündigung unter Einhaltung der Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 ff. KSchG ausgesprochen
wurde. Auch die Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB führt zu keinem anderen Ergebnis.
(1) Bleibt bei der Auslegung einer Allgemeinen Geschäftsbedingung nach Ausschöpfung der Auslegungsmethoden ein nicht behebbarer Zweifel, geht er nach §
305c Abs. 2 BGB zulasten des Verwenders. Die Anwendung der Unklarheitenregel setzt voraus, dass die Auslegung mindestens zwei Ergebnisse als vertretbar
erscheinen lässt und keines den klaren Vorzug verdient. Es müssen "erhebliche Zweifel" an der richtigen Auslegung bestehen. Die entfernte Möglichkeit, zu
einem anderen Ergebnis zu kommen, genügt für die Anwendung der Bestimmung nicht. Der Arbeitgeber, der die Allgemeinen Geschäftsbedingungen
verwendet, muss bei Unklarheiten die ihm am wenigsten günstige Auslegungsmöglichkeit gegen sich gelten lassen (vgl. BAG 19. Januar 2011 - 10 AZR 738/09
- Rn. 14 mwN, EzA-SD 2011, Nr. 9, 8 - 10; Linck FS Bauer S. 645, 648 mwN).
(2) Die Voraussetzung zumindest zweier gleichrangiger Auslegungsergebnisse ist nicht erfüllt. Die Klausel in Nr. 2 Buchst. a SV lässt nach gebotener
Auslegung ( §§ 133 , 157 BGB ) unter Beachtung eines objektiv-generalisierenden Maßstabs hinreichend klar erkennen, dass das Rückkehrrecht an eine
Kündigung gebunden wird, die wirksam und darüber hinaus unter Einhaltung der Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 ff. KSchG aus dringenden betrieblichen
Gründen ausgesprochen wird. Aus dem Erfordernis der Einhaltung der Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 ff. KSchG geht der Wille der verwendenden Beklagten
hervor, das Rückkehrrecht davon abhängig zu machen, dass auch im Fall der außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines ordentlich
Unkündbaren bestimmte Umstände - dringende betriebliche Gründe - tatsächlich gegeben sind. Es genügt daher nicht, dass die außerordentliche oder
ordentliche Kündigung durch Unterlassen oder Rücknahme der Kündigungsschutzklage aufgrund der Fiktionen in § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO , § 7 Halbs. 1 iVm.
§ 13 Abs. 1 Satz 2 KSchG wirksam wird.
ee) Das in Nr. 2 Buchst. a SV begründete Erfordernis einer nicht nur wirksamen, sondern unter Einhaltung der Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 ff. KSchG
ausgesprochenen Kündigung ist unwirksam. Das hat das Landesarbeitsgericht übersehen. Das Erfordernis benachteiligt den Kläger entgegen den Geboten von
Treu und Glauben unangemessen iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB . Die Klausel unterliegt der Inhaltskontrolle. Dem stehen weder § 310 Abs. 4 Satz 1 noch § 307
Abs. 3 Satz 1 BGB entgegen.
(1) § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB hindert die Inhaltskontrolle nicht.
(a) Nach § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB finden §§ 305 ff. BGB auf Tarifverträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen keine Anwendung. Formularmäßig
verwendete Klauseln in Arbeitsverträgen, die auf eine solche Kollektivregelung Bezug nehmen oder mit ihr übereinstimmen und lediglich deren gesamten
Inhalt wiedergeben, unterliegen deshalb keiner Inhaltskontrolle (vgl. BAG 19. März 2009 - 6 AZR 557/07 - Rn. 22 mwN, AP BGB § 611 Arbeitgeberdarlehen
Nr. 1 = EzA BGB 2002 § 305c Nr. 17).
(b) Die Unterzeichner der SV haben dem Regelwerk nicht den normativen Charakter eines Tarifvertrags iSv. § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB beigelegt.
(aa) Entscheidend ist, ob die Vertragspartner ihren Willen zur Normsetzung hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht haben. Dazu müssen sie durch
bindende, dh. normative Regelungen die Klärung von Rechtsanwendungsproblemen verbindlich vorwegnehmen (vgl. BAG 19. Mai 2010 - 4 AZR 903/08 - Rn.
37 und 39, AP TVG § 1 Tarifverträge: Lufthansa Nr. 46).
(bb) Das trifft auf die SV nicht zu. Nach Nr. 1 SV räumt die Beklagte den Arbeitnehmern "einzelvertraglich" ein Rückkehrrecht zu ihr ein. Daran wird deutlich,
dass die SV den Anspruch nicht normativ durch unmittelbare und zwingende Wirkung für die Regelungsunterworfenen begründen will. Sie trifft vielmehr nur
eine vereinheitlichende Regelung für individualvertragliche Umsetzungsakte. Das ist der typische Fall Allgemeiner Geschäftsbedingungen.
(2) § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB schließt eine Angemessenheitskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht aus.
(a) § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB bestimmt, dass die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 , 309 BGB nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen
gelten, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Eine fehlende ausdrückliche gesetzliche Regelung
führt aber nicht dazu, dass ein Klauselwerk nicht nach §§ 307 ff. BGB zu kontrollieren wäre. Auch Vertragstypen, die gesetzlich nicht geregelt sind, können am
Maßstab der §§ 307 ff. BGB gemessen werden (vgl. BAG 18. Januar 2006 - 7 AZR 191/05 - Rn. 27 mwN, AP BGB § 305 Nr. 8 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 13).
(aa) Nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB sind von der Inhaltskontrolle zum einen deklaratorische Vertragsklauseln ausgenommen, die in jeder Hinsicht mit einer
bestehenden gesetzlichen Regelung übereinstimmen. Eine Inhaltskontrolle derartiger Klauseln liefe leer, weil an ihre Stelle im Fall ihrer Unwirksamkeit nach §
306 Abs. 2 BGB die inhaltsgleiche gesetzliche Bestimmung träte (vgl. BAG 18. Januar 2006 - 7 AZR 191/05 - Rn. 27 mwN, AP BGB § 305 Nr. 8 = EzA BGB
2002 § 307 Nr. 13).
(bb) Zum anderen unterliegen Abreden, die ihrer Art nach nicht der Regelung durch Gesetz oder andere Rechtsvorschriften unterfallen, sondern von den
Vertragsparteien festgelegt werden müssen, nicht der Inhaltskontrolle der §§ 307 ff. BGB . Das sind Abreden über den unmittelbaren Gegenstand der
Hauptleistung (sog. Leistungsbeschreibung) und des dafür zu zahlenden Entgelts. Der gerichtlichen Kontrolle entzogene Leistungsbeschreibungen sind solche,
die Art, Umfang und Güte der geschuldeten Leistung festlegen. Demgegenüber sind Klauseln, die das Hauptleistungsversprechen einschränken, verändern oder
ausgestalten, inhaltlich zu kontrollieren (vgl. BAG 18. Januar 2006 - 7 AZR 191/05 - Rn. 27 mwN, AP BGB § 305 Nr. 8 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 13).
(b) Nach diesen Grundsätzen unterliegt die Regelung des besonderen Rückkehrrechts in Nr. 1 Buchst. b und Nr. 2 Buchst. a SV der Angemessenheitskontrolle
des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB . Die Regelungen ändern iVm. § 1 des Vertrags vom 30. April 2005 die Bestimmungen in § 2 Nr. 1 und Anlage 1 Nr. 1 Buchst. b,
Nr. 2 Buchst. a des Auflösungsvertrags vom 1. Juni 2004. Dieser Vertrag vom 1. Juni 2004, der nach seinem Erscheinungsbild selbst Allgemeine
Geschäftsbedingungen enthält, verknüpfte die Aufhebung des Arbeitsverhältnisses der Parteien mit den Rückkehrrechten. Er änderte damit das Hauptleistungsversprechen.
(3) Das in Nr. 2 Buchst. a SV begründete Erfordernis einer nicht nur wirksamen, sondern unter Einhaltung der Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 ff. KSchG
ausgesprochenen Kündigung benachteiligt den Kläger unangemessen iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB .
(a) Nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders
entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Unangemessen ist jede Beeinträchtigung eines rechtlich anerkannten Interesses des
Arbeitnehmers, die nicht durch begründete und billigenswerte Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt ist oder durch gleichwertige Vorteile ausgeglichen
wird. Die Feststellung einer unangemessenen Benachteiligung setzt eine wechselseitige Berücksichtigung und Bewertung rechtlich anzuerkennender Interessen
der Vertragspartner voraus. Die beiderseitigen Positionen müssen unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben umfassend gewürdigt werden.
Bei der Beurteilung der Unangemessenheit ist ein genereller, typisierender, vom Einzelfall losgelöster Maßstab anzulegen. Abzuwägen sind die Interessen des
Verwenders gegenüber den Interessen der typischerweise beteiligten Vertragspartner. Art und Gegenstand, Zweck und besondere Eigenart des jeweiligen
Geschäfts sind zu berücksichtigen (vgl. BAG 18. Januar 2006 - 7 AZR 191/05 - Rn. 30 mwN, AP BGB § 305 Nr. 8 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 13).
(b) Eine unangemessene Benachteiligung ist nach § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung wesentliche Rechte oder Pflichten,
die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist. § 307 Abs. 2 BGB konkretisiert § 307 Abs. 1
Satz 1 BGB . Sind die Voraussetzungen des § 307 Abs. 2 BGB erfüllt, wird eine unangemessene Benachteiligung vermutet (vgl. BAG 18. Januar 2006 - 7 AZR
191/05 - Rn. 31, AP BGB § 305 Nr. 8 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 13).
(c) Gemessen daran wird hier unwiderlegt vermutet, dass das in Nr. 2 Buchst. a SV begründete Erfordernis einer von ihm zu beweisenden nicht nur wirksamen,
sondern unter Einhaltung der Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 ff. KSchG ausgesprochenen Kündigung den Kläger entgegen den Geboten von Treu und Glauben
unangemessen iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB benachteiligt.
(aa) Nr. 2 Buchst. a SV verkehrt zum einen die für den Kündigungsschutzprozess in § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG vorgesehene Darlegungs- und Beweislast. Denn
die Regelung macht die Einhaltung der Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 ff. KSchG für eine von der K ausgesprochene "betriebsbedingte" Kündigung zur
Anspruchsvoraussetzung des Rückkehrrechts. Zum anderen beseitigt Nr. 2 Buchst. a SV die Fiktion der § 13 Abs. 1 Satz 2 , § 7 Halbs. 1 KSchG . Die Wirkung
dieser Fiktion beschränkt sich darauf, dass eine bestimmte Kündigung wirksam ist. Ob der Kündigungsgrund tatsächlich zutrifft, ist nicht Gegenstand der
Fiktion (vgl. APS/Ascheid/Hesse 3. Aufl. § 7 KSchG Rn. 7; KR/Rost 9. Aufl. § 7 KSchG Rn. 20a).
(bb) Diese in Nr. 2 Buchst. a SV enthaltene Voraussetzung ist nach § 307 Abs. 2 iVm. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam.
(aaa) Für den Arbeitnehmer, der das Rückkehrrecht ausüben will, begründet sie die Obliegenheit, eine Kündigungsschutzklage nicht nur anzustrengen, sondern
sie durch streitiges, klageabweisendes und rechtskräftiges Urteil zu beenden. Darin liegt eine unzumutbare Belastung des Arbeitnehmers, dh. eine
Einschränkung, die es gefährdet, dass der Vertragszweck - die Verknüpfung der Aufhebung des Arbeitsverhältnisses mit dem Wiedereinstellungsanspruch -
erreicht wird (vgl. § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB ). Der Arbeitnehmer kann sich nicht frei entschließen, die Unsicherheiten und Belastungen eines
Kündigungsschutzrechtsstreits auf sich zu nehmen, wenn er das besondere Rückkehrrecht - den Wiedereinstellungsanspruch - durchsetzen will. Er kann seine
Klage gegen die Kabelgesellschaft nicht zurücknehmen, keinen Klageverzicht erklären, kein Versäumnisurteil gegen sich ergehen lassen und sich, ohne den
Verlust des Wiedereinstellungsanspruchs zu riskieren, nicht vergleichsweise einigen. Er kann seine Entscheidung über die Einleitung und Fortführung des
Rechtsstreits auch nicht von einer Beurteilung der Prozessaussichten abhängig machen. Er muss den Rechtsstreit vielmehr sogar dann führen, wenn er selbst der
Auffassung ist, die klagebegründenden Tatsachen nicht schlüssig vortragen zu können (vgl. zu einer auf der Grundlage von § 75 Abs. 1 BetrVG überprüften
Klageobliegenheit im Zusammenhang mit einer Sozialplanforderung BAG 22. Juli 2003 - 1 AZR 575/02 - zu III 1 b cc (1) der Gründe, BAGE 107, 100). Der
Prozesserfolg steht regelmäßig erst nach Jahren fest. Das widerspricht dem typischen Zweck eines Wiedereinstellungsanspruchs, der ua. darin besteht, Zeiten
der Arbeitslosigkeit entgegenzuwirken.
(bbb) Hinzu kommt die von § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG abweichende atypische Verkehrung der Darlegungs- und Beweislast im Wiedereinstellungsprozess. Der
Arbeitnehmer muss hinsichtlich der Kündigungsgründe Tatsachen darlegen und beweisen, die er selbst idR nicht kennt und die jedenfalls nicht aus seiner
Sphäre stammen. Diese atypische Überbürdung der Beweislast für die Kündigungsgründe auf den gekündigten Arbeitnehmer ist nicht etwa geboten, um die
berechtigten Interessen der Beklagten zu wahren. Sie mag ein berechtigtes Interesse daran haben, den sich aufdrängenden Verdacht eines kollusiven
Zusammenwirkens zwischen dem Arbeitnehmer und der Kabelgesellschaft beim Ausspruch der Kündigung erkennen zu können. Die berechtigten Belange der
Beklagten gebieten es aber nicht, die Beweislast und das sog. non-liquetRisiko für die Kündigungstatsachen auf den Arbeitnehmer zu übertragen. Die Interessen
der Beklagten sind ausreichend durch § 2 Abs. 1 Satz 2 des Vertrags vom 30. April 2005 gewahrt. Der Kläger hat ihr damit das Recht eingeräumt, sich die
Fragen der sozialen Rechtfertigung und Wirksamkeit der Kündigung von der K offenlegen zu lassen.
ff) Das besondere Rückkehrrecht in Nr. 1 Buchst. b und Nr. 2 Buchst. a 63 SV kann ohne das Erfordernis einer nicht nur wirksamen, sondern unter Einhaltung
der Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 ff. KSchG ausgesprochenen Kündigung aufrechterhalten bleiben.
(1) § 306 Abs. 1 BGB weicht von der Auslegungsregel des § 139 BGB ab. Er bestimmt, dass der Vertrag bei Teilnichtigkeit grundsätzlich aufrechterhalten
bleibt. Die Teilbarkeit der Klausel ist durch Streichung des unwirksamen Teils zu ermitteln. Ist die verbleibende Regelung weiter verständlich, bleibt sie
bestehen (sog. blue-pencil-test, vgl. bspw. BAG 12. März 2008 - 10 AZR 152/07 - Rn. 28 mwN, AP BGB § 305 Nr. 10 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 33; Linck
FS Bauer S. 645, 650 f. mwN).
(2) Die Klausel in Nr. 1 Buchst. b und Nr. 2 Buchst. a SV ist teilbar und kann ohne unzumutbare Härte für die Beklagte iSv. § 306 Abs. 3 BGB aufrechterhalten
bleiben. Der wirksame Teil der Nr. 2 Buchst. a SV beschränkt sich auf die Voraussetzung einer wirksamen Kündigung, die auch bei Eintritt der Fiktion des § 7
Halbs. 1 KSchG (im Fall einer außerordentlichen Kündigung iVm. § 13 Abs. 1 Satz 2 KSchG ) erfüllt ist.
gg) Das danach ausreichende Erfordernis einer wirksamen Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers durch die K ist gewahrt. Die von der K
ausgesprochene Kündigung gilt nach § 7 Halbs. 1 , § 13 Abs. 1 Satz 2 KSchG , § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO als wirksam. Der Kläger musste entgegen der Ansicht
des Landesarbeitsgerichts nicht weiter darlegen und beweisen, dass die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 ff. KSchG erfüllt sind. Für ein kollusives
Zusammenwirken des Klägers mit der K bei Ausspruch der Kündigung bestehen im Streitfall keinerlei Anhaltspunkte. Dagegen sprechen schon der im
Zusammenhang mit der Restrukturierungsmaßnahme geschlossene Interessenausgleich und Sozialplan sowie der Umstand, dass der Betriebsrat der
beabsichtigten Kündigung nicht widersprochen hat.
3. Der Rechtsstreit ist abschließend entscheidungsreif iSv. § 563 Abs. 3 ZPO . Die Beklagte hat die geltend gemachten Vertragsbedingungen - auch hinsichtlich
der Eingruppierung in Vergütungsgruppe T 5 Stufe 4 nach § 10 des Entgeltrahmentarifvertrags - auf der Grundlage der Feststellungen des Landesarbeitsgerichts
nicht in erheblicher Weise bestritten.
a) Der Senat hat aufgrund der tatbestandlichen Bezugnahme des Landesarbeitsgerichts auf die Schriftsätze erster und zweiter Instanz zu berücksichtigen, dass
die Beklagte mit Nichtwissen bestritten hat ( § 138 Abs. 4 ZPO ), der Kläger habe bis September 1999 Tätigkeiten der Vergütungsgruppe T 5 Stufe 4 versehen.
Der Senat hat selbst rechtlich zu würdigen, ob dieses Bestreiten erheblich ist (vgl. zB BAG 12. Mai 2010 - 2 AZR 544/08 - Rn. 46 f., EzA BGB 2002 § 123 Nr. 9).
b) Das Bestreiten der Beklagten mit Nichtwissen ist unzulässig.
aa) Nach § 138 Abs. 4 ZPO ist eine Erklärung mit Nichtwissen nur über Tatsachen zulässig, die weder eigene Handlungen der Partei noch Gegenstand ihrer
eigenen Wahrnehmung gewesen sind. Den Handlungen und Wahrnehmungen der Partei stehen die ihrer gesetzlichen Vertreter gleich. Für Geschehnisse im
Bereich der eigenen Wahrnehmungsmöglichkeiten besteht grundsätzlich eine Pflicht der Partei, sich das für die Erklärung erforderliche Wissen zu verschaffen.
Daher scheidet ein Bestreiten mit Nichtwissen aus, wenn eine Partei in ihrem eigenen Geschäftsbereich Erkundigungen einziehen kann. Über solche Vorgänge
kann sich eine Partei nur dann mit Nichtwissen erklären, wenn sie in ihrem Unternehmen ohne Erfolg Erkundigungen über das Verhalten von Personen
angestellt hat, die unter ihrer Anleitung, Aufsicht oder Verantwortung tätig geworden sind (vgl. BAG 11. Juli 2007 - 7 AZR 501/06 - Rn. 30 mwN, AP HRG §
57a Nr. 12 = EzA TzBfG § 15 Nr. 2).
bb) Diesen Anforderungen wird das Bestreiten der Beklagten mit Nichtwissen nicht gerecht. Der Kläger war bis September 1999 bei der Beklagten beschäftigt.
Seine Eingruppierung war deshalb möglicher Gegenstand der Wahrnehmung der Repräsentanten der Beklagten. Diese kann sich jedenfalls nicht ohne nähere
Erläuterung in zulässiger Weise mit Nichtwissen zu der vom Kläger behaupteten Eingruppierung erklären. ..." (BAG, Urteil vom 09.02.2011 - 7 AZR 91/10).
***
„... Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Thüringer Landesarbeitsgerichts vom 25. August 2009 - 1 Sa 1/09 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Tatbestand: Der Kläger macht die Unwirksamkeit einer von der Beklagten zu 1. auf betriebliche Gründe gestützten Kündigung geltend und nimmt die Beklagte
zu 2. auf Beschäftigung in Anspruch.
Der im Jahre 1958 geborene Kläger ist verheiratet und drei Kindern unterhaltsverpflichtet. Er trat im Jahre 1991 als Instrumentalist (Waldhorn) in die Dienste
der Beklagten zu 1., die bis zum Jahre 2008 ein Theater und ein Orchester unterhielt. Nach § 4 des Arbeitsvertrages bestimmt sich das Arbeitsverhältnis nach
dem Tarifvertrag für die Musiker in Kulturorchestern (TVK) vom 1. Juli 1971 in der jeweils geltenden Fassung und den ihn ergänzenden, ändernden oder an
seine Stelle tretenden Tarifverträgen. Der Bruttomonatsverdienst des Klägers betrug zuletzt ca. 3. 500, 00 Euro.
Bis zum 31. Dezember 2008 erhielt die Beklagte zu 1., die nicht kostendeckend wirtschaften kann, jährliche Gesamtzuwendungen von ca. 8, 5 Millionen Euro,
die zu ca. 50 vH der Freistaat Thüringen erbrachte. Die übrigen Zuwendungen trugen die Gesellschafter der Beklagten, die E und der W bei. Im Jahr 2006
kündigte der Freistaat eine Kürzung seiner Zuschüsse für die Zeit ab 2009 an. In einer Finanzierungsvereinbarung vom 15. Juni 2007 schrieben der Freistaat,
die E und der W die Kürzungen fest. Danach wollte der Freistaat für die Jahre 2009 bis 2012 nur noch 1, 5 Millionen Euro beisteuern. Im Fall der
Gewährleistung des Dreispartenangebotes durch Zustiftung der Beklagten zu 1. zur Kulturstiftung M - der Beklagten zu 2. -, die ebenfalls ein Orchester
unterhält, sollte sich die Landesförderung um etwa eine Million Euro erhöhen. Ebenfalls am 15. Juni 2007 wurde ein Abkommen über die betreffende
Zustiftung mit Wirkung zum 1. Januar 2009 geschlossen. Darin ist die angestrebte Struktur des künftigen Theaterbetriebes beschrieben. Im Stellenplan für das
Orchester sind nur noch 24 statt bisher 42, 5 Stellen und keine Blechbläser mehr vorgesehen.
Nach Anhörung des Betriebsrats sprach die Beklagte zu 1. dem Kläger die Kündigung nach § 42 Abs. 1 Satz 2 Buchst. a TVK zum 31. Juli 2008 aus.
Mit seiner Klage hat sich der Kläger gegen die Kündigung gewandt. Er hat das Vorliegen einer wirksamen unternehmerischen Entscheidung zur Verkleinerung
des Orchesters bestritten. Jedenfalls aber sei die Entscheidung willkürlich und offensichtlich unvernünftig. Ein Spielplan ohne Horn sei nicht möglich. Man
könne dann nicht mehr "Peter und der Wolf" aufführen, sondern nur noch "Peter ohne Wolf". Die Beklagte habe gezielt bestimmte Stellen wegfallen lassen, um
Arbeitnehmer in ihrer sozialen Schutzwürdigkeit zu übergehen. Auch die Frist des § 626 Abs. 2 BGB sei nicht eingehalten. Die Kündigung habe überdies zu
einem späteren Zeitpunkt ausgesprochen werden können. Die Beklagte habe eine Sozialauswahl durchführen müssen, zumindest mit den in M beschäftigten
Instrumentalisten. Es bestehe zwischen E und M nach der Zustiftung ein gemeinsamer Betrieb. Auch Betriebsrat und Orchestervorstand seien nicht
ordnungsgemäß beteiligt worden. Eine Massenentlassungsanzeige sei, obwohl erforderlich, nicht erfolgt. Schließlich sei die Kündigung auch deswegen
unwirksam, weil sie wegen des beabsichtigten Betriebsübergangs erfolgt sei.
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
1. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch außerordentliche Kündigung mit Schreiben der Beklagten zu 1. vom
5. Juli 2007 zum 31. Juli 2008 beendet worden ist;
2. die Beklagte zu 2. zu verurteilen, ihn zu unveränderten Bedingungen auf Grundlage des Arbeitsvertrages vom 16. Oktober 1990 in der Fassung des
Arbeitsvertrages vom 1. Juli 1991 nach Maßgabe des Tarifvertrages für die Musiker in Kulturorchestern (TVK) in jeweils geltender Fassung, des
Vergütungs-Tarifvertrages mit Vergütungsordnung und Ortszuschlagstabelle in jeweils geltender Fassung, des TV Orchestervorstand in jeweils geltender
Fassung, des TV Instrumenten-, Rohr-, Blatt- und Saitengeld in jeweils geltender Fassung, des TV Kleidergeld in jeweils geltender Fassung, des TV
Zuwendungen in jeweils geltenden Fassung, des TV Urlaubsgeld in jeweils geltender Fassung und des TV Vermögenswirksame Leistungen ab dem 1. Januar
2009 weiterzubeschäftigen;
3. festzustellen, dass ab dem 1. Januar 2009 zwischen ihm und der Beklagten zu 2. ein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht.
Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen. Die Beklagte zu 1. hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei wegen der am 15. Juni 2007
getroffenen unternehmerischen Entscheidung wirksam. Eine Nichtdurchführung dieser Entscheidung hätte zu ihrer Insolvenz geführt. Die ab 1. August 2008
gültige neue Orchesterstruktur sehe den gänzlichen Wegfall sämtlicher Blechbläser vor. Sie sei nicht willkürlich. Man habe verschiedene Modelle geprüft.
Dabei habe sich herausgestellt, dass die Holzbläser häufiger gebraucht würden als die Blechbläser. Auch sei eine homogene Klangbalance innerhalb der Gruppe
der Holzbläser im Verhältnis zu den Streichern heikler und schwieriger herzustellen als in der Gruppe der Blechbläser. Es gebe keine objektiv zwingend
gebotene Zusammensetzung eines Orchesters. Einer Sozialauswahl habe es nicht bedurft, da sämtlichen mit dem Kläger vergleichbaren Arbeitnehmern
gekündigt worden sei. Die Musiker des Orchesters in M seien nicht in die soziale Auswahl einzubeziehen gewesen. Ein gemeinsamer Betrieb mehrerer
Unternehmen, der ggf. eine übergreifende Sozialauswahl erforderlich gemacht hätte, liege ebenso wenig vor wie ein Betriebsübergang. Die Kündigung habe
auch zum Ende der Spielzeit 2008 erfolgen können. Die Kündigungsfrist sei eingehalten. Kündigungen seien nur zum Ende des für das Orchester üblichen
Beschäftigungsjahres möglich. Der Betriebsrat und die Sprecherin des Orchestervorstandes seien ordnungsgemäß beteiligt worden. Die Kündigung scheitere
nicht an § 17 KSchG. Anzeigepflichtige Massenentlassungen seien zum Zeitpunkt des Ausspruchs der hier streitigen Kündigung nicht erfolgt.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger
seine Klagebegehren weiter. ...
Die Revision ist unbegründet. Die Kündigung vom 5. Juli 2007 ist als ordentliche Kündigung anzusehen (I. 1). Die in § 42 Abs. 1 Satz 2 Buchst. a des
Tarifvertrages für die Musiker in Kulturorchestern vom 1. Juli 1971 idF vom 4. Dezember 2002 (TVK) niedergelegten Voraussetzungen ihrer Wirksamkeit
liegen ebenso vor (I. 2) wie diejenigen des § 1 Abs. 2, Abs. 3 KSchG (I. 3). Das etwaige Fehlen der Anhörung des Orchestervorstandes führt nicht zur
Unwirksamkeit der Kündigung (I. 4). Der Betriebsrat ist ordnungsgemäß beteiligt worden (I. 5). Die Kündigung verstößt weder gegen § 613a Abs. 4 BGB (I. 6)
noch gegen § 17 KSchG (I. 7). Sie hat das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Ablauf der Kündigungsfrist am 31. Juli 2008 aufgelöst. Der Kläger steht nicht in
einem Arbeitsverhältnis zur Beklagten zu 2. und hat deshalb auch keinen Anspruch auf Beschäftigung gegen sie (II.).
I. Die von der Beklagten zu 1. ausgesprochene Kündigung ist als ordentliche Kündigung wirksam. Sie ist nach § 42 Abs. 1 Satz 2 Buchst. a TVK iVm. § 1 Abs.
2 KSchG gerechtfertigt.
1. Bei der in § 42 Abs. 1 Satz 2 Buchst. a TVK geregelten Kündigung handelt es sich nicht um eine außerordentliche, sondern um eine ordentliche Kündigung
(so schon für die Vorgängerregelung: Senat 20. März 1969 - 2 AZR 106/68 - AP TOK § 23 Nr. 2). Sie bedurfte deshalb keines wichtigen Grundes iSd. § 626
Abs. 1 BGB. Das ergibt die Auslegung der genannten Tarifnorm.
a) Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages folgt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den für die Auslegung von
Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist vom Wortlaut auszugehen. Bei nicht eindeutigem Wortlaut ist der Wille der Tarifvertragsparteien zu berücksichtigen,
soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist ferner auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil er Anhaltspunkte
für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien geben kann. Daneben können die Gerichte weitere Kriterien, wie die Entstehungsgeschichte des
Tarifvertrages und die praktische Tarifübung, ergänzend heranziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen. Im
Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten, gesetzeskonformen und praktisch
brauchbaren Regelung führt (Senat 24. Juni 2004 - 2 AZR 656/02 - AP BGB § 626 Nr. 180 = EzA BGB 2002 § 626 Unkündbarkeit Nr. 7; BAG 3. Mai 2006 - 1
ABR 2/05 - Rn. 33, BAGE 118, 141; 15. Oktober 2003 - 4 AZR 594/02 - EzA TVG § 4 Stahlindustrie Nr. 2).
b) Im Streitfall scheint der Wortlaut der maßgeblichen Tarifnorm dafür zu sprechen, die dort geregelte Kündigung als eine außerordentliche Kündigung
einzustufen. Der Zusammenhang der Vorschrift mit den übrigen tariflichen Regelungen zur Beendigung von Arbeitsverhältnissen bei der Auflösung und
Verkleinerung von Orchestern sowie Sinn und Zweck der Regelung und ihre nähere Ausgestaltung und Praktikabilität zeigen jedoch, dass die Vorschrift eine
Rückausnahme von der ordentlichen Unkündbarkeit statuieren will und damit unter den in ihr genannten Voraussetzungen die ordentliche Kündigung zulässt.
(aa) In § 42 Abs. 1 TVK sind mehrere unterschiedliche Fallgestaltungen geregelt. Zunächst sind die Voraussetzungen benannt, die, abweichend vom
Normalfall, zur ordentlichen Unkündbarkeit führen: Einem Arbeitnehmer kann nach 15 Beschäftigungsjahren und Vollendung des 40. Lebensjahrs nur noch
unter den Voraussetzungen des § 626 Abs. 1 BGB gekündigt werden. Alsdann sind drei Fälle beschrieben, von denen gesagt ist, dass sie als wichtige Gründe
"gelten". Der hier maßgebliche "wichtige Grund" liegt im Beschluss zur Auflösung oder Verkleinerung des Orchesters (§ 42 Abs. 1 Buchst. a TVK). Für diesen
Fall ist eine Kündigungsfrist von zwölf Monaten zum Ende des für das Orchester üblichen Beschäftigungsjahres vorgesehen, womit die für ordentliche
Kündigungen an sich maßgebliche Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Ende des für das Orchester üblichen Beschäftigungsjahres (§ 41 Abs. 2 TVK) um
ein halbes Jahr verlängert wird. Ferner ist in § 51 TVK festgelegt, dass der Arbeitgeber dem nach § 42 Abs. 1 Satz 2 Buchst. a TVK gekündigten Musiker eine
anderweitige Beschäftigung anbieten muss oder, wenn das nicht möglich ist, ihm über mehrere Jahre hinweg eine Abfindung zu zahlen hat. Unter bestimmten
Voraussetzungen wird auch danach, wenn der Arbeitgeber keine angemessene Beschäftigung anbietet oder nachweist, bis zum Erreichen des 65. Lebensjahres
eine Abfindung gezahlt, und zwar in Höhe von bis zu 71 vH der Jahresvergütung.
(bb) Sowohl die im Fall des § 42 Abs. 1 Satz 2 Buchst. a TVK vorgesehene lange Kündigungsfrist als auch die im Tarifvertrag vorgesehenen Rechtsfolgen
sprechen dagegen, die Kündigung als außerordentliche Kündigung anzusehen. Bei näherem Zusehen erweist sich auch, dass in § 42 Abs. 1 Satz 2 Buchst. a
TVK die Wirksamkeit der Kündigung gar nicht an das Vorliegen eines wichtigen Grundes iSd. § 626 Abs. 1 BGB gebunden ist. Vielmehr ordnet der
Tarifvertrag an, dass bestimmte Fälle als wichtige Gründe "gelten" sollen. Möglicherweise wurde die Formulierung in der Annahme gewählt, die
Tarifvertragsparteien könnten das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 626 Abs. 1 BGB fingieren, was aber angesichts des zwingenden Charakters
von § 626 Abs. 1 BGB ausgeschlossen ist (Senat 24. Juni 2004 - 2 AZR 656/02 - AP § 626 BGB Nr. 180 = EzA BGB 2002 § 626 Unkündbarkeit Nr. 7). Ist also
die tarifvertragliche Fiktion eines zur außerordentlichen Kündigung berechtigenden wichtigen Grundes rechtlich nicht möglich, so sind Sinn und Zweck der
Vorschrift dennoch rechtlich unbedenklich: Die Tarifvertragsparteien wollten eine mit besonders langer Kündigungsfrist auszusprechende Kündigung in den
genannten Fällen mit den Folgen des § 51 TVK (Abfindung) ungeachtet der an sich gegebenen ordentlichen Unkündbarkeit ermöglichen. Dieses Ziel ist
rechtlich nur dann erreichbar, wenn die Vorschrift des § 42 Abs. 1 Satz 2 Buchst. a TVK nicht als Fall des § 626 Abs. 1 BGB, sondern als Rückausnahme vom
Verbot der ordentlichen Kündigung angesehen, die Kündigung nach dieser Vorschrift also als ordentliche Kündigung unter erschwerten Voraussetzungen
eingestuft wird (so schon für die Vorgängerregelung: Senat 20. März 1969 - 2 AZR 106/68 - AP TOK § 23 Nr. 2).
2. Die Voraussetzungen des § 42 Abs. 1 Satz 2 Buchst. a TVK liegen vor. Der Rechtsträger des Orchesters, dem der Kläger angehörte, nämlich die Beklagte zu
1., hat die Verkleinerung des Orchesters beschlossen. Wie das Landesarbeitsgericht für den Senat bindend festgestellt hat, haben die Gesellschafter der
Beklagten zu 1. einen Beschluss über die "unternehmerische Entscheidung zur Struktur des künftigen Theaterbetriebes E" gefasst. Er sieht die Beschäftigung
von Blechbläsern nicht mehr vor. Nach diesem Konzept ist die Stelle des Klägers als Hornist entfallen.
3. Die Kündigung ist durch dringende betriebliche Erfordernisse iSd. § 1 Abs. 2 KSchG bedingt. Sie ist nicht aus anderen Gründen sozialwidrig. Die von der
Beklagten zu 1. getroffene unternehmerische Entscheidung zur Verkleinerung des Orchesters ist nicht missbräuchlich.
a) Für eine beschlossene und tatsächlich durchgeführte unternehmerische Organisationsentscheidung spricht die Vermutung, dass sie aus sachlichen Gründen
erfolgt ist und nicht auf Rechtsmissbrauch beruht (Senat 23. April 2008 - 2 AZR 1110/06 - AP § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 177 = EzA
KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 160; 21. September 2006 - 2 AZR 607/05 - AP KSchG 1969 § 2 Nr. 130 = EzA KSchG § 2 Nr. 62). Deshalb hat
im Kündigungsschutzprozess grundsätzlich der Arbeitnehmer die Umstände darzulegen und im Streitfall zu beweisen, aus denen sich ergeben soll, dass die
Maßnahme offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist (Senat 17. Juni 1999 - 2 AZR 522/98 - BAGE 92, 61; 22. April 2004 - 2 AZR 385/03 -
BAGE 110, 188; 23. Juni 2005 - 2 AZR 642/04 - BAGE 115, 149). Dabei zielt die Überprüfung der unternehmerischen Entscheidung durch das Gericht weder
darauf ab, dem Arbeitgeber organisatorische Vorgaben zu machen, noch darf sie dazu dienen, die Stichhaltigkeit der Erwägungen zu prüfen, die den
Arbeitgeber gerade zu dem von ihm gewählten Konzept geführt haben. Es geht in diesem Zusammenhang allein um die Verhinderung von Missbrauch (Senat
22. Mai 2003 - 2 AZR 326/02 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 128 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 126). Verstöße
gegen gesetzliche und tarifliche Normen (vgl. dazu Senat 18. Dezember 1997 - 2 AZR 709/96 - BAGE 87, 327) sollen genauso verhindert, wie Diskriminierung
und Umgehungsfälle vermieden werden. Deshalb ist es zB missbräuchlich, einen Arbeitnehmer durch die Bildung separater betrieblicher
Organisationsstrukturen bei unverändertem Beschäftigungsbedarf aus dem Betrieb zu drängen (Senat 26. September 2002 - 2 AZR 636/01 - BAGE 103, 31; 22.
April 2004 - 2 AZR 385/03 - aaO) oder abstrakte Änderungen von Organisationsstrukturen, denen keine tatsächliche Änderung der realen Abläufe zugrunde
liegt, zu benutzen, um den Inhalt von Arbeitsverhältnissen zum Nachteil von Arbeitnehmern zu ändern oder Arbeitsverhältnisse zu beenden.
b) Daran gemessen ist die unternehmerische Entscheidung der Beklagten nicht zu beanstanden. Die Beklagte hat die finanzielle Zwangslage, in die sie durch die
vom Freistaat Thüringen angekündigte Reduzierung der staatlichen Förderung geriet, dargestellt. Ihr Konzept, nur noch ein Rumpforchester aus festangestellten
Instrumentalisten zu behalten und bei Bedarf die benötigten weiteren Künstler zusätzlich zu engagieren, ist nachvollziehbar, wenn es auch manchen nach
künstlerisch-ästhetischen Gesichtspunkten Urteilenden nicht überzeugen mag. Dass die Neuordnung etwa nur unter Verletzung arbeitsrechtlicher Vorgaben zu
verwirklichen gewesen wäre oder gar dem Zweck gedient hätte, kündigungsrechtliche Vorschriften - zB die der Sozialauswahl - zu umgehen, hat der Kläger in
den Vorinstanzen zwar gelegentlich allgemein geltend gemacht. Konkrete Anhaltspunkte dafür sind aber nicht ersichtlich. Die Würdigung des
Landesarbeitsgerichts, das Konzept sei - jenseits ins Dunkele reichender Vermutungen - nicht gegen den Kläger gerichtet, hat dieser in der Revision nicht angegriffen.
c) Die Kündigung ist nicht nach § 1 Abs. 3 KSchG wegen fehlerhafter Sozialauswahl unwirksam. Ohne dass der Kläger dem entgegengetreten wäre, hat das
Landesarbeitsgericht ausgeführt, eine Auswahl nach sozialen Gesichtspunkten komme schon deshalb nicht in Betracht, weil der Beschäftigungsbedarf für
sämtliche Hornisten entfallen sei. Der Kläger hat auch keinen mit ihm vergleichbaren, weniger schutzwürdigen Arbeitnehmer der Beklagten zu 1. benannt, dem
an seiner Stelle - bei Zugrundelegung des unternehmerischen Konzepts - hätte gekündigt werden müssen. Da die Kündigung etwa eineinhalb Jahre vor dem
Wirksamwerden der Zustiftung zur Beklagten zu 2. ausgesprochen wurde, kam eine Einbeziehung der Musiker des M Orchesters von vornherein nicht in Betracht.
d) Die in § 42 Abs. 1 Satz 4 TVK vorgesehene Kündigungsfrist von zwölf Monaten zum Ende des Orchesterjahres ist eingehalten. Die Beklagte zu 1. war nicht
gehalten, die Kündigung erst zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Kürzungen auszusprechen. Maßstab für den richtigen Kündigungstermin bei einer
betriebsbedingten Kündigung ist zum einen die geltende Kündigungsfrist und zum anderen die unternehmerische Entscheidung, die der Kündigung zugrunde
liegt. Letztere sah den Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit zum 31. Juli 2008 vor. Die unternehmerische Entscheidung war auch insoweit nicht
missbräuchlich. Zum einen ist es sachgerecht, die notwendige Umstrukturierung eines Orchesters nicht in der Mitte, sondern am Ende einer Spielzeit
vorzusehen. Zum anderen hat die Beklagte zu 1. ausgeführt, sie habe die für 2008 noch bewilligten Mittel des Freistaats Thüringen zur - nur teilweisen -
Bewältigung der mit den Kündigungen verbundenen finanziellen Lasten - zB Übergangsgelder und Abfindungen - benötigt.
4. Ob die Beklagte zu 1. ihren nach § 5 Abs. 1, Abs. 2 des Tarifvertrages über die Bildung und die Aufgaben des Orchestervorstandes vom 1. Juli 1971 (TV
Orchestervorstand) bestehenden Pflichten nachgekommen ist, kann dahin stehen. Selbst wenn sie diese Pflichten verletzt haben sollte, führt dies nicht zur
Unwirksamkeit der Kündigung. Den hier in Rede stehenden Vorschriften ist keine Anordnung zu entnehmen, aus der sich die Unwirksamkeit einer unter
Verletzung von § 5 Abs. 1, Abs. 2 TV Orchestervorstand erklärten Kündigung ergäbe. Der Tarifvertrag sieht - anders als § 102 BetrVG - nicht die
Unwirksamkeit einer ohne Beteiligung des Orchestervorstandes erfolgten Kündigung vor. Bereits dies spricht gegen die vom Kläger vertretene Auffassung.
Nach der Rechtsprechung des Senats haben im Übrigen sogar Verstöße gegen gesetzliche Vorschriften des kollektiven Rechts nur bei entsprechender
ausdrücklicher Anordnung des Gesetzgebers die Unwirksamkeit der betreffenden Kündigung zur Folge, da regelmäßig die kollektivrechtliche Seite von der
individualrechtlichen zu trennen ist (Senat 22. April 2010 - 2 AZR 491/09 - NZA 2010, 1235). Im Streitfall tritt hinzu, dass die gemeinsame Protokollerklärung
der Tarifvertragsparteien deren übereinstimmende Auffassung festhält, der Begriff der "Beteiligung" in § 5 Abs. 1 TV Orchestervorstand sei nicht im
"personalrechtlichen" Sinne zu verstehen.
5. Die Kündigung ist nicht nach § 102 BetrVG unwirksam.
a) Die Beklagte zu 1. hat den Betriebsrat mit Schreiben vom 27. Juni 2007 über die dem Kläger nach § 42 Abs. 1 Satz 2 Buchst. a TVK auszusprechende
betriebsbedingte Kündigung unterrichtet. Sie hat den Betriebsrat gebeten, bis zum 13. Juli 2007 Stellung zu nehmen. Sie hat damit die gesetzliche Frist zur
Stellungnahme (§ 102 Abs. 2 Satz 1 BetrVG) um etwa eine Woche verlängert. Der Betriebsrat erklärte sich jedoch bereits mit Schreiben vom 3. Juli 2007 und
widersprach der Kündigung. Darin lag nach der vom Kläger nicht mehr angegriffenen Würdigung des Landesarbeitsgerichts eine abschließende Stellungnahme.
b) Ob die Beklagte zu 1. dem Betriebsrat mitgeteilt hat, dass sie - möglicherweise - ihrer Pflicht zur Unterrichtung des Orchestervorstandes nicht
nachgekommen ist, bedurfte keiner Aufklärung. Die Beklagte zu 1. war zu einer entsprechenden Mitteilung an den Betriebsrat nicht nach § 102 Abs. 1 BetrVG
verpflichtet. Nach dieser Vorschrift muss der Arbeitgeber den Betriebsrat über die Kündigungsgründe unterrichten. Darunter fallen nur solche Umstände, die
für die Wirksamkeit der Kündigung aus Sicht des Arbeitgebers maßgebend sind. Da die Beteiligung des Orchestervorstandes ebenso wie ihr Unterbleiben
keinen Einfluss auf die Wirksamkeit der Kündigung ausübt, bedurfte es im Rahmen der Anhörung nach § 102 BetrVG auch keiner Unterrichtung darüber. Die
dem entgegenstehende Auffassung des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt (17. November 1998 - 7 Sa 952/95 -) findet weder im Tarifvertrag noch im
Gesetz eine Stütze.
6. Die Kündigung ist nicht nach § 613a Abs. 4 BGB unwirksam.
a) Die Kündigung eines Betriebsveräußerers unterfällt dann nicht dem Verbot des § 613a Abs. 4 BGB, wenn sie der Verwirklichung eines vom Erwerber
vorgegebenen und nicht missbräuchlichen Sanierungskonzepts dient (BAG 20. März 2003 - 8 AZR 97/02 - BAGE 105, 338). Die Umsetzung des Konzepts
muss bei Zugang der Kündigung allerdings bereits greifbare Formen angenommen haben.
b) Nach diesen Grundsätzen verstieß die Kündigung nicht gegen § 613a Abs. 4 BGB.
(aa) Es kann dahinstehen, ob, wie das Landesarbeitsgericht gemeint hat, § 613a Abs. 4 BGB schon deshalb nicht anwendbar ist, weil die Kündigung etwa
eineinhalb Jahre vor der Zustiftung des Theaterbetriebs E zur Beklagten zu 2. erfolgte.
(bb) Offenbleiben mag auch, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Zustiftung als Betriebsübergang angesehen werden kann. Zweifelhaft ist jedenfalls
die Annahme, die Zustiftung eines Unternehmens oder Betriebes führe ohne Weiteres zu einem einheitlichen Unternehmen oder gemeinsamen Betrieb mit der
kündigungsrechtlichen Folge, dass Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten im gesamten Bereich der aufnehmenden Stiftung zu berücksichtigen wären und eine
Sozialauswahl sich auf alle bei dieser tätigen vergleichbaren Arbeitnehmer zu beziehen hätte. Vielmehr können unter dem "Dach" einer Stiftung getrennte - ggf.
auch durch Zustiftung hinzugekommene - Unternehmen und Betriebe bestehen. Der Stiftung können uU, wie einem Konzern, mehrere selbständige
Unternehmen und Betriebe in der Form von Sondervermögen angehören (vgl. Rawer DNotZ 2008, 5).
(cc) Jedenfalls lag bei Kündigung ein nachhaltiges, nicht missbräuchliches und in Einzelheiten ausgearbeitetes Konzept für die Fortführung des Orchesters nach
dem Wirksamwerden der Zustiftung vor, dessen einzige realistische Alternative die Insolvenz war. Damit erfolgte die Kündigung nicht "wegen des Betriebsübergangs".
7. Die Kündigung ist nicht unter Verstoß gegen § 17 KSchG ausgesprochen worden. Das Landesarbeitsgericht hat für den Senat bindend festgestellt, dass die in
§ 17 Abs. 1 Nr. 2 KSchG vorgesehene Mindestanzahl von Kündigungen nicht erreicht wurde, weshalb keine Anzeigepflicht bestand.
II. Die Unbegründetheit der gegen die Beklagte zu 2. verfolgten Klageanträge folgt jedenfalls aus der Unbegründetheit der gegen die Beklagte zu 1. erhobenen
Klage. ..." (Urteil vom 27. 1. 2011 - 2 AZR 9/10)
***
Der Arbeitgeber kann eine den Verdacht der Tatbegehung verstärkende Tatsache - wie die Erhebung der öffentlichen Klage - auch dann zum Anlass für den
Ausspruch einer Verdachtskündigung nehmen, wenn er eine solche schon zuvor erklärt hatte. Die Frist des § 626 Abs. 2 BGB beginnt mit ausreichender
Kenntnis von der verdachtsverstärkenden Tatsache erneut zu laufen (BAG, Urteil vom 27.01.2011 - 2 AZR 825/09).
***
„... I. Die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts zu den tatbestandlichen Voraussetzungen des § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG sind nicht zu beanstanden.
1. Die Kündigung vom 29. November 2007 beruht auf einer Betriebsänderung iSd. § 111 BetrVG (§ 111 Satz 3 Nr. 1 BetrVG, § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3
KSchG). Der Kläger ist als zu kündigender Arbeitnehmer in der Namensliste zum Interessenausgleich aufgeführt.
2. Soweit der Kläger geltend macht, das dem Interessenausgleich zugrunde liegende Punktesystem sei altersdiskriminierend, würde dies, selbst wenn es zuträfe,
nicht die gesetzliche Vermutung des § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG beseitigen. Ein möglicher Verstoß gegen das Verbot der Altersdiskriminierung kann allenfalls
zur groben Fehlerhaftigkeit der Sozialauswahl führen. Er hat nicht die "Unwirksamkeit" der Namensliste und des Interessenausgleichs insgesamt und damit den
Wegfall der gesetzlichen Vermutung der Betriebsbedingtheit der Kündigung zur Folge (Senat 12. März 2009 - 2 AZR 418/07 - Rn. 18, AP KSchG 1969 § 1
Soziale Auswahl Nr. 97 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 17; 6. November 2008 - 2 AZR 523/07 - Rn. 21, BAGE 128, 238). Wenn die in dem
Interessenausgleich benannten Arbeitnehmer nach anderen Kriterien auszuwählen sind als von den Betriebsparteien vorgesehen, ändert das nichts daran, dass
diese ein geringeres Arbeitsvolumen erkannt und für die in dem Interessenausgleich vorgesehene Anzahl von Entlassungen einen betriebsbedingten Grund
angenommen haben (vgl. zuletzt Senat 5. November 2009 - 2 AZR 676/08 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 183 = EzA KSchG § 1
Interessenausgleich Nr. 20).
3. Zutreffend ist die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, der Interessenausgleich sei nicht deshalb formunwirksam, weil die Namensliste erst einige Tage
nach Unterzeichnung des Interessenausgleichs unterschrieben wurde.
a) Nach § 112 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ist ein Interessenausgleich über eine geplante Betriebsänderung schriftlich niederzulegen und vom Unternehmer und vom
Betriebsrat zu unterschreiben. Auf das gesetzliche Schriftformerfordernis sind die §§ 125, 126 BGB anwendbar. Das Schriftformerfordernis ist nicht deshalb
verletzt, weil die Namensliste nicht im Interessenausgleich selbst, sondern in einer Anlage enthalten ist. § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG aF spricht zwar davon, die
namentliche Bezeichnung müsse "in dem Interessenausgleich" erfolgen. Dieses Erfordernis ist aber erfüllt, wenn Interessenausgleich und Namensliste eine
einheitliche Urkunde bilden (Senat 12. Mai 2010 - 2 AZR 551/08 -; 21. Februar 2002 - 2 AZR 581/00 - EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 10; 7. Mai
1998 - 2 AZR 55/98 - BAGE 88, 375). Eine einheitliche Urkunde liegt unzweifelhaft vor, wenn sowohl Interessenausgleich als auch Namensliste
unterschrieben und von Anfang an körperlich miteinander verbunden sind. Eine einheitliche Urkunde kann aber selbst dann vorliegen, wenn die Namensliste
getrennt vom Interessenausgleich erstellt worden ist. Voraussetzung ist, dass im Interessenausgleich auf die zu erstellende Namensliste verwiesen wird, die
erstellte Namensliste - ebenso wie zuvor der Interessenausgleich - von den Betriebsparteien unterschrieben worden ist und die Liste ihrerseits eindeutig auf den
Interessenausgleich Bezug nimmt (Senat 12. Mai 2010 - 2 AZR 551/08 -).
b) Der Interessenausgleich ist am 15. Oktober 2007 und die Namensliste am 26. Oktober 2007 - und damit jedenfalls zeitnah - unterzeichnet worden. Ferner ist
im Interessenausgleich auf die Namensliste und in dieser auf jenen Bezug genommen. Damit ist das gesetzliche Schriftformerfordernis gewahrt.
II. Zu Recht macht die Revision geltend, dass die Erwägungen des Landesarbeitsgerichts zur Sozialauswahl nicht mit dem Gesetz übereinstimmen. Das
Landesarbeitsgericht hat die grobe Fehlerhaftigkeit der sozialen Auswahl allein damit begründet, deren "Durchführung" sei grob fehlerhaft. Es hat sich mit dem
vom Kläger gerügten und von der Beklagten verteidigten Auswahlergebnis nicht befasst. Damit entspricht seine Würdigung nicht den Forderungen des § 1 Abs.
5 Satz 1 KSchG.
1. In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Senats führt das Landesarbeitsgericht zunächst aus, dass der Prüfungsmaßstab der groben Fehlerhaftigkeit
nicht nur für die sozialen Indikatoren und deren Gewichtung selbst gilt, sondern auch für die Bildung der auswahlrelevanten Gruppen (21. September 2006 - 2
AZR 284/06 - Rn. 22). Richtig ist auch der vom Landesarbeitsgericht angelegte Maßstab: Eine soziale Auswahl ist nur dann grob fehlerhaft, wenn ein
evidenter, ins Auge springender schwerer Fehler vorliegt und der Interessenausgleich jede Ausgewogenheit vermissen lässt (Senat 21. September 2006 - 2 AZR
284/06 - Rn. 23 mwN). Das Berufungsgericht hat aber nicht beachtet, dass die vom Arbeitgeber - zusammen mit dem Betriebsrat - getroffene Auswahl nur dann
grob fehlerhaft iSd. § 1 Abs. 5 Satz 2 KSchG ist, wenn sich ihr Ergebnis als grob fehlerhaft erweist. Dagegen ist regelmäßig nicht maßgebend, ob das gewählte
Auswahlverfahren beanstandungsfrei ist. Ein mangelhaftes Auswahlverfahren kann zu einem richtigen - nicht grob fehlerhaften - Auswahlergebnis führen
(Senat 18. Oktober 2006 - 2 AZR 473/05 - BAGE 120, 18; 9. November 2006 - 2 AZR 812/05 - BAGE 120, 137; 17. Januar 2008 - 2 AZR 405/06 - AP KSchG
1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 96). Dem entspricht es, dass der gekündigte Arbeitnehmer mit der Kündigungsschutzklage, jedenfalls wenn er ausreichend
unterrichtet worden ist (§ 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG), die soziale Auswahl konkret rügen, dh. geltend machen muss, ein bestimmter mit ihm vergleichbarer
Arbeitnehmer sei weniger sozial schutzwürdig, so dass diesem habe gekündigt werden müssen. Die Würdigung des Gerichts, die soziale Auswahl sei nicht
ausreichend bzw. grob fehlerhaft, setzt deshalb die Feststellung voraus, dass der vom Arbeitnehmer konkret gerügte Auswahlfehler tatsächlich vorliegt, also ein
bestimmter mit dem Gekündigten vergleichbarer Arbeitnehmer in dem nach dem Gesetz erforderlichen Maß weniger schutzbedürftig ist.
2. Gemessen an diesen Vorgaben tragen die Erwägungen des Landesarbeitsgerichts nicht die von ihm gezogene rechtliche Schlussfolgerung. Der Kläger hat die
Sozialauswahl konkret gerügt, indem er mehrere nicht gekündigte Arbeitnehmer namentlich benannt hat. Die Beklagte hat hierzu vorgetragen, weshalb ihrer
Auffassung nach die Sozialauswahl mit dem konkreten Ergebnis nicht zu beanstanden ist. Das Landesarbeitsgericht hat sich mit dem dazu gehaltenen
wechselseitigen Vortrag nicht näher befasst, sondern allgemein die Einbeziehung sämtlicher gewerblicher Arbeitnehmer in die Sozialauswahl bemängelt und
allein daraus die grobe Fehlerhaftigkeit der Auswahl abgeleitet. Aus seinem Urteil ist nicht ersichtlich, wie sich die möglicherweise von fehlerhaften
Überlegungen geleitete Bestimmung des auswahlrelevanten Personenkreises auf das konkrete Ergebnis der Auswahl ausgewirkt hat und im Vergleich zu
welchem oder welchen der vom Kläger benannten - und mit ihm vergleichbaren - Arbeitnehmern die Auswahl grob fehlerhaft sein soll. Gleiches gilt für die
Ausführungen des Landesarbeitsgerichts zu § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG. Auch hier trifft es keine Feststellungen zum Auswahlergebnis, sondern bemerkt lediglich,
das Vorgehen der Beklagten bei der Darlegung des Personenkreises sei widersprüchlich.
III. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts erweist sich nicht aus anderen Gründen als richtig. Die Sache ist mangels ausreichender
Tatsachenfeststellungen nicht zur Entscheidung reif und muss deshalb an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden (§§ 561, 563 ZPO).
1. Ob dringende betriebliche Erfordernisse die Kündigung iSd. § 1 Abs. 2 KSchG bedingen oder ob sie nach § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG zu vermuten sind, kann
aufgrund der bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts noch nicht abschließend beurteilt werden.
a) Das Landesarbeitsgericht hat zu den tatbestandlichen Voraussetzungen des § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG lediglich ausgeführt, sie seien weder wegen Verstoßes
gegen §§ 1, 10 AGG noch wegen Verstoßes gegen das gesetzliche Schriftformerfordernis zu verneinen. Eine positive Feststellung, dass diese Voraussetzungen
vollständig vorlägen, findet sich in den Entscheidungsgründen nicht. Dies wird gegebenenfalls nachzuholen sein.
aa) Dabei dürfte allerdings entgegen der Auffassung des Klägers von der Zuständigkeit des Betriebsrats für den Abschluss von Interessenausgleich und
Sozialplan auszugehen sein. Aus dem allgemeinen Hinweis des Klägers, es seien auch andere Betriebe betroffen, ergibt sich keine zwingende Notwendigkeit
für eine betriebsübergreifende Regelung. Nur bei einer solchen zwingenden Notwendigkeit kann die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats für einen
Interessenausgleich bestehen (vgl. BAG 11. Dezember 2001 - 1 AZR 193/01 - zu II 1 a, b der Gründe mwN, BAGE 100, 60).
bb) Was die Ausführungen des Klägers zur angeblich fehlenden Bevollmächtigung des Betriebsratsvorsitzenden (zur Unterzeichnung des Interessenausgleichs)
und des stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden (zur Unterzeichnung der Namensliste) betrifft, so wird das Landesarbeitsgericht ggf. auch deren
Berechtigung nachzugehen haben.
cc) Nicht auseinandergesetzt hat sich das Landesarbeitsgericht mit dem Vortrag des Klägers, der die etwa bestehende gesetzliche Vermutung der
Betriebsbedingtheit widerlegen soll. Der Kläger hat dazu behauptet, es habe freie Arbeitsplätze gegeben und die Beklagte habe bis zu 23 Leiharbeitnehmer
beschäftigt. Die Beklagte hat ua. ausgeführt, die Leiharbeitnehmer seien wegen erhöhten Krankenstandes während der laufenden Kündigungsfristen eingesetzt
worden. Auch dies wird das Landesarbeitsgericht gegebenenfalls näher aufzuklären haben.
2. Ob die Kündigung nach § 1 Abs. 3, Abs. 5 KSchG unwirksam ist, lässt sich aufgrund der bisherigen Feststellungen ebenfalls nicht beurteilen.
a) Der Kläger hat, nachdem die Beklagte Auskunft erteilt hatte, die Sozialauswahl hinsichtlich mehrerer nicht gekündigter Arbeitnehmer beanstandet. Von
diesen Arbeitnehmern weisen allerdings sechs entweder genauso viele oder nur bis zu 2 Punkte weniger als der Kläger auf: S (69), F (70), Se (70), E (70), G
(71) und P (71). Da nach der Rechtsprechung des Senats derart marginale Punktunterschiede jedenfalls für sich genommen nicht zur groben Fehlerhaftigkeit
führen, kann sich diese nur im Vergleich des Klägers zu den übrigen von ihm genannten Arbeitnehmern ergeben, nämlich T (50), Th (43), Pe (52), Sa (57), Gr
(60), W (62), Si (62) und Em (41). Zu diesen hat die Beklagte vorgetragen, die Herren T und Em gehörten einer anderen Altersgruppe an. Die übrigen
Arbeitnehmer seien für den Betrieb notwendig, was sich bei Anwendung der von ihr verwendeten Qualifikationsmatrix ergebe und durch Vernehmung der
Zeugen H und Gü bewiesen werden könne. Der Kläger ist diesem Vorbringen der Beklagten entgegengetreten, hat allerdings vorgetragen, er könne einige dieser
Tätigkeiten ohnehin nicht ausüben. Auch dem wird das Landesarbeitsgericht gegebenenfalls nachzugehen haben.
b) Sollte es darauf ankommen, ob einzelne Arbeitnehmer zu Recht aus der Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG herausgenommen worden sind, wird
das Landesarbeitsgericht zu beachten haben, dass auch insoweit der Maßstab der groben Fehlerhaftigkeit anzuwenden ist (noch offen gelassen Senat 12. April
2002 - 2 AZR 706/00 - AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 56 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 48 zu der von 1996 bis 1998 in Kraft gewesenen
Fassung des KSchG). Dies entspricht der eindeutigen Absicht des Gesetzgebers (BT-Drucks. 15/1204 S. 12). Schon in der Entscheidung vom 12. April 2002
(aaO) hat der Senat ausgesprochen, dass bei der Herausnahme einzelner Arbeitnehmer aus der Sozialauswahl eine Abwägung mit den sozialen Belangen des zu
kündigenden Arbeitnehmers stattzufinden hat. Dies zeigt, dass die Frage der Herausnahme einzelner Arbeitnehmer nicht abstrakt, sondern stets im konkreten
Vergleich zu beurteilen ist. Das wiederum bedeutet, dass die Herausnahme eine Frage der "sozialen Auswahl" ist, auf die sich nach dem Wortlaut von § 1 Abs.
5 Satz 2 KSchG der Maßstab der groben Fehlerhaftigkeit beziehen soll. Außerdem kann die Frage, ob berechtigte betriebliche Interessen gegeben sind, sinnvoll
nur dann beantwortet werden, wenn feststeht, welche Arbeitnehmer bei "normaler" Durchführung der Sozialauswahl im Betrieb verbleiben würden. Dem
entspricht es, zunächst alle vergleichbaren Arbeitnehmer einzubeziehen und anschließend zu untersuchen, ob dieses Ergebnis geändert werden muss (wie hier
ErfK/Oetker 10. Aufl. § 1 KSchG Rn. 366; KR/Griebeling 9. Aufl. § 1 KSchG Rn. 627, 703o mwN; APS/Kiel 3. Aufl. § 1 KSchG Rn. 801;
KDZ/Kittner/Deinert KSchR 7. Aufl. Rn. 496u).
c) Ob die soziale Auswahl - wiederum abgesehen davon, dass konkrete Feststellungen zu einem Vergleich mit bestimmten Arbeitnehmern bisher nicht
getroffen sind - deshalb grob fehlerhaft ist, weil nach dem Interessenausgleich sämtliche gewerblichen Arbeitnehmer als miteinander vergleichbar angesehen
worden sind, kann auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen nicht beurteilt werden. Die Auffassung des Landesarbeitsgerichts, Vergleichbarkeit liege
allein deshalb nicht vor, weil die Beklagte insoweit nicht ausreichend widerspruchsfrei vorgetragen habe, steht, wie oben ausgeführt, nicht im Einklang mit dem
Gesetz. Die Beklagte ist ihrer Auskunftspflicht nachgekommen (§ 1 Abs. 3 Satz 3 KSchG). Der Kläger hat die Sozialauswahl konkret gerügt. Diesen Rügen
wird das Landesarbeitsgericht nachgehen müssen. Abgesehen davon besteht auch der vom Landesarbeitsgericht angenommene Widerspruch nicht. Die Beklagte
hatte vorgetragen, alle gewerblichen Arbeitnehmer seien vergleichbar, einige von ihnen seien aber in der Lage, andere Arbeitnehmer anzuleiten; deshalb seien
sie nach § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG aus der Auswahl genommen worden. Darin liegt bei Zugrundelegung der Rechtsauffassung der Beklagten kein Widerspruch.
Vielmehr setzt die Herausnahme einzelner Arbeitnehmer aus der sozialen Auswahl immer voraus, dass sie zwar vergleichbar sind, aus Sicht des Arbeitgebers
aber durch besondere Merkmale hervorstechen. Diese besonderen Merkmale können auch bei hier möglicherweise gegebenen "flachen Hierarchien" in
besonders ausgeprägtem Verantwortungsbewusstsein bestehen.
d) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats bestimmt sich der Kreis der in die soziale Auswahl einzubeziehenden vergleichbaren Arbeitnehmer in erster
Linie nach arbeitsplatzbezogenen Merkmalen, also zunächst nach der ausgeübten Tätigkeit (vgl. 2. März 2006 - 2 AZR 23/05 - AP KSchG 1969 § 1 Soziale
Auswahl Nr. 81 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 67). Dies gilt nicht nur bei einer Identität der Arbeitsplätze, sondern auch dann, wenn der
Arbeitnehmer aufgrund seiner Tätigkeit und Ausbildung eine andersartige, aber gleichwertige Tätigkeit ausführen kann. Die Notwendigkeit einer kurzen
Einarbeitungszeit steht der Vergleichbarkeit nicht entgegen ("qualifikationsmäßige Austauschbarkeit" Senat 2. Juni 2005 - 2 AZR 480/04 - BAGE 115, 92; 23.
November 2004 - 2 AZR 38/04 - BAGE 112, 361). Dabei kann im öffentlichen Dienst - ausnahmsweise auch in der Privatwirtschaft (Senat 5. Dezember 2002 -
2 AZR 697/01 - BAGE 104, 138) - der tariflichen Eingruppierung Bedeutung zukommen (2. Februar 2006 - 2 AZR 38/05 - AP KSchG 1969 § 1
Betriebsbedingte Kündigung Nr. 142 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 144). An einer Vergleichbarkeit fehlt es, wenn der Arbeitgeber den
Arbeitnehmer nicht einseitig auf den anderen Arbeitsplatz um- oder versetzen kann ("arbeitsvertragliche Austauschbarkeit" Senat 2. Juni 2005 - 2 AZR 480/04 -
aaO).
e) Ob nach diesen Maßstäben die Bestimmung des auswahlrelevanten Personenkreises fehlerhaft war, ist anhand des bisher festgestellten Sachverhalts nicht zu
beurteilen. Das Landesarbeitsgericht hat zu den Tätigkeitsgebieten, die den Arbeitnehmern vertraglich - uU auch tarifvertraglich - übertragen waren, keine
Feststellungen getroffen. Das wird ggf. nachzuholen sein.
3. Ob die Kündigung, wie der Kläger geltend gemacht hat, nach § 102 BetrVG unwirksam ist, kann noch nicht beurteilt werden. Auch bei Vorliegen eines
Interessenausgleichs mit Namensliste iSd. § 1 Abs. 5 KSchG ist der Arbeitgeber nicht von der Pflicht zur Anhörung des Betriebsrats zur Kündigung entbunden.
Die Betriebsratsanhörung unterliegt keinen erleichterten Anforderungen (Senat 5. November 2009 - 2 AZR 676/08 - Rn. 37, AP KSchG 1969 § 1
Betriebsbedingte Kündigung Nr. 183 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 20; 23. Oktober 2008 - 2 AZR 163/07 - AP KSchG 1969 § 1 Namensliste Nr.
18 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 16). Danach ist nicht auszuschließen, dass eine ordnungsgemäße Anhörung stattgefunden hat. Voraussetzung
dafür ist allerdings auch, dass ein Anhörungsverfahren tatsächlich eingeleitet worden ist. Der in der Namensliste enthaltene Satz "Die nachfolgende Liste ersetzt
die individuell durchzuführenden Anhörungen des Betriebsrates zu den Entlassungen" ist mehrdeutig. Er kann als Hinweis darauf verstanden werden, dass
gerade keine Anhörung stattgefunden hat, mag aber auch - im Zusammenhang mit dem Vorbringen der Beklagten - dahingehend als Klarstellung verstanden
werden, dass der Betriebsrat in der Tat angehört worden ist. Sollte es darauf ankommen, müsste den Parteien insoweit Gelegenheit zum Vortrag gegeben
werden. ..." (BAG, Urteil vom 10.06.2010 - 2 AZR 420/09)
***
„... 1. Nach § 1 Abs. 3 Satz 1 1. Halbsatz KSchG ist die Kündigung eines Arbeitnehmers, dem aus dringenden betrieblichen Gründen gekündigt worden ist,
sozial nicht gerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl unter den Arbeitnehmern die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die
Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat. Gemäß § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG sind in die soziale Auswahl
nach Satz 1 Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur
Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebs, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt.
2. Bei der unter vergleichbaren Arbeitnehmern nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG durchzuführenden Auswahl hat der Arbeitgeber - und haben im Rahmen von § 1
Abs. 4 KSchG die Betriebsparteien - einen Beurteilungsspielraum (Senat 5. Juni 2008 - 2 AZR 907/06 - Rn. 19 mwN, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte
Kündigung Nr. 179 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 81). Ist in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 BetrVG festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte
im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, kann diese Gewichtung nach § 1 Abs. 4 KSchG nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Sie ist grob
fehlerhaft, wenn sie jede Ausgewogenheit vermissen lässt, wenn also einzelne Sozialdaten überhaupt nicht, eindeutig unzureichend oder mit eindeutig
überhöhter Bedeutung berücksichtigt wurden (vgl. Senat 5. Dezember 2002 - 2 AZR 697/01 - zu B I 3 c aa (1) der Gründe, BAGE 104, 138). Darüber hinaus
bindet sich der Arbeitgeber auch selbst an die in den Auswahlrichtlinien getroffene Bewertung (Senat 5. Juni 2008 - 2 AZR 907/06 - Rn. 19, AP KSchG 1969 §
1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 179 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 81).
3. Die Darlegungs- und Beweislast für Fehler bei der Sozialauswahl liegt gem. § 1 Abs. 3 Satz 3 KSchG letztlich beim Arbeitnehmer. Allerdings ist sie unter
Berücksichtigung des Auskunftsanspruchs des Arbeitnehmers abgestuft. Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 1 Abs. 3
Satz 2 KSchG liegt hingegen beim Arbeitgeber (Senat 5. Juni 2008 - 2 AZR 907/06 - Rn. 21, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 179 = EzA
KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 81; KR/Griebeling 9. Aufl. § 1 KSchG Rn. 655, 683 ff.; HaKoKSchG/Gallner 3. Aufl. § 1 KSchG Rn. 828 ff.).
4. Danach ist die von der Beklagten vorgenommene Sozialauswahl fehlerhaft. Das Landesarbeitsgericht hat im Ergebnis zutreffend angenommen, dass es an der
erforderlichen Rechtfertigung für die Bildung von Altersgruppen fehlt. Der Würdigung des Landesarbeitsgerichts, dass der Klägerin ohne Bildung von
Altersgruppen nicht gekündigt worden wäre, ist die Revision nicht entgegengetreten. Dies führt zur Unwirksamkeit der Kündigung.
a) Die Berücksichtigung des Lebensalters als eines von mehreren Kriterien bei der Sozialauswahl - wie in § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG und der
"Betriebsvereinbarung über Kündigungsauswahlrichtlinien" vorgesehen - ist trotz des Verbots der Altersdiskriminierung gem. § 1, § 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG im
Grundsatz nicht zu beanstanden (Senat 5. November 2009 - 2 AZR 676/08 - Rn. 25, NZA 2010, 457; 6. November 2008 - 2 AZR 523/07 - Rn. 40, AP KSchG
1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 182 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 82). Sie bewirkt zwar eine an das Alter anknüpfende unterschiedliche
Behandlung. Durch die Einbeziehung des Lebensalters in die Sozialauswahl werden ältere Arbeitnehmer tendenziell bevorzugt und jüngere benachteiligt. Diese
unmittelbare Benachteiligung jüngerer Arbeitnehmer iSv. § 3 Abs. 1 AGG ist aber nach § 10 Satz 1 und 2 AGG gerechtfertigt (Senat 5. November 2009 - 2
AZR 676/08 - Rn. 26, aaO). Die Heranziehung des Lebensalters verfolgt ein legitimes Ziel, die Mittel zur Erreichung dieses Ziels sind angemessen und
erforderlich: Durch die Berücksichtigung des Lebensalters werden ältere Arbeitnehmer, die typischerweise schlechtere Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben,
besser geschützt (Senat 5. November 2009 - 2 AZR 676/08 - Rn. 25, aaO; 12. März 2009 - 2 AZR 418/07 - Rn. 39, AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr.
97 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 17; 6. November 2008 - 2 AZR 523/07 - Rn. 43 f., aaO); das Lebensalter ist ein geeignetes und erforderliches
Kriterium, um auf die individuellen Arbeitsmarktchancen bei der sozialen Auswahl Bedacht zu nehmen; mildere Mittel sind nicht ersichtlich (vgl. Senat 12.
März 2009 - 2 AZR 418/07 - Rn. 40, aaO). Dass die Chancen auf dem Arbeitsmarkt auf diese Weise typisierend und nicht individuell berücksichtigt werden, ist
- will man sie überhaupt einbeziehen - unvermeidbar (Senat 5. November 2009 - 2 AZR 676/08 - Rn. 25, aaO; 6. November 2008 - 2 AZR 523/07 - Rn. 46
mwN, aaO). Das entspricht im Übrigen den Erwägungen, die der mit Wirkung vom 12. Dezember 2006 durch Art. 8 Abs. 1 Nr. 1 a) des Gesetzes zur Änderung
des Betriebsrentengesetzes und anderer Gesetze (BGBl. I 2006 S. 2742) aufgehobenen Regelung des § 10 Satz 3 Nr. 6 aF AGG zugrunde lagen.
b) Dementsprechend ist die lineare Berücksichtigung des Lebensalters bei der Sozialauswahl im Rahmen einer Auswahlrichtlinie als eines von mehreren
Auswahlkriterien grundsätzlich mit dem Verbot der Altersdiskriminierung zu vereinbaren (Senat 5. November 2009 - 2 AZR 676/08 - Rn. 27, NZA 2010, 457).
Eine solche Beachtung sehen die der Kündigung zugrunde gelegten Auswahlrichtlinien vor. Dabei kann außer Betracht bleiben, dass das Lebensalter erst ab
einem Alter von 20 Jahren und mit maximal 40 Punkten berücksichtigt wird; diese Regelung trifft alle in die Sozialauswahl einbezogenen Arbeitnehmer
gleichermaßen. Zudem war ausweislich der von der Beklagten vorgelegten Auswahllisten kein Arbeitnehmer am Stichtag 30. November 2006 jünger als 20
oder älter als 60 Jahre.
c) Die Beklagte hat sich nicht auf die bloße Anwendung der vereinbarten Auswahlrichtlinien beschränkt. Sie hat die Sozialauswahl mit Hinweis auf § 1 Abs. 3
Satz 2 KSchG unter Bildung von Altersgruppen vorgenommen.
aa) Dies erscheint durch die Auswahlrichtlinien nicht von vorneherein ausgeschlossen. Dafür spricht die unter Nr. IV der Richtlinien getroffene Regelung.
Danach sollte die endgültige Auswahlentscheidung unter Berücksichtigung berechtigter betrieblicher Bedürfnisse erfolgen. Mangels anderweitiger
Anhaltspunkte und aufgrund des Sachzusammenhangs ist anzunehmen, dass die Betriebsparteien damit an die Bestimmung des § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG
anknüpfen wollten. Sie eröffnet dem Arbeitgeber die Möglichkeit, sich im berechtigten betrieblichen Interesse auf die Sicherung einer ausgewogenen
Personalstruktur zu berufen.
bb) Ob die Bildung von Altersgruppen gegen die Auswahlrichtlinien verstößt, braucht allerdings nicht abschließend entschieden zu werden. Auch wenn sie mit
den Regelungen der Betriebsvereinbarung in Einklang stehen sollte, hat die Beklagte kein berechtigtes betriebliches Interesse an der Beibehaltung der
bisherigen Altersstruktur dargetan.
(1) Die Beklagte kann sich nicht darauf berufen, einer besonderen Rechtfertigung für eine Altersgruppenbildung bedürfe es nicht, weil diese geeignet sei, einer
übermäßigen Belastung jüngerer Arbeitnehmer entgegen zu wirken (vgl. Senat 6. September 2007 - 2 AZR 387/06 - Rn. 19, AP KSchG 1969 § 1
Betriebsbedingte Kündigung Nr. 169 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 78). Selbst wenn dies in der Tendenz zutreffen mag, so ist die Bildung von
Altersgruppen diskriminierungsrechtlich nicht etwa geboten (vgl. Senat 5. November 2009 - 2 AZR 676/08 - Rn. 27, NZA 2010, 457).
(2) Die Altersgruppenbildung ist nicht durch eine von der Beklagten angestrebte Sicherung der Altersstruktur (§ 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG) gerechtfertigt. Sie
genügt schon nicht den kündigungsschutzrechtlichen Voraussetzungen. Die Beklagte hat ein berechtigtes betriebliches Interesse an der Beibehaltung der
bisherigen Altersstruktur im Arbeitsbereich der Klägerin nicht dargetan. Darauf, ob die Altersgruppenbildung wegen einer mit ihr verbundenen
unterschiedlichen Behandlung wegen des Alters nach diskriminierungsrechtlichen Grundsätzen zulässig ist, kommt es im Entscheidungsfall nicht an.
(a) Die nach § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG erforderlichen Voraussetzungen einer Altersgruppenbildung müssen vom Arbeitgeber im Prozess dargelegt werden. Er
hat aufzuzeigen, welche konkreten Nachteile sich ergäben, wenn die Sozialauswahl allein nach Maßgabe von § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG vorgenommen würde
(Senat 6. November 2008 - 2 AZR 523/07 - Rn. 54, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 182 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 82; 20.
April 2005 - 2 AZR 201/04 - zu B II 2 a der Gründe, EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 60). Dies verlangt nicht nur darzulegen, dass sich die Altersstruktur
überhaupt in nennenswertem Ausmaß nachteilig verändern würde, sondern auch aufzuzeigen, welche konkreten Nachteile sich dadurch - beispielsweise im
Hinblick auf die Verwirklichung des Betriebszwecks - ergäben (vgl. Senat 6. September 2007 - 2 AZR 387/06 - Rn. 17, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte
Kündigung Nr. 169 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 78). Ob sich das Interesse an der Beibehaltung der bestehenden Altersstruktur aus anzuerkennenden
Sachgründen ableitet, ist gerichtlich uneingeschränkt und nicht nur auf Plausibilität hin überprüfbar (ErfK/Oetker 10. Aufl. § 1 KSchG Rn. 350).
(b) Dem Arbeitgeber kommen insoweit Erleichterungen zugute, wenn die Altersgruppenbildung im Zusammenhang mit einer Massenkündigung iSv. § 17 Abs.
1 KSchG erfolgt. In einem solchen Fall ist regelmäßig vom Vorliegen berechtigter betrieblicher Interessen auszugehen. Durch eine allein an § 1 Abs. 3 Satz 1
KSchG ausgerichtete Sozialauswahl sind bei Massenkündigungen typischerweise die Erhaltung der bestehenden Altersstruktur und damit verbunden die
langfristige Nachwuchsplanung, die Weitergabe von Erfahrungswissen an Jüngere und die Möglichkeit, dem Betrieb die oft aktuelleren Fachkenntnisse
jüngerer Arbeitnehmer zugute kommen zu lassen, gefährdet. Solche Gefährdungen zu vermeiden, liegt sowohl im Interesse der Gesamtheit der Belegschaft als
auch im Wettbewerbsinteresse des Arbeitgebers, das seinerseits unter dem Schutz von Art. 2, Art. 12 GG steht (Senat 12. März 2009 - 2 AZR 418/07 - Rn. 45,
AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 97 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 17; 6. November 2008 - 2 AZR 523/07 - Rn. 54, AP KSchG 1969 § 1
Betriebsbedingte Kündigung Nr. 182 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 82). Der Arbeitgeber genügt deshalb bei Massenkündigungen den Anforderungen
des § 1 Abs. 3 Satz 2 + Satz 3 KSchG im Hinblick auf die Bildung von Altersgruppen zunächst einmal dadurch, dass er auf das Vorliegen der Zahlenwerte des
§ 17 Abs. 1 KSchG verweist. Es ist dann Sache des Arbeitnehmers, die Vermutung des Vorliegens berechtigter betrieblicher Interessen zu entkräften. Diese
Erleichterungen in Bezug auf die Darlegungslast können zugunsten des Arbeitgebers allerdings nur eingreifen, wenn eine erhebliche Veränderung der
Zusammensetzung der Belegschaft bevorsteht, wie sie mit Massenentlassungen iSv. § 17 KSchG verbunden ist. Personelle Veränderungen, die unterhalb der
gesetzlichen - auf den Betrieb als Ganzen bezogenen - Schwellenwerte liegen, reichen nicht aus, mögen sie auch in Bezug auf den jeweiligen
Beschäftigungsbereich erheblich sein. Der Regelungszweck des § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG besteht vornehmlich darin zu verhindern, dass die Leistungsfähigkeit
des von den anstehenden Kündigungen betroffenen Betriebs über den Personalverlust als solchen hinaus beeinträchtigt wird (BT-Drucks. 15/1204, S. 9). Bleibt
die Anzahl der Kündigungen unter den Schwellenwerten des § 17 KSchG, schließt dies zwar ein berechtigtes betriebliches Interesse an der Sicherung der
bestehenden Altersstruktur in dem von Kündigungen betroffenen Bereich nicht von vorneherein aus (Senat 6. September 2007 - 2 AZR 387/06 - Rn. 17, AP
KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 169 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 78). Wegen der relativ geringen Auswirkungen auf den Betrieb
als Ganzen bedarf es dann jedoch eines eingehenden, die nachteiligen Wirkungen einer veränderten Altersstruktur konkret und schlüssig aufzeigenden Vortrags
des Arbeitgebers.
(c) Danach hat die Beklagte ein berechtigtes betriebliches Interesse an der Bildung von Altersgruppen zur Aufrechterhaltung der bisherigen Personalstruktur im
Bereich des Rechnungswesens nicht substantiiert dargelegt. Sie hat die nachteiligen Wirkungen einer allein anhand der Kriterien des § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG
durchgeführten Sozialauswahl nicht konkret aufgezeigt.
(aa) Dessen hätte es bedurft. Ein Fall von § 17 Abs. 1 KSchG, mit dem die beschriebenen Erleichterungen einhergingen, ist nicht gegeben. Auch wenn lediglich
die Belegschaft der Beklagten selbst mit 300 Arbeitnehmern betrachtet wird, ist bei einer Anzahl von elf beabsichtigten Kündigungen der Schwellenwert des §
17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KSchG nicht erreicht. Auf die Anzahl der Arbeitnehmer in der von den Kündigungen betroffenen Betriebsabteilung kommt es für § 17
Abs. 1 KSchG nicht an. Die Vorschrift stellt nach ihrem eindeutigen Wortlaut und ihrem erwähnten Sinn und Zweck auf die Anzahl der Arbeitnehmer im
Betrieb als Ganzem ab.
(bb) Die Beklagte hat vor allem auf ihre Angaben in der Betriebsratsanhörung vom 20. November 2006 verwiesen und sich im Wesentlichen auf die Darlegung
abstrakter, mit Veränderungen der Altersstruktur gemeinhin verbundener Beeinträchtigungen beschränkt, ohne einen konkreten Bezug zur
Beschäftigungssituation in der betroffenen Abteilung herzustellen. So mag es zutreffen, dass jüngeren Mitarbeitern ihre theoretische Ausbildung eher präsent ist
und ihnen dies das Einarbeiten in neue Themen und den Umgang mit neuen Techniken und Technologien erleichtert. Inwiefern sich daraus in der konkreten
betrieblichen Situation im Fall einer allein an § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG orientierten Sozialauswahl spürbare Beeinträchtigungen der Leistungsfähigkeit des
Betriebs oder der Abteilung ergeben würden, hat die Beklagte nicht dargestellt. Das gleiche gilt mit Blick auf einen "Know-how-Transfer" zwischen jüngeren
und älteren Arbeitnehmern. Die möglicherweise besseren Fremdsprachenkenntnisse jüngerer Arbeitnehmer und deren größere Lernfähigkeit in diesem Bereich
haben nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten keinen aktuellen Bezug zu betrieblichen Erfordernissen. Das in diesem Zusammenhang angeführte
Bestreben, für die Buchhaltung die Möglichkeit zu bewahren, künftig einmal Dienstleistungen für ausländische Standorte zu erbringen, stellt sich als bloße
Option dar und rechtfertigt nicht die Annahme, mit der Kündigung jüngerer Arbeitnehmer werde die Leistungsfähigkeit des Betriebs insoweit konkret und
nachhaltig beeinträchtigt. Hinzu kommt, dass die Beklagte zu den Fremdsprachenkenntnissen ihrer älteren Arbeitnehmer nicht vorgetragen hat. Soweit sie auf
das bei drohender Überalterung der Belegschaft bestehende Risiko verweist, dass eine Vielzahl von Mitarbeitern das Unternehmen nahezu zeitgleich verlassen
wird, was die kontinuierliche Einarbeitung in betriebliche Spezifika und die Weitergabe von Spezialwissen im Rahmen alle vier Jahre stattfindender Prüfungen
behindere, vermag sie angesichts der vorgelegten Auswahllisten auch auf diese Weise die Bildung von Altersgruppen nicht zu rechtfertigen. Sowohl in der
Gruppe der 53- bis 63jährigen als auch in der Gruppe der 43- bis 53jährigen Arbeitnehmer ist eine Spanne von 53 bis 59, 38 Lebensjahren bzw. von 43, 06 bis
52, 88 Lebensjahren vorhanden. Das spezielle Erfahrungswissen, auf das die Beklagte ohne nähere Angaben verweist, kann damit durchaus kontinuierlich
weitergeben werden.
cc) Einer Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht bedurfte es nicht. Die Klägerin hatte bereits in erster Instanz ein berechtigtes betriebliches
Interesse der Beklagten an der Sicherung einer ausgewogenen Altersstruktur im Bereich Finanz- und Rechnungswesen bestritten, ohne dass die Beklagte dies
zum Anlass genommen hätte, ihren Sachvortrag zu konkretisieren.
d) Die Beklagte hat nicht behauptet, dass die Klägerin auch bei einer Sozialauswahl anhand von § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG von einer Kündigung betroffen
gewesen wäre. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, dies sei angesichts des Umstands, dass 25 der aufgeführten Arbeitnehmer dann eine geringere
Punktzahl erreicht hätten als die Klägerin, auch nicht zu erwarten. Diese Würdigung wird von der Revision nicht angegriffen. Es kommt deshalb nicht darauf
an, ob sich die Sozialauswahl auch noch aus anderen Gründen als unwirksam erweist. Insbesondere kann offenbleiben, ob die Gewichtung der Sozialdaten im
Rahmen der vereinbarten Auswahlrichtlinien - etwa bezüglich der Unterhaltspflichten - den Vorgaben des § 1 Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 KSchG gerecht wird und
welche Folgen sich im Hinblick auf die nach Nr. IV der Betriebsvereinbarung vorgeschriebene Feinabstimmung ergeben. Ebenso kann dahinstehen, ob die
Beklagte die Beschäftigungszeit der Klägerin beim Verlag B hätte berücksichtigen müssen. ..." (BAG, Urteil vom 18.03.2010 - 2 AZR 468/08)
***
„... I. Die Kündigung ist sozial gerechtfertigt, weil sie durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt ist, die einer Weiterbeschäftigung des Klägers entgegenstehen.
1. Maßgeblicher Zeitpunkt zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Kündigung ist der des Kündigungszugangs (BAG 21. April 2005 - 2 AZR 241/04 - BAGE
114, 258; 12. April 2002 - 2 AZR 256/01 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 120 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 118;
KR/Griebeling 9. Aufl. § 1 KSchG Rn. 550). Grundsätzlich muss zu diesem Zeitpunkt der Kündigungsgrund - hier der Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit
- vorliegen. Das Gestaltungsrecht Kündigung kann nur bei Vorliegen eines im Zeitpunkt der Kündigungserklärung vorhandenen Kündigungsgrundes
rechtswirksam ausgeübt werden.
a) Dies hätte grundsätzlich zur Folge, dass betriebsbedingte Kündigungen erst möglich wären, wenn der Arbeitsplatz des Arbeitnehmers nicht mehr zur
Verfügung stünde. Wegen der Zukunftsbezogenheit der Kündigung und aus Gründen der Praktikabilität hat das Bundesarbeitsgericht schon eine Absicht zur
Betriebs- oder Abteilungsstilllegung ausnahmsweise als ein dringendes betriebliches Erfordernis iSv. § 1 Abs. 2 KSchG anerkannt, wenn die für den künftigen
Wegfall der Beschäftigung des Arbeitnehmers maßgeblichen Entwicklungen bereits zum Kündigungszeitpunkt feststehen, insbesondere wenn die
unternehmerische Organisationsentscheidung bereits getroffen war und sie sich zum Ablauf der Kündigungsfrist realisiert. Danach kommt es in den Fällen, in
denen zwar bei Zugang der Kündigung noch eine Möglichkeit der Beschäftigung besteht, aber die für den künftigen Wegfall des Beschäftigungsbedürfnisses
maßgeblichen Entscheidungen bereits gefallen sind, darauf an, ob der Arbeitnehmer bis zum Kündigungstermin voraussichtlich entbehrt werden kann (vgl.
BAG 27. Februar 1987 - 7 AZR 652/85 - BAGE 54, 215; 12. April 2002 - 2 AZR 256/01 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 120 = EzA
KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 118).
b) Davon ist auszugehen, wenn im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung die auf Tatsachen gestützte, vernünftige betriebswirtschaftliche Prognose
gerechtfertigt ist, dass zum Kündigungstermin mit einiger Sicherheit der Eintritt des die Entlassung erforderlich machenden betrieblichen Grundes vorliegen
wird (st. Rspr. des Senats, vgl. zuletzt 13. Februar 2008 - 2 AZR 543/06 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 175; ebenso für den Entschluss
zur Betriebsstilllegung: BAG 28. Mai 2009 - 8 AZR 273/08 - EzA KSchG § 17 Nr. 20). Dabei muss die der entsprechenden Prognose zugrunde liegende
Entscheidung bereits zum Kündigungszeitpunkt endgültig getroffen worden sein und die Maßnahme, zB Schließung des Betriebs oder der Betriebsabteilung,
zum Kündigungszeitpunkt bereits feststehen und greifbare Formen angenommen haben (v. Hoyningen-Huene Anm. zu BAG 15. März 2001 - 2 AZR 705/99 -
in AP BGB § 620 Bedingung Nr. 26). Ist dies nicht der Fall, kann eine zum Wegfall des Arbeitsplatzes und zur fehlenden Weiterbeschäftigungsmöglichkeit
führende Prognose vor dem Ablauf der Kündigungsfrist nicht erfolgreich gestellt werden. Vielmehr entfällt die Grundlage für die Kündigung.
c) Deswegen ist eine Kündigung wegen Betriebsschließung nicht sozial gerechtfertigt, solange der Arbeitgeber den Stilllegungsbeschluss lediglich erwogen,
aber noch nicht endgültig gefasst hat (BAG 12. April 2002 - 2 AZR 256/01 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 120 = EzA KSchG § 1
Betriebsbedingte Kündigung Nr. 118; 10. Oktober 1996 - 2 AZR 477/95 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 81 = EzA KSchG § 1
Betriebsbedingte Kündigung Nr. 87). Gleiches gilt, wenn der Arbeitgeber im Kündigungszeitpunkt noch in ernsthaften Verhandlungen über die Veräußerung
des Betriebs oder der Betriebsabteilung steht oder sich um neue Aufträge bemüht. Dann liegt keine unbedingte und endgültige Stilllegungsabsicht vor (BAG 13.
Februar 2008 - 2 AZR 543/06 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 175). Ebenso verhält es sich, wenn die vom Arbeitgeber im
Kündigungszeitpunkt beabsichtigte Maßnahme in Wahrheit keine Stilllegung, sondern ein Betriebsübergang ist (BAG 28. Mai 2009 - 8 AZR 273/08 - EzA
KSchG § 17 Nr. 20).
2. Von diesen Grundsätzen ist auch das Landesarbeitsgericht ausgegangen und hat sie in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise auf den Fall angewandt.
a) Entgegen der von der Revision vertretenen Auffassung hat das Landesarbeitsgericht sehr wohl einen ernstlichen und endgültigen Stilllegungsbeschluss
gefordert. Anders ist nicht zu erklären, dass es die Zeugenvernehmung des von der Beklagten benannten Zeugen M aus dem Verfahren - 12 Sa 54/07 - im
Einvernehmen mit den Parteien verwertet hat. In jenem Verfahren wurde der Zeuge zu der Frage vernommen, welchen Inhalt die ihm lange vor der Kündigung
mitgeteilte Entscheidung des bei der Beklagten so genannten CEO (Chief Executive Officer - Geschäftsführendes Vorstandsmitglied) zur Schließung des
Betriebs hatte. Dem Berufungsgericht kam es darauf an, ob diese Entscheidung als endgültige und unbedingte gedacht war und auf die vollständige Stilllegung zielte.
b) Auch die Beweiswürdigung des Landesarbeitsgerichts ist entgegen der Auffassung der Revision nicht zu beanstanden. Sie ist weder widersprüchlich noch
verstößt sie gegen Denkgesetze; sie lässt auch keine wesentlichen Gesichtspunkte außer Acht. Die Erklärungen des Zeugen waren eindeutig. Danach kamen
Zweifel an der Zweckmäßigkeit der vollständigen Stilllegung zum 30. Juni 2007 erstmals etwa zwei Monate nach Ausspruch der Kündigung auf. Diese Zweifel
ergaben sich nicht daraus, dass die Beklagte von ihren ursprünglichen betriebswirtschaftlichen Überlegungen abgerückt wäre. Vielmehr handelte es sich um neu
aufgetretene Gesichtspunkte der Qualitätssicherung, also um technische Aspekte. Bis zur Kündigung und auch noch zwei Monate danach kreisten alle
Gespräche und Maßnahmen - einschließlich des Interessenausgleichs, Sozialplans und Kündigungsausspruchs - um die endgültige Stilllegung des Betriebs.
Hätte die Beklagte sich insoweit andere Möglichkeiten offenhalten wollen, so wären die genannten Gespräche mit dem Betriebsrat und die mit ihm vereinbarten
Regelungen zum Teil überflüssig gewesen. Es ist entgegen der Auffassung des Klägers gut nachvollziehbar, wenn das Landesarbeitsgericht darauf hinweist, aus
Sicht der Beklagten wäre es unverständlich gewesen, die Absicht einer vollständigen Betriebsschließung gewissermaßen vorzutäuschen, wenn sie in Wahrheit
bereits eine Erhaltung von Arbeitsplätzen beabsichtigt oder auch nur erwogen hätte. In der Tat musste sie bei einer vollständigen Schließung und der
Kündigung aller Arbeitnehmer mit höheren Ausgaben für einen Sozialplan rechnen und konnte überdies nicht sicher sein, die für die Weiterführung der
Betriebsteile unentbehrlichen Arbeitnehmer nach erfolgter Kündigung wieder für sich gewinnen zu können.
II. Die Kündigung ist nicht nach § 102 Abs. 1 BetrVG unwirksam.
1. Nach § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG muss der Arbeitgeber dem Betriebsrat diejenigen Gründe mitteilen, die nach seiner subjektiven Sicht die Kündigung
rechtfertigen und für seinen Kündigungsentschluss maßgebend sind. Diesen Kündigungssachverhalt muss er in der Regel unter Angabe von Tatsachen, aus
denen der Kündigungsentschluss hergeleitet wird, so beschreiben, dass der Betriebsrat ohne zusätzliche eigene Nachforschungen die Stichhaltigkeit der
Kündigungsgründe prüfen kann. Teilt der Arbeitgeber objektiv erhebliche Tatsachen dem Betriebsrat deshalb nicht mit, weil er darauf die Kündigung nicht oder
zunächst nicht stützen will, dann ist die Anhörung ordnungsgemäß, weil eine nur bei objektiver Würdigung unvollständige Mitteilung der Kündigungsgründe
nicht zur Fehlerhaftigkeit der Anhörung und Unwirksamkeit der Kündigung nach § 102 BetrVG führt. Eine solche objektiv unvollständige Anhörung verwehrt
es dem Arbeitgeber allerdings, im Kündigungsschutzprozess Gründe nachzuschieben, die über die Erläuterung des mitgeteilten Sachverhalts hinausgehen (BAG
11. Dezember 2003 - 2 AZR 536/02 - AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 65 = EzA BetrVG 2001 § 102 Nr. 5; 7. November 2002 - 2 AZR 599/01 - AP
KSchG 1969 § 1 Krankheit Nr. 40 = EzA KSchG § 1 Krankheit Nr. 50; 8. September 1988 - 2 AZR 103/88 - BAGE 59, 295; 2. November 1989 - 2 AZR
366/89 - RzK III 1b 13).
2. Aus dem Vorbringen des Klägers ergeben sich keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte dem Betriebsrat irgendwelche Tatsachen vorenthalten hätte,
die aus ihrer Sicht für den Kündigungsentschluss maßgebend gewesen wären. Ob die Unterrichtung objektiv unvollständig war, könnte nur von Bedeutung sein,
wenn es nach der kündigungsrechtlichen Rechtslage darauf ankäme. Das ist nicht der Fall. ..." (BAG, Urteil vom 23.02.2010 - 2 AZR 804/08)
***
I. Die Kündigung ist sozial gerechtfertigt, weil sie durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt ist, die einer Weiterbeschäftigung der Klägerin
entgegenstehen (§ 1 Abs. 2 KSchG).
1. Maßgeblicher Zeitpunkt zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Kündigung ist der des Kündigungszugangs (BAG 21. April 2005 - 2 AZR 241/04 - BAGE
114, 258; 12. April 2002 - 2 AZR 256/01 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 120 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 118;
KR/Griebeling 9. Aufl. § 1 KSchG Rn. 550). Grundsätzlich muss zu diesem Zeitpunkt der Kündigungsgrund - hier - der Wegfall der
Beschäftigungsmöglichkeit, vorliegen. Das Gestaltungsrecht Kündigung kann nur bei Vorliegen eines im Zeitpunkt der Kündigungserklärung vorhandenen
Kündigungsgrundes rechtswirksam ausgeübt werden.
a) Dies hätte grundsätzlich zur Folge, dass betriebsbedingte Kündigungen erst möglich wären, wenn der Arbeitsplatz des Arbeitnehmers nicht mehr zur
Verfügung stünde. Wegen der Zukunftsbezogenheit der Kündigung und aus Gründen der Praktikabilität hat das Bundesarbeitsgericht schon eine Absicht zur
Betriebs- oder Abteilungsstilllegung ausnahmsweise als ein dringendes betriebliches Erfordernis iSv. § 1 Abs. 2 KSchG anerkannt, wenn die für den künftigen
Wegfall der Beschäftigung des Arbeitnehmers maßgeblichen Entwicklungen bereits zum Kündigungszeitpunkt feststehen, insbesondere die unternehmerische
Organisationsentscheidung bereits getroffen war und sie sich zum Ablauf der Kündigungsfrist realisiert. Danach kommt es in den Fällen, in denen zwar bei
Zugang der Kündigung noch eine Möglichkeit der Beschäftigung besteht, aber die für den künftigen Wegfall des Beschäftigungsbedürfnisses maßgeblichen
Entscheidungen bereits gefallen sind, darauf an, ob der Arbeitnehmer bis zum Kündigungstermin voraussichtlich entbehrt werden kann (vgl. BAG 12. April
2002 - 2 AZR 256/01 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 120 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 118).
b) Davon ist auszugehen, wenn im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung die auf Tatsachen gestützte, vernünftige betriebswirtschaftliche Prognose
gerechtfertigt ist, dass zum Kündigungstermin mit einiger Sicherheit der Eintritt des die Entlassung erforderlich machenden betrieblichen Grundes vorliegen
wird (st. Rspr. des Senats, vgl. zuletzt 13. Februar 2008 - 2 AZR 543/06 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 175; für den Entschluss zur
Betriebsstilllegung: BAG 28. Mai 2009 - 8 AZR 273/08 - EzA KSchG § 17 Nr. 20). Dabei muss die der entsprechenden Prognose zugrunde liegende
Entscheidung bereits zum Kündigungszeitpunkt endgültig getroffen worden sein und die Maßnahme, zB die Schließung des Betriebs oder der
Betriebsabteilung, aus Sicht der Arbeitsvertragsparteien zum Kündigungszeitpunkt bereits feststehen und greifbare Formen angenommen haben (v.
Hoyningen-Huene Anm. zu BAG 15. März 2001 - 2 AZR 705/99 - in AP BGB § 620 Bedingung Nr. 26). Ist dies nicht der Fall, kann eine zum Wegfall des
Arbeitsplatzes und zur fehlenden Weiterbeschäftigungsmöglichkeit führende Prognose vor Ablauf der Kündigungsfrist nicht erfolgreich gestellt werden.
Vielmehr entfällt die Grundlage für die Kündigung.
c) Deswegen ist eine Kündigung wegen Betriebsschließung nicht sozial gerechtfertigt, solange der Arbeitgeber den Stilllegungsbeschluss lediglich erwogen,
aber noch nicht endgültig gefasst hat (BAG 12. April 2002 - 2 AZR 256/01 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 120 = EzA KSchG § 1
Betriebsbedingte Kündigung Nr. 118; 10. Oktober 1996 - 2 AZR 477/95 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 81 = EzA KSchG § 1
Betriebsbedingte Kündigung Nr. 87). Gleiches gilt, wenn der Arbeitgeber im Kündigungszeitpunkt noch in ernsthaften Verhandlungen über die Veräußerung
des Betriebs oder der Betriebsabteilung steht oder sich um neue Aufträge bemüht. Dann liegt keine unbedingte und endgültige Stilllegungsabsicht vor (BAG 13.
Februar 2008 - 2 AZR 543/06 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 175). Ebenso verhält es sich, wenn die vom Arbeitgeber im
Kündigungszeitpunkt beabsichtigte Maßnahme in Wahrheit keine Stilllegung, sondern ein Betriebsübergang ist (BAG 28. Mai 2009 - 8 AZR 273/08 - EzA
KSchG § 17 Nr. 20).
2. Von diesen Grundsätzen ist - ohne sie allerdings ausdrücklich zu benennen - auch das Landesarbeitsgericht ausgegangen und hat sie in revisionsrechtlich
nicht zu beanstandender Weise auf den Fall angewandt.
a) Das Arbeitsgericht hat in der von ihm durchgeführten Beweisaufnahme, auf deren Ergebnis sich das Landesarbeitsgericht bezogen hat, festgestellt, dass der
Stilllegungsbeschluss im Juni 2006 getroffen und von da an umgesetzt wurde. Irgendwelche Vorbehalte seitens der Beklagten zu 1. waren dabei nicht
erkennbar. Im Gegenteil hat die Beklagte zu 1. in Gesprächen mit dem Betriebsrat, später in Verhandlungen vor der Einigungsstelle, die personelle Umsetzung
des getroffenen Beschlusses systematisch vorangetrieben bis zur Massenentlassungsanzeige und den sich anschließenden Kündigungen. Hätte die Beklagte zu
1. sich insoweit andere Möglichkeiten offenhalten wollen, so wären die genannten Gespräche mit dem Betriebsrat und die mit ihm vereinbarten Regelungen
zum Teil überflüssig gewesen. Dass der Beschluss, wie die Klägerin meint, angesichts der Lieferverpflichtungen unrealistisch und von vorneherein
undurchführbar war, ist durch die festgestellten Tatsachen nicht belegt. Abgesehen von zwei kleineren Einheiten und einigen Nacharbeiten ist der Betrieb
tatsächlich zum 30. Juni 2007 stillgelegt worden. Dass es sich bei den Abtransporten einzelner Maschinen nicht um Betriebsübergänge gehandelt hat, hat das
Landesarbeitsgericht mit gut nachvollziehbaren Gründen angenommen. Die später erfolgten Übertragungen von - zwei kleineren - Abteilungen waren bei
Zugang der Kündigung noch nicht absehbar und wurden erst ab Februar 2007 erörtert und im Mai und Juni besiegelt.
b) Auch die Beweiswürdigung des Landesarbeitsgerichts und des Arbeitsgerichts ist entgegen der Auffassung der Revision nicht zu beanstanden. Sie ist weder
widersprüchlich noch verstößt sie gegen Denkgesetze; sie lässt auch keine wesentlichen Gesichtspunkte außer Acht. Die Erklärungen der von der Beklagten zu
1. zum Beweis ihrer Behauptungen zum Geschehensablauf benannten Zeugen waren eindeutig. Danach kamen Zweifel an der Zweckmäßigkeit der
vollständigen Stilllegung zum 30. Juni 2007 erstmals etwa zwei Monate nach Ausspruch der Kündigung auf. Diese Zweifel ergaben sich nicht daraus, dass die
Beklagte zu 1. von ihren ursprünglichen betriebswirtschaftlichen Überlegungen abgerückt wäre. Vielmehr handelte es sich um neu aufgetretene Gesichtspunkte
der Qualitätssicherung, also um technische Aspekte. Bis zur Kündigung und noch zwei Monate danach kreisten alle Gespräche und Maßnahmen -
einschließlich des Interessenausgleichs, Sozialplans und Kündigungsausspruchs - um die endgültige Stilllegung des Betriebs. Die Aussagen der von der
Klägerin gegenbeweislich benannten und vom Arbeitsgericht vernommenen Zeugen durften von den Vorinstanzen in dem Sinne gewürdigt werden, dass sie
deren Überzeugung von einer ernsthaften und endgültigen Stilllegungsabsicht der Beklagten bei Kündigung nicht entgegenstanden. Die von den Zeugen
bekundeten Tatsachen betrafen entweder Vorgänge vor dem Stilllegungsbeschluss oder solche nach Ausspruch der Kündigung oder standen nur in sehr
indirektem Zusammenhang mit dem Beweisthema.
c) Ohne Erfolg macht die Klägerin geltend, das Landesarbeitsgericht habe den Zeugen I hören müssen. Ihre Verfahrensrüge ist nicht zulässig. Sie hat nicht
mitgeteilt, was der Zeuge I voraussichtlich ausgesagt hätte, wäre er vernommen worden. Schon das Arbeitsgericht hatte darauf hingewiesen, dass Herr I für
Vorgänge Anfang 2006 benannt worden war, aus denen nicht auf das Fehlen eines Stilllegungswillens im Juni 2006 geschlossen werden könne. Auch die Rüge
der Revision, das Landesarbeitsgericht habe den Zeugen F hören müssen, kann nicht durchgreifen. Die Revision trägt vor, Herr F könne bestätigen, dass die
Beklagte zu 1. im Januar 2007 von einer Fortführung der Gummimischerei bis Ende 2007 ausgegangen sei. Indes kam es für das Landesarbeitsgericht nicht auf
die Erwartungen der Beklagten zu 1. im Januar 2007, sondern im November 2006 an. ..." (BAG, Urteil vom 23.02.2010 - 2 AZR 957/08)
***
Die Revision ist unbegründet. Die Kündigung der Schuldnerin vom 11. September 2006 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien rechtswirksam zum 31. März
2007 beendet. Die Kündigung ist nicht sozialwidrig iSd. § 1 Abs. 1 KSchG. Andere Unwirksamkeitsgründe liegen nicht vor.
I. Die Kündigung ist sozial gerechtfertigt (§ 1 Abs. 1, Abs. 2 KSchG). Sie ist durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des
Klägers in dem Betrieb entgegenstehen, bedingt (§ 1 Abs. 2 iVm. § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG) und auch nicht wegen einer fehlerhaften sozialen Auswahl iSv. § 1
Abs. 3 KSchG sozial ungerechtfertigt.
1. Das Landesarbeitsgericht ist rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass die Betriebsbedingtheit der Kündigung nach § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG zu vermuten ist.
Der Kläger hat weder die gesetzliche Vermutung widerlegt noch hat sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs iSv. § 1 Abs. 5 Satz 3
KSchG wesentlich geändert.
a) Das Landesarbeitsgericht hat die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG zu Recht als erfüllt angesehen, ohne dass die Revision
hiergegen erhebliche Rügen erhoben hätte. Die Kündigung vom 11. September 2006 basiert auf einer Betriebsänderung iSd. § 111 BetrVG. Der Kläger ist als
zu kündigender Arbeitnehmer in der Namensliste des Interessenausgleichs vom 15. August 2006 aufgeführt.
b) Soweit der Kläger geltend macht, das dem Interessenausgleich zugrunde liegende Punktesystem sei altersdiskriminierend und die Namensliste deshalb
unwirksam, berührt dies die gesetzliche Vermutung des § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG nicht. Ein möglicher Verstoß gegen das Verbot der Altersdiskriminierung
kann allenfalls zur groben Fehlerhaftigkeit der Sozialauswahl führen. Er hat nicht die "Unwirksamkeit" der Namensliste und des Interessenausgleichs insgesamt
und damit den Wegfall der gesetzlichen Vermutung der Betriebsbedingtheit der Kündigung zur Folge (Senat 12. März 2009 - 2 AZR 418/07 - Rn. 18, AP
KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 97 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 17; 6. November 2008 - 2 AZR 523/07 - Rn. 21, AP KSchG 1969 § 1
Betriebsbedingte Kündigung Nr. 182 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 82; Lingemann/Beck NZA 2009, 577, 581; Adomeit/Mohr NJW 2009, 2255,
2256; Schiefer DB 2009, 733, 734). Wenn die in dem Interessenausgleich benannten Arbeitnehmer nach anderen Kriterien auszuwählen sind als von den
Betriebsparteien vorgesehen, ändert das nichts daran, dass diese ein gesunkenes Arbeitsvolumen erkannt und für die in dem Interessenausgleich vorgesehene
Anzahl von Entlassungen einen betriebsbedingten Grund angenommen haben.
c) Der Kläger hat die gesetzliche Vermutung des § 1 Abs. 5 KSchG nicht widerlegt.
aa) Bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG kann der Arbeitnehmer gemäß § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG iVm. § 292 ZPO darlegen, dass
in Wahrheit eine Beschäftigungsmöglichkeit für ihn weiterhin besteht. Dazu ist ein substantiierter Tatsachenvortrag erforderlich, der den gesetzlich vermuteten
Umstand nicht nur in Zweifel zieht, sondern ausschließt (Senat 23. Oktober 2008 - 2 AZR 163/07 - Rn. 37, AP KSchG 1969 § 1 Namensliste Nr. 18; 22. Januar
2004 - 2 AZR 111/02 - zu C III 7 der Gründe, AP BetrVG 1972 § 112 Namensliste Nr. 1 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 11). Aufgrund der
gesetzlichen Vermutung braucht der Arbeitgeber die Betriebsbedingtheit einer Kündigung nicht im Einzelnen darzutun. Der Arbeitnehmer muss hingegen
substantiiert darlegen, weshalb der Arbeitsplatz trotz der Betriebsänderung noch vorhanden ist oder wo sonst im Betrieb oder Unternehmen er weiterbeschäftigt
werden kann. Dabei können ihm Erleichterungen durch eine abgestufte Verteilung der Darlegungs- und Beweislast zugutekommen (vgl. Senat 12. März 2009 -
2 AZR 418/07 - Rn. 23, AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 97 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 17). Die Vermutung der Betriebsbedingtheit
der Kündigung ist gleichwohl erst widerlegt, wenn der Arbeitnehmer dartut und ggf. beweist, dass das Beschäftigungsbedürfnis in Wirklichkeit nicht
weggefallen ist (vgl. Senat 12. März 2009 - 2 AZR 418/07 - Rn. 23, 24 mwN, aaO).
bb) Es ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Landesarbeitsgericht zu dem Ergebnis gelangt ist, der Vortrag des Klägers reiche nicht aus, um die
Vermutung des Wegfalls des Beschäftigungsbedarfs und des Vorliegens dringender betrieblicher Erfordernisse iSv. § 1 Abs. 2 KSchG zu widerlegen. Der
Kläger hat das Vorliegen betriebsbedingter Kündigungsgründe in erster Linie mit Nichtwissen bestritten. Das ist unzureichend. Soweit er sich darauf berufen
hat, der Geschäftsführer habe in einem Zeitungsbericht die Rücknahme von 330 Kündigungen angekündigt, wird auch damit der Wegfall des
Beschäftigungsbedarfs nicht widerlegt.
d) Die Sachlage hat sich nicht iSv. § 1 Abs. 5 Satz 3 KSchG wesentlich geändert. Das Landesarbeitsgericht hat keine personellen Veränderungen für die Zeit
nach Abschluss des Interessenausgleichs festgestellt, die der gesetzlichen Vermutung des § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG entgegenstünden.
2. Die Kündigung ist nicht wegen einer grob fehlerhaften sozialen Auswahl sozial ungerechtfertigt iSd. § 1 Abs. 3 Satz 1 iVm. § 1 Abs. 5 KSchG.
a) Die Sozialauswahl ist grob fehlerhaft, wenn ein evidenter, ins Auge springender schwerer Fehler vorliegt und der Interessenausgleich jede Ausgewogenheit
vermissen lässt. § 1 Abs. 5 Satz 2 KSchG räumt den Betriebsparteien einen weiten Spielraum bei der Sozialauswahl ein (Senat 12. März 2009 - 2 AZR 418/07 -
Rn. 32, AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 97 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 17; 3. April 2008 - 2 AZR 879/06 - AP KSchG 1969 § 1
Namensliste Nr. 17 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 15). Dies gilt nicht nur für die sozialen Indikatoren und deren Gewichtung selbst, sondern auch
für die Bildung der auswahlrelevanten Gruppen (Senat 12. März 2009 - 2 AZR 418/07 - Rn. 32, aaO; 3. April 2008 - 2 AZR 879/06 - aaO; 23. Oktober 2008 - 2
AZR 163/07 - AP KSchG 1969 § 1 Namensliste Nr. 18 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 16).
b) Die der Namensliste zugrunde liegende soziale Auswahl ist nicht grob fehlerhaft. Insbesondere sind Diskriminierungsverbote nicht verletzt worden. Das von
den Betriebsparteien vereinbarte Punktesystem ist weder in seiner abstrakten Ausgestaltung noch in seiner konkreten Umsetzung zu beanstanden.
aa) Im Streitfall sind die Regelungen des AGG zu berücksichtigen. Zwar sind der Interessenausgleich und die Namensliste schon am 15. August 2006 und
damit drei Tage vor Inkrafttreten des AGG vereinbart worden, die mögliche Benachteiligung liegt aber nicht im Abschluss des Interessenausgleichs, sondern im
Ausspruch der Kündigung. Diese wurde am 11. Februar 2006 erklärt. Sie ist die maßgebliche potentielle Benachteiligung des Klägers, zumindest deren zeitlich
letztes Glied. Bei ihrem Ausspruch galt das AGG bereits. Darauf kommt es an (BAG 14. August 2007 - 9 AZR 943/06 - Rn. 28, BAGE 123, 358;
Bauer/Göpfert/Krieger AGG 2. Aufl. § 33 Rn. 10, 12; Däubler in Däubler/Bertzbach AGG 2. Aufl. § 33 Rn. 4).
bb) Die Diskriminierungsverbote des AGG sind im Rahmen der Prüfung der Sozialwidrigkeit zu beachten. Eine Kündigung kann deshalb sozialwidrig sein,
weil sie gegen eines der im AGG näher ausgestalteten Diskriminierungsverbote verstößt (Senat 6. November 2008 - 2 AZR 523/07 - Rn. 28 ff., AP KSchG
1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 182 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 82). Die in § 2 Abs. 4 AGG geregelte Bereichsausnahme, nach der für
Kündigungen ausschließlich die Bestimmungen zum allgemeinen und besonderen Kündigungsschutz gelten, steht dem nicht entgegen. Die Norm zielt darauf
ab, den Diskriminierungsverboten in Übereinstimmung mit dem Gemeinschaftsrecht für das Kündigungsrecht dadurch Geltung zu verschaffen, dass sie bei
Anwendung der Regelungen zum allgemeinen und besonderen Kündigungsschutz berücksichtigt werden (Senat 6. November 2008 - 2 AZR 523/07 - Rn. 40,
aaO). Dementsprechend sind die Diskriminierungsverbote und die gesetzlich vorgesehenen Rechtfertigungen für unterschiedliche Behandlungen nach dem
AGG als Konkretisierungen des Begriffs der Sozialwidrigkeit zu beachten (Senat 6. November 2008 - 2 AZR 523/07 - Rn. 28, aaO).
cc) Das Lebensalter darf trotz des Verbots der Altersdiskriminierung als Auswahlkriterium bei der Sozialauswahl berücksichtigt werden (Senat 6. November
2008 - 2 AZR 523/07 - Rn. 40, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 182 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 82). Das führt bei der
Anwendung eines Punkteschemas zwar zu einer an das Alter anknüpfenden unterschiedlichen Behandlung. Durch sie werden ältere Arbeitnehmer tendenziell
bevorzugt und jüngere Arbeitnehmer benachteiligt. Diese Ungleichbehandlung und unmittelbare Benachteiligung jüngerer Arbeitnehmer iSv. § 3 Abs. 1 AGG,
ist aber nach § 10 Satz 1 und 2 AGG gerechtfertigt. Sie verfolgt ein legitimes Ziel. Die Mittel zur Erreichung dieses Ziels sind angemessen und erforderlich
(Senat 12. März 2009 - 2 AZR 418/07 - Rn. 39, AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 97 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 17; 6. November 2008
- 2 AZR 523/07 - Rn. 43, aaO). Durch die Berücksichtigung des Lebensalters werden ältere Arbeitnehmer, die typischerweise schlechtere Chancen auf dem
Arbeitsmarkt haben, besser geschützt. Darin liegt ein legitimes Ziel (Senat 12. März 2009 - 2 AZR 418/07 - Rn. 39, aaO; 6. November 2008 - 2 AZR 523/07 -
Rn. 44, aaO). Das Lebensalter ist ein geeignetes und erforderliches Kriterium, um auf die individuellen Arbeitsmarktchancen bei der sozialen Auswahl Bedacht
zu nehmen. Mildere Mittel sind nicht ersichtlich (vgl. Senat 12. März 2009 - 2 AZR 418/07 - Rn. 40, aaO). Dass die Chancen auf dem Arbeitsmarkt auf diese
Weise typisierend und nicht individuell berücksichtigt werden, ist - will man sie überhaupt einbeziehen - unvermeidbar. Jede Aussage über sie muss sich an
Wahrscheinlichkeiten orientieren, die ihrerseits nicht ohne Berücksichtigung von Erfahrungswerten ermittelt werden können. Nach aller Erfahrung sinken mit
steigendem Lebensalter die Vermittlungschancen auf dem Arbeitsmarkt. Zudem wird älteren Arbeitnehmern ein Arbeitsplatzwechsel mit den damit
verbundenen Folgen regelmäßig mehr Schwierigkeiten bereiten als jüngeren. Selbst bei einer individuellen Chancenbewertung könnte dieser Umstand nicht
außer Betracht bleiben (Senat 6. November 2008 - 2 AZR 523/07 - Rn. 46 mwN, aaO).
dd) Die Bestimmungen des § 10 Satz 1 und 2 AGG sind gemeinschaftsrechtskonform. Nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Richtlinie 2000/78/EG können die
Mitgliedstaaten ungeachtet des Art. 2 Abs. 2 "vorsehen, dass Ungleichbehandlungen wegen des Alters keine Diskriminierung darstellen, sofern sie objektiv und
angemessen und im Rahmen des nationalen Rechts durch ein legitimes Ziel, worunter insbesondere rechtmäßige Ziele aus den Bereichen Beschäftigungspolitik,
Arbeitsmarkt und berufliche Bildung zu verstehen sind, gerechtfertigt sind und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind". Von
dieser Möglichkeit hat der deutsche Gesetzgeber mit § 10 AGG Gebrauch gemacht, ohne dabei Ziele aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt
und berufliche Bildung, um deren Erreichung willen eine Ungleichbehandlung gerechtfertigt sein könne, besonders zu erwähnen. Da solche Ziele aber nach der
Richtlinie nicht als einzige legitim sind, wie die Hervorhebung durch "insbesondere" zeigt, ist dies schon deshalb unbedenklich (EuGH 5. März 2009 -
C-388/07 - [Age Concern England] Rn. 43 ff., EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 9; BAG 26. Mai 2009 - 1 AZR 198/08 - Rn. 37, AP BetrVG 1972
§ 112 Nr. 200 = EzA BetrVG 2001 § 112 Nr. 31). Auch muss der Gesetzgeber die wegen eines sozialpolitischen Ziels für geboten erachtete
Ungleichbehandlung nicht im Detail selbst regeln, sondern kann den zur Ausgestaltung berufenen Tarifvertrags- und Betriebsparteien Gestaltungs- und
Beurteilungsspielräume einräumen. Dies wird sowohl in Art. 16b Richtlinie 2000/78/EG selbst als auch an ihrem 36. Erwägungsgrund deutlich (vgl. auch
EuGH 16. Oktober 2007 - C-411/05 - [Palacios de la Villa] Rn. 68, 74, Slg. 2007, I-8531). Die Frage, ob nach Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie auch reine
Arbeitgeberinteressen als legitime Ziele in Betracht kommen, stellt sich im vorliegenden Fall nicht. Die Berücksichtigung der Höhe des Lebensalters zugunsten
der Betroffenen diente nicht etwa allein den Interessen der Schuldnerin.
ee) Die Betriebsparteien konnten das Lebensalter "linear" berücksichtigen. Entgegen der Auffassung des Klägers mussten sie bei der Vergabe von
Sozialpunkten nicht nach Altersgruppen differenzieren. Weder die Diskriminierungsvorschriften des AGG noch die Richtlinie 2000/78/EG verlangen zwingend
eine Differenzierung nach Altersstufen. Auch die lineare Vergabe von Sozialpunkten orientiert sich in typisierender Weise an den bei steigendem Lebensalter
schlechteren Arbeitsmarktchancen und verfolgt ein legitimes Ziel iSv. § 10 Satz 1 und 2 AGG. Durch sie werden zudem "Sprünge" vermieden, die ihrerseits zu
Ungerechtigkeiten führen können. Im Übrigen bewirkt sie schon wegen der gebotenen Berücksichtigung der weiteren Sozialkriterien iSv. § 1 Abs. 3 Satz 1
KSchG keineswegs zwangsläufig eine Auswahl zuungunsten der jüngeren Arbeitnehmer (Bauer/Göpfert/Krieger AGG 2. Aufl. § 10 Rn. 45 i).
ff) Die Gewichtung der einzelnen Auswahlkriterien im Punktesystem des Interessenausgleichs hält sich in dem von § 1 Abs. 3 Satz 1, Abs. 5 Satz 2 KSchG
vorgegebenen Wertungsspielraum der Betriebsparteien.
(1) Wie die in § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG aufgeführten Kriterien untereinander zu gewichten sind, ist gesetzlich nicht vorgegeben. Keinem von ihnen kommt eine
Priorität gegenüber den anderen zu (Senat 2. Juni 2005 - 2 AZR 480/04 - Rn. 39, BAGE 115, 92; 5. Dezember 2002 - 2 AZR 549/01 - zu B III 4 der Gründe,
AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 59 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 49; KR/Etzel 9. Aufl. § 1 KSchG Rn. 678 f.; ErfK/Oetker 10. Aufl. § 1
KSchG Rn. 330). Den Betriebsparteien steht deshalb für die "ausreichende" Berücksichtigung der Kriterien, wenn sie eine Auswahlrichtlinie nach § 95 BetrVG
aufstellen, ein großer Spielraum zu. Eine von ihnen festgelegte relative Gewichtung der sozialen Gesichtspunkte des § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG untereinander
kann nach § 1 Abs. 4 KSchG nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Eine von ihnen geregelte Punktetabelle ist nur dann nicht anzuwenden, wenn
eines der gesetzlichen Auswahlkriterien gar nicht oder so gering bewertet wird, dass es als relevantes Auswahlkriterium nicht ins Gewicht fällt und allenfalls in
Ausnahmefällen eine Rolle spielt (Senat 18. Oktober 2006 - 2 AZR 473/05 - Rn. 22, BAGE 120, 18). Der gleiche Maßstab gilt gemäß § 1 Abs. 5 Satz 2 KSchG
für eine Namensliste im Sinne des Satzes 1 der Bestimmung.
(2) Das Punktesystem des Interessenausgleichs vom 15. August 2006 hält sich innerhalb dieses Wertungsspielraums. Es berücksichtigt mit dem Lebensalter, der
Dauer der Betriebszugehörigkeit, den Unterhaltspflichten und der Schwerbehinderung alle vom Gesetz vorgegebenen sozialen Kriterien. Jedes dieser Kriterien
kann hinreichenden Einfluss auf das Ergebnis der Sozialauswahl nehmen. Zwar werden bestehende Unterhaltspflichten relativ gering, aber nicht evident
unterbewertet. Ihnen kommt noch ausreichendes Gewicht zu.
gg) Die der Namensliste zugrunde liegende Sozialauswahl ist nicht wegen der Herausnahme zahlreicher Leistungsträger iSv. § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG grob fehlerhaft.
Es kann dahinstehen, ob die Weiterbeschäftigung der als Schlüsselkräfte bezeichneten Arbeitnehmer tatsächlich im berechtigten betrieblichen Interesse lag.
Selbst wenn sie alle in die Sozialauswahl einbezogen würden, ist der Kläger nicht zu Unrecht gekündigt worden. Ein Fehler bei der Sozialauswahl führt nur
dann zur Unwirksamkeit der Kündigung, wenn er die Auswahl des betreffenden Arbeitnehmers tatsächlich beeinflusst hat. Dies gilt auch im Rahmen von § 1
Abs. 4, Abs. 5 KSchG (zu § 1 Abs. 4 KSchG: Senat 18. Oktober 2006 - 2 AZR 473/05 - Rn. 28, BAGE 120, 18). Bei Anwendung eines kollektiven
Punktesystems reicht es für die Unwirksamkeit der Kündigung eines Arbeitnehmers nicht aus, dass ein anderer Arbeitnehmer unberechtigterweise von einer
Kündigung ausgenommen wurde, wenn der gekündigte Arbeitnehmer auch bei rechtlich korrekter Erstellung der Rangliste gekündigt worden wäre (Senat 9.
November 2006 - 2 AZR 812/05 - Rn. 16 ff., BAGE 120, 137).
So verhält es sich hier. Der Kläger hätte angesichts seiner Punktzahl und Rangnummer selbst dann zur Kündigung angestanden, wenn die als solche
bezeichneten Schlüsselkräfte nicht aus der Sozialauswahl herausgenommen worden wären.
hh) Die Sozialauswahl ist nicht deshalb grob fehlerhaft, weil die Unterhaltsverpflichtung des Klägers gegenüber seinem Kind bei der Punkteermittlung nicht
berücksichtigt wurde. Daher kommt es nicht darauf an, ob die Betriebsparteien die Berücksichtigung von Unterhaltspflichten gegenüber Kindern von deren
Eintragung in die Lohnsteuerkarte abhängig machen durften (vgl. dazu Senat 17. Januar 2008 - 2 AZR 405/06 - Rn. 23, AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl
Nr. 96). Auch wenn seine Unterhaltspflicht berücksichtigt würde, hätte der Kläger zur Kündigung angestanden. Mit zwei weiteren Punkten hätte er - selbst bei
Einbeziehung aller "Schlüsselkräfte" - keinen Listenplatz erreicht, von dem ab keine Kündigungen mehr erfolgten.
II. Die Kündigung ist nicht wegen fehlerhafter Anhörung des Betriebsrats unwirksam (§ 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG).
1. Der Betriebsrat war sowohl über die Person des Klägers und den Zeitpunkt der Kündigung als auch über die für die Schuldnerin maßgeblichen
Kündigungsgründe hinreichend informiert.
a) Der Arbeitgeber ist auch bei Vorliegen eines Interessenausgleichs iSd. § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG verpflichtet, den Betriebsrat gemäß § 102 BetrVG zu einer
beabsichtigten Kündigung anzuhören. Die Betriebsratsanhörung unterliegt insoweit keinen erleichterten Anforderungen. Allerdings muss er dem Wegfall des
Arbeitsplatzes und der Sozialauswahl zugrunde liegende Tatsachen, die dem Betriebsrat bereits aus den Verhandlungen zum Abschluss eines
Interessenausgleichs bekannt sind, im Anhörungsverfahren nicht erneut mitteilen. Dies gilt zumindest dann, wenn zwischen den Verhandlungen über den
Interessenausgleich und der Anhörung - wie hier - ein überschaubarer Zeitraum liegt (Senat 22. Januar 2004 - 2 AZR 111/02 - zu C VII der Gründe mwN, A P
BetrVG 1972 § 112 Namensliste Nr. 1 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 11).
b) Der Betriebsrat hat in § 9 des Interessenausgleichs vom 15. August 2006 und in einer gesonderten "Regelungsabrede" vom selben Tag ausdrücklich erklärt,
dass ihm die Kündigungsgründe und die relevanten Sozialdaten der betroffenen Arbeitnehmer bekannt gewesen seien. Der Kläger hat nicht vorgetragen, von
welchen bedeutsamen Umständen der Betriebsrat gleichwohl keine Kenntnis gehabt haben soll.
2. Die Betriebsratsanhörung ist nicht mangels Unterrichtung über die Unterhaltspflicht des Klägers gegenüber seinem Kind fehlerhaft.
a) Die dem Betriebsrat nach § 102 Abs. 1 BetrVG mitzuteilenden Gründe für die Kündigung sind subjektiv determiniert (vgl. Senat 23. Oktober 2008 - 2 AZR
163/07 - Rn. 19 mwN, AP KSchG 1969 § 1 Namensliste Nr. 18 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 16). Der Betriebsrat ist ordnungsgemäß angehört
worden, wenn ihm der Arbeitgeber die aus seiner Sicht tragenden Gründe mitgeteilt hat. Dabei muss der Arbeitgeber seinen Wissensstand richtig an den
Betriebsrat weitergeben. Eine aus Sicht des Arbeitgebers bewusst unrichtige oder unvollständige und damit irreführende Darstellung ist keine ordnungsgemäße
Anhörung. Dagegen ist der Arbeitgeber nicht verpflichtet, im Rahmen der Betriebsratsanhörung die Richtigkeit dokumentierter Daten zu überprüfen. Er kann
deshalb, solange er anderes nicht weiß, von den Eintragungen in der Lohnsteuerkarte ausgehen und dies dem Betriebsrat mitteilen (Senat 24. November 2005 -
2 AZR 514/04 - zu B I 1 der Gründe, AP KSchG 1969 § 1 Krankheit Nr. 43 = EzA KSchG § 1 Krankheit Nr. 51).
b) Im Streitfall hatte die Schuldnerin den Betriebsrat darauf hingewiesen, dass sie die Unterhaltspflichten anhand der Angaben auf den Lohnsteuerkarten
ermittelt hat. Die Unterrichtung ist iSv. § 102 Abs. 1 BetrVG nicht fehlerhaft.
III. Die Unwirksamkeit der Kündigung ergibt sich nicht aus § 17 KSchG. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hat die Schuldnerin gegenüber der
Bundesagentur für Arbeit noch vor Ausspruch der Kündigungen die Massenentlassung angezeigt. Anhaltspunkte für inhaltliche Mängel der Anzeige sind nicht
ersichtlich. ..." (BAG, Urteil vom 05.11.2009 - 2 AZR 676/08)
***
„... IV. Die Kündigung ist nicht sozial ungerechtfertigt iSd. § 1 KSchG. Sie ist durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt, die der Weiterbeschäftigung
der Klägerin entgegenstehen.
1. Als eine die Gerichte grundsätzlich bindende unternehmerische Organisationsentscheidung, die zum Wegfall von Arbeitsplätzen führen und ein dringendes
betriebliches Erfordernis für eine Kündigung darstellen kann, ist die Vergabe von bisher im Betrieb durchgeführten Arbeiten an ein anderes Unternehmen
anerkannt (Senat 7. Dezember 2006 - 2 AZR 748/05 - Rn. 38, AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 88 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 74; 16.
Dezember 2004 - 2 AZR 66/04 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 133 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 136).
2. Die Beklagte hat die städtischen Seniorenwohnanlagen und Pflegeheime, bei denen die Klägerin beschäftigt war, zum 1. Januar 2008 an die von ihr
gegründete gemeinnützige GmbH übertragen. Damit war bei Zugang der Kündigung am 16. April 2008 die bisherige Beschäftigungsmöglichkeit für die
Klägerin bereits seit mehreren Monaten entfallen.
3. Die Kündigung war nicht unverhältnismäßig.
a) Eine Beendigungskündigung ist unter Beachtung des in § 1 Abs. 2 Satz 2 KSchG zum Ausdruck kommenden Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit auch
dann nicht geboten und deshalb sozial ungerechtfertigt, wenn der zu kündigende Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in
einem anderen Betrieb des Unternehmens - ggf. zu veränderten Arbeitsbedingungen - weiter beschäftigt werden kann. In diesem Fall ist anstelle einer
Beendigungskündigung eine den verbliebenen Beschäftigungsmöglichkeiten Rechnung tragende Änderungskündigung auszusprechen (vgl. nur Senat 26. Juni
2008 - 2 AZR 1109/06 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 180).
aa) Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Frage, ob ein Kündigungsgrund vorliegt, ist derjenige des Kündigungszugangs. Da das Fehlen einer
anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeit zum Kündigungsgrund gehört, sind auch die insoweit maßgeblichen Tatsachen aus dem Blickwinkel des Zeitpunkts
der Kündigung zu beurteilen (Senat 25. April 2002 - 2 AZR 260/01 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 121 = EzA KSchG § 1
Betriebsbedingte Kündigung Nr. 121).
bb) Dabei kann die Erweiterung des Blickfeldes auf in der Vergangenheit liegende Umstände und auf solche zukünftigen Entwicklungen geboten sein, für die
bereits bei Kündigung greifbare Anhaltspunkte bestehen. Eine Rückschau muss insbesondere insoweit stattfinden, als der Arbeitgeber nicht durch zweckvolle
Bestimmung des Kündigungszeitpunkts auf der Hand liegende anderweitige Beschäftigungsmöglichkeiten außer Acht lassen und dadurch den
Kündigungsgrund selbst herbeiführen kann, indem er beispielsweise den Kündigungszeitpunkt verschiebt, um zunächst freie Beschäftigungsmöglichkeiten zu
beseitigen (Senat 5. Juni 2008 - 2 AZR 107/07 - mwN, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 178 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte
Kündigung Nr. 161; 15. August 2002 - 2 AZR 195/01 - BAGE 102, 197). Eine Vorausschau zu Gunsten des Arbeitgebers findet statt, wenn der
Beschäftigungsbedarf zwar bei Ausspruch der Kündigung noch besteht, aber sein Wegfall bis zum Ablauf der Kündigungsfrist sicher absehbar ist. Zu Gunsten
des Arbeitnehmers ist ggf. zu berücksichtigen, dass er zwar nicht bei Ausspruch der Kündigung, wohl aber bei Ablauf der Kündigungsfrist im selben Betrieb
oder Unternehmen auf einem anderen freien Arbeitsplatz weiterbeschäftigt werden kann (Senat 15. Dezember 1994 - 2 AZR 327/94 - AP KSchG 1969 § 1
Betriebsbedingte Kündigung Nr. 67 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 75).
cc) Besteht nach diesen Grundsätzen ein Kündigungsgrund, so ist eine Kündigung sozial gerechtfertigt. Vom Arbeitgeber kann dann nicht verlangt werden,
seinen Kündigungsentschluss, zB weil das Arbeitsverhältnis ruht und ihn kaum "belastet", so lange zu verschieben, bis das Arbeitsverhältnis nicht mehr ruht,
der Kündigungsgrund aber - möglicherweise - wieder entfallen ist (Senat 21. April 2005 - 2 AZR 241/04 - BAGE 114, 258 für den Fall der Sozialauswahl). Das
dem Arbeitgeber eingeräumte Recht zum Ausspruch der Kündigung bei Vorliegen der in § 1 Abs. 2 KSchG normierten Voraussetzungen lässt sich nicht
dadurch beiseite schieben, dass ihm, zB mit Blick auf das Ruhen des Arbeitsverhältnisses, angesonnen wird, solange zu warten, bis die Gründe eventuell nicht
mehr vorliegen. Die Einbeziehung zukünftiger Entwicklungen ist nur für diejenigen Umstände gerechtfertigt, die aus dem Blickwinkel des Zeitpunkts der
Kündigung für den Arbeitgeber erkennbar sind, nicht aber für solche, deren späterer Eintritt ungewiss ist. Andernfalls wäre dem Arbeitgeber die Möglichkeit
genommen, eine rationale Kündigungsentscheidung zu treffen.
b) Hieran gemessen fehlt es im Streitfall nicht wegen anderweitiger Beschäftigungsmöglichkeit an den vom Gesetz verlangten dringenden betrieblichen Erfordernissen.
aa) Bei Ausspruch der Kündigung war kein freier Arbeitsplatz für die Klägerin vorhanden. Das hat das Landesarbeitsgericht festgestellt, ohne dass die Klägerin
insoweit eine Verfahrensrüge erhoben hätte.
bb) Die Beklagte war auch nicht, wie die Klägerin meint, verpflichtet, abzuwarten, ob nach Ablauf der Frist, für die ihr Rente wegen Erwerbsminderung
bewilligt worden war, eine Beschäftigungsmöglichkeit entstünde. Eine solche Möglichkeit war bei Ausspruch der Kündigung nicht absehbar. Die Klägerin hat
hier im Wesentlichen auf die zweifellos gegebene Möglichkeit verwiesen, dass die Privatisierung des Altenpflegebereichs von der Beklagten aufgrund neuer
Überlegungen wieder rückgängig gemacht werden könnte. Damit ist aber keine sicher erkennbare zukünftige Einsatzmöglichkeit dargetan. Nicht absehbar war
im Übrigen auch, wie lange die Erwerbsminderung vorliegen und deshalb das Arbeitsverhältnis ruhen würde. Wie der spätere Verlauf zeigt, wurde die
ursprüngliche Frist um drei Jahre verlängert. Es ist nicht auszuschließen, dass die Frist erneut verlängert wird oder eine Erwerbsfähigkeit bei der Klägerin gar
nicht mehr eintritt.
cc) Es kommt auch nicht darauf an, welche wirtschaftlichen Nachteile der Verzicht auf den Kündigungsausspruch zeitigen würde. Es ist nicht Voraussetzung
einer betriebsbedingten Kündigung, dass ihr Unterbleiben den Arbeitgeber schädigt. Maßgeblich ist allein, ob bei ihrem Ausspruch die
Beschäftigungsmöglichkeit auf Dauer entfallen ist. Dies ist hier der Fall. Dass das Arbeitsverhältnis seiner Funktion, dem Leistungsaustausch, nicht nur
mangels Beschäftigungsmöglichkeit, sondern zusätzlich infolge des Ruhens der vertraglichen Pflichten nicht mehr dienen kann, verschlägt nichts. Dass ein
Rechtsverhältnis nicht nur aus einem, sondern aus mehreren Gründen funktionslos geworden ist, ist kein überzeugendes Argument für seine Aufrechterhaltung.
..." (BAG, Urteil vom 09.09.2010 - 2 AZR 493/09)
***
„... A. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung - soweit für die Revision noch von Bedeutung - im Wesentlichen wie folgt begründet: Die Kündigung
sei sozial gerechtfertigt. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG lägen vor. Eine wesentliche Änderung der Sachlage iSd. § 1 Abs. 5
Satz 3 KSchG sei durch die freiwilligen Austritte von Arbeitnehmern nicht eingetreten. Der Kläger habe die sich aus dem Interessenausgleich mit Namensliste
ergebende Vermutung der Betriebsbedingtheit der Kündigung nicht widerlegt. Aus seinem Vorbringen zu angefallenen Überstunden und der Beschäftigung von
Leiharbeitnehmern sei nicht ersichtlich, dass der konkrete Arbeitsplatz des Klägers in Vollstundenzahl betroffen gewesen sei. Die Sozialauswahl sei nicht grob
fehlerhaft. Dies gelte sowohl für die Bildung der beiden Vergleichsgruppen Maschinenbediener und Montierer, als auch für die Bildung von Altersgruppen.
Letzteres sei auch unter Berücksichtigung eines dem Gemeinschaftsrecht zu entnehmenden Verbots der Altersdiskriminierung nicht zu beanstanden, wobei
offen bleiben könne, inwieweit bei Ausspruch der Kündigung überhaupt schon ein entsprechender Diskriminierungsschutz bestanden habe. Die
Gruppenbildung sei jedenfalls in ihrer konkreten Ausgestaltung durch das legitime Ziel des Erhalts der Altersstruktur gerechtfertigt, insoweit auch erforderlich
und angemessen. Ausgehend davon, dass der Kläger sich jedenfalls auf nicht mehr als 87 Sozialpunkte berufen könne, seien alle von ihm benannten
Arbeitnehmer entweder nicht vergleichbar oder aufgrund höherer Sozialpunktzahl sozial schutzbedürftiger. Die Betriebsratsanhörung sei ordnungsgemäß
durchgeführt worden.
B. Dem folgt der Senat im Ergebnis und in weiten Teilen der Begründung. Die Klage ist unbegründet. Die Kündigung der Beklagten vom 23. Juni 2006 hat das
Arbeitsverhältnis rechtswirksam zum 31. Januar 2007 aufgelöst.
I. Die Kündigung ist nicht sozialwidrig iSd. § 1 KSchG. Sie ist durch dringende betriebliche Erfordernisse, die der Weiterbeschäftigung des Klägers entgegen
stehen, bedingt (§ 1 Abs. 2 iVm. § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG) und auch nicht wegen grob fehlerhafter sozialer Auswahl sozial ungerechtfertigt (§ 1 Abs. 3 iVm. §
1 Abs. 5 Satz 2 KSchG).
1. Bei der Frage, ob eine Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb
entgegenstehen, bedingt ist und ob die soziale Auswahl grob fehlerhaft ist, handelt es sich um die Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe. Sie kann vom
Revisionsgericht nur dahin überprüft werden, ob das Berufungsgericht die Rechtsbegriffe selbst verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts
unter die Rechtsnorm des § 1 KSchG Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt hat, ob es alle wesentlichen Umstände berücksichtigt hat und ob
die Entscheidung in sich widerspruchsfrei ist (st. Rspr., vgl. etwa Senat 22. Januar 2004 - 2 AZR 111/02 - AP BetrVG 1972 § 112 Namensliste Nr. 1 = EzA
KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 11; 21. Februar 2001 - 2 AZR 39/00 - EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 8). Diesem eingeschränkten
Prüfungsmaßstab hält das Berufungsurteil in jeder Hinsicht stand.
2. Die Kündigung ist sozial gerechtfertigt iSd. § 1 Abs. 2 und 5 KSchG. Das Landesarbeitsgericht ist rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass die
Betriebsbedingtheit der Kündigung nach § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG zu vermuten ist und der Kläger die Vermutung auch nicht zu widerlegen vermochte.
a) Das Landesarbeitsgericht hat die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG, nämlich dass die Kündigung aufgrund einer
Betriebsänderung nach § 111 BetrVG ausgesprochen wurde, bei der die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll - hierunter unstreitig auch der Kläger - in
einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich benannt waren, als erfüllt angesehen, ohne dass dies von der Revision angegriffen
wird. Ein Rechtsfehler ist insoweit nicht zu erkennen. Dies gilt auch soweit der Kläger geltend macht, die von den Betriebsparteien vorgenommene Bildung von
Altersgruppen verstoße gegen europarechtliche Diskriminierungsverbote. Ein solcher Verstoß kann, wenn er vorliegt, zur groben Fehlerhaftigkeit der
Sozialauswahl führen, hat aber nicht die "Unwirksamkeit" der Namensliste und damit den Wegfall der Vermutungswirkung zur Folge (vgl. Senat 6. November
2008 - 2 AZR 523/07 - DB 2009, 626).
b) Die nach Abschluss des Interessenausgleichs eingetretenen personellen Veränderungen stehen dem Eingreifen des § 1 Abs. 5 Satz 1 und 2 KSchG nicht
entgegen. Die Voraussetzungen des § 1 Abs. 5 Satz 3 KSchG liegen nicht vor.
aa) Nach § 1 Abs. 5 Satz 3 KSchG kommt ua. die Vermutung der Betriebsbedingtheit der Kündigung dann nicht zur Anwendung, soweit sich die Sachlage nach
Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Eine wesentliche Änderung der Sachlage liegt nur dann vor, wenn von einem Wegfall der
Geschäftsgrundlage auszugehen ist (Senat 22. Januar 2004 - 2 AZR 111/02 - AP BetrVG 1972 § 112 Namensliste Nr. 1 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich
Nr. 11; 21. Februar 2001 - 2 AZR 39/00 - EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 8). Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der wesentlichen Änderung
ist der Kündigungszeitpunkt (APS/Kiel 3. Aufl. § 1 KSchG Rn. 807; HWK/Quecke 3. Aufl. § 1 KSchG Rn. 434; Fischermeier NZA 1997, 1089, 1098).
Wesentlich ist die Änderung dann, wenn nicht ernsthaft bezweifelt werden kann, dass beide Betriebspartner oder einer von ihnen den Interessenausgleich in
Kenntnis der späteren Änderung nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen hätten. Dies ist etwa der Fall, wenn sich nachträglich ergibt, dass nun gar keine oder
eine andere Betriebsänderung durchgeführt werden soll oder wenn sich die im Interessenausgleich vorgesehene Zahl der zur Kündigung vorgesehenen
Arbeitnehmer erheblich verringert hat (s. dazu auch BT-Drucks. 15/1204 S. 12). Eine geringfügige Veränderung genügt nicht (Senat 23. Oktober 2008 - 2 AZR
163/07 -; Fischermeier NZA 1997, 1089, 1097; von Hoyningen-Huene/Linck DB 1997, 41, 45).
bb) Gemessen daran ist die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, eine wesentliche Änderung der Sachlage sei nicht gegeben, revisionsrechtlich nicht zu
beanstanden. Die Anzahl der abzubauenden Arbeitsplätze änderte sich nach dem Zustandekommen des Interessenausgleichs nicht. Dass der Personalabbau der
auf der Namensliste befindlichen Arbeitnehmer zu einem Großteil aufgrund Wechsels zur Transfergesellschaft ohne Kündigungen abgewickelt werden konnte,
ist unbeachtlich. Soweit Kündigungen ursprünglich auf der Namensliste stehender Arbeitnehmer durch das freiwillige Ausscheiden anderer Arbeitnehmer
vermieden werden konnte, liegt darin schon deshalb keine wesentliche Änderung der Sachlage, weil die Betriebsparteien diese Entwicklung bei Abschluss des
Interessenausgleichs bedacht und für solche Fälle unter Nr. 4 Abs. 2 des Interessensausgleichs eine Regelung getroffen haben. Dafür, dass die Betriebsparteien
die Streichungen nicht auf der Grundlage der im Interessenausgleich getroffenen Festlegungen vorgenommen haben, liegen keine Anhaltspunkte vor. Die
Revision macht hierzu auch nichts mehr geltend.
c) Auch die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts, der Kläger habe den ihm obliegenden Gegenbeweis zur Widerlegung der nach § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG
vermuteten Betriebsbedingtheit der Kündigung nicht geführt, lassen keinen revisiblen Rechtsfehler erkennen.
aa) Bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG muss der Arbeitnehmer gemäß § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG iVm. § 292 ZPO darlegen, dass
die Beschäftigung für ihn nicht weggefallen ist. Dazu ist substantiierter Tatsachenvortrag erforderlich, der den gesetzlich vermuteten Umstand nicht nur in
Zweifel zieht, sondern ausschließt (Senat 22. Januar 2004 - 2 AZR 111/02 - AP BetrVG 1972 § 112 Namensliste Nr. 1 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich
Nr. 11; 23. Oktober 2008 - 2 AZR 163/07 -). Die Vermutung soll bewirken, dass der Arbeitgeber die Betriebsbedingtheit einer Kündigung nicht mehr in ihren
Einzelheiten darzulegen braucht. Dementsprechend muss der Arbeitnehmer substantiiert darlegen, wieso der Arbeitsplatz trotz der Betriebsänderung noch
vorhanden ist oder wo er sonst im Betrieb oder Unternehmen weiterbeschäftigt werden kann (Senat 7. Mai 1998 - 2 AZR 536/97 - BAGE 88, 363). Allerdings
können für den Arbeitnehmer bei der Führung des Gegenbeweises gewisse Erleichterungen in Betracht kommen. Handelt es sich um Geschehnisse aus dem
Bereich des Arbeitgebers, so mindert sich die Darlegungslast des Arbeitnehmers durch eine sich aus § 138 Abs. 1 und 2 ZPO ergebende Mitwirkungspflicht des
Arbeitgebers (sekundäre Behauptungslast: vgl. Senat 6. September 2007 - 2 AZR 715/06 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 170 = EzA
KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 14; APS/Kiel 3. Aufl. § 1 KSchG Rn. 810; Eylert/Schinz AE 2004, 219, 227). Unter Berücksichtigung dieser prozessualen
Erleichterungen bei der Darlegungslast begegnet § 1 Abs. 5 KSchG keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken (ausführlich: Senat 6. September
2007 - 2 AZR 715/06 - aaO).
bb) Die Vermutung der Betriebsbedingtheit der Kündigung ist als widerlegt anzusehen, wenn der Arbeitnehmer darlegt und im Bestreitensfall beweist, dass der
nach dem Interessenausgleich in Betracht kommende betriebsbedingte Grund nicht vorliegt, weil das Beschäftigungsbedürfnis in Wirklichkeit nicht
weggefallen ist. Das kann etwa der Fall sein, wenn die Arbeit nach wie vor vorhanden, der Arbeitnehmer aber durch andere Arbeitnehmer, beispielsweise durch
einen Leiharbeitnehmer (unzulässige Austauschkündigung: vgl. Senat 26. September 1996 - 2 AZR 200/96 - BAGE 84, 209, 214; Moll/Ittmann RdA 2008,
321) oder dadurch ersetzt worden ist, dass andere Arbeitnehmer seine Tätigkeiten in überobligatorischer Art und Weise, etwa durch Überstunden, miterledigen
(unzulässige Leistungsverdichtung: vgl. Senat 17. Juni 1999 - 2 AZR 522/98 - BAGE 92, 61, 68).
cc) Diesen Anforderungen wird das Vorbringen des Klägers nicht gerecht. Das Landesarbeitsgericht hat die Anforderungen an die Substantiierungslast des
Klägers nicht überspannt.
(1) Der Kläger hat sich mit der Personalbedarfsberechnung der Beklagten, die diese im Prozess vorgelegt hat, nicht auseinandergesetzt. Es fehlt insoweit an
jeglichen Darlegungen, weshalb diese fehlerhaft sein soll und sich hieraus kein bzw. kein in dem Maße reduzierter Personalbedarf ergeben soll, dass das
Bedürfnis, den Kläger zu beschäftigen, nicht entfallen ist.
(2) Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die in beschränktem Umfang an Wochenenden geleisteten Überstunden, auch soweit hiervon Maschinenbediener
betroffen waren, rechtfertigten nicht den Schluss, dass weiterhin Beschäftigungsbedarf für den Kläger im Umfang einer Vollzeitbeschäftigung bestehe, hält sich
im tatrichterlichen Beurteilungsspielraum. Zum einen übersteigt nach dem eigenen Vorbringen des Klägers die Zahl der abgebauten Arbeitsplätze im Bereich
der Maschinenbediener die Anzahl der an den Wochenenden eingesetzten Arbeitnehmer bei Weitem. Zum anderen fehlt es auch an hinreichend substantiiertem
Vorbringen des Klägers zur Regelmäßigkeit der behaupteten Überstunden. Insoweit hatte die Beklagte zuletzt vorgebracht, die Überstunden seien auf
unvorhersehbare Sachverhalte, wie verändertes Abrufverhalten der Kunden, zusätzliche Umrüstzeiten und Maschinenausfälle, zurückzuführen gewesen.
Hierauf hat der Kläger, der im Rahmen seiner Kündigungsfrist jedenfalls noch bis 31. Januar 2007 im Arbeitsverhältnis zur Beklagten stand, nicht mit
substantiiertem Gegenvortrag erwidert. Weshalb ihm dies nicht möglich gewesen sein soll, erschließt sich aus dem Vorbringen des Klägers nicht.
(3) Auch der vom Kläger geltend gemachte Einsatz von Leiharbeitnehmern lässt nicht hinreichend erkennen, dass über den Kündigungstermin hinaus ein
Beschäftigungsbedürfnis für den Kläger bestanden hat. Hinsichtlich einer nach den Behauptungen des Klägers erfolgten Beschäftigung von Leiharbeitnehmern
in anderen Arbeitsbereichen (zB in der Gießerei/Montage) hat der Kläger nicht deutlich gemacht, wie sich dies auf seine Beschäftigungsmöglichkeiten als
Maschinenbediener ausgewirkt haben soll. Was den behaupteten Einsatz von ca. vier Leiharbeitnehmern in der mechanischen Fertigung anbelangt, lässt dies bei
dem erheblichen Umfang des Personalabbaus nicht erkennen, wie hierdurch die Beschäftigungsmöglichkeiten des Klägers beeinflusst worden sein sollen.
Darauf hat das Landesarbeitsgericht mit Recht hingewiesen. Im Übrigen hat der Kläger auch nicht hinreichend substantiiert und insbesondere unter
Beweisantritt zu den von der Beklagten vorgetragenen Gründen für die Leiharbeit (etwa Vertretungsfälle) Stellung genommen. Diese Gründe sind aber
erheblich, da grundsätzlich nur der dauerhafte Einsatz von Leiharbeitnehmern im Hinblick auf die Kündigung des Klägers Bedeutung gewinnen konnte.
(4) Die in diesem Zusammenhang erhobenen Verfahrensrügen der Revision, das Landesarbeitsgericht habe zu Unrecht keinen Beweis erhoben und seine
Hinweispflicht verletzt, genügen nicht den hieran zu stellenden Anforderungen (vgl. dazu eingehend BAG 6. Januar 2004 - 9 AZR 680/02 - BAGE 109, 145).
Die Rüge der unterlassenen Beweiserhebung benennt weder konkret Beweisthema noch -mittel unter Angabe der vorinstanzlichen Fundstelle, noch wird
dargetan, dass es sich um berücksichtigungsfähiges Vorbringen handelte und welches Ergebnis von Entscheidungsrelevanz eine Beweisaufnahme gezeitigt
hätte. Mit der Rüge der "Fragepflichtverletzung" beanstandet der Kläger unzulässigerweise nicht einen ihm gegenüber, sondern einen der Beklagten gegenüber
unterlassenen Hinweis.
3. Die Kündigung ist nicht wegen einer fehlerhaften sozialen Auswahl sozial ungerechtfertigt iSd. § 1 Abs. 3 Satz 1 iVm. § 1 Abs. 2 KSchG. Die soziale
Auswahl war nicht grob fehlerhaft iSd. § 1 Abs. 5 Satz 2 KSchG.
a) Die Beklagte hat ihre Auskunftspflicht nach § 1 Abs. 3 Satz 1 2. Halbs. KSchG - wozu sie auch in den Fällen des § 1 Abs. 5 KSchG verpflichtet blieb (vgl.
Senat 22. Januar 2004 - 2 AZR 111/02 - mwN, AP BetrVG 1972 § 112 Namensliste Nr. 1 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 11) - erfüllt. Dies stellt die
Revision nicht in Abrede.
b) Grob fehlerhaft ist eine soziale Auswahl nur, wenn ein evidenter, ins Auge springender schwerer Fehler vorliegt und der Interessenausgleich jede
Ausgewogenheit vermissen lässt. Durch § 1 Abs. 5 Satz 2 KSchG soll den Betriebspartnern ein weiter Spielraum bei der Sozialauswahl eingeräumt werden.
Das Gesetz geht davon aus, dass ua. durch die Gegensätzlichkeit der von den Betriebspartnern vertretenen Interessen und durch die auf beiden Seiten
vorhandene Kenntnis der betrieblichen Verhältnisse gewährleistet ist, dass dieser Spielraum angemessen und vernünftig genutzt wird. Nur wo dies nicht der
Fall ist, sondern der vom Gesetzgeber gewährte Spielraum verlassen wird, so dass der Sache nach nicht mehr von einer "sozialen" Auswahl die Rede sein kann,
darf grobe Fehlerhaftigkeit angenommen werden (Senat 3. April 2008 - 2 AZR 879/06 - AP KSchG 1969 § 1 Namensliste Nr. 17 = EzA KSchG § 1
Interessenausgleich Nr. 15; 17. Januar 2008 - 2 AZR 405/06 - AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 96). Dieser Prüfungsmaßstab gilt nicht nur für die
sozialen Indikatoren und deren Gewichtung selbst. Vielmehr wird auch die Bildung der auswahlrelevanten Gruppen von den Gerichten für Arbeitssachen nur
auf ihre groben Fehler überprüft (zuletzt etwa Senat 3. April 2008 - 2 AZR 879/06 - aaO; 23. Oktober 2008 - 2 AZR 163/07).
c) Danach hat das Landesarbeitsgericht seinen Beurteilungsspielraum nicht verletzt, soweit es die von den Betriebspartnern vorgenommene Untergliederung der
Arbeitnehmer in Maschinenbediener und Montierer angesichts der unterschiedlichen tariflichen Einstufung und der Tatsache, dass die beiden
Beschäftigtengruppen nach dem Konzept der Betriebsparteien im Interessenausgleich eine unterschiedliche Rolle spielten, nicht als grob fehlerhaft angesehen hat.
aa) Sowohl bei den zu verrichtenden Tätigkeiten der Maschinenbediener als auch derjenigen der Montierer handelt es sich nach dem Vortrag des Klägers um
Hilfs-/Anlerntätigkeiten. Unstreitig bestehen jedoch Unterschiede in der Eingruppierung. Die Maschinenbediener sind in Lohngruppe 2, 5 oder 3 eingruppiert,
während die Montierer vorwiegend in Lohngruppe 2 des einschlägigen Tarifvertrags eingruppiert sind. Gerade bei Hilfstätigkeiten kann aber der tariflichen
Eingruppierung für die Beurteilung der Vergleichbarkeit eine indizielle Bedeutung zukommen (vgl. Senat 5. Dezember 2002 - 2 AZR 697/01 - BAGE 104, 138,
145; 31. Mai 2007 - 2 AZR 306/06 - AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 93 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 76). Der Kläger hat im Übrigen
selbst vorgetragen, die unterschiedliche Eingruppierung indiziere, "dass die Maschinenbediener über mehr Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen als die
Montierer", was gleichfalls gegen eine Gleichwertigkeit der zu verrichtenden Tätigkeiten und die erforderliche horizontale Vergleichbarkeit spricht. Dann kann
aber nicht angenommen werden, die Bildung der Vergleichgruppen lasse evident die erforderliche Ausgewogenheit vermissen.
bb) Danach kann sich der Kläger jedenfalls nicht erfolgreich darauf berufen, die Beklagte habe vorrangig sozial weniger schutzbedürftige Montierer,
insbesondere die Arbeitnehmer Sa, Sc, B, J und A entlassen müssen. Ob die Betriebsparteien einzelne der vom Kläger benannten Montierer zu Recht als
"unabkömmlich" angesehen haben, kann dahinstehen.
d) Auch die weitere Rüge der Revision, die soziale Auswahl sei jedenfalls wegen der innerhalb der Beschäftigtengruppen durchgeführten Altersgruppenbildung
grob fehlerhaft, greift nicht durch. Diskriminierungsverbote stehen im Streitfall weder der Berücksichtigung des Lebensalters im Rahmen des zugrunde gelegten
Punkteschemas - wogegen die Revision keine Einwände erhebt - noch der Bildung von Altersgruppen entgegen.
aa) Das Gesetz zur Umsetzung europarechtlicher Richtlinien zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung vom 14. August 2006 (Allgemeines
Gleichbehandlungsgesetz - AGG, zuletzt geändert durch das Gesetz zur Neuregelung des Rechtsberatungsrechts v. 12. Dezember 2007 BGBl. I S. 2840)
gelangt auf die im Streitfall zu beurteilende Kündigung nicht zur Anwendung. Die Kündigung ging dem Kläger bereits im Juni 2006 und damit vor Inkrafttreten
des AGG am 18. August 2006 zu (zum insoweit maßgeblichen Zeitpunkt der Benachteiligungshandlung vgl. BAG 14. August 2007 - 9 AZR 943/06 - AP AGG
§ 33 Nr. 1 = EzA BGB 2002 § 611a Nr. 5). Die verlängerte Umsetzungsfrist für die hier einschlägige Richtlinie 2000/78/EG des Rates war bei Ausspruch der
Kündigung noch nicht abgelaufen.
bb) Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend angenommen, ein etwa mit dem Verbot der Altersdiskriminierung in der Richtlinie 2000/78/EG inhaltlich
übereinstimmender Grundsatz des Gemeinschaftsrechts (vgl. dazu EuGH 22. November 2005 - C-144/04 - [Mangold] Slg. 2005, I-9981) stehe nach der
Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs Regelungen, die an das Lebensalter anknüpfen, nicht im Wege, so lange diese Regelungen - wie in Art. 6 Abs.
1 der Richtlinie 2000/78/EG vorgesehen - objektiv und angemessen sind und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt sind sowie die eingesetzten Mittel zur
Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind (vgl. EuGH 22. November 2005 - C-144/04 - [Mangold] aaO; im Anschluss daran Senat 19. Juni
2007 - 2 AZR 304/06 - AP KSchG 1969 § 1 Namensliste Nr. 16 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 13; 6. September 2007 - 2 AZR 387/06 - AP KSchG
1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 169 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 78). Von einer derartigen Rechtfertigung ist im Streitfall aber sowohl in
Bezug auf die der Namensliste zugrunde liegende Auswahlrichtlinie nebst dazu vereinbartem Punkteschema als auch im Hinblick auf die von den
Betriebsparteien zur Sicherung der bisherigen Personalstruktur gebildeten Altersgruppen auszugehen.
(1) Die Berücksichtigung des Lebensalters bei der sozialen Auswahl, wie hier in der Auswahlrichtlinie und im Punkteschema vereinbart, stellt zwar eine an das
Alter anknüpfende unterschiedliche Behandlung dar. Sie ist jedoch - wie der Senat zwischenzeitlich in Bezug auf eine nach Inkrafttreten des AGG erklärte
Kündigung entschieden hat - selbst gemessen an § 10 Satz 1 und 2 AGG gerechtfertigt, denn sie verfolgt ein legitimes Ziel das darin besteht, ältere
Arbeitnehmer, die wegen ihres Alters typischerweise schlechtere Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben, etwas besser zu schützen. Das Gesetz legt in § 1 Abs. 3
Satz 1 KSchG für die unterschiedliche Behandlung auch objektive und angemessene Kriterien fest, indem es das Lebensalter als eines von vier gleichgewichtig
zu berücksichtigenden Merkmalen der sozialen Auswahl vorschreibt (vgl. Senat 6. November 2008 - 2 AZR 523/07 - Rn. 44, DB 2009, 626). Die Mittel zur
Erreichung dieses Ziels sind sowohl in der abstrakten Festlegung als auch in der konkreten Anwendung angemessen und erforderlich.
(a) Die Berücksichtigung des Lebensalters als Sozialdatum ist zur Einbeziehung individueller Arbeitsmarktchancen bei der Sozialauswahl geeignet und
erforderlich (vgl. dazu im Einzelnen Senat 6. November 2008 - 2 AZR 523/07 - Rn. 46, DB 2009, 626).
(b) Die hier zugrunde gelegte Auswahlrichtlinie nebst Punkteschema ist unter dem Gesichtspunkt einer Ungleichbehandlung wegen des Alters nicht zu
beanstanden. Die nach dem Gesetz vorgesehenen sozialen Gesichtspunkte sind insgesamt berücksichtigt. Die in der Punktezuteilung zum Ausdruck kommende
Gewichtung der Sozialdaten wird von der Revision nicht angegriffen. Sie eröffnet die Möglichkeit, dass jedes der Abwägungselemente - nicht allein das
Lebensalter - den Ausschlag geben kann. Dabei haben die Betriebsparteien die Beschäftigungszeit pro Jahr mit 2 Punkten gegenüber dem Lebensalter mit 1
Punkt pro Jahr stärker gewichtet. Zum anderen berücksichtigt das Schema mit 10 Punkten je unterhaltsberechtigtem Kind und 5 Punkten für jede andere
unterhaltsberechtigte Person ua. auch die typischen Interessen junger Familien (vgl. auch Senat 6. November 2008 - 2 AZR 523/07 - Rn. 47, DB 2009, 626).
(2) Auch die der Sozialauswahl und damit der Namensliste zugrunde liegende Bildung von Altersgruppen, die vom Grundsatz her ebenfalls eine
unterschiedliche Behandlung wegen des Alters mit sich bringt (vgl. dazu Senat 6. November 2008 - 2 AZR 523/07 - Rn. 49, DB 2009, 626), ist, wie das
Landesarbeitsgericht zutreffend entschieden hat, nicht zu beanstanden.
(a) Die mit der Regelung verbundene unterschiedliche Behandlung wegen des Alters ist objektiv und angemessen. Sie erfolgt nicht mit Rücksicht auf
persönlich-private oder zufällige Gesichtspunkte, sondern richtet sich nach von einzelnen Personen losgelösten Kriterien (vgl. Senat 6. November 2008 - 2 AZR
523/07 - Rn. 51, DB 2009, 626) innerhalb eines plausiblen Systems nach bestimmten, in der Sache begründeten Proportionen. Die bisherige Verteilung der
Beschäftigten auf die Altersgruppen findet ihre prozentuale Entsprechung in der Anzahl der in der jeweiligen Altersgruppe zu Kündigenden, wodurch die
Erhaltung der bisherigen prozentualen Anteile der Altersgruppen an der Gesamtbelegschaft - in etwa - erreicht wird. Dass hierdurch in der Altersgruppe des
Klägers effektiv mehr Arbeitnehmer von einer Kündigung betroffen waren als in anderen Altersgruppen, hat seinen Grund darin, dass in dieser Altersgruppe
mehr Arbeitnehmer als in anderen Altersgruppen beschäftigt waren. Die verhältnismäßige Betroffenheit der Gruppe bleibt jedoch gleich.
(b) Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, die Altersgruppenregelung sei, wie auch die ihr zugrunde liegende Regelung des § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG, durch
ein legitimes Ziel gerechtfertigt, ist im Ergebnis gleichfalls nicht zu beanstanden.
(aa) Wie der Senat in seiner Entscheidung vom 6. November 2008 (- 2 AZR 523/07 - Rn. 54, DB 2009, 626) im Einzelnen ausgeführt hat, müssen die legitimen
Ziele einer Altersgruppenregelung vom Arbeitgeber im Prozess zwar grundsätzlich dargelegt werden. Indes ist vom Vorhandensein solcher legitimer Ziele
regelmäßig auszugehen, wenn die Altersgruppenbildung bei Massenkündigungen aufgrund einer Betriebsänderung erfolgt, da in diesen Fällen regelmäßig die
Erhaltung einer auch altersmäßig ausgewogenen Personalstruktur gefährdet ist. Die unterschiedlichen Vorzüge der unterschiedlichen Lebensalter können aber
nur dann im Sinne eines langfristigen erfolgreichen Zusammenwirkens der Belegschaft zur Geltung kommen, wenn möglichst alle Lebensalter im Betrieb
vertreten sind. Insoweit liegt die Erhaltung einer altersgemischten Belegschaft sowohl im Interesse der Gesamtheit der Belegschaft als auch im
Wettbewerbsinteresse des Arbeitgebers, das unter dem Schutz der Art. 2 Abs. 1, Art. 12 GG steht (vgl. dazu näher Senat 6. November 2008 - 2 AZR 523/07 -
mwN, aaO). Zudem vermeidet die Altersgruppenbildung nicht nur eine Überalterung der Belegschaft, sondern ebnet auch die bei Massenkündigungen etwa
überschießenden Tendenzen der Bewertung des Lebensalters als Sozialdatum ein und wirkt so einer übermäßigen Belastung jüngerer Arbeitnehmer entgegen
(Senat 6. November 2008 - 2 AZR 523/07 - Rn. 59, aaO; 19. Juni 2007 - 2 AZR 304/06 - AP KSchG 1969 § 1 Namensliste Nr. 16 = EzA KSchG § 1
Interessenausgleich Nr. 13).
(bb) Die Altersgruppenregelung ist auch in ihrer konkreten Ausgestaltung nicht zu beanstanden. Der Senat hat wiederholt Gruppenbildungen im Rahmen von
"Zehnerschritten" als unbedenklich angesehen (9. November 2006 - 2 AZR 509/05 - BAGE 120, 115; 19. Juni 2007 - 2 AZR 304/06 - AP KSchG 1969 § 1
Namensliste Nr. 16 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 13 und zuletzt 6. November 2008 - 2 AZR 523/07 - Rn. 55 ff., DB 2009, 626). Die Beklagte hat
unwidersprochen vorgetragen, eine Sozialauswahl ohne Altersgruppenbildung hätte sie nahezu ihres gesamten Nachwuchses beraubt, ohne dass es ihr - wegen
des bestehenden Nachfrageeinbruchs - möglich gewesen wäre, dies in absehbarer Zeit wieder durch Neueinstellungen auszugleichen. Die von den
Betriebsparteien vorgenommene prozentuale Beteiligung der Altersgruppen an der Gesamtzahl der Kündigungen führt dagegen dazu, dass die bisherige
Struktur zunächst "eingefroren" wird. Hätte die Beklagte dagegen, wie es der Kläger für geboten erachtet, in jeder Altersgruppe die gleiche absolute Zahl von
Arbeitnehmern gekündigt, stiege der Altersdurchschnitt regelmäßig weiter an, wenn auch nicht in dem Maße, wie dies ohne Altersgruppenbildung der Fall
wäre. § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG sieht eine "Sicherung" der Struktur aber gerade vor. Dass im Bereich der Maschinenbediener in der Altersgruppe des Klägers
eine geringfügige Verbesserung des Altersdurchschnitts von 47, 4 Jahren auf 46, 8 Jahren eintrat, stellt die Angemessenheit der Regelung nicht in Frage, da dies
lediglich auf Rundungen beruht.
(3) Unabhängig davon, dass sich damit die Bildung der Altersgruppen nicht als grob fehlerhaft erweist, hat der Kläger, selbst nach Vorlage der für andere
Altersgruppen erstellten Auswahllisten durch die Beklagte, auch keine Maschinenbediener anderer Altersgruppen benannt, die bei einer Sozialauswahl ohne
Altersgruppenbildung vor ihm zu kündigen gewesen wären.
e) Die soziale Auswahl erweist sich auch nicht im Hinblick auf die beim Kläger konkret zugrunde gelegten Sozialdaten als grob fehlerhaft.
aa) Soweit die Betriebsparteien ausgehend von dem Abschlussdatum der Auswahlrichtlinie (12. Mai 2006) aufgrund des Lebensalters des Klägers und seiner
Betriebszugehörigkeit insgesamt 85 Sozialpunkte ermittelt haben, ist eine grobe Fehlerhaftigkeit der Bewertung nicht ersichtlich. Anhaltspunkte für eine
willkürliche Festlegung des der Berechnung zugrunde gelegten Stichtags liegen, was die genannten Sozialdaten anbelangt, nicht vor (zur Zulässigkeit von
Stichtagsregelungen vgl. auch Senat 9. November 2006 - 2 AZR 509/05 - BAGE 120, 115).
bb) Ob die Betriebsparteien in der Auswahlrichtlinie auch hinsichtlich der Feststellung der Unterhaltsverpflichtungen der Arbeitnehmer insgesamt sachlich
angemessene Regelungen getroffen haben, kann im Ergebnis offen bleiben. Bedenken ergeben sich insbesondere daraus, dass die Betriebsparteien in der
Auswahlrichtlinie als Stichtag für die Mitteilung nicht aus der Lohnsteuerkarte ersichtlicher Verhältnisse den 5. Mai 2006 bezeichnet haben, mithin einen
Termin, der vor Abschluss des Interessenausgleichs und der Auswahlrichtlinie liegt. Selbst wenn man dem Kläger deshalb zubilligte, sich auch noch zu einem
späteren Zeitpunkt auf bestehende Unterhaltsverpflichtungen zu berufen, ergäbe sich allenfalls eine zu berücksichtigende Unterhaltsverpflichtung gegenüber
seinem - wohl verwitweten - Vater, denn nur insoweit hat der Kläger durch Nachreichung einer Unterhaltsbescheinigung vom 12. Februar 2007, und dies auch
nicht für die Vergangenheit, einen entsprechenden Nachweis geführt. Selbst ausgehend von dann erreichten 90 Sozialpunkten ergäbe sich aber nicht, dass der
Kläger sozial schutzbedürftiger wäre als die von ihm benannten Maschinenbediener I (93 Sozialpunkte), S (91 Sozialpunkte) und C (90 Sozialpunkte). Dass die
Beklagte Herrn I fünf Sozialpunkte für eine Unterhaltsverpflichtung gegenüber seiner Ehefrau zuerkannt hat, ist nicht zu beanstanden. Dem Arbeitgeber ist es
nicht verwehrt, einen "Doppelverdienst" außer Betracht zu lassen (vgl. Senat 5. Dezember 2002 - 2 AZR 549/01 - AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 59
= EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 49). Sogar unter Berücksichtigung weiterer zwei Sozialpunkte aufgrund einer im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung
erreichten längeren Betriebszugehörigkeit von einem Jahr wäre der vom Kläger geltend gemachte Punkteabstand von dann 92 Punkten gegenüber den
Arbeitnehmern C und S noch derart marginal, dass jedenfalls keine "grobe" Abweichung anzunehmen wäre.
f) Erweist sich die soziale Auswahl danach unter Einbeziehung vom Kläger benannter, als "unabkömmlich" eingestufter Arbeitnehmer (insbesondere C und S)
nicht als grob fehlerhaft, kann auch für die Gruppe der Maschinenbediener dahin stehen, ob die von den Betriebsparteien erstellte "Unabkömmlichkeitsliste"
den Anforderungen des § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG genügt.
II. Die Kündigung ist auch nicht wegen fehlerhafter Anhörung des Betriebsrats gemäß § 102 Abs. 1 BetrVG unwirksam. Insbesondere hat das
Landesarbeitsgericht mit zutreffender Begründung angenommen, der Betriebsrat sei ausreichend über die Kündigungsgründe unterrichtet gewesen. Die dagegen
gerichteten Angriffe der Revision bleiben erfolglos.
1. Eine Pflicht zur Unterrichtung über Unterhaltspflichten des Klägers gegenüber seinen Eltern bestand nach dem insoweit zur Anwendung kommenden
Grundsatz der subjektiven Determinierung (vgl. dazu etwa Senat 21. Februar 2002 - 2 AZR 581/00 - EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 10) schon deshalb
nicht, weil die vom Kläger vor Ausspruch der Kündigung behaupteten Unterhaltspflichten aus Sicht der Beklagten nach den im Interessenausgleich getroffenen
Regelungen mangels Nachweises bedeutungslos waren.
2. Auch über die nach Abschluss des Interessenausgleichs erfolgten Wechsel in der Namensliste benannter Arbeitnehmer zur Transfergesellschaft und die
Streichungen von elf Arbeitnehmern von der Namensliste aufgrund einer entsprechenden Zahl freiwilliger Austritte brauchte die Beklagte den Betriebsrat nicht
zu unterrichten. Ein Fall des § 1 Abs. 5 Satz 3 KSchG lag aus Sicht der Beklagten nicht vor. Ebenso wenig musste die Beklagte davon ausgehen, dass die Über-
bzw. Austritte für die Kündigung des Klägers in sonstiger Weise von Bedeutung gewinnen konnten. Abgesehen davon war dem Betriebsrat gemäß der
Protokollnotiz vom 9. Juni 2006 unstreitig die Streichung von neun, auf der Namensliste benannter Arbeitnehmern bekannt. Auf die in diesem Zusammenhang
erhobene - mangels konkreter Angabe von Beweisthema und Beweismittel ohnehin unzulässige - Verfahrensrüge der Revision kommt es nicht an.
III. Die Vorinstanzen haben schließlich mit zutreffenden Erwägungen angenommen, dass sich aus der durchgeführten Massenentlassungsanzeige nach § 17
KSchG keine Anhaltspunkte für eine Unwirksamkeit der Kündigung ergeben. Der Kläger hat dies bereits in der Berufung nicht mehr gerügt.
IV. Damit fiel der vom Kläger als uneigentlicher Hilfsantrag gestellte Weiterbeschäftigungsantrag des Klägers nicht zur Entscheidung an. ..." (BAG, Urteil vom
12.03.2009 - 2 AZR 418/07)
***
Auch bei Vorliegen eines Interessenausgleichs mit Namensliste i.S. des § 1 V KSchG ist der Arbeitgeber nicht von der Pflicht zur Anhörung des Betriebsrats
zur Kündigung entbunden. Die Betriebsratsanhörung unterliegt keinen erleichterten Anforderungen. Die Anhörung des Betriebsrats kann bereits vor der
Durchführung des Zustimmungsverfahrens beim Integrationsamt nach §§ 85 ff. SGB IX erfolgen. Die Vermutung der Betriebsbedingtheit der Kündigung und
der geänderte Prüfungsmaßstab für die Sozialauswahl (§ 1 V 1 und 2 KSchG) kommen nach § 1 V 3 KSchG nur dann nicht zur Anwendung, wenn sich die
Sachlage nach dem Zustandekommen des Interessenausgleichs so wesentlich geändert hat, dass von einem Wegfall der Geschäftsgrundlage auszugehen ist. Für
die Annahme einer wesentlichen Änderung der Sachlage i.S. des § 1 V 3 KSchG reicht es nicht aus, dass sich lediglich die individuellen
Beschäftigungsmöglichkeiten für einen, in der Namensliste aufgeführten Arbeitnehmer geändert haben. Das Freiwerden eines anderen Arbeitsplatzes nach
Abschluss des Interessenausgleichs ist grundsätzlich kein Anwendungsfall des § 1 V 3 KSchG (BAG, Urteil vom 23.10.2008 - 2 AZR 163/07).
Verstößt eine ordentliche Kündigung gegen Diskriminierungsverbote des AGG (§§ 1 - 10 AGG), so kann dies zur Sozialwidrigkeit der Kündigung nach § 1
KSchG führen. Dem steht § 2 IV AGG nicht entgegen. Die in § 1 III 1 KSchG vorgesehene Berücksichtigung des Lebensalters als Sozialdatum stellt eine an
das Alter anknüpfende unterschiedliche Behandlung dar. Sie ist jedoch nach § 10 S. 1, 2 AGG gerechtfertigt. Auch die Bildung von Altersgruppen kann nach §
10 S. 1, 2 AGG durch legitime Ziele gerechtfertigt sein. Davon ist regelmäßig auszugehen, wenn die Altersgruppenbildung bei Massenkündigungen aufgrund
einer Betriebsänderung erfolgt (BAG, Urteil vom 06.11.2008 - 2 AZR 523/07).
Ein betriebsbedingt gekündigter Arbeitnehmer hat gegen den Betriebserwerber einen Anspruch auf Wiedereinstellung, wenn während der Kündigungsfrist der
Betrieb oder der Betriebsteil, dem der Arbeitnehmer zugeordnet war, im Wege eines Betriebsübergangs (§ 613a BGB) auf den Erwerber übergeht oder wenn
der Betriebsübergang während der Kündigungsfrist zwar noch nicht vollzogen, aber bereits beschlossen worden ist. Entsteht die
Weiterbeschäftigungsmöglichkeit erst nach Ablauf der Kündigungsfrist, kommt nur ausnahmsweise ein Wiedereinstellungsanspruch in Betracht (Senat
21.8.2008 - 8 AZR 201/07 -). Allein die Übernahme eines von der Bundeswehr vergebenen Bewachungsauftrages für einen Truppenübungsplatz stellt keinen
Betriebsübergang iSd. § 613a BGB vom bisherigen Bewachungsunternehmen auf das neue dar. Bei einem Bewachungsunternehmen handelt es sich regelmäßig
um einen betriebsmittelarmen Betrieb, so dass nur die Übernahme eines nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teils der Belegschaft die Annahme eines
Betriebs(teil-)übergangs rechtfertigen würde. Wenn die Durchführung der Bewachungsleistungen auf dem von der Bundeswehr erteilten Auftrag und der von
ihr herausgegebenen Wachanweisung beruht, spricht auch die Ähnlichkeit der Tätigkeit des alten und des neuen Auftragnehmers nicht für die Übernahme der
bisherigen Arbeitsorganisation durch den neuen Auftragnehmer (BAG, Urteil vom 25.09.2008 - 8 AZR 607/07).
Macht eine Gemeinde von der gesetzlich vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch, das Amt der Gleichstellungsbeauftragten in Zukunft einer ehrenamtlichen Kraft
zu übertragen, so besteht für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit der bisher hauptberuflich im Arbeitsverhältnis beschäftigten
Gleichstellungsbeauftragten regelmäßig ein dringendes betriebliches Erfordernis. Auch der öffentliche Arbeitgeber kann zur Erfüllung seiner Aufgaben unter
allen zulässigen rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten diejenige wählen, die ihm am zweckmäßigsten erscheint. Zu den zulässigen Gesichtspunkten der
Zweckmäßigkeit gehört auch der wirtschaftliche Aspekt. Es handelt sich in solchen Fällen nicht um eine "Austauschkündigung", weil die gekündigte
Arbeitnehmerin nicht durch eine andere Arbeitnehmerin ersetzt wird (BAG, Urteil vom 18.09.2008 - 2 AZR 560/07).
Ein personenbedingter Kündigungsgrund liegt vor, wenn der Arbeitnehmer die erforderliche Eignung oder Fähigkeit nicht (mehr) besitzt, um zukünftig die
vertraglich geschuldete Arbeitsleistung - ganz oder teilweise - zu erbringen. Bei dem vertraglich vorausgesetzten Studentenstatus einer studentischen Hilfskraft
an einer Forschungseinrichtung i.S. des § 57d HRG handelt es sich um eine für die diese Tätigkeit notwendige und sachlich gerechtfertigte Anforderung. Dies
folgt unter Berücksichtigung der Aufgabenstellung der Forschungseinrichtung aus dem besonderen Zweck dieses Arbeitsverhältnisses. Geht die "studentische
Hilfskraft", beispielsweise aufgrund einer Exmatrikulation, keinem Studium mehr nach, entfällt eine wesentliche, mit der Person verbundene Voraussetzung der
Beschäftigung. Dies rechtfertigt regelmäßig die personenbedingte Kündigung des Arbeitsverhältnisses (BAG, Urteil vom 18.09.2008 - 2 AZR 976/06).
Nimmt der Arbeitnehmer das schriftliche Angebot des Arbeitgebers zum Abschluss eines Aufhebungsvertrags mit Einschränkungen schriftlich an, kommt ein
wirksamer Auflösungsvertrag wegen § 623 BGB i.V. mit § 150 II, § 126 II BGB nur zustande, wenn auch der Arbeitgeber die - veränderte - Vertragsurkunde
erneut unterzeichnet. Ist ein Sozialplananspruch davon abhängig, dass das Arbeitsverhältnis "betriebs-bedingt" beendet wurde, setzt dies regelmäßig voraus,
dass der bisherige Arbeitsplatz des Mitarbeiters weggefallen ist und dieser auch nicht auf einem anderen Arbeitsplatz im Betrieb weiterbeschäftigt wird. Daran
fehlt es, wenn der Arbeitnehmer im Gemeinschaftsbetrieb lediglich von einem zum anderen Arbeitgeber wechselt (BAG, Urteil vom 26.08.2008 - 1 AZR
346/07 zu KSchG § 1 II).
Die Organisationsentscheidung des Arbeitgebers zur Umstrukturierung des gesamten oder von Teilen des Betriebs oder einzelner Arbeitsplätze unterliegt
grundsätzlich nur einer Missbrauchskontrolle. Ändert der Arbeitgeber durch eine unternehmerische Entscheidung das Anforderungsprofil für Arbeitsplätze, die
bereits mit langjährig beschäftigten Arbeitnehmern besetzt sind, hat er hinsichtlich einer zusätzlich geforderten Qualifikation für die nunmehr auszuführenden
Tätigkeiten darzulegen, dass es sich nicht nur um "wünschenswerte Voraussetzungen", sondern um nachvollziehbare, arbeitsplatzbezogene Kriterien für eine
Stellenprofilierung handelt. Ungeeignet ist insoweit die Festlegung rein persönlicher Merkmale ohne hinreichenden Bezug zur Arbeitsaufgabe oder solcher
Merkmale, die an das Verhalten oder die Leistung des Arbeitnehmers anknüpfen. Beruft sich der Arbeitgeber zur Rechtfertigung einer betriebsbedingten
Kündigung auf eine Neubestimmung des Anforderungsprofils, muss er darlegen, dass für die Änderung ein betrieblicher Anlass besteht. Die Stellenprofilierung
muss dann im Zusammenhang mit einer organisatorischen Maßnahme stehen, die nach ihrer Durchführung angesichts eines veränderten Beschäftigungsbedarfs
auch die Anforderungen an den Inhaber des Arbeitsplatzes erfasst. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Frage, ob Gründe vorliegen, die i.S. von § 9
I 2 KSchG eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen, ist der Zeitpunkt der
letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz. Dabei kann ein zwischenzeitlicher Wandel in den betrieblichen Verhältnissen, beispielsweise ein
Wechsel in der Person des Vorgesetzten, Berücksichtigung finden (BAG, Urteil vom 10.07.2008 - 2 AZR 1111/06).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats bestimmt sich der Kreis der in die soziale Auswahl einzubeziehenden vergleichbaren Arbeitnehmer in erster
Linie nach arbeitsplatzbezogenen Merkmalen, also zunächst nach der ausgeübten Tätigkeit. Dies gilt nicht nur bei einer Identität der Arbeitsplätze, sondern
auch dann, wenn der Arbeitnehmer auf Grund seiner Tätigkeit und Ausbildung eine andersartige, aber gleichwertige Tätigkeit ausführen kann. Die
Notwendigkeit einer kurzen Einarbeitungszeit steht einer Vergleichbarkeit nicht entgegen ("qualifikationsmäßige Austauschbarkeit"). Die Vergleichbarkeit wird
noch nicht allein dadurch ausgeschlossen, dass einzelne Arbeitnehmer bestimmte Tätigkeiten besonders beherrschen, beispielsweise bestimmte Maschinen
bedienen können. An einer Vergleichbarkeit fehlt es, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auf Grund des zu Grunde liegenden Arbeitsvertrags nicht
einseitig auf den anderen Arbeitsplatz um- oder versetzen kann ("arbeitsvertragliche Austauschbarkeit"). Auswahlrichtlinien nach § 95 BetrVG in Verbindung
mit § 1 IV KSchG können die gesetzlichen Anforderungen für die Vergleichbarkeit von Arbeitnehmern nicht verdrängen. § 1 IV KSchG betrifft nur die
Gewichtung der Auswahlkriterien und nicht die Zusammensetzung des auswahlrelevanten Personenkreises oder die Konkretisierung der entgegenstehenden
betrieblichen Bedürfnisse im Sinne von § 1 III 2 KSchG. Eine Auswahlrichtlinie kann deshalb nicht die Vergleichbarkeit oder Nicht-vergleichbarkeit von
Arbeitnehmern vorgeben, beispielsweise indem die Richtlinie bestimmte Arbeitnehmer bestimmter Abteilungen oder Arbeitsgruppen zu Vergleichsgruppen
zusammenfasst. Grob fehlerhaft im Sinne von § 1 IV KSchG ist eine Gewichtung der Sozialdaten dann, wenn sie jede Ausgewogenheit vermissen lässt, das
heißt, wenn einzelne Sozialdaten überhaupt nicht, eindeutig unzureichend oder mit eindeutig überhöhter Bedeutung berücksichtigt werden. § 1 III 1 KSchG
stellt die Regel für die Sozialauswahl dar. Die Ausklammerung so genannten Leistungsträger bildet nach Satz 2 der Norm die Ausnahme (BAG, Urteil vom
05.06.2008 - 2 AZR 907/06).
Eine ordentliche Beendigungskündigung ist nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ausgeschlossen, wenn die Möglichkeit besteht, den Arbeitnehmer auf
einem anderen freien Arbeitsplatz gegebenenfalls auch zu geänderten (schlechteren) Arbeitsbedingungen weiterzubeschäftigen. Die
Weiterbeschäftigungsmöglichkeit muss für den Arbeitnehmer geeignet sein. Der Arbeitnehmer muss unter Berücksichtigung angemessener Einarbeitungszeiten
den Anforderungen des neuen Arbeitsplatzes entsprechen. Dabei unterliegt die Gestaltung des Anforderungsprofils für den freien Arbeitsplatz der lediglich auf
offenbare Unsachlichkeit zu überprüfenden Unternehmerdisposition des Arbeitgebers. Ist im Zeitpunkt des Kündigungszugangs eine
Beschäftigungsmöglichkeit nicht mehr vorhanden, wurde also ein freier Arbeitsplatz vor dem Zugang der Kündigung besetzt, so ist es dem Arbeitgeber
gleichwohl nach dem Rechtsgedanken des § 162 BGB verwehrt, sich auf den Wegfall von Beschäftigungsmöglichkeiten im Kündigungszeitpunkt zu berufen,
wenn dieser Wegfall treuwidrig herbeigeführt wurde (BAG, Urteil vom 05.06.2008 - 2 AZR 107/07).
Der schlichte Entzug einer vom Arbeitgeber zusätzlich zum Führerschein erteilten "betrieblichen Fahrerlaubnis" rechtfertigt für sich allein weder eine
außerordentliche noch eine ordentliche Kündigung aus personenbedingten Gründen (BAG, Urteil vom 05.06.2008 - 2 AZR 984/06).
Wird der Arbeitnehmer in einer Namensliste zu einem Interessenausgleich aufgeführt, so wird vermutet, dass die Kündigung durch betriebliche Gründe bedingt
ist (§ 1 V KSchG). Für die Annahme eines Betriebsübergangs nach § 613a I BGB ist die im Wesentlichen unveränderte Fortführung des Betriebs erforderlich
(BAG, Urteil vom 24.04.2008 - 8 AZR 268/07).
Allein der Anspruch einer rechtsunwirksamen betriebsbedingten Kündigung durch den Arbeitgeber verletzt den Arbeitnehmer nicht in seinem
Persönlichkeitsrecht. Dies ist nur dann der Fall, wenn die Kündigung den Arbeitnehmer über den bloßen Kündigungsausspruch hinaus in seinem
Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt. Dafür trägt der Arbeitnehmer die Darlegungs- und Beweislast. Ein Arbeitgeber, der eine rechtsunwirksame Kündigung im
Lauf eines Kündigungsschutzprozesses zurückgenommen und dann dem Arbeitnehmer unter Verstoß gegen das Direktionsrecht neue Tätigkeiten zugewiesen
hat, hat einen daraufhin vom Arbeitnehmer verübten Selbstmord nicht adäquat kausal verursacht. Dies gilt nicht, wenn objektiv erkennbare Anhaltspunkte für
eine Suizidgefährdung des Arbeitnehmers vorgelegen haben (BAG, Urteil vom 24.04.2008 - 8 AZR 347/07).
Für eine beschlossene und tatsächlich durchgeführte unternehmerische Organisationsentscheidung spricht die Vermutung, dass sie aus sachlichen Gründen
erfolgt ist und kein Rechtsmissbrauch vorliegt. Deshalb hat im Kündigungsschutzprozess der Arbeitnehmer grundsätzlich die Umstände darzulegen und im
Streitfall zu beweisen, aus denen sich ergeben soll, dass die getroffene innerbetriebliche Strukturmaßnahme missbräuchlich, weil offensichtlich unsachlich,
unvernünftig oder willkürlich ist. Es ist missbräuchlich, einen Arbeitnehmer durch die Bildung separater betrieblicher Organisationsstrukturen bei
unverändertem Beschäftigungsbedarf aus dem Betrieb zu drängen, indem die tatsächlichen Arbeitsabläufe und die hierarchischen Weisungswege als solche
unangetastet gelassen und nur, gewissermaßen pro forma, in allein zu diesem Zweck erdachte rechtliche Gefüge eingepasst werden. Nach der ständigen
Rechtsprechung des Senats ist das Kündigungsschutzgesetz nicht konzernbezogen. Der Arbeitgeber ist vor Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung
grundsätzlich nicht verpflichtet, den Arbeitnehmer in einem anderen Betrieb eines anderen Unternehmens unterzubringen. Ausnahmsweise kann jedoch auch
eine konzernbezogene Weiterbeschäftigungspflicht bestehen, zum Beispiel dann, wenn sich ein anderes Konzernunternehmen ausdrücklich zur Übernahme des
Arbeitnehmers bereit erklärt hat sowie vor allem dann, wenn sich eine solche Verpflichtung unmittelbar aus dem Arbeitsvertrag oder einer sonstigen
vertraglichen Absprache oder der in der Vergangenheit geübten Praxis ergibt. Der bloße Umstand, dass ein Gesellschafter erheblichen Einfluss auf mehrere
oder alle Gesellschaften der Gruppe ausüben kann, reicht nicht aus, um eine ausnahmsweise Erstreckung des Kündigungsschutzes auf den Konzern
anzunehmen (BAG, Urteil vom 23.04.2008 - 2 AZR 1110/06).
Eine Kündigung ist entsprechend dem das ganze Kündigungsrecht beherrschenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatz unverhältnismäßig und damit
rechtsunwirksam, wenn sie durch andere mildere Mittel vermieden werden kann, d. h., wenn die Kündigung nicht zur Beseitigung der betrieblichen
Beeinträchtigungen bzw. der eingetretenen Vertragsstörung geeignet oder nicht erforderlich ist. Das in § 84 II SGB IX vorgeschriebene "Betriebliche
Eingliederungsmanagement" (BEM) stellt eine Konkretisierung dieses Grundsatzes dar. Dabei ist das BEM an sich zwar kein milderes Mittel. Durch das BEM
können aber solche milderen Mittel, z. B. die Umgestaltung des Arbeitsplatzes oder eine Weiterbeschäftigung zu geänderten Arbeitsbedingungen auf einem
anderen - ggf. durch Umsetzungen "freizumachenden" - Arbeitsplatz erkannt und entwickelt werden. Allerdings kann eine Kündigung nicht allein deshalb
wegen Verstoßes gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip als sozial ungerechtfertigt qualifiziert werden, weil das BEM nicht durchgeführt wurde. Es müssen
vielmehr auch bei gehöriger Durchführung des BEM überhaupt Möglichkeiten einer alternativen (Weiter-)Beschäftigung bestanden haben, die eine Kündigung
vermieden hätten. Ein unterlassenes BEM steht einer Kündigung dann nicht entgegen, wenn sie auch durch das BEM nicht hätte verhindert werden können
(BAG, Urteil vom 23.04.2008 - 2 AZR 1012/06).
Nach § 1 V 1 KSchG wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist, wenn bei der
Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 BetrVG die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen
Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet sind. Die Vermutungsbasis, dass eine Betriebsänderung nach § 111 BetrVG vorlag und für die
Kündigung des Arbeitnehmers kausal war und dass der Arbeitnehmer ordnungsgemäß in einem Interessenausgleich benannt ist, hat dabei der Arbeitgeber
substantiiert darzulegen und ggf. zu beweisen. Der Maßstab der groben Fehlerhaftigkeit im Sinne des § 1 V 2 KSchG umfasst auch dann die Bildung des
auswahlrelevanten Personenkreises, wenn es um die Frage geht, ob Arbeitnehmer einer anderen Arbeitsstätte in die Auswahl einzubeziehen sind. Grob
fehlerhaft ist eine soziale Auswahl nur, wenn ein evidenter, ins Auge springender schwerer Fehler vorliegt und der Interessenausgleich jede Ausgewogenheit
vermissen lässt. Durch § 1 V 2 KSchG soll den Betriebspartnern ein weiter Spielraum bei der Sozialauswahl eingeräumt werden. Das Gesetz geht davon aus,
dass u.a. durch die Gegensätzlichkeit der von den Betriebspartnern vertretenen Interessen und durch die auf beiden Seiten vorhandene Kenntnis der
betrieblichen Verhältnisse gewährleistet ist, dass dieser Spielraum angemessen und vernünftig genutzt wird. Nur wo dies nicht der Fall ist, sondern der vom
Gesetzgeber gewährte Spielraum verlassen wird, so dass der Sache nach nicht mehr von einer "sozialen" Auswahl die Rede sein kann, darf grobe
Fehlerhaftigkeit angenommen werden. Hat der Arbeitgeber entgegen § 1 III KSchG keine Sozialauswahl vorgenommen, so spricht eine vom Arbeitgeber
auszuräumende tatsächliche Vermutung dafür, dass die Auswahl auch im Ergebnis sozialwidrig ist. Der Arbeitgeber muss dann darlegen, weshalb trotz der
gegen § 1 III KSchG verstoßenden Überlegungen ausnahmsweise im Ergebnis soziale Gesichtspunkte ausreichend berücksichtigt sein sollen (BAG, Urteil vom
03.04.2008 - 2 AZR 879/06).
Die Auslagerung von betrieblichen Tätigkeiten auf selbstständige Dienstleister ist als unternehmerische Reorganisationsentscheidung von den ArbG nicht auf
ihre organisatorische oder betriebswirtschaftliche Zweckmäßigkeit überprüfbar. Entfällt infolge dieser Entscheidung das bisherige Beschäftigungsbedürfnis für
bestimmte Arbeitnehmer, liegt ein betriebsbedingter Kündigungsgrund vor. Die Entscheidung des Unternehmers, bestimmte Aufgaben in Zukunft nicht mehr
durch Arbeitnehmer, sondern durch freie Mitarbeiter ausführen zu lassen, kann als dringendes betriebliches Erfordernis i.S.d. § 1 II 1 KSchG eine ordentliche
Kündigung rechtfertigen. Es ist von der Unternehmerfreiheit gedeckt und nicht missbräuchlich, wenn ein Arbeitgeber sich entschließt, Aufgaben nicht mehr
selbst unter Einsatz eigener Arbeitnehmer zu erledigen, sondern durch Dritte vornehmen zu lassen. Das Gesetz zwingt den Marktteilnehmer nicht, den Bedarf
an Leistungen ausschließlich durch Arbeitsverträge zu decken. Er kann vielmehr auf jeden rechtlich zulässigen Vertragstyp zurückgreifen, muss aber dann auch
die jeweiligen - auch nachteiligen - rechtlichen Folgen in Kauf nehmen. So verzichtet er, wenn er keine Arbeitsverträge schließt, auf das Direktionsrecht. Der
Unternehmer begibt sich in Umsetzung seiner unternehmerischen Entscheidung seines gerade durch das persönliche Weisungsrecht geprägten Einflusses auf
seine vormaligen Arbeitnehmer (BAG, Urteil vom 13.03.2008 - 2 AZR 1037/06).
Schon eine beabsichtigte Betriebs- oder Abteilungsstilllegung kann sich ausnahmsweise als ein dringendes betriebliches Erfordernis im Sinne von § 1 II KSchG
darstellen, nämlich, wenn die für den künftigen Wegfall der Beschäftigung des Arbeitnehmers maßgeblichen Entwicklungen bereits zum Kündigungszeitpunkt
feststehen. Die zur Kündigung führende Organisationsentscheidung muss bereits zum Kündigungszeitpunkt endgültig getroffen worden sein und die Schließung
des Betriebs oder der Betriebsabteilung aus Sicht der Arbeitsvertragsparteien zum Kündigungszeitpunkt bereits Formen angenommen haben. Deswegen ist eine
Kündigung wegen Betriebsschließung nicht sozial gerechtfertigt, solange der Arbeitgeber den Stilllegungsbeschluss lediglich erwogen, aber noch nicht
endgültig gefasst hat. Gleiches gilt, wenn der Arbeitgeber im Kündigungszeitpunkt noch in ernsthaften Verhandlungen über die Veräußerung des Betriebs oder
der Betriebsabteilung steht oder sich um neue Aufträge bemüht. Dann liegt keine unbedingte und endgültige Stilllegungsabsicht vor. Diese Grundsätze gelten
auch für gemeinnützige, am Markt teilnehmende Unternehmen (BAG, Urteil vom 13.02.2008 - 2 AZR 543/06).
Stützt der Arbeitgeber die Kündigung auf eine Unternehmerentscheidung, welche lediglich in der Streichung einer Hierarchieebene besteht, so sind gesteigerte
Anforderungen an die Darlegungslast zu stellen. Besteht die unternehmerische Entscheidung nur im Abbau einer Hierarchieebene verbunden mit einer
Neuverteilung der dem betroffenen Arbeitnehmer bisher zugewiesenen Aufgaben, bedarf es der Konkretisierung dieser Entscheidung, damit geprüft werden
kann, ob der Arbeitsplatz des betroffenen Arbeitnehmers tatsächlich weggefallen ist und die Entscheidung nicht offensichtlich unsachlich oder willkürlich ist.
Der Arbeitgeber muss insbesondere konkret darlegen, in welchem Umfang die bisher von dem Arbeitnehmer ausgeübten Tätigkeiten zukünftig im Vergleich
zum bisherigen Zustand entfallen. Er muss aufgrund seiner unternehmerischen Vorgaben die zukünftige Entwicklung der Arbeitsmenge anhand einer näher
konkretisierten Prognose darstellen und angeben, wie die anfallenden Arbeiten vom verbliebenen Personal ohne überobligationsmäßige Leistungen erledigt
werden können (BAG, Urteil vom 13.02.2008 - 2 AZR 1041/06).
Grob fehlerhaft i. S. des § 1 V 2 KSchG ist eine soziale Auswahl nur, wenn ein evidenter, ins Auge springender schwerer Fehler vorliegt und der
Interessenausgleich jede Ausgewogenheit vermissen lässt. Der Arbeitgeber genügt seiner Pflicht, die gesetzlichen Kriterien ausreichend bzw. nicht grob
fehlerhaft (§ 1V 2 KSchG) zu berücksichtigen bereits dann, wenn das Auswahlergebnis objektiv ausreichend bzw. nicht grob fehlerhaft ist. Nach § 1 III 1
KSchG sind die familienrechtlichen Unterhaltspflichten zu berücksichtigen. Da die kinderbezogenen Eintragungen auf der Lohnsteuerkarte nur begrenzt etwas
über das Bestehen dieser familienrechtlichen Verhältnisse aussagen, dürfte sich der Schluss aufdrängen, dass § 1 III 1 KSchG nicht auf die in die
Lohnsteuerkarte eingetragenen Kinderfreibeträge abhebt, so dass es auf die tatsächlichen, nicht aber auf die in die Lohnsteuerkarte eingetragenen Daten
ankommen dürfte. Den Bedürfnissen der Praxis ist ausreichend dadurch Rechnung getragen, dass der Arbeitgeber auf die ihm bekannten Daten vertrauen kann,
wenn er keinen Anlass zu der Annahme hat, sie könnten nicht zutreffen (BAG, Urteil vom 17.01.2008 - 2 AZR 405/06).
Die verhaltensbedingte Kündigung gegenüber einem leistungsschwachen Arbeitnehmer kann nach § 1 II KSchG gerechtfertigt sein, wenn der Arbeitnehmer
seine arbeitsvertraglichen Pflichten dadurch vorwerfbar verletzt, dass er fehlerhaft arbeitet. Ein Arbeitnehmer genügt - mangels anderer Vereinbarungen - seiner
Vertragspflicht, wenn er unter angemessener Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungsfähigkeit arbeitet. Er verstößt gegen seine Arbeitspflicht nicht allein
dadurch, dass er die durchschnittliche Fehlerhäufigkeit aller Arbeitnehmer überschreitet. Allerdings kann die längerfristige deutliche Überschreitung der
durchschnittlichen Fehlerquote je nach tatsächlicher Fehlerzahl, Art, Schwere und Folgen der fehlerhaften Arbeitsleistung ein Anhaltspunkt dafür sein, dass der
Arbeitnehmer vorwerfbar seine vertraglichen Pflichten verletzt. Legt der Arbeitgeber dies im Prozess dar, so muss der Arbeitnehmer erläutern, warum er trotz
erheblich unterdurchschnittlicher Leistungen seine Leistungsfähigkeit ausschöpft. Auf Pflichtverletzungen beruhende Schlechtleistungen sind geeignet, eine
ordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Der Arbeitnehmer muss unter angemessener Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungsfähigkeit arbeiten. Ob der
Arbeitnehmer dieser Verpflichtung nachkommt, ist für den Arbeitgeber anhand objektivierbarer Kriterien nicht immer erkennbar. Es gelten insoweit die Regeln
der abgestuften Darlegungslast. Bei einer Kündigung wegen qualitativer Minderleistung des Arbeitnehmers ist es zunächst Sache des Arbeitgebers, zu den
aufgetretenen Leistungsmängeln das vorzutragen, was er über die Fehlerzahl, die Art und Schwere sowie Folgen der fehlerhaften Arbeitsleistung des
Arbeitnehmers wissen kann. Kann der Arbeitgeber darlegen, dass der Arbeitnehmer längerfristig die durchschnittliche Fehlerhäufigkeit aller mit vergleichbaren
Arbeiten beschäftigter Arbeitnehmer erheblich überschreitet, so kann dies ein Anhaltspunkt dafür sein, dass der Arbeitnehmer vorwerfbar seine vertraglichen
Pflichten verletzt. Da jedoch der Vergleich durchschnittlicher Fehlerquoten für sich noch keinen hinreichenden Aufschluss darüber gibt, ob durch die
fehlerhafte Arbeit des gekündigten Arbeitnehmers das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung stark beeinträchtigt ist, muss der Arbeitgeber hier weitere
Umstände darlegen. Anhand der tatsächlichen Fehlerzahl, der Art, Schwere und Folgen der fehlerhaften Arbeitsleistung des betreffenden Arbeitnehmers ist
näher darzulegen, dass die längerfristige deutliche Überschreitung der durchschnittlichen Fehlerquoten nach den Gesamtumständen darauf hinweist, dass der
Arbeitnehmer vorwerfbar seine vertraglichen Pflichten verletzt. Legt der Arbeitgeber dies im Prozess dar, so muss der Arbeitnehmer erläutern, warum er trotz
erheblich unterdurchschnittlicher Leistungen seine Leistungsfähigkeit ausschöpft (BAG, Urteil vom 17.01.2008 - 2 AZR 536/06).
Unterliegt in einem Betrieb der Arbeitsanfall je nach Jahreszeit erheblichen Schwankungen und haben die Tarifvertragsparteien und die Betriebspartner deshalb
eine flexible Jahresarbeitszeit festgelegt, die betriebsbedingte (hier witterungsbedingte) Kündigungen weitgehend vermeiden soll, so ist ein dringendes
betriebliches Erfordernis zu einer Beendigungskündigung regelmäßig erst dann anzunehmen, wenn der Arbeitgeber die Möglichkeiten der flexiblen
Arbeitszeitgestaltung ausgenutzt hat und trotzdem noch ein Beschäftigungsüberhang besteht. Haben die Arbeitnehmer des Betriebs bei einem derartigen
Jahresarbeitszeitmodell in erheblichem Umfang Guthabenstunden angespart, so muss der Arbeitgeber bei schlechter Beschäftigungslage zunächst die
Guthabenstunden aller Arbeitnehmer nach Möglichkeit abbauen, ehe er einzelnen Arbeitnehmern betriebsbedingt kündigt (BAG, Urteil vom 08.11.2007 - 2
AZR 418/06).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats können betriebsbedingte Kündigungen nach § 1 II KSchG wegen der unternehmerischen Entscheidung, den
Betrieb stillzulegen, sozial gerechtfertigt sein, wenn sich der Arbeitgeber entschlossen hat, ab sofort keine Aufträge mehr für den Zeitpunkt nach dem
Kündigungsfristende anzunehmen, allen Arbeitnehmern zum nächstmöglichen Kündigungstermin zu kündigen, zur Abarbeitung der vorhandenen Aufträge
einige Arbeitnehmer nur noch während der Kündigungsfrist einzusetzen und den Betrieb schnellstmöglich stillzulegen (BAG, Urteil vom 08.11.2007 - 2 AZR 554/05).
Bei einer krankheitsbedingten Kündigung ist eine dreistufige Prüfung vorzunehmen (ständige Rechtsprechung). Die prognostizierten Fehlzeiten (erste Stufe)
sind nur dann geeignet, eine krankheitsbedingte Kündigung sozial zu rechtfertigen, wenn sie auch zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen
Interessen führen (zweite Stufe). Dabei können neben Betriebsablaufstörungen auch wirtschaftliche Belastungen, etwa durch zu erwartende, einen Zeitraum von
mehr als sechs Wochen pro Jahr übersteigende Entgeltfortzahlungskosten, zu einer derartigen Beeinträchtigung betrieblicher Interessen führen.
Entgeltfortzahlungskosten können auch dann als wirtschaftliche Belastungen zu berücksichtigen sein, wenn sie zum Teil aus einem Tronc bezahlt werden und
damit zugleich die Vergütungsansprüche anderer Arbeitnehmer schmälern. Entscheidend ist nicht die wirtschaftliche Gesamtlage des Arbeitgebers, sondern die
vertragsrechtlich bestimmte Zuordnung der gegenseitigen Ansprüche (BAG, Urteil vom 08.11.2007 - 2 AZR 292/06).
Liegt die Zustimmung des Integrationsamtes zur Kündigung eines schwerbehinderten Menschen nach § 85 SGB IX vor, so ist der Arbeitgeber innerhalb des in
§ 88 III SGB IX vorgesehenen Zeitraums von einem Monat berechtigt, das Arbeitsverhältnis mit dem schwerbehinderten Menschen durch Ausspruch einer
Kündigung zu beenden. Bei gleichbleibendem Kündigungssachverhalt können gegebenenfalls innerhalb des Zeitfensters auch wiederholt Kündigungen
ausgesprochen werden (zum Beispiel wegen formeller Bedenken), ohne dass es einer erneuten Zustimmung bedarf. Ein "Verbrauch" des Kündigungsrechts tritt
dann nicht ein (BAG, Urteil vom 08.11.2007 - 2 AZR 425/06).
Ein Wiedereinstellungsanspruch des Arbeitnehmers als Nebenpflicht aus dem Arbeitsverhältnis (§§ 611, 242 BGB) kann sich nach wirksamer betriebsbedingter
Kündigung dann ergeben, wenn sich vor Ablauf der Kündigungsfrist herausstellt, dass entgegen der ursprünglichen Planung ein Betrieb oder Betriebsteil nicht
stillgelegt, sondern von einem neuen Betriebsinhaber übernommen werden soll. Der Wiedereinstellungsanspruch als notwendiges Korrektiv zu der auf den
Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung bezogenen Prüfung ihrer Wirksamkeit geht nach § 613a I 1 BGB jedenfalls dann auf den Betriebserwerber über,
wenn der Betriebsübergang unmittelbar im Anschluss an den Ablauf der Kündigungsfrist stattfindet. Nach dem BGB in der Fassung des
Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes vom 26. 11. 2001 (BGBl. I, 3138) kann die Verurteilung zu einem rückwirkenden Abschluss eines Arbeitsvertrags
verlangt werden. Der Widerspruch eines Arbeitnehmers gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses infolge eines Betriebsübergangs ist dann unbeachtlich,
wenn er sich auf eine Maßnahme bezog, über die zwar seitens des bisherigen Betriebsinhabers informiert worden war, die aber in der Folgezeit tatsächlich
nicht, auch nicht in anderer Form durchgeführt wurde. Ein Fortsetzungs- und Wiedereinstellungsverlangen muss der Arbeitnehmer, entsprechend der Frist zur
Einlegung eines Widerspruchs, binnen einer Frist von einem Monat nach Kenntniserlangung von den den Anspruch begründenden Tatsachen geltend machen.
Aus der zwischenzeitlichen Wiederbesetzung des Arbeitsplatzes kann der Arbeitgeber dann kein berechtigtes Interesse, das der Wiedereinstellung
entgegensteht, ableiten, wenn er die Neubesetzung in Kenntnis der Bewerbung des wiedereinzustellenden Arbeitnehmers vorgenommen hat (BAG, Urteil vom
25.10.2007 - 8 AZR 989/06).
§ 1 V KSchG verstößt weder gegen Art. 12 I GG noch gegen das aus Art. 20 III GG abzuleitende Gebot des fairen Verfahrens. Die nach § 1 V 1 KSchG
eingreifende Vermutung der Betriebsbedingtheit umfasst grundsätzlich auch das Fehlen einer anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeit in einem anderen
Betrieb des Unternehmens. Die nach § 1 V 1 KSchG bei Vorliegen eines zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat vereinbarten Interessenausgleichs mit
Namensliste eingreifende Vermutung der Betriebsbedingtheit der Kündigung umfasst grundsätzlich auch das Fehlen einer anderweitigen
Beschäftigungsmöglichkeit in einem anderen Betrieb des Unternehmens. Allerdings ist die damit verbundene Beschneidung der prozessualen Rechte des
gekündigten Arbeitnehmers nur so lange gerechtfertigt, als die vom Gesetzgeber vorausgesetzte Mitprüfung der zu Grunde liegenden Gegebenheiten durch den
Betriebsrat auch stattgefunden hat. Davon ist regelmäßig auch dann auszugehen, wenn es im Interessenausgleich nicht ausdrücklich erwähnt ist. Bestreitet aber
der Arbeitnehmer in erheblicher Weise, dass sich der Betriebsrat im Rahmen der Verhandlungen mit Beschäftigungsmöglichkeiten in anderen Betrieben
überhaupt befasst hat und trägt darüber hinaus konkrete Anhaltspunkte für solche Beschäftigungsmöglichkeiten vor, so ist es am Arbeitgeber, wenn er die
weitgehende Vermutungswirkung erhalten will, die Befassung der Betriebsparteien mit der Frage der Beschäftigungsmöglichkeiten in anderen Betrieben
darzulegen und zu beweisen (BAG, Urteil vom 06.09.2007 - 2 AZR 715/06).
Ein etwa - inhaltlich mit dem Verbot der Altersdiskriminierung in der Richtlinie 2000/78/EG des Rates übereinstimmender - allgemeiner Grundsatz des
Gemeinschaftsrechts steht Regelungen, die an das Lebensalter anknüpfen, nicht im Wege, solange sie durch legitime Ziele gerechtfertigt sind. Deren
Vorhandensein war bei der hier in Rede stehenden Punktetabelle zur Sozialauswahl, die eine Bildung von Altersgruppen bei der Auswahl von Grafikdesignern
vorsah, vom LAG rechtsfehlerfrei festgestellt. Die durch die Gruppenbildung erstrebte Erhaltung der Altersstruktur wirkt nicht nur einer Überalterung der
Belegschaft entgegen, sondern relativiert auch die etwa überschießenden Tendenzen der Bewertung des Lebensalters als Sozialdatum und verhindert eine
übermäßige Belastung jüngerer Beschäftigter (BAG, Urteil vom 06.09.2007 - 2 AZR 387/06).
Auch die nach dem Zugang der Kündigung plangemäß ausgeführten Schritte zur Umsetzung des Stilllegungsbeschlusses können vom Gericht als Bestätigung
der Ernsthaftigkeit der Stilllegungsabsicht berücksichtigt werden (BAG, Urteil vom 12.07.2007 - 2 AZR 722/05).
Das Erfordernis eines betrieblichen Eingliederungsmanagements nach § 84 II SGB IX besteht für alle Arbeitnehmer, nicht nur für behinderte Menschen. Die
Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements nach § 84 II SGB IX ist keine formelle Wirksamkeitsvoraussetzung für den Ausspruch einer
krankheitsbedingten Kündigung. Die Regelung des § 84 II SGB IX stellt eine Konkretisierung des dem gesamten Kündigungsschutzrecht innewohnenden
Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes dar (BAG, Urteil vom 12.07.2007 - 2 AZR 716/06).
Auf die Wartezeit sowohl nach § 1 I KSchG als auch nach § 90 I Nr. 1 SGB IX sind Zeiten eines früheren Arbeitsverhältnisses mit demselben Arbeitgeber
anzurechnen, wenn das neue Arbeitsverhältnis in einem engen sachlichen Zusammenhang mit dem früheren Arbeitsverhältnis steht (BAG [20. 8. 1998 - 2 AZR
76/98], NZA 1999, 481 = AP KSchG 1969 § 1 Wartezeit Nr. 9 = EzA KSchG §1 Nr. 49 und [20. 8. 1998 - 2 AZR 83/98], BAGE 89, 307 = NZA 1999, 314).
Hiervon ist regelmäßig auszugehen, wenn das Arbeitsverhältnis lediglich deshalb rechtlich unterbrochen ist, weil sich der Arbeitgeber (Land) bei einem
Arbeitnehmer (Lehrer) dazu entschlossen hat, das Arbeitsverhältnis während der Zeit, in der keine Arbeitsleistung anfällt (Schulferien), nicht fortzuführen
(BAG, Urteil vom 19.06.2007 - 2 AZR 94/06).
Da eine Betriebsänderung auch durch bloßen Personalabbau nach § 111 BetrVG stets zur Voraussetzung hat, dass durch sie wesentliche Nachteile für die
Belegschaft oder erhebliche Teile der Belegschaft entstehen können, umfasst die Darlegungslast des Arbeitgebers, der sich auf die Vermutungswirkung des § 1
V KSchG beruft, in einem derartigen Fall jedenfalls die Darlegung, dass die Maßnahme, die zur Kündigung geführt hat, erhebliche Teile der Belegschaft
betroffen hat. Deshalb ist regelmäßig der substantiierte Vortrag erforderlich, wie der Betrieb im betriebsverfassungsrechtlichen Sinn (§§ 1, 3, 4 BetrVG)
abzugrenzen ist, in dem die geltend gemachte Betriebsänderung im Sinne von § 111 BetrVG vorgenommen worden ist. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die
Frage, ob eine Betriebsänderung im Sinne von § 111 BetrVG vorliegt, sich allein danach entscheidet, welche organisatorische Einheit (im Fall:
Zentralverwaltung mit wenigen Arbeitnehmern oder Gesamtbetrieb) bei der Berechnung der Betriebsgröße und damit der Belegschaft zu Grunde zu legen ist
(BAG, Urteil vom 31.05.2007 - 2 AZR 254/06).
Die besonders hohe Krankheitsanfälligkeit eines Arbeitnehmers begründet bei der Sozialauswahl für sich noch kein berechtigtes betriebliches Interesse i.S. von
§ 1 III 2 KSchG, einen anderen vergleichbaren und nach § 1 III 1 KSchG weniger schutzbedürftigen Arbeitnehmer weiterzubeschäftigen (BAG, Urteil vom
31.05.2007 - 2 AZR 306/06).
Die exzessive Nutzung des Internets während der Arbeitszeit zu privaten Zwecken kann eine schwere Pflichtverletzung des Arbeitsvertrages sein, die den
Arbeitgeber ohne vorangegangene Abmahnung zu einer fristgemäßen Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus verhaltensbedingten Gründen berechtigen kann
(BAG, Urteil vom 31.05.2007 - 2 AZR 200/06).
§ 125 InsO begründet die widerlegbare Vermutung, dass die Kündigung der Arbeitsverhältnisse der im Interessenausgleich bezeichneten Arbeitnehmer durch
dringende betriebliche Erfordernisse bedingt ist. Ist ein Betriebsübergang nicht festzustellen, wird der Betrieb aber nicht fortgeführt, so ist die daraufhin
erfolgende Kündigung wegen einer Betriebsstilllegung sozial gerechtfertigt (BAG, Urteil vom 26.04.2007 - 8 AZR 695/05).
Die Kündigung ist im Falle lang anhaltender Krankheit sozial gerechtfertigt (§ 1 II KSchG), wenn eine negative Prognose hinsichtlich der voraussichtlichen
Dauer der Arbeitsunfähigkeit vorliegt - erste Stufe -, eine darauf beruhende erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen festzustellen ist - zweite Stufe -
und eine Interessenabwägung ergibt, dass die betrieblichen Beeinträchtigungen zu einer billigerweise nicht mehr hinzunehmenden Belastung des Arbeitgebers
führen - dritte Stufe. Bei krankheitsbedingter dauernder Leistungsunfähigkeit ist in aller Regel ohne weiteres von einer erheblichen Beeinträchtigung der
betrieblichen Interessen auszugehen. Die Möglichkeit einer Weiterbeschäftigung auf einem freien Arbeitsplatz - ggf. auch zu geänderten Bedingungen - schließt
eine krankheitsbedingte Kündigung aus. Wenn eine Umsetzungsmöglichkeit besteht, führt die Krankheit nicht zu einer erheblichen Beeinträchtigung der
betrieblichen Interessen. Im Rahmen der Prüfung anderweitiger Beschäftigungsmöglichkeiten kommen jedoch nach der ständigen Rechtsprechung des Senats
nur solche in Betracht, die entweder gleichwertig mit der bisherigen Beschäftigung sind oder geringer bewertet sind. Das Kündigungsschutzgesetz schützt das
Vertragsverhältnis in seinem Bestand und seinem bisherigen Inhalt, verschafft aber keinen Anspruch auf Beförderung (BAG, Urteil vom 19.04.2007 - 2 AZR 239/06).
Kommen mehrere Vertretene in Betracht, in deren Namen der Vertreter eine Kündigungserklärung abgegeben haben kann, so ist in entsprechender Anwendung
des § 164 I 2 BGB die Erklärung des Vertreters gem. §§ 133, 157 BGB unter Berücksichtigung aller Umstände auszulegen. Dabei ist für die Auslegung der
Kündigungserklärung entscheidend, wie der Gekündigte die Erklärung nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen musste.
Die Unwirksamkeit einer Kündigung nach § 174 S. 1 BGB kommt nicht in Betracht, wenn der Gekündigte nur die Kündigungsbefugnis des Kündigenden an
sich verneint, nicht aber deren Nachweis durch Vorlage einer wirksamen Vollmachtsurkunde fordert. Für eine verhaltensbedingte Kündigung gilt das so
genannte Prognoseprinzip. Der Zweck der Kündigung ist nicht Sanktion für die vergangene Vertragspflichtverletzung, sondern dient der Vermeidung des
Risikos weiterer Pflichtverletzungen. Die vergangene Pflichtverletzung muss sich deshalb noch in der Zukunft belastend auswirken. Eine negative Prognose
liegt vor, wenn aus der konkreten Vertragspflichtverletzung und der daraus resultierenden Vertragsstörung geschlossen werden kann, der Arbeitnehmer werde
den Arbeitsvertrag auch nach einer Kündigungsandrohung erneut in gleicher oder ähnlicher Weise verletzen. Nach Art. 80 IV 1 BayPersVG ist in
Angelegenheiten, in denen eine andere als die Körperschaft, der die Dienststelle angehört, zur Entscheidung berufen ist, der Personalrat der Dienststelle zu
beteiligen, auf die oder deren Beschäftigte sich die Maßnahme erstreckt. Maßgeblich ist die Wahlberechtigung nach Art. 13 BayPersVG. Dies folgt aus dem
Repräsentationsprinzip. Danach ist die Personalvertretung zu beteiligen, die den von der Maßnahme betroffenen Beschäftigten repräsentiert. Wird das
Anhörungsverfahren des Personalrats von einem Vertreter eingeleitet, der unabhängig von einer Verhinderung des Dienststellenleiters diesen nicht nach den
gesetzlichen Bestimmungen vertreten kann, kann dies zur Unwirksamkeit der Kündigung führen. Dies gilt nicht, wenn der Personalrat den Mangel der
Vertretung nicht rügt und zur beabsichtigten Kündigung nur aus anderen Gründen - abschließend - Stellung nimmt. Er verliert dann sein Rügerecht und kann
den Vertretungsmangel nicht mehr nachträglich beanstanden. Ein möglicher Vertretungsmangel ist dann auch im Außenverhältnis unbeachtlich, und zwar nicht
nur in Fällen der Mitbestimmung, sondern auch in denen der Mitwirkung des Personalrats (BAG, Urteil vom 19.04.2007 - 2 AZR 180/06).
Eine Kündigung, die aufgrund einer zum Wegfall des bisherigen Arbeitsplatzes führenden organisatorischen Maßnahme ausgesprochen worden ist, ist nur dann
durch ein dringendes betriebliches Erfordernis "bedingt", wenn der Arbeitgeber keine Möglichkeiten hat, den Arbeitnehmer anderweitig zu beschäftigen. Die
Möglichkeit der Weiterbeschäftigung setzt voraus, dass ein freier vergleichbarer (gleichwertiger) Arbeitsplatz oder ein freier Arbeitsplatz zu geänderten
(schlechteren) Arbeitsbedingungen vorhanden ist. Als "frei" sind grundsätzlich solche Arbeitsplätze anzusehen, die zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung
unbesetzt sind. Ob vorübergehende Abwesenheiten von Arbeitnehmern aufgrund von Krankheit, Urlaub, Sonderurlaub o. ä. dazu führen, dass der
entsprechende Arbeitsplatz "frei" im genannten Sinn ist, hängt davon ab, ob und wie der Arbeitsplatz besetzt werden soll. Ob und für wie lange ein solcher
Arbeitsplatz besetzt werden soll, unterliegt der nur auf Missbrauch und Willkürz überprüfbaren unternehmerischen Entscheidung des Arbeitgebers. Deckt der
Arbeitgeber den Vertretungsbedarf entsprechend einem von ihm darzulegenden unternehmerischen Konzept durch rechtlich zulässig gestaltete Arbeitsverträge
mit Arbeitnehmern ab, denen er durch "Rahmenverträge" verbunden ist, so ist das durch den Vertretungsbedarf beschriebene Beschäftigungsvolumen nicht
"frei". Der schwerbehinderte Arbeitnehmer, dessen Arbeitgeber von der Schwerbehinderung keine Kenntnis hat, muss sich zur Erhaltung seines
Sonderkündigungsschutzes nach § 85 SGB IX innerhalb einer Regelfrist gegenüber dem Arbeitgeber auf den Sonderkündigungsschutz berufen. Andernfalls ist
der Sonderkündigungsschutz verwirkt. Es ist nicht ausreichend, wenn der Arbeitgeber innerhalb der Frist zufällig von dritter Seite von der Schwerbehinderung
erfährt (BAG, Urteil vom 01.03.2007 - 2 AZR 650/05).
Unterhalten mehrere rechtlich selbstständige Unternehmen einen Gemeinschaftsbetrieb, weil sie einen einheitlichen Leitungsapparat zur Erfüllung der in der
organisatorischen Einheit zu verfolgenden arbeitstechnischen Zwecke geschaffen haben, so ist grundsätzlich auch in diesem gemeinsamen Betrieb ein
Betriebsübergang i. S. des § 613a BGB möglich, wenn die Inhaberschaft an einem Betriebsteil oder einer Betriebsabteilung auf ein anderes am
gemeinschaftlichen Betrieb beteiligtes Unternehmen wechselt. Auch bei einem solchen Betriebsinhaberwechsel im Rahmen eines Gemeinschaftsbetriebs kann
der Arbeitnehmer dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf ein anderes Unternehmen nach § 613 a V und VI BGB widersprechen. Verbleibt infolge eines
solchen Widerspruchs das Arbeitsverhältnis beim bisherigen Inhaber des Teilbetriebs oder der Betriebsabteilung, so kommt es für die soziale Rechtfertigung
einer Kündigung (Wegfall des Beschäftigungsbedarfs, anderweitige Weiterbeschäftigungsmöglichkeit und soziale Auswahl, § 1 KSchG) auf die Verhältnisse
im Gemeinschaftsbetrieb an. Wird die Betriebsabteilung innerhalb des einheitlichen Betriebs unverändert, nur mit neuem Inhaber fortgeführt, so entfällt beim
früheren Inhaber der Beschäftigungsbedarf für den Arbeitnehmer, der dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses widersprochen hat, nicht. Der bisherige,
ebenfalls weiterhin am Gemeinschaftsbetrieb beteiligte Betriebsinhaber kann regelmäßig durch seine Beteiligung an der Leitungsmacht des gemeinsamen
Betriebs die Weiterbeschäftigung dieses Arbeitnehmers durchsetzen. Bei einer solchen Sachlage ist auch beim bisherigen Betriebsinhaber nicht von der
Stillegung eines Betriebsteils oder einer Betriebsabteilung i. S. des § 15 IV oder V KSchG auszugehen. Daher entfällt auch nicht die Pflicht, die gegebenenfalls
erforderliche Zustimmung des Betriebsrats zur Kündigung nach § 103 BetrVG einzuholen (BAG, Urteil vom 15.02.2007 - 8 AZR 310/06).
Für die Beurteilung der sozialen Rechtfertigung einer Kündigung kommt es auf den Zeitpunkt des Kündigungszugangs an (ständige Rechtsprechung). Eine
sozialwidrige Kündigung liegt allerdings auch dann vor, wenn in dem für die Beurteilung maßgeblichen Kündigungszeitpunkt zwar keine
Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für den Arbeitnehmer mehr bestand, dem Arbeitgeber aber die Berufung auf das Fehlen einer
Weiterbeschäftigungsmöglichkeit aus dem in § 162 I und II BGB normierten Rechtsgedanken verwehrt ist, weil er diesen Zustand selbst treuwidrig
herbeigeführt hat (ständige Rechtsprechung). Ein solcher Fall treuwidriger Berufung auf eine selbst herbeigeführte rechtswidrige Lage kann auch dann gegeben
sein, wenn der Arbeitgeber einen Beschäftigungsüberhang dadurch herbeiführt, dass er die Stelle eines Arbeitnehmers neu besetzt, der auf Grund einer später
rechtskräftig für unwirksam erklärten Kündigung vorübergehend aus dem Betrieb ausgeschieden ist (BAG, Urteil vom 01.02.2007 - 2 AZR 710/05).
Es liegt kein personenbedingter Grund zur Kündigung im Sinne von § 1 II KSchG vor, wenn ein im Bodendienst eines Flughafens tätiger Student auf Grund
seiner überlangen Studiendauer von den Sozialversicherungsträgern nicht mehr als sozialversicherungsfrei angesehen wird (BAG, Urteil vom 18.01.2007 - 2
AZR 731/05).
Nimmt der Arbeitgeber die Sozialauswahl allein durch Vollzug eines zulässigen Punktesystems vor, so kann er auf die Rüge nicht ordnungsgemäßer
Sozialauswahl mit Erfolg einwenden, der gerügte Auswahlfehler habe sich auf die Kündigungsentscheidung nicht ausgewirkt, weil der Arbeitnehmer nach der
Punktetabelle auch bei Vorliegen des Auswahlfehlers zur Kündigung angestanden hätte (Aufgabe der bisherigen gegenteiligen Rechtsprechung, vgl. BAG [18.
10. 1984], BAGE 47, 80 = NZA 1985, 423 = NJW 1985, 2046; BAG [18. 1. 1990], BAGE 64, 34 = NZA 1990, 729). . Ein Punktesystem zur Gewichtung der
Sozialdaten muss nach § 1 III 1 KSchG in der seit dem 1.1.2004 geltenden Fassung keine individuelle Abschlussprüfung vorsehen. Die ordnungsgemäße
Durchführung des nach § 95 I BetrVG für das Punktesystem erforderlichen Mitbestimmungsverfahrens ist nicht Wirksamkeitsvoraussetzung einer Kündigung,
die unter Anwendung des Systems erfolgt ist (BAG, Urteil vom 09.11.2006 - 2 AZR 812/05).
Eine Auswahlrichtlinie nach § 95 BetrVG, die einen der sozialen Gesichtspunkte nach § 1 III 1 KSchG, der bei allen Arbeitnehmern vorliegen kann (Alter,
Betriebszugehörigkeit) nicht oder so gering bewertet, dass er in fast allen denkbaren Fällen nicht mehr den Ausschlag geben kann, erfüllt nicht die gesetzlichen
Vorgaben des § 1 IV KSchG. Sie ist deshalb nicht geeignet, den Arbeitgeber durch die Anwendung des eingeschränkten Prüfungsmaßstabs der groben
Fehlerhaftigkeit zu privilegieren (BAG, Urteil vom 18.10.2006 - 2 AZR 473/05).
Der Prüfungsmaßstab der groben Fehlerhaftigkeit im Sinne des § 1 V 2 KSchG n. F. gilt nicht nur für die sozialen Indikatoren und deren Gewichtung selbst.
Vielmehr wird auch die Bildung der auswahlrelevanten Gruppen von den Gerichten für Arbeitssachen nur auf ihre groben Fehler überprüft. Grob fehlerhaft ist
eine soziale Auswahl nur, wenn ein ins Auge springender schwerer Fehler vorliegt und der Interessenausgleich jede Ausgewogenheit vermissen lässt.
Durch § 1 V 2 KSchG n.F. soll den Betriebspartnern ein weiter Spielraum eingeräumt werden. Das Gesetz geht davon aus, dass unter anderem durch die
Gegensätzlichkeit der von den Betriebspartnern vertretenen Interessen und durch die auf beiden Seiten vorhandene Kenntnis der betrieblichen Verhältnisse
gewährleistet ist, dass dieser Spielraum in der Regel angemessen und vernünftig genutzt wird. Nur wo dies nicht der Fall ist, so dass der Sache nach nicht mehr
von einer "sozialen Auswahl" die Rede sein kann, darf grobe Fehlerhaftigkeit angenommen werden (BAG, Urteil vom 21.09.2006 - 2 AZR 760/05).
Ein Punkteschema für die soziale Auswahl stellt auch dann eine nach § 95 I BetrVG mitbestimmungspflichtige Auswahlrichtlinie dar, wenn es der Arbeitgeber
nicht generell auf alle künftigen betriebsbedingten Kündigungen, sondern nur auf konkret bevorstehende Kündigungen anwenden will (Anschluss an BAG [26.
7. 2005], NZA 2005, 1372 = AP BetrVG 1972 § 95 Nr. 43). Wendet der Arbeitgeber ein von ihm unter Verstoß gegen § 95 I BetrVG aufgestelltes
Punkteschema an, so führt dieser Mitbestimmungsverstoß allein nicht zur Unwirksamkeit der ausgesprochenen Kündigung (BAG, Urteil vom 06.07.2006 - 2
AZR 443/05).
Die Erhaltung einer ausgewogenen Altersstruktur kann je nach den Umständen einer Auswahl allein nach sozialen Gesichtspunkten entgegenstehen. Dies
gilt auch für § 1 III 2 KSchG in der vom 1. 1. 1999 bis 31. 12. 2003 geltenden Fassung. Ein berechtigtes betriebliches Bedürfnis i. S. von § 1 III 2 KSchG an der
Erhaltung einer ausgewogenen Altersstruktur kann insbesondere dann vorliegen, wenn bei einer Massenentlassung die Gefahr besteht, dass es durch eine
Auswahl allein nach sozialen Gesichtspunkten zu erheblichen Verschiebungen in der Altersstruktur des Betriebes kommt, die im betrieblichen Interesse nicht
hinnehmbar sind (BAG, Urteil vom 06.07.2006 - 2 AZR 442/05).
Sind dem früheren Auftragnehmer im Zeitpunkt der Kündigung die Umstände bekannt, die einen Betriebsübergang ausmachen, fehlt es an der die
betriebsbedingte Kündigung rechtfertigenden Stilllegungsentscheidung (BAG, Urteil vom 13.06.2006 - 8 AZR 271/05).
Ein dringendes betriebliches Erfordernis zur Kündigung im Sinne von § 1 II KSchG kann gegeben sein, wenn auf Grund der Entscheidung der
Stationierungskräfte die bisher in einer Dienststelle erbrachten Aufgaben in die USA zurückverlegt werden und das in der Dienststelle verbleibende Personal
deswegen auf eine bestimmte Anzahl reduziert wird. Die entsprechende Änderung des für die Dienststelle geltenden Stellenplans ist die unternehmerische
Entscheidung, die zum Wegfall der überzähligen Arbeitsplätze führt. Der Entsendestaat kann bei den Stationierungskräften auch das Verhältnis zwischen den
Zivilpersonen im Sinne von Art. I Abs. 1b NATO-Truppenstatut und den örtlichen Arbeitskräften im Sinne von Art. IX Abs. 4 NATO-Truppenstatut auf Grund
seiner Hoheitsgewalt autonom bestimmen. Deshalb führt eine Veränderung dieses Verhältnisses durch den Entsendestaat zu Lasten der örtlichen Arbeitskräfte
nicht zur Negierung eines dringenden Erfordernisses im Sinne von § 1 II KSchG. Werden bestimmte - freie - Stellen US-amerikanischen Arbeitnehmern
vorbehalten (Zivilpersonal im Sinne von Art. I Abs.1 NATO-Truppenstatut), sind diese für eine deutsche Ortskraft nicht "frei" im Sinne von § 1 II 2 KschG
(BAG, Urteil vom 18.05.2006 - 2 AZR 245/05).
Im Rahmen einer Arbeitnehmerüberlassung kann ein zu einer betriebsbedingten Kündigung führender Überhang an Leiharbeitnehmern entstehen, wenn der
Einsatz des Leiharbeitnehmers beim Entleiher endet, ohne dass er wieder bei anderen Entleihern oder im Betrieb des Verleihers sofort oder auf absehbare Zeit
eingesetzt werden kann. Zur Darlegung des dringenden betrieblichen Erfordernisses zur Kündigung i. S. von § 1 II KSchG reicht der bloße Hinweis auf einen
auslaufenden Auftrag und einen fehlenden Anschlussauftrag regelmäßig nicht aus. Der Verleiher muss an Hand der Auftrags- und Personalplanung vielmehr
darstellen, warum es sich um einen dauerhaften Auftragsrückgang und nicht nur um eine kurzfristige Auftragsschwankung handelt. Das Vorliegen von
möglicherweise nur kurzfristigen Auftragsschwankungen muss auszuschließen sein. Kurzfristige Auftragslücken gehören zum typischen Wirtschaftsrisiko eines
Arbeitnehmerüberlassungsunternehmens und sind nicht geeignet, eine betriebsbedingte Kündigung sozial zu rechtfertigen (BAG, Urteil vom 18.05.2006 - 2
AZR 412/05).
Ist in einem Kündigungsrechtsstreit entschieden, dass das Arbeitsverhältnis durch eine bestimmte Kündigung nicht aufgelöst worden ist, so kann der
Arbeitgeber eine erneute Kündigung nicht auf Kündigungsgründe stützen, die er schon zur Begründung der ersten Kündigung vorgebracht hat und die in dem
ersten Kündigungsschutzprozess materiell geprüft worden sind mit dem Ergebnis, dass sie die Kündigung nicht rechtfertigen können. Der zweiten, rechtzeitig
erhobenen Klage ist ohne weiteres stattzugeben. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor, wenn der öffentliche Arbeitgeber, nachdem eine außerordentliche
betriebsbedingte Beendigungskündigung rechtskräftig für unwirksam erklärt worden ist, eine Änderungskündigung nach § 55 II Unterabs. 1 BAT ausspricht.
Die Tatbestandsmerkmale der außerordentlichen Änderungskündigung nach § 55 II Unterabs. 1 BAT weichen von denen der außerordentlichen
betriebsbedingten Beendigungskündigung ab. Auch die erstrebte Rechtsfolge ist eine andere. Die Kündigungserklärungsfrist des § 54 II BAT (§ 626 II BGB) ist
auch bei Dauertatbeständen anwendbar. Das gilt auch dann, wenn es sich um auf betriebliche Gründe gestützte außerordentliche Kündigungen handelt. Jedoch
ist in diesen Fällen nahezu immer ein Dauertatbestand gegeben, was in aller Regel zu der Beurteilung führt, dass die Frist eingehalten ist. Für die
außerordentliche betriebsbedingte Änderungskündigung ist maßgeblich, ob die zugrundeliegende Organisationsentscheidung die vorgeschlagene Änderung
erzwingt oder ob sie im Wesentlichen auch ohne oder mit weniger einschneidenden Änderungen im Arbeitsvertrag des Gekündigten durchsetzbar bleibt. Der
Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes ist nicht generell verpflichtet, zur Vermeidung einer außerordentlichen Änderungskündigung gegenüber ordentlich
unkündbaren Arbeitnehmern Arbeitsplätze ordentlich kündbarer Arbeitnehmer „freizukündigen". Eine Freikündigungspflicht besteht keinesfalls, wenn der
unkündbare Arbeitnehmer den freigekündigten Arbeitsplatz nicht innerhalb der für einen qualifizierten Stellenbewerber ausreichenden Einarbeitungszeit
ausfüllen kann. Der Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes ist nicht verpflichtet, zur Vermeidung einer Änderungskündigung nach § 55 II Unterabs. 1 BAT zu
versuchen, den ordentlich unkündbaren Arbeitnehmer bei einem anderen Arbeitgeber unterzubringen (BAG, Urteil vom 18.05.2006 - 2 AZR 207/05).
Das Kündigungsschutzgesetz ist nicht konzernbezogen. Der Arbeitgeber ist vor Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung grundsätzlich nicht verpflichtet,
den Arbeitnehmer in einem anderen Betrieb eines anderen Unternehmens unterzubringen. Auf Grund besonderer Sachverhaltsgestaltungen sind allerdings
Ausnahmefälle denkbar, in denen eine konzernbezogene Betrachtung geboten ist. Davon ist nicht nur auszugehen, wenn sich ein anderes Konzernunternehmen
ausdrücklich zur Übernahme des Arbeitnehmers bereit erklärt hat, sondern auch und vor allem dann, wenn sich eine solche Verpflichtung unmittelbar aus dem
Arbeitsvertrag oder einer sonstigen vertraglichen Absprache ergibt. Weitere Voraussetzung einer derartigen unternehmensübergreifenden
Weiterbeschäftigungspflicht ist allerdings ein bestimmender Einfluss des Beschäftigungsbetriebs bzw. des vertragsschließenden Unternehmens auf die
"Versetzung". Die Entscheidung darüber darf grundsätzlich nicht dem zur Übernahme bereiten Unternehmen vorbehalten worden sein. Ein "konzernbezogener
Kündigungsschutz" wird zwar ebenfalls für Fallgestaltungen erörtert, in denen konzerninterne Entscheidungen (etwa Verlagerung von Tätigkeiten auf andere
Konzernunternehmen, Stilllegung eines Konzernunternehmens oder einer Abteilung bei gleichzeitiger Neugründung eines Konzernunternehmens mit
identischen arbeitstechnischen und wirtschaftlichen Zielsetzungen) den Beschäftigungsbedarf für den betreffenden Arbeitnehmer bei konzernbezogener
Betrachtungsweise nicht wegfallen lassen. Eine solche Erweiterung des Kündigungsschutzes im Wege der Rechtsfortbildung auf Fälle der bloßen
konzerninternen Verlagerung von nach wie vor bestehenden Beschäftigungsmöglichkeiten fordert allerdings - wenn sie überhaupt möglich sein sollte -
jedenfalls gesteigerte Anforderungen an die Darlegungslast des Arbeitnehmers. Er muss zumindest hinreichend konkret darlegen, dass der in seinem
Konzernunternehmen weggefallene Beschäftigungsbedarf lediglich auf ein anderes Konzernunternehmen verlagert ist, dort nach wie vor besteht und dieses
Konzernunternehmen diesen Beschäftigungsbedarf nunmehr z.B. durch auf dem freien Arbeitsmarkt angeworbene oder willkürlich aus dem Mitarbeiterstamm
seines Arbeitgebers ausgewählte Arbeitnehmer abdeckt. Bei einer nicht angefochtenen Betriebsratswahl repräsentiert der Betriebsrat nur die Belegschaft, die
ihn mitgewählt hat. Es würde dem Erfordernis der Rechtssicherheit, dem § 19 BetrVG dient, widersprechen, wenn bei Ausübung jedes einzelnen
Beteiligungsrechts (z.B. der Anhörung nach § 102 BetrVG) jeweils zu klären wäre, ob der gewählte Betriebsrat überhaupt für den Betrieb i.S. des
Betriebsverfassungsgesetzes gewählt bzw. zuständig ist (BAG, Urteil vom 23.03.2006 - 2 AZR 162/05)
Der Kreis der in die soziale Auswahl einzubeziehenden vergleichbaren Arbeitnehmer bestimmt sich in erster Linie nach arbeitsplatzbezogenen Merkmalen,
also zunächst nach der ausgeübten Tätigkeit. Dabei kann im öffentlichen Dienst der tariflichen Eingruppierung besondere Bedeutung zukommen. An einer
Vergleichbarkeit fehlt es jedoch, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht einseitig auf den anderen Arbeitsplatz um- oder versetzen kann. Grundsätzlich
können die Parteien die Reichweite des Direktionsrechts im Vertrag vereinbaren. Haben die Parteien keine bestimmte Tätigkeit, sondern lediglich eine
allgemeine Beschreibung (z. B. Angestellter, Arbeiter) in den Vertrag aufgenommen, wie es besonders in den Musterverträgen des öffentlichen Dienstes häufig
geschieht, so kann der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer grundsätzlich alle im Rahmen der vereinbarten Vergütungsgruppe liegenden Tätigkeiten zuweisen.
Davon kann jedoch durch Vereinbarung einer konkreten Tätigkeit abgewichen werden. Auch die - zulässige - tarifvertragliche Erweiterung des Direktionsrechts
(z. B. § 9 II BMT-G-O) können die Parteien abbedingen. Soll eine solche Regelung getroffen werden, muss sich aus dem Vertrag ergeben, dass die im
Arbeitsvertrag genannte Tätigkeit ohne Möglichkeit einseitiger Abänderung gelten soll. Die Tätigkeit muss genau bezeichnet werden. Dazu bedarf es
eindeutiger, klar auf diesen Gegenstand bezogener Zusagen oder Absprachen (BAG, Urteil vom 02.03.2006 - 2 AZR 23/05).
Eine Kündigung, die auf Grund einer zum Wegfall des bisherigen Arbeitsplatzes führenden organisatorischen Maßnahme ausgesprochen worden ist, ist nicht
durch ein dringendes betriebliches Erfordernis „bedingt", wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer anderweitig beschäftigen kann. Dies setzt u. a. voraus, dass
ein freier vergleichbarer (gleichwertiger) Arbeitsplatz oder ein freier Arbeitsplatz zu geänderten (schlechteren) Arbeitsbedingungen vorhanden ist. Als
„frei" sind grundsätzlich solche Arbeitsplätze anzusehen, die zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung unbesetzt sind oder voraussehbar bis zum Ablauf der
Kündigungsfrist frei werden. Ein Arbeitsplatz kann, so lange ein zur Erledigung der dort anfallenden Arbeit dem Arbeitgeber arbeitsvertraglich verpflichteter
Arbeitnehmer vorhanden ist, grundsätzlich nicht als frei angesehen werden. Daran ändert sich grundsätzlich auch dann nichts, wenn ein Arbeitnehmer erkrankt
ist und vorübergehend nicht zur Arbeit herangezogen werden kann. Selbst dann, wenn wahrscheinlich ist oder gar feststeht, dass der erkrankte Arbeitnehmer
nicht zurückkehren wird, ist allein dadurch der betreffende Arbeitsplatz nicht als frei anzusehen, solange der Arbeitsvertrag besteht. Es ist - bis zur Grenze des
Missbrauchs - Sache des Arbeitgebers (unternehmerische Entscheidungsfreiheit), darüber zu bestimmen, ob und gegebenenfalls wie lange er eine
Krankheitsvakanz auf einem bestimmten Arbeitsplatz hinnimmt und ob und wie er sie überbrückt. Der Kreis der in die soziale Auswahl einzubeziehenden
vergleichbaren Arbeitnehmer bestimmt sich in erster Linie nach arbeitsplatzbezogenen Merkmalen, also zunächst nach der ausgeübten Tätigkeit. Im Sinne einer
negativen Abgrenzung kommt der im Arbeitsvertrag genannten Vergütungsgruppe für die Vergleichsgruppenbildung bei einem Arbeitsverhältnis im
öffentlichen Dienst eine entscheidende Bedeutung zu: Sie schließt, sofern es sich nicht um einen Fall des Bewährungsaufstiegs handelt, grundsätzlich die
Vergleichbarkeit zwischen Arbeitnehmern unterschiedlicher Vergütungsgruppen aus. Daraus kann aber nicht zugleich auch i.S. einer positiven Abgrenzung
entnommen werden, Arbeitnehmer, die derselben Vergütungsgruppe angehören, seien stets iSd. Sozialauswahl miteinander vergleichbar. Insoweit kann die
Eingruppierung grundsätzlich zwar von indiziellem Wert sein. Wenn aber ein Arbeitnehmer der betreffenden Vergütungsgruppe nur auf Grund
Bewährungsaufstiegs angehört ist mit der Eingruppierung nur eine stark eingeschränkte indizielle Aussage über die Vergleichbarkeit der Tätigkeiten verbunden.
Nach § 108 II BPersVG, § 74 III Satz 1 PersVG Brandenburg ist eine durch den Arbeitgeber ausgesprochene Kündigung unwirksam, wenn die
Personalvertretung nicht oder nicht Der Arbeitgeber kann die Kündigung nach Abschluss des Mitbestimmungsverfahrens aussprechen. Er braucht die
Zustellung der schriftlichen Begründung des die Zustimmung ersetzenden Beschlusses der Einigungsstelle (§ 72 IV PersVG Brandenburg) nicht abzuwarten
(BAG, Entscheidung vom 02.02.2006 - 2 AZR 38/05).
***
„ ... Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die ordentliche Kündigung der Beklagten sei rechtswirksam. Ein in einem früheren Arbeitsverhältnis erreichter
tarifvertraglicher Kündigungsschutz stehe einer Kündigung wegen Ablehnung eines Vermittlungsangebots nicht entgegen. Aus § 26 Abs. 2 TV lasse sich auch
nicht herleiten, dass eine Kündigung erst nach Ablehnung des zweiten Angebots eines zumutbaren Arbeitsplatzes zulässig sei. Die Voraussetzungen einer
verhaltensbedingten Kündigung iSv. § 1 Abs. 2 KSchG lägen vor. Durch die Ablehnung eines zumutbaren Arbeitsplatzangebotes habe die Klägerin schuldhaft
ihre Pflichten aus dem Arbeitsvertrag verletzt. Der angebotene Arbeitsplatz sei in fachlicher Hinsicht zumutbar gewesen. Der Zumutbarkeit habe auch nicht der
hiermit verbundene Wohnortwechsel der Klägerin entgegengestanden. Jedenfalls wäre es der Klägerin zumutbar gewesen, nach Frankfurt/ Main umzuziehen
und ihr Einfamilienhaus bis zum Eintritt in das Rentenalter zu vermieten. Eine Sozialauswahl im Hinblick auf den zu besetzenden Arbeitsplatz in Frankfurt/
Main sei nicht erforderlich gewesen. Die Beklagte habe der Klägerin auch hinreichend deutlich gemacht, dass bei einer weiteren Weigerung, die Stelle in
Frankfurt/ Main anzutreten, eine Kündigung erfolgen werde. Bei der vorzunehmenden Interessenabwägung lasse sich ein vorrangiges Interesse der Klägerin am
Erhalt ihres Arbeitsplatzes nicht begründen. Da die von der Klägerin geltend gemachten Weigerungsgründe auch für weitere Stellenangebote, die mit einem
Wohnortwechsel verbunden wären, Gültigkeit behielten, habe die Gefahr bestanden, dass die Beklagte weiterhin die volle Arbeitsvergütung an die Klägerin
hätte zahlen müssen, ohne dass dem auf absehbare Zeit ein wirtschaftlicher Gegenwert gegenüber gestanden hätte. Auch die Betriebsratsanhörung sei nicht zu beanstanden.
B. Dem folgt der Senat im Ergebnis und auch weitgehend in der Begründung.
I. Die ordentliche Kündigung der Klägerin war tariflich zulässig.
1. Zutreffend geht das Landesarbeitsgericht davon aus, dass bei einer Kündigung wegen Ablehnung der Vermittlung bzw. der Übernahme einer zumutbaren
Tätigkeit bei einem anderen Unternehmen nach § 26 Abs. 1 Satz 1 TV, um die es hier allein geht, nach § 26 Abs. 1 Satz 2 TV ein etwa im Wege der
Besitzstandswahrung für die Klägerin fortgeltender Sonderkündigungsschutz nicht eingreift. Dies sieht auch die Revision so. Wenn also trotz des Ausscheidens
der Klägerin aus der DB Regio AG und der Neueinstellung bei der Beklagten auf Grund besitzstandswahrender Tarifverträge nach § 29 TV grundsätzlich eine
ordentliche Unkündbarkeit der Klägerin gegeben sein sollte, ist eine ordentliche Kündigung wegen Ablehnung der Übernahme einer zumutbaren Tätigkeit nach
§ 26 Abs. 1 Satz 2 des auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Tarifvertrages jedenfalls ungeachtet dieses Sonderkündigungsschutzes möglich.
2. Im Gegensatz zu der Auffassung der Revision ist dem Landesarbeitsgericht auch darin zu folgen, dass nach § 26 TV eine ordentliche Kündigung
grundsätzlich schon dann möglich ist, wenn die Arbeitnehmerin ein zumutbares Beschäftigungsangebot abgelehnt hat. Die Auslegung der tariflichen Regelung
ergibt keinen hinreichenden Anhaltspunkt für einen Willen der Tarifvertragsparteien, eine Kündigung erst zuzulassen, nachdem die Beklagte in zeitlichem
Abstand erfolglos zwei voneinander verschiedene anderweitige Beschäftigungen angeboten hat.
a) Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags, über die hier zwischen den Parteien Streit besteht, folgt nach ständiger Rechtsprechung des
Bundesarbeitsgerichts den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn
der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei nicht eindeutigem Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu
berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist ferner auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil
dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefern kann. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die
Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags, gegebenenfalls auch die
praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse gilt es zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt
derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (BAG 23.
Februar 2005 - 4 AZR 172/ 04 - EzA TVG Luftfahrt § 4 Nr. 12; 14. Januar 2004 - 4 AZR 581/ 02 - BAGE 109, 153).
b) Schon der Wortlaut des § 26 Abs. 1 TV weist eindeutig darauf hin, dass die Ablehnung, nach dem allgemeinen Sprachgebrauch also die einmalige
Ablehnung der Vermittlung und/ oder die Ablehnung der Übernahme einer zumutbaren Tätigkeit für die DB Vermittlung GmbH oder bei einem anderen
Unternehmen einen Kündigungsgrund darstellen soll. Eine Einschränkung in der Form, dass erst zwei verschiedene Tätigkeiten angeboten werden müssten, ehe
gekündigt werden kann, enthält diese Vorschrift nicht.
c) Die Revision macht auch zu Unrecht geltend, eine solche Einschränkung ergebe sich aus § 26 Abs. 2 TV. Das Landesarbeitsgericht weist insoweit zutreffend
darauf hin, dass gerade § 26 Abs. 2 TV von der Zulässigkeit einer Kündigung bereits nach einmaliger Ablehnung einer zumutbaren anderen
Beschäftigungsmöglichkeit ausgeht. § 22 Abs. 2 Satz 1 TV enthält nicht etwa die Formulierung, dass die Beklagte nach der (einmaligen) Ablehnung eines
zumutbaren Angebots innerhalb von höchstens sechs Monaten eine weitere Beschäftigungsmöglichkeit anbieten muss. Die tarifliche Vorschrift spricht im
Gegenteil von einer bei (einmaliger) Ablehnung eines zumutbaren Angebots "nach Abs. 1 zulässigen Kündigung". Damit setzt auch § 26 Abs. 2 Satz 1 TV
selbst bei einem erforderlichen Wohnungswechsel voraus, dass grundsätzlich schon bei einmaliger Ablehnung eines zumutbaren Angebots nach § 26 Abs. 1
eine Kündigung zulässig ist. Allerdings wird bei einem vorgesehenen Arbeitgeberwechsel, wenn der Arbeitnehmer das Angebot ablehnt, zusammen mit dem
Betriebsrat und ggf. einer tariflich vorgesehenen Clearingstelle verstärkt geprüft, ob das erste Angebot aufrechterhalten werden kann oder ein zweites Angebot
erforderlich ist (§ 27 TV). Sinn und Zweck der Regelung in § 26 Abs. 2 TV ist es nur - worauf das Landesarbeitsgericht zutreffend hinweist - in dem Fall, dass
die Beklagte bei einem erforderlichem Wohnungswechsel nach der ersten Ablehnung von einer sofortigen Kündigung absieht, dann für das zweite Angebot die
Zumutbarkeitskriterien herabzusetzen. Diese Regelung hindert die Beklagte nicht, je nach den Umständen auch schon nach der ersten Ablehnung einer
zumutbaren anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeit ihr Kündigungsrecht nach § 26 Abs. 1 TV auszuüben, wenn das Verfahren nach § 27 TV durchgeführt
ist. Aus § 26 TV lässt sich lediglich herleiten, dass ein erforderlicher Wohnungswechsel bei der Interessenabwägung mit erheblichem Gewicht zu Gunsten des/
der Betroffenen zu berücksichtigen ist und die Beklagte in diesen Fällen nach dem ultima-ratio-Prinzip zu prüfen hat, ob nach der ersten Ablehnung anstatt
einer sofortigen Kündigung ein zweites Angebot innerhalb von sechs Monaten mit entsprechend herabgesetzter Zumutbarkeitsgrenze zu erfolgen hat.
d) Auch der Hinweis der Revision auf den Gesamtzusammenhang des Tarifvertrags führt nicht zu einem anderen Ergebnis. Mit dem Landesarbeitsgericht ist
dabei davon auszugehen, dass die Tätigkeit der Beklagten allein darauf angelegt ist, Arbeitnehmer, für die auf Grund der Umstrukturierungen im DB-Konzern
betriebsbedingt keine Beschäftigungsmöglichkeit mehr zur Verfügung steht, auf einen neuen Dauerarbeitsplatz möglichst im Bereich des DB-Konzerns zu
vermitteln (§ 19 Abs. 1 TV). Deshalb hat der Arbeitnehmer beim Vorliegen betrieblicher Erfordernisse jede ihm übertragene Tätigkeit in Unternehmen des
DB-Konzerns auszuüben, die ihm nach seiner Befähigung, Ausbildung, Eignung und seinen sozialen Verhältnissen zugemutet werden kann (§ 19 Abs. 2 TV).
Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, seine Vermittlung auf einen neuen Arbeitsplatz aktiv zu unterstützen (§ 19 Abs. 5 TV). Er ist ebenfalls verpflichtet, ein
zumutbares Angebot einer solchen Beschäftigung in einem Unternehmen des DB-Konzerns anzunehmen (§ 22 Abs. 2 TV). Die Zumutbarkeit ist dabei im
Einzelnen tariflich geregelt, wobei die finanziellen Aufwendungen im Zusammenhang mit einem erforderlichen Wohnungswechsel teilweise ausgeglichen
werden (§§ 20 ff. TV). Diese Regelung ist insgesamt darauf zugeschnitten, für die betroffenen Arbeitnehmer einen zumutbaren Arbeitsplatz zu finden und ihr
möglichst zeitnahes Überwechseln in die andere Beschäftigung zu erleichtern. Anhaltspunkte für eine Wertung der Tarifvertragsparteien, bei erforderlichem
Wohnungswechsel müsse die erste Ablehnung einer zumutbaren Weiterbeschäftigungsmöglichkeit stets sanktionslos bleiben und erst die zweite Ablehnung
könne kündigungsrelevant werden, sind auch bei einer Gesamtbetrachtung der tariflichen Regelung nicht erkennbar.
II. Zu Unrecht macht die Revision geltend, die Beklagte habe bereits durch den Ausspruch einer Abmahnung auf ihr Kündigungsrecht verzichtet.
1. Zwar verzichtet der Arbeitgeber konkludent auf sein Kündigungsrecht, wenn er wegen eines abgeschlossenen Fehlverhaltens des Arbeitnehmers lediglich
eine Abmahnung ausspricht und ausdrücklich erklärt, bei künftigen gleichartigen Vertragsverletzungen sei der Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdet.
Damit bringt er gleichzeitig zum Ausdruck, wegen des gerügten Fehlverhaltens werde noch keine Kündigung erfolgen. Der Arbeitgeber kann deshalb eine
spätere Kündigung nicht allein auf die abgemahnten Gründe stützen, sondern hierauf nur unterstützend zurückgreifen, wenn weitere kündigungsrechtlich
erhebliche Umstände eintreten oder ihm nachträglich bekannt werden (BAG 10. November 1988 - 2 AZR 215/ 88 - AP KSchG 1969 § 1 Abmahnung Nr. 3 =
EzA BGB § 611 Abmahnung Nr. 18). Ein Verzicht kann allerdings nur dann angenommen werden, wenn die Vertragsrüge deutlich und unzweifelhaft zu
erkennen gibt, dass der Arbeitgeber den vertraglichen Pflichtverstoß hiermit als ausreichend sanktioniert und die Sache als "erledigt" ansieht. Ein Verzicht auf
ein Kündigungsrecht muss eindeutig sein, nur dann ist auch ein entsprechendes Vertrauen des Arbeitnehmers gerechtfertigt (BAG 6. März 2003 - 2 AZR 128/
02 - AP BGB § 611 Abmahnung Nr. 30 = EzA BGB 2000 § 626 Nr. 3).
2. Es ist danach revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn das Landesarbeitsgericht in der durch die Beklagte ausgesprochenen Abmahnung keinen
Verzicht auf das Kündigungsrecht gesehen hat. Entscheidend ist, dass es sich bei dem Fehlverhalten der Klägerin nicht um einen abgeschlossenen Vorgang
gehandelt hat. Die Pflicht der Klägerin, einen zumutbaren Arbeitsplatz anzunehmen (§ 22 Abs. 2 TV), bestand auch nach ihrer ersten Weigerung fort und bezog
sich nach wie vor auf den Arbeitsplatz in Frankfurt/ Main. Die ohnehin revisionsrechtlich nur eingeschränkt überprüfbare Auslegung des
Abmahnungsschreibens durch das Landesarbeitsgericht trifft zu. Durch den Ausspruch der Abmahnung hat die Beklagte die Klägerin nur auf die aus ihrer Sicht
bestehende Pflicht hingewiesen, den Arbeitsplatz in Frankfurt/ Main anzunehmen und ihr für den Fall der fortgesetzten Ablehnung dieses Arbeitsangebots die
Kündigung angedroht. Die Klägerin konnte nach Treu und Glauben aus dieser Abmahnung nicht herleiten, die Beklagte wolle auf ein Kündigungsrecht auch für
den Fall verzichten, dass die Klägerin bei ihrer Weigerung blieb, die Arbeit in Frankfurt/ Main anzutreten.
III. Dem Landesarbeitsgericht ist auch darin zu folgen, dass die Kündigung nicht nach § 1 KSchG wegen Sozialwidrigkeit rechtsunwirksam ist.
1. Die Entscheidung des Berufungsgerichts über die Sozialwidrigkeit einer Kündigung ist in der Revisionsinstanz nur beschränkt nachprüfbar. Bei der Frage der
Sozialwidrigkeit (§ 1 Abs. 2 KSchG) handelt es sich um die Anwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffs, die vom Revisionsgericht nur darauf überprüft
werden kann, ob das Berufungsgericht den Rechtsbegriff selbst verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnorm des § 1 KSchG
Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt hat, ob es bei der gebotenen Interessenabwägung, bei der dem Tatsachenrichter ein
Beurteilungsspielraum zusteht, alle wesentlichen Umstände berücksichtigt hat und ob das Urteil in sich widerspruchsfrei ist (st. Rspr. etwa BAG 21. Mai 1992 -
2 AZR 10/ 92 - BAGE 70, 262).
2. Diesem Überprüfungsmaßstab hält das Berufungsurteil stand.
a) Für eine verhaltensbedingte Kündigung genügen solche im Verhalten des Arbeitnehmers liegenden Umstände, die bei verständiger Würdigung in Abwägung
der Interessen der Vertragsparteien und des Betriebes die Kündigung als billigenswert und angemessen erscheinen lassen. Als verhaltensbedingter Grund ist
insbesondere eine rechts- bzw. vertragswidrige Pflichtverletzung aus dem Arbeitsverhältnis geeignet, wobei regelmäßig Verschulden erforderlich ist; die
Leistungsstörung muss dem Arbeitnehmer vorwerfbar sein. Insofern genügt ein Umstand, der einen ruhig und verständig urteilenden Arbeitgeber zur
Kündigung bestimmen kann (BAG 11. Dezember 2003 - 2 AZR 667/ 02 - BAGE 109, 87).
b) Das Landesarbeitsgericht sieht in der von der Klägerin nachhaltig erklärten Ablehnung des ihr in Frankfurt/ Main angebotenen Arbeitsplatzes eine
schuldhafte Pflichtverletzung ihres Arbeitsvertrags mit Auswirkungen auf die zukünftige Vertragsgestaltung. Dies ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
aa) Nach dem Arbeitsvertrag und dem einschlägigen Tarifvertrag war die Klägerin verpflichtet, ein zumutbares Beschäftigungsangebot in einem Unternehmen
des DB-Konzerns anzunehmen. Diese Verhaltenspflicht ersetzte in dem besonderen, mit der Beklagten als Vermittlungsgesellschaft begründeten
Arbeitsverhältnis die ursprüngliche Arbeitspflicht der Klägerin, die wegen des betriebsbedingten Wegfalls der Beschäftigungsmöglichkeiten an ihrem früheren
Arbeitsplatz nicht mehr realisiert werden konnte. Auf das Kündigungsrecht der Beklagten bei Ablehnung eines Arbeitsplatzangebots und mangelnder Mobilität
war die Klägerin bei Abschluss des Arbeitsvertrags ausdrücklich hingewiesen worden. Es musste ihr, da der Arbeitsvertrag ausdrücklich auf eine berufliche
Neuorientierung mit dem Ziel einer Vermittlung auf einen anderen Arbeitsplatz zielte, klar sein, dass sie mit der Ablehnung eines zumutbaren
Beschäftigungsangebots möglicherweise riskierte, dass ihr die Beklagte kündigte.
bb) Dem Landesarbeitsgericht ist auch darin zu folgen, dass der angebotene Arbeitsplatz in Frankfurt/ Main der Klägerin zumutbar war. Die Zumutbarkeit in
fachlicher Hinsicht hat das Landesarbeitsgericht zutreffend daraus hergeleitet, dass die Klägerin schon im Rahmen ihres Praktikums mehrere Monate auf dem
ihr nunmehr dauerhaft angebotenen Arbeitsplatz tätig war. Auch der erforderliche Wohnortwechsel steht der Zumutbarkeit nicht entgegen. Nach § 23 Abs. 2
TV ist dem Arbeitnehmer grundsätzlich ein Wohnortwechsel zuzumuten. Nach § 3 Abs. 2 des Arbeitsvertrags wäre selbst eine Vermittlung in eine Tätigkeit an
wechselnden Arbeitsorten zulässig gewesen. Auch auf Grund des Vertrags über die Durchführung des berufsvorbereitenden Praktikums, der ausdrücklich eine
Einstellung im Praktikumsbetrieb bei erfolgreicher Absolvierung des Praktikums vorsieht, musste die Klägerin damit rechnen, dass die Beklagte ihr die
Tätigkeit in Frankfurt/ Main zuwies und sie nicht anstatt dessen in der Form eines weiteren Praktikums auf eine andere Tätigkeit, möglicherweise bei einem
anderen Unternehmen des DB-Konzerns vorbereitete, um sie später in diese Tätigkeit zu vermitteln.
cc) Angesichts der Ausgleichsmaßnahmen, die der Tarifvertrag bei einem erforderlichen Wohnungswechsel vorsieht, ist es nicht als rechtsfehlerhaft anzusehen,
dass das Landesarbeitsgericht den der Klägerin zugemuteten Wohnungswechsel auch angesichts ihrer sozialen Umstände als zumutbar angesehen und dabei die
durch eine Tätigkeit in Frankfurt/ Main für die Klägerin erzielbare Gehaltserhöhung berücksichtigt hat. Es hält sich im Beurteilungsspielraum der
Tatsacheninstanz, wenn das Landesarbeitsgericht die von der Klägerin geltend gemachten persönlichen Umstände, insbesondere ihren Hausbesitz, unter den
gegebenen Umständen nicht als ausreichend angesehen hat, die Zumutbarkeit des Antritts der Beschäftigung in Frankfurt/ Main zu verneinen.
dd) Auch der nach § 27 TV bei Ablehnung eines Arbeitsplatzangebots eingeschaltete Betriebsrat hat gegen die Aufrechterhaltung des Angebots keine Bedenken
erhoben und geht deshalb offensichtlich von dessen Zumutbarkeit aus. Rügen hinsichtlich des Verfahrens nach § 27 TV hat die Klägerin auch nicht mehr vorgebracht.
ee) Die Zumutbarkeit ist auch gegeben, wenn man berücksichtigt, dass nach § 26 Abs. 2 TV der Arbeitgeber stets zu prüfen hat, ob er bei einem erforderlichen
Wohnungswechsel die erste Ablehnung einer neuen Beschäftigung durch die Arbeitnehmerin hinnimmt und erst nach der zweiten Ablehnung kündigt. Das
Landesarbeitsgericht stellt insoweit zutreffend darauf ab, dass sich die ablehnende Haltung der Klägerin gegen den Wohnungswechsel an sich und nicht nur
gegen eine Beschäftigung in Frankfurt/ Main richtete. Wenn die Klägerin nach ihrem Gesamtverhalten nicht umzugsbereit war, so war im Zeitpunkt der
Kündigung absehbar, dass ein weiteres Arbeitsplatzangebot, das ebenfalls mit einem Wohnungswechsel verbunden war, ggf. nach entsprechend
kostenintensiver Schulung in einem weiteren Tätigkeitsbereich, lediglich geeignet sein würde, das Verfahren zu verzögern, ohne eine erfolgreiche Vermittlung
der Klägerin in eine neue Tätigkeit zu bewirken. Auf einen Arbeitsplatz an ihrem Wohnort oder in dessen Einzugsbereich hatte die Klägerin aber nach dem
Arbeitsvertrag und dem Tarifvertrag keinen Anspruch. Auf das Vorbringen der Beklagten, dass insoweit freie geeignete Arbeitsplätze nicht vorhanden waren
und auch absehbar nicht frei würden, kommt es damit nicht mehr an.
ff) Gegen ihre arbeitsvertragliche Pflicht zur Annahme eines zumutbaren Arbeitsplatzes und damit gegen eine der wesentlichen Pflichten aus dem auf
Vermittlung zielenden Arbeitsvertrag hat die Klägerin in erheblicher Weise verstoßen. Sie war auch durch den entsprechenden Hinweis im Arbeitsvertrag auf
die einschlägige Tarifregelung und durch die spätere Abmahnung der Beklagten hinreichend informiert, dass bei einer Fortsetzung ihrer ablehnenden Haltung
eine Kündigung erfolgen würde.
c) Es trifft nicht zu, dass die Beklagte - wie die Klägerin in den Tatsacheninstanzen geltend gemacht hat - verpflichtet gewesen wäre, in der Form einer
"Sozialauswahl" die in Frage kommenden Arbeitsplätze je nach der Nähe zum bisherigen Wohnsitz der Betroffenen zuzuteilen. Eine solche Verpflichtung sieht
der Tarifvertrag nicht vor. Auch aus anderen Rechtsvorschriften ergibt sich eine derartige Verpflichtung der Beklagten nicht. Sie würde darüber hinaus im
Zweifel zu kaum mehr steuerbaren Schwierigkeiten bei der Vermittlung der zur Beklagten gewechselten Arbeitnehmer führen und tatsächlich geeignet sein, die
Vermittlung in unzumutbarer Weise zu verzögern.
d) Auch die vom Landesarbeitsgericht vorgenommene Interessenabwägung ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Das Landesarbeitsgericht hat dabei
durchaus die lange Betriebszugehörigkeit der Klägerin im DB-Konzern bzw. bei der Deutschen Reichsbahn und das angesichts ihres Alters beachtliche
Interesse der Klägerin an der Beibehaltung ihres Hauptwohnsitzes in A berücksichtigt. Wenn es trotzdem das Interesse der Beklagten, sich von der Klägerin zu
trennen, hat überwiegen lassen, so beruht dies vor allem auf der Berücksichtigung der speziellen Natur des von der Klägerin eingegangenen
Arbeitsverhältnisses. Wenn die Gründe, die die Klägerin zur Ablehnung des Arbeitsangebots in Frankfurt/ Main bewogen haben, nach den Feststellungen des
Landesarbeitsgerichts ihre Gültigkeit auch für weitere Stellenangebote behielten, die mit einem Wohnortwechsel verbunden gewesen wären, so war der
"Vermittlungszweck" des bestehenden Arbeitsverhältnisses nachhaltig gefährdet. Deshalb ist das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen, die Chancen der
Beklagten, für die Klägerin einen auf ihre persönlichen Wohnortwünsche zugeschnittenen Arbeitsplatz im Laufe der nächsten Zeit zu finden, seien im
Kündigungszeitpunkt als äußerst gering einzuschätzen gewesen. Nach der Prognose des Landesarbeitsgerichts war deshalb absehbar, die Beklagte würde ohne
Ausspruch einer Kündigung weiterhin die volle Arbeitsvergütung an die Klägerin zahlen müssen, ohne hierfür auf absehbare Zeit einen wirtschaftlichen
Gegenwert zu erhalten. Diese Bewertung der beiderseitigen Interessen lässt keinen Rechtsfehler erkennen. ..." (BAG, Urteil vom 02.02. 2006 - 2 AZR 222/05)
***
Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats können grobe Beleidigungen des Arbeitgebers und seiner Vertreter und Repräsentanten einerseits oder
von Arbeitskollegen andererseits, die nach Form und Inhalt eine erhebliche Ehrverletzung für den bzw. die Betroffenen bedeuten, einen erheblichen Verstoß
des Arbeitnehmers gegen seine vertragliche Pflicht zur Rücksichtnahme (§ 241 II BGB) darstellen und eine Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen
gem. § 1 II KSchG an sich sozial rechtfertigen. Bei der Konkretisierung der vertraglichen Rücksichtnahmepflicht und ihrer möglichen Verletzung sind jedoch
die grundrechtlichen Rahmenbedingungen, insbesondere das Grundrecht auf Meinungsfreiheit, zu beachten. Für eine verhaltensbedingte Kündigung gilt das so
genannte Prognoseprinzip. Der Zweck der Kündigung ist nicht Sanktion für eine Vertragspflichtverletzung, sondern eine Vermeidung von weiteren
Vertragspflichtverletzungen. Die eingetretene Pflichtverletzung muss sich auch zukünftig noch belastend auswirken. Deshalb setzt eine Kündigung wegen einer
Vertragspflichtverletzung regelmäßig eine Abmahnung voraus. Sie dient der Objektivierung der Prognose. Die Abmahnung ist zugleich auch Ausdruck des
Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Eine verhaltensbedingte Kündigung ist nicht gerechtfertigt, wenn es andere geeignete mildere Mittel gibt, um eine zukünftige
Vertragsstörung zu beseitigen und zu vermeiden. Dieser Aspekt hat durch die gesetzliche Regelung des § 314 II BGB eine gesetzgeberische Bestätigung
erfahren. Eine Abmahnung ist auch unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ausnahmsweise entbehrlich, wenn eine Verhaltensänderung in
Zukunft - trotz Abmahnung - nicht erwartet werden kann oder es sich um eine solch schwere Pflichtverletzung handelt, deren Rechtswidrigkeit dem
Arbeitnehmer ohne weiteres erkennbar ist und bei der eine Hinnahme des Verhaltens durch den Arbeitgeber offensichtlich ausgeschlossen werden kann (BAG,
Urteil vom 12.01.2006 - 2 AZR 21/05).
Durch die unerlaubte - durch entsprechende Dienstvereinbarung und Dienstanweisung verbotene - Installation einer Anonymisierungssoftware verletzt der
Arbeitnehmer seine arbeitsvertragliche (Rücksichtnahme-)Pflicht erheblich. Für eine verhaltensbedingte Kündigung gilt das Prognoseprinzip. Der Zweck der
Kündigung ist nicht Sanktion für eine Vertragspflichtverletzung, sondern die Vermeidung von weiteren Vertragspflichtverletzungen. Die eingetretene
Pflichtverletzung muss sich auch zukünftig noch belastend auswirken. Deshalb setzt eine Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung regelmäßig eine
Abmahnung voraus. Sie dient der Objektivierung der Prognose. Die Abmahnung ist zugleich auch Ausdruck des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Eine
verhaltensbedingte Kündigung ist nicht gerechtfertigt, wenn es andere geeignete mildere Mittel gibt, um eine zukünftige Vertragsstörung zu beseitigen und zu
vermeiden. Dieser Aspekt hat durch die gesetzliche Regelung des § 314 II BGB eine gesetzgeberische Bestätigung erfahren. Eine Abmahnung ist auch unter
Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ausnahmsweise entbehrlich, wenn eine Verhaltensänderung in Zukunft - trotz Abmahnung - nicht
erwartet werden kann oder es sich um eine solch schwere Pflichtverletzung handelt, deren Rechtswidrigkeit dem Arbeitnehmer ohne weiteres erkennbar ist und
bei der eine Hinnahme des Verhaltens durch den Arbeitgeber offensichtlich ausgeschlossen werden kann (BAG, Urteil vom 12.01.2006 - 2 AZR 179/05).
***
„... Der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts hat am 2. Juni 2005 (- 2 AZR 158/ 04 - EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 61, auch zur Veröffentlichung in
der Amtlichen Sammlung vorgesehen) entschieden, dass die Sozialauswahl auch dann grundsätzlich betriebsbezogen zu erfolgen hat, wenn sich der Arbeitgeber
ein betriebsübergreifendes Versetzungsrecht vorbehalten hat.
1. Mit diesem Urteil wurde die oben genannte Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Köln vom 9. Februar 2004 (- 2 (10) Sa 982/ 03 -NZA-RR 2005, 26)
aufgehoben, und zwar in einem Fall, in dem der klagende Arbeitnehmer als Verkaufsabteilungsleiter in einer Filiale beschäftigt war. Die Arbeitgeberin hatte
sich arbeitsvertraglich vorbehalten, dem Arbeitnehmer nach Bedarf eine andere zumutbare Beschäftigung auch in einer anderen Betriebsstätte in angemessener
Entfernung zur bisherigen Arbeitsstätte zuzuweisen. Nachdem die Arbeitgeberin sich entschlossen hatte, eine der Verkaufsabteilungsleiterstellen der Filiale
entfallen zu lassen, kündigte sie jenem Kläger betriebsbedingt. Dieser berief sich ua. darauf, die Sozialauswahl habe nicht auf "seine" Filiale beschränkt werden
dürfen. Das Landesarbeitsgericht Köln hat die Kündigung für unwirksam gehalten, weil die erforderliche soziale Auswahl nicht richtig getroffen worden sei. In
die Sozialauswahl seien alle Arbeitnehmer mit einzubeziehen gewesen, die einen Arbeitsplatz vergleichbarer Wertigkeit innehätten und in angemessener
Entfernung von der betroffenen Filiale arbeiteten. Dem ist der Zweite Senat in der oben genannten Entscheidung vom 2. Juni 2005 nicht gefolgt.
2. Der Zweite Senat hat auf die ständige Rechtsprechung verwiesen, nach der die Sozialauswahl betriebsbezogen ist und Arbeitnehmer anderer Betriebe eines
Unternehmens oder eines Konzerns grundsätzlich nicht in die Sozialauswahl einzubeziehen sind. Eine Sozialauswahl, die vergleichbare Arbeitnehmer
mehrerer, möglicherweise weit auseinander liegender Betriebe des Unternehmens einbeziehe, würde die Vorbereitung eines Kündigungsentschlusses durch den
Arbeitgeber und dessen Nachprüfung durch die Gerichte ohne ausreichende gesetzliche Grundlage über Gebühr erschweren und darüber hinaus zu nur schwer
lösbaren Problemen im Rahmen der Beteiligung des Betriebs-/ Personalrats bei derartigen Maßnahmen führen.
Er hat weiter ausgeführt, das vertraglich vereinbarte Versetzungsrecht stelle nur unter anderem klar, dass der Arbeitnehmer bei dringenden betrieblichen
Erfordernissen, die seiner Weiterbeschäftigung in seinem Beschäftigungsbetrieb entgegenstünden, auf einem freien Arbeitsplatz innerhalb von anderen
Betrieben des Unternehmens weiterzubeschäftigen sei (§ 1 Abs. 2 Satz 2 KSchG). Eine "Sozialauswahl" mit der Pflicht des Arbeitgebers, für den Arbeitnehmer
einen besetzten Arbeitsplatz in einem anderen Betrieb des Unternehmens freizukündigen, obwohl für die Kündigung dieses Arbeitnehmers unmittelbar kein
dringendes betriebliches Erfordernis bestehe, lasse sich durch diese Versetzungsklausel nicht rechtfertigen. Soweit das Landesarbeitsgericht Köln bei einer
derartigen Vertragsgestaltung mit weitgehenden Versetzungsrechten des Arbeitgebers Missbrauchsmöglichkeiten sehe, rechtfertigten diese nicht ein Abweichen
von der Betriebsbezogenheit der Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG. Eine Unternehmerentscheidung, die rechtsmissbräuchlich nur das Ziel habe, die
Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG zu umgehen, sei willkürlich und damit unbeachtlich (§ 162 BGB). Sie könne kein dringendes betriebliches Erfordernis
zur Kündigung nach § 1 Abs. 2 KSchG darstellen. Einem missbräuchlichen Verhalten des Arbeitgebers lasse sich deshalb auch ohne die vom
Landesarbeitsgericht Köln befürwortete Ausdehnung des § 1 Abs. 3 KSchG begegnen.
3. Dem folgt der Senat auch für den vorliegenden Fall.
Zwar bejaht Berkowsky ausgehend von dem Grundsatz "Arbeitspflicht entspricht Direktionsrecht, Direktionsrecht entspricht Kündigungsschutz" die Frage, ob
der Arbeitgeber die Sozialauswahl im Falle einer Versetzungsklausel "überbetrieblicher Einsatzbereich" betriebsübergreifend auf an sich vergleichbare
Arbeitnehmer in anderen vom Arbeitsvertrag des betroffenen Arbeitnehmers erfassten Betrieben ausdehnen muss. Die Reichweite des Direktionsrechts des
Arbeitgebers entspreche dem Anspruch des Arbeitnehmers, über die Sozialauswahl ungekündigt weiterbeschäftigt zu werden, solange mit ihm vergleichbare,
aber sozial weniger schutzbedürftigen Arbeitnehmer vorhanden seien (Berkowsky Die betriebsbedingte Kündigung 5. Aufl. S. 157 Rn. 81, derselbe
MünchArbR 2. Aufl. § 139 Rn. 68 ff.; NZA 1996, 290, 291 ff.). Entgegen Berkowsky hat es jedoch dabei zu bleiben, dass die nach § 1 Abs. 3 KSchG zu
treffende Sozialauswahl streng betriebsbezogen und auch bei einer Ausweitung des Direktionsrechts hinsichtlich eines überbetrieblichen Einsatzes
grundsätzlich nicht unternehmensbezogen ist.
Der Zweite Senat hat ausgeführt: ‚Nach § 1 Abs. 3 KSchG ist die vom Arbeitgeber zu treffende Sozialauswahl streng betriebsbezogen … und auch bei einer
entsprechenden Ausweitung des Direktionsrechts des Arbeitgebers grundsätzlich nicht unternehmensbezogen. Nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG ist die Kündigung
u. a. dann sozial ungerechtfertigt, wenn sie nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem
Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG hat dabei die Funktion festzulegen, welchen von mehreren vergleichbaren
Arbeitnehmern des Betriebs die Kündigung zu treffen hat, wenn das dringende betriebliche Erfordernis nur der Weiterbeschäftigung eines von diesen
Arbeitnehmern entgegensteht. Auch der Wortlaut des § 1 Abs. 3 KSchG knüpft an die dringenden betrieblichen Erfordernisse des § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG an
und stellt in der sogenannte Leistungsträgerregelung des § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG ebenfalls auf die betrieblichen Interessen des Arbeitgebers ab. Der danach
eindeutig aus Wortlaut, Sinn und Zweck und Gesamtzusammenhang des § 1 KSchG herzuleitenden Betriebsbezogenheit der sozialen Auswahl steht auch nicht
die Regelung des § 1 Abs. 2 Satz 2 KSchG entgegen, wonach betriebs- und dienststellenübergreifend Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten für die zur
Kündigung anstehenden Arbeitnehmer zu prüfen sind. Diese Ausnahmeregelung entspricht dem ultima-ratio-Grundsatz und betrifft nur freie Arbeitsplätze.
Würde man auch die Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG ganz oder teilweise auf den Unternehmensbereich ausdehnen, so würde dies notwendigerweise zur
Austauschkündigung führen. Besteht in einem der Betriebe eines Unternehmens ein dringendes betriebliches Erfordernis, etwa die Personalstärke an den
gesunkenen Arbeitsanfall anzupassen, so kann dies grundsätzlich nur die Kündigung gegenüber Arbeitnehmern dieses Betriebes sozial rechtfertigen. Dafür, im
Wege der Sozialauswahl für die zur Kündigung anstehenden Arbeitnehmer in einem anderen Betrieb des Unternehmens Arbeitsplätze freizukündigen, besteht
kein dringendes, auf deren Beschäftigungsbetrieb bezogenes Erfordernis, das eine Kündigung nach § 1 Abs. 2 KSchG sozial rechtfertigen könnte.'
Diese gesetzliche Grundkonzeption lässt sich nicht durch das "vertragsbezogene Konzept" Berkowskys aushebeln. Es ist zwar richtig, dass horizontal
vergleichbare Arbeitsplätze bzw. Arbeitnehmer in die soziale Auswahl mit einbezogen werden. Es ist auch grundsätzlich richtig, dass das Kriterium zur
Abgrenzung einer Hierarchiestufe bei der Sozialauswahl nach Maßgabe des Direktionsrechts erfolgt. Auf einer Stufe befinden sich Arbeitnehmer, die genau
diejenigen Arbeitsplätze besetzen, die infolge eines inner- oder außerbetrieblichen Umstandes entfallen, aber auch solche, deren Arbeitsplätze die von der
Kündigung betroffenen Arbeitnehmer durch Versetzung zugewiesen bekommen können (vgl. Langenbucher Anm. zu BAG 17. September 1998 - 2 AZR 725/
97 - SAE 1999, 170, 175). Das ist aber wegen der gesetzgeberischen Vorgabe in § 1 Abs. 3 KSchG auf dieselbe Ebene der betrieblichen Hierarchie beschränkt
und wirkt nicht betriebsübergreifend. Ein Arbeitnehmer auf einer höheren Hierarchieebene des Betriebes hat bessere Arbeitsbedingungen als die Arbeitnehmer
auf den niedrigeren Ebenen und ist vor Rückstufungen auf eine niedrigere Hierarchiestufe geschützt. Mit diesem Vorteil korrespondiert für den Arbeitnehmer
das Risiko einer veränderten Sozialauswahl (vgl. Langenbucher aaO S. 174), weil sich dann die Zahl der auf derselben Ebene der betrieblichen Hierarchiestufe
vorhandenen Arbeitnehmer verringert oder solche Arbeitnehmer gar nicht mehr vorhanden sind. An dieser Folge ändert eine betriebsübergreifende
Versetzungsklausel nichts. Gesehen werden müssen auch die Interessen der vergleichbaren Arbeitnehmer der anderen Betriebe: Diese durften sich darauf
verlassen, dass sie nur mit vergleichbaren Arbeitnehmern "ihres" Betriebes konkurrieren, nicht aber mit von Arbeitsplatzverlust bedrohten Arbeitnehmern
anderer Betriebe auf Grund von betriebsübergreifenden Versetzungsklauseln. ... (BAG, Urteil vom 15.12. 2005 - 6 AZR 199/05).
***
Die soziale Auswahl bei einer betriebsbedingten Kündigung ist auf den Betrieb beschränkt, in dem der zu kündigende Arbeitnehmer beschäftigt ist. Nach ihrer
Tätigkeit vergleichbare Arbeitnehmer in anderen Betrieben des Unternehmens sind auch dann nicht in die Auswahl einzubeziehen, wenn der Arbeitgeber
gemäß dem Arbeitsvertrag zu einer Versetzung des Arbeitnehmers in andere Betriebe berechtigt sein sollte. Der Kläger war seit 1973 bei der
Insolvenzschuldnerin beschäftigt. Diese betrieb an verschiedenen Standorten in Deutschland Kaufhäuser. Der Insolvenzschuldnerin war arbeitsvertraglich das
Recht eingeräumt, dem Kläger eine andere Tätigkeit im gleichen oder in einem anderen Haus zuzuweisen und ihn an einen anderen Dienstort zu versetzen.
Zuletzt war der Kläger stationärer Storemanager/ Geschäftsleiter der Filiale in L. Am 1. Juli 2004 wurde über das Vermögen der Schuldnerin das
Insolvenzverfahren eröffnet und die Beklagte wurde zur Insolvenzverwalterin bestellt. Nach einem Interessenausgleich vom 1. Juli 2004 sollte ua. die Filiale in
L. zum 31. Juli 2004 stillgelegt, andere Filialen sollten zunächst noch weiter betrieben werden. Mit Schreiben vom 19. Juli 2004 kündigte die Beklagte das
Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zum 31. Oktober 2004. Dessen Kündigungsschutzklage, mit der er die Notwendigkeit einer betriebsübergreifenden
Sozialauswahl geltend gemacht hatte, blieb in der Revisionsinstanz erfolglos (BAG, Urteil vom 15.12.2005 - 6 AZR 199/05).
***
„... B. Dem stimmt der Senat zwar in weiten Teilen der Begründung, nicht aber im Ergebnis zu. Ob die Beklagte dem Kläger die Beschäftigung als Pförtner
hätte anbieten müssen und die Kündigung deshalb unwirksam ist, steht noch nicht fest.
I. Nicht zu beanstanden ist die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, dass der Betriebsrat ordnungsgemäß angehört wurde.
1. Die Mitteilungspflicht des Arbeitgebers bei der Betriebsratsanhörung gem. § 102 Abs. 1 BetrVG ist subjektiv determiniert. Der Betriebsrat ist
ordnungsgemäß angehört worden, wenn der Arbeitgeber dem Betriebsrat die aus seiner Sicht tragenden Kündigungsgründe mitgeteilt hat (st. Rspr. Senat 24.
Juni 2003 - 2 AZR 461/ 03 - AP BGB § 620 Kündigungserklärung Nr. 22 = EzA BetrVG 2001 § 102 Nr. 9; 6. November 2003 - 2 AZR 690/ 02 - BAGE 108,
269). Insoweit muss der Arbeitgeber seinen Wissensstand richtig an den Betriebsrat weitergeben. Eine aus Sicht des Arbeitgebers bewusst unrichtige oder
unvollständige und damit irreführende Darstellung stellt keine ordnungsgemäße Anhörung dar (Senat 31. Januar 1996 - 2 AZR 181/ 95 -; 31. August 1989 - 2
AZR 453/ 88 - AP LPVG Schleswig-Holstein § 77 Nr. 1). Hingegen ist der Arbeitgeber im Rahmen der Betriebsratsanhörung nicht verpflichtet, die Richtigkeit
dokumentierter Daten zu überprüfen (LAG Baden-Württemberg 9. November 1990 - 15 Sa 86/ 90 - LAGE BetrVG 1972 § 102 Nr. 25; LAG
Schleswig-Holstein 1. April 1999 - 5 Sa 236/ 98 - LAGE KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 30; KR-Etzel 7. Aufl. § 102 BetrVG Rn. 58b; HaKo-Griebeling
KSchG 2. Aufl. § 102 BetrVG Rn. 84; Stahlhacke/ Preis/ Vossen Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis 9. Aufl. Rn. 396). Er kann deshalb
mangels anderweitiger Kenntnisse auch von den Eintragungen in der Lohnsteuerkarte ausgehen, hat dies aber dann gegenüber dem Betriebsrat zu kennzeichnen
(KR-Etzel aaO).
2. Danach hat die Beklagte den Betriebsrat ordnungsgemäß angehört.
a) Sie hat dem Betriebsrat den aus ihrer Sicht bestehenden Kündigungssachverhalt vollständig, nicht irreführend und nach ihrem Kenntnisstand zutreffend
mitgeteilt. Dies gilt auch, soweit die Beklagte weiter ausgeführt hat, leidensgerechte Tätigkeiten außerhalb der Produktion seien nicht verfügbar. Denn dies
entsprach ihrer Auffassung.
b) Zu Unrecht meint die Revision, die Angabe der Beklagten, der Kläger habe laut Lohnsteuerkarte keine Kinder, sei nicht ausreichend. Grundsätzlich ist der
Arbeitnehmer für die Unterrichtung des Arbeitgebers über Veränderungen seiner Personalien verantwortlich (Senat 29. Januar 1997 - 2 AZR 292/ 96 - BAGE
85, 114; HaKo-Griebeling KSchG 2. Aufl. § 102 BetrVG Rn. 84). Überreicht er lediglich eine Lohnsteuerkarte, ohne den Arbeitgeber über darüber hinaus
gehende persönliche Daten aufzuklären, muss er davon ausgehen, dass der Arbeitgeber sich zunächst auf die dort dokumentierten Daten verlässt.
c) Soweit der Kläger - erstmals - in der Revision geltend macht, dass seine Kinder bis zum April 2002 auf seiner Steuerkarte eingetragen gewesen seien, führt
dieser Umstand nicht zu einer anderen Würdigung. Die Streichung der Kinderfreibeträge auf der Lohnsteuerkarte konnte unterschiedliche Gründe haben. Dem
Kläger stand es frei, diese Gründe seinem Arbeitgeber mitzuteilen. Tat er dies nicht, so hatte die Beklagte dies hinzunehmen.
II. Die Kündigung ist aus derzeitiger Sicht nicht nach § 85 SGB IX unwirksam. Die Beklagte war nicht verpflichtet, vor Ausspruch der streitgegenständlichen
Kündigung die Zustimmung des Integrationsamts einzuholen.
1. Dies gilt zunächst, soweit der Kläger mit Bescheid der Bundesanstalt für Arbeit - jetzt Bundesagentur für Arbeit - vom 8. August 2003 rückwirkend zum 28.
Mai 2003 einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt wurde.
a) Gem. § 85 iVm. § 68 Abs. 1 und 3, § 2 Abs. 3 SGB IX bedarf die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines einem schwerbehinderten Menschen
Gleichgestellten durch den Arbeitgeber der vorherigen Zustimmung des Integrationsamts. Gem. § 68 Abs. 2 SGB IX erfolgt die Gleichstellung behinderter
Menschen mit schwerbehinderten Menschen auf Grund einer Feststellung nach § 69 SGB IX auf Antrag des behinderten Menschen durch die Bundesagentur
für Arbeit. Die Gleichstellung wird gem. § 68 Abs. 2 Satz 2 SGB IX mit dem Tag des Eingangs des Antrags wirksam. Die Gleichstellung ist ein konstitutiver
Verwaltungsakt. Sie begründet den Schutz für den Behinderten erst durch den Verwaltungsakt im Unterschied zu den kraft Gesetzes geschützten Personen, bei
denen durch die Anerkennung ein bestehender Rechtsschutz nur festgestellt wird (BAG 28. Juni 1995 - 7 AZR 555/ 94 - AP BAT § 59 Nr. 6 = EzA BGB § 620
Nr. 134; Neumann in Neumann/ Pahlen/ Majerski-Pahlen SGB IX 11. Aufl. § 68 Rn. 23; Kossens/ von der Heide/ Maaß Praxiskommentar zum
Behindertenrecht (SGB IX) § 68 Rn. 7; APS/ Vossen 2. Aufl. § 85 SGB IX Rn. 11; ErfK/ Rolfs 5. Aufl. § 85 SGB IX Rn. 7 und § 69 SGB IX Rn. 15). Die erst
nach Zugang der Kündigung beantragte Gleichstellung hat für die ausgesprochene Kündigung keine Bedeutung mehr (Braasch in Neumann Handbuch SGB IX
§ 19 Rn. 68; ErfK/ Rolfs aaO; KR-Etzel 7. Aufl. vor §§ 85 - 92 SGB IX Rn. 24).
b) Der Kläger hat den Antrag auf Gleichstellung erst am 28. Mai 2003 und damit nach Zugang der Kündigung gestellt. Dementsprechend stellte die
Bundesagentur im Bescheid vom 8. August 2003 das Wirksamwerden der Gleichstellung mit dem 28. Mai 2003 fest.
2. Zu Gunsten des Klägers war im Zeitpunkt der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts auch nicht festgestellt, dass er schwerbehindert iSd. § 2 Abs. 2 SGB
IX ist.
a) Die rechtlichen Wirkungen der Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch treten im Fall des Sonderkündigungsschutzes nach der im Zeitpunkt der
Kündigung geltenden Fassung des SGB IX nicht ohne weiteres, dh. schon bei bloß bestehender objektiver Schwerbehinderteneigenschaft ein. Voraussetzung ist
vielmehr, dass vor Zugang der Kündigung ein entsprechender Bescheid ergangen oder jedenfalls ein Antrag gestellt ist (zuletzt Senat 20. Januar 2005 - 2 AZR
675/ 03 - AP SGB IX § 85 Nr. 1 = EzA SGB IX § 85 Nr. 3). Diesen Antrag hat der Kläger am 19. Mai 2003 und damit vor Zugang der Kündigung gestellt. Es
war auch ausreichend, dass die Beklagte hiervon durch den Betriebsrat im Rahmen seines Widerspruchs vom 21. Mai 2003 erfuhr. Der so erlangten Kenntnis
durfte sich die Beklagte nicht verschließen (Senat 20. Januar 2005 - 2 AZR 675/ 03 - aaO).
b) Wird im - noch nicht abgeschlossenen - sozialgerichtlichen Verfahren festgestellt, dass der Kläger tatsächlich zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung
schwerbehindert war, steht dem Kläger ggf. der Restitutionsgrund des § 580 Nr. 7b ZPO analog zur Seite, da dann die Kündigung rückwirkend wegen fehlender
Zustimmung des Integrationsamts nichtig ist, § 85 SGB IX iVm. § 134 BGB (BAG 15. August 1984 - 7 AZR 558/ 82 - AP SchwbG § 12 Nr. 13 = EzA ZPO §
580 Nr. 2).
3. Zu Unrecht macht die Revision geltend, im Zeitpunkt der Kündigung des Arbeitsverhältnisses sei offenkundig gewesen, dass der Kläger schwerbehindert sei
oder mindestens die Voraussetzungen einer Gleichstellung erfüllt habe.
a) Hinsichtlich der Schwerbehinderteneigenschaft kommt es auf eine Offenkundigkeit im Sinne der Rechtsprechung des Senats (7. März 2002 - 2 AZR 612/ 00
- BAGE 100, 355) nicht an. Denn den Antrag auf Feststellung einer Schwerbehinderung hatte der Kläger bereits vor Zugang der Kündigung gestellt, was der
Beklagten auf Grund der Mitteilung des Betriebsrats bekannt war.
b) Die Auffassung des Klägers, ihm habe Sonderkündigungsschutz nach § 85 SGB IX deshalb zugestanden, weil für die Beklagte offenkundig gewesen sei,
dass er bereits zum Kündigungszeitpunkt auch ohne Antrag bei der Bundesanstalt für Arbeit einem schwerbehinderten Menschen gleichzustellen gewesen sei,
ist nicht zutreffend.
aa) Richtig ist, dass im Einzelfall der kündigungsrechtliche Schutz des schwerbehinderten Menschen auch schon dann zum Tragen kommen kann, wenn die
Schwerbehinderung offenkundig ist (Senat 7. März 2002 - 2 AZR 612/ 00 - BAGE 100, 355; BVerfG 9. April 1987 - 1 BvR 1406/ 86 - NZA 1987, 563). In
diesem Fall weiß der Arbeitgeber, dass der schwerbehinderte Arbeitnehmer den Schwerbehindertenschutz in Anspruch nehmen will bzw. kann. Er kann sich
darauf einrichten, dass die von ihm auszusprechende Kündigung der Zustimmung des Integrationsamts bedarf. Der Arbeitgeber muss sich dann entsprechend
dem Rechtsgedanken des § 162 BGB so behandeln lassen, als habe der Schwerbehinderte den Antrag vor Zugang der Kündigung gestellt (Senat 7. März 2002 -
2 AZR 612/ 00 - aaO).
bb) Diese Grundsätze lassen sich auf den Fall der Gleichstellung nach § 2 Abs. 3, § 68 SGB IX nicht übertragen. Während die Anerkennung der
Schwerbehinderteneigenschaft im Wesentlichen auf gesundheitlichen Einschränkungen des betreffenden Arbeitnehmers beruht, folgt die Gleichstellung aus
einer Verbindung gesundheitlicher Befunde mit Erkenntnissen und Einschätzungen von Gegebenheiten des Arbeitsmarkts (§ 2 Abs. 3, § 73 SGB IX). Während
die gesundheitlichen Einschränkungen des schwerbehinderten Menschen derart auffallend sein können, dass sie "ins Auge springen" und deshalb offenkundig
sind, ist dies bei der Gleichstellung in aller Regel ausgeschlossen: Voraussetzung der Gleichstellung ist, dass die gesundheitliche Beeinträchtigung unter einem
Grad von 50 liegt und dementsprechend in den allermeisten Fällen gerade nicht "ins Auge springt". Die weiteren Voraussetzungen der Gleichstellung -
Gegebenheiten des Arbeitsmarkts und ihre Einschätzung durch die Bundesagentur für Arbeit - können in aller Regel erst recht nicht im vorgenannten Sinn
offenkundig sein. Denn sie bestehen aus dem Arbeitgeber nicht bekannten - jedenfalls nicht sichtbaren - äußeren und inneren Tatsachen.
III. Ob die Kündigung sozial ungerechtfertigt oder durch Gründe in der Person des Klägers bedingt ist (§ 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG), steht noch nicht fest.
1. Bei der Prüfung der sozialen Rechtfertigung von Kündigungen, die aus Anlass lang anhaltender Krankheit ausgesprochen werden, ist eine dreistufige Prüfung
vorzunehmen. Die Kündigung ist sozial gerechtfertigt (§ 1 Abs. 2 KSchG), wenn eine negative Prognose hinsichtlich der voraussichtlichen Dauer der
Arbeitsunfähigkeit vorliegt - erste Stufe -, eine darauf beruhende erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen festzustellen ist - zweite Stufe - und eine
Interessenabwägung ergibt, dass die betrieblichen Beeinträchtigungen zu einer billigerweise nicht mehr hinzunehmenden Belastung des Arbeitgebers führen -
dritte Stufe - (st. Rspr. des Senats 12. April 2002 - 2 AZR 148/ 01 - BAGE 101, 39; 29. April 1999 - 2 AZR 431/ 98 - BAGE 91, 271; 21. Februar 1992 - 2
AZR 399/ 91 - AP KSchG 1969 § 1 Krankheit Nr. 30 = EzA KSchG § 1 Krankheit Nr. 38).
2. Eine negative Gesundheitsprognose bezogen auf die bisher vom Kläger ausgeübte Tätigkeit ist gegeben. Das sieht auch die Revision nicht anders. Sowohl
aus der arbeitsmedizinischen Beurteilung als auch aus dem eigenen Vorbringen des Klägers ergibt sich, dass die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit des
Klägers für längere Zeit ungewiss ist. Damit war im Kündigungszeitpunkt damit zu rechnen, dass medizinische Maßnahmen zu keiner Besserung des
Gesundheitszustands des Klägers führen würden und der Kläger - jedenfalls bezogen auf den bisherigen Arbeitsplatz - unabsehbar arbeitsunfähig bliebe.
IV. Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen kann der Senat jedoch der weiteren Würdigung des Landesarbeitsgerichts, die Beklagte habe dem Kläger
keine der im März ausgeschriebenen Pförtnerstellen anbieten müssen, nicht zustimmen.
1. Die Möglichkeit einer Weiterbeschäftigung auf einem freien Arbeitsplatz - ggf. auch zu geänderten Bedingungen (Senat 27. September 1984 - 2 AZR 62/ 83
- BAGE 47, 26) - schließt nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eine krankheitsbedingte Kündigung aus (BAG 22. Februar 1980 - 7 AZR 295/ 78 -
BAGE 33, 1; Senat 7. Februar 1991 - 2 AZR 205/ 90 - BAGE 67, 198, 204 f.; 28. Februar 1990 - 2 AZR 401/ 89 - AP KSchG 1969 § 1 Krankheit Nr. 25 = EzA
KSchG § 1 Personenbedingte Kündigung Nr. 5). Wenn eine Umsetzungsmöglichkeit besteht, führt die Krankheit zudem nicht zu einer erheblichen
Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen (Senat 2. November 1989 - 2 AZR 366/ 89 - RzK III 1b 13; KR-Etzel 7. Aufl. § 1 KSchG Rn. 346).
2. Ist im Zeitpunkt des Kündigungszugangs eine Beschäftigungsmöglichkeit nicht (mehr) vorhanden, so ist es dem Arbeitgeber gleichwohl nach dem
Rechtsgedanken des § 162 BGB verwehrt, sich auf den Wegfall von Beschäftigungsmöglichkeiten im Kündigungszeitpunkt zu berufen, wenn dieser Wegfall
treuwidrig herbeigeführt wurde (zur betriebsbedingten Kündigung: Senat 25. April 2002 - 2 AZR 260/ 01 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung
Nr. 12 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 121; 6. Dezember 2001 - 2 AZR 695/ 00 - EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 115;
LAG Köln 26. August 2004 - 5 (9) Sa 417/ 04 - NZA-RR 2005, 300; APS-Kiel 2. Aufl. § 1 KSchG Rn. 608; allgemein: KR-Etzel 7. Aufl. § 1 KSchG Rn. 221).
Ein solches treuwidriges Verhalten liegt dann vor, wenn für den Arbeitgeber im Zeitpunkt der Stellenbesetzung ein "Auslaufen" der Beschäftigungsmöglichkeit
für den später gekündigten Arbeitnehmer absehbar war, Kündigungsentschluss und anderweitige Besetzung der freien Stelle also "uno actu" erfolgten (st. Rspr.
vgl. Senat 24. Juni 2004 - 2 AZR 208/ 03 - EzBAT BAT § 53 Betriebsübergang Nr. 8; 12. Februar 2004 - 2 AZR 307/ 03 - AP KSchG 1969 § 1 Nr. 75 = EzA
KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 129; 15. August 2002 - 2 AZR 195/ 01 - BAGE 102, 97; 25. April 2002 - 2 AZR 260/ 01 - AP KSchG 1969 § 1
Betriebsbedingte Kündigung Nr. 121 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 121). Voraussetzung ist allerdings, dass der durch voreilige Besetzung
nicht mehr vakante Arbeitsplatz für den gekündigten Arbeitnehmer geeignet war (vgl. Senat 24. Juni 2004 - 2 AZR 326/ 03 - AP KSchG 1969 § 1 Nr. 76 = EzA
KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 132).
3. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung kann das Vorliegen dieser Voraussetzungen nicht verneint werden. Nach dem eigenen Vorbringen
der Beklagten war sie bereits im Februar 2003 willens, das Arbeitsverhältnis im Mai zu kündigen, falls sich am Gesundheitszustand des Klägers nichts ändern
würde. Dass erst das arbeitsmedizinische Gutachten vom 13. Mai 2003 den letzten Ausschlag gab, ändert daran nichts. Die Beklagte hat die Kündigung
jedenfalls seit Februar 2003 sicher "kommen sehen". Diesen Umstand hat das Landesarbeitsgericht nicht ausreichend gewürdigt.
V. Ob die Kündigung wirksam ist, steht noch nicht fest. Der Senat kann in der Sache nicht entscheiden, weil noch weitere Feststellungen zu treffen sind.
1. Die Beklagte musste dem Kläger die Weiterbeschäftigung auf einer der im fraglichen Zeitraum unzweifelhaft freien Arbeitsstellen als Pförtner nicht
anbieten, wenn der Kläger für die Beschäftigung als Pförtner ungeeignet war. Die Beklagte hat insoweit die gesundheitliche Eignung des Klägers in Abrede
gestellt. Der Kläger hat dem widersprochen. Dies muss das Landesarbeitsgericht klären.
2. Treuwidrige Vereitelung der Weiterbeschäftigungsmöglichkeit kann der Beklagten nur dann vorgehalten werden, wenn sich ihr die Möglichkeit der
Weiterbeschäftigung aufdrängen musste. Das mag im vorliegenden Fall deshalb nahe liegen, weil Pförtnertätigkeiten häufig als Schonarbeitsplätze anzusehen
sind. Ergab sich aber - entweder aus der konkreten Art der Arbeitsplätze oder aus anderen Gesichtspunkten, etwa ärztlichen Stellungnahmen oder Äußerungen
des Klägers -, dass dessen befristeter Einsatz als Pförtner von vornherein ausschied, so war die Beklagte auch nicht gehalten, ihm eine solche Beschäftigung
anzubieten. Es wäre - insoweit ist der Beklagten zuzustimmen - eine Überforderung des Arbeitgebers, wenn er jederzeit vorsorglich die ständig wechselnden
Beschäftigungsvakanzen mit den individuellen Einsatzmöglichkeiten erkrankter Arbeitnehmer abgleichen müsste.
VI. Sollte das Landesarbeitsgericht feststellen, dass die Beklagte den Kläger nicht auf einem Arbeitsplatz als Pförtner einsetzen musste, wird das
Landesarbeitsgericht bei der vorzunehmenden Interessenabwägung auch die Behinderung des Klägers nicht von vornherein außer Betracht lassen dürfen (Senat
20. Januar 2000 - 2 AZR 378/ 99 - BAGE 93, 255, zu B II 5 b der Gründe). ..." (BAG, Urteil vom 24.11.2005 - 2 AZR 514/04).
***
„ ... Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Kündigung der Beklagten sei nicht sozial gerechtfertigt, weil die Beklagte nicht hinreichend dargetan habe,
dass zum Kündigungszeitpunkt zu prognostizieren gewesen sei, das Bedürfnis für die Beschäftigung der Klägerin werde zum 31. Juli 2003 entfallen. Die
Beklagte habe den Entschluss gefasst, mit der jeweils kürzestmöglichen Kündigungsfrist zu kündigen und habe die Arbeitsmenge (Lohnminuten) infolge der
Kündigung reduziert. Erforderlich wäre danach der Vortrag gewesen, welches Konzept die Beklagte hinsichtlich der abzuarbeitenden Arbeitsmenge zum
Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs gehabt habe. Nur so hätte man erkennen können, dass der gestaffelte Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeiten zu diesem
Zeitpunkt greifbare Formen angenommen habe. Das Vorbringen der Beklagten hierzu sei zu pauschal, um Rückschlüsse auf die tatsächlich vorhandene
Arbeitsmenge im Verhältnis zu der Zahl der beschäftigten Mitarbeiter zu den einzelnen Kündigungsterminen ziehen zu können. Das Vorbringen der Beklagten
belege, dass die Beklagte mit der Zuweisung der Arbeitsmenge auf die zurückgehende Zahl an Arbeitnehmern reagiert habe, nicht aber, dass zum Zeitpunkt des
Kündigungsausspruchs der Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeiten zum Ablauf der Kündigungsfrist jeweils bereits greifbare Formen angenommen hätte.
II. Dem folgt der Senat nicht. Die Revision rügt zu Recht eine Verletzung des § 1 Abs. 2 KSchG. Das Landesarbeitsgericht hat die Anforderungen an die
Darlegungslast des Arbeitgebers bei einer Unternehmerentscheidung zur schnellstmöglichen Einstellung der Betriebstätigkeit unter Wahrung der jeweiligen
Kündigungsfristen zu hoch angesetzt.
1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, an der festzuhalten ist, ist der Entschluss des Arbeitgebers, ab sofort keine neuen Aufträge
mehr anzunehmen, allen Arbeitnehmern zum nächstmöglichen Kündigungstermin zu kündigen, zur Abarbeitung der vorhandenen Aufträge eigene
Arbeitnehmer nur noch während der jeweiligen Kündigungsfristen einzusetzen und so den Betrieb schnellstmöglich stillzulegen, als unternehmerische
Entscheidung grundsätzlich geeignet, die entsprechenden Kündigungen sozial zu rechtfertigen (18. Januar 2001 - 2 AZR 514/99 - BAGE 97, 10; 18. Januar
2001 - 2 AZR 239/00 - AiB 2002, 318; 7. März 2002 - 2 AZR 147/01 - EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 116) .
a) Die unternehmerische Entscheidung zur schnellstmöglichen dauerhaften Aufhebung der Betriebs- und Produktionsgemeinschaft zwischen Arbeitgeber und
Arbeitnehmer kann als dringendes betriebliches Erfordernis eine Kündigung gem. § 1 Abs. 2 KSchG sozial rechtfertigen. Der Ernsthaftigkeit der
Stilllegungsabsicht steht nicht entgegen, dass sich der Arbeitgeber entschlossen hat, die gekündigten Arbeitnehmer in ihrer jeweiligen Kündigungsfrist noch für
die Abarbeitung vorhandener Aufträge einzusetzen, statt die fraglichen Arbeiten sofort einzustellen. Der Arbeitgeber erfüllt damit gegenüber den tatsächlich
eingesetzten Arbeitnehmern lediglich seine auch im bereits gekündigten Arbeitsverhältnis bestehende Beschäftigungspflicht. Enthält die
Stilllegungsentscheidung keine Einschränkungen oder Vorbehalte dahingehend, eventuell doch neu eingestellte Arbeitnehmer zur Fertigstellung gewisser
Arbeiten einzusetzen oder dafür gekündigte Arbeitnehmer über den Ablauf der Kündigungsfrist hinaus zu beschäftigen, so entfällt durch einen solchen
Stilllegungsbeschluss, wenn er im Zeitpunkt der Kündigung bereits greifbare Formen angenommen hat, das Beschäftigungsbedürfnis für die Arbeitnehmer des
Betriebs jeweils mit dem Ablauf der für sie einschlägigen Kündigungsfrist. Bei einem derartigen unternehmerischen Stilllegungskonzept mit der sofortigen und
gleichzeitigen Kündigung aller Arbeitsverhältnisse entfällt auch das Erfordernis einer sozialen Auswahl gem. § 1 Abs. 3 KSchG. Würde man die noch zu
erledigenden Restaufgaben nicht nach der Dauer der jeweiligen Kündigungsfrist, sondern nach sozialen Gesichtspunkten verteilen, so würde die Verlängerung
der Kündigungsfrist bei sozial schutzwürdigeren Arbeitnehmern gemessen an den die Arbeitsgerichte bindenden unternehmerischen Vorgaben zu einem
Arbeitskräfteüberhang führen.
b) Nichts anderes gilt, wenn die unternehmerische Entscheidung nicht eine völlige Betriebsstilllegung betrifft, sondern der Arbeitgeber eines
Produktionsbetriebs sich entschließt, die Produktion zwar schnellstmöglich stillzulegen, eine kleinere Betriebsabteilung jedoch zunächst fortzuführen.
c) Aus einem solchen Stilllegungskonzept folgt ohne Weiteres, dass der Zeitpunkt, zu dem die längste Kündigungsfrist eines betroffenen Arbeitnehmers
ausläuft, gleichzeitig den Zeitpunkt darstellt, zu dem der Arbeitgeber ("schnellstmöglich") seinen Betrieb stilllegen will.
2. Gemessen an diesen rechtlichen Vorgaben lässt sich die vom Landesarbeitsgericht angenommene Sozialwidrigkeit der Kündigung nach § 1 Abs. 2 KSchG
nicht auf dessen Begründung stützen, die Beklagte hätte zu den einzelnen Kündigungszeitpunkten ein nachvollziehbares Konzept darlegen müssen, aus dem
sich der Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit für die betroffenen Arbeitnehmer schon vor dem Zeitpunkt der endgültigen Abteilungsstilllegung ablesen ließe.
a) Ein solches Konzept hat die Beklagte schon mit ihrer unternehmerischen Entscheidung dargelegt, in der Produktionsabteilung nur noch während der
jeweiligen Dauer der Kündigungsfristen der einzelnen Arbeitnehmer Arbeiten verrichten zu lassen. Das Landesarbeitsgericht setzt hier die Anforderungen an
die Darlegungslast des Arbeitgebers zu hoch an. Schon der Stilllegungsbeschluss vom 20. Januar 2003 enthält ein Stilllegungskonzept, das den Anforderungen
der Senatsrechtsprechung entspricht. Es enthält die eindeutige Vorgabe, allen Arbeitnehmern unverzüglich unter Einhaltung der jeweils geltenden ordentlichen
Kündigungsfrist zu kündigen. Dies kann nur bedeuten, dass keiner der Arbeitnehmer über die für ihn einschlägige Kündigungsfrist hinaus beschäftigt werden
sollte. Der Termin 30. September 2003, zu dem die endgültige Schließung der Produktionsabteilung "abgeschlossen" sein sollte, ist damit nicht als Termin
genannt, bis zu dem auf die einzelnen Arbeitnehmer verteilbare Beschäftigungsmöglichkeiten fortbestehen sollten. Er entspricht lediglich dem Termin, zu dem
nach der Prognose der Beklagten die Kündigungsfrist des letzten Arbeitnehmers abgelaufen und deshalb die "endgültige" Schließung erfolgt sein sollte. Auch
was die Betriebsmittel anbelangt, enthielt der Gesellschafterbeschluss die klare Anweisung, das frühere Betriebsgebäude in Zukunft lediglich als Lager weiter
zu benutzen. Dies bedeutet, dass auch der Betrieb als Zusammenschluss sächlicher Betriebsmittel (Nähmaschinen etc.) in Zukunft nicht fortbestehen sollte.
Dieses unternehmerische Konzept ließ im Kündigungszeitpunkt nicht die Prognose zu, dass auch für einen Arbeitnehmer nach Ablauf der für ihn einschlägigen
Kündigungsfrist in der Produktionsabteilung noch eine Fortbeschäftigungsmöglichkeit bestehen sollte. Das Konzept hatte im Kündigungszeitpunkt auch bereits
greifbare Formen angenommen. Die Klägerin hat nicht hinreichend substantiiert bestritten, dass die Beklagte unverzüglich die erforderlichen Maßnahmen zur
Stilllegung der Produktionsabteilung ergriffen, insbesondere die erforderlichen Kündigungen ausgesprochen hat. Auch die spätere Entwicklung (tatsächliche
Stilllegung der Produktionsabteilung zum vorgesehenen Zeitpunkt) bestätigt die im Kündigungszeitpunkt bestehende Prognose des entsprechend dem
Auslaufen der Kündigungsfristen der einzelnen Arbeitnehmer ständig bis 30. September 2003 absinkenden Beschäftigungsbedarfs in der Produktionsabteilung
(vgl. zu diesem Gesichtspunkt BAG 27. November 2003 - 2 AZR 48/03 - BAGE 109, 40) . Wenn die Beklagte der Produktionsabteilung aus ihrer Sicht dort nur
unrentabel zu erledigende Aufträge im Umfang der noch bestehenden Kündigungsfristen zugewiesen hat, so erfüllte sie damit lediglich die aus den noch
bestehenden Arbeitsverhältnissen resultierenden Beschäftigungspflichten.
b) Den Stilllegungsbeschluss hat die Klägerin jedenfalls nicht hinreichend substantiiert bestritten. Die Beklagte hat den Gesellschafterbeschluss vom 20. Januar
2003 im Prozess vorgelegt und damit die Echtheit dieses Schriftstücks behauptet. Aus dem Vorbringen der Klägerin in den Tatsacheninstanzen, nichts anderes
gilt für die Revisionsinstanz, ist jedenfalls nicht zu entnehmen, dass sie die Echtheit der Unterschriften der beiden Gesellschafter unter diesen Beschluss und
damit die Echtheit der Urkunde bestreiten möchte. Deshalb ist prozessual vom Inhalt der Urkunde auszugehen (§§ 439, 138, 440 ZPO).
c) Die Gegenrüge der Klägerin, hinsichtlich des Wegfalls des Beschäftigungsbedarfs sei der Rechtsstreit noch nicht entscheidungsreif, ist bereits unzulässig. Es
ist nicht hinreichend genau bezeichnet, über welchen konkreten Sachverhalt das Landesarbeitsgericht noch hätte Beweis erheben müssen. Außerdem fehlt es an
der Angabe, welche konkrete Beweiserhebung hätte durchgeführt werden müssen und welches Ergebnis eine solche Beweisaufnahme gehabt hätte.
Jedenfalls ist die Rüge unbegründet. Nach dem unternehmerischen Konzept der Beklagten entfiel der Beschäftigungsbedarf für die Klägerin automatisch mit
dem Auslaufen ihrer Kündigungsfrist. Auf die nur vorsorglichen Angaben der Beklagten, wie sie sich konkret die Verteilung der Arbeitsaufgaben während der
gestaffelt auslaufenden Kündigungsfristen aller Arbeitnehmer vorstellte, kommt es deshalb nach der zitierten Senatsrechtsprechung (18. Januar 2001 - 2 AZR
514/99 - BAGE 97, 10; 18. Januar 2001 - 2 AZR 239/00 - AiB 2002, 318; 7. März 2002 - 2 AZR 147/01 - EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr.
116) nicht mehr an. ... (BAG, Urteil vom 07.07.2005, 2 AZR 447/04).
Der 42-jährige Kläger war seit 1995 als "Ausbilder im Bereich der Bürokaufleute" bei dem beklagten Bildungswerk tätig. Nachdem die Zahl der
auszubildenden Bürokaufleute erheblich gesunken war, beschloss die Beklagte unter Berücksichtigung sozialer Gesichtspunkte das Arbeitsverhältnis des
Klägers fristgemäß zu kündigen und den 55-jährigen Arbeitnehmer A, der seit dem Jahr 2000 bei ihr beschäftigt war, weiterzubeschäftigen. A war zuvor seit
1990 bei einem anderen Bildungswerk tätig. Im Rahmen eines zwischen A und der Beklagten geführten Rechtsstreits über die Frage eines Betriebsübergangs
hatten die damaligen Streitparteien einen Vergleich geschlossen, der ua. festlegte, dass die Beklagte dem A eine Betriebszugehörigkeit seit 1990 anrechnen
müsse. Die vom Kläger erhobene Kündigungsschutzklage blieb - wie schon in der Vorinstanz - auch vor dem Bundesarbeitsgericht ohne Erfolg. Nach § 1 Abs.
3 Satz 1 KSchG ist eine Kündigung trotz dringender betrieblicher Erfordernisse sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl der
Arbeitnehmer die Sozialdaten nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat. Dabei kommt keinem der vier sozialen Auswahlkriterien, nämlich der Dauer der
Betriebszugehörigkeit, dem Lebensalter, den Unterhaltspflichten und der Schwerbehinderung, ein überwiegendes Gewicht zu. Da der Arbeitgeber nur zu einer
"ausreichenden" Sozialauswahl gesetzlich verpflichtet ist, steht ihm bei der Gewichtung der Auswahlkriterien ein Wertungsspielraum zu. Unter
Berücksichtigung dieses gesetzlichen Rahmens hat der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts im Entscheidungsfall keinen Fehler bei der Sozialauswahl
feststellen können. Es spricht schon vieles dafür, dass die Sozialauswahl auch ohne Berücksichtigung der Vorbeschäftigungszeiten A´s noch ausreichend ist.
Auf Grund des von der Beklagten mit A geschlossenen Prozessvergleichs ist jedenfalls dessen Vorbeschäftigungszeit bei dem anderen Arbeitgeber mit zu
berücksichtigen, weil für diese Anrechnung ein sachlicher Grund gegeben und sie nicht willkürlich ist (BAG, Urteil vom 02.06.2005 - 2 AZR 480/04 -
Pressemitteilung Nr. 36/05).
Nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG ist vor Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung eine auf den gesamten Betrieb bezogene Sozialauswahl durchzuführen.
Dies gilt auch dann, wenn ein Betriebsteil stillgelegt und der andere Betriebsteil auf einen Erwerber übertragen werden soll. Bei der betriebsbedingten
Kündigung eines Arbeitnehmers des stillzulegenden Betriebsteils ist daher bei der Sozialauswahl auch ein vergleichbarer Arbeitnehmer zu berücksichtigen, der
zur Zeit der Kündigung dem später zu übertragenden Betriebsteil angehört. Dies folgt aus dem Schutzzweck der Sozialauswahl, den Arbeitsplatz des sozial
schwächeren Arbeitnehmers zu erhalten. Die Regelung des § 613a Abs. 4 BGB, die ein Kündigungsverbot wegen des Betriebsübergangs vorsieht, steht dem
nicht entgegen. Der Kläger war seit 1994 bei der K. GmbH, zuletzt als Lagerleiter, beschäftigt. Diese betrieb einen Handel mit Schiffsarmaturen und einen
Stahlhandel. Der Kläger war im Bereich Armaturenhandel eingesetzt. Über das Vermögen der K. GmbH wurde am 13. März 2002 das vorläufige
Insolvenzverfahren eröffnet, der Beklagte zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt. Am 27. März 2002 beschloss die K. GmbH mit Zustimmung des
Beklagten die Stilllegung des Betriebsteils Armaturen. Zugleich führte der Beklagte Gespräche über eine übertragende Sanierung des Betriebsteils Stahlhandel.
Mit Schreiben vom 23. Mai 2002 kündigte die K. GmbH mit Zustimmung des Beklagten das Arbeitsverhältnis des Klägers aus betriebsbedingten Gründen zum
31. August 2002. Der Betriebsteil Stahlhandel wurde am 1. Juni 2002 veräußert. Der Kläger wendet sich gegen die Wirksamkeit der Kündigung. Er meint, die
Sozialauswahl hätte auch auf den Bereich Stahlhandel erstreckt werden müssen. Der dort eingesetzte Lagerleiter sei sozial weniger schutzwürdig als er. Auf die
Zuordnung zu den einzelnen Betriebsteilen komme es nicht an. Der Beklagte vertritt demgegenüber die Ansicht, einer Sozialauswahl habe es wegen der
Stilllegung nicht bedurft. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Der Senat hat auf die Revision des Klägers das Urteil des Landesarbeitsgerichts
aufgehoben und der Kündigungsschutzklage stattgegeben (BAG, Urteil vom 28.10.2004 - 8 AZR 391/03 - Pressemitteilung Nr. 79/04).
Für die Beurteilung der sozialen Rechtfertigung einer Kündigung kommt es auf den Zeitpunkt des Kündigungszugangs an. Das schließt aber, wenn dem
Kündigungsgrund ein prognostisches Element innewohnt, nicht aus, dass der tatsächliche Eintritt der prognostizierten Entwicklung Rückschlüsse auf die
Ernsthaftigkeit und Plausibilität der Prognose zulässt. In diesem Sinne kann die Entwicklung nach der Kündigung berücksichtigt werden (BAG, Urteil vom
27.11.2003 - 2 AZR 48/03, NZA 2004, 477).
Allein eine längere Betriebszugehörigkeit führt jedoch nicht zur Anwendung der nach dem Kündigungsschutzgesetz geltenden Maßstäbe. Die Grundsätze der
abgestuften Darlegungs- und Beweislast gelten auch dann, wenn der Arbeitnehmer nicht oder nicht nur einen Auswahlfehler des Arbeitgebers geltend macht,
sondern die Kündigung nur oder auch aus anderen Gründen für treuwidrig hält. Da den Arbeitnehmer die Beweislast für die von ihm geltend gemachte
Treuwidrigkeit der Kündigung trifft, muss, wenn der Arbeitgeber Tatsachen vorträgt, die die Treuwidrigkeit ausschließen, der Arbeitnehmer Gegentatsachen
vortragen oder zumindest die vom Arbeitgeber behaupteten Tatsachen substanziiert bestreiten und für die Gegentatsachen und für sein Bestreiten selbst Beweis
anbieten. Diese Beweise sind dann zu erheben, nicht aber sind die vom Arbeitgeber benannten Zeugen zu vernehmen (BAG, Urteil vom 28.08.2003 - 2 AZR
333/02, AP H. 4/2004 § 242 BGB Kündigung Nr. 17).
Auch der sich auf objektive Tatsachen und Verdachtsmomente gründende Verdacht eines solchen strafbaren bzw. vertragswidrigen Verhaltens ist an sich
geeignet, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen in die Redlichkeit der Arbeitnehmerin in einem Maße zu zerstören, dass eine
ordentliche Kündigung nach § 1 II KSchG sozial gerechtfertigt ist. Wird die Kündigung zunächst nur mit dem Verdacht eines pflichtwidrigen Handelns
begründet, steht jedoch nach der Überzeugung des Gerichts (beispielsweise auf Grund einer Beweisaufnahme) die Pflichtwidrigkeit fest, so läßt dies die
Wirksamkeit der Kündigung aus materiell-rechtlichen Gründen unberührt; das Gericht ist nicht gehindert, die nachgewiesene Pflichtwidrigkeit als
Kündigungsgrund anzuerkennen. Hat der Arbeitgeber lediglich eine Verdachtskündigung ausgesprochen und auch im Kündigungsschutzprozess eine
Tatkündigung nicht nachgeschoben, so kann das Gericht trotzdem sein Urteil darauf stützen, dass sich der Verdacht als Kündigungsgrund in seiner schärfsten
Form erwiesen hat, dass nämlich das Gericht von der Tatbegehung überzeugt ist (BAG, Urteil vom 03.07.2003 - 2 AZR 437/02, NZA 2004, 307).
Kündigt der Insolvenzverwalter einem in Erziehungsurlaub befindlichen Arbeitnehmer, so kann dieser das Fehlen der nach § 18 I Satz 2 BErzGG erforderlichen
Zulässigkeitserklärung bis zur Grenze der Verwirkung jederzeit geltend machen, wenn ihm die entsprechende Entscheidung der zuständigen Behörde nicht
bekannt gegeben worden ist (§ 113 II Satz 2 InsO, § 4 Satz 4 KSchG), (BAG, Urteil vom 03.07.2003 - 2 AZR 487/02, NJW 2004, 244).
Auch der sich auf objektive Tatsachen und Verdachtsmomente gründende Verdacht eines solchen strafbaren bzw. vertragswidrigen Verhaltens ist an sich
geeignet, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen in die Redlichkeit der Arbeitnehmerin in einem Maße zu zerstören, dass eine
ordentliche Kündigung nach § 1 II KSchG sozial gerechtfertigt ist. Wird die Kündigung zunächst nur mit dem Verdacht eines pflichtwidrigen Handelns
begründet, steht jedoch nach der Überzeugung des Gerichts (beispielsweise auf Grund einer Beweisaufnahme) die Pflichtwidrigkeit fest, so läßt dies die
Wirksamkeit der Kündigung aus materiell-rechtlichen Gründen unberührt; das Gericht ist nicht gehindert, die nachgewiesene Pflichtwidrigkeit als
Kündigungsgrund anzuerkennen. Hat der Arbeitgeber lediglich eine Verdachtskündigung ausgesprochen und auch im Kündigungsschutzprozess eine
Tatkündigung nicht nachgeschoben, so kann das Gericht trotzdem sein Urteil darauf stützen, dass sich der Verdacht als Kündigungsgrund in seiner schärfsten
Form erwiesen hat, dass nämlich das Gericht von der Tatbegehung überzeugt ist (BAG, Urteil vom 03.07.2003 - 2 AZR 437/02, NZA 2004, 307).
Eine tarifliche Regelung zur Beschäftigungssicherung, die einer nach dem Einstellungsdatum abgegrenzten Gruppe von Beschäftigten zeitlich befristet
Verschlechterungen der tariflichen Arbeitsbedingungen zumutet, verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 I GG), wenn nach Einschätzung
der Tarifvertragsparteien sonst betriebsbedingte Kündigungen drohen, die zahlenmäßig der betroffenen Gruppe entsprechen und im Rahmen der sozialen
Auswahl vorrangig diese treffen würden (BAG, Urteil vom 25.06.2003 - 4 AZR 405/02, NZA 2004, 215).
Im öffentlichen Dienst kann die eine betriebsbedingte Kündigung sozial rechtfertigende Organisationsentscheidung darin liegen, dass das zuständige Gremium
den Personalbedarf für einen Tätigkeitsbereich so reduziert, dass die Bestimmung der zu kündigenden Arbeitnehmer nur noch eine Frage der sozialen Auswahl
ist. Diese Entscheidung kann durch Stellenstreichungen in einem Haushaltsplan, durch kw-Vermerke oder auch durch einen Stadtratsbeschluss getroffen
werden, in dem die Verwaltung beauftragt wird, in einem bestimmten Bereich den Personalstand zu reduzieren. Erschöpft sich die Entscheidung des
Arbeitgebers im wesentlichen darin, Personal einzusparen, muss der Arbeitgeber seine Entscheidung hinsichtlich ihrer organisatorischen Durchführbarkeit und
hinsichtlich ihrer Nachhaltigkeit ("Dauer") verdeutlichen, damit das Gericht prüfen kann, ob sie offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich, also
missbräuchlich ausgesprochen worden ist. Dass der Arbeitgeber zur organisatorischen Durchführbarkeit und Nachhaltigkeit der unternehmerischen
Entscheidung vortragen muss, soll einen Missbrauch des Kündigungsrechts ausschließen. Eine rechtswidrige Überforderung oder Benachteiligung des im
Betrieb verbleibenden Personals soll vermieden werden. Ausgeschlossen werden soll auch, dass die unternehmerische Entscheidung lediglich als Vorwand
benutzt wird, um Arbeitnehmer aus dem Betrieb zu drängen, obwohl Beschäftigungsbedarf und Beschäftigungsmöglichkeit fortbestehen. Der Ratsbeschluss
einer kleinen Stadtgemeinde, den Personalbedarf für Kindertageseinrichtungen nach dem Bedarfsschlüssel des SäKitaG zu berechnen und dem sich danach
ergebenden (reduzierten) Bedarf anzupassen, ist nach diesem Maßstab nicht zu beanstanden, wenn keine Anhaltspunkte für fortbestehenden
Beschäftigungsbedarf oder Überforderung des verbliebenen Personals vorliege (BAG, Urteil vom 22.05.2003 - 2 AZR 326/02, NZA 2004, 343 Os).
Der Gesetzgeber hat die rechtlichen Voraussetzungen der Wartefrist des § 1 I KSchG an formelle und deshalb einfach festzustellende Gegebenheiten geknüpft.
Der Gesichtspunkt der Rechtssicherheit ist dabei vom Gesetzgeber erkennbar in den Vordergrund gestellt worden. Arbeitnehmer und Arbeitgeber sollen leicht
erkennen können, ob Kündigungsschutz besteht. Deshalb sind rechtliche Unterbrechungen nur ausnahmsweise und nur bei Vorliegen eines engen sachlichen
Zusammenhangs unbeachtlich (BAG, Urteil vom 22.05.2003 - 2 AZR 426/02, NZA 2004, 399 Os).
Ist in einem rechtskräftigen Kündigungsrechtsstreit entschieden, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung des Arbeitgebers nicht aufgelöst wurde, so
kann der Arbeitgeber eine nachfolgende Kündigung nicht auf Gründe stützen, die im ersten Prozess materiell geprüft wurden und nach Ansicht des Gerichts die
Kündigung nicht gerechtfertigt hatten. Die Präklusionswirkung erfasst auch den im Vorprozess unterlassenen Vortrag des Arbeitgebers in Bezug auf die
Sozialauswahl (BAG, Urteil vom 22.05.2003 - 2 AZR 485/02, NZA 2004, 343 Os).
Der geheime Vorbehalt eines Geschäftsführers, den Inhalt eines von ihm und dem vorläufigen Insolvenzverwalter unterzeichneten
Betriebsstilllegungsbeschlusses nicht zu wollen, ändert nichts an der Prognose, dass für einen gekündigten Arbeitnehmer mit Ablauf der Kündigungsfrist keine
Beschäftigungsmöglichkeit mehr bestehen wird (BAG, Urteil vom 08.04.2003 - 2 AZR 15/02, NZA 2004, 343 Os).
Ob ein betriebsverfassungsrechtliches/personalvertretungsrechtliches Verwertungsverbot eingreift, kann erst festgestellt werden, wenn die Tatsachen, auf die es
sich beziehen soll, bekannt sind. Von Tatsachen, die nicht bekannt sind, kann nicht beurteilt werden, ob sie im Kündigungsschutzprozess der Erläuterung
bereits vorgetragener und dem Betriebsrat mitgeteilter Kündigungsgründe dienen mögen, ob sie einen neuen Kündigungsgrund bilden und, wenn das der Fall
ist, ob dieser Kündigungsgrund zulässigerweise nachgeschoben werden kann (BAG, Urteil vom 27.03.2003 - 2 AZR 699/01, NZA 2004, 232 Os).
Für die Berechnung der Dauer der Betriebszugehörigkeit als Sozialdatum i.S. von § 1 III 1 KSchG sind dieselben Grundsätze anzuwenden, nach denen sich
auch die Berechnung der Wartezeit nach § 1 I KSchG richtet. Die Beschäftigungszeit i.S. des § 19 BAT-O ist nicht mit der Dauer der Betriebszugehörigkeit als
Sozialdatum gleichzusetzen. (Nichtamtliche Orientierungssätze des BAG), (BAG, Urteil vom 06.02.2003 - 2 AZR 623/01, NZA 2003, 1295 Os).
Bedienen sich kirchliche Einrichtungen wie jedermann der Privatautonomie zur Begründung von Arbeitsverhältnissen, so findet auf diese das staatliche
Arbeitsrecht mit seinen kündigungsschutzrechtlichen Vorschriften Anwendung. Die ausnahmsweise mögliche Annahme eines arbeitgeberübergreifenden
Kündigungsschutzes ist davon abhängig, dass sich zwei oder mehrere Unternehmen zur gemeinsamen Führung eines Betriebes - zumindest konkludent -
rechtlich verbunden haben, so dass der Kern der Arbeitgeberfunktionen im sozialen und personellen Bereich von derselben institutionellen Leistung rechtlich
abgesichert ausgeübt wird. Diese Grundsätze gelten auch für kirchliche Einrichtungen. Die durch religiöse und glaubensmäßige Verbundenheit motivierte
Zusammenarbeit mehrerer rechtlich selbstständiger Einrichtungen führt für sich genommen nicht zum Vorliegen eines gemeinsamen Betriebes dieser
Einrichtungen. Eine Kündigung im Kleinbetrieb verstößt nicht allein deshalb gegen Treu und Glauben, weil sie ohne Angabe von Gründen ausgesprochen wird.
Nur, wenn sich aus dem Vorbringen des Arbeitnehmers ergibt, dass der Arbeitgeber das Kündigungsrecht missbräuchlich nutzt, kann § 242 BGB verletzt sein.
Das ist hier nicht der Fall (BAG, Urteil vom 16.01.2003 - 2 AZR 609/01, AP H. 1/2004 § 1 KSchG 1969 Gemeinschaftsbetrieb Nr. 1).
Bei der Sozialauswahl nach § 1 III KSchG sind jedenfalls die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter und etwaige Unterhaltspflichten zu
berücksichtigen. Es ist weder möglich noch angezeigt, dem Arbeitgeber hinsichtlich der Gewichtung der drei Kriterien Betriebszugehörigkeit, Lebensalter und
Unterhaltspflichten abstrakte Vorgaben zu machen. Auch nach der derzeit geltenden Fassung des § 1 III KSchG kommt der Betriebszugehörigkeit keine
Priorität gegenüber den anderen Kriterien zu (vgl. Senatsurteil 2. 12. 1999 aaO). Maßgeblich sind vielmehr jeweils die Umstände des Einzelfalls. Letzteres gilt
auch für die Frage, ob und wie sich der "Doppelverdienst" auf die Sozialauswahl auswirkt. § 1 IV KSchG zeigt, dass nach Auffassung des Gesetzgebers ein
vom Arbeitgeber in Abstimmung mit der gewählten Arbeitnehmervertretung - sei es auch nur in der Form einer Regelungsabrede -vereinbartes Punkteschema -
eine größere Gewähr für eine sachlich ausgewogene Berücksichtigung der Sozialdaten darstellt als eine vom Arbeitgeber allein aufgestellte Regelung (BAG,
Urteil vom 05.12.2002 - 2 AZR 549/01, NZA 2003, 791).
Die Stilllegung des Betriebes stellt kein dringendes betriebliches Erfordernis dar, das nach § 1 II KSchG die Kündigung eines Arbeitnehmers, mit dem
Block-Altersteilzeit vereinbart ist und der sich bereits in der Freistellungsphase befindet, sozial rechtfertigen kann. Dies gilt auch für eine Kündigung durch den
Insolvenzverwalter (BAG, Urteil vom 05.12.2002 - 2 AZR 571/01, NJW 2003, 2258).
In der Streichung einer konkreten Stelle im Haushaltsplan einer Kommune liegt ein betriebsbedingter Kündigungsgrund. Nach ständiger Rechtsprechung des
BAG kann sich auch der Arbeitnehmer, der dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf den Betriebserwerber nach § 613a BGB widerspricht, bei einer
nachfolgenden, vom Betriebserwerber erklärten Kündigung auf eine mangelhafte Sozialauswahl nach § 1 III KSchG berufen. Es sollen dabei aber auch die
Gründe für den Widerspruch berücksichtigt werden. Liegt kein Betriebsübergang vor, kommt eine Einschränkung der Sozialauswahl auch dann nicht in
Betracht, wenn der private Dienstleister sich gegenüber der Kommune vertraglich verpflichtet hat, die bisherigen Mitarbeiter weiter zu beschäftigen und die
Arbeitnehmer eine solche Übernahme" ablehnen. (Nichtamtliche Orientierungssätze des BAG), (BAG, Urteil vom 05.12.2002 - 2 AZR 522/01, NZA 2003,
1168 Os).
Betriebliche Ablaufstörungen im Zusammenhang mit einer Massenkündigung können als berechtigte betriebliche Bedürfnisse i. S. von § 1 III 2 KSchG einer
Auswahl nach sozialen Gesichtspunkten entgegenstehen. Es spricht grundsätzlich eine Vermutung dafür, dass die sozialen Gesichtspunkte bei der Auswahl der
zu kündigenden Arbeitnehmer nicht ausreichend berücksichtigt worden sind, wenn der Arbeitgeber den überwiegenden Teil der Belegschaft (hier 70 % der
Arbeitnehmer) aus betriebstechnischen Gründen generell von der Austauschbarkeit ausnimmt und die Sozialauswahl auf den verbliebenen Teil der
Restbelegschaft beschränkt (BAG, Urteil vom 05.12.2002 - 2 AZR 697/01, NZA 2003, 849).
Häufige Kurzerkrankungen in der Vergangenheit können indiziell für eine entsprechende künftige Entwicklung des Krankheitsbildes sprechen. Dies gilt
allerdings nicht, wenn die Krankheiten ausgeheilt sind. Bei einer negativen Indizwirkung hat der Arbeitnehmer gem. § 138 II ZPO darzutun, weshalb mit einer
baldigen Genesung zu rechnen ist, wobei er dieser prozessualen Mitwirkungspflicht schon dann genügt, wenn er die Behauptungen des Arbeitgebers nicht nur
bestreitet, sondern seinerseits vorträgt, die ihn behandelnden Ärzte hätten die gesundheitliche Entwicklung positiv beurteilt, und wenn er die ihn behandelnden
Ärzte von der Schweigepflicht entbindet. Da der Arbeitnehmer im Falle der Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankungen nicht den Beweis führen muss, dass
die Negativprognose nicht gerechtfertigt ist, muss die Indizwirkung der Krankheitszeiten in der Vergangenheit dann als ausreichend erschüttert angesehen
werden, wenn sich aus den Auskünften der behandelnden Ärzte jedenfalls Zweifel an der Negativprognose ergeben (BAG, Urteil vom 07.11.2002 - 2 AZR
599/01, NZA 2003, 816 Os).
Läuft die unternehmerische Entscheidung letztlich nur auf den Abbau einer Hierarchieebene hinaus, bedarf es der Konkretisierung dieser Entscheidung, damit
geprüft werden kann, ob der Arbeitsplatz des betroffenen Arbeitnehmers tatsächlich weggefallen ist und die Entscheidung nicht offensichtlich unsachlich oder
willkürlich ist. Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit muss der Arbeitgeber vor jeder ordentlichen Beendigungskündigung von sich aus dem
Arbeitnehmer eine beiden Parteien zumutbare Weiterbeschäftigung auf einem freien vergleichbaren Arbeitsplatz anbieten. Die Pflicht zum Angebot der
Weiterbeschäftigung besteht erst recht, wenn die Beschäftigungsmöglichkeit nicht auf einem anderen, sondern sogar auf dem bisher innegehabten Arbeitsplatz,
wenn auch mit Modifikationen, besteht (BAG, Urteil vom 10.10.2002 - 2 AZR 598/01, AP H. 4/2003 § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 123).
Das Tragen eines - islamischen - Kopftuchs allein rechtfertigt regelmäßig noch nicht die ordentliche Kündigung einer Verkäuferin in einem Kaufhaus aus
personen- oder verhaltensbedingten Gründen nach § 1 II KSchG (BAG, Urteil vom 10.10.2002 - 2 AZR 472/01, NVwZ 2003, 1551 L).
Die Entscheidung des Unternehmers, einen Betriebsteil durch eine noch zu gründende, finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in sein Unternehmen voll
eingegliederte Organgesellschaft mit von dieser neu einzustellenden Arbeitnehmern weiter betreiben zu lassen, stellt kein dringend betriebliches Erfordernis i.S.
von § 1 II KSchG dar, den in diesem Betriebsteil bisher beschäftigten Arbeitnehmern zu kündigen (BAG, Urteil vom 26.09.2002 - 2 AZR 636/01, NJW 2003, 2116).
Im Fall eines bevorstehenden Teilbetriebsübergangs muss der Arbeitgeber einem davon betroffenen Arbeitnehmer die Weiterbeschäftigung auf einem freien
Arbeitsplatz anbieten, sobald er damit rechnen muß, der Arbeitnehmer werde dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses widersprechen (BAG, Urteil vom
15.08.2002 - 2 AZR 195/01, NJW 2003, 1414 L).
Haben sich die Parteien über die Arbeitsaufnahme für einen bestimmten Arbeitstag vorab verständigt, ist der erste Arbeitstag in die Berechnung des Ablaufs
einer vertraglich vereinbarten Probezeit voll einzubeziehen, auch wenn der schriftliche Arbeitsvertrag erst am Tage der Arbeitsaufnahme nach Arbeitsbeginn
unterzeichnet wird (§ 187 II BGB iVm. § 188 II BGB; BAG, Urteil vom 27.06.2002 - 2 AZR 382/01, NJW 2003, 1828).
Haben die bisher im klinikeigenen Labor beschäftigten medizinisch-technischen Assistentinnen in ganz geringem Umfang auch fachfremde, nicht ihrer
Ausbildung und Vergütung entsprechende Nebenarbeiten verrichtet, so scheitert die Wirksamkeit der Kündigung dieser medizinisch-technischen Assistentinnen
regelmäßig nicht daran, dass der Arbeitgeber die Nebenarbeiten auf andere Mitarbeiter übertragt. (Nichtamtliche Orientierungssätze des BAG), (BAG, Urteil
vom 27.06.2002 - 2 AZR 489/01, NZA 2002, 1304 Os)
Bei einem Betriebsinhaberwechsel sind die beim Betriebsveräußerer erbrachten Beschäftigungszeiten bei der Berechnung der Wartezeit nach § 1 I KSchG für
eine vom Betriebsübernehmer ausgesprochene Kündigung zu berücksichtigen. Dies gilt auch dann, wenn zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs das
Arbeitsverhältnis kurzfristig unterbrochen war, die Arbeitsverhältnisse aber in einem engen sachlichen Zusammenhang stehen (BAG, Urteil vom 27.06.2002 - 2
AZR 270/01, NJW 2003, 773).
Die Falschbeantwortung einer Frage des Arbeitgebers nach früheren "Stasi-Kontakten" kann eine ordentliche Kündigung rechtfertigen. Das Fragerecht ist
allerdings beschränkt durch das betriebliche Interesse und das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers. Damit der Arbeitnehmer die Zulässigkeit der Frage
beurteilen kann, muss sie so konkret formuliert sein, dass der Arbeitnehmer zweifelsfrei erkennen kann, wonach gefragt wird (BAG, Urteil vom 13.06.2002 - 2
AZR 234/01, NZA 2003, 265).
Eine betriebsbedingte Änderungskündigung, mit der eine erhebliche Lohnsenkung erzielt werden soll, ist nur bei Vorliegen dringender betrieblicher
Erfordernisse gem.§ 1 II KSchG sozial gerechtfertigt. Bloßer Geldmangel des Arbeitgebers begründet kein Recht auf Eingriff in den geschlossenen Vertrag
(BAG, Urteil vom 16.05.2002 - 2 AZR 292/01, NJW 2003, 1139).
Eine Kündigung, die auf Grund einer zum Wegfall des bisherigen Arbeitsplatzes führenden organisatorischen Maßnahme ausgesprochen worden ist, ist nur
dann durch ein dringendes betriebliches Erfordernis "bedingt", wenn der Arbeitgeber keine Möglichkeit hat, den Arbeitnehmer anderweitig zu beschäftigen.
Eine Weiterbeschäftigung nach § 1 II Satz 2 Nr. 2 b KSchG muss aber sowohl dem Arbeitnehmer als auch dem Arbeitgeber objektiv möglich und zumutbar
sein. Dies setzt voraus, dass ein freier vergleichbarer (gleichwertiger) Arbeitsplatz oder ein freier Arbeitsplatz zu geänderten (schlechteren) Arbeitsbedingungen
vorhanden ist und der Arbeitnehmer über die hierfür erforderlichen Fähigkeiten und Kenntnisse verfügt (hier: mögliche Weiterbeschäftigung eines
Hausmeisters als Kraftfahrer). Diese Weiterbeschäftigungspflicht des - öffentlichen - Arbeitgebers nach § 1 II Satz 2 Nr. 2 b KSchG besteht unabhängig von
einem Widerspruch der zuständigen Personalvertretung. Als frei sind grundsätzlich solche Arbeitsplätze anzusehen, die zum Zeitpunkt des Zugangs der
Kündigung unbesetzt sind. Der Arbeitgeber kann sich allerdings nach dem Rechtsgedanken des § 162 BGB nicht auf einen von ihm selbst treuwidrig durch eine
vorgezogene Stellenbesetzung verursachten Wegfall freier Arbeitsplätze im Kündigungszeitpunkt berufen. Werden im Zusammenhang mit der
Umstrukturierung und Privatisierung der Haus-meisterdienste einer Universität neue Stellen, ua. als Kraftfahrer, geschaffen, so hat der Arbeitgeber durch eine
Sozialauswahl nach den Grundsätzen des § 1 III KSchG zu entscheiden, welche von der Organisationsentscheidung betroffenen Arbeitnehmer er auf diesen
neuen Stellen weiterbeschäftigt. Der Arbeitgeber muss bei der Planung und der Besetzung der - neu geschaffenen - Stellen auch damit rechnen, dass sozial
schwächere Arbeitnehmer einem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf einen externen Anbieter widersprechen. Der Senat hat es - auf Grund der besonderen
Einzelfallumstände - dahinstehen lassen, ob der öffentliche Arbeitgeber bei der Besetzung neuer Stellen für kündigungsbedrohte Arbeitnehmer nach
Durchführung einer - internen - Ausschreibung nur noch diejenigen bei einer Stellenbesetzung berücksichtigen muß, die sich im Vorfeld auch für die
entsprechende Stelle beworben haben oder ob er grundsätzlich verpflichtet bleibt, einem vom Wegfall seines bisherigen Arbeitsplatzes betroffenen
Arbeitnehmer von sich aus eine beiden Parteien zumutbare Weiterbeschäftigung auf einem freien Arbeitsplatz auch zu geänderten Arbeitsbedingungen
anzubieten und dabei klarzustellen, dass im Falle einer Ablehnung eines solchen Änderungsangebots möglicherweise eine Kündigung in Betracht kommt
(BAG, Urteil vom 25.04.2002 - 2 AZR 260/01, NZA 2003, 605).
Bei der Herausnahme von "Leistungsträgern" aus der Sozialauswahl nach § 1 III Satz 2 KSchG in der vom 1. 10. 1996 bis zum 31. 12. 1998 geltenden Fassung
muss der Arbeitgeber das Interesse des sozial schwächeren Arbeitnehmers gegen das betriebliche Interesse an der Herausnahme des Leistungsträgers abwägen
(BAG, Urteil vom 12.04.2002 - 2 AZR 706/00, NJW 2002, 3797).
Entschließt sich der Arbeitgeber, bestimmte Arbeiten (hier. Malerarbeiten) nicht mehr von eigenen Arbeitnehmern ausführen zu lassen, so kann darin ein die
Kündigung rechtfertigendes betriebliches Erfordernis auch dann liegen, wenn von dem Entschluss des Arbeitgebers nur ein einziger Arbeitnehmer betroffen ist.
Grundsätzlich ist das Beschäftigungsbedürfnis für einen Arbeitnehmer im Sinne eines die Kündigung rechtfertigenden dringenden betrieblichen Erfordernisses
entfallen, wenn keine Möglichkeit der vertragsgemäßen Weiterbeschäftigung besteht. (Nichtamtliche Orientierungssätze des BAG),(BAG, Urteil vom
12.04.2002 - 2 AZR 740/00, NZA 2002, 1175 Os).
Weigert sich der erkrankte Arbeitnehmer vorprozessual, die ihn behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht zu befreien, so ist es ihm dennoch nicht verwehrt,
im Kündigungsschutzprozess die negative Gesundheitsprognose unter Bezugnahme auf ärztliches Zeugnis zu bestreiten. Bei einer Kündigung aus Anlass einer
Langzeiterkrankung ist bei krankheitsbedingter dauerhafter Leistungsunfähigkeit in aller Regel von einer erheblichen Beeinträchtigung betrieblicher Interessen
(2. Stufe) auszugehen. Der dauerhaften Leistungsunfähigkeit steht die Ungewissheit der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit gleich, wenn in den nächsten 24
Monaten mit einer anderen Prognose nicht gerechnet werden kann. Für die Prognose kommt es auf den Zeitpunkt der Kündigung an. Vor der Kündigung
liegende Krankheitszeiten können in den Prognosezeitraum (24 Monate) nicht eingerechnet werden (Bestätigung und Ergänzung des Senatsurteils vom 29. 4.
1999 - 2 AZR 431/98 - BAGE 91, 271 = NJW 2000, 893 = NZA 1999, 278), (BAG, Urteil vom 12.04.2002 - 2 AZR 148/01, NJW 2002, 3271).
Eine betriebsbedingte Kündigung kommt in Betracht, wenn bei Ausspruch der Kündigung auf Grund einer vernünftigen betriebswirtschaftlichen Prognose
davon auszugehen ist, dass zum Zeitpunkt des Kündigungstermins eine Beschäftigungsmöglichkeit nicht mehr besteht. Eine betriebsbedingte Kündigung liegt
nicht vor, wenn sich ein Reinigungsunternehmen, dessen noch laufender Reinigungsauftrag nicht verlängert worden ist, an der Neuausschreibung beteiligt und
bei Ausspruch der Kündigung die Neuvergabe noch offen ist. Der Zwang zur Einhaltung längerer Kündigungsfristen rechtfertigt grundsätzlich keine andere
Beurteilung (BAG, Urteil vom 12.04.2002 - 2 AZR 256/01, NJW 2002, 3795).
Dringende betriebliche Erfordernisse, die eine Kündigung gemäß § 1 II KSchG sozial rechtfertigen, können sich aus der unternehmerischen Entscheidung
ergeben, die werbende Tätigkeit mit sofortiger Wirkung einzustellen, allen Arbeitnehmern mit der für sie einschlägigen Kündigungsfrist zu kündigen und mit
den bis zur endgültigen Betriebsstilllegung dann noch vorhandenen Arbeitskräften die restlichen Aufträge abzuarbeiten. Ein Stilllegungskonzept lässt für eine
soziale Auswahl gemäß § 1 III KSchG keinen Raum. (Nichtamtliche Orientierungssätze des BAG), (BAG, Urteil vom 07.03.2002 - 2 AZR 147/01, NZA 2002,
1111 Os).
Eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit in einem anderen Konzernunternehmen kann die ausnahmsweise Sozialwidrigkeit einer betriebsbedingten Kündigung
dann nicht rechtfertigen, wenn der Arbeitgeber keine hinreichenden rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten hat, gegenüber dem anderen Unternehmen die
Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers durchzusetzen. Erklärt sich ein Arbeitnehmer auf Veranlassung des Arbeitgebers bereit, zu einem Tochterunternehmen
überzuwechseln, obwohl nach wie vor die Arbeit im Wesentlichen für den bisherigen Arbeitgeber zu verrichten ist, so kann ein Wiedereinstellungsanspruch
gegen den bisherigen Arbeitgeber aus Vertrauensgesichtspunkten gerechtfertigt sein, wenn der neue Arbeitgeber zeitnah insolvent wird und der
Insolvenzverwalter daraufhin das Arbeitsverhältnis wirksam betriebsbedingt kündigt. Eine Wiedereinstellungspflicht kann sich insbesondere daraus ergeben,
dass der bisherige Arbeitgeber bei der Vertragsumstellung den Anschein erweckt hat, er werde bei einer Insolvenz des Tochterunternehmens für eine
Weiterbeschäftigung sorgen, wenn noch genügend Arbeit vorhanden sei (BAG, Urteil vom 21.02.2002 - 2 AZR 749/00, NZA 2002, 1416 Os).
Die Übertragung der Aufgaben von Außendienstmitarbeitern (so genannte Field-Koordinatoren) in der klinischen Begleitforschung eines Pharmaunternehmens
auf ein Drittunternehmen kann zum Wegfall ihrer Arbeitsplätze und zu einem dringenden betrieblichen Erfordernis für eine ordentliche Änderungskündigung
nach § 1 II KSchG führen. Ob die zur Änderungskündigung vom Arbeitgeber angeführten betriebliche Erfordernisse dringend sind, beurteilt sich anhand des
Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Bietet ein Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Arbeitsbedingungen (hier: statt Außen-
nunmehr eine Innendiensttätigkeit im weit vom Wohnort der Arbeitnehmerin entfernten Firmensitz) an, so ist ein solches Angebot nicht deshalb unbillig, weil
der Arbeitnehmerin eine freie Mitarbeit im bisherigen Arbeitsgebiet und vom bisherigen Standort aus hätte angeboten werden können. § 2 Satz 1 KSchG stellt
die Änderungskündigung in den Zusammenhang mit der Fortsetzung eines Arbeitsverhältnisses. Das mögliche Angebot einer freien Mitarbeit ist daher
grundsätzlich kein "milderes Mittel" gegenüber dem Angebot einer Weiterbeschäftigung zu geänderten Bedingungen als Arbeitnehmer (BAG, Urteil vom
21.02.2002 - 2 AZR 556/00, NZA 2002, 1416 Os).
Der Arbeitnehmer trägt im Kündigungsschutzprozess bei Vorhandensein eines Interessenausgleichs mit Namensliste nach § 1 V KSchG a.F. die Darlegungs-
und Beweislast dafür, dass der Betriebsratsvorsitzende ohne einen entsprechenden Betriebsratsbeschluss die Betriebsvereinbarung nach § 112 I 1 BetrVG
vereinbart und unterzeichnet hat (BAG, Urteil vom 21.02.2002 - 2 AZR 581/00, NZA 2002, 1360 Os).
Fällt in einem Reinigungsbetrieb mit zahlreichen Beschäftigten in verschiedenen Objekten ein Reinigungsobjekt durch Nichtverlängerung des
Reinigungsauftrags weg, so genügt der Arbeitgeber seiner Pflicht zur Sozialauswahl regelmäßig nicht, wenn er sämtlichen in dem wegfallenden
Reinigungsobjekt Beschäftigten kündigt ohne zu prüfen, ob in anderen Reinigungsobjekten vergleichbare Arbeitnehmer beschäftigt werden (BAG, Urteil vom
17.01.2002 - 2 AZR 15/01, NZA 2002, 759 Os).
Der öffentliche Arbeitgeber darf ausgeschriebene Stellen auch mit externen Bewerbern besetzen. Er kann aber gerade hierauf allein eine fehlende
Verwendungsmöglichkeit für einen Bewerber aus der Beschäftigungsstelle, der dem Anforderungsprofil der Stelle genügt, nicht herleiten. Das liefe auf eine
unzulässige Austauschkündigung hinaus, die einzig dem Zweck diente, vorhandene geeignete Arbeitnehmer durch etwa noch besser geeignete zu ersetzen.
(Nichtamtliche Orientierungssätze des BAG; BAG, Urteil vom 06.12.2001 - 2 AZR 695/00, NZA 2002, 927 Os).
Ein Interessenausgleich mit Namensliste wahrt nur dann die Schriftform (§ 1 V S. 2 KSchG a. F. i.V. mit § 112 I BetrVG), wenn die dem Interessenausgleich
als Anlage beigefügte, aber nicht unterschriebene Namensliste mit diesem fest verbunden ist.Nach § 1 V KSchG a. F. ist eine abschließende Festlegung der zu
kündigenden Arbeitnehmer in einem Interessenausgleich erforderlich (BAG, Urteil vom 06.12.2001 - 2 AZR 422/00, NZA 2002, 999 Os).Zahlreiche
Abmahnungen wegen gleichartiger Pflichtverletzungen, denen keine weiteren Konsequenzen folgen, können die Warnfunktion der Abmahnung vor Ausspruch
einer Kündigung besonders eindringlich gestalten, um dem Arbeitnehmer klar zu machen, dass weitere derartige Pflichtverletzungen nunmehr zum Ausspruch
einer Kündigung führen werden (BAG, Urteil vom 15.11.2001 - 2 AZR 609/00, NJW 2002, 3196 L).
Hat das Arbeitsgericht angenommen, eine ordentliche Arbeitgeberkündigung sei sowohl nach § 1 KSchG als auch wegen fehlerhafter Personalratsbeteiligung
unwirksam, und deshalb den Auflösungsantrag des Arbeitgebers zurückgewiesen, so kann das Berufungsgericht auch bei einer auf den Auflösungsantrag
beschränkten Berufung des Arbeitgebers erneut prüfen, ob eine ordnungsgemäße Personalratsbeteiligung vorliegt (BAG, Urteil vom 27.09.2001 - 2 AZR
389/00, NJW 2002, 1287).
Zur freien unternehmerischen Entscheidung gehört die Freiheit zur Wahl des betrieblichen Standorts (BAG, Urteil vom 27.09.2001 - 2 AZR 246/00, NZA
2002, 696 Os).
Ein wegen Krankheit wirksam gekündigter Arbeitnehmer kann eine Wiederherstellung jedenfalls dann nicht verlangen, wenn die nachträgliche überraschende
grundlegende Besserung seines Gesundheitszustands erst nach Ablauf der Kündigungsfrist eingetreten ist (BAG, Urteil vom 27.06.2001 - 7 AZR 662/99, NJW
2001, 3429).Die Zeit der Eingliederung eines Arbeitslosen gem. §§ 229 ff. SGB III ist auf die Wartezeit des § 1 I KSchG nicht anzurechnen (BAG, Urteil vom
17.05.2001 - 2 AZR 10/00, AP H. 11/2001 § 1 KSchG 1969 Wartezeit Nr. 14).
Die unternehmerische Entscheidung zur Betriebsstilllegung einer GmbH kann auch dann die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines in dem Betrieb
beschäftigten Arbeitnehmers sozial rechtfertigen, wenn ihr kein wirksamer Beschluss der Gesellschafter zu Grunde liegt (Fortführung von BAG (11.3.1998),
NZA 1998, 879 = NJW 1998, 3371 = AP BetrVG 1972 § 111 Nr. 43 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 99), (BAG, Urteil vom 05.04.2001 - 2
AZR 696/99, NJW 2001, 3356).
Als einseitiges Rechtsgeschäft ist die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses grundsätzlich bedingungsfeindlich. Die Verbindung mit einer unzulässigen
(auflösenden) Bedingung führt zur Unwirksamkeit der Kündigung (vgl. bereits BAG (27.6.1968), NJW 1968, 2078 = AP BGB § 626 Bedingung Nr. 1 = EzA
BGB § 626 Nr. 9), (BAG, Urteil vom 15.03.2001 - 2 AZR 705/99, NJW 2001, 3355).
Bei einer ordentlichen Kündigung wegen langanhaltender Krankheit trägt zwar der Arbeitnehmer grundsätzlich das Risiko einer Fehlprognose des
behandelnden Arztes, sprechen jedoch schon im Kündigungszeitpunkt entgegen der Ansicht des behandelnden Arztes objektive Umstände dafür, dass die
Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit in absehbarer Zeit sicher oder zumindest möglich ist, ist die Kündigung i.d.R. schon mangels negativer Prognose sozial
ungerechtfertigt, (BAG, Urteil vom 21.02.2001 - 2 AZR 558/99, NZA 2001, 1071).
Soweit im Fall der Kündigung unter mehreren Arbeitnehmern eine Auswahl zu treffen ist, hat auch der Arbeitgeber im Kleinbetrieb, auf den das
Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung findet, ein durch Art. 12 GG gebotenes Mindestmaß an sozialer Rücksichtnahme zu wahren (BVerfGE 97, 169 =
NZA 1998, 470 = NJW 1998, 1475).
Ist bei einem Vergleich der grundsätzlich von dem gekündigten Arbeitnehmer vorzutragenden Sozialdaten evident, dass dieser erheblich sozial
schutzbedürftiger ist als ein vergleichbarer weiterbeschäftigter Arbeitnehmer, so spricht dies zunächst dafür, dass der Arbeitgeber das gebotene Mindestmaß an
sozialer Rücksichtnahme außer acht gelassen hat. Setzt der Arbeitgeber dem schlüssigen Sachvortrag des Arbeitnehmers weitere (betriebliche, persönliche etc.)
Gründe entgegen, die ihn zu der getroffenen Auswahl bewogen haben, so hat unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben eine Abwägung zu erfolgen. Es
ist zu prüfen, ob auch unter Einbeziehung der vom Arbeitgeber geltend gemachten Gründe die Kündigung die sozialen Belange des betroffenen Arbeitnehmers
in treuwidriger Weise unberücksichtigt lässt. Der unternehmerischen Freiheit des Arbeitgebers im Kleinbetrieb kommt bei dieser Abwägung ein erhebliches
Gewicht zu (BAG, Urteil vom 21.02.2001 - 2 AZR 15/00, NZA 2001, 833).
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung, ob sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat (§ 1 V S. 3 KSchG
a. F.), ist der Zugang der Kündigung. Bei späteren Änderungen kommt nur ein Wiederherstellungsanspruch in Betracht (BAG, Urteil vom 21.02.2001 - 2 AZR
39/00, ZIP 2001, 1825).
Der Entschluss des Arbeitgebers, ab sofort keine neuen Aufträge mehr anzunehmen, allen Arbeitnehmern zum nächstmöglichen Kündigungstermin zu
kündigen, zur Abarbeitung der vorhandenen Aufträge eigene Arbeitnehmer nur noch während der jeweiligen Kündigungsfristen einzusetzen und so den Betrieb
schnellstmöglich stillzulegen, ist als unternehmerische Entscheidung grundsätzlich geeignet, die entsprechenden Kündigungen sozial zu rechtfertigen (BAG,
Urteil vom 18.01.2001 - 2 AZR 514/99, NJW 2001, 2116).
Der Arbeitsgerichtsbarkeit obliegt es nicht, den Arbeitgeber eines Flugkapitäns zur Verlängerung oder Erneuerung der Fluglizenz zu verpflichten. Bei einem
solchen Begehren muss der Flugkapitän mittels Verpflichtungs- bzw. Versagungsklage gem. § 42 I VwGO vorgehen. Verlaufen die Überprüfungsflüge eines
Flugkapitäns nicht erfolgreich, muss diesem zunächst Gelegenheit gegeben werden, die Prüfung zu wiederholen. Eine Kündigung darf nur als ultima ratio
herangezogen werden (BAG, Urteil vom 07.12.2000 - 2 AZR 460/99, NZA 2001, 607).
Die Sicherung einer ausgewogenen Altersstruktur der Erzieherinnen stellt bei einer Stadt, die zahlreiche Kindergärten, Kindertagesstätten und Internate
unterhält, ein berechtigtes Interesse dar, das bei einer erforderlich werdenden Massenkündigung einer Sozialauswahl allein nach den Kriterien des § 1 III 1
KSchG in der vom 1.10.1996 bis 31.12.1998 geltenden Fassung entgegenstehen kann (BAG, Urteil vom 23.11.2000 - 2 AZR 533/99, NJW 2001, 3282).
Der Antrag des Arbeitgebers auf gerichtliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses eines Betriebsleiters gegen Abfindung bedarf der Begründung, wenn dieser
nicht zur selbstständigen Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt ist oder wenn die Ausübung einer solchen Befugnis keinen wesentlichen
Teil seiner Tätigkeit ausmacht und somit seine Stellung nicht prägt (BAG, Urteil vom 18.10.2000 - 2 AZR 465/99, NZA 2001, 437).
Die Organisationsentscheidung des öffentlichen Arbeitgebers, eine Angestelltenstelle, auf der hoheitliche Aufgabe erledigt werden, in eine Beamtenstelle
umzuwandeln und mit einem Beamten zu besetzen, kann ein dringendes betriebliches Erfordernis zur Kündigung des bisherigen Stelleninhabers darstellen,
wenn dieser die Voraussetzungen für eine Übernahme in ein Beamtenverhältnis nicht erfüllt (im Anschluss an BAG, BAGE 4, 1 = NJW 1957, 886).
Der Besetzung der Stelle mit einem externen Bewerber steht es gleich, wenn der öffentliche Arbeitgeber dem bisherigen Stelleninhaber unwirksam gekündigt,
dann eine Ersatzkraft eingestellt hat und diese Ersatzkraft nunmehr anstelle des bisherigen Stelleninhabers auf der neu geschaffenen Beamtenstelle zum
Beamten ernennt (BAG, Urteil vom 21.09.2000 - 2 AZR 440/99, NVwZ-RR 2001, 322).
Führt die unternehmensbezogene Weiterbeschäftigungspflicht (§ 1 II 2 Nr. 1b KSchG) dazu, dass mehrere Arbeitnehmer aus verschiedenen Betrieben eines
Unternehmens um denselben Arbeitsplatz in einem der Betriebe konkurrieren, so hat der Unternehmer bei seiner Entscheidung über die Besetzung dieses
Arbeitsplatzes die sozialen Belange der betroffenen Arbeitnehmer zu berücksichtigen (Bestätigung von BAG, 15.12.1994, BAGE 79, 66 = NZA 1995, 413 =
NJW 1996, 339), (BAG, Urteil vom 21.09.2000 - 2 AZR 385/99, NZA 2001, 535).
Bei der Neueinstellung in den öffentlichen Dienst darf der öffentliche Arbeitgeber den Bewerber dann nach vor 1970 abgeschlossenen Tätigkeiten für das
Ministerium für Staatssicherheit der ehemaligen DDR (MfS) fragen, wenn diese Tätigkeiten besonders schwer wiegen. Die wahrheitswidrige Beantwortung
dieser Frage kann unter Umständen die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung gem. §§ 123, 142 BGB rechtfertigen (im Anschluss an Senat, Urteil vom
28.5.1998, NZA 1998, 1052 = AP BGB § 123 Nr. 46 = EzA BGB § 123 Nr. 49). Eine arglistige Täuschung kann auch darin liegen, dass der Arbeitnehmer, der
mit einer berechtigten Frage des öffentlichen Arbeitgebers nach einer Tätigkeit für das MfS rechnet, unaufgefordert bei seiner Bewerbung versichert (im Fall:
"an Eides Statt"), er sei nicht für das MfS tätig gewesen (BAG, Urteil vom 06.07.2000 - 2 AZR 543/99, NJW 2001, 701).
Eine Verurteilung zum Abschluss eines in der Vergangenheit liegenden Arbeitsvertrags ist nicht möglich (Bestätigung von BAG, 14.10.1997 = NZA 1998, 775
= AP TVG § 1 Tarifverträge: Metallindustrie Nr. 154 = EzA BGB § 611 Einstellungsanspruch Nr. 10 und BAGE 87, 1 = NZA 1998, 778 = AP TVG § 1
Tarifverträge: Metallindustrie Nr. 155). Dem betriebsbedingt gekündigten Arbeitnehmer kann ein Wiedereinstellungsanspruch zustehen, wenn sich zwischen
dem Ausspruch der Kündigung und dem Ablauf der Kündigungsfrist unvorhergesehen eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit ergibt. Entsteht diese erst nach
Ablauf der Kündigungsfrist, besteht grundsätzlich kein Wiedereinstellungsanspruch (Bestätigung von BAG, 6.8.1997; BAGE 86, 194 = NZA 1998, 254).
Dem Wiedereinstellungsanspruch können berechtigte Interessen des Arbeitgebers entgegenstehen. Diese können auch darin bestehen, dass der Arbeitgeber den
in Betracht kommenden Arbeitsplatz bereits wieder besetzt hat. Der Arbeitgeber kann sich auf die Neubesetzung des Arbeitsplatzes nicht berufen, wenn
hierdurch der Wiedereinstellungsanspruch treuwidrig vereitelt wird. Bei der Auswahl des wiedereinzustellenden Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber gem. § 242
BGB die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Ob ein Arbeitgeber verpflichtet ist, von sich aus einen Arbeitnehmer über eine sich unvorhergesehen
ergebende Beschäftigungsmöglichkeit zu unterrichten, hängt ebenfalls gem. § 242 BGB von den Umständen des Einzelfalls ab. Ein Abfindungsvergleich kann
dem Wiedereinstellungsanspruch entgegenstehen. Der Arbeitgeber kann ihn auch bei der Auswahl des wiedereinzustellenden Arbeitnehmers berücksichtigen
(BAG, Urteil vom 28.06.2000 - 7 AZR 904/98, NJW 2001, 1297).
Einem Arbeitnehmer soll auch dann im Sinne von § 1 V 1 KSchG i.d.F. des Gesetzes vom 25.9.1996 (BGBl. I, 1476) gekündigt werden, wenn die Kündigung
im Interessenausgleich von dem Widerspruch des Arbeitnehmers gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses gemäß § 613a BGB abhängig gemacht wird
(BAG, Urteil vom 24.02.2000 - 8 AZR 180/99, NZA 2000, 785).
Hält der Arbeitgeber eine Sozialauswahl vor Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung wegen des Widerspruchs des Arbeitnehmers gegen den Übergang
des Arbeitsverhältnisses für überflüssig, so hat er die sozialen Gesichtspunkte vergleichbarer Arbeitnehmer auch nicht vorsorglich dem Betriebsrat mitzuteilen
(im Anschluss an die ständige Rechtsprechung des BAG zur "subjektiven Determinierung" der Betriebsratsanhörung, vgl. nur Urteil vom 26.10.1995, BAGE
81, 199 = NZA 1996, 703). Das Unterbleiben einer Sozialauswahl indiziert in diesem Falle nicht die ungenügende Berücksichtigung sozialer Gesichtspunkte,
wenn der gesamte Bereich "Informationssysteme und technische Dienste" ausgegliedert wurde und dem Arbeitnehmer anerkennenswerte Gründe für den
Widerspruch nicht zur Seite standen (BAG, Urteil vom 24.02.2000 - 8 AZR 167/99, NZA 2000, 764).
Besteht aus der Sicht des Arbeitgebers keine Möglichkeit, den zu kündigenden Arbeitnehmer auf einem anderen Arbeitsplatz weiter zu beschäftigen (§ 1 II 2 lit.
1b und lit. 2b KSchG), so genügt der Arbeitgeber seiner Anhörungspflicht nach § 102 BetrVG i. d. R. schon durch den ausdrücklichen oder konkludenten
Hinweis auf fehlende Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten (BAG, Urteil vom 17.02.2000 - 2 AZR 913/98, NJW 2000, 3801).
Kann ein Arbeitnehmer nach dem Arbeitsvertrag nur innerhalb eines bestimmten Arbeitsbereichs versetzt werden (im Fall: eine Layouterin/Redakteurin eines
großen Verlagshauses nur innerhalb der Redaktion der von ihr betreuten Zeitschrift), so ist bei einer wegen Wegfalls dieses Arbeitsbereichs erforderlichen
betriebsbedingten Kündigung keine Sozialauswahl unter Einbeziehung der vom Tätigkeitsfeld vergleichbaren Arbeitnehmer anderer Arbeitsbereiche
(Redaktionen anderer Zeitschriften des Verlages) vorzunehmen (Fortsetzung der Senatsrechtsprechung zur Vergleichbarkeit bei der Sozialauswahl, vgl. etwa
Senat, NZA 1998, 1332 = NJW 1999, 667 = AP KSchG § 1 Sozial Auswahl Nr. 36), (BAG, Urteil vom 17.02.2000 - 2 AZR 142/99, NJW 2000, 2604).
Die Gleichbehandlung mit anderen Arbeitnehmern stellt kein dringendes betriebliches Erfordernis i. S. von § 1 II 1 KSchG dar, das die Verschlechterung einer
arbeitsvertraglichen Vergütungsregelung im Wege der Änderungskündigung bedingen kann (vgl. zuletzt Senat, NZA 1999, 1336); auch dass sich der
Arbeitgeber auf eine die angestrebte Neuregelung vorgebende (Gesamt-)Betriebsvereinbarung berufen kann, erleichtert die Änderungskündigung nicht (BAG,
Urteil vom 20.01.2000 - 2 ABR 40/99, NZA 2000, 592).
Bei der im Zusammenhang mit einer Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankung durchzuführenden Interessenabwägung zwischen den betrieblichen Belangen
und der Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers sind auch dessen Unterhaltspflichten und eine eventuelle Schwerbehinderung des Arbeitnehmer zu
berücksichtigen (BAG, Urteil vom 20.01.2000 - 2 AZR 378/99, Klette, DStR 2000, 699 L).
*** (LAG)
Nach den in § 12 III AGG übernommenen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz hat bei sexuellen Belästigungen der Kündigung des Arbeitsverhältnisses - von
Extremfällen abgesehen - regelmäßig eine Abmahnung vorauszugehen. Sind mehrere Maßnahmen geeignet und möglich, die Benachteiligung infolge sexueller
Belästigung für eine Arbeitnehmerin abzustellen, so hat der Arbeitgeber diejenige zu wählen, die den Täter am wenigsten belastet. Dies gilt umso mehr, wenn
in der Dienststelle eine Dienstvereinbarung gilt, die gestufte Gegenmaßnahmen des Arbeitgebers für den Fall sexueller Belästigungen vorsieht (LAG
Niedersachsen, Urteil vom 25.11.2008 - 1 Sa 547/08).
Die unternehmerische Entscheidung, bisher im eigenen Betrieb erbrachte Aufgaben von einem anderen Unternehmen der eigenen Unternehmensgruppe
ausführen zu lassen, kann eine betriebsbedingte Kündigung rechtfertigen, wenn deshalb das Bedürfnis an der weiteren Beschäftigung des gekündigten
Arbeitnehmers vollständig entfällt (LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 30.10.2008 - 14 Sa 582/08).
Bei einer betriebsbedingten Kündigung hat der Arbeitgeber nach dem Gesetzeswortlaut (§ 1 III 1 KSchG) die sozialen Gesichtspunkte "ausreichend" zu
berücksichtigen. Dem Arbeitgeber steht bei der Gewichtung der Sozialkriterien deshalb ein Wertungsspielraum zu (BAG [05.12.2002], NZA 2003, 791 = AP
KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 59). Hat der Arbeitgeber die Sozialauswahl ohne eine Punktetabelle durchgeführt, führt deren Überprüfung anhand von
anderweitig anerkannten Punktetabellen nicht zu einer unzulässig nachträglichen, fiktiven Sozialauswahl. Eine solche Kontrollüberlegung kann vielmehr ein
taugliches Indiz dafür sein, ob die tatsächlich vorgenommene Auswahl noch ausreichend ist, es ist für sich allein freilich noch nicht hinreichend. Hinzukommen
muss die Bewertung der Sozialdaten der konkret konkurrierenden Arbeitnehmer. Bei der Frage, ob die Berücksichtigung sozialer Gesichtspunkte nicht mehr
ausreichend ist, kommt es im Rahmen der Anwendung eines Punktesystems nicht auf einen absoluten Punktabstand oder eine prozentuale Abweichung allein,
gemessen an dem im Auswahlkreis insgesamt vergebenen, höchsten Punktwert an. Denn der absolute Punktwert der Differenz wie auch der entsprechende
Prozentwert ist nicht hinreichend aussagekräftig. Bei Anwendung einer Punktetabelle ist der klagende Arbeitnehmer jeweils mit den von ihm als sozial weniger
schutzwürdig genannten, in der konkreten Auswahlsituation konkurrierenden Mitarbeitern in ein Verhältnis zu setzen. Nur um die Differenz dieser
Arbeitnehmer bei den Sozialkriterien geht es. Soll die Punktedifferenz prozentual ausgedrückt werden, ist dabei der die Fehlerhaftigkeit der Auswahl rügende
Arbeitnehmer mit seinem Punktwert gleich 100 zu setzen und die absolute Differenz zu dem jeweiligen Konkurrenten als prozentualer Anteil zu berechnen.
Jedenfalls bei einer ohne eine Punktetabelle durchgeführten Sozialauswahl bedarf es bei einer als nachträgliche Kontrolle hinzugezogenen Punktetabelle einer
anschließenden Bewertung der konkreten Sozialdaten. Im Streitfall war eine Differenz zulasten des Klägers von etwa 10% in Verbindung mit der Betrachtung
der konkreten Sozialdaten für die Annahme hinreichend, die Auswahl sei nicht mehr ausreichend. Es liegt nahe, dass der Arbeitgeber sich auch in Fällen der
"Massenkündigung", in denen er die Sozialauswahl ohne Anwendung einer Punktetabelle durchgeführt hat, darauf berufen darf, bei ausreichender
Sozialauswahl wäre dem klagenden Arbeitnehmer ebenfalls gekündigt worden (LAG Hamm, Urteil vom 21.10.2008 - 9 Sa 966/08)
War die Arbeitnehmerin wegen einer einmalig aufgetretenen Krankheitsursache (hier: Depressionen mit 140 Ausfalltagen) im Kündigungszeitpunkt mehr als
ein Jahr nicht wegen dieser Krankheit arbeitsunfähig, so ist eine Prognose, sie werde wegen dieser Ursache künftig ausfallen, auch dann nicht gerechtfertigt,
wenn die Ärzte bescheinigen, die Arbeitnehmerin sei insoweit nicht geheilt. In einer solchen Konstellation sind auch betriebliche Störungen wegen dieser
Krankheit nicht mehr zu erwarten. Bei einer langjährig beschäftigten älteren Arbeitnehmerin, die zudem mit 60 Grad behindert ist, würde die
krankheitsbedingte Kündigung selbst dann an der Interessenabwägung scheitern, wenn mit knapp über sechs Wochen liegenden Entgeltfortzahlungskosten auch
in Zukunft gerechnet werden müsste (LAG Nürnberg, Urteil vom 14.10.2008 - 6 Sa 272/08, DB 2008, 2771).
Es ist eine negative Zukunftsprognose auch bei einer verhaltensbedingten Kündigung wegen Schlechtleistung nötig. Wird nach einer Abmahnung die
Fehlerquote um 20 % reduziert, fehlt es an einer negativen Zukunftsprognose für eine verhaltensbedingte Kündigung. Ist die Arbeitsleistung im Arbeitsvertrag,
wie meistens, nicht oder nicht näher beschrieben, so richtet sich der Inhalt des Leistungsversprechens zum einen nach dem vom Arbeitgeber in Ausübung des
Direktionsrechts festzulegenden Arbeitsinhalt und zum anderen nach den persönlichen, subjektiven Leistungsvermögen des Arbeitnehmers. Die
Leistungspflicht ist dynamisch und orientiert sich an der Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers. Ein objektiver Maßstab ist nicht anzusetzen (LAG Sachsen,
Schlussantrag (EuGH) vom 01.10.2008 - 3 Sa 298/08).
Ein GmbH-Geschäftsführer mutiert nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht zum Arbeitnehmer des Insolvenzverwalters, wenn er seine Arbeitskraft bei
einer Betriebsfortführung zur Verfügung stellt (LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 25.09.2008 - 10 Sa 162/08).
Ändert der Unternehmer das Anforderungsprofil einer Tätigkeit in der Weise, dass die Beherrschung der deutschen Sprache in Wort und Schrift verlangt wird,
und ist ein seit langem beschäftigter Arbeitnehmer ausländischer Herkunft nicht in der Lage, die deutsche Sprache so zu erlernen, dass er Arbeitsanweisungen
lesen kann, so liegt eine mittelbare Diskriminierung des Arbeitnehmers vor, wenn die Arbeit so organisiert werden kann, dass die schriftliche
Sprachbeherrschung nicht erforderlich ist. Die unternehmerische Entscheidung ist wegen Verstoßes gegen § 2 I Nr. 2 AGG unwirksam. Eine hieraufgestützte
betriebsbedingte Kündigung erweist sich als sozialwidrig. Dem steht § 2 IV AGG nicht entgegen (LAG Hamm, Urteil vom 17.07.2008 - 16 Sa 544/08).
Eine verhaltensbedingte Kündigung wegen Leistungsminderung setzt voraus, dass der Arbeitnehmer aufgrund nicht angemessener Ausschöpfung seiner
persönlichen Leistungsfähigkeit längerfristig die Durchschnittsleistung vergleichbarer Arbeitnehmer in erheblichem Maße unterschreitet. Anknüpfungspunkt
für die Feststellung, dass ein Arbeitnehmer unter Verstoß gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten bewusst langsam arbeitet, sind einerseits die vertraglich
geschuldete Arbeitsleistung sowie die Durchschnittsleistung der mit dem betreffenden Arbeitnehmer vergleichbaren Arbeitnehmer. Sofern die Fertigung eines
Werkstückes nur wenige Minuten dauert (hier: 3 Minuten) ist es zur Ermittlung des Parameters "Tagesdurchschnittsleistung vergleichbarer Mitarbeiter" nicht
geeignet, diese einzelne Fertigungsdauer auf die tägliche Arbeitszeit hochzurechnen (z. B. 60 Min.: 3 Min. x 8 Std. = 170 Stück). Bei dieser Hochrechnung wird
nicht berücksichtigt, dass während eines achtstündigen Arbeitstages die Leistungsfähigkeit - je nach Anforderung, Belastung und Eintönigkeit der Arbeit - ganz
normalen Schwankungen unterliegt (LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 27.05.2008 - 5 Sa 398/07, NZA-RR 2008, 573).
Die Ausgliederung von Arbeitnehmern aus der Sozialauswahl ist nur möglich zur Sicherung der Personal(Alters-)struktur des ganzen Betriebs. Die Berufung
auf § 1 III 2 KSchG kann sich nur dann rechtfertigen, wenn der Schwellenwert des § 17 KSchG (bzw. die Grenzen des § 112 a BetrVG) für eine
anzeigepflichtige Massenentlassung bezogen auf den Gesamtbetrieb zumindest annähernd erreicht ist (LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 10.04.2008 - 11
Sa 80/07, ZInsO 2008, 1280).
Ein Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis wegen langandauernder Erkrankung gekündigt worden ist, kann die negative Gesundheitsprognose des
Arbeitgebers nur erschüttern, wenn er darlegt, auf Grund welcher Tatsachen nunmehr, trotz weiter bestehender Arbeitsunfähigkeit, mit einer Wiederherstellung
der Arbeitsfähigkeit zu rechnen ist. Es reicht nicht aus, wenn er die Namen seiner Ärzte benennt und sie von der Schweigepflicht befreit. Macht der
Arbeitnehmer geltend, er sei wegen einer Mobbingsituation im Betrieb erkrankt, kann dies nur berücksichtigt werden, wenn er im Detail angibt, auf welche
Weise und von wem das Mobbing ausgeht. Das Schlagwort "Mobbing" alleine genügt nicht (LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 11.03.2008 - 2 Sa 11/08,
NZA-RR 2008, 518).
Spricht der Arbeitgeber unter demselben Datum auf Grund desselben Sachverhalts in zwei getrennten Schreiben eine Tat- und eine Verdachtskündigung aus, so
erfasst die gegen die Tatkündigung gerichtete Kündigungsschutzklage auch die Verdachtskündigung (LAG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 05.03.2008 - 6
Ta 443/08, NZA-RR 2008, 468).
Allein die Zusammenlegung der bisherigen Kliniken für Orthopädie und Unfallchirurgie zu einem einheitlichen unfallchirurgisch-orthopädischen Zentrum mit
einem Zentrumsleiter führt nicht zum Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit für einen der beiden bisher tätigen Chefärzte. Der Arbeitgeber muss im
Kündigungsschutzprozess insbesondere darlegen, in welchem Umfang die bisher vom Arbeitgeber ausgeübten Tätigkeiten zukünftig im Vergleich zum
bisherigen Zustand anfallen. Er muss aufgrund seiner unternehmerischen Vorgaben die zukünftige Entwicklung der Arbeitsmenge anhand einer näher
konkretisierten Prognose darstellen und angeben, wie die anfallenden Arbeiten vom verbliebenen Personal ohne überobligationsmäßige Leistungen erledigt
werden können. Für eine ordnungsgemäßige Anhörung des Betriebsrates ist dessen Information erforderlich, aufgrund welcher zu erwartenden Fallzahlen in
dem neu zu gründenden Zentrum mit welchem Personal und welcher Aufgabenverteilung künftig welche Aufgaben erledigt werden können und sollen.
Zumindest muss der Arbeitgeber dem Betriebsrat mitteilen, von welchen Fallzahlen er ausgeht und wie viel Personal mit welchen Aufgaben beschäftigt werden
soll (LAG Sachsen, Urteil vom 07.02.2008 - 8 Sa 147/07).
Die Erhaltung einer ausgewogenen Altersstruktur durch Altersgruppen bei der Sozialauswahl stellt eine Rechtfertigung einer möglichen Benachteiligung wegen
des Alters i. S. von Art. 6 I der Richtlinie 2000/78/EG dar (LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 13.04.2007 - 13 Sa 2208/06).
Eine Kündigung, die der Arbeitgeber wegen Wegfalls der bisherigen Beschäftigungsmöglichkeit erklärt, ist nicht durch ein dringendes betriebliches Erfordernis
"bedingt", wenn der Arbeitgeber die Arbeitnehmerin anderweitig beschäftigen kann. Bei der Prüfung einer anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeit sind auch
die Arbeitsplätze einzubeziehen, auf denen der Arbeitgeber im Zeitpunkt des Auslaufens der Kündigungsfrist dem betrieblichen Weisungsrecht unterstehende
Leiharbeitnehmerinnen einsetzt. Tritt der Arbeitgeber einem dahingehenden Sachvortrag der Arbeitnehmerin mit der Argumentation entgegen, der Einsatz von
Leiharbeitnehmerinnen erfolge jeweils nur kurzfristig und unstet bei einem Ausfall von Stammarbeitnehmerinnen, so obliegt dem Arbeitgeber der Beweis, dass
im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung ein Einsatz von Leiharbeitnehmerinnen über den Kündigungstermin hinaus nicht absehbar war (Beweisführung hier
nicht gelungen; LAG Hamm, Urteil vom 05.03.2007 - 11 Sa 1338/06).
Eine im Rahmen einer verhaltensbedingten ordentlichen Kündigung vorzunehmende Zukunftsprognose (im Rahmen der Prüfung des Grundes an sich) kann
auch dann negativ sein, wenn zwar keine Wiederholungstat nach einer rechtmäßigen Abmahnung vorliegt, sondern eine Ersttat nach einem klaren Hinweis des
Arbeitgebers, dass er ein bestimmtes Fehlverhalten mit einer Kündigung beantworten werde. Umstände in der Person des Arbeitnehmers können im Rahmen
der Prüfung des für eine rechtmäßige Weisung zu beachtenden billigen Ermessens (§§ 106, 6 II GewO) nur berücksichtigt werden, wenn sich der Arbeitnehmer
bei Erteilung der Weisung auf sie beruft; ein Nachschieben solcher persönlicher Umstände ist rechtlich unbeachtlich. Für die Gewichtung des Interesses des
Arbeitgebers an der Auflösung des Arbeitsverhältnisses kommt es auch auf den Umfang der bei Unterlassen einer Kündigung zu befürchtenden Störungen an.
Auch bei nur einmaligem vergangenem Fehlverhalten ist die Prognose wiederholter Verhaltensverletzungen in unbestimmt vielen Fällen zulässig (LAG
Nürnberg, Urteil vom 09.01.2007 - 7 Sa 79/06).
Ergeht im Kündigungsschutzprozess zu Gunsten des Arbeitnehmers in erster Instanz ein obsiegendes Urteil, müssen besondere Umstände
hinzutreten, aus denen sich im Einzelfall ein überwiegendes Interesse des Arbeitgebers ergibt, den Arbeitnehmer nicht zu beschäftigen (BAG
(27.2.1985), NZA 1996, 209 ( zu C II 2c)). Diese "zusätzlichen Umstände" sind solche, die nicht bereits Gegenstand der Prüfung der Rechtmäßigkeit der
Kündigung nach § 626 BGB oder § 1 KSchG sind. Maßgeblich sind vielmehr solche Umstände, die neben den für die Voraussetzung zur Rechtfertigung der
Kündigung vorzutragenden Tatsachen die Interessenlage der Beteiligten prägen. Hierbei sind diejenigen Interessen des Arbeitgebers denjenigen des
Arbeitnehmers gegenüber zu stellen. Diese Gegenüberstellung der Interessen ergab hier, dass - trotz Vorliegens einer unwirksamen Verdachtskündigung (vom
Arbeitgeber behauptetes vorsätzliches Herbeiführen von Verkehrsunfällen mit einem Lkw im öffentlichen Straßenverkehr) dessen Interesse an der
Nichtbeschäftigung das Beschäftigungsinteresse des Arbeitnehmers überwiegt. Zu berücksichtigen ist, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung nicht in den
Räumen des Arbeitgebers, sondern außerhalb dessen Einflussbereich und Kontrolle erbringt. Ferner besteht bei jedem vorsätzlichen Herbeiführen von
Verkehrsunfällen neben der Gefahr für das Vermögen der Bekl. und des kommunalen Versicherers die Gefahr der Verletzung Unbeteiligter (LAG Hessen,
Urteil vom 15.12.2006 - 3 Sa 283/06).
Wird ein Arbeitnehmer auf besonderen Wunsch eines Kunden des Arbeitgebers eingestellt und verzichten die Arbeitsvertragsparteien ausdrücklich auf die
Vereinbarung einer Probezeit, weil der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber auch auf Grund einer früheren Beschäftigung bekannt ist, so kann darin eine
stillschweigende Übereinstimmung liegen, dass der Arbeitnehmer auch in den ersten sechs Monaten nur aus solchen Gründen gekündigt werden darf, die im
Sinne von § 1 KSchG anzuerkennen sind (LAG Köln, Beschluss vom 15.12.2006 - 9 Ta 467/06).
Allein der Rückgang der Schülerzahl und die fehlende Einrichtung einiger Schulklassen für das neue Schuljahr rechtfertigen nicht den Schluss, das
Beschäftigungsbedürfnis sei für eine Lehrkraft mit einem bestimmten Unterrichtsfach entfallen. Maßgeblich kann nur sein, wie viele Stunden im neuen
Schuljahr in dem betreffenden Unterrichtsfach in den verbleibenden Klassen zu unterrichten sind und wie viele Lehrkräfte für diesen Unterricht benötigt
werden. Bei der Berechnung der Gesamtarbeitszeit sind neben den Unterrichtsstunden auch Vor- und Nachbereitungsstunden sowie ggf. auch
Vertretungsstunden zu berücksichtigen (LAG Köln, Urteil vom 12.12.2006 - 9 Sa 1059/06).
Wiederholtes Zuspätkommen berechtigt nach erfolgloser Abmahnung auch dann zur ordentlichen Kündigung, wenn die einzelnen Verspätungen zwar eher
gering sind, aber zu Betriebsablaufstörungen führen (LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 28.11.2006 - 5 Sa 271/06).
Die Schlechtleistung eines Arbeitnehmers, dessen geistige Fähigkeiten beschränkt sind und der nur gleichförmige Routinearbeiten ausführen kann, stellt
keinen Kündigungsgrund dar, wenn Fehler dadurch vermieden werden können, dass der Arbeitnehmer durch andere Mitarbeiter besonders geführt wird. Dies
gilt unabhängig davon, ob die Schlechtleistung auf Gründe in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers zurückzuführen ist (LAG Köln, Urteil vom
17.10.2006 - 9 Sa 370/06).
Der Arbeitgeber darf sich hinsichtlich der tatsächlich zu erbringenden gesetzlichen Unterhaltsverpflichtungen des Arbeitnehmers nicht auf die Angaben in
der Lohnsteuerkarte verlassen, da diese oftmals nicht die tatsächlichen Verhältnisse richtig wiedergeben. Der Arbeitgeber ist daher zur Vermeidung von Fehlern
bei Durchführung der Sozialauswahl gehalten, die vergleichbaren Arbeitnehmer nach bestehenden Unterhaltsverpflichtungen zu befragen (LAG
Rheinland-Pfalz, Urteil vom 12.07.2006 - 10 Sa 121/06).
Die Möglichkeit, bei lang andauernder Erkrankung eines Mitarbeiters gem. § 14 I 2 Nr. 3 TzBfG eine Ersatzkraft auch für einen längeren Zeitraum als zwei
Jahre befristet einzustellen, führt nicht dazu, bei Prüfung der negativen Zukunftsprognose und der betrieblichen Störung auf einen längeren als zweijährigen
Zeitraum ab Ausspruch der Kündigung abzustellen, innerhalb dessen nicht mit einer Rückkehr des erkrankten Mitarbeiters gerechnet werden kann. Die
Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements gem. § 84 II SGB IX ist nicht Wirksamkeitsvoraussetzung für eine krankheitsbedingte
Kündigung (LAG Nürnberg, Urteil vom 21.06.2006 - 4 (9) Sa 933/05, BB 2006, 2362).
Beschließt ein Arbeitgeber, durch Stilllegung einzelner Produktionsanlagen seine Produktionskapazität zu verkleinern, generiert er aber weiterhin Aufträge in
einem Umfang, bei dem von vornherein feststeht, dass er mit der verkleinerten Kapazität nicht bewältigt werden kann, und kommt es dementsprechend nur
wenige Monate nach der Teilstilllegungsentscheidung wiederum zu einer Ausweitung der Produktionskapazität auf mindestens den vorigen Stand, so
spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass der Teilstilllegungsbeschluss nicht auf Dauer angelegt war. Die Kündigung eines Packers, dessen Arbeitsplatz
nicht weggefallen ist, zu Gunsten eines Maschinenbedieners, dessen Arbeitsplatz eingespart wurde, kann nicht mit der Begründung gerechtfertigt werden, dass
an Packer-Arbeitsplätzen künftig nur noch Personen beschäftigt werden sollen, die auch in der Lage sind, Maschinen zu bedienen, wenn der betroffene Packer i.
S. von § 1 III KSchG sozial schutzwürdiger und überdies in der Lage ist, die Qualifikation eines Maschinenbedieners in zumutbarer Zeit zu erlernen (LAG
Köln, Urteil vom 22.02.2006 - 7 Sa 1314/05, NZA-RR 2006, 523).
Eine Sozialauswahl kann dann „grob fehlerhaft" i. S. des § 1 V 2 KSchG sein, wenn nach dem vom (beklagten) Arbeitgeber verwendeten Punktesystem der
gekündigte Arbeitnehmer (Kl.) 62 Punkte erreicht, - wohingegen ein vergleichbarer Arbeitnehmer, dem nicht gekündigt wurde, nur 52 Punkte aufweist (LAG
Rheinland-Pfalz, Urteil vom 22.02.2006 - 9 Sa 918/05, NZA-RR 2006, 413).
§ 1 V KSchG ist verfassungsgemäß. Die Vermutung des § 1 V KSchG bezieht sich auch auf die anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit in einem anderen
Betrieb desselben Unternehmens. Wenn auch die Betriebsratsanhörung nach § 102 BetrVG beim Vorliegen eines Interessenausgleichs mit Namensliste keinen
erleichterten Anforderungen unterliegt, so bedarf es bei Einleitung des Anhörungsverfahrens keiner weiteren Darlegung der Kündigungsgründe durch den
Arbeitgeber, wenn der Betriebsrat bereits auf Grund der Interessenausgleichsverhandlungen über die erforderlichen Kenntnisse für eine sachgerechte
Stellungnahme zu den konkret beabsichtigten Kündigungen verfügt (LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 02.02.2006 - 1 Sa 673/05, MDR 2006, 1054).
***
Auch während des infolge Elternzeit bestehenden Ruhens des Arbeitsverhältnisses unterliegt der Arbeitgeber der gesetzlichen Verpflichtung, die in Elternzeit
befindliche Arbeitnehmerin gem. § 81 IV BetrVG über die auf Grund einer Planung zu Arbeitsabläufen vorgesehenen Maßnahmen und deren
arbeitsplatzbezogenen Auswirkungen zu unterrichten bzw. Anpassungsmaßnahmen zu erörtern. Verletzt der Arbeitgeber diese Verpflichtung, kann er sich im
Falle einer gegenüber nach Beendigung der Elternzeit zurückkehrenden Arbeitnehmerin ausgesprochenen betriebsbedingten Kündigung nicht darauf berufen,
dass andere vergleichbare Arbeitnehmer sich während der elternzeitabhängigen Abwesenheit dieser Arbeitnehmerin durch betrieblich organisierte
Schulungsmaßnahmen weiter qualifiziert hätten und daher als so genannte Leistungsträger gem. § 1 III KSchG aus der Sozialauswahl herausgenommen werden
können. Eine gleichwohl ausgesprochene betriebsbedingte Kündigung der aus der Elternzeit zurückkehrenden Arbeitnehmerin stellt auch eine unzulässige
Maßregelung i.S. des § 612 a BGB dar (ArbG Bochum, Urteil vom 20.04.2006 - 4 Ca 3329/05, NZA-RR 2006, 643).
§ 1a Abfindungsanspruch bei betriebsbedingter Kündigung
(1) Kündigt der Arbeitgeber wegen dringender betrieblicher Erfordernisse nach § 1 Abs. 2 Satz 1 und erhebt der Arbeitnehmer bis zum Ablauf der Frist des § 4
Satz 1 keine Klage auf Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, hat der Arbeitnehmer mit dem Ablauf der
Kündigungsfrist Anspruch auf eine Abfindung. Der Anspruch setzt den Hinweis des Arbeitgebers in der Kündigungserklärung voraus, dass die Kündigung auf
dringende betriebliche Erfordernisse gestützt ist und der Arbeitnehmer bei Verstreichenlassen der Klagefrist die Abfindung beanspruchen kann.
(2) Die Höhe der Abfindung beträgt 0,5 Monatsverdienste für jedes Jahr des Bestehens des Arbeitsverhältnisses. § 10 Abs. 3 gilt entsprechend. Bei der
Ermittlung der Dauer des Arbeitsverhältnisses ist ein Zeitraum von mehr als sechs Monaten auf ein volles Jahr aufzurunden.
Leitsätze:
Arbeitnehmer können von Sozialplanleistungen ausgenommen werden, wenn sie wegen des Bezugs einer befristeten vollen Erwerbsminderungsrente nicht
beschäftigt sind und mit der Wiederherstellung ihrer Arbeitsfähigkeit auch nicht zu rechnen ist (BAG, Urteil vom 07.06.2011 - 1 AZR 34/10).
***
„... I. Ein Anspruch des Klägers auf Zahlung von 5. 228, 84 Euro brutto als weitere Abfindung folgt nicht aus § 2 Ziff. 1, § 7 Ziff. 2 SchutzTV iVm. § 2 Ziff. 1
TV Soziale Sicherung. Zwar besteht kein Streit darüber, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung des Departments of the Army vom 28. März 2007 aus
den in § 2 Ziff. 1 TV Soziale Sicherung genannten Gründen zum 31. Oktober 2007 beendet worden ist. Unstreitig ist auch, dass die anderen in § 7 Ziff. 2
SchutzTV genannten Voraussetzungen für den Anspruch auf eine einmalige Abfindung iHv. zwei Monatsbeträgen des letzten regelmäßigen Arbeitsverdienstes
erfüllt sind. Die Parteien streiten nur darüber, ob der Ausschlusstatbestand in § 7 Ziff. 7 SchutzTV den Anspruch des Klägers auf die in § 7 Ziff. 2 SchutzTV
vorgesehene Abfindung hindert. Dies ist entgegen der Ansicht des Klägers der Fall.
II. § 7 Ziff. 7 SchutzTV regelt, dass auf die Abfindungszahlung kein Anspruch besteht, wenn dem Arbeitnehmer durch Urteil oder Vergleich eine Abfindung
wegen der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses zugesprochen worden ist.
1. Die Vorschrift enthält damit ihrem Wortlaut nach keine Auffangregel, nach der alle Abfindungen, die dem Arbeitnehmer aus einem anderen Rechtsgrund
zustehen, den Anspruch auf die tarifliche Abfindung ausschließen. Vielmehr haben die Tarifvertragsparteien des SchutzTV durch die Nennung konkreter
Rechtsgrundlagen für die Abfindung die Ausschließungsgründe bestimmt und abschließend festgelegt, dass die tarifliche Abfindungszahlung nicht zusteht,
wenn dem Arbeitnehmer durch Urteil oder Vergleich eine Abfindung wegen der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses zugesprochen worden ist.
2. Der Wortlaut des § 7 Ziff. 7 SchutzTV würde aber nur dann zu der Annahme zwingen, dass die in § 7 Ziff. 2 SchutzTV vorgesehene Abfindung zusätzlich zu
der nach § 1a KSchG zustehenden Abfindung zu zahlen ist, wenn die Tarifvertragsparteien des SchutzTV die Ausschließungsgründe für den
Abfindungsanspruch in Kenntnis der in § 1a KSchG getroffenen Regelung festgelegt und bewusst von einer Aufnahme der in § 1a KSchG vorgesehenen
Abfindung in den Katalog der Ausschließungsgründe abgesehen hätten. Dies ist jedoch nicht der Fall. § 1a KSchG ist erst am 1. Januar 2004 in Kraft getreten.
Die in dieser Vorschrift getroffene Regelung war für die Tarifvertragsparteien bei Abschluss des SchutzTV am 2. Juli 1997 auch nicht absehbar.
3. Allerdings rechtfertigt die fehlende Kenntnis bzw. Absehbarkeit der in § 1a KSchG getroffenen Regelung bei Abschluss des SchutzTV allein noch nicht den
Schluss, dass die Tarifvertragsparteien des SchutzTV vereinbart hätten, dass eine Abfindung nach § 1a KSchG den Anspruch auf die tarifliche Abfindung
ausschließt, wenn diese Bestimmung bereits bei Abschluss des SchutzTV gegolten hätte. Tarifvertragliche Regelungen sind einer ergänzenden Auslegung
grundsätzlich nur dann zugänglich, wenn damit kein Eingriff in die durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Tarifautonomie verbunden ist. Eine ergänzende
Auslegung eines Tarifvertrags hat daher außer Betracht zu bleiben, wenn die Tarifvertragsparteien eine regelungsbedürftige Frage bewusst ungeregelt lassen
und diese Entscheidung höherrangigem Recht nicht widerspricht. Voraussetzung einer ergänzenden Auslegung ist, dass entweder eine unbewusste
Regelungslücke vorliegt (Senat 20. Mai 1999 - 6 AZR 451/97 - BAGE 91, 358) oder eine Regelung nachträglich lückenhaft geworden ist (BAG 3. November
1998 - 3 AZR 432/97 - AP BetrAVG § 1 Gleichbehandlung Nr. 41 = EzA TVG § 1 Auslegung Nr. 31). In einem solchen Fall haben die Gerichte für
Arbeitssachen grundsätzlich die Möglichkeit und die Pflicht, eine Tariflücke zu schließen, wenn sich unter Berücksichtigung von Treu und Glauben
ausreichende Anhaltspunkte für den mutmaßlichen Willen der Tarifvertragsparteien ergeben (BAG 27. April 2004 - 9 AZR 18/03 - BAGE 110, 208, 216). Auch
haben die Tarifvertragsparteien in eigener Verantwortung darüber zu befinden, ob sie eine von ihnen geschaffene Ordnung beibehalten oder ändern. Solange sie
daran festhalten, hat sich eine ergänzende Auslegung an dem bestehenden System und dessen Konzeption zu orientieren (vgl. Senat 23. November 2006 - 6
AZR 365/06 - Rn. 20, ZTR 2007, 365; 29. April 2004 - 6 AZR 101/03 - BAGE 110, 277, 284; BAG 21. Juni 2000 - 4 AZR 931/98 - AP BAT 1975 §§ 22, 23
Nr. 276 = EzBAT BAT §§ 22, 23 A. Allgemein-Lückenausfüllung Nr. 1; 21. März 1991 - 2 AZR 323/84 (A) - BAGE 67, 342). Diese Möglichkeit scheidet erst
aus, wenn den Tarifvertragsparteien ein Spielraum zur Lückenschließung bleibt und es ihnen wegen der verfassungsrechtlich geschützten Tarifautonomie
überlassen bleiben muss, die von ihnen für angemessen gehaltene Regelung selbst zu finden (vgl. Senat 29. April 2004 - 6 AZR 101/03 - aaO; 20. Mai 1999 - 6
AZR 451/97 - BAGE 91, 358, 367). Als Mittel der Lückenschließung kommen - wie bei Gesetzen - Analogie, Umkehrschluss und teleologische Reduktion in
Betracht (Wiedemann/Wank 7. Aufl. § 1 TVG Rn. 1040 mwN).
4. Daran gemessen gibt es hinreichend klare Anhaltspunkte dafür, dass die Tarifvertragsparteien des SchutzTV bei einem Anspruch des Arbeitnehmers auf
Abfindung nach § 1a KSchG den tariflichen Abfindungsanspruch ausgeschlossen hätten, wenn die in dieser Vorschrift getroffene Abfindungsregelung bereits
bei Abschluss des SchutzTV gegolten hätte oder absehbar gewesen wäre. Für diesen mutmaßlichen Willen der Tarifvertragsparteien spricht, dass sich der
Zweck und die Ausgestaltung der Abfindung, die einem Arbeitnehmer nach § 1a KSchG zusteht, in aller Regel nicht wesentlich von dem Zweck und der
Ausgestaltung einer von den Arbeitsvertragsparteien in einem Vergleich vereinbarten Abfindung unterscheidet.
a) Nach der Legaldefinition in § 779 Abs. 1 BGB ist ein Vergleich ein Vertrag, durch den der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein
Rechtsverhältnis im Wege gegenseitigen Nachgebens beseitigt wird. Kündigt ein Arbeitgeber im Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes ein
Arbeitsverhältnis aus betriebsbedingten Gründen, ist der Arbeitnehmer, wenn er die Kündigung für unwirksam hält oder an deren Wirksamkeit jedenfalls
zweifelt, in der Praxis regelmäßig nur dann bereit, die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch die Kündigung anzuerkennen, wenn ihm der Arbeitgeber im
Wege eines Vergleichs für den Verlust des Arbeitsplatzes eine Abfindung zusagt. Die Höhe der in einem Abfindungsvergleich zugesagten Abfindung wird
häufig nach einer sog. "Faustformel" unter Zugrundelegung des Monatsverdienstes des Arbeitnehmers und der Anzahl der Beschäftigungsjahre, gegebenenfalls
unter Berücksichtigung weiterer Umstände, wie zB Prozessrisiken, ermittelt (vgl. MüArbR/Berkowsky 3. Aufl. § 129 Rn. 17). Eine von den
Arbeitsvertragsparteien in einem Abfindungsvergleich vereinbarte Abfindung bezweckt damit einerseits die Vermeidung des Risikos für den Arbeitgeber, dass
sich die Kündigung in einem Kündigungsschutzprozess als unwirksam erweisen könnte. Andererseits soll die Abfindung die mit dem Verlust des
Arbeitsplatzes für den Arbeitnehmer verbundenen wirtschaftlichen Nachteile ausgleichen oder jedenfalls abmildern (vgl. zu diesen Funktionen einer
individualrechtlichen Abfindung BAG 31. Mai 2005 - 1 AZR 254/04 - BAGE 115, 68, 74). Nach Erklärung einer Kündigung durch den Arbeitgeber sind
Abfindungsvergleiche zur Vermeidung oder Beendigung eines Kündigungsrechtsstreits zulässig. Dem Arbeitnehmer bleibt die freie Entscheidung, ob er sein
Klagerecht (weiter) verfolgt oder für die Nichtwahrnehmung dieser Möglichkeit als Gegenleistung des Arbeitgebers eine Abfindung erhält (BAG 6. Dezember
2006 - 4 AZR 798/05 - Rn. 33, BAGE 120, 281).
b) Die in § 1a KSchG geregelte Abfindung entspricht ihrem Charakter nach einer einzelvertraglich zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer für die Hinnahme
der Kündigung vereinbarten Abfindung (BAG 31. Mai 2005 - 1 AZR 254/04 - BAGE 115, 68, 74).
aa) Dafür ist zunächst der Normzweck maßgebend. Mit der Regelung in § 1a KSchG wollte der Gesetzgeber eine "einfach zu handhabende, moderne und
unbürokratische Alternative zum Kündigungsschutzprozess" schaffen (vgl. BT-Drucks. 15/1204 S. 12). Die formalisierten Voraussetzungen für den
Abfindungsanspruch und die gesetzlich festgelegte Höhe der Abfindung sollen es den Arbeitsvertragsparteien erleichtern, die Beendigung des
Arbeitsverhältnisses nach arbeitgeberseitiger betriebsbedingter Kündigung außergerichtlich kostengünstig zu klären. Mit der Einfügung des am 1. Januar 2004
in Kraft getretenen § 1a in das Kündigungsschutzgesetz durch Art. 1 des Gesetzes zu Reformen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003 (BGBl. I S. 3002)
war die Erwartung verbunden, dass Arbeitgeber bereit sein würden, die gesetzlich vorgegebene Abfindungssumme zu zahlen, wenn sie Risiken und Kosten
eines Kündigungsschutzprozesses in Betracht zögen, und Arbeitnehmer, die an ihrem Arbeitsverhältnis nicht zwingend festhalten wollen, die Kündigung ihres
Arbeitsverhältnisses akzeptieren würden, wenn sie den im Gesetz vorgesehenen Abfindungsbetrag erhielten (vgl. BT-Drucks. 15/1204 S. 12). Damit verfolgen
die in § 1a KSchG geregelte und die in einem Vergleich der Arbeitsvertragsparteien vereinbarte Abfindung denselben Zweck. Beide Abfindungen dienen der
Vermeidung der für den Arbeitgeber mit einem Kündigungsrechtsstreit verbundenen Risiken und dem Ausgleich oder der Abmilderung der für den
Arbeitnehmer mit dem Verlust des Arbeitsplatzes verbundenen wirtschaftlichen Nachteile.
bb) Auch bezüglich der Ausgestaltung der in § 1a KSchG geregelten und der in einem Vergleich der Arbeitsvertragsparteien vereinbarten Abfindung bestehen
keine Unterschiede solcher Art und von solchem Gewicht, dass sie der Annahme entgegenstehen, die Tarifvertragsparteien des SchutzTV hätten bei einem
Anspruch des Arbeitnehmers auf Abfindung nach § 1a KSchG den tariflichen Abfindungsanspruch ausgeschlossen, wenn die in dieser Vorschrift getroffene
Abfindungsregelung bereits bei Abschluss des SchutzTV gegolten hätte oder absehbar gewesen wäre. Allerdings muss eine in einem Abfindungsvergleich
vereinbarte Abfindung anders als die nach § 1a KSchG zustehende Abfindung nicht mindestens 0, 5 Monatsverdienste für jedes Jahr des Bestehens des
Arbeitsverhältnisses betragen. Den Arbeitsvertragsparteien steht es frei, in einem Vergleich auch einen höheren oder niedrigeren Abfindungsbetrag zu
vereinbaren. Dieser Unterschied hindert eine Gleichstellung beider Abfindungen in Bezug auf den Ausschluss des tariflichen Abfindungsanspruchs jedoch
nicht. Denn § 7 Ziff. 7 SchutzTV knüpft den Ausschluss des tariflichen Abfindungsanspruchs nicht an eine bestimmte Mindesthöhe der in einem Vergleich
vereinbarten Abfindung. § 1a KSchG schließt von dieser Vorschrift abweichende Abfindungsvereinbarungen der Arbeitsvertragsparteien im Zusammenhang
mit einer betriebsbedingten Kündigung auch nicht aus. Der Arbeitgeber kann einen Hinweis nach § 1a Abs. 1 Satz 2 KSchG unterlassen und dem Arbeitnehmer
stattdessen einen beliebigen, auch niedrigeren Betrag als Abfindung für den Fall anbieten, dass er keine Kündigungsschutzklage erhebt (BAG 19. Juni 2007 - 1
AZR 340/06 - Rn. 18 mwN, BAGE 123, 121). Wenn aber auch ein Abfindungsvergleich, der zB eine Abfindung iHv. 0, 25 Monatsverdiensten für jedes Jahr
des Bestehens des Arbeitsverhältnisses vorsieht, nach dem Willen der Tarifvertragsparteien des SchutzTV den tariflichen Abfindungsanspruch ausschließt, ist
anzunehmen, dass dies erst recht bei einer höheren Abfindung wie der in § 1a KSchG geregelten Abfindung der Fall sein soll.
c) Für das Verständnis, dass die in § 1a KSchG geregelte Abfindung ihrem Charakter nach einer einzelvertraglich zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer für
die Hinnahme der Kündigung vereinbarten Abfindung entspricht, ist der Streit im Schrifttum über die Rechtsnatur des Abfindungsanspruchs nach § 1a KSchG
ohne Bedeutung (vgl. dazu die Nachweise im Urteil des Ersten Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 19. Juni 2007 - 1 AZR 340/06 - Rn. 24, BAGE 123, 121
und in KR/Spilger 9. Aufl. § 1a KSchG Rn. 34 ff.). Ob der Anspruch auf Abfindung nach § 1a KSchG durch zweiseitiges Rechtsgeschäft aufgrund eines vom
Arbeitnehmer durch Verstreichenlassen der Klagefrist konkludent angenommenen Angebots des Arbeitgebers zustande kommt (vgl. v. Hoyningen-Huene/Linck
KSchG 14. Aufl. § 1a Rn. 8) oder durch einseitiges Rechtsgeschäft aufgrund einer entsprechenden Willenserklärung des Arbeitgebers, zu der das
Verstreichenlassen der Klagefrist als rein tatsächlicher Umstand hinzutritt (vgl. ErfK/Oetker 10. Aufl. § 1a KSchG Rn. 8 und 13), begründet wird oder ob es
sich um einen gesetzlichen Abfindungsanspruch handelt (vgl. KR/Spilger aaO; HWK/Quecke 4. Aufl. § 1a KSchG Rn. 5), wovon die Gesetzesbegründung
ausgeht (vgl. BT-Drucks. 15/1204 S. 12), kann deshalb unentschieden bleiben. Maßgebend sind vielmehr die gemeinsame Befriedungsfunktion der in § 1a
KSchG geregelten und der in einem Vergleich der Arbeitsvertragsparteien vereinbarten Abfindung sowie der Umstand, dass es den Arbeitsvertragsparteien
nicht nur frei steht, einen Abfindungsvergleich zu schließen, sondern auch, ob sie sich auf die Abfindungsregelung in § 1a KSchG einlassen. Auch dann, wenn
keine rechtsgeschäftlichen Erklärungen des Arbeitgebers und des Arbeitnehmers angenommen werden, sondern der in § 1a KSchG geregelte
Abfindungsanspruch als gesetzlicher Abfindungsanspruch verstanden wird, steht es doch im Belieben des Arbeitgebers, ob er den in § 1a Abs. 1 Satz 2 KSchG
vorgesehenen Hinweis erteilt. Ebenso ist der Arbeitnehmer bei einem solchen Hinweis des Arbeitgebers nicht gehindert, innerhalb der dreiwöchigen Frist des §
4 Satz 1 KSchG Klage zu erheben. Weist der Arbeitgeber den Arbeitnehmer gemäß § 1a Abs. 1 Satz 2 KSchG darauf hin, dass er bei Verstreichen der
Klagefrist die Abfindung beanspruchen kann, und hält der Arbeitnehmer die ihm bei Hinnahme der Kündigung zustehende Abfindung für angemessen, besteht
keine Notwendigkeit für Verhandlungen. Deshalb trägt das Argument des Klägers nicht, Abfindungszahlungen gemäß einem Vergleich oder Urteil gingen im
Gegensatz zu einer Abfindungszahlung nach § 1a KSchG Verhandlungen der Arbeitsvertragsparteien voraus.
5. Auch der Hinweis des Klägers, der tarifliche Abfindungsanspruch würde nach § 7 Ziff. 7 SchutzTV nicht durch in einem Sozialplan oder in einer
vergleichbaren Vereinbarung zwischen einem Arbeitgeber und einer Betriebsvertretung geregelte Abfindungen ausgeschlossen, hilft ihm nicht weiter. Anders
als bei einer in einem Abfindungsvergleich vereinbarten oder der in § 1a KSchG vorgesehenen Abfindung steht es zwar bei einer Sozialplanabfindung nicht im
Belieben des Arbeitgebers, ob er sich auf diese einlässt. Vielmehr begründet die Betriebsänderung einen - erforderlichenfalls über die Einigungsstelle
erzwingbaren - Anspruch des Betriebsrats auf einen Sozialplan. Auch geht ein Sozialplan, der für den Verlust der Arbeitsplätze Abfindungen vorsieht, anders
als die Abfindungsregelung in § 1a KSchG von der Wirksamkeit der Kündigungen aus (BAG 31. Mai 2005 - 1 AZR 254/04 - BAGE 115, 68, 74). Jedoch
handelte es sich bei der dem Kläger im Kündigungsschreiben in Aussicht gestellten und ihm unter Berücksichtigung einer Tariflohnerhöhung gezahlten
Abfindung iHv. 44. 445, 35 Euro brutto auch dann nicht um eine Sozialplanabfindung oder eine einer solchen gleichstehende Abfindung, wenn die Hinweise
gemäß § 1a Abs. 1 Satz 2 KSchG in den Kündigungsschreiben "auf Druck" der Betriebsvertretung erteilt worden sein sollten, wie dies der Kläger behauptet hat.
Maßgebend ist, dass der Hinweis des Departments of the Army im Kündigungsschreiben, der Kläger erhalte bei Verstreichenlassen der Kündigungsfrist die in §
1a KSchG vorgesehene Abfindung, für den Kläger ein Anreiz sein sollte, keine Kündigungsschutzklage zu erheben. Im Gegensatz zu einer Sozialplanabfindung
bezweckte die vom Departement of the Army in Aussicht gestellte Abfindung damit nicht nur den Ausgleich bzw. die Abmilderung der für den Kläger mit dem
Verlust des Arbeitsplatzes verbundenen wirtschaftlichen Nachteile, sondern vor allem auch die Vermeidung der für das Department of the Army mit einem
Kündigungsrechtsstreit verbundenen Risiken.
6. Ohne Erfolg macht der Kläger geltend, bei der Regelung in § 7 Ziff. 7 SchutzTV handle es sich um eine eng auszulegende Ausnahmebestimmung.
a) § 7 Ziff. 7 SchutzTV bestimmt, unter welchen Voraussetzungen die tarifliche Abfindung nicht zustehen soll. Liegt eine der genannten Voraussetzungen vor,
ist ein Ausschlusstatbestand für den Anspruch auf die tarifliche Abfindung erfüllt. Die Tarifvorschrift legt damit negative Anspruchsvoraussetzungen fest. Für
die Frage einer ergänzenden Tarifauslegung ist unerheblich, ob eine Regelung mit positiven oder negativen Anspruchsvoraussetzungen nachträglich lückenhaft
geworden ist. Das in der Regelung Angelegte kann in beiden Fällen zur Lückenschließung weitergedacht werden, wenn die Voraussetzungen einer ergänzenden
Tarifauslegung erfüllt sind und das Auslegungsergebnis dem mutmaßlichen Willen der Tarifvertragsparteien entspricht.
b) Aber auch dann, wenn die Regelung in § 7 Ziff. 7 SchutzTV gemäß der Rechtsauffassung des Klägers als Ausnahmeregelung verstanden würde, wären die
aufgrund der nachträglich entstandenen Tariflücke gebotene ergänzende Tarifauslegung und die Gleichstellung der in § 1a KSchG vorgesehenen Abfindung mit
einer in einem Abfindungsvergleich vereinbarten Abfindung nicht ausgeschlossen. Wie bei Gesetzen kommt bei Tarifverträgen als Mittel der Schließung einer
Regelungslücke neben dem Umkehrschluss und der teleologischen Reduktion auch die Analogie in Betracht (Wiedemann/Wank 7. Aufl. § 1 TVG Rn. 1040).
Gegen eine Lückenschließung im Wege einer Analogie kann nicht von vornherein eingewandt werden, es handele sich bei der tariflichen Regelung um eine eng
auszulegende Ausnahmevorschrift, die einer Analogie nicht zugänglich sei. In der juristischen Methodenlehre ist heute anerkannt, dass der Satz,
Ausnahmevorschriften seien eng auszulegen und nicht analogiefähig, so nicht zutreffend ist (BAG 22. Juli 2008 - 3 AZB 26/08 - Rn. 8 mwN, BAGE 127, 173).
Auch Ausnahmevorschriften sind vielmehr in den Grenzen ihres Sinnes und Zweckes der Analogie fähig (Senat 18. November 2004 - 6 AZR 651/03 - BAGE
112, 351, 358).
7. Schließlich überzeugt auch das Argument des Klägers nicht, die Höhe der tariflichen Abfindung, die nur zwei Monatsbeträge des letzten regelmäßigen
Arbeitsverdienstes ausmache, stehe der Annahme eines Abfindungsausschlusses in entsprechender Anwendung von § 7 Ziff. 7 SchutzTV entgegen. Gegen
diese Erwägung spricht bereits der Umstand, dass die Tarifvertragsparteien den Ausschluss des Anspruchs auf die tarifliche Abfindung nicht daran gebunden
haben, dass die im Vergleich vereinbarte oder durch Urteil zugesprochene Abfindung eine bestimmte Mindesthöhe erreicht. Bei wortlautgetreuem Verständnis
stünde die tarifliche Abfindung nach § 7 Ziff. 7 SchutzTV selbst dann nicht zu, wenn die im Vergleich vereinbarte oder durch Urteil zugesprochene Abfindung
niedriger ist als die tariflich vorgesehene. Hinzu kommt, dass Arbeitnehmer, denen eine Abfindungszahlung nach § 7 Ziff. 2 SchutzTV zusteht, regelmäßig
auch Anspruch auf Leistungen nach dem TV Soziale Sicherung, insbesondere auf Überbrückungsgeld, haben. ..." (BAG, Urteil vom 16.12.2010 - 6 AZR 423/09).
***
„.. Der Kläger war bei der Beklagten seit 2001 zu einem Gehalt von 1. 396, 46 Euro brutto monatlich beschäftigt. Mit Schreiben vom 19. Juni 2006 kündigte
die Beklagte das Arbeitsverhältnis ordentlich aus betriebsbedingten Gründen zum 31. Dezember 2006. Im Kündigungsschreiben heißt es ua.:
"Bei Verstreichen der dreiwöchigen Klagefrist können Sie eine Abfindung beanspruchen. Die Höhe der Abfindung beträgt 0, 5 Monatsverdienste für jedes Jahr
des Bestehens des Arbeitsverhältnisses (Zeiträume von mehr als sechs Monaten werden auf ein Jahr aufgerundet). Nach unserer Berechnung ergibt sich daher
ein Abfindungsanspruch in Höhe von EUR 3. 424, 68. Für den Fall eines Kündigungsschutzverfahrens bleibt dieses Abfindungsangebot nicht aufrecht erhalten."
Das Kündigungsschreiben ging dem Kläger am 29. Juni 2006 zu. Am 7. August 2006 erhob er Kündigungsschutzklage. Er gab in der Klageschrift an, die
Kündigung sei ihm erst am 17. Juli 2006 zugegangen; das Angebot einer Abfindung in der angebotenen Höhe lehne er ab. Am 21. August 2006 nahm der
Kläger die Klage zurück.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ihm stehe ein Abfindungsanspruch nach § 1a KSchG zu. Der Anspruch setze lediglich das Verstreichenlassen der
dreiwöchigen Klagefrist des § 4 KSchG voraus. Wenn - wie hier - später Klage erhoben werde, stehe das dem Abfindungsanspruch nicht entgegen. Es komme
auch nicht darauf an, dass er zunächst davon ausgegangen sei, rechtzeitig Klage erhoben zu haben.
Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn eine Abfindung in Höhe von 3. 424, 68 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über
dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1. Januar 2007 zu zahlen. Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, jedwede
Klageerhebung schließe den Anspruch nach § 1a KSchG aus. Im Übrigen habe der Kläger zunächst erklärt, die Kündigung sei ihm erst am 17. Juli 2006
zugegangen. Er habe daher von seinen eigenen Angaben ausgehend innerhalb der Drei-Wochen-Frist Klage erhoben. ...
I. Nach § 1a Abs. 1 Satz 1 KSchG hat der Arbeitnehmer Anspruch auf eine Abfindung, wenn der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis wegen dringender
betrieblicher Erfordernisse nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG gekündigt hat und der Arbeitnehmer bis zum Ablauf der Frist des § 4 Satz 1 KSchG keine Klage auf
Feststellung erhebt, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist. Nach § 1a Abs. 1 Satz 2 KSchG setzt der Anspruch weiter den Hinweis
des Arbeitgebers in der Kündigungserklärung voraus, dass die Kündigung auf dringende betriebliche Gründe gestützt ist und der Arbeitnehmer bei
Verstreichenlassen der Klagefrist die Abfindung beanspruchen kann.
1. Der Abfindungsanspruch nach § 1a Abs. 1 KSchG entsteht nach dem Wortlaut der Regelung nicht, wenn der Arbeitnehmer die Kündigung mit einer Klage
angreift. Die gesetzliche Regelung will gerichtliche Auseinandersetzungen der Arbeitsvertragsparteien vermeiden und den Parteien eine einfache, effiziente und
kostengünstige außergerichtliche Möglichkeit zu einem angemessenen Interessenausgleich zur Verfügung stellen. Diesem Zweck entspricht es, einem
Arbeitnehmer die Abfindung zu versagen, wenn er eine gerichtliche Auseinandersetzung eingeleitet hat. Das gilt auch für eine nach Ablauf der dreiwöchigen
Klagefrist eingereichte (Kündigungsschutz-) Klage und einen Antrag des Arbeitnehmers auf nachträgliche Klagezulassung nach § 5 KSchG (Senat 13.
Dezember 2007 - 2 AZR 971/06 - Rn. 46 mwN, AP KSchG 1969 § 1a Nr. 7 = EzA KSchG § 1a Nr. 5). Zwar regelt § 1a Abs. 1 KSchG diesen Fall nicht
ausdrücklich. Aus dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung folgt aber, dass ein Anspruch nach § 1a Abs. 1 KSchG mit der Antragstellung auf
nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage entfällt. Der Arbeitgeber sähe sich ansonsten durch den nachträglichen Klagezulassungsantrag nunmehr
doch mit einer gerichtlichen Auseinandersetzung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses konfrontiert, die er gerade mit dem Angebot einer
Abfindungszahlung vermeiden wollte.
2. Durch die Rücknahme der Kündigungsschutzklage können jedenfalls die Voraussetzungen des § 1a Abs. 1 Satz 1 KSchG nicht mehr erfüllt bzw. ihr
Nichtvorliegen bewirkt werden (Senat 13. Dezember 2007 - 2 AZR 971/06 - Rn. 48 mwN, AP KSchG 1969 § 1a Nr. 7 = EzA KSchG § 1a Nr. 5). Daran ändert
auch § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO nichts, wonach der Rechtsstreit als nicht anhängig geworden anzusehen ist, wenn die Klage zurückgenommen wird. Mäße man
dieser gesetzlichen Fiktion die vom Kläger in Anspruch genommene Wirkung zu, so würde das gesetzgeberische Ziel des § 1a KSchG unterlaufen, einen
Abfindungsanspruch bei betriebsbedingter Kündigung nur im Falle der Vermeidung einer gerichtlichen Auseinandersetzung zu begründen. Der Arbeitnehmer
soll gerade nicht zunächst die Entwicklung des Kündigungsschutzprozesses abwarten und die Klage bei sich abzeichnender Erfolglosigkeit zurücknehmen
dürfen, um doch noch in den Genuss der vom Arbeitgeber mit dem Hinweis nach § 1a Abs. 1 Satz 2 KSchG angebotenen Abfindung kommen zu können (Senat
13. Dezember 2007 - 2 AZR 971/06 - Rn. 48 mwN, aaO).
II. Gemessen an diesen Grundsätzen kann die Klage keinen Erfolg haben. Das hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt.
1. Zwar hat die Beklagte dem Kläger eine auf betriebsbedingte Gründe gestützte ordentliche Kündigung erklärt und ihm zugleich angeboten, für den Fall, dass
er die Klagefrist verstreichen lasse, eine Abfindung in der eingeklagten Höhe zu zahlen. Der Kläger hat jedoch die Entstehung des Anspruchs dadurch
verhindert, dass er am 7. August 2006 Kündigungsschutzklage erhoben hat. Darauf, dass er die Klage verspätet erhoben hat, kommt es nach den oben
wiedergegebenen Grundsätzen nicht an. Richtig ist zwar, dass der Kläger die verspätete Klageerhebung nicht mit einem Antrag auf nachträgliche Zulassung der
Kündigungsschutzklage verbunden hat. Insoweit weicht die hier gegebene Fallgestaltung von derjenigen ab, die der Entscheidung des Senats vom 13.
Dezember 2007 (- 2 AZR 971/06 - AP KSchG 1969 § 1a Nr. 7 = EzA KSchG § 1a Nr. 5) zugrunde lag. Indes war der Klageschrift die Auffassung des Klägers
zu entnehmen, die Klagefrist sei gewahrt. Dementsprechend hat er auch das Abfindungsangebot abgelehnt. Er hat damit die Klagefrist nicht "verstreichen
lassen" iSd. § 1a KSchG.
a) Die Frage, ob auch eine nach Fristablauf erhobene Kündigungsschutzklage, die nicht mit einem Antrag auf nachträgliche Zulassung verbunden ist, die
Entstehung des Anspruchs nach § 1a KSchG hindert, wird im Schrifttum - soweit ersichtlich - nur von Spilger (KR/Spilger 9. Aufl. § 1a KSchG Rn. 66)
ausdrücklich angesprochen. Er hält eine nicht fristgerecht erhobene Klage für nicht anspruchsschädlich. Andere Stimmen führen demgegenüber entweder aus,
das "Verstreichenlassen" sei ein Realakt und rein objektiv zu verstehen (APS/Ascheid/Hesse 3. Aufl. § 1a KSchG Rn. 5; ErfK/Oetker 9. Aufl. § 1a KSchG Rn.
13; Bader NZA 2004, 65; Willemsen/Annuß NJW 2004, 177), oder umgekehrt, das "Verstreichenlassen der Frist" bedeute eine stillschweigende Annahme des
vom Arbeitgeber mit der Kündigung verbundenen Vertragsangebots (Löwisch NZA 2003, 689; Bauer/Krieger NZA 2004, 77; Preis DB 2004, 70;
Stahlhacke/Preis 9. Aufl. Rn. 1167g ff.; DFL/Kaiser 2. Aufl. § 1a KSchG Rn. 2); folglich seien die Vorschriften für Willenserklärungen anzuwenden. Jedenfalls
für die Vertreter der erstgenannten Auffassung dürfte es naheliegen, eine nicht fristgerecht - und ohne Antrag auf nachträgliche Zulassung - erhobene Klage als
nicht anspruchsschädlich anzusehen.
b) Die Ansicht, eine verspätete Klageerhebung sei unschädlich, überzeugt nicht. Der hier gegebene Fall muss mit der bereits entschiedenen Konstellation
gleichgestellt werden, in der der Arbeitnehmer die verspätete Klage mit einem Antrag auf nachträgliche Zulassung verbunden hat. Entscheidend ist dabei nicht
die dogmatische Einordnung des "Verstreichenlassens" der Frist, sondern die in § 1a KSchG zum Ausdruck kommende Absicht des Gesetzgebers. Dem
Arbeitgeber soll eine gerichtliche Auseinandersetzung um die Sozialwidrigkeit erspart bleiben. Nur unter dieser Voraussetzung soll dem Arbeitnehmer der
Abfindungsanspruch zustehen. Der Arbeitnehmer, der durch seine Klage zu erkennen gibt, dass er eben dies nicht akzeptiert, entzieht seinem
Abfindungsanspruch die Grundlage. Danach lässt nur derjenige Arbeitnehmer die Klagefrist "verstreichen", der sich nicht durch Klage auf die Sozialwidrigkeit
der Kündigung beruft. Ist, wie der Senat erkannt hat, der Antrag auf nachträgliche Zulassung anspruchsschädlich, kann nichts anderes gelten, wenn der
Arbeitnehmer den Antrag auf nachträgliche Zulassung deswegen nicht stellt, weil er der Auffassung ist, die Klagefrist sei gewahrt. Im einen wie im anderen
Fall beruft sich der Arbeitnehmer aus Sicht des Arbeitgebers auf die Sozialwidrigkeit der Kündigung und akzeptiert die Abfindung nicht.
c) Danach hat der Kläger die Klagefrist des § 4 KSchG nicht "verstreichen lassen". Zwar hat er die Klagefrist objektiv nicht eingehalten. Aus der Begründung
seiner Klage geht jedoch deutlich hervor, dass er die Sozialwidrigkeit der Kündigung geltend machen wollte und bei Klageerhebung den Standpunkt vertrat,
diese sei rechtzeitig erfolgt. Er hat in der Klagebegründung einen Zugangszeitpunkt für die Kündigung benannt, der, wäre er richtig gewesen, die Klagefrist als
eingehalten ausgewiesen hätte. Außerdem hat er das Bestehen von Kündigungsgründen bestritten und ausdrücklich erklärt, mit dem Abfindungsangebot nicht
einverstanden zu sein. Erst nachdem er erkannt hatte, dass seine Klage keine Erfolgsaussichten hatte, hat er das Abfindungsangebot - notgedrungen - annehmen
wollen. Damit ist er in keiner anderen Lage als derjenige Arbeitnehmer, der eine verspätete Klage erhebt und einen Antrag auf nachträgliche Zulassung
zunächst stellt, dann aber die Klage zurücknimmt.
2. Dieser Auffassung kann nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, sie bewirke, dass ein bereits entstandener Anspruch nachträglich entfalle, was dogmatisch
nicht erklärbar sei. Der Anspruch nach § 1a KSchG entsteht nicht mit Ablauf der Klagefrist, sondern erst mit Ablauf der Kündigungsfrist (Senat 10. Mai 2007 -
2 AZR 45/06 - Rn. 17, BAGE 122, 257). Da die Beklagte die Kündigung zum 31. Dezember 2006 erklärt hatte, war der Anspruch bei Klageerhebung am 7.
August 2006 noch nicht entstanden. Darüber, welche Folgen eine erst nach Ablauf der Kündigungsfrist erhobene Klage hätte, war nicht zu entscheiden. ..."
Urteil vom 20. 8. 2009 - 2 AZR 267/08)
***
§ 1 Abs. 5 KSchG findet keine Anwendung auf außerordentliche betriebsbedingte Kündigungen (BAG, Urteil vom 28.05.2009 - 2 AZR 844/07).
***
„... II. Der Klägerin steht auch der hilfsweise geltend gemachte Abfindungsanspruch in Höhe von 17. 385, 04 Euro nicht zu. Die Voraussetzungen des § 1a
KSchG sind nicht erfüllt.
1. Nach § 1a Abs. 1 Satz 1 KSchG hat der Arbeitnehmer Anspruch auf eine Abfindung, wenn der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis wegen dringender
betrieblicher Erfordernisse nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG gekündigt hat und der Arbeitnehmer bis zum Ablauf der Frist des § 4 Satz 1 KSchG keine Klage auf
Feststellung erhebt, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist. Nach § 1a Abs. 1 Satz 2 KSchG setzt der Anspruch weiter den Hinweis
des Arbeitgebers in der Kündigungserklärung voraus, dass die Kündigung auf dringende betriebliche Gründe gestützt ist und der Arbeitnehmer bei
Verstreichenlassen der Klagefrist die Abfindung beanspruchen kann.
2. Das Landesarbeitsgericht hat die Voraussetzungen des § 1a Abs. 1 Satz 1 KSchG mit zutreffender Begründung verneint.
Zwar hat die Beklagte im Kündigungsschreiben vom 30. Juni 2005 unstreitig den nach § 1a Abs. 1 Satz 2 KSchG notwendigen Hinweis gegeben. Entgegen der
Auffassung der Revision ist aber die weitere gesetzliche Voraussetzung, dass die Klägerin keine Klage auf Feststellung iSv. § 1a Abs. 1 Satz 1 KSchG erhoben
hat, nicht erfüllt. Die Klägerin hat gegen diese Kündigung - wenn auch verspätet - Klage erhoben.
Der Abfindungsanspruch nach § 1a Abs. 1 KSchG entsteht nach dem Wortlaut der Regelung, wenn der Arbeitnehmer die Kündigung nicht klageweise angreift.
Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelungen ist es, durch das privatautonom gewährte Abfindungsangebot gerichtliche Auseinandersetzungen der
Arbeitsvertragsparteien zu vermeiden und den Parteien eine einfache, effiziente und kostengünstige außergerichtliche Option zu einem fairen
Interessenausgleich zur Verfügung zu stellen. Diesem Zweck entspricht es, einem Arbeitnehmer die Abfindung zu versagen, wenn er eine gerichtliche
Auseinandersetzung eingeleitet hat (vgl. BT-Drucks. 15/1204 S. 9, 12; vgl. auch Senat 13. Dezember 2007 - 2 AZR 971/06 - AP KSchG 1969 § 1a Nr. 7 = EzA
KSchG § 1a Nr. 5). Dies gilt auch für eine nach Ablauf der dreiwöchigen Klagefrist eingereichte Kündigungsschutzklage und einen Antrag des Arbeitnehmers
auf nachträgliche Klagezulassung nach § 5 KSchG (BAG 13. Dezember 2007 - 2 AZR 971/06 - aaO; Stahlhacke/Preis 9. Aufl. Rn. 1167 f.; ErfK/Oetker 9.
Aufl. § 1a KSchG Rn. 14; v. Hoyningen-Huene/Linck KSchG § 1a Rn. 10; Löwisch NZA 2003, 689, 694; Preis DB 2004, 70, 74; Raab RdA 2005, 1, 9;
Willemsen/Annuß NJW 2004, 177, 182 f.). Zwar regelt § 1a Abs. 1 KSchG diesen Fall nicht ausdrücklich. Aus dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung
folgt aber, dass ein Anspruch nach § 1a Abs. 1 KSchG mit Erhebung einer Kündigungsschutzklage - ggf. auch in Verbindung mit einem nachträglichen
Zulassungsantrag - entfällt. Der Arbeitgeber sähe sich ansonsten durch eine solche Kündigungsschutzklage nunmehr doch mit einer gerichtlichen
Auseinandersetzung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses konfrontiert, die er gerade mit einem Angebot einer Abfindungssumme nach § 1a KSchG
vermeiden wollte (hier zum Ganzen: Senat 13. Dezember 2007 - 2 AZR 971/06 - aaO; Hergenröder/v. Wickede RdA 2008, 364, 371). ..." (BAG, Urteil vom
19.02.2009 - 2 AZR 286/07)
***
Die Regelung des § 1a KSchG etabliert keinen unabdingbaren Mindestanspruch auf eine Abfindung bei Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung. Sie
steht einer Auslegung eines Kündigungsschreibens als eigenständiges, von den Voraussetzungen des § 1a KSchG unabhängiges Abfindungsangebot nicht
entgegen. Die Arbeitsvertragsparteien können deshalb bei einer betriebsbedingten Kündigung eine geringere oder höhere als die vom Gesetz vorgesehene
Abfindung vereinbaren. Ob der Arbeitgeber den Hinweis nach § 1a KSchG erteilt oder ein davon abweichendes Angebot unterbreitet hat, ist durch Auslegung
des Kündigungsschreibens zu ermitteln. Weicht die im Kündigungsschreiben angebotene Abfindung in der Höhe deutlich von dem gesetzlich vorgesehenen
Betrag (hier: nur rund die Hälfte der nach § 1a II 1 KSchG genannten Höhe) ab, so spricht vieles dafür, dass der Arbeitgeber ein vom Gesetz abweichendes,
individuelles (Auflösungs-)Angebot abgegeben hat (BAG, Urteil vom 10.07.2008 - 2 AZR 209/07, NZA 2008, 1292).
Nach § 1a I KSchG setzt der Anspruch auf Zahlung einer Abfindung lediglich voraus, dass die Hinweise auf die zur Rechtfertigung der Kündigung
angezogenen dringenden betrieblichen Erfordernisse und auf das Verstreichenlassen der Klagefrist nach § 4 S. 1 KSchG erfolgen. Die für die Berechnung des
Anspruchs maßgebliche Vorschrift des § 1a II KSchG muss nicht ausdrücklich erwähnt werden. Die Regelung des § 1a KSchG setzt keinen generell
unabdingbaren Mindestabfindungsanspruch bei Ausspruch betriebsbedingter Kündigungen fest. Die Arbeitsvertragsparteien bleiben auch bei betriebsbedingten
Kündigungen frei, eine geringere oder höhere als die vom Gesetz vorgesehene Abfindung zu vereinbaren. Dies schließt die Möglichkeit ein, dass der
Arbeitgeber die Zahlung einer Abfindung von dem ungenutzten Verstreichenlassen der Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage abhängig macht. Die
Frage, ob der Arbeitgeber einen Hinweis nach § 1a KSchG oder ein davon abweichendes Angebot unterbreitet hat, ist durch Auslegung des
Kündigungsschreibens zu ermitteln. Aus dem Kündigungsschreiben muss sich aber der Wille des Arbeitgebers, ein von der gesetzlichen Vorgabe abweichendes
Angebot unterbreiten zu wollen, eindeutig und unmissverständlich ergeben (BAG, Urteil vom 13.12.2007 - 2 AZR 807/06).
Der Abfindungsanspruch nach § 1a I KSchG entsteht nach dem Wortlaut der Norm nicht, wenn der Arbeitnehmer die Kündigung klageweise angreift. Dies gilt
auch für eine nach Ablauf der dreiwöchigen Klagefrist eingereichte (Kündigungsschutz-)Klage und einen Antrag des Arbeitnehmers auf nachträgliche
Klagezulassung nach § 5 KSchG. Durch eine Rücknahme des Antrags auf nachträgliche Klagezulassung und/oder die Rücknahme der Kündigungsschutzklage
können die Voraussetzungen des § 1a I 1 KSchG nicht mehr - nachträglich - erfüllt werden. Macht jemand einem (anwesenden) berechtigten Vertreter eines
(abwesenden) Dritten ein Vertragsangebot, liegt ein Angebot unter Anwesenden vor, das nur sofort angenommen werden kann (§ 147 I 1 BGB). Etwas anderes
gilt nur, wenn vom Antragenden eine Annahmefrist bestimmt worden ist. Der Abfindungsanspruch nach § 1a I KSchG entsteht nach dem Wortlaut der Norm
nicht, wenn der Arbeitnehmer die Kündigung klageweise angreift. Dies gilt auch für eine nach Ablauf der dreiwöchigen Klagefrist eingereichte
(Kündigungsschutz-)Klage und einen Antrag des Arbeitnehmers auf nachträgliche Klagezulassung nach § 5 KSchG. Durch eine Rücknahme des Antrags auf
nachträgliche Klagezulassung und/oder die Rücknahme der Kündigungsschutzklage können die Voraussetzungen des § 1a I 1 KSchG nicht mehr - nachträglich
- erfüllt werden. Die Rücknahmefiktion des § 269 III 1 ZPO würde das gesetzgeberische Ziel konterkarieren, einen Abfindungsanspruch bei einer
betriebsbedingten Kündigung nur im Falle der Vermeidung einer gerichtlichen Auseinandersetzung zu begründen (BAG, Urteil vom 13.12.2007 - 2 AZR 971/06).
§ 1a KSchG ist auch auf eine aus dringenden betrieblichen Gründen ausgesprochene Änderungskündigung anwendbar, soweit diese wegen Nichtannahme oder
vorbehaltloser Ablehnung des Änderungsangebots zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses führt. Dafür spricht schon, dass eine Änderungskündigung immer
auch eine Beendigungskündigung enthält. Ab Zugang der Kündigung hat es ausschließlich der Arbeitnehmer in der Hand, diese Änderungskündigung durch
Nicht-Annahme der geänderten Arbeitsbedingungen zu einer Beendigungskündigung werden zu lassen und durch Verstreichenlassen der Frist des § 4 S. 1
KSchG die Voraussetzungen für das Entstehen des Abfindungsanspruchs zu schaffen. Kein Fall des § 1 a KSchG ist es hingegen, wenn der Arbeitnehmer die
vorbehaltlose Annahme der geänderten Vertragsbedingungen erklärt. In diesem Fall kommt es nicht zu einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses (BAG, Urteil
vom 13.12.2007 - 2 AZR 663/06).
Ein Abfindungsanspruch nach § 1a I KSchG in der gesetzlichen Höhe des § 1a II KSchG entsteht auch dann, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer
informatorisch einen niedrigeren Abfindungsbetrag genannt hat. Kollektivrechtliche Regelungen zum Ausgleich wirtschaftlicher Nachteile aus einer
Btriebsänderung können die Anrechenbarkeit von Leistungen nach § 1a KSchG vorsehen (BAG, Urteil vom 19.06.2007 - 1 AZR 340/06).
Der Anspruch nach § 1a KSchG entsteht erst mit Ablauf der Kündigungsfrist der zu Grunde liegenden betriebsbedingten Kündigung. Endet das
Arbeitsverhältnis vorher durch Tod des Arbeitnehmers, kann der Anspruch deshalb nicht nach § 1922 I BGB auf den Erben übergehen. Der
Abfindungsanspruch nach § 1a I 1 KSchG entsteht erst mit dem Ablauf der Kündigungsfrist. Endet das Arbeitsverhältnis zu einem davor liegenden Zeitpunkt
aus einem anderen Grund, so gelangt der Anspruch nicht mehr zur Entstehung und kann aus diesem Grund auch nicht Gegenstand des auf die Erbe
übergehenden Vermögens nach § 1922 I BGB sein (BAG, Urteil vom 10.05.2007 - 2 AZR 45/06).
Ein Arbeitnehmer kann sich auf einen - die Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe ausschließenden - wichtigen Grund für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses
durch Aufhebungsvertrag mit Abfindungsregelung berufen, wenn ihm ansonsten eine rechtmäßige Arbeitgeberkündigung aus nicht verhaltensbedingten
Gründen zum gleichen Zeitpunkt droht (Weiterentwicklung von BSGE 95, 232 = SozR 4-4300 § 144 Nr. 11 = BeckRS 2006, 40254). Der Senat erwägt, für
Streitfälle ab dem 1. 1. 2004 unter Heranziehung der Grundsätze des § 1 a KSchG auf eine ausnahmslose Prüfung der Rechtmäßigkeit der
Arbeitgeberkündigung zu verzichten, wenn die Abfindungshöhe die in § 1 a II KSchG vorgesehene nicht überschreitet (BSG, Urteil vom 12.07.2006 - B 11a
AL 47/05 R).
*** (Lit)
Die gesetzliche Abfindungsregelung wird nur geringe Bedeutung erlangen. Entgegen dem gesetzgeberischen Ansinnen, durch das Standardverfahren
Kündigungsschutzprozesse zu vermeiden, könnte in der Praxis das genaue Gegenteil eintreten. Das Abfindungsangebot kann nämlich in der Weise gedeutet
werden, dass sich der Arbeitgeber seiner betriebsbedingten Kündigungsgründe selbst nicht sicher ist, da er bei einer tatsächlich sozial gerechtfertigten
Kündigung auch nach der Reform des KSchG nicht zur Zahlung einer Abfindung verpflichtet ist. Insbesondere rechtschutzversicherte Arbeitnehmer könnten
sich daher eingeladen fühlen, durch Erhebung der Kündigungsschutzklage eine noch höhere Abfindungszahlung zu erzielen (Wolff, BB 2004, 378).
Die gesetzliche Regelung des Abfindungsanspruchs hat ihr Ziel deutlich verfehlt. Statt, wie versprochen, den Arbeitsvertragsparteien ein einfaches, effizientes
und kostengünstiges Verfahren für eine vorgerichtliche Klärung der Beendigung des Arbeitsverhältnisses anzubieten, hat die Neuregelung ein bürokratisches
Monstrum geschaffen, das kein einziges Problem löst, aber neue gleich im Dutzend aufwirft. § 1 a KSchG bietet den Parteien nichts an, was ihnen nicht auch
schon vor dem 1. Januar 2004 zur Verfügung gestanden hätte. Andererseits ist die Vorschrift auch weit gehend unschädlich, weil sie nicht verhindert, dass die
Parteien unabhängig von ihr rechtssichere Wege zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses beschreiten. Diese "Reform" verdient einen solchen Namen jedenfalls
nicht und es ist zu hoffen, dass auch die Politik erkennt, dass die "Agenda 2010" noch lange nicht alles enthält, was bis zum Jahre 2010 wirklich getan werden
muss (Rolfs, ZIP 2004, 333).
§ 1a KSchG ermöglicht es dem Arbeitgeber, sich bei Erklärung einer betriebsbedingten Kündigung zur Leistung einer Abfindungszahlung für den Fall zu
verpflichten, dass der Arbeitnehmer nicht fristgerecht die Kündigungsschutzklage erhebt. Wirtschaftlich entstehen dadurch keine nennenswerten Weiterungen
bei der Ausgestaltung der einvernehmlichen Beendigung von Arbeitsverhältnissen gegen Abfindung. Die sonstigen Möglichkeiten zur Auflösung und
Abwicklung von Arbeitsverhältnissen unter Vermeidung von Kündigungsschutzklagen bleiben auch unter Geltung von § 1a KSchG unangetastet (Giesen,
Besgen, NJW 2004, 185).
Die bisherige Rechtsprechung und Literatur zur Frage der Zulässigkeit der Verknüpfung von Sozialplanansprüchen und Klageverzicht wird überprüft werden
müssen. Es spricht viel dafür, solche Vereinbarungen mit In-Kraft-Treten des § 1a KSchG als zulässig anzusehen. Es kommt daher durchaus in Betracht,
entsprechende Bestimmungen in Sozialpläne aufzunehmen. Bei Unwirksamkeit der Regelung trägt der Arbeitgeber das Risiko, die Sozialplanabfindung zahlen
zu müssen, obwohl der Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage erhoben hat (Busch, BB 2004, 267).
Eine Beschränkung des gesetzlichen Abfindungsanspruchs auf ordentliche Kündigungen ist nicht gerechtfertigt. Entscheidend ist allein, dass die (ordentliche
oder außerordentliche) Kündigung vom Arbeitgeber subjektiv auf betriebsbedingte Gründe gestützt wird. Um die vom Gesetzgeber verfolgten Ziele
(Rechtssicherheit und Transparenz) zur Geltung zu bringen, muss die Vereinbarung einer Abgeltungsklausel im Zusammenhang mit der Abwicklung des
Abfindungsanspruchs möglich sein (Grobys, DB 2003, 2174).
§ 2 Änderungskündigung
Kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis und bietet er dem Arbeitnehmer im Zusammenhang mit der Kündigung die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses
zu geänderten Arbeitsbedingungen an, so kann der Arbeitnehmer dieses Angebot unter dem Vorbehalt annehmen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen
nicht sozial ungerechtfertigt ist (§ 1 Abs. 2 Satz 1 bis 3, Abs. 3 Satz 1 und 2). Diesen Vorbehalt muss der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber innerhalb der
Kündigungsfrist, spätestens jedoch innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung erklären.
Leitsätze/Entscheidungen:
„... I. Das vertragliche Weisungsrecht der Beklagten umfasst - wovon das Landesarbeitsgericht zu Recht ausgeht - die Befugnis, der Klägerin nach Maßgabe des
§ 106 GewO einen anderen Einsatzort als den bisherigen zuzuweisen (vgl. BAG 13. Juni 2012 - 10 AZR 296/11 -).
1. Bei der Prüfung der Wirksamkeit einer Versetzung, die auf Regelungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen gemäß § 305 ff. BGB beruht, ist zunächst
durch Auslegung der Inhalt der vertraglichen Regelungen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu ermitteln (im Einzelnen: BAG 25. August
2010 - 10 AZR 275/09 - Rn. 17 ff., BAGE 135, 239). Festzustellen ist, ob ein bestimmter Tätigkeitsinhalt und Tätigkeitsort vertraglich festgelegt sind und
welchen Inhalt ein gegebenenfalls vereinbarter Versetzungsvorbehalt hat (BAG 19. Januar 2011 - 10 AZR 738/09 - Rn. 12, AP BGB § 307 Nr. 50 = EzA GewO
§ 106 Nr. 7).
a) Allgemeine Geschäftsbedingungen sind dabei nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und
redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die
Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Ansatzpunkt für die
nicht am Willen der konkreten Vertragspartner zu orientierende Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Ist der
Wortlaut eines Formularvertrags nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus der Sicht der typischerweise an
Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss (zB
BAG 10. Dezember 2008 - 10 AZR 1/08 - Rn. 14, AP BGB § 307 Nr. 40 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 40). Von Bedeutung für das Auslegungsergebnis sind
ferner der von den Vertragsparteien verfolgte Regelungszweck sowie die der jeweils anderen Seite erkennbare Interessenlage der Beteiligten (BAG 9. Juni 2010
- 5 AZR 332/09 - Rn. 36, AP BGB § 611 Abhängigkeit Nr. 121 = EzA BGB 2002 § 611 Arbeitnehmerbegriff Nr. 18).
b) Bei der Auslegung der vertraglichen Bestimmungen ist zu beachten, dass die Bestimmung eines Orts der Arbeitsleistung in Kombination mit einer im
Arbeitsvertrag durch Versetzungsvorbehalt geregelten Einsatzmöglichkeit im gesamten Unternehmen regelmäßig die vertragliche Beschränkung auf den im
Vertrag genannten Ort der Arbeitsleistung verhindert (BAG 19. Januar 2011 - 10 AZR 738/09 - Rn. 15, AP BGB § 307 Nr. 50 = EzA GewO § 106 Nr. 7; 13.
April 2010 - 9 AZR 36/09 - Rn. 27, AP BGB § 307 Nr. 45 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 47; Preis/Genenger NZA 2008, 969, 970). Es macht keinen Unterschied,
ob im Arbeitsvertrag auf eine Festlegung des Orts der Arbeitsleistung verzichtet und diese dem Arbeitgeber im Rahmen von § 106 GewO vorbehalten bleibt
oder ob der Ort der Arbeitsleistung bestimmt, aber die Möglichkeit der Zuweisung eines anderen Orts vereinbart wird. In diesem Fall wird lediglich klargestellt,
dass § 106 Satz 1 GewO gelten und eine Versetzungsbefugnis an andere Arbeitsorte bestehen soll.
c) Fehlt es an einer Festlegung des Inhalts oder des Orts der Leistungspflicht im Arbeitsvertrag, ergibt sich der Umfang der Weisungsrechte des Arbeitgebers
aus § 106 GewO. Auf die Zulässigkeit eines darüber hinaus vereinbarten Versetzungsvorbehalts kommt es dann nicht an. Weist der Arbeitgeber dem
Arbeitnehmer einen anderen Arbeitsort zu, so unterliegt dies der Ausübungskontrolle gemäß § 106 Satz 1 GewO, § 315 Abs. 3 BGB.
2. Die Auslegung des Arbeitsvertrags der Klägerin ergibt, dass ihr Einsatzort nicht vertraglich festgelegt ist.
a) Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts haben die Parteien einen Formularvertrag geschlossen, auf den die Vorschriften über Allgemeine
Geschäftsbedingungen nach § 305 ff. BGB zur Anwendung kommen. Die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen durch das Berufungsgericht unterliegt
der vollen revisionsrechtlichen Nachprüfung (BAG 24. Oktober 2007 - 10 AZR 825/06 - Rn. 15, BAGE 124, 259).
b) Der schriftliche Arbeitsvertrag vom 30. Oktober 1989 enthält keine Festlegung des Arbeitsorts. Es heißt dort, der Einsatzort sei „grundsätzlich" Frankfurt am
Main, der Arbeitgeber könne die Klägerin „auch vorübergehend oder auf Dauer … an einem anderen Ort … einsetzen". Damit ist hinreichend klargestellt, dass
die Bestimmung des Einsatzorts im Vertrag lediglich die damalige Ausübung des Weisungsrechts in Bezug auf den Arbeitsort darstellt. Daran konnte für die
Beteiligten kein Zweifel bestehen.
Auch durch die Mitteilung der Beklagten vom 2. November 2004 ist keine vertragliche Festlegung des Arbeitsorts erfolgt. Nach dem Schreiben wurde der
Stationierungsort auf Wunsch der Klägerin von Frankfurt am Main nach Hannover verlegt. Diese im Schreiben selbst als „Versetzung" bezeichnete Maßnahme
hielt sich im Rahmen der durch den Arbeitsvertrag beschriebenen Grenzen des Weisungsrechts. Die Vertragsbedingungen sollten - abgesehen von der
Versetzung - ausdrücklich unverändert bleiben. Es bleibt hier auch kein Raum für die Anwendung der Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB; erhebliche
Zweifel an der Richtigkeit des gefundenen Auslegungsergebnisses bestehen nicht (vgl. dazu BAG 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 - Rn. 20, BAGE 135, 239).
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den im Bereich der Luftfahrt geltenden Regelungen über Flug-, Dienst- und Ruhezeiten. Nach § 20 ArbZG iVm. § 5
Abs. 1 der Zweiten Durchführungsverordnung zur Betriebsordnung für Luftfahrtgerät (2. DV LuftBO) bzw. nach Art. 1 iVm. Ziff. 3.1 des Anhangs III Abschn.
Q OPS 1.1090 der Verordnung (EG) Nr. 859/2008 vom 20. August 2008 (ABl. EU L 254 vom 20. September 2008 S. 1, 223) ist die Beklagte verpflichtet, für
jedes Besatzungsmitglied eine Heimatbasis anzugeben. Aus diesen Vorschriften ergibt sich aber nicht die Verpflichtung, die Heimatbasis arbeitsvertraglich so
festzuschreiben, dass eine Änderung nur im Wege einer Änderungskündigung erfolgen könnte. Vielmehr schließen auch diese Vorschriften nicht aus, dass der
Arbeitgeber im Rahmen der vertraglichen Regelungen im Wege des Direktionsrechts diese Heimatbasis verändert und gegenüber dem Besatzungsmitglied neu
benennt. Eine solche Neubenennung ist durch die Versetzung vom 17. September 2009 erfolgt.
c) Der Arbeitsvertrag hat sich im Hinblick auf den Arbeitsort nicht dadurch auf Hannover konkretisiert, dass die Klägerin seit November 2004 dort tätig
gewesen ist. Eine den Arbeitsvertrag abändernde Vereinbarung haben die Parteien nicht - insbesondere auch nicht stillschweigend - getroffen.
aa) Es ist nicht grundsätzlich ausgeschlossen, dass Arbeitspflichten sich, ohne dass darüber ausdrückliche Erklärungen ausgetauscht werden, nach längerer Zeit
auf bestimmte Arbeitsbedingungen konkretisieren (vgl. BAG 17. August 2011 - 10 AZR 202/10 - Rn. 19 mwN, EzA GewO § 106 Nr. 9). Die Nichtausübung
des Direktionsrechts über einen längeren Zeitraum schafft aber regelmäßig keinen Vertrauenstatbestand dahin gehend, dass der Arbeitgeber von diesem
vertraglich und/oder gesetzlich eingeräumten Recht in Zukunft keinen Gebrauch mehr machen will. Die Nichtausübung des Direktionsrechts hat keinen
Erklärungswert. Nur beim Hinzutreten besonderer Umstände, aufgrund derer der Arbeitnehmer darauf vertrauen darf, dass er nicht in anderer Weise eingesetzt
werden soll, kann es durch konkludentes Verhalten zu einer vertraglichen Beschränkung der Ausübung des Direktionsrechts kommen (vgl. BAG 17. August
2011 - 10 AZR 202/10 - aaO).
bb) Derartige besondere Umstände hat die Klägerin nicht vorgetragen. Dass die Beklagte im Jahr 2004 auf den Wunsch der Klägerin nach Versetzung
eingegangen ist und sie in Hannover stationiert hat, konnte für sich genommen keinen Vertrauenstatbestand begründen und keine Konkretisierung der
Arbeitspflicht auf diesen Arbeitsort bewirken, da der Arbeitsvertrag - abgesehen von der durch Versetzung erfolgten Stationierung in Hannover - unverändert weitergalt.
II. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung durfte es nicht davon ausgehen, dass die Beklagte bei Ausübung ihres Weisungsrechts die Grenzen
billigen Ermessens (§ 106 GewO, § 315 BGB) überschritten hat. Ob die Beklagte diese Grenzen eingehalten hat, kann der Senat mangels ausreichender
Feststellungen nicht entscheiden.
Dabei kann dahinstehen, ob die Kontrolle der Ausübung des billigen Ermessens wegen der zu berücksichtigenden Umstände des Einzelfalls nur einer
eingeschränkten Überprüfung durch das Revisionsgericht unterliegt (vgl. dazu BAG 14. Juli 2010 - 10 AZR 182/09 - Rn. 92 mwN, BAGE 135, 128). Die
landesarbeitsgerichtliche Entscheidung hält auch einer solchen eingeschränkten Überprüfung durch das Revisionsgericht nicht stand.
1. Dem Inhaber des Bestimmungsrechts nach § 315 Abs. 1 BGB verbleibt für die rechtsgestaltende Leistungsbestimmung ein nach billigem Ermessen
auszufüllender Spielraum. Innerhalb des Spielraums können dem Bestimmungsberechtigten mehrere Entscheidungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Dem
Gericht obliegt nach § 315 Abs. 3 BGB die Prüfung, ob der Arbeitgeber als Gläubiger die Grenzen seines Bestimmungsrechts beachtet hat (vgl. BAG 13. Juni
2012 - 10 AZR 296/11 - Rn. 28; BGH 18. Oktober 2007 - III ZR 277/06 - Rn. 20, BGHZ 174, 48).
2. Die Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen (§ 106 Satz 1 GewO, § 315 BGB) verlangt eine Abwägung der wechselseitigen Interessen nach
verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Wertentscheidungen, den allgemeinen Wertungsgrundsätzen der Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit sowie der
Verkehrssitte und Zumutbarkeit.
a) In die Abwägung sind alle Umstände des Einzelfalls einzubeziehen. Hierzu gehören die Vorteile aus einer Regelung, die Risikoverteilung zwischen den
Vertragsparteien, die beiderseitigen Bedürfnisse, außervertragliche Vor- und Nachteile, Vermögens- und Einkommensverhältnisse sowie soziale
Lebensverhältnisse, wie familiäre Pflichten und Unterhaltsverpflichtungen (BAG 13. April 2010 - 9 AZR 36/09 - Rn. 40, AP BGB § 307 Nr. 45 = EzA BGB
2002 § 307 Nr. 47; 21. Juli 2009 - 9 AZR 404/08 - Rn. 22, EzA TVG § 4 Luftfahrt Nr. 18; bereits auch: 28. November 1989 - 3 AZR 118/88 - zu II 1 a der
Gründe, BAGE 63, 267). Eine soziale Auswahl wie im Falle des § 1 Abs. 3 KSchG findet nicht statt. Soweit es auf die Zumutbarkeit des neu zugewiesenen
Arbeitsorts ankommt, kann aus den sozialrechtlichen Regeln über die Zumutbarkeit einer Beschäftigung kein belastbarer Maßstab für die arbeitsrechtliche
Beurteilung des Ermessensgebrauchs nach § 106 Satz 1 GewO, § 315 BGB bei einer Versetzung abgeleitet werden (vgl. BAG 17. August 2011 - 10 AZR
202/10 - Rn. 22, 25, EzA GewO § 106 Nr. 9).
Die Darlegungs- und Beweislast für die Wirksamkeit der getroffenen Ermessensausübung liegt beim Arbeitgeber (BAG 14. Juli 2010 - 10 AZR 182/09 - Rn.
90, BAGE 135, 128).
b) Das Landesarbeitsgericht hat in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu betriebsbedingten Kündigungen in den Fällen, in denen die
unternehmerische Entscheidung und die Kündigung praktisch deckungsgleich sind (vgl. grundlegend BAG 17. Juni 1999 - 2 AZR 141/99 - BAGE 92, 71),
angenommen, auch bei Versetzungen müsse der Arbeitgeber zur Nachhaltigkeit der ihnen zugrunde liegenden unternehmerischen Entscheidung eingehend
vortragen. Es hat weiter angenommen, die Beklagte habe diese Anforderungen nicht erfüllt. Das Landesarbeitsgericht berücksichtigt dabei aber nicht
hinreichend die Unterschiede zwischen dem Ausspruch einer (Änderungs-)Kündigung einerseits und einer auf Ausübung des Direktionsrechts beruhenden
Versetzung andererseits. Während der Arbeitgeber mit dem Ausspruch einer Änderungskündigung eine Vertragsänderung anstrebt und dabei eine Beendigung
des Vertragsverhältnisses in Kauf nimmt, bewegt er sich bei der Ausübung des Direktionsrechts innerhalb der ihm vertraglich zustehenden Befugnisse. Die
Kontrolle von Maßnahmen des Direktionsrechts bezieht sich deshalb lediglich darauf, ob der Arbeitgeber den ihm vertraglich zustehenden Spielraum nach den
Grundsätzen der Billigkeit genutzt hat, nicht aber darauf, ob die vertraglichen Befugnisse zum Vorteil des Arbeitgebers gegen den Willen des Arbeitnehmers
dauerhaft geändert werden dürfen. Allerdings ist eine umso sorgfältigere Abwägung zu verlangen, je einschneidender die Auswirkungen der Maßnahme für den
Arbeitnehmer sind. Deshalb ist eine Versetzung, die, wie im Streitfall, für den Arbeitnehmer eine tiefgreifende Veränderung der Arbeitsumstände mit sich
bringt, nur dann gerechtfertigt, wenn die zugrunde liegende unternehmerische Entscheidung die Versetzung auch angesichts der für den Arbeitnehmer
entstehenden Nachteile nahelegt und sie nicht willkürlich oder missbräuchlich erscheinen lässt. Eine unternehmerische Entscheidung, die erkennbar nur für
unerhebliche, leicht überbrückbare Zeiträume gelten soll oder deren Rücknahme erkennbar ist, kann ein Anhaltspunkt für eine willkürliche Ausübung des
Direktionsrechts sein.
c) Anhaltspunkte für eine willkürliche oder missbräuchliche Ausübung des Direktionsrechts sind nach dem Vortrag der Beklagten nicht ersichtlich.
Die Beklagte hat vorgetragen und unter Beweis gestellt, dass aufgrund einer im September 2008 getroffenen Geschäftsführungsentscheidung zum 31. Dezember
2009 die Station in Hannover geschlossen werden sollte. Unstreitig kam es in der Folgezeit zu entsprechenden Regelungen mit der Personalvertretung. Darüber
hinaus hat die Beklagte zur Umsetzung der Entscheidung vorgetragen. Insbesondere hat sie behauptet, dass keine Flugzeuge mehr in Hannover stationiert sein
werden und keine Flüge der Beklagten mit in Hannover stationierten Crews mehr stattfinden werden. Die Anzahl der im Jahr 2009 überhaupt noch ab Hannover
stattfindenden Flüge hat die Beklagte konkret benannt („2 Legs") und geschildert, was dies im Einzelnen bedeutet, sodass zB in der Nebensaison keine Flüge
mehr von Hannover stattfanden. Ebenso hat sie im Einzelnen benannt, welche wirtschaftlichen Folgen sich aus der geringen Anzahl von Flügen ab Hannover
für sie ergeben haben. Auf die Auflage des Landesarbeitsgerichts vom 6. Dezember 2010 hat die Beklagte außerdem detailliert dargelegt, an welchen anderen
Stationen welche Flugzeuge stationiert sind und hat die Veränderungen in der Stationierung dargestellt.
Bei diesem Sachvortrag durfte das Landesarbeitsgericht nicht davon ausgehen, die unternehmerische Entscheidung der Beklagten sei nicht auf Dauer angelegt
gewesen. Vielmehr hätte es - soweit der Sachvortrag der Beklagten substanziiert bestritten war - Beweis über diesen Vortrag erheben müssen.
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Ausübungskontrolle ist der Zeitpunkt, zu dem der Arbeitgeber die Ermessensentscheidung zu treffen hat (BAG 14. Juli 2010 -
10 AZR 182/09 - Rn. 89 mwN, BAGE 135, 128). Dies war hier die Entscheidung über die der Klägerin mit Schreiben vom 17. September 2009 mitgeteilte
Versetzung. Es gibt nach den bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts und auch unter Berücksichtigung des bisherigen Sachvortrags der Klägerin in
den Tatsacheninstanzen für diesen Zeitpunkt keinerlei Anhaltspunkte, die dafür sprachen, dass die Beklagte in absehbarer Zeit oder überhaupt wieder einmal
Flüge in relevantem Umfang von Hannover beginnen lassen würde. Vielmehr hatte sich die Beklagte nach ihrem Vortrag zur Schließung der Station in
Hannover entschlossen und hat die entsprechenden Umsetzungsmaßnahmen dargelegt. Mit der zuständigen Personalvertretung sind am 13. März 2009 ein
Teilinteressenausgleich und am 7. Juli 2009 eine „Vereinbarung über die Beendigung der Stationierung von Cockpit - Kabinenpersonal in Hannover"
geschlossen worden. Die letztgenannte Vereinbarung beinhaltet umfangreiche Regelungen über die daraus folgenden personellen Maßnahmen und über die
Abmilderung der wirtschaftlichen Folgen für die Beschäftigten. Sie enthält auch in § 6 eine Regelung über die bevorzugte Wiedereinstellung für den Fall einer
erneuten Stationierung von Flugzeugen in Hannover; dies impliziert die vorhergehende Schließung. Auch die Klägerin hat in den Tatsacheninstanzen weder
greifbare Anhaltspunkte dafür benannt, dass es sich nur um eine vorübergehende Maßnahme handelte noch dafür, dass ab Hannover erneut Flüge stattfinden
würden und damit die zur Begründung der Versetzung herangezogenen wirtschaftlichen Umstände nur für einen vorübergehenden Zeitraum vorliegen würden.
Bei den entsprechenden Ausführungen im Schriftsatz vom 29. August 2012 handelt es sich um neuen Sachvortrag, der in der Revisionsinstanz gemäß § 559
ZPO keine Beachtung mehr finden kann. Vielmehr spricht der Vortrag der Beklagten, „von den 36 in Hannover stationierten Mitarbeitern haben sich 24
Mitarbeiter auf freie Plätze in Frankfurt am Main und Hamburg beworben", deutlich für die Dauerhaftigkeit der Maßnahme. Dass die Beklagte nach
klägerischer Auffassung „überhaupt nicht ausschließen" könne, dass von Hannover aus keine Umläufe mehr stattfinden würden, genügt ebenso wenig für die
Annahme der fehlenden Dauerhaftigkeit der unternehmerischen Entscheidung, wie der Hinweis der Klägerin auf die „Unwägbarkeiten" des Flugbetriebs.
d) Das Landesarbeitsgericht hat, von seinem Standpunkt aus folgerichtig, die Entscheidung der Beklagten nicht weitergehend auf die Einhaltung der Grenzen
billigen Ermessens überprüft. Das wird es nachzuholen haben und dabei die nachfolgenden Maßgaben beachten müssen.
Zugunsten der Beklagten wird die behauptete unternehmerische Entscheidung - so sie unstreitig oder nachgewiesen ist - zur Schließung des Standorts Hannover
mit einem erheblichen Gewicht in die Abwägung einzubeziehen sein. Die Beklagte hat hierfür wirtschaftliche Erwägungen von beträchtlicher Tragweite, so zB
andernfalls eintretende finanzielle Mehrbelastungen in Höhe von nahezu 100.000,00 Euro monatlich geltend gemacht, die ihrer Maßnahme auch angesichts der
für die Klägerin damit verbundenen Nachteile ein ausreichendes Maß an Plausibilität verleihen und sie deshalb nicht als missbräuchlich oder willkürlich
erscheinen lassen. Dass auch an anderen Stationen Dead-Head-Kosten entstehen, stünde einer solchen Plausibilität nur dann entgegen, wenn die getroffene
unternehmerische Entscheidung keinerlei relevante finanzielle Vorteile für die Beklagte hätte und deshalb als willkürlich gegenüber den Arbeitnehmern
erschiene. Eine solche Annahme ist nach dem Sachvortrag der Parteien eher fernliegend.
Das Landesarbeitsgericht wird sein Augenmerk ferner darauf richten müssen, dass die Beklagte mit der Personalvertretung maßgebliche Abmilderungen der für
die Arbeitnehmer entstehenden Mehraufwendungen an Freizeit und Fahrtkosten vereinbart hat. Andererseits ist festzustellen, welche konkreten Auswirkungen
die Versetzung für die Klägerin hat, insbesondere in welchem Umfang Fahrten nach und von Frankfurt am Main anfallen. Dabei wird es zu beachten haben,
dass die tariflich vorgesehene Übernahme der Dead-Head-Kosten durch die Beklagte vor dem Hintergrund zu sehen ist, dass die Besatzungen im Regelfall die
Arbeit am jeweils festgelegten Dienstort aufnehmen und die Bezahlung der Dead-Head-Kosten die Ausnahme bildet. Ob der Beklagten eine Beschäftigung der
Klägerin an einem anderen, für die Klägerin günstigeren Einsatzort möglich war und ob persönliche Verhältnisse auf Seiten der Klägerin von Gewicht
vorhanden sind, die die Entscheidung der Beklagten als unbillig erscheinen lassen, ist bisher nicht ersichtlich.
B. Da noch nicht feststeht, ob die Versetzung der Klägerin nach Frankfurt am Main wirksam erfolgt ist, war die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts über
die nur hilfsweise ausgesprochene Änderungskündigung ebenfalls aufzuheben. Auch über den Erfolg der Änderungsschutzklage wird das Landesarbeitsgericht
neu zu entscheiden haben (vgl. dazu BAG 13. Juni 2012 - 10 AZR 296/11 -; 19. Juli 2012 - 2 AZR 25/11 - Rn. 20, NZA 2012, 1038; 26. Januar 2012 - 2 AZR
102/11 - Rn. 13, EzA KSchG § 2 Nr. 84). ..." (BAG, Urteil vom vom 26.09.2012 - 10 AZR 412/11; siehe auch BAG, Urteil vom 26.09.2012 - 10 AZR 311/11)
***
„... II. Aufgrund der bisherigen tatsächlichen Feststellungen durfte das Landesarbeitsgericht die außerordentliche Änderungskündigung vom 21. April 2009
nicht nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG für unwirksam halten. Es steht nicht fest, ob es insoweit einer Anhörung des Betriebsrats nach § 102 Abs. 1 BetrVG
bedurfte. Das wäre nicht der Fall, wenn die Versetzung der Klägerin in den Verkaufsbereich mit geänderten Arbeitszeiten schon ohne Änderungskündigung
rechtswirksam vorgenommen werden konnte, die ausgesprochene Änderungskündigung demnach „überflüssig" war.
1. Die von der Klägerin begehrte Feststellung, die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Änderungskündigung vom 21. April 2009 sei unwirksam, kann
nicht getroffen werden, wenn das von ihr unter Vorbehalt angenommene „Änderungsangebot" der Beklagten in Wirklichkeit gar nicht auf eine Änderung der
Arbeitsvertragsbedingungen abzielte.
a) Nach § 4 Satz 2 KSchG ist eine Änderungsschutzklage auf die Feststellung zu richten, die Änderung der Arbeitsbedingungen sei „sozial ungerechtfertigt"
oder sei „aus einem anderen Grund rechtsunwirksam". Auf eine außerordentliche Änderungskündigung ist § 4 Satz 2 KSchG trotz des einschränkenden
Wortlauts von § 13 Abs. 1 Satz 2 KSchG entsprechend anzuwenden (BAG 28. Oktober 2010 - 2 AZR 688/09 - Rn. 12, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 148 = EzA
KSchG § 2 Nr. 80). Eine solche Feststellung können die Gerichte nicht treffen, wenn das mit der Kündigung verbundene „Änderungsangebot" gar nicht auf eine
Änderung der bestehenden Vertragsbedingungen gerichtet ist, sondern die bereits bestehenden Vertragsbedingungen inhaltlich nur wiederholt. Das ist der Fall,
wenn die in ihm vorgesehenen „neuen" Bedingungen vom Arbeitgeber schon durch Ausübung des Direktionsrechts durchgesetzt werden können (BAG 26.
Januar 2012 - 2 AZR 102/11 - Rn. 12; 29. September 2011 - 2 AZR 617/10 - Rn. 14; ErfK/Oetker 12. Aufl. § 2 KSchG Rn. 14). Voraussetzung für die
Begründetheit einer Änderungsschutzklage nach § 4 Satz 2 KSchG ist, dass die Parteien über die Berechtigung einer Änderung ihrer arbeitsvertraglichen
Vereinbarungen streiten. Das Fehlen der sozialen Rechtfertigung einer Änderung der Arbeitsbedingungen oder deren Unwirksamkeit aus anderen Gründen kann
nicht festgestellt werden, wenn der Vertrag der Parteien in Wirklichkeit nicht geändert werden soll. Das gilt auch für eine außerordentliche
Änderungskündigung, insbesondere für eine außerordentliche Änderungskündigung mit notwendiger Auslauffrist, die der ordentlichen Änderungskündigung in
den Rechtsfolgen angenähert ist (BAG 29. September 2011 - 2 AZR 617/10 - Rn. 14).
b) Hat der Arbeitnehmer - wie hier - das Änderungsangebot des Arbeitgebers unter Vorbehalt angenommen und Änderungsschutzklage nach § 4 Satz 2 KSchG
erhoben, streiten die Parteien nicht über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses und damit nicht über die Rechtswirksamkeit der ausgesprochenen Kündigung,
sondern nur noch über die Berechtigung des Angebots auf Änderung der Arbeitsbedingungen. Streitgegenstand der Änderungsschutzklage ist nicht die
Wirksamkeit der Kündigung, sondern der Inhalt der für das Arbeitsverhältnis geltenden Vertragsbedingungen (BAG 26. Januar 2012 - 2 AZR 102/11 - Rn. 13;
26. August 2008 - 1 AZR 353/07 - Rn. 17, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 139 = EzA KSchG § 2 Nr. 72).
c) Vom Arbeitgeber erstrebte Änderungen, die sich schon durch die Ausübung des Weisungsrechts gemäß § 106 Satz 1 GewO durchsetzen lassen, halten sich
im Rahmen der vertraglichen Vereinbarungen und sind keine „Änderung der Arbeitsbedingungen" iSv. § 2 Satz 1, § 4 Satz 2 KSchG (BAG 26. Januar 2012 - 2
AZR 102/11 - Rn. 14). Soll der bestehende Vertragsinhalt nicht geändert werden, liegt in Wirklichkeit kein Änderungsangebot vor, die vermeintlich erst
herbeizuführenden Vertragsbedingungen gelten bereits. Eine Änderungskündigung ist „überflüssig". Eine Änderungsschutzklage ist dann unbegründet (BAG
26. Januar 2012 - 2 AZR 102/11 - aaO; KR/Rost 9. Aufl. § 2 KSchG Rn. 28). Es kann in diesem Fall schlechterdings nicht festgestellt werden, der Änderung
der Vertragsbedingungen fehle es an einem wichtigen Grund oder sie sei aus anderen Gründen rechtsunwirksam (BAG 26. Januar 2012 - 2 AZR 102/11 - aaO;
vgl. auch ErfK/Oetker 12. Aufl. § 2 KSchG Rn. 14).
2. Nach den bisherigen Feststellungen schuldete die Klägerin eine Tätigkeit als Verkäuferin. Danach hält sich die von der Beklagten für sie vorgesehene
Tätigkeit im Rahmen der bestehenden vertraglichen Abrede. Um ihr diese Tätigkeit zuzuweisen, bedurfte es folglich keiner Änderungskündigung. Zwischen
den Parteien steht dagegen im Streit, ob die Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit auf die Wochentage von Montag bis Freitag und der Beginn und das Ende
der täglichen Arbeitszeit vertraglich fest vereinbart sind. Liegt keine feste vertragliche Vereinbarung vor, gehört es nach § 106 Satz 1 GewO zum Gegenstand
des Direktionsrechts der Beklagten, die Lage der Arbeitszeit zu bestimmen (vgl. BAG 15. September 2009 - 9 AZR 757/08 - Rn. 51, BAGE 132, 88). Haben
die Parteien dagegen die Lage der Arbeitszeit vertraglich festgelegt, ist sie gemäß § 106 Satz 1 Halbs. 2 GewO einer näheren Ausgestaltung im Wege des
Direktionsrechts der Beklagten entzogen. Eine solche Vereinbarung können die Vertragsparteien ausdrücklich oder konkludent schließen. Wollen sie das
Weisungsrecht des Arbeitgebers durch eine vertragliche Regelung einschränken, müssen sie das hinreichend deutlich zum Ausdruck bringen (Schaub/Linck
ArbR-Hdb. 13. Aufl. § 45 Rn. 67, 68; HWK/Lembke 4. Aufl. § 106 GewO Rn. 38).
3. Das Landesarbeitsgericht hat nicht festgestellt, ob die Bestimmung der Lage der Arbeitszeit dem Direktionsrecht der Beklagten unterfällt oder diesem
aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung der Parteien entzogen ist.
a) Der schriftliche Arbeitsvertrag vom 1. April 1987 enthält keine ausdrückliche Regelung zur Verteilung der Arbeitszeit.
b) Das Landesarbeitsgericht hat dahinstehen lassen, ob die in der „Arbeitszeitänderung" vom 13. Oktober 1994 aufgeführten Arbeitszeiten ein einseitig nicht
mehr änderbarer Vertragsbestandteil geworden sind. Dies durfte nicht dahingestellt bleiben. Das Landesarbeitsgericht wird vielmehr zu klären haben, ob die
Parteien die Verteilung der Arbeitszeit der Klägerin vertraglich geregelt haben. Ist dies zu bejahen, bedurfte es zu ihrer Änderung einer - dann nicht
„überflüssigen" - Änderungskündigung, die allen Wirksamkeitsanforderungen entsprechen muss. Ist die Frage zu verneinen, kommt es auf die Wirksamkeit der
Änderungskündigung nicht an. Dabei kommt in Betracht, dass die Parteien mit dem Schreiben vom Oktober 1994 eine verbindliche Vereinbarung über die
Lage der Arbeitszeit getroffen haben. Ferner kommt in Betracht, dass die Parteien in der Folgezeit eine solche Vereinbarung getroffen haben; nach den
Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ist die Arbeitszeit für die Klägerin nach 1994 erneut verändert worden.
c) Soweit sich die Klägerin auf eine der einseitigen Änderung entzogenen Konkretisierung der Lage ihrer Arbeitszeit durch eine jahrelang gleichmäßige
Handhabung beruft, ist dieser Umstand nach den bisherigen Feststellungen nicht geeignet, das Weisungsrecht der Beklagten einzuschränken.
aa) Eine solche Konkretisierung tritt regelmäßig nicht allein dadurch ein, dass ein Arbeitnehmer längere Zeit in einer bestimmten Weise eingesetzt worden ist.
Zum reinen Zeitablauf müssen besondere Umstände hinzukommen, die erkennen lassen, der Arbeitnehmer solle künftig verpflichtet sein, seine Arbeit nur noch
wie bisher zu erbringen (BAG 15. September 2009 - 9 AZR 757/08 - Rn. 54, BAGE 132, 88). Allein aus der Beibehaltung einer betrieblichen Praxis über einen
längeren Zeitraum hinweg kann der Arbeitnehmer nicht schließen, der Arbeitgeber werde diese Praxis auch künftig beibehalten und sein Weisungsrecht nicht
mehr anders ausüben (BAG 7. Dezember 2000 - 6 AZR 444/99 - zu III 2 der Gründe, AP BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 61 = EzA BGB § 611 Direktionsrecht
Nr. 23). Der Arbeitgeber muss dazu nicht etwa in bestimmten zeitlichen Abständen darauf hinweisen, er beabsichtige, von seinem Weisungsrecht ggf. weiterhin
Gebrauch zu machen (vgl. Schaub/Linck ArbR-Hdb. 13. Aufl. § 45 Rn. 13 e).
bb) Etwas anderes kann sich bei Vorliegen besonderer Umstände ergeben, die den Schluss auf einen Verzicht des Arbeitgebers zulassen, von seinem
Weisungsrecht anderen Gebrauch zu machen. Solche Umstände hat das Landesarbeitsgericht bisher nicht festgestellt. Es wird den Parteien Gelegenheit geben
müssen, hierzu ergänzend vorzutragen. ..." (BAG, Urteil vom 19.07.2012 - 2 AZR 25/11)
***
„... Die Revision ist begründet. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung kann die Klage keinen Erfolg haben. Ob die von der Beklagten
ausgesprochene Versetzung wirksam ist, steht noch nicht fest (unter A). Das vertragliche Weisungsrecht der Beklagten umfasst die Befugnis, der Klägerin
einen anderen Einsatzort als den bisherigen zuzuweisen (unter A I). Ob die Beklagte von ihrem Weisungsrecht einen dem Gesetz entsprechenden, billiges
Ermessen wahrenden Gebrauch gemacht hat, konnte der Senat mangels ausreichender Feststellungen nicht entscheiden (unter A II). Die Revision führt daher
zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Sollte es noch auf
die Wirksamkeit der Änderungskündigung ankommen, kann die Klage auch insoweit mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung keinen Erfolg
haben (unter B).
A. Mit der von ihm gegebenen Begründung durfte das Landesarbeitsgericht nicht die Unwirksamkeit der von der Beklagten ausgesprochenen Versetzung
annehmen. Ob die Versetzung von Hannover nach Frankfurt am Main unwirksam ist, steht noch nicht fest.
I. Das vertragliche Weisungsrecht der Beklagten umfasst die Befugnis, der Klägerin nach Maßgabe des § 106 GewO einen anderen Einsatzort als den
bisherigen zuzuweisen.
1. Bei der Prüfung der Wirksamkeit einer Versetzung, die auf Regelungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen gemäß § 305 ff. BGB beruht, ist
zunächst durch Auslegung der Inhalt der vertraglichen Regelungen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu ermitteln (im Einzelnen: BAG 25.
August 2010 - 10 AZR 275/09 - Rn. 17 bis 31, AP GewO § 106 Nr. 11 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 49). Festzustellen ist, ob ein bestimmter Tätigkeitsinhalt
und Tätigkeitsort vertraglich festgelegt sind und welchen Inhalt ein ggf. vereinbarter Versetzungsvorbehalt hat (BAG 19. Januar 2011 - 10 AZR 738/09 - Rn.
12, AP BGB § 307 Nr. 50 = EzA GewO § 106 Nr. 7).
a) Allgemeine Geschäftsbedingungen sind dabei nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und
redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die
Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Ansatzpunkt für die
nicht am Willen der konkreten Vertragspartner zu orientierende Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Ist der
Wortlaut eines Formularvertrags nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus der Sicht der typischerweise an
Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss (zB
BAG 10. Dezember 2008 - 10 AZR 1/08 - Rn. 14, AP BGB § 307 Nr. 40 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 40). Von Bedeutung für das Auslegungsergebnis sind
ferner der von den Vertragsparteien verfolgte Regelungszweck sowie die der jeweils anderen Seite erkennbare Interessenlage der Beteiligten (BAG 9. Juni 2010
- 5 AZR 332/09 - Rn. 36, AP BGB § 611 Abhängigkeit Nr. 121 = EzA BGB 2002 § 611 Arbeitnehmerbegriff Nr. 18).
b) Bei der Auslegung der vertraglichen Bestimmungen ist zu beachten, dass die Bestimmung eines Orts der Arbeitsleistung in Kombination mit einer im
Arbeitsvertrag durch Versetzungsvorbehalt geregelten Einsatzmöglichkeit im gesamten Unternehmen regelmäßig die vertragliche Beschränkung auf den im
Vertrag genannten Ort der Arbeitsleistung verhindert (BAG 19. Januar 2011 - 10 AZR 738/09 - Rn. 15, AP BGB § 307 Nr. 50 = EzA GewO § 106 Nr. 7; 13.
April 2010 - 9 AZR 36/09 - Rn. 27, AP BGB § 307 Nr. 45 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 47; Preis/Genenger NZA 2008, 969, 970). Es macht keinen Unterschied,
ob im Arbeitsvertrag auf eine Festlegung des Orts der Arbeitsleistung verzichtet und diese dem Arbeitgeber im Rahmen von § 106 GewO vorbehalten bleibt
oder ob der Ort der Arbeitsleistung bestimmt, aber die Möglichkeit der Zuweisung eines anderen Orts vereinbart wird. In diesem Fall wird lediglich klargestellt,
dass § 106 Satz 1 GewO gelten und eine Versetzungsbefugnis an andere Arbeitsorte bestehen soll.
c) Fehlt es an einer Festlegung des Inhalts oder des Orts der Leistungspflicht im Arbeitsvertrag, ergibt sich der Umfang der Weisungsrechte des Arbeitgebers
aus § 106 GewO. Auf die Zulässigkeit eines darüber hinaus vereinbarten Versetzungsvorbehalts kommt es dann nicht an. Weist der Arbeitgeber dem
Arbeitnehmer einen anderen Arbeitsort zu, so unterliegt dies der Ausübungskontrolle gemäß § 106 Satz 1 GewO, § 315 Abs. 3 BGB.
2. Die Auslegung des Arbeitsvertrags der Klägerin ergibt, dass ihr Einsatzort nicht vertraglich festgelegt ist.
a) Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts haben die Parteien einen Formularvertrag geschlossen, auf den die Vorschriften über Allgemeine
Geschäftsbedingungen nach § 305 ff. BGB zur Anwendung kommen. Die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen durch das Berufungsgericht unterliegt
der vollen revisionsrechtlichen Nachprüfung (BAG 24. Oktober 2007 - 10 AZR 825/06 - Rn. 15, BAGE 124, 259).
b) Der schriftliche Arbeitsvertrag vom 26. September 1990 enthält keine Festlegung des Arbeitsorts. Es heißt dort, der Einsatzort sei „grundsätzlich" Frankfurt
am Main, der Arbeitgeber könne die Klägerin „auch vorübergehend oder auf Dauer … an einem anderen Ort … einsetzen". Damit ist hinreichend klargestellt,
dass die Bestimmung des Einsatzorts im Vertrag lediglich die erstmalige Ausübung des Weisungsrechts in Bezug auf den Arbeitsort darstellt. Daran konnte für
die Beteiligten kein Zweifel bestehen.
c) Auch durch die Mitteilung der Beklagten vom 13. Oktober 1995 ist keine vertragliche Festlegung des Arbeitsorts erfolgt. Nach dem Schreiben wurde der
Stationierungsort auf Wunsch der Klägerin von Frankfurt am Main nach Hannover verlegt. Diese im Schreiben selbst als „Versetzung" bezeichnete Maßnahme
hielt sich im Rahmen der durch den Arbeitsvertrag beschriebenen Grenzen des Weisungsrechts. Die Vertragsbedingungen sollten - abgesehen von der
Versetzung - ausdrücklich unverändert bleiben.
d) Der Arbeitsvertrag hat sich im Hinblick auf den Arbeitsort nicht dadurch auf Hannover konkretisiert, dass die Klägerin bis zur Versetzung nach Frankfurt am
Main rund 14 Jahre dort tätig gewesen ist. Eine den Arbeitsvertrag abändernde Vereinbarung haben die Parteien nicht - insbesondere auch nicht stillschweigend
- getroffen.
aa) Es ist nicht grundsätzlich ausgeschlossen, dass Arbeitspflichten sich, ohne dass darüber ausdrückliche Erklärungen ausgetauscht werden, nach längerer Zeit
auf bestimmte Arbeitsbedingungen konkretisieren (vgl. BAG 17. August 2011 - 10 AZR 202/10 - Rn. 19 mwN, EzA GewO § 106 Nr. 9). Die Nichtausübung
des Direktionsrechts über einen längeren Zeitraum schafft aber regelmäßig keinen Vertrauenstatbestand dahingehend, dass der Arbeitgeber von diesem
vertraglich und/oder gesetzlich eingeräumten Recht in Zukunft keinen Gebrauch mehr machen will. Die Nichtausübung des Direktionsrechts hat keinen
Erklärungswert. Nur beim Hinzutreten besonderer Umstände, aufgrund derer der Arbeitnehmer darauf vertrauen darf, dass er nicht in anderer Weise eingesetzt
werden soll, kann es durch konkludentes Verhalten zu einer vertraglichen Beschränkung der Ausübung des Direktionsrechts kommen (BAG 17. August 2011 -
10 AZR 202/10 - aaO).
bb) Derartige besondere Umstände hat die Klägerin nicht vorgetragen. Dass die Beklagte im Jahre 1995 auf den Wunsch der Klägerin nach Versetzung
eingegangen ist und sie in Hannover stationiert hat, konnte für sich genommen keinen Vertrauenstatbestand begründen und keine Konkretisierung der
Arbeitspflicht auf diesen Arbeitsort bewirken, da der Arbeitsvertrag - abgesehen von der durch Versetzung erfolgten Stationierung in Hannover - unverändert
weiter galt.
e) Der Auffassung des Landesarbeitsgerichts, die Beklagte habe sich durch die Versetzungsklausel ein über § 106 GewO hinausgehendes Versetzungsrecht
vorbehalten, kann der Senat nicht zustimmen. Legt der Arbeitsvertrag, wie im Streitfall, den Ort der Arbeitsleistung nicht fest, so unterliegt ein zusätzlich im
Arbeitsvertrag enthaltener Versetzungsvorbehalt keiner gesonderten Inhaltskontrolle. Die Grenzen des Weisungsrechts ergeben sich in diesem Fall unmittelbar
aus § 106 GewO. Die Vorschrift beinhaltet die Entscheidung des Gesetzgebers über die Frage, welchen Anforderungen die Ausübung des Weisungsrechts in
den Fällen gerecht werden muss, in denen der Arbeitsvertrag das Weisungsrecht nicht weiter ausdehnt, als es im Gesetz vorausgesetzt ist. Da § 106 GewO
gerade auch die Bestimmung des Arbeitsorts der Weisungsmacht des Arbeitgebers zuordnet, kann eine nicht darüber hinausgehende vertragliche Zuweisung des
Bestimmungsrechts nicht mit den Grundgedanken der gesetzlichen Regelung über das Weisungsrecht in Widerstreit treten. Die vom Landesarbeitsgericht
missbilligte Vertragsklausel räumt nach ihrem Wortlaut, insbesondere hinsichtlich des Arbeitsorts, dem Arbeitgeber keine über § 106 GewO hinausgehenden
Rechte ein. Mit ihr ist nicht gesagt, dass die Beklagte etwa ohne Ausübung billigen Ermessens den Ort der Arbeitsleistung einseitig verändern könnte.
II. Ob die Beklagte von ihrem Weisungsrecht einen § 106 GewO, § 315 BGB entsprechenden, billiges Ermessen wahrenden Gebrauch gemacht hat, konnte der
Senat mangels ausreichender Feststellungen nicht entscheiden.
1. Dem Inhaber des Bestimmungsrechts nach § 315 Abs. 1 BGB verbleibt für die rechtsgestaltende Leistungsbestimmung ein nach billigem Ermessen
auszufüllender Spielraum. Innerhalb des Spielraums können dem Bestimmungsberechtigten mehrere Entscheidungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Dem
Gericht obliegt nach § 315 Abs. 3 BGB die Prüfung, ob der Arbeitgeber als Gläubiger die Grenzen seines Bestimmungsrechts beachtet hat (vgl. BGH 18.
Oktober 2007 - III ZR 277/06 - Rn. 20, BGHZ 174, 48). Das Landesarbeitsgericht hat, von seinem Standpunkt aus folgerichtig, die Entscheidung der Beklagten
nicht in diesem Sinne überprüft. Das wird es nachzuholen haben und dabei die nachfolgenden Maßgaben beachten müssen.
2. Die Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen (§ 106 Satz 1 GewO, § 315 BGB) verlangt eine Abwägung der wechselseitigen Interessen nach
verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Wertentscheidungen, den allgemeinen Wertungsgrundsätzen der Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit sowie der
Verkehrssitte und Zumutbarkeit.
a) In die Abwägung sind alle Umstände des Einzelfalls einzubeziehen. Hierzu gehören die Vorteile aus einer Regelung, die Risikoverteilung zwischen den
Vertragsparteien, die beiderseitigen Bedürfnisse, außervertragliche Vor- und Nachteile, Vermögens- und Einkommensverhältnisse sowie soziale
Lebensverhältnisse, wie familiäre Pflichten und Unterhaltsverpflichtungen (BAG 13. April 2010 - 9 AZR 36/09 - Rn. 40, AP BGB § 307 Nr. 45 = EzA BGB
2002 § 307 Nr. 47; 21. Juli 2009 - 9 AZR 404/08 - Rn. 22, EzA TVG § 4 Luftfahrt Nr. 18; so bereits auch: 28. November 1989 - 3 AZR 118/88 - zu II 1 a der
Gründe, BAGE 63, 267). Eine soziale Auswahl wie im Falle des § 1 Abs. 3 KSchG findet nicht statt. Soweit es auf die Zumutbarkeit des neu zugewiesenen
Arbeitsorts ankommt, kann aus den sozialrechtlichen Regeln über die Zumutbarkeit einer Beschäftigung kein belastbarer Maßstab für die arbeitsrechtliche
Beurteilung des Ermessensgebrauchs nach § 106 Satz 1 GewO, § 315 BGB bei einer Versetzung abgeleitet werden (vgl. BAG 17. August 2011 - 10 AZR
202/10 - Rn. 22, 25, EzA GewO § 106 Nr. 9).
b) Zugunsten der Beklagten wird im Streitfall deren vom Landesarbeitsgericht festgestellte unternehmerische Entscheidung zur Schließung des Standorts
Hannover mit einem erheblichen Gewicht in die Abwägung einzubeziehen sein. Die Beklagte hat hierfür wirtschaftliche Erwägungen von beträchtlicher
Tragweite, so zB andernfalls eintretende finanzielle Mehrbelastungen in Höhe von nahezu 100.000,00 Euro monatlich geltend gemacht, die ihrer Maßnahme
auch angesichts der für die Klägerin damit verbundenen Nachteile ein ausreichendes Maß an Plausibilität verleihen und sie deshalb nicht als missbräuchlich
oder willkürlich erscheinen lassen, wie auch das Landesarbeitsgericht erkannt hat.
c) Das Landesarbeitsgericht wird sein Augenmerk ferner darauf richten müssen, dass die Beklagte mit der Personalvertretung maßgebliche Abmilderungen der
für die Arbeitnehmer entstehenden Mehraufwendungen an Freizeit und Fahrtkosten vereinbart hat. Andererseits ist festzustellen, welche konkreten
Auswirkungen die Versetzung für die Klägerin hat, insbesondere in welchem Umfang Fahrten nach und von Frankfurt am Main anfallen. Die Auffassung des
Landesarbeitsgerichts, die Beklagte verlagere in unbilliger Weise das Risiko, für die Transportkosten zum Einsatzort aufkommen zu müssen, auf die
Arbeitnehmer, dürfte dagegen schwerlich zutreffen. Offenbar ist die tariflich vorgesehene Übernahme der Dead-Head-Kosten durch die Beklagte vor dem
Hintergrund zu sehen, dass die Besatzungen im Regelfall die Arbeit am jeweils festgelegten Dienstort aufnehmen und die Bezahlung der Dead-Head-Kosten die
Ausnahme bildet. Ob der Beklagten eine Beschäftigung der Klägerin an einem anderen, für die Klägerin günstigeren Einsatzort möglich war und ob persönliche
Verhältnisse auf Seiten der Klägerin von Gewicht vorhanden sind, die die Entscheidung der Beklagten als unbillig erscheinen lassen, ist bisher nicht ersichtlich.
d) Die vom Landesarbeitsgericht im Zusammenhang mit der Überprüfung der Änderungskündigung ins Feld geführte Möglichkeit, der Klägerin vorübergehend
die befristete Beschäftigung als Purserette bei der Tochtergesellschaft B GmbH zuzuweisen, kann nicht als die Klägerin weniger belastende Maßnahme in
Betracht kommen. Solange - wie im Streitfall - eine unbefristete vertragsgemäße Weiterbeschäftigung beim bisherigen Arbeitgeber möglich ist, ist der
Arbeitgeber nicht verpflichtet, dem Arbeitnehmer eine befristete Beschäftigung bei einem anderen Unternehmen zuzuweisen.
B. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts über die nur hilfsweise ausgesprochene Änderungskündigung war ebenfalls aufzuheben. Sollte das
Landesarbeitsgericht zu dem Ergebnis kommen, dass die Versetzung unwirksam ist, wird es erneut über die Wirksamkeit der Änderungskündigung zu
entscheiden haben und dabei die nachfolgenden Erwägungen zugrunde legen müssen.
I. Eine betriebsbedingte Änderungskündigung ist nur wirksam, wenn sich der Arbeitgeber bei Vorliegen eines Kündigungsgrundes darauf beschränkt hat, solche
Änderungen vorzuschlagen, die der Arbeitnehmer billigerweise hinnehmen muss. Im Rahmen von § 1 Abs. 2 Satz 1 iVm. § 2 KSchG ist dabei zu prüfen, ob
das Beschäftigungsbedürfnis für den Arbeitnehmer zu den bisherigen Vertragsbedingungen entfallen ist (st. Rspr., vgl. zuletzt BAG 29. September 2011 - 2
AZR 451/10 - Rn. 17, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 151 = EzA KSchG § 2 Nr. 82; 10. September 2009 - 2 AZR 822/07 - Rn. 24, BAGE 132, 78). Ob der
Arbeitnehmer eine ihm vorgeschlagene Änderung billigerweise hinnehmen muss, ist nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu ermitteln. Die Änderungen
müssen geeignet und erforderlich sein, um den Inhalt des Arbeitsvertrags den geänderten Beschäftigungsmöglichkeiten anzupassen. Diese Voraussetzungen
müssen für alle Vertragsänderungen vorliegen. Ausgangspunkt ist die bestehende vertragliche Regelung. Die angebotenen Änderungen dürfen sich nicht weiter
vom bisherigen Inhalt des Arbeitsverhältnisses entfernen, als dies zur Erreichung des angestrebten Ziels erforderlich ist (BAG 29. September 2011 - 2 AZR
451/10 - aaO; 10. September 2009 - 2 AZR 822/07 - aaO).
II. Danach dürfte die Änderungskündigung aus dringenden betrieblichen Erfordernissen gerechtfertigt sein.
1. Nicht zu beanstanden ist die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, dass die bisherige Beschäftigungsmöglichkeit für die Klägerin entfallen ist. Die Beklagte
hat, ohne dass Anzeichen für Missbräuchlichkeit oder Willkür erkennbar wären, beschlossen, den Standort Hannover, an dem die Klägerin bisher beschäftigt
war, zu schließen.
2. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts durfte sich die Beklagte bei ihrem Änderungsangebot darauf beschränken, der Klägerin nur solche
Vertragsänderungen anzutragen, die aufgrund des Wegfalls der bisherigen Beschäftigungsmöglichkeit erforderlich waren. Die vom Landesarbeitsgericht als
weniger einschneidend angesehene befristete Beschäftigung bei ihrer Tochtergesellschaft musste die Beklagte der Klägerin nicht anbieten. Jedenfalls solange
eine unbefristete Weiterbeschäftigung möglich ist, muss der Arbeitgeber nicht die befristete Beschäftigung bei einem anderen Arbeitgeber anbieten. Dies gilt
schon deshalb, weil dieses Angebot Vertragsänderungen umfassen würde, die über den durch den Wegfall der bisherigen Beschäftigungsmöglichkeit
veranlassten Umfang an Vertragsänderungen hinausgingen. Die Beklagte ist ihrer Verpflichtung nachgekommen, bei Bestehen mehrerer
Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten diejenige anzubieten, die für den Arbeitnehmer als die günstigste erscheint (vgl. BAG 22. September 2005 - 2 AZR 519/04
- Rn. 29, BAGE 116, 7). ..." (BAG, Urteil vom 13.06.2012 - 10 AZR 296/11)
***
„... 1. Die Begründetheit einer Änderungsschutzklage iSv. § 4 Satz 2 KSchG setzt voraus, dass in dem Zeitpunkt, zu welchem die Änderungskündigung
wirksam wird, das Arbeitsverhältnis nicht ohnehin zu den Bedingungen besteht, die dem Arbeitnehmer mit der Kündigung angetragen wurden (BAG 26. Januar
2012 - 2 AZR 102/11 - Rn. 12; 29. September 2011 - 2 AZR 523/10 - Rn. 14, EzA KSchG § 2 Nr. 83; 26. August 2008 - 1 AZR 353/07 - Rn. 17, AP KSchG
1969 § 2 Nr. 139 = EzA KSchG § 2 Nr. 72). Zielt eine Änderungskündigung ausschließlich auf die Herbeiführung von Arbeitsbedingungen, die ohnehin - sei es
normativ, sei es auf vertraglicher Grundlage - für das Arbeitsverhältnis gelten, ist die Kündigung wegen der mit ihr einhergehenden Bestandsgefährdung zwar
unverhältnismäßig. Streitgegenstand der Änderungsschutzklage ist aber nicht die Wirksamkeit der Kündigung, sondern der Inhalt der für das Arbeitsverhältnis
geltenden Arbeitsbedingungen. Die Feststellung, dass die dem Arbeitnehmer mit der Änderungskündigung angetragenen neuen Arbeitsbedingungen nicht
gelten, kann das Gericht nicht treffen, wenn sich das Arbeitsverhältnis bei Kündigungsausspruch bereits nach den fraglichen Bedingungen richtet (vgl. BAG 26.
Januar 2012 - 2 AZR 102/11 - Rn. 14; 29. September 2011 - 2 AZR 523/10 - aaO).
2. Ein in diesem Sinne „überflüssiges" Änderungsangebot liegt nicht vor.
a) Allerdings war die Beklagte nach Maßgabe des vereinbarten Tätigkeitsbereichs „Fleischer" grundsätzlich berechtigt, den Kläger per Direktionsrecht (§ 106
Satz 1 GewO) aus dem Bereich „Materialvorbereitung" in den Bereich „Rohwurst" - wie bereits im Juli 2009 geschehen - zu „versetzen".
aa) Das Tätigkeitsbild des „Fleischers" umfasst gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 13 der Verordnung über die Berufsausbildung zum Fleischer in der einschlägigen Fassung
vom 23. März 2005 (BGBl. I S. 898) die „Herstellung von Rohwurst". Dazu zählt die dem Kläger im Zusammenhang mit der Änderungskündigung angetragene
Tätigkeit.
bb) Zu Unrecht meint die Beklagte, diese Tätigkeit sei der vertraglich vereinbarten Arbeitsaufgabe deshalb nicht gleichwertig, weil sie nur einen - vermeintlich
unwesentlichen - Teilbereich aus dem Spektrum des Fleischerberufs abdecke. Die Gleichwertigkeit als typische Voraussetzung für die Übertragung einer
anderweitigen „zumutbaren" Arbeitsaufgabe mittels Direktionsrechts orientiert sich bei Anwendung eines tariflichen Vergütungssystems regelmäßig an diesem
System (vgl. BAG 17. August 2011 - 10 AZR 322/10 - Rn. 16, 25, EzA GewO § 106 Nr. 8; 30. August 1995 - 1 AZR 47/95 - zu II 2 b der Gründe, AP BGB §
611 Direktionsrecht Nr. 44 = EzA BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 14; KR/Rost 9. Aufl. § 2 KSchG Rn. 62). Davon geht im Übrigen die Beklagte selbst aus.
Auch sie versteht die bisherigen vertraglichen Festlegungen durchgängig so, dass sie eine Beschäftigung mit solchen im Betrieb anfallenden
„Fleischertätigkeiten" ermöglichten, die nach der Lohngruppe I LTV zu vergüten sind. Sie hat lediglich die Auffassung vertreten, diese Voraussetzung sei mit
Blick auf die Arbeitsplätze, die nach Schließung der „Materialvorbereitung" für eine Weiterbeschäftigung infrage gekommen seien, insbesondere die dem
Kläger angetragene Beschäftigung im Bereich „Rohwurst", nicht erfüllt. Zumindest Letzteres trifft bei richtiger Auslegung des einschlägigen Lohntarifvertrags
vom 26. August 2008 nicht zu.
(1) Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln (zu den Kriterien vgl. BAG 17.
Oktober 2007 - 4 AZR 1005/06 - Rn. 40, BAGE 124, 240; 7. Juli 2004 - 4 AZR 433/03 - zu I 1 b aa der Gründe, BAGE 111, 204) und ist - wie auch die
Auslegung von Gesetzen selbst - in der Revisionsinstanz in vollem Umfang nachzuprüfen (vgl. BAG 18. Mai 2011 - 4 AZR 549/09 - Rn. 28, EzA TVG § 4
Metallindustrie Nr. 139).
(2) Danach sind Arbeitnehmer, die eine Berufsausbildung als Fleischer erfolgreich abgeschlossen haben, bereits dann in die Lohngruppe I LTV eingruppiert,
wenn sie eine dem Berufsbild des Fleischers zugehörige Teiltätigkeit verrichten. Das gilt unabhängig davon, ob die Tätigkeit, wenn sie von einem
Arbeitnehmer ohne abgeschlossene Berufsausbildung durchgeführt wird, nach einer der Lohngruppen II bis IV LTV zu vergüten wäre. Die Tarifvertragsparteien
veranschlagen - wie § 3 Abs. 2 Satz 2 LTV verdeutlicht - die fachliche Qualifikation eines Arbeitnehmers stets höher, auch wenn er nur Teilaufgaben aus dem
Berufsbild des Fleischers verrichtet.
(a) Sind einem allgemein gefassten Tätigkeitsmerkmal einer Lohngruppe konkrete Richt-, Regel- oder Tätigkeitsbeispiele beigefügt, ist das Tätigkeitsmerkmal
regelmäßig dann erfüllt, wenn der Arbeitnehmer eine den Beispielen entsprechende Tätigkeit ausübt (BAG 21. April 2010 - 4 AZR 735/08 - Rn. 20; 20. Mai
2009 - 4 ABR 99/08 - Rn. 30 mwN, BAGE 131, 36). Dies folgt zum einen aus den Grundsätzen der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit, denen die
Tarifvertragsparteien bei Abfassung von Tarifnormen gerecht werden wollen. Zum anderen beruht dies auf dem Umstand, dass die Tarifvertragsparteien im
Rahmen ihrer rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten gewisse häufig vorkommende und typische Aufgaben und Funktionen einer bestimmten Lohngruppe fest
zuordnen können. Ob es sich dabei um eine den allgemeinen Merkmalen entsprechende Tätigkeit handelt, braucht in einem solchen Fall regelmäßig nicht mehr
geprüft zu werden (BAG 21. April 2010 - 4 AZR 735/08 - Rn. 20; 10. März 1999 - 4 AZR 246/98 - zu 3 b der Gründe). Etwas anderes kann gelten, wenn sich
aus dem Wortlaut oder dem tariflichen Gesamtzusammenhang ergibt, dass die von den Tarifvertragsparteien genannten Beispielstätigkeiten nur der Erläuterung
des abstrakten Tätigkeitsmerkmals dienen, allein aber nicht ausreichen sollen, dessen Anforderungen zu genügen (BAG 18. April 2007 - 4 AZR 77/06 - Rn. 17).
(b) Hiervon ausgehend spricht einiges dafür, dass der Kläger schon wegen des dort aufgeführten Richtbeispiels „Fleischergeselle" in die Lohngruppe I LTV
eingruppiert ist. Dem steht § 3 Abs. 1 Satz 2 LTV nicht entgegen. Danach dienen die aufgeführten Tätigkeitsbeispiele der Erläuterung, stellen keinen
abschließenden Katalog dar und begründen nur in Verbindung mit den Lohngruppenmerkmalen (Oberbegriffen) einen Anspruch auf eine entsprechende
Eingruppierung. Mit diesen Formulierungen kommt nicht hinreichend deutlich zum Ausdruck, dass die Tätigkeitsbeispiele bei der Eingruppierung nicht
selbständig anwendbar sein sollen, sondern stets noch eine umfassende Prüfung der abstrakten Lohngruppenmerkmale vorgenommen werden müsse. Zur
Erfüllung des Richtbeispiels muss ein Fleischergeselle auch keine „Führungsverantwortung" haben. Dies ergibt sich weder aus dem Beispiel selbst noch aus
den allgemeinen Merkmalen der Lohngruppe I LTV.
(c) Die Eingruppierung des Klägers in die Lohngruppe I LTV ergibt sich in jedem Fall aus § 3 Abs. 2 Satz 2 LTV. Der Wortlaut der Bestimmung, von dem bei
der Tarifauslegung vorrangig auszugehen ist (st. Rspr., zB BAG 14. September 2011 - 10 AZR 358/10 - Rn. 15, NZA 2011, 1358; 6. Dezember 2006 - 4 AZR
659/05 - BAGE 120, 269), sieht eine Eingruppierung von Arbeitnehmern mit einschlägiger abgeschlossener Berufsausbildung in die Lohngruppe I LTV vor,
sofern sie dem Berufsbild entsprechend tätig sind. Die Tarifregelung setzt somit für die Eingruppierung eines Arbeitnehmers mit Berufsabschluss in diese
Lohngruppe lediglich voraus, dass er „dem Berufsbild entsprechend tätig" ist, ohne zusätzliche Anforderungen an die Schwierigkeit oder den Umfang der
fraglichen Aufgaben zu stellen. Sie erfasst damit auch Teiltätigkeiten, sofern sie dem Ausbildungsberuf zuzurechnen sind. Lediglich fachfremde Arbeiten oder
bloße Hilfstätigkeiten, die bei jeder beruflichen Tätigkeit anfallen und deshalb für diese nicht charakterisierend sind - etwa Reinigungs- oder vergleichbare
Begleittätigkeiten - fallen nach dem Sprachgebrauch des Tarifvertrags aus dem Anwendungsbereich der Vorschrift heraus.
§ 3 Abs. 2 Satz 2 LTV macht auf diese Weise deutlich, dass es bei nachgewiesener Qualifikation für eine Einreihung in die Lohngruppe I LTV nicht noch
zusätzlich auf eine bestimmte Qualität der „dem Berufsbild entsprechenden" Tätigkeiten ankommt. Wollte man die Tarifregelung anders verstehen und - wie
die Beklagte - zusätzlich verlangen, dass die fraglichen Aufgaben in ihrer Breite das „klassische Berufsbild" abdecken und sich etwa durch das Merkmal der
„Wesentlichkeit" von den in den Lohngruppen II bis IV erfassten Teilaufgaben eines Facharbeiters unterscheiden, verbliebe für § 3 Abs. 2 Satz 2 LTV kein
eigenständiger Anwendungsbereich. Die Regelung liefe weitgehend leer.
(d) Dem steht die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht entgegen, derzufolge im Regelfall eine Tätigkeit, die dem Beispiel einer niedrigeren
Lohngruppe entspricht, nicht unter die abstrakten Tätigkeitsmerkmale einer höheren Lohngruppe subsumiert werden kann (vgl. BAG 19. Mai 2010 - 4 AZR
903/08 - Rn. 32, AP TVG § 1 Tarifverträge: Lufthansa Nr. 46; 25. September 1991 - 4 AZR 87/91 - zu II 2 a der Gründe, AP TVG § 1 Tarifverträge:
Großhandel Nr. 7 = EzA TVG § 4 Großhandel Nr. 2). Sie ist schon wegen des Ausnahmecharakters der Regelung des § 3 Abs. 2 Satz 2 LTV auf den Streitfall
nicht übertragbar. Ebenso wenig besteht ein Widerspruch zur Auslegung einer Eingruppierungsregelung im Einzelhandel, die Gegenstand der Entscheidung des
Bundesarbeitsgerichts vom 24. September 2008 (- 4 ABR 83/07 - Rn. 15 ff., AP TVG § 1 Tarifverträge: Einzelhandel Nr. 94) war. In die dortige Lohngruppe
III LTV waren eingruppiert „Arbeitskräfte, die ihre Abschlussprüfung bestanden haben und in ihrem erlernten Beruf beschäftigt sind". Soweit die Beklagte aus
dieser Formulierung für die Auslegung von § 3 Abs. 2 Satz 2 LTV abgeleitet hat, die Tätigkeit müsse „im Wesentlichen" dem Berufsbild entsprechen und das
Gepräge derjenigen einer Fachkraft haben, fehlt es schon nach dem Wortlaut an einer Vergleichbarkeit der Tarifbestimmungen. Überdies stehen beide
Eingruppierungsregelungen in einem unterschiedlichen Gesamtzusammenhang. Die darin zum Ausdruck kommenden unterschiedlichen Bewertungen der
Bedeutung einer abgeschlossenen Berufsausbildung durch die Tarifvertragsparteien sind zu respektieren. Sie könnten selbst bei größerer Übereinstimmung in
der Formulierung der Eingruppierungsvoraussetzungen zu verschiedenen Ergebnissen führen.
(e) Das Auslegungsergebnis wird durch die Tarifgeschichte gestützt.
(aa) Der Lohntarifvertrag vom 5. Juli 2006 ist, was die Eingruppierungsregelungen anbelangt, gleichlautend mit dem hier einschlägigen. Die beiden
Vorgängertarifverträge vom 19. April 2005 und 16. Dezember 2003 (LTV-Alt), stimmen in den allgemeinen Eingruppierungsmerkmalen der Lohngruppe 1
LTV-Alt mit § 2 LTV vom 26. August 2008 überein. In die Lohngruppe 2 LTV-Alt waren „angelernte ArbeitnehmerInnen" eingruppiert, soweit diese nach
einer Einarbeitungszeit von 12 Monaten Teilaufgaben eines/r Facharbeiters/in ausführten. In die Lohngruppen 3 und 4 LTV-Alt waren „ungelernte
ArbeitnehmerInnen" eingruppiert, je nachdem ob sie „mit schweren Arbeiten" oder „mit leichten Arbeiten" betraut waren. Eine der Bestimmung des § 3 LTV
vom 26. August 2008 vergleichbare Regelung enthielten die LTV-Alt nicht. Stattdessen hatten die Tarifvertragsparteien unter § 3 LTV-Alt eine
Besitzstandsregelung getroffen, nach der „bisher gezahlte höhere Löhne und Leistungszulagen" unberührt blieben. Die zeitlich weiter zurückliegenden
Lohntarifverträge vom 5. November 2002, vom 29. August 2001 und vom 20. Mai 1992 nennen in der Lohngruppe 1 keine allgemeinen
Eingruppierungsmerkmale, sondern führen ausschließlich Berufsgruppen wie folgt an: „Gesellen, Handwerker und Kraftfahrer". Hinsichtlich einer
Eingruppierung in die Lohngruppen 2 bis 4 wurde - wie in den Tarifverträgen vom 19. April 2005 und 16. Dezember 2003 - nach „angelernten" und
„ungelernten" Arbeitnehmern unterschieden.
(bb) Diese Entwicklung zeigt, dass die Tarifvertragsparteien seit jeher die fachliche Qualifikation der Arbeitnehmer in Form einer abgeschlossenen
Berufsausbildung als gewichtigen Grund für eine Eingruppierung in die höchste Lohngruppe angesehen haben. Soweit sie diese Voraussetzung ab dem Jahr
2003 um einen Tätigkeitsbezug ergänzt haben, sollte dies für Arbeitnehmer mit abgeschlossener Berufsausbildung erkennbar nicht zu einer grundlegend
anderen Bewertung führen. Dafür spricht die Beibehaltung der Unterscheidung zwischen „angelernten" und „ungelernten" Arbeitnehmern im Übrigen. Mit dem
Tarifvertrag vom 5. Juli 2006 wurden zwar die allgemeinen Eingruppierungsmerkmale der Lohngruppen II bis IV differenzierter ausgestaltet und auch diese um
tätigkeitsbezogene Kriterien ergänzt. Zugleich haben die Tarifvertragsparteien mit der Regelung in § 3 Abs. 2 Satz 2 LTV aber deutlich gemacht, dass sie an der
Qualifikation als Differenzierungskriterium - mit gewissen Einschränkungen - festhalten. Dies kann bei objektiver Betrachtung nur so verstanden werden, dass
sie ein „Abrutschen" von Arbeitnehmern mit abgeschlossener Berufsausbildung in eine niedrigere Vergütungsgruppe jedenfalls dann ausschließen wollten,
wenn diese nicht „fachfremd", sondern mit Aufgaben beschäftigt sind, die Gegenstand der Berufsausbildung sind.
(f) Die von der Beklagten vorgelegte - anderslautende - „Tarifauskunft" des Verbands der Ernährungswirtschaft e.V. Niedersachsen/Bremen/Sachsen-Anhalt
vom 17. September 2010 ist unbeachtlich (vgl. BAG 19. September 2007 - 4 AZR 670/06 - Rn. 32, BAGE 124, 110; zur Problematik ferner Creutzfeldt in FS
Düwell 2011 S. 293 ff.) und vermag das Ergebnis nicht in Frage zu stellen. Zum einen ist der Verband nicht Partei des im Streitfall einschlägigen Tarifvertrags
und war nach eigenem Bekunden nicht in die Tarifverhandlungen eingebunden. Er ist also ohnehin kein „authentischer Interpret". Zum anderen hat der in der
Auskunft bekundete Wille der Beklagten, Tätigkeiten, die dem Berufsbild des Fleischers zwar entsprechen, aber als Tätigkeitsbeispiele bei den Lohngruppen II
und III LTV aufgeführt sind, aus dem Anwendungsbereich des § 3 Abs. 2 Satz 2 LTV auszuklammern, in den Tarifnormen keinen genügenden Niederschlag
gefunden. Dieser Wille kann deshalb bei der Auslegung keine Berücksichtigung finden (vgl. dazu BAG 30. Januar 2002 - 10 AZR 441/01 - zu II 1 a der
Gründe, NZA 2002, 815).
(3) Nach allem sind ausgebildete Fleischer, die im Bereich „Rohwurst" mit den dem Kläger zugewiesenen Tätigkeiten beschäftigt werden, in die Lohngruppe I
LTV eingruppiert. Darauf, ob die Arbeitsaufgabe - wie von der Beklagten geltend gemacht - dem der Lohngruppe III zugeordneten Beispiel „Tätigkeiten in der
Vorbereitung sowie Füllen und Einhängen von Wurst mit einem Stückgewicht von über 2,5 kg in Gestelle" entspricht, kommt es nicht an.
b) Obwohl es demnach keiner Änderung bestehender Vertragsregelungen bedurfte, um den Kläger, ggf. auch längerfristig, im Bereich „Rohwurst" einzusetzen,
liegt kein „überflüssiges" Änderungsangebot vor. Die Erklärungen im Schreiben der Beklagten vom 29. Juli 2009 zielen nicht nur auf die Zuweisung einer
anderen Arbeitsaufgabe im Rahmen der durch die bisherigen Vertragsregelungen eröffneten - weiten - Einsatzmöglichkeit in verschiedenen Arbeitsbereichen
des Betriebs. Mit der in Nr. 1 des Änderungsangebots enthaltenen Regelung wollte die Beklagte vielmehr eine dauerhafte Begrenzung der vertraglich
geschuldeten Tätigkeit des Klägers auf den - deutlich engeren - Tätigkeitsbereich „Rohwurst" erreichen. Schon dies geht - ohne dass es noch auf die gemäß Nr.
2 vorgesehene „Herabgruppierung" ankäme - über das hinaus, was ein Arbeitgeber im Wege des Direktionsrechts einseitig durchzusetzen in der Lage ist.
aa) Das Landesarbeitsgericht hat das mit der Änderungskündigung unterbreitete Änderungsangebot insoweit nicht ausgelegt. Der Senat kann die Auslegung -
auch wenn es sich insgesamt um atypische Erklärungen handeln sollte - selbst vornehmen, weil der Sachverhalt vollständig festgestellt und kein weiteres
tatsächliches Vorbringen der Parteien zu erwarten ist (vgl. BAG 1. September 2010 - 5 AZR 700/09 - Rn. 24 mwN, BAGE 135, 255).
bb) Gemäß Nr. 1 des Änderungsangebots sollte der Kläger „zukünftig im Bereich Rohwurst tätig sein" und „alle damit im Zusammenhang stehenden Aufgaben
verrichten". Dem musste er als verständiger Erklärungsempfänger entnehmen, dass mit der Annahme des Angebots eine entsprechende Festlegung der
vertraglich geschuldeten Tätigkeit verbunden sein sollte. Dieser Eindruck wird dadurch verstärkt, dass unter Nr. 2 des Änderungsangebots ausdrücklich von
einem „neuen" Tätigkeitsbereich die Rede ist.
cc) Diesem Verständnis des Änderungsangebots steht der zuvor vereinbarte, im ursprünglichen Arbeitsvertrag der Parteien enthaltene Versetzungsvorbehalt
nicht entgegen. Das dem Kläger unterbreitete Angebot lässt nicht erkennen, dass diese Regelung weiterhin Gültigkeit haben sollte. Das Angebot beschreibt den
künftigen Einsatzbereich abschließend. Außerhalb der Kündigungserklärung liegende Umstände, die auf einen gegenteiligen Willen der Beklagten schließen
ließen, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
II. Die dem Kläger mit der Änderungskündigung angetragene, einseitig nicht durchsetzbare Beschränkung des vertraglichen Aufgabenbereichs, ist sozialwidrig
iSv. § 2 Satz 1, § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG.
1. Bei einer betriebsbedingten Änderungskündigung ist das Änderungsangebot des Arbeitgebers daran zu messen, ob dringende betriebliche Erfordernisse
gemäß § 1 Abs. 2 KSchG es bedingen und ob der Arbeitgeber sich darauf beschränkt hat, solche Vertragsänderungen vorzuschlagen, die der Arbeitnehmer
billigerweise hinnehmen muss (st. Rspr., BAG 12. Oktober 2010 - 2 AZR 945/08 - Rn. 29, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 147 = EzA KSchG § 2 Nr. 79; 9.
September 2010 - 2 AZR 936/08 - Rn. 29, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 149, jeweils mwN). Im Rahmen des § 1 Abs. 2 Satz 1 iVm. § 2 KSchG ist dabei zu prüfen,
ob ein Beschäftigungsbedürfnis für den betreffenden Arbeitnehmer zu den bisherigen Vertragsbedingungen entfallen ist und ihm bei Anwendung des
Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes die am wenigsten beeinträchtigende Änderung angeboten wurde. Ausgangspunkt ist die bisherige vertragliche Regelung. Die
angebotenen Änderungen dürfen sich nicht weiter vom bisherigen Inhalt des Arbeitsverhältnisses entfernen, als es zur Erreichung des angestrebten Ziels
erforderlich ist (BAG 26. März 2009 - 2 AZR 879/07 - Rn. 51 ff. mwN, AP KSchG 1969 § 9 Nr. 57). Dieser Maßstab gilt unabhängig davon, ob der
Arbeitnehmer das Änderungsangebot abgelehnt oder unter Vorbehalt angenommen hat (BAG 26. November 2009 - 2 AZR 658/08 - Rn. 16, AP KSchG 1969 §
2 Nr. 144 = EzA KSchG § 2 Nr. 76; 15. Januar 2009 - 2 AZR 641/07 - Rn. 14, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 141).
2. Die Vermutungswirkung des § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG greift im Streitfall nicht ein. Die Vorschrift ist zwar auf Änderungskündigungen anwendbar (BAG 19.
Juni 2007 - 2 AZR 304/06 - Rn. 18 ff., BAGE 123, 160). Die Beklagte hat sich aber weder auf sie berufen, noch bietet der festgestellte Sachverhalt
hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass die Voraussetzungen des § 1 Abs. 5 KSchG vorliegen. Fest steht auf der Grundlage des unstreitigen Parteivorbringens
nur, dass am 16. Juli 2009 ein Interessenausgleich/Sozialplan geschlossen wurde. Soweit darin auf eine Liste mit den Namen der für eine Änderungskündigung
vorgesehenen Arbeitnehmer Bezug genommen wird, ist nicht erkennbar, ob und wann eine solche Liste erstellt wurde und ob sie mit dem Interessenausgleich
eine einheitliche Urkunde bildet (zu dieser Voraussetzung BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 420/09 - Rn. 16, AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 98 = EzA
KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 22; 12. Mai 2010 - 2 AZR 551/08 - Rn. 17, AP KSchG 1969 § 1 Namensliste Nr. 20 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich
Nr. 21). Soweit die Beklagte eine - weder von ihr selbst, noch vom Betriebsrat unterzeichnete - „Personalliste" zur Gerichtsakte gereicht hat, in der die von
einer Änderungskündigung betroffenen Arbeitnehmer namentlich aufgeführt sind, handelt es sich ihren eigenen Ausführungen zufolge um die „Anlage 1" zur
Anhörung des Betriebsrats. Anhaltspunkte dafür, dass diese oder eine gleichlautende Liste dem Interessenausgleich beigefügt und mit ihm im
Kündigungszeitpunkt fest verbunden gewesen wäre, liegen nicht vor. Ob die übrigen Voraussetzungen des § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG erfüllt sind, kann offenbleiben.
3. Zugunsten der Beklagten kann unterstellt werden, dass ihre Organisationsentscheidung, die Schinkenzerlegung einzustellen und die Abteilung
„Materialvorbereitung" zu schließen, auf Dauer angelegt war. Weiter kann unterstellt werden, dass jedenfalls nach Ablauf der im Schreiben vom 29. Juli 2009
mitgeteilten Kündigungsfrist im Betrieb - abgesehen von den Arbeitsplätzen nicht vergleichbarer Führungskräfte - keine Tätigkeiten mehr verrichtet wurden,
die iSv. § 2, § 3 Abs. 1 LTV die allgemeinen Eingruppierungsmerkmale der Lohngruppe I erfüllten. Dies berechtigte die Beklagte aber nicht, den bisher weit
gefassten vertraglichen Aufgabenbereich des Klägers dauerhaft auf eine Beschäftigung im Bereich „Rohwurst" zu begrenzen. Fallen aufgrund
unternehmerischer Entscheidung bisher vom Arbeitnehmer verrichtete Arbeitsaufgaben ganz oder teilweise weg, liegt kein dringendes betriebliches Erfordernis
zur Änderung von Vertragsbedingungen iSv. § 2 Satz 1 KSchG vor, solange der Arbeitnehmer auf der bestehenden Vertragsgrundlage vollschichtig mit
Aufgaben beschäftigt werden kann, die ihm in den durch § 106 Satz 1 GewO vorgegebenen Grenzen einseitig übertragen werden können. Das gilt schon
deshalb, weil der Arbeitnehmer sonst Gefahr liefe, sich im Fall einer erneuten, im Kündigungszeitpunkt nicht absehbaren Veränderung des betrieblichen
Leistungsspektrums bei der Sozialauswahl uU nicht mehr auf solche Tätigkeiten berufen zu können, die vormals unzweifelhaft zu seinem Aufgabengebiet
zählten. Ein dringendes betriebliches Erfordernis, die vertraglich geschuldete Tätigkeit auf die noch im Betrieb anfallenden Arbeiten zu begrenzen, ist nicht erkennbar.
4. Fehlt es damit schon an der sozialen Rechtfertigung der angebotenen Tätigkeitsänderung, kommt es nicht mehr darauf an, ob der gemäß Nr. 2 des
Änderungsangebots in Aussicht gestellten Absenkung der Vergütung auf die Lohngruppe III LTV konstitutive, dh. rechtsgeschäftliche Bedeutung zukommen
sollte - was bei normativer Bindung des Klägers tarifwidrig wäre - oder ob es sich lediglich um eine deklaratorische (Wissens-)Erklärung der Beklagten
handelte. Insbesondere kann offenbleiben, welche rechtlichen Konsequenzen es hat, wenn ein Arbeitgeber, der mit der Änderungskündigung in erster Linie eine
Änderung der Tätigkeit anstrebt, sich bei Bindung an ein tarifliches Vergütungssystem über die tarifliche Eingruppierung der neuen Tätigkeit irrt und deshalb
im Änderungsangebot eine unzutreffende Vergütungsgruppe anführt. ..." (BAG, Urteil vom 23.02.2012 - 2 AZR 44/11)
***
„... II. Die Änderungskündigung ist nicht sozial ungerechtfertigt iSv. § 2, § 1 Abs. 2 KSchG.
1. Eine betriebsbedingte Änderungskündigung ist sozial gerechtfertigt, wenn sich der Arbeitgeber bei Vorliegen eines Kündigungsgrundes darauf beschränkt
hat, solche Änderungen anzubieten, die der Arbeitnehmer billigerweise hinnehmen muss. Im Rahmen von § 1 Abs. 2 Satz 1 iVm. § 2 KSchG ist zu prüfen, ob
ein Beschäftigungsbedürfnis für den Arbeitnehmer zu den bisherigen Vertragsbedingungen entfallen ist und dem Arbeitnehmer in Anwendung des
Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes die am wenigsten beeinträchtigende Änderung angeboten wurde (BAG 16. Dezember 2010 - 2 AZR 576/09 - Rn. 30, EzA
KSchG § 2 Nr. 81; 8. Oktober 2009 - 2 AZR 235/08 - Rn. 17 mwN, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 143 = EzA KSchG § 2 Nr. 75). Die angebotenen Änderungen
dürfen sich nicht weiter vom Inhalt des bisherigen Arbeitsverhältnisses entfernen, als dies zur Erreichung des angestrebten Ziels erforderlich ist (BAG 16.
Dezember 2010 - 2 AZR 576/09 - aaO; 26. März 2009 - 2 AZR 879/07 - Rn. 51 ff. mwN, AP KSchG 1969 § 9 Nr. 57). Dieser Maßstab gilt unabhängig davon,
ob der Arbeitnehmer das Änderungsangebot abgelehnt oder unter Vorbehalt angenommen hat (BAG 16. Dezember 2010 - 2 AZR 576/09 - aaO; 15. Januar
2009 - 2 AZR 641/07 - Rn. 14 mwN, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 141). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer
(Änderungs-)Kündigung ist der des Kündigungszugangs (vgl. BAG 13. Februar 2008 - 2 AZR 543/06 - Rn. 20, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte
Kündigung Nr. 175 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 13; 21. April 2005 - 2 AZR 241/04 - zu B I 1 der Gründe, BAGE
114, 258). Der Bedarf an einer Weiterbeschäftigung (zu den bisherigen Bedingungen) muss zu diesem Zeitpunkt voraussichtlich auf Dauer entfallen sein (vgl.
für die Beendigungskündigung BAG 18. Mai 2006 - 2 AZR 412/05 - Rn. 17, AP AÜG § 9 Nr. 7 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 146;
APS/Kiel 3. Aufl. § 1 KSchG Rn. 478).
2. Bei Anwendung dieser Grundsätze ist die Änderungskündigung vom 19. März 2009 sozial gerechtfertigt. Der Bedarf an einer Beschäftigung der Klägerin zu
den bisherigen Vertragsbedingungen war in der Vorausschau auf Dauer entfallen. § 2 Nr. 3 des Änderungstarifvertrags Nr. 1 zum BAT-O vom 8. Mai 1991
schließt eine Herabgruppierung der Klägerin im Wege der Änderungskündigung nicht aus. Mit der dauerhaften Übertragung der Stelle der Leiterin des
Gymnasiums H hat das beklagte Land auch nicht auf das Recht einer entsprechenden Änderungskündigung gegenüber der Klägerin verzichtet. Das Angebot des
beklagten Landes, die Klägerin als Leiterin des Gymnasiums H ab 1. Oktober 2009 unter Eingruppierung in Entgeltgruppe 15 TV-L weiterzubeschäftigen, war verhältnismäßig.
a) Bei Ausspruch der Änderungskündigung war die Prognose gerechtfertigt, der Bedarf für eine Weiterbeschäftigung der Klägerin zu den bisherigen
Vertragsbedingungen sei auf Dauer entfallen.
aa) Zu den bisherigen Vertragsbedingungen gehörte der Anspruch der Klägerin auf eine Vergütung entsprechend Besoldungsgruppe A 16.
(1) Nach dem auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anwendbaren § 2 Nr. 3 des Änderungstarifvertrags Nr. 1 vom 8. Mai 1991 zum BAT-O sind die
angestellten Lehrkräfte in diejenige Vergütungsgruppe des BAT-O eingruppiert, die nach § 11 Satz 2 BAT-O der Besoldungsgruppe entspricht, in welche der
Angestellte eingestuft wäre, wenn er im Beamtenverhältnis stünde. Dabei liegt in der dauerhaften Übertragung einer Schulleiterstelle zugleich die Begründung
eines arbeitsvertraglichen Anspruchs auf die der übertragenen Stelle entsprechende Vergütung (BAG 12. März 2008 - 4 AZR 93/07 - Rn. 25 f., BAGE 126,
149). Im Grundsatz ist daher auch bei einem Absinken der Schülerzahlen unter den für die Eingruppierung maßgeblichen Schwellenwert die mit der
ursprünglich übertragenen Funktion verbundene Vergütung fortzuzahlen. Eine Herabgruppierung erfordert eine Änderungsvereinbarung oder eine sozial
gerechtfertigte Änderungskündigung (BAG 12. März 2008 - 4 AZR 93/07 - Rn. 26, aaO; Donoli/Bauer ZTR 2003, 323, 325).
(2) Die Klägerin hatte danach einen vertraglichen Anspruch auf Vergütung entsprechend Besoldungsgruppe A 16. Ihr war die Stelle der Leiterin des
Gymnasiums H „auf Dauer" übertragen worden. Seinerzeit handelte es sich besoldungsrechtlich um die Funktion der Leiterin eines Gymnasiums mit mehr als
360 Schülern, die nach der maßgeblichen Bundesbesoldungsordnung A (Anlage I zum Bundesbesoldungsgesetz) in die Besoldungsgruppe A 16 eingestuft war.
Nach § 11 Satz 2 BAT-O entsprach der Besoldungsgruppe A 16 die Vergütungsgruppe I BAT-O. Zum 1. November 2006 wurden die Beschäftigten dieser
Vergütungsgruppe gem. § 19 Abs. 3 TVÜ-Länder in die Entgeltgruppe 15 Ü übergeleitet.
bb) Bei Ausspruch der Änderungskündigung im März 2009 war die Prognose gerechtfertigt, der Bedarf an einer Beschäftigung der Klägerin in der Funktion der
Leiterin eines Gymnasiums mit mehr als 360 Schülern sei dauerhaft entfallen. Es war davon auszugehen, dass die Zahl der Schüler des Gymnasiums H nicht
bloß vorübergehend, sondern auf Dauer unter den Schwellenwert gesunken war.
(1) Die Schülerzahlen am Gymnasium H waren in den letzten drei Schuljahren vor Ausspruch der Änderungskündigung kontinuierlich rückläufig. Für das
Schuljahr 2008/2009 wies die amtliche Schulstatistik 334 Schüler aus. Damit war der Schwellenwert von 360 Schülern zuletzt deutlich unterschritten. Grund
für den starken Rückgang war nach dem übereinstimmenden Vortrag der Parteien insbesondere der Wegfall der Jahrgangsstufen 5, 6 und 13 an den Gymnasien
des beklagten Landes. Mit einer Wiedereinführung dieser Klassenstufen war nicht zu rechnen. Dies musste eine auf Dauer geringere Schülerzahl auch an dem
von der Klägerin geleiteten Gymnasium zur Folge haben.
(2) Angesichts dieser Umstände war im Zeitpunkt der Änderungskündigung von einem dauerhaften Unterschreiten der maßgeblichen Schülerzahl auszugehen.
Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass aufgrund absehbarer gegenläufiger Entwicklungen bereits bei Kündigungsausspruch eine gewisse
Wahrscheinlichkeit für einen Wiederanstieg der Schülerzahl bestanden hätte. Der sachlichen Berechtigung der Prognose aus dem Jahr 2009 steht es nicht
entgegen, wenn, wie die Klägerin geltend macht, die Schülerzahl im Schuljahr 2011/2012 wieder 377 beträgt. Die Berechtigung einer Prognose wird nicht
allein durch eine gegenläufige spätere Entwicklung widerlegt. Im Übrigen hat sie sich im Streitfall für zwei Schuljahre nach Ablauf der Kündigungsfrist
(2009/2010 und 2010/2011) durchaus als zutreffend erwiesen. Welche vergütungsrechtlichen Folgen ein (dauerhafter) Wiederanstieg der Schülerzahlen für die
Klägerin hätte, war nicht zu entscheiden.
b) § 2 Nr. 3 des Änderungstarifvertrags Nr. 1 zum BAT-O vom 8. Mai 1991 schließt eine Herabgruppierung der Klägerin im Wege der Änderungskündigung
nicht aus. Aus der Regelung folgt nicht, dass eine Änderungskündigung zur Herabgruppierung nur dann zulässig wäre, wenn auch einer beamteten Lehrkraft
das einmal übertragene Funktionsamt ohne ihr Einverständnis wieder entzogen werden könnte. Nach § 2 Nr. 3 des Änderungstarifvertrags Nr. 1 zum BAT-O
vom 8. Mai 1991 richtet sich zwar die Eingruppierung und damit die Höhe der Vergütung der angestellten Lehrkräfte nach der entsprechenden
Besoldungsgruppe der beamteten Lehrer. Die auf Dauer erfolgte Übertragung der Funktion einer Schulleiterin ist danach wie die Übertragung eines Amtes und
die Einweisung in eine Planstelle bei Beamten zu bewerten und begründet einen bestimmten Vertragsstatus (BAG 12. März 2008 - 4 AZR 93/07 - Rn. 25,
BAGE 126, 149). § 2 Nr. 3 des Änderungstarifvertrags Nr. 1 zum BAT-O vom 8. Mai 1991 sieht aber nicht etwa auch im Übrigen die Anwendung
beamtenrechtlicher Grundsätze für angestellte Lehrer vor. Die Bestimmung betrifft nur die Eingruppierung. Sie ändert nichts daran, dass der Inhalt eines
Anstellungsverhältnisses und seine Veränderung dem Regime des Privatrechts unterstehen, dh. sich nach Vertrags- und Kündigungsschutzrecht richten und
nicht nach Beamten(status)recht. Dieses ist auch nicht entsprechend anwendbar.
c) Mit der dauerhaften Übertragung der Stelle der Leiterin des Gymnasiums H hat das beklagte Land gegenüber der Klägerin nicht auf das Recht zum
Ausspruch einer Änderungskündigung zum Zwecke der Herabgruppierung verzichtet. Für einen so weit reichenden Bindungswillen des beklagten Landes gibt
es grundsätzlich keine Anhaltspunkte. Als öffentlicher Arbeitgeber ist das beklagte Land zu sparsamer Haushaltsführung verpflichtet, die Eingruppierung eines
Arbeitnehmers stellt lediglich Normvollzug dar (vgl. BAG 8. Oktober 2009 - 2 AZR 235/08 - Rn. 29, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 143 = EzA KSchG § 2 Nr. 75;
15. März 1991 - 2 AZR 582/90 - zu B III 3 b der Gründe, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 28 = EzA KSchG § 2 Nr. 16).
d) Das Angebot des beklagten Landes, die Klägerin als Leiterin des Gymnasiums H ab dem 1. Oktober 2009 unter Eingruppierung in Entgeltgruppe 15 TV-L
weiterzubeschäftigen, war verhältnismäßig.
aa) Die Klägerin hat sich nicht darauf berufen, dass es eine geeignete andere, für sie günstigere und weiterhin mit A 16 dotierte freie Schulleiterstelle gegeben
hätte, auf welcher sie hätte weiterbeschäftigt werden können.
bb) Die der Klägerin angebotene Vergütung entspricht der besoldungsrechtlichen Bewertung der Funktion der Leiterin eines Gymnasiums mit bis zu 360
Schülern. Eine beamtete Lehrkraft wäre in diesem Fall in Besoldungsgruppe A 15 BBesO eingestuft. Dem entspricht nach § 11 Satz 2 BAT-O die
Vergütungsgruppe Ia und damit nach Überleitung gem. Anlage 2 Teil B TVÜ-Länder zum 1. November 2006 die Entgeltgruppe 15 TV-L. In dem Angebot der
reduzierten Vergütung liegt zugleich das Angebot, die Klägerin künftig in der Funktion der Leiterin eines Gymnasiums mit bis zu 360 Schülern
weiterzubeschäftigen. Sonstige, über die notwendige Anpassung hinausgehende Änderungen hat das beklagte Land der Klägerin nicht angetragen. ..." (BAG,
Urteil vom 29.09.2011 - 2 AZR 451/10)
***
„... I. Dem Landesarbeitsgericht ist darin zu folgen, dass es sich bei dem vorliegenden Rechtsstreit um eine Änderungskündigungsschutzklage entsprechend §§
2, 4 Satz 2 KSchG handelt.
1. Der entsprechenden Anwendung der §§ 2, 4 Satz 2 KSchG auf außerordentliche Änderungskündigungen steht nicht entgegen, dass § 13 Abs. 1 Satz 2 KSchG
keine Verweisung auf § 2 KSchG enthält (Senat 19. Juni 1986 - 2 AZR 565/85 - AP KSchG 1969 § 2 Nr. 16 = EzA KSchG § 2 Nr. 7). Zwar ist in der seit 1.
Januar 2004 geltenden Fassung des § 13 Abs. 1 Satz 2 KSchG eine Verweisung auf §§ 2, 4 Satz 2 KSchG erneut nicht erfolgt. Der Zweck des § 2 KSchG
verlangt aber danach, dass der Arbeitnehmer die Wirksamkeit auch einer außerordentlichen Änderungskündigung gerichtlich überprüfen lassen kann, ohne
zugleich den Verlust des Arbeitsplatzes insgesamt riskieren zu müssen (KR- Rost 9. Aufl. § 2 KSchG Rn. 32).
2. Die Auslegung (§§ 133, 157 BGB) des Schreibens des Beklagten vom 20. Dezember 2007 ergibt, dass darin eine Änderungskündigung iSv. § 2 Satz 1
KSchG ausgesprochen wurde. Es wurde die Kündigung des Arbeitsverhältnisses erklärt verbunden mit einem Angebot zu dessen Fortsetzung zu geänderten
Bedingungen. Im ersten und drittletzten Absatz des Schreibens ist ausdrücklich von einer "Änderungskündigung" die Rede. Aus dem Zusammenhang des
Schreibens wird zudem erkennbar, dass der beklagte Landkreis das auf Seite 2 wiedergegebene, dem Kläger bereits zuvor in einem Gespräch unterbreitete
Änderungsangebot aufrechterhielt.
3. Es kann dahinstehen, ob der Kläger das Änderungsangebot rechtzeitig unter Vorbehalt gemäß § 2 Satz 1 KSchG angenommen hat. Es bedarf daher keiner
Entscheidung, ob die Annahme bei einer außerordentlichen Änderungskündigung mit Auslauffrist unverzüglich erklärt werden muss, oder, wie bei einer
ordentlichen Kündigung, lediglich innerhalb der Frist gemäß § 2 Satz 2 KSchG. Der Beklagte hat sich jedenfalls nachträglich auf eine möglicherweise
verspätete Erklärung eingelassen.
a) Erklärt der Arbeitnehmer die Annahme unter Vorbehalt nicht fristgerecht, ist die verspätete Erklärung nach § 150 Abs. 1 BGB als neues Angebot auf
Abschluss eines Änderungsvertrags unter Vorbehalt zu verstehen. Dieses kann der Arbeitgeber seinerseits annehmen. Der Arbeitgeber kann sich folglich auch
nachträglich auf eine verspätete Annahme unter Vorbehalt einlassen (Senat 17. Juni 1998 - 2 AZR 336/97 - zu II 2 a der Gründe, BAGE 89, 149).
b) Dies ist hier geschehen. Spätestens aufgrund ihrer übereinstimmenden Erklärung während der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht am 16.
September 2009 bestand zwischen den Parteien Einigkeit darüber, dass das Arbeitsverhältnis, falls der Kläger mit seiner Klage keinen Erfolg haben sollte, über
den 30. Juni 2008 hinaus zu den Bedingungen fortbestünde, die sich aus dem Änderungsangebot vom 20. Dezember 2007 und dem - ebenfalls unter Vorbehalt
geschlossenen - Arbeitsvertrag vom 18. September 2008 ergäben.
II. Die Änderungskündigung ist nicht mangels hinreichender Bestimmtheit des Änderungsangebots rechtsunwirksam. Auch die Schriftform gemäß § 623 BGB
ist gewahrt.
1. Das Änderungsangebot muss so konkret gefasst sein, dass es der Arbeitnehmer ohne weiteres annehmen kann. Dies muss bereits im Zeitpunkt des Zugangs
der Kündigung der Fall sein. Eine spätere Klarstellung durch den Arbeitgeber reicht nicht aus (Senat 15. Januar 2009 - 2 AZR 641/07 - Rn. 16, 20, AP KSchG
1969 § 2 Nr. 141). Das Schriftformerfordernis des § 623 BGB erstreckt sich auch auf das Änderungsangebot. Dieses ist Bestandteil der Kündigung. Der Inhalt
des Änderungsangebots muss im Kündigungsschreiben zumindest hinreichenden Anklang finden (sog. Andeutungstheorie). Dabei sind ggf. auch außerhalb des
Schreibens liegende Umstände zur Auslegung der Erklärung heranzuziehen und zu berücksichtigen (Senat 16. September 2004 - 2 AZR 628/03 - zu B I 2 der
Gründe, BAGE 112, 58).
2. Dem Schreiben des Beklagten vom 20. Dezember 2007 ist hinreichend deutlich zu entnehmen, dass das Änderungsangebot eine ganzjährige Tätigkeit des
Klägers auf dem Bauhof zum Gegenstand hatte, wo der Kläger außerhalb der Badesaison schon in der Vergangenheit tätig war. Die Vergütung sollte sich nach
Entgeltgruppe 3 TVöD richten, da es sich um Hilfsarbeitertätigkeiten handele, welche ohne erlernten handwerklichen Beruf ausgeübt werden könnten. Damit
sind der Inhalt der Tätigkeit und die Höhe der Vergütung hinreichend bestimmt, die übrigen Arbeitsbedingungen ergaben sich aus den schon bisher auf das
Arbeitsverhältnis des Klägers anwendbaren Tarifregelungen.
III. Die Änderungskündigung ist nicht wegen Verstoßes gegen § 34 Abs. 2 Satz 2 TVöD iVm. § 55 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 1 BAT unwirksam.
1. Nach § 55 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 1 BAT konnte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis eines ordentlich unkündbaren Arbeitnehmers unter bestimmten
Voraussetzungen zum Zwecke der Herabgruppierung um lediglich eine Vergütungsgruppe kündigen, wenn der Angestellte dauerhaft außerstande war,
diejenigen Arbeitsleistungen zu erfüllen, für die er eingestellt wurde.
2. Diese Regelung fand zum Kündigungszeitpunkt keine Anwendung mehr.
a) § 55 BAT wurde mit Wirkung zum 1. Oktober 2005 durch § 34 TVöD abgelöst. § 34 TVöD sieht eine mit § 55 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 1 BAT vergleichbare
Regelung nicht mehr vor.
b) § 55 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 1 BAT ist auch nicht wegen § 34 Abs. 2 Satz 2 TVöD weiter anwendbar. Nach dieser Bestimmung "verbleibt es dabei, soweit
Beschäftigte nach den bis zum 30. September 2005 geltenden Tarifregelungen unkündbar waren".
aa) Nach § 34 Abs. 2 Satz 2 TVöD "verbleibt" es insoweit nur bei der "tariflichen Unkündbarkeit" als solcher, nicht auch bei deren einzelnen Modalitäten. Dies
ergibt sich sowohl aus dem Wortlaut von § 34 Abs. 2 Satz 2 TVöD als auch aus dem tariflichen Gesamtzusammenhang. Die tarifliche Verschlechterung des
Sonderkündigungsschutzes begegnet unter Vertrauensschutzerwägungen keinen Bedenken (zur Begründung im Einzelnen vgl. Senat 27. November 2008 - 2
AZR 757/07 - Rn. 13 - 22, BAGE 128, 308).
Damit ist auch § 55 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 1 BAT nicht mehr anzuwenden (ebenso wohl Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck TVöD Stand August 2010
§ 34 TVöD Rn. 33; Bröhl ZTR 2006, 174, 179; Eylert PersR 2007, 92, 99; Fritz ZTR 2006, 2, 10; Görg/Guth/Hamer/Pieper-Guth TVöD § 34 Rn. 80; Guth
PersR 2008, 313, 316; aA, ebenso wie für § 55 Abs. 2 Unterabs. 1 Satz 2 BAT: Hock, ZTR 2005, 558, 561). Die Bestimmung hat ebenfalls lediglich eine
weitere Modalität tariflicher Unkündbarkeit zum Gegenstand.
bb) Aus Satz 4 der Protokollerklärung zum 3. Abschnitt (Besitzstandsregelungen) des Tarifvertrags zur Überleitung der Beschäftigten der kommunalen
Arbeitgeber in den TVöD und zur Regelung des Übergangsrechts vom 13. September 2005 (TVÜ-VKA) ergibt sich nichts anderes. Darin ist bestimmt, dass ua.
§ 55 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 2 BAT in seinem "bisherigen Geltungsbereich" unberührt bleibt. § 55 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 1 BAT ist nicht aufgeführt. Dies
zeigt, dass die Modalitäten der Unkündbarkeit nicht bereits nach § 34 Abs. 2 Satz 2 TVöD weitergelten. Anderenfalls hätte es der ausdrücklichen Anordnung
der Weitergeltung von § 55 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 2 BAT nicht bedurft (Görg/Guth/Hamer/Pieper-Guth TVöD § 34 Rn. 80).
Nach dem weiter anzuwendenden § 55 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 2 BAT ist die Kündigung ausgeschlossen, wenn die Leistungsminderung Folge eines
Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit iSv. §§ 8, 9 SGB VII ist oder auf einer durch die langjährige Beschäftigung verursachten Abnahme der körperlichen
oder geistigen Kräfte und Fähigkeiten beruht. Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor.
cc) Entgegen der Auffassung des Klägers lässt sich für eine Fortgeltung von § 55 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 1 BAT nichts aus dem ersten und dem letzten Satz der
Protokollerklärung zum 3. Abschnitt des TVÜ-VKA ableiten. Der darin enthaltene Hinweis auf noch nicht abgeschlossene Verhandlungen zur Überleitung der
Entgeltsicherung bei Leistungsminderung betrifft nicht die Regelungen zur Unkündbarkeit in § 55 BAT, sondern die bei Arbeitsunfall und Berufskrankheit
nach § 56 BAT zu zahlende Ausgleichszulage.
IV. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, die Änderungskündigung vom 20. Dezember 2007 sei durch einen wichtigen Grund im Sinne des § 34 Abs. 2
Satz 1 TVöD gerechtfertigt, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
1. Gemäß § 34 Abs. 2 Satz 1 TVöD konnte der Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers, der im Kündigungszeitpunkt das 40. Lebensjahr vollendet hatte und
länger als 15 Jahre bei ihm beschäftigt war, nur aus einem wichtigen Grund kündigen. Eine ordentliche Kündigung war ausgeschlossen. Der Ausschluss der
ordentlichen Kündigung gemäß § 34 Abs. 2 Satz 1 TVöD gilt auch für eine Änderungskündigung (Bepler/Böhle/Meerkamp/Stöhr-Eylert TVöD Stand Juni
2010 § 34 TVöD-AT Rn. 23). Mit dem Begriff des "wichtigen Grundes" knüpft die tarifvertragliche Bestimmung an die gesetzliche Regelung des § 626 Abs. 1
BGB an (vgl. Senat 26. November 2009 - 2 AZR 272/08 - Rn. 12, AP BGB § 626 Nr. 225 = EzA BGB 2002 § 626 Unkündbarkeit Nr. 16; 27. November 2003 -
2 AZR 601/02 - zu B I 5 der Gründe mwN, AP BGB § 626 Krankheit Nr. 11 = EzA BGB 2002 § 626 Krankheit Nr. 1). Bei einer derartigen Bezugnahme gilt
zugleich § 626 Abs. 2 BGB, wonach die außerordentliche Kündigung nur innerhalb einer Ausschlussfrist von zwei Wochen erklärt werden kann (Senat 26.
November 2009 - 2 AZR 272/08 - Rn. 12, aaO; 5. Februar 1998 - 2 AZR 227/97 - zu II 4 der Gründe, BAGE 88, 10).
a) Ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Änderungskündigung setzt voraus, dass die alsbaldige Änderung der Arbeitsbedingungen unabweisbar notwendig
ist und die geänderten Bedingungen dem gekündigten Arbeitnehmer zumutbar sind (Senat 21. Juni 1995 - 2 ABR 28/94 - zu B II 2 c der Gründe, BAGE 80,
185). Auch vom Arbeitnehmer nicht zu vertretende Umstände in seiner Person können geeignet sein, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen (Senat
26. November 2009 - 2 AZR 272/08 - Rn. 24, AP BGB § 626 Nr. 225 = EzA BGB 2002 § 626 Unkündbarkeit Nr. 16). Ein wichtiger Grund kann insbesondere
dann vorliegen, wenn der Arbeitnehmer aufgrund von Umständen, die in seiner Sphäre liegen, zu der nach dem Vertrag vorausgesetzten Arbeitsleistung auf
unabsehbare Dauer nicht mehr in der Lage ist. Darin liegt regelmäßig eine schwere und dauerhafte Störung des vertraglichen Austauschverhältnisses, der der
Arbeitgeber, wenn keine anderen Beschäftigungsmöglichkeiten bestehen, mit einer außerordentlichen Kündigung begegnen kann (Senat 26. November 2009 - 2
AZR 272/08 - Rn. 24, aaO; 5. Juni 2008 - 2 AZR 984/06 - Rn. 27 mwN, AP BGB § 626 Nr. 212 = EzA KSchG § 1 Personenbedingte Kündigung Nr. 22), wenn
eine andere Beschäftigungsmöglichkeit besteht, mit einer außerordentlichen Änderungskündigung. Ist die ordentliche Kündbarkeit tariflich ausgeschlossen,
kann eine außerordentliche Kündigung mit einer der ordentlichen Kündigung entsprechenden Auslauffrist berechtigt sein (Senat 27. November 2003 - 2 AZR
601/02 - zu B I 5 b der Gründe mwN, AP BGB § 626 Krankheit Nr. 11 = EzA BGB 2002 § 626 Krankheit Nr. 1; 18. Oktober 2000 - 2 AZR 627/99 - zu II 3 der
Gründe, BAGE 96, 65).
b) Im Fall eines tariflich unkündbaren Arbeitnehmers kommt der Verpflichtung des Arbeitgebers, die Kündigung - wenn möglich - durch andere Maßnahmen
abzuwenden, eine besondere Bedeutung zu. Der Arbeitgeber hat zur Vermeidung einer Kündigung alle in Betracht kommenden Beschäftigungs- und
Einsatzmöglichkeiten von sich aus umfassend zu prüfen und eingehend zu sondieren (Senat 26. November 2009 - 2 AZR 272/08 - Rn. 35, AP BGB § 626 Nr.
225 = EzA BGB 2002 § 626 Unkündbarkeit Nr. 16; 23. März 1972 - 2 AZR 216/71 - zu 2 der Gründe, BAGE 24, 222). Aus dem Vorbringen des Arbeitgebers
muss erkennbar sein, dass er auch unter Berücksichtigung der besonderen Verpflichtungen alles Zumutbare unternommen hat, um eine Kündigung zu
vermeiden (vgl. für eine außerordentliche betriebsbedingte Änderungskündigung Senat 18. Mai 2006 - 2 AZR 207/05 - Rn. 25, AP BAT § 55 Nr. 5 = EzA
KSchG § 2 Nr. 60; 2. März 2006 - 2 AZR 64/05 - Rn. 29, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 84 = EzA KSchG § 2 Nr. 58). Ist der Arbeitnehmer ordentlich unkündbar,
kann der Arbeitgeber im Einzelfall verpflichtet sein, zur Vermeidung einer außerordentlichen Änderungskündigung einen gleichwertigen Arbeitsplatz
freizukündigen (vgl. Senat 18. Mai 2006 - 2 AZR 207/05 - Rn. 28, aaO). Hingegen muss auch der öffentliche Arbeitgeber grundsätzlich nicht versuchen, zur
Vermeidung einer Änderungskündigung eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers bei einem anderen Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes zu erreichen
(vgl. Senat 18. Mai 2006 - 2 AZR 207/05 - Rn. 34, aaO).
c) Ob der Arbeitnehmer in eine ihm angesonnene Änderung billigerweise einwilligen muss, ist nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu ermitteln (Senat 8.
Oktober 2009 - 2 AZR 235/08 - Rn. 18, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 143 = EzA KSchG § 2 Nr. 75; 29. März 2007 - 2 AZR 31/06 - Rn. 30, EzA KSchG § 2 Nr.
66). Die Änderungen müssen geeignet und erforderlich sein, um den Inhalt des Arbeitsvertrags den geänderten Beschäftigungsmöglichkeiten anzupassen. Diese
Voraussetzungen müssen für alle angebotenen Änderungen vorliegen. Ausgangspunkt ist die bisherige vertragliche Regelung. Die angebotenen Änderungen
dürfen sich von deren Inhalt nicht weiter entfernen, als zur Erreichung des angestrebten Ziels erforderlich ist (Senat 8. Oktober 2009 - 2 AZR 235/08 - Rn. 18,
aaO; 2. März 2006 - 2 AZR 64/05 - Rn. 24, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 84 = EzA KSchG § 2 Nr. 58). Zumutbar ist eine Weiterbeschäftigung zu geänderten
Arbeitsbedingungen dem Arbeitnehmer insbesondere dann, wenn dies die einzige Möglichkeit darstellt, ihn überhaupt weiterzubeschäftigen (vgl. Senat 2. März
2006 - 2 AZR 64/05 - Rn. 34, aaO; 27. September 2001 - 2 AZR 487/00 - zu II 2 d der Gründe, EzA KSchG § 15 nF Nr. 54).
d) Wenn neben der Tätigkeit auch die Vergütung des Arbeitnehmers geändert werden soll, sind beide Elemente des Änderungsangebots am
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu messen.
aa) Eine gesonderte Rechtfertigung des Vergütungsangebots ist nur dann entbehrlich, wenn dieses sich aus einem im Betrieb angewandten Vergütungssystem
ergibt (Senat 27. November 2008 - 2 AZR 757/07 - Rn. 31, BAGE 128, 308; 29. November 2007 - 2 AZR 388/06 - Rn. 41, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 136 = EzA
KSchG § 2 Nr. 69). In einem solchen Fall ist eine Aufspaltung des Änderungsangebots in die Veränderung der Tätigkeit einerseits und deren Vergütung
andererseits aus Rechtsgründen ausgeschlossen. Die neue Tätigkeit ist einer bestimmten Entgeltgruppe zugeordnet, so dass sich ihre Vergütung "automatisch"
ergibt. Ist die Veränderung der Tätigkeit als solche unabweisbar und daher geeignet, eine darauf gerichtete außerordentliche Änderungskündigung zu
rechtfertigen, so gilt dies auch hinsichtlich der Änderung der Eingruppierung (Senat 21. Juni 1995 - 2 ABR 28/94 - zu B II 2 a bb der Gründe, BAGE 80, 185).
Dem Arbeitgeber ist es in diesen Fällen regelmäßig nicht zumutbar, lediglich die Tätigkeit des Arbeitnehmers den neuen Gegebenheiten anzupassen und es bei
der bisherigen - nunmehr übertariflichen - Bezahlung zu belassen (Senat 17. März 2005 - 2 ABR 2/04 - zu B II 4 a der Gründe, AP KSchG 1969 § 15 Nr. 58 =
EzA KSchG § 15 nF Nr. 59).
bb) Maßgeblich ist, ob die geänderte Tätigkeit tatsächlich entsprechend einer Tarifautomatik vergütet wird oder nicht. Hat der Arbeitgeber zwar die bisherige
Tätigkeit übertariflich entlohnt, vergütet er die geänderte Tätigkeit aber generell nur tariflich, gebietet es der Änderungskündigungsschutz nicht, dem von der
Änderungskündigung betroffenen Arbeitnehmer auch für die geänderte Tätigkeit eine - wie auch immer bemessene - übertarifliche Vergütung zu zahlen. Dies
kommt nur dann in Betracht, wenn sich die geänderte Vergütung nicht aus einem im Betrieb angewandten Vergütungssystem ergibt (vgl. Löwisch SAE 2007,
49, 50).
2. Gemessen daran war die Änderung der Arbeitsbedingungen gemäß der Kündigung des Beklagten vom 20. Dezember 2007 unabweisbar notwendig und sind
die geänderten Bedingungen dem Kläger zumutbar.
a) Das Landesarbeitsgericht hat für den Senat bindend festgestellt, dass der Kläger auf Dauer aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr als Schwimmmeister hat
eingesetzt werden können.
aa) Damit lag eine in der Sphäre des Klägers liegende schwere und dauerhafte Störung des vertraglichen Austauschverhältnisses vor. Diese machte es dem
Beklagten auch unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile unzumutbar, den Kläger auf
Dauer als Schwimmmeister weiterzubeschäftigen. Dem Beklagten war es nicht zumutbar, eine Umverteilung der Aufgaben der Rettungsschwimmer in der
Weise vorzunehmen, dass künftig nur die beiden Kollegen des Klägers für die Rettung Ertrinkender zuständig wären. Eine Aufgabentrennung in die reine
Aufsicht einerseits und die Rettung Ertrinkender andererseits war weder sachlich sinnvoll noch personell umsetzbar. Insbesondere war eine
Dienstplangestaltung, die neben dem Kläger immer mindestens einen weiteren Mitarbeiter des Rettungsdienstes vorsähe, nach den Feststellungen des
Landesarbeitsgerichts nicht möglich. Eine Möglichkeit, den Kläger an anderer Stelle gleichwertig zu beschäftigen, bestand ebenfalls nicht.
bb) Dem Umstand, dass es für den Kläger im Jahr 2008 während der gesamten Badesaison wegen bestimmter Baumaßnahmen ohnehin keine
Einsatzmöglichkeit als Schwimmmeister gegeben hätte, hat das Landesarbeitsgericht zu Recht keine entscheidungserhebliche Bedeutung beigemessen. Am
dauerhaften Fehlen einer Eignung zum Einsatz als Schwimmmeister ändert es nichts, dass ein solcher Einsatz des Klägers vorübergehend noch aus einem
weiteren Grund nicht möglich war.
cc) Es bedarf keiner Entscheidung, ob auch eine fristlose Änderungskündigung gerechtfertigt gewesen wäre. Der Beklagte hat die Kündigung nicht fristlos,
sondern unter Gewährung einer der ordentlichen Kündigungsfrist entsprechenden Auslauffrist ausgesprochen.
b) Der Beklagte hat dem Kläger nur solche Vertragsänderungen angeboten, die dieser billigerweise akzeptieren muss.
aa) Die Änderung der Tätigkeit verstößt nicht gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts handelt es sich bei
der angebotenen Hilfsarbeiterstelle auf dem Bauhof um die einzige noch verbliebene Möglichkeit, den Kläger zu beschäftigen. Andere Alternativen kamen
nicht in Betracht. Das Änderungsangebot war damit die einzige Möglichkeit, eine sonst erforderliche Beendigungskündigung zu vermeiden.
bb) Die - wenn auch beträchtliche - Änderung der Vergütung ist vom Kläger hinzunehmen. Sie stellt sich nicht etwa als Lohnkürzung bei unveränderten
Arbeitsaufgaben dar. Sie knüpft an die neue Tätigkeit an und entspricht dem für diese maßgeblichen Vergütungssystem.
(1) Die Eingruppierung im Bereich der Kommunen richtet sich gemäß § 17 Abs. 1 TVÜ-VKA weiterhin nach §§ 22, 23 BAT, solange eine Entgeltordnung zum
TVöD nicht vereinbart ist. Die vorläufige Zuordnung der bisherigen Vergütungsgruppen zu den neuen Entgeltgruppen ergibt sich aus Anlage 3 TVÜ-VKA.
(2) Der Entgeltgruppe 3 TVöD sind nach Anlage 3 TVÜ-VKA ua. die bisher in Lohngruppe 2 mit Aufstieg nach Lohngruppe 3 oder 3a und die in Lohngruppe
3 mit Aufstieg nach Lohngruppe 3a eingereihten gewerblichen Tätigkeiten zugeordnet. Der Entgeltgruppe 4 TVöD entsprechen die bisher in Lohngruppe 4 mit
Aufstieg nach Lohngruppe 4a und die in Lohngruppe 3 mit Aufstieg nach Lohngruppe 4 oder 4a eingereihten Tätigkeiten.
(3) Die vom Kläger als Hilfsarbeiter im Bauhof auszuübenden Tätigkeiten unterfallen allenfalls der Lohngruppe 3 Fallgruppe 2 des maßgeblichen
Lohngruppenverzeichnisses des Bezirkstarifvertrags Nr. 6 zum BMT-G II ohne Möglichkeit des Aufstiegs nach Lohngruppe 4 oder 4a. Eine Eingruppierung in
Lohngruppe 4 oder in Lohngruppe 3 mit möglichem Aufstieg nach Lohngruppe 4 oder 4a setzt zumindest eine erfolgreich abgeschlossene Ausbildung in einem
anerkannten Ausbildungsberuf und die Beschäftigung in diesem oder einem verwandten Beruf voraus. Dass diese Voraussetzungen vorlägen, ist vom
Landesarbeitsgericht weder festgestellt noch von dem Kläger geltend gemacht.
(4) Es bedarf keiner Entscheidung, ob der Kläger mit einer Vergütung nach Entgeltgruppe 8 TVöD bislang tarifgerecht oder übertariflich entlohnt wurde. Selbst
wenn die bisherige Vergütung übertariflich gewesen sein sollte, hätte der Beklagte dem Kläger nicht auch für die geänderte Tätigkeit eine übertarifliche
Vergütung anbieten müssen. Maßgeblich ist vielmehr, dass sich die Vergütung für diese Tätigkeit aus einem im Betrieb angewandten Vergütungssystem ergibt.
Es ist weder festgestellt, noch macht der Kläger geltend, der Beklagte vergüte Hilfsarbeitertätigkeiten auf dem Bauhof übertariflich.
(5) Der Beklagte war auch im Hinblick auf die beträchtliche Differenz zwischen der bisherigen und der neuen Vergütung des Klägers nicht verpflichtet, diesem
eine weniger einschneidende Änderung oder eine Übergangsregelung anzubieten. Die Existenz eines kollektiven Vergütungssystems lässt für den Arbeitgeber -
zumal im öffentlichen Dienst - eine andere als die sich aus diesem ergebende Vergütung grundsätzlich nicht zu. Der Wegfall der bisherigen
Beschäftigungsmöglichkeit ist zudem nicht aufgrund bestimmter unternehmerischer Entscheidungen eingetreten, sondern beruht allein auf Gründen in der
Person des Klägers.
3. Der Beklagte hat die Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB gewahrt. Bei dem für die Änderungskündigung maßgeblichen Mangel der Eignung
des Klägers für die bisherige Tätigkeit handelt es sich um einen sog. Dauertatbestand. Für die Einhaltung der Zweiwochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB ist es
ausreichend, dass dieser Tatbestand auch noch in den letzten beiden Wochen vor Ausspruch der Kündigung vorgelegen hat (vgl. Senat 21. März 1996 - 2 AZR
455/95 - zu II 1 b der Gründe, AP BGB § 626 Krankheit Nr. 8 = EzA BGB § 626 Ausschlussfrist Nr. 10). ..." (BAG, Urteil vom 28.10.2010 - 2 AZR 688/09 )
***
„... I. Entgegen der Auffassung der Revision ist die Änderungskündigung nicht wegen Verstoßes gegen § 102 Abs. 1 BetrVG rechtsunwirksam.
1. Die Beklagte hat mit dem in Rostock gebildeten Betriebsrat die zuständige betriebliche Interessenvertretung nach § 102 BetrVG angehört. Die Feststellungen
und Würdigung des Landesarbeitsgerichts lassen keinen Rechtsfehler erkennen. Die Klägerin greift dieses Ergebnis auch nicht an.
2. Die Beklagte hat den Betriebsrat ordnungsgemäß über die Gründe der Änderungskündigung unterrichtet (§ 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG).
a) Bei einer Änderungskündigung hat der Arbeitgeber dem Betriebsrat sowohl die Gründe für die Änderung der Arbeitsbedingungen als auch das
Änderungsangebot mitzuteilen (Senat 27. September 2001 - 2 AZR 236/00 - zu B II 1 der Gründe, BAGE 99, 167). Dabei ist die Mitteilung der
Kündigungsgründe nach § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG "subjektiv determiniert". Der Arbeitgeber muss nur die Umstände mitteilen, die seinen
Kündigungsentschluss tatsächlich bestimmt haben (KR-Rost 9. Aufl. § 2 KSchG Rn. 115b). Teilt der Arbeitgeber objektiv kündigungsrechtlich erhebliche
Tatsachen dem Betriebsrat deshalb nicht mit, weil er darauf die Kündigung nicht oder zunächst nicht stützen will, ist die Anhörung zwar ordnungsgemäß
erfolgt, dem Arbeitgeber ist es aber verwehrt, im Kündigungsschutzprozess Gründe nachzuschieben, die über die Erläuterung des mitgeteilten Sachverhalts
hinausgehen (bspw. Senat 23. Juni 2009 - 2 AZR 474/07 - Rn. 34, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 47 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht
strafbarer Handlung Nr. 8; 11. Oktober 1989 - 2 AZR 61/89 - zu II 2 b, c der Gründe, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 47 = EzA KSchG §
1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 64). Der Arbeitgeber kommt seiner Unterrichtungspflicht erst dann nicht mehr nach, wenn er aus seiner Sicht dem
Betriebsrat bewusst eine unrichtige oder unvollständige Sachverhaltsdarstellung unterbreitet (Senat 7. November 2002 - 2 AZR 599/01 - zu B I 1 a der Gründe
mwN, AP KSchG 1969 § 1 Krankheit Nr. 40 = EzA KSchG § 1 Krankheit Nr. 50).
b) Bei einer betriebsbedingten Kündigung ist die Mitteilung über die Überlegungen des Arbeitgebers zur Sozialauswahl grundsätzlich Bestandteil der
ordnungsgemäßen Beteiligung des Betriebsrats. Beruft sich der Arbeitgeber auf eine Auswahl nach sozialen Kriterien, hat er die in seine Auswahl einbezogenen
Arbeitnehmer und deren Sozialdaten, die Auswahlkriterien und seinen Bewertungsmaßstab anzugeben. Nicht ausreichend sind pauschale, schlag- oder
stichwortartige Angaben (Senat 26. Oktober 1995 - 2 AZR 1026/94 - zu II 2 c der Gründe, BAGE 81, 199). Dabei genügt er seiner Mitteilungspflicht, wenn er
die für ihn subjektiv erheblichen Auswahlüberlegungen darlegt. Ergibt sich aus seiner Auskunft, dass er nicht alle nach dem Gesetz maßgeblichen Sozialdaten
oder ungeeignete Kriterien berücksichtigt hat oder dass die von ihm beachteten Kriterien im Kündigungsschutzprozess bei objektiver Würdigung noch einer
weiteren Konkretisierung bedürfen (Senat 30. Juni 1988 - 2 AZR 49/88 - zu II 2 b der Gründe, RzK III 1 b Nr. 12), kann die Unterrichtung gleichwohl
ausreichend sein, wenn für den Betriebsrat erkennbar ist, dass der Arbeitgeber eine Sozialauswahl für überflüssig gehalten hat, etwa weil nach dessen Ansicht
kein mit dem zu kündigenden Arbeitnehmer vergleichbarer Mitarbeiter (mehr) vorhanden sein soll oder weil er allen Arbeitnehmern kündigen will (vgl. Senat
13. Mai 2004 - 2 AZR 329/03 - zu II 4 b bb der Gründe, BAGE 110, 331; Senat 27. September 2001 - 2 AZR 236/00 - zu B II 2 b der Gründe, BAGE 99, 167;
KR-Etzel 9. Aufl. § 102 BetrVG Rn. 62j mwN).
c) Daran gemessen ist die Anhörung des Betriebsrats ordnungsgemäß.
aa) Die Beklagte hat ihren Kündigungsentschluss dahingehend erläutert, dass sie eine soziale Auswahl bei der beabsichtigten Änderungskündigung der Klägerin
für entbehrlich halte, weil sie bereits zuvor mit 13 der in Rostock beschäftigten 15 Referenten eine verbindliche Verständigung über eine einvernehmliche
Versetzung erzielt habe und nur noch zwei Referenten zur Änderungskündigung angestanden hätten. Nach dem mit dem Betriebsrat abgestimmten Verfahren
seien daher im Kündigungszeitpunkt die für Schwerin ausgeschriebenen Stellen besetzt gewesen und sei nur noch eine Versetzung der Klägerin (und eines
Kollegen) nach Neubrandenburg im Wege der Änderungskündigung in Betracht gekommen.
bb) Die Annahme der Klägerin, diese subjektiven Erwägungen seien nur "vorgeschoben", um dem Vorwurf einer fehlerhaften Betriebsratsanhörung zu
entgehen, ist unberechtigt. Zwar hatte sich die Beklagte im Streitfall zunächst auf eine ordnungsgemäß durchgeführte Auswahl unter Einbeziehung sozialer
Gesichtspunkte berufen und erst auf Rüge der fehlerhaften Unterrichtung des Betriebsrats ihre jetzige Position eingenommen. Dieser Vortrag zu den Gründen
ihres Kündigungsentschlusses war der Beklagten jedoch nicht abgeschnitten. Dies gilt um so mehr und erscheint bei Anwendung eines subjektiven Maßstabs
nachvollziehbar als sich ihre Argumentation an den Regelungen zu §§ 4, 5 des Interessenausgleichs vom 30. Januar 2006 orientiert, nach denen den betroffenen
Arbeitnehmern vorab Angebote zur einvernehmlichen Versetzung unter "entsprechender" Anwendung der vereinbarten Kündigungsauswahlrichtlinie zu
unterbreiten waren. Erst in einem zweiten Schritt sollte - ausnahmsweise - eine Änderungskündigung ausgesprochen werden.
cc) Die ihren Kündigungsentschluss bestimmenden Umstände hat die Beklagte dem Betriebsrat ausreichend mitgeteilt. Im Anhörungsschreiben vom 2. Oktober
2006 hat sie als betrieblichen Anlass für die Kündigung die Schließung der Geschäftsstelle Rostock genannt und den Betriebsrat über ihre Absicht unterrichtet,
der Klägerin eine Weiterbeschäftigung als Referentin in Neubrandenburg anzubieten. Soweit die Beklagte in diesem Zusammenhang auf ein zuvor
unterbreitetes Angebot einer befristeten Beschäftigung auf einer Referentenstelle in Schwerin und das Versetzungsangebot vom 13. Juli 2006 eingegangen ist,
verweist sie zwar darauf, dass diese - durch die Klägerin abgelehnten - Angebote "die Regeln der Sozialauswahl gemäß § 5 der Vereinbarung zum
Interessenausgleich/Auswahlrichtlinie" berücksichtigten. Mit daran anschließendem Hinweis auf eine zwischenzeitlich getroffene Entscheidung zur Besetzung
der für Schwerin ausgeschriebenen Stellen hat sie aber zugleich ihren Standpunkt verdeutlicht, dass es zu dem Änderungsangebot keine Alternative mehr
gegeben habe und andere Beschäftigungsmöglichkeiten zwischenzeitlich ausgeschlossen seien.
dd) Zu Unrecht rügt die Revision, die Beklagte hätte dem Betriebsrat die Sozialdaten der anderen Referenten mitteilen müssen. Die Beklagte konnte aufgrund
der ihrer Ansicht nach gebotenen Trennung der nach §§ 4, 5 des Interessenausgleichs abzugebenden Erklärungen vertretbar davon ausgehen, dass es solcher
Angaben nicht bedürfe, weil nunmehr keine Sozialauswahl mehr stattzufinden brauche.
Auch war sie nicht verpflichtet, dem Betriebsrat von vorneherein solche Umstände mitzuteilen, die ein treuwidriges Verhalten oder eine Umgehung des
Kündigungsschutzes einschließlich einer vorzunehmenden Sozialauswahl objektiv auszuschließen vermochten. Lediglich wenn und soweit sie dies zum
Gegenstand ihres Kündigungsentschlusses gemacht hätte, könnte sich etwas anderes ergeben (vgl. Senat 26. Oktober 1995 - 2 AZR 1026/94 - zu II 2 c der
Gründe, BAGE 81, 199).
d) Andere Mängel des Anhörungsverfahrens sind nicht ersichtlich und werden von der Revision auch nicht geltend gemacht.
3. Ob die Beklagte darüber hinaus das Mitbestimmungsverfahren zur Versetzung iSv. § 95 Abs. 3 BetrVG beim Betriebsrat Rostock ordnungsgemäß
durchgeführt hat, kann dahingestellt bleiben. Es ist keine Wirksamkeitsvoraussetzung für die Änderungskündigung, dass im Kündigungszeitpunkt eine
Zustimmung des Betriebsrats zur Versetzung vorliegt (Senat 22. April 2010 - 2 AZR 491/09 - Rn. 15, NZA 2010, 1235; 30. September 1993 - 2 AZR 283/93 -
zu B I 3 der Gründe, BAGE 74, 291).
II. Das Landesarbeitsgericht durfte auf der Basis seiner bisherigen Feststellungen die Änderung der Arbeitsbedingungen nicht als sozial gerechtfertigt iSv. § 2
iVm. § 1 Abs. 2, Abs. 3 KSchG ansehen. Zwar liegen im Kündigungszeitpunkt betriebliche Erfordernisse vor, die einer Weiterbeschäftigung der Klägerin in
Rostock entgegenstanden. Bei der Beurteilung der Zumutbarkeit und Verhältnismäßigkeit des Änderungsangebots hat das Berufungsgericht jedoch einen
unzutreffenden Prüfungsmaßstab angelegt.
1. Eine betriebsbedingte Änderungskündigung ist sozial gerechtfertigt, wenn sich der Arbeitgeber bei Vorliegen eines Kündigungsgrunds darauf beschränkt hat,
lediglich solche Änderungen anzubieten, die der Arbeitnehmer billigerweise hinnehmen muss. Im Rahmen des § 1 Abs. 2 Satz 1 iVm. § 2 KSchG ist vor allem
zu prüfen, ob ein Beschäftigungsbedürfnis für den betreffenden Arbeitnehmer zu den bisherigen Vertragsbedingungen entfallen ist und dem Arbeitnehmer bei
Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes die am wenigsten beeinträchtigende Änderung angeboten wurde (st. Rspr. des Senats, zuletzt 8. Oktober
2009 - 2 AZR 235/08 - Rn. 17 mwN, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 143 = EzA KSchG § 2 Nr. 75; 15. Januar 2009 - 2 AZR 641/07 - Rn. 13 f., AP KSchG 1969 § 2
Nr. 141). Die angebotenen Änderungen dürfen sich nicht weiter vom Inhalt des bisherigen Arbeitsverhältnisses entfernen, als dies für die Erreichung des
angestrebten Ziels erforderlich ist. Aus dem Vorbringen des Arbeitgebers muss erkennbar werden, dass er auch unter Berücksichtigung der vertraglich
eingegangenen Verpflichtungen alles Zumutbare unternommen hat, die notwendig gewordene Anpassung auf das unbedingt erforderliche Maß zu beschränken
(Senat 26. März 2009 - 2 AZR 879/07 - Rn. 51 ff. mwN, AP KSchG 1969 § 9 Nr. 57). Dieser Maßstab gilt unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer das
Änderungsangebot abgelehnt oder unter Vorbehalt angenommen hat (Senat 26. November 2009 - 2 AZR 658/08 - Rn. 16, EzA KSchG § 2 Nr. 76; 15. Januar
2009 - 2 AZR 641/07 - Rn. 14 mwN, aaO).
2. Aufgrund der Schließung der Geschäftsstelle Rostock und der Verlagerung der Aufgaben in die Geschäftsstelle Schwerin und in die Niederlassung
Neubrandenburg lag an sich ein dringendes betriebliches Erfordernis vor.
a) Dringende betriebliche Erfordernisse zur Änderung der Arbeitsbedingungen iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1, § 2 KSchG sind gegeben, wenn das Bedürfnis für die
Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers zu den bisherigen Bedingungen entfallen ist (Senat 29. November 2007 - 2 AZR 388/06 - Rn. 21, AP KSchG 1969 § 2
Nr. 136 = EzA KSchG § 2 Nr. 69; 22. April 2004 - 2 AZR 385/03 - zu B I 2 der Gründe, BAGE 110, 188). Eine Änderung des Beschäftigungsbedarfs kann sich
insbesondere aus innerbetrieblichen Umständen als Folge einer Organisationsentscheidung ergeben (Senat 29. November 2007 - 2 AZR 388/06 - Rn. 21, aaO;
23. Juni 2005 - 2 AZR 642/04 - Rn. 16, BAGE 115, 149). Eine Organisationsentscheidung kann ein dringendes betriebliches Erfordernis iSd. § 1 Abs. 2 Satz 1
KSchG begründen, wenn sie sich konkret auf die Einsatzmöglichkeit des gekündigten Arbeitnehmers auswirkt (Senat 21. September 2006 - 2 AZR 607/05 -
Rn. 27, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 130 = EzA KSchG § 2 Nr. 62). Solche Organisationsentscheidungen unterliegen im Kündigungsschutzprozess nur einer
eingeschränkten Missbrauchskontrolle darauf hin, ob sie offenbar unvernünftig oder willkürlich und ob sie ursächlich für den vom Arbeitgeber geltend
gemachten Änderungsbedarf sind (Senat 23. Juni 2005 - 2 AZR 642/04 - Rn. 17, aaO; 22. April 2004 - 2 AZR 385/03 - zu B I 3 der Gründe, aaO).
b) Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts (§ 559 Abs. 2 ZPO) hat die Beklagte die unternehmerische Entscheidung
getroffen, die Geschäftsstelle Rostock zum 31. Dezember 2007 zu schließen und die bisher dort verrichteten Tätigkeiten nach Schwerin und Neubrandenburg
zu verlagern. Diese Aufgabenverlagerung ist grundsätzlich geeignet, eine betriebsbedingte Änderungskündigung zu rechtfertigen (Senat 27. September 2001 - 2
AZR 246/00 - zu I 1 c aa der Gründe, EzA KSchG § 2 Nr. 41).
c) Von diesen Veränderungen war die Klägerin betroffen. Ihr Arbeitsplatz befand sich seit Beginn ihrer Tätigkeit in Rostock. Dies entsprach der im
Arbeitsvertrag getroffenen Vereinbarung zum Dienstort Rostock. Die im Jahr 2005 erfolgte verwaltungstechnische Anbindung der von der Klägerin besetzten
Stelle an die Niederlassung Schwerin - wie im Schreiben vom 2. März 2005 dokumentiert - änderte daran nichts; die den Bereich Bad Doberan betreffenden
Aufgaben wurden weiterhin aufgrund entsprechender Organisationsentscheidung der Beklagten in Rostock erledigt. Diese Beschäftigungsmöglichkeiten sind
mit der Schließung der Geschäftsstelle Rostock entfallen.
d) Dass die Entscheidung im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung noch nicht vollständig umgesetzt war, steht dem nicht entgegen. Die
Organisationsentscheidung hatte mit dem Beschluss zur Schließung der Geschäftsstelle, dem Abschluss des Interessenausgleichs vom 30. Januar 2006 und den
bereits getroffenen Versetzungsvereinbarungen im Kündigungszeitpunkt hinreichend greifbare Formen angenommen (zuletzt bspw. Senat 13. Februar 2008 - 2
AZR 79/06 - Rn. 23, RDG 2008, 234; 11. März 1998 - 2 AZR 414/97 - zu II 1 b der Gründe, AP BetrVG 1972 § 111 Nr. 43 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte
Kündigung Nr. 99).
e) Der Beklagten kann auch nicht entgegen gehalten werden, sie hätte ihre Struktur so organisieren können, dass die Klägerin weiterhin ihre Arbeit von Rostock
aus hätte erledigen können. Das liefe auf eine unzulässige Zweckmäßigkeitsüberprüfung der getroffenen Organisationsentscheidung hinaus (Senat 21. Februar
2002 - 2 AZR 556/00 - zu II 3 d der Gründe, EzA KSchG § 2 Nr. 45).
3. Rechtsfehlerhaft hat das Landesarbeitsgericht jedoch angenommen, dass die angebotenen neuen Arbeitsbedingungen verhältnismäßig und zumutbar waren.
Dieses Ergebnis wird von den bisherigen Feststellungen nicht getragen.
a) Die Parteien gehen übereinstimmend davon aus, dass eine Weiterbeschäftigung in der Geschäftsstelle Schwerin für die Klägerin objektiv günstiger und
weniger belastend wäre als eine Tätigkeit in Neubrandenburg.
b) Einer Prüfung der Verhältnismäßigkeit und Zumutbarkeit des Änderungsangebots im Hinblick auf Beschäftigungsmöglichkeiten in Schwerin steht nicht
entgegen, dass sich die Beklagte mit anderen Referenten bereits endgültig über deren dortige Weiterbeschäftigung verständigt hatte.
aa) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats kann sich ein Arbeitgeber zur Rechtfertigung einer Kündigung nicht auf einen von ihm selbst treuwidrig
herbeigeführten, etwa durch eine vorgezogene Stellenbesetzung verursachten Wegfall freier Arbeitsplätze im Kündigungszeitpunkt berufen (Rechtsgedanke des
§ 162 BGB; vgl. Senat 25. April 2002 - 2 AZR 260/01 - zu III 2 b der Gründe, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 121 = EzA KSchG § 1
Betriebsbedingte Kündigung Nr. 121; 21. September 2000 - 2 AZR 440/99 - zu III 2 d ee der Gründe, BAGE 95, 350). Er hat es nicht in der Hand, eine
Auswahlentscheidung nach § 1 Abs. 3 KSchG dadurch zu vermeiden, dass er zunächst einen freien Arbeitsplatz besetzt und später eine Beendigungskündigung
wegen fehlender Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten ausspricht. Erfolgen die Besetzung einer freien Stelle und die Kündigung aufgrund eines einheitlichen
Entschlusses, sind bei Prüfung der Kündigungsvoraussetzungen des § 1 KSchG beide Erklärungen des Arbeitgebers als Einheit zu würdigen. Dies gilt nicht nur
für die Prüfung anderer Beschäftigungsmöglichkeiten im Betrieb oder Unternehmen, sondern auch im Hinblick auf die Erforderlichkeit einer Sozialauswahl
nach § 1 Abs. 3 KSchG (vgl. Senat 21. September 2000 - 2 AZR 440/99 - aaO; 10. November 1994 - 2 AZR 242/94 - zu II 3 der Gründe, AP KSchG 1969 § 1
Betriebsbedingte Kündigung Nr. 65 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 77). Ein treuwidriges, weil rechtsmissbräuchliches Verhalten liegt
insbesondere dann vor, wenn für den Arbeitgeber bereits zum Zeitpunkt der Stellenbesetzung der Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit für den später
gekündigten Arbeitnehmer absehbar war (Senat 25. April 2002 - 2 AZR 260/01 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 121 = EzA KSchG § 1
Betriebsbedingte Kündigung Nr. 121).
bb) Sind von einer Organisationsmaßnahme des Arbeitgebers mehrere vergleichbare Arbeitnehmer betroffen und konkurrieren diese um anderweitige
Beschäftigungsmöglichkeiten in demselben Betrieb, hat der Arbeitgeber durch eine Sozialauswahl nach den Grundsätzen des § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG zu
entscheiden, welchen Arbeitnehmer er auf dem freien Arbeitsplatz weiterbeschäftigt (Senat 10. November 1994 - 2 AZR 242/94 - AP KSchG 1969 § 1
Betriebsbedingte Kündigung Nr. 65 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 77; vgl. auch Senat 22. September 2005 - 2 AZR 544/04 - Rn. 41
mwN, AP KSchG 1969 § 15 Nr. 59 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 141). Entsprechendes gilt, wenn sich der Arbeitgeber in Kenntnis
anstehender Kündigungen zur Besetzung freier Arbeitsplätze im Betrieb oder Unternehmen iSv. § 1 Abs. 2 Satz 2 KSchG entschließt.
cc) Diese Grundsätze finden auch bei einer Änderungskündigung Anwendung. § 2 Satz 1 KSchG verweist uneingeschränkt auf § 1 Abs. 2 Satz 1 bis 3, Abs. 3
Satz 1 und 2 KSchG. Auch bei ihr kann sich der Arbeitnehmer auf andere Beschäftigungsmöglichkeiten zu ihn weniger belastenden Arbeitsbedingungen
berufen (KR-Rost 9. Aufl. § 2 KSchG Rn. 101 f.). Dass es dabei nicht um das "Ob" einer Kündigung, sondern das "Wie" der Änderungen der
Arbeitsbedingungen geht, entbindet den Arbeitgeber jedenfalls dann nicht von einer analog zu § 1 Abs. 3 KSchG vorzunehmenden sozialen Auswahl, wenn für
eine Weiterbeschäftigung - objektiv und eindeutig - unterschiedliche Tätigkeiten zur Verfügung stehen, zugleich mehrere Arbeitnehmer um eine geringere
Anzahl günstigerer Beschäftigungsmöglichkeiten konkurrieren und deshalb eine personelle Auswahl zu treffen ist. Ein anderes Ergebnis wäre mit dem
Grundsatz, wonach Kündigung und Änderungsangebot im Fall der Änderungskündigung eine innere Einheit bilden, unvereinbar (Senat 16. September 2004 - 2
AZR 628/03 - zu B I 2 der Gründe, BAGE 112, 58).
dd) Von diesen allgemeinen Erwägungen ist das Landesarbeitsgericht zwar ausgegangen. Es hat aber den Prüfungsmaßstab unzutreffend angewandt. Es hätte
die Auswahlrichtlinie nicht mit der Begründung für maßgeblich halten dürfen, sie habe lediglich zur Festlegung von Zumutbarkeitskriterien für die
einvernehmlichen Versetzungen gedient. Es hätte sie vielmehr einer uneingeschränkten Prüfung nach § 1 Abs. 3 und 4 KSchG unterziehen müssen. Dies ergibt
sich aus dem objektiven Zusammenhang zwischen den vorgezogenen Änderungsangeboten und der anschließenden Änderungskündigung. Den Erklärungen lag
der einheitliche Entschluss der Beklagten zugrunde, die Arbeitsbedingungen der in Rostock tätigen Referenten den veränderten Strukturen anzupassen. Die
Beklagte beabsichtigte von vorneherein, die angestrebte Änderung der Arbeitsbedingungen notfalls durch Änderungskündigung herbeizuführen. Das ergibt sich
deutlich aus ihrem Schreiben an die Rostocker Mitarbeiter, das mit dem Hinweis versehen war, dass das Beschäftigungsangebot "zur Vermeidung einer
Änderungskündigung" unterbreitet werde.
(1) Zwar ist für Änderungskündigungen die Aufstellung von Auswahlrichtlinien nach § 1 Abs. 4 KSchG grundsätzlich möglich (hM, vgl. nur ErfK/Oetker 10.
Aufl. § 2 KSchG Rn. 52; KR-Rost 9. Aufl. § 2 KSchG Rn. 103c; Löwisch/Spinner KSchG 9. Aufl. § 2 Rn. 79; zur Anwendbarkeit von § 1 Abs. 5 KSchG
bereits Senat 19. Juni 2007 - 2 AZR 304/06 - Rn. 18 ff., BAGE 123, 160). Dabei sind die Betriebsparteien aber an die Regelungen des
Kündigungsschutzgesetzes gebunden. Sie können die gesetzlichen Anforderungen an die Sozialauswahl nicht abweichend von § 1 Abs. 3 KSchG festlegen
(Senat 5. Juni 2008 - 2 AZR 907/06 - Rn. 18, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 179 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 81).
(2) Dies gilt auch für ein der Änderungskündigung vorgeschaltetes Auswahlverfahren. Nur so lässt sich verhindern, dass die Regelungen zur Sozialauswahl bei
betriebsbedingten Kündigungen umgangen werden und der gesetzliche Kündigungsschutz für den einzelnen Arbeitnehmer abgeschwächt wird.
ee) Die vorliegende Auswahlrichtlinie genügt nicht den Voraussetzungen, unter denen nach § 1 Abs. 4 KSchG die Bewertung der sozialen Auswahl nur auf
grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden kann. Dabei kann im Ergebnis dahingestellt bleiben, ob sie wirksam vom Gesamtbetriebsrat abgeschlossen werden
konnte - wofür vieles spricht, da der für die Sozialauswahl maßgebende kündigungsschutzrechtliche Betrieb sich in zwei Geschäftsstellen gliederte, die
betriebsverfassungsrechtlich als selbständige Betriebe nach § 4 BetrVG galten (vgl. Gaul/Lunk NZA 2004, 184, 186). Sie verwendet jedenfalls Kriterien, die
auch bei einer Sozialauswahl im Zusammenhang mit Änderungskündigungen nach § 2 iVm. § 1 Abs. 3 KSchG nicht berücksichtigt werden dürfen.
(1) Nach der Rechtsprechung des Senats ist die Sozialauswahl bei einer Änderungskündigung nicht allein daran auszurichten, welcher von mehreren
vergleichbaren Arbeitnehmern durch den Verlust des Arbeitsplatzes am wenigsten hart getroffen würde. Da es bei der ordentlichen Änderungskündigung -
unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer sie unter Vorbehalt angenommen hat oder nicht - um die soziale Rechtfertigung des Änderungsangebotes geht, ist bei
der sozialen Auswahl vielmehr darauf Bedacht zu nehmen, wie sich die vorgeschlagene Vertragsänderung auf den sozialen Status vergleichbarer Arbeitnehmer
auswirkt. Es ist zu prüfen, ob der Arbeitgeber, statt die Arbeitsbedingungen des gekündigten Arbeitnehmers zu ändern, diese Änderung einem anderen
vergleichbaren Arbeitnehmer hätte anbieten können, dem sie eher zumutbar gewesen wäre (vgl. Senat 18. Januar 2007 - 2 AZR 796/05 - Rn. 26, AP KSchG
1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 89 = EzA KSchG § 2 Nr. 64 - insoweit zu § 2 Satz 1 iVm. § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG vom 19. Dezember 1998; 19. Mai 1993 - 2
AZR 584/92 - zu II 3 d der Gründe, BAGE 73, 151; BAG 13. Juni 1986 - 7 AZR 623/84 - zu II 2 der Gründe, BAGE 52, 210). Nach der früheren
Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts konnten dabei auch andere als die in § 1 Abs. 3 KSchG nF genannten Kriterien Beachtung finden (vgl. bspw. 13.
Juni 1986 - 7 AZR 623/84 - aaO). Seit Inkrafttreten der Neuregelung des § 1 Abs. 3 KSchG durch das Gesetz zu Reformen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember
2003 (BGBl. I, 3002) sind nunmehr allein die Kriterien Betriebszugehörigkeit, Unterhaltspflichten, Lebensalter und Schwerbehinderung bei der sozialen
Auswahl maßgebend. Zwar sind diese für die besondere Situation einer Änderungskündigung oft nicht aussagekräftig genug (bspw. Senat 18. Januar 2007 - 2
AZR 796/05 - Rn. 26, AP KSchG 1969 § 1 KSchG Soziale Auswahl Nr. 89 = EzA KSchG § 2 Nr. 64). Auf eine Heranziehung zusätzlicher Faktoren und
Kriterien muss aber wegen der klaren gesetzlichen Regelung verzichtet werden. Es kommt allenfalls eine Ergänzung im Rahmen der Gewichtung der
Grunddaten aus § 1 Abs. 3 KSchG in Betracht, soweit die ergänzenden Faktoren einen unmittelbaren Bezug zu diesen Grunddaten haben (Fitting 25. Aufl. § 95
Rn. 25; KR-Rost 9. Aufl. § 2 KSchG Rn. 103b; Löwisch/Spinner KSchG 9. Aufl. § 2 Rn. 65; Gaul/Lunk NZA 2004, 184, 185).
(2) Diesen gesetzlichen Vorgaben genügt die hier angewandte Auswahlrichtlinie nicht.
Nach § 5 Nr. 5 der Auswahlrichtlinie wird die Pflegebedürftigkeit von im Haushalt des Arbeitnehmers lebenden Angehörigen oder die Betreuungsbedürftigkeit
von Kindern bis zur Vollendung des 12. Lebensjahrs unabhängig vom Bestehen einer Unterhaltsverpflichtung mit jeweils 20 Punkten berücksichtigt. Das ist
mit § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG nicht vereinbar. Die Norm geht von gesetzlichen Unterhaltsverpflichtungen aus (ganz hM, bspw. HaKo-Gallner 3. Aufl. § 1 Rn.
780; Stahlhacke/Preis 10. Aufl. Rn. 1087; jeweils mwN). Es besteht nach geltender Gesetzeslage kein rechtlicher Anknüpfungspunkt dafür, dass ein anderer
Mitarbeiter demjenigen Arbeitnehmer, der sich zur Pflege eines hilfsbedürftigen Menschen entschlossen hat oder in seinem Haushalt ohne gesetzliche
Unterhaltsverpflichtung ein minderjähriges Kind betreut, in der Sozialauswahl nachzustehen hätte (vgl. APS/Kiel 3. Aufl. § 1 KSchG Rn. 724).
ff) Es ist deshalb nicht auszuschließen, dass bei der Abgabe des Änderungsangebots soziale Auswahlgesichtspunkte nicht ausreichend beachtet wurden und das
Angebot aus diesem Grund unverhältnismäßig und der Klägerin unzumutbar war.
Der von der Beklagten im Prozess vorgelegten Punktetabelle ist zwar zu entnehmen, dass bei keinem der 15 Referenten die Betreuung eines pflegebedürftigen
Angehörigen im Haushalt Berücksichtigung gefunden hat. Es ist aber nicht auszuschließen, dass bei der Berücksichtigung von im Haushalt lebenden Kindern
unter 12 Jahren keine Differenzierung nach Unterhaltspflichten erfolgt ist. Dies gilt um so mehr, als die Klägerin die Richtigkeit der Angaben ihrer Kollegen zu
den Sozialdaten angezweifelt hat. Dem wird das Landesarbeitsgericht weiter nachgehen müssen.
III. Ob bei der Besetzung der für Schwerin ausgeschriebenen Stellen die sozialen Gesichtspunkte iSv. § 1 Abs. 3 KSchG gleichwohl ausreichend berücksichtigt
worden sind und deshalb jedenfalls der Klägerin im Ergebnis ein verhältnismäßiges und zumutbares Änderungsangebot von der Beklagten unterbreitet wurde,
wird das Landesarbeitsgericht aufzuklären haben.
1. Dabei wird es berücksichtigen müssen, dass der Mangel der Auswahlrichtlinie nicht zwingend zur Fehlerhaftigkeit der konkreten Auswahlentscheidung
führt. Diese kann gleichwohl ausreichend iSv. § 1 Abs. 3 KSchG sein, wenn sich der betreffende Fehler auf das Ergebnis der sozialen Auswahl nicht ausgewirkt
hat. Der Beklagten muss deshalb die Darlegung ermöglicht werden, dass im Ergebnis soziale Gesichtspunkte iSv. § 1 Abs. 3 KSchG ausreichende
Berücksichtigung gefunden haben (Senat 18. Oktober 2006 - 2 AZR 473/05 - Rn. 33, BAGE 120, 18). Dies erscheint im Streitfall nicht ausgeschlossen. Die in
der Auswahlrichtlinie vorgenommene Gewichtung der Grunddaten zueinander ist dabei mit Blick auf § 1 Abs. 3 KSchG und die Intention der
Änderungskündigung nicht zu beanstanden. Die im Verhältnis zu den Unterhaltspflichten geringere Gewichtung selbst einer langjährigen Betriebszugehörigkeit
kann sich daraus rechtfertigten, dass die Dauer der Beschäftigung - anders als etwa das Lebensalter und die Unterhaltspflichten - bei einer örtlichen Versetzung
nur eine untergeordnete Rolle spielt.
2. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Wegstrecken und Wegezeiten bei der Auswahl Berücksichtigung finden konnten. In dieser Hinsicht hat die Klägerin -
unstreitig - die zweithöchste Punktzahl von allen Referenten erreicht. Es ist deshalb nicht erkennbar, dass ihr dieser Umstand im Ergebnis zum Nachteil
gereicht hat.
3. Das Landesarbeitsgericht wird darüber hinaus zu berücksichtigen haben, dass es der Beklagten selbst bei Unkenntnis des Betriebsrats über die maßgebenden
Sozialdaten der Rostocker Referenten nicht verwehrt ist, sich auf eine iSv. § 2 iVm. § 1 Abs. 3 KSchG ausreichende Sozialauswahl zu berufen. Der
Arbeitgeber, der bei einer durchgeführten Sozialauswahl bestimmte Arbeitnehmer übersehen oder nicht für vergleichbar erachtet und deshalb dem Betriebsrat
die für die soziale Auswahl (objektiv) erheblichen Umstände zunächst nicht mitgeteilt hat, ist grundsätzlich berechtigt, seinen Vortrag im Prozess zu ergänzen,
ohne dass darin ein nach § 102 BetrVG unzulässiges Nachschieben von Kündigungsgründen läge (vgl. Senat 7. November 1996 - 2 AZR 720/95 - zu B III 2 der
Gründe mwN, RzK III 1 b Nr. 26).
4. Sollte es noch darauf ankommen, wird das Landesarbeitsgericht davon ausgehen können, dass die Beklagte nicht verpflichtet war, die schon zuvor in
Schwerin beschäftigten Referenten in die Sozialauswahl einzubeziehen. Die Klägerin wendet sich nicht gegen die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, dass
sich das Direktionsrecht der Beklagten auf die Zuweisung einer Tätigkeit in Rostock beschränkt habe. Unabhängig davon hat die Klägerin keine, schon zuvor in
Schwerin tätigen Referenten benannt, die statt ihrer eine Änderungskündigung hätten erhalten müssen. ..." (BAG, Urteil vom 12.08.2010 - 2 AZR 945/08)
***
Erklärt der Arbeitgeber gegenüber einem Arbeitnehmer zur selben Zeit mehrere Änderungskündigungen, die je für sich das Angebot zur Fortsetzung des
Arbeitsverhältnisses unter Änderung lediglich einer bestimmten - jeweils anderen - Vertragsbedingung und den Hinweis enthalten, der Arbeitnehmer erhalte
zugleich weitere Änderungskündigungen, sind die Angebote nicht hinreichend bestimmt im Sinne von § 2 Satz 1 KSchG, § 145 BGB (BAG, Urteil vom
10.09.2009 - 2 AZR 822/07).
***
Für den Empfänger einer Änderungskündigung muss bereits im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung das Änderungsangebot hinreichend klar bestimmt sein
bzw. sich dessen Inhalt eindeutig bestimmen lassen. Für einen Leiharbeitnehmer ist die angebotene Vertragsänderung unklar und nicht hinreichend bestimmt,
wenn das Verleihunternehmen sowohl eine Weiterbeschäftigung zu den tariflichen Arbeitsbedingungen der Tarifverträge CGZP als auch der BZA anbietet. Ist
die Änderungskündigung schon wegen einer unzureichenden Bestimmtheit des Änderungsangebots unwirksam, kann dahingestellt bleiben, ob ein
betriebsbedingter Kündigungsgrund vorliegt, weil der Arbeitgeber den Arbeitnehmer bei keinem seiner Kunden mehr zu den Bedingungen des
"equal-treatment" einsetzen und er Entleihern nur noch Arbeitnehmer anbieten und vermitteln kann, die aufgrund von tarifvertraglichen Regelungen arbeiten
(BAG, Urteil vom 15.01.2009 - 2 AZR 641/07).
Hat wegen der Eingruppierung des Arbeitnehmers ein Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 99 BetrVG stattgefunden, kann sich der Arbeitgeber im
Rechtsstreit über eine Änderungskündigung nicht auf die Maßgeblichkeit einer dem Ergebnis des durchgeführten Beschlussverfahrens widersprechenden
Eingruppierung berufen (BAG, Urteil vom 28.08.2008 - 2 AZR 967/06).
Streitgegenstand der Änderungsschutzklage nach Annahme der geänderten Arbeitsbedingungen unter Vorbehalt ist nicht die Wirksamkeit der ausgesprochenen
Kündigung, sondern die Geltung der geänderten Bedingungen. Die Änderungsschutzklage ist unbegründet, wenn die betreffenden Arbeitsbedingungen im
Kündigungszeitpunkt aus anderen Gründen schon gelten. Sieht eine tarifliche Regelung als mögliche Lohnarten Zeit-, Akkord- und Prämienlohn
gleichberechtigt nebeneinander vor, ist durch diese Bestimmung eine Betriebsvereinbarung über den Wechsel aus der einen in eine andere Lohnart nicht nach §
77 Abs. 3 BetrVG gesperrt. Im Ausspruch einer "überflüssigen" Änderungskündigung liegt regelmäßig auch für die Dauer der Kündigungsfrist kein Verzicht
des Erklärenden auf Rechtspositionen, die er schon unabhängig von der Kündigung besitzt (BAG, Urteil vom 26.08.2008 - 1 AZR 353/07 zu KSchG §§ 4 , 2).
Eine Änderungskündigung zur Entgeltsenkung ist begründet, wenn bei einer Aufrechterhaltung der bisherigen Personalkostenstruktur weitere, betrieblich nicht
mehr auffangbare Verluste entstünden, die absehbar zu einer Reduzierung der Belegschaft oder sogar zu einer Schließung des Betriebs führen, und ein
Sanierungsplan alle milderen Mittel ausschöpft und die von den Arbeitnehmern zu tragenden Lasten gleichmäßig verteilt. Liegen diese Voraussetzungen vor
und hat sich die große Mehrheit der Arbeitnehmer (hier ca. 97 %) mit der Reduzierung der Vergütung freiwillig einverstanden erklärt, so kann ein
Arbeitnehmer, dem gegenüber die Reduzierung durch Änderungskündigung erfolgt, sich nicht darauf berufen, die Änderungskündigung sei ihm gegenüber
nicht mehr erforderlich, weil der Sanierungserfolg schon durch die freiwilligen Gehaltsreduzierungen erreicht sei (BAG, Urteil vom 26.06.2008 - 2 AZR 139/07).
Soll bei einer Änderungskündigung durch das Änderungsangebot neben der Tätigkeit (Arbeitsleistungspflicht) auch die Gegenleistung (Vergütung) geändert
werden, sind beide Elemente des Änderungsangebots am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu messen. Ergibt sich die Höhe der Vergütung für die geänderte
Tätigkeit nicht automatisch etwa aus einem Tarifvertrag oder einer vom Arbeitgeber aufgestellten Vergütungsordnung, sondern hat der Arbeitgeber die Gehälter
aller vergleichbaren Arbeitnehmer frei ausgehandelt, so ist nach den Grundsätzen der abgestuften Darlegungs- und Beweislast zu prüfen, ob die dem
Arbeitnehmer konkret angebotene Vergütung dessen Änderungsschutz hinreichend berücksichtigt. Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, dem betroffenen
Arbeitnehmer im Wege der Änderungskündigung die höchste für vergleichbare Tätigkeiten gezahlte Vergütung anzubieten. Er hat vielmehr lediglich den
Arbeitnehmer, dem gegenüber er eine Änderungskündigung ausspricht, unter Berücksichtigung seines Änderungsschutzes in das frei ausgehandelte
Vergütungsgefüge einzuordnen (BAG, Urteil vom 03.04.2008 - 2 AZR 500/06).
Die zur sozialen Rechtfertigung einer ordentlichen Änderungskündigung notwendigen dringenden betrieblichen Erfordernisse im Sinne der §§ 1 II 1, 2 KSchG
setzen voraus, dass das Bedürfnis für die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers im Betrieb zu den bisherigen Bedingungen entfallen ist. Nichts anderes gilt
für eine Organisationsentscheidung des öffentlichen Arbeitgebers, der auf Grund von Verwaltungsanordnungen die verbleibenden Arbeitsplätze umstrukturiert.
Es liegt eine nicht zu beanstandende organisatorische Entscheidung und damit ein dringendes betriebliches Erfordernis vor, wenn ein Land zukünftig den
Vertretungsbedarf an Grundschulen grundsätzlich mit pädagogischen Mitarbeitern und nicht mehr mit Lehrern abdecken will. Dementsprechend entfällt das
Bedürfnis für eine Beschäftigung von Vertretungslehrern. Ob der Arbeitnehmer, eine ihm vorgeschlagene Änderung billigerweise hinnehmen muss, ist nach
dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu ermitteln. Die Änderungen müssen geeignet und erforderlich sein, um den Inhalt des Arbeitsvertrags den geänderten
Beschäftigungsmöglichkeiten anzupassen. Diese Voraussetzungen müssen für alle Vertragsänderungen vorliegen. Wenn durch das Änderungsangebot neben
der Tätigkeit (Arbeitsleistungspflicht) auch die Gegenleistung (Vergütung) geändert werden soll, sind beide Elemente des Änderungsangebots am
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu messen. Eine gesonderte Rechtfertigung der Vergütungsänderung ist nur dann entbehrlich, wenn sich die geänderte
Vergütung aus einem im Betrieb angewandten Vergütungssystem ergibt ("Tarifautomatik"; BAG, Urteil vom 29.11.2007 - 2 AZR 388/06).
Nach ständiger Rechtsprechung des BAG ist eine "überflüssige" Änderungskündigung wegen der damit verbundenen Bestandsgefährdung unverhältnismäßig
mit der Folge der Unwirksamkeit, wenn der Arbeitnehmer das Änderungsangebot nicht angenommen hat. In diesem Fall streiten die Parteien ausschließlich um
die Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Bereits diese Bestandsgefährdung verbietet es, die Kündigung als verhältnismäßig zu betrachten, obwohl es ihrer nicht
bedurfte, weil die Änderung der Arbeitsbedingungen bereits auf Grund der Ausübung des Direktionsrechts eingetreten war. Dem Arbeitgeber wird nichts
Unzumutbares abverlangt, wenn er darauf verwiesen wird, von seinem Direktionsrecht Gebrauch zu machen. Er kann dem Arbeitnehmer die betreffende
Tätigkeit ohne weiteres zuweisen. Weigert sich der Arbeitnehmer, die Tätigkeit auszuüben, hat er keinen Vergütungsanspruch. Ein nicht den wirksamen
Weisungen des Arbeitgebers entsprechendes Angebot der Arbeitsleistung setzt den Arbeitgeber nicht in Annahmeverzug. Der Arbeitgeber kann überdies nach
Abmahnung verhaltensbedingt kündigen (BAG, Urteil vom 06.09.2007 - 2 AZR 368/06).
Eine betriebsbedingte Änderung der Arbeitsbedingungen durch Änderungskündigung, mit der der Arbeitgeber eine sonst aus wirtschaftlichen Gründen
erforderliche Beendigungskündigung vermeidet, hat der Arbeitnehmer nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz stets billigerweise hinzunehmen. Steht im
Kündigungszeitpunkt fest, dass der Arbeitnehmer auf Grund seines Widerspruchs gegen einen Betriebsübergang bei seinem Arbeitgeber nicht mehr
weiterbeschäftigt werden kann, verstößt das Angebot des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer an den Betriebsübernehmer auszuleihen, damit er dort wie bisher
weiterarbeiten kann, regelmäßig nicht gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Dies gilt auch, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des
Arbeitsverhältnisses nur zu dem geringeren Entgelt anbietet, das der Betriebsübernehmer nach den in seinem Betrieb einschlägigen Tarifverträgen seinen
Arbeitnehmern zahlt (BAG, Urteil vom 29.03.2007 - 2 AZR 31/06).
Die vorbehaltlose Annahme eines in einer Änderungskündigung enthaltenen Änderungsangebots ist grundsätzlich nicht an die Höchstfrist von drei Wochen
nach Zugang der Kündigung entsprechend § 2 S. 2 KSchG gebunden. Der Antragende kann aber eine Frist zur Annahme des Angebots bestimmen. In diesem
Fall kann grundsätzlich die Annahme des Angebots nur innerhalb der bestimmten Frist erfolgen (§ 148 BGB). Eine Fristbestimmung im Sinne von § 148 BGB
kann nicht nur durch die Festlegung eines konkreten Termins oder die Festsetzung eines Zeitraums erfolgen. Sie kann sich auch aus den Umständen ergeben.
Ausreichend ist jede zeitliche Konkretisierung, durch die der Antragende zu erkennen gibt, er wolle von der gesetzlichen Regelung des § 147 BGB abweichen,
beispielsweise in dem er eine "umgehende Antwort" verlangt. Im Hinblick auf § 2 S. 2 KSchG darf allerdings die Mindestannahmefrist von drei Wochen nicht
unterschritten werden. Eine zu kurz bemessene Annahmefrist führt nicht dazu, dass es an einer Fristsetzung für eine vorbehaltlose Annahme überhaupt fehlt
und die Frist nach § 147 BGB zu bestimmen ist. An die Stelle der zu kurzen Frist tritt vielmehr die gesetzliche Drei-Wochen-Frist des § 2 S. 2 KschG (BAG,
Urteil vom 01.02.2007 - 2 AZR 44/06).
Es liegt kein personenbedingter Grund zur Kündigung im Sinne von § 1 II KSchG vor, wenn ein im Bodendienst eines Flughafens tätiger Student auf Grund
seiner überlangen Studiendauer von den Sozialversicherungsträgern nicht mehr als sozialversicherungsfrei angesehen wird (BAG, Urteil vom 18.01.2007 - 2
AZR 731/05).
Das Gebot der ausreichenden Berücksichtigung sozialer Gesichtspunkte bei der Auswahl des zu kündigenden Arbeitnehmers gilt auch für betriebsbedingte
Änderungskündigungen (§ 2 S.1 KSchG). Da bei einer betriebsbedingten Änderungskündigung die soziale Rechtfertigung des Änderungsangebots im
Vordergrund steht, ist anders als bei einer Beendigungskündigung bei der Sozialauswahl primär darauf abzustellen, wie sich die vorgeschlagene
Vertragsänderung auf den sozialen Status vergleichbarer Arbeitnehmer auswirkt. Deshalb ist vor allem zu prüfen, ob der Arbeitgeber, statt die
Arbeitsbedingungen des gekündigten Arbeitnehmers zu ändern, diese Änderung einem anderen Arbeitnehmer hätte anbieten können, dem sie in sozialer
Hinsicht eher zumutbar gewesen wäre. Für eine Vergleichbarkeit der Arbeitnehmer im Rahmen einer Änderungskündigung müssen die Arbeitnehmer auch für
die Tätigkeit, die Gegenstand des Änderungsangebotes ist, wenigstens annähernd gleich geeignet sein. Die Austauschbarkeit bezieht sich auch auf den mit der
Änderungskündigung angebotenen Arbeitsplatz (BAG, Urteil vom 18.01.2007 - 2 AZR 796/05).
Die Frist zur Erklärung des Vorbehalts nach § 2 S. 2 KSchG gilt als Mindestfrist auch für die Erklärung der vorbehaltlosen Annahme des Änderungsangebots.
Die zu kurze Bestimmung der Annahmefrist durch den Arbeitgeber im Änderungsangebot führt nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung. Sie setzt vielmehr die
gesetzliche Annahmefrist des § 2 S. 2 KSchG in Lauf. Nach § 2 S. 2 KSchG kann der Arbeitnehmer, dem gegenüber eine Änderungskündigung ausgesprochen
wurde, das Änderungsangebot unter dem Vorbehalt der sozialen Rechtfertigung annehmen. Den Vorbehalt muss der Arbeitnehmer, wenn die Kündigungsfrist
weniger als drei Wochen beträgt, innerhalb der Kündigungsfrist, ansonsten innerhalb von drei Wochen erklären. Diese gesetzliche Frist ist zwingend. Für den
Arbeitnehmer nachteilige Abweichungen von den Vorschriften des Kündigungsschutzgesetzes können nicht vereinbart, erst recht nicht einseitig durch den
Arbeitgeber festgelegt werden. An dieser Rechtslage hat auch die Entscheidung des Senats vom 6. 2. 2003 (BAGE 104, 315 = NZA 2003, 659) nichts geändert.
§ 2 S. 2 KSchG betrifft nach seinem Wortlaut lediglich die Vorbehaltserklärung, nicht jedoch die vorbehaltlose Annahme des Änderungsangebots. Indes ist
diese Frist als Mindestfrist auch auf die vorbehaltlose Annahme des Änderungsangebots zu erstrecken. Die Vorbehaltserklärung stellt eine bedingte Annahme
dar. Sie setzt deshalb ein annahmefähiges Angebot voraus. Zwar ist der Arbeitgeber grundsätzlich frei, sein Änderungsangebot zu befristen ( BAGE 104, 315 =
NZA 2003, 659). Dabei bildet jedoch die gesetzliche Mindestfrist des § 2 S. 2 KSchG die Untergrenze. Die Unwirksamkeitsfolge ist nach §§ 1, 2 KSchG eine
Reaktion des Rechts auf das Fehlen materieller Kündigungs- oder Änderungsgründe, nicht auf fehlerhafte Fristbestimmungen (BAG, Urteil vom 18.05.2006 - 2
AZR 230/05).
Die Voraussetzungen einer auf betriebliche Gründe gestützten außerordentlichen Änderungskündigung aus wichtigem Grund gehen über die Anforderungen an
eine ordentliche Änderungskündigung hinaus. Mit dem Ausschluss der ordentlichen Kündbarkeit geht der Arbeitgeber gegenüber dem Arbeitnehmer eine
besondere Verpflichtung nicht nur hinsichtlich des Bestandes, sondern auch in Bezug auf den Inhalt des Arbeitsverhältnisses ein. Wird die außerordentliche
Änderungskündigung gegenüber einem ordentlich unkündbaren Arbeitnehmer auf eine Reorganisationsentscheidung gestützt, so ist entscheidender
Gesichtspunkt, ob das geänderte unternehmerische Konzept die vorgeschlagene Änderung erzwingt oder ob es im Wesentlichen auch ohne oder mit weniger
einschneidenden Änderungen im Arbeitsvertrag des Gekündigten durchsetzbar bleibt. Außerdem muss der Arbeitgeber bereits bei Erstellung des
unternehmerischen Konzepts die in Form von vereinbarten Kündigungsausschlüssen bestehenden arbeitsvertraglich übernommenen Garantien ebenso wie
andere schuldrechtliche Bindungen berücksichtigen. Nicht jede mit dem Festhalten am Vertragsinhalt verbundene Last kann einen wichtigen Grund zur
außerordentlichen Änderungskündigung bilden. Im Prozess wirkt sich die übernommene Verpflichtung auch bei der Darlegungslast aus. Aus dem Vorbringen
des Arbeitgebers muss erkennbar sein, dass er auch unter Berücksichtigung der vertraglich eingegangenen besonderen Verpflichtungen alles Zumutbare
unternommen hat, die durch die unternehmerische Entscheidung notwendig gewordenen Anpassungen auf das unbedingt erforderliche Maß zu beschränken
(BAG, Urteil vom 02.03.2006 - 2 AZR 64/05).
***
Eine Änderungskündigung zur Entgeltsenkung ist nicht allein deshalb sozial gerechtfertigt, weil eine neue gesetzliche Regelung die Möglichkeit vorsieht, durch
Parteivereinbarung einen geringeren (tariflichen) Lohn festzulegen, als er dem Arbeitnehmer bisher gesetzlich oder vertraglich zustand. Nach § 9 Nr. 2 AÜG in
der zur Zeit der Kündigung geltenden Fassung sind Vereinbarungen unwirksam, die für den Leiharbeitnehmer ein geringeres Entgelt vorsehen, als es
vergleichbaren Arbeitnehmern des Entleihers gezahlt wird (equal-pay-Gebot). Ein Tarifvertrag kann abweichende Regelungen zulassen. Im Geltungsbereich
eines solchen Tarifvertrages können nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Anwendung der tariflichen Regelungen vereinbaren. Lehnt der
betroffene Arbeitnehmer es ab, im Gegensatz zu der bisherigen Vertragsgestaltung die Anwendung eines Tarifvertrages zu vereinbaren, der eine geringere als
die im Entleiherbetrieb maßgebliche Vergütung vorsieht, so rechtfertigt dies allein noch nicht nach § 2, § 1 Abs. 2 KSchG eine Änderungskündigung. Eine
betriebsbedingte Änderungskündigung zur Entgeltsenkung, die nachhaltig in das arbeitsvertragliche Verhältnis von Leistung und Gegenleistung eingreift, setzt
ein dringendes betriebliches Erfordernis voraus, das einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers zu unveränderten Bedingungen entgegensteht. Das bloße
Bestreben des Arbeitgebers, der mit anderen Arbeitnehmern entsprechende Vereinbarungen getroffen hat, zur Vereinheitlichung der Arbeitsbedingungen im
Betrieb reicht hierfür nicht aus (BAG, Urteil vom 12.01.2006 - 2 AZR 126/ 05).
Ein Änderungsangebot, dessen Inhalt den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt, widerspricht dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Es
muss vom Arbeitnehmer nicht billigerweise hingenommen werden und führt zur Unwirksamkeit der Änderungskündigung nach § 2 S. 1 KSchG i. V. mit § 1 II
KSchG (BAG, Urteil vom 03.07.2003 - 2 AZR 617/02, BB 2004, 1006).
Änderungskündigungen zur Anpassung vertraglicher Nebenabreden (z.B. kostenlose Beförderung zum Betriebssitz, Fahrtkostenzuschuss, Mietzuschuss) an
geänderte Umstände unterliegen nicht den gleichen strengen Maßstäben wie Änderungskündigungen zur Entgeltabsenkung (BAG, Urteil vom 27.03.2003 - 2
AZR 74/02, NJW 2003, 3579).
Die vorbehaltlose Annahme des in einer Änderungskündigung enthaltenen Änderungsangebots ist nicht an die Höchstfrist von drei Wochen nach Zugang der
Kündigung (§ 2 S. 2 KSchG) gebunden (BAG, Urteil vom 06.02.2003 - 2 AZR 674/01, NZA 2003, 659).
Eine betriebsbedingte Änderungskündigung, mit der eine erhebliche Lohnsenkung erzielt werden soll, ist nur bei Vorliegen dringender betrieblicher
Erfordernisse gem.§ 1 II KSchG sozial gerechtfertigt. Bloßer Geldmangel des Arbeitgebers begründet kein Recht auf Eingriff in den geschlossenen Vertrag (
BAG, Urteil vom 16.05.2002 - 2 AZR 292/01, NJW 2003, 1139).
Die Befristung einzelner Vertragsbedingungen bedarf eines Sachgrunds jedenfalls dann, wenn sie im Fall der unbefristeten Vereinbarung dem Änderungsschutz
nach § 2 KSchG unterlägen. Auf § 1 BeschFG i. d. F. vom 25.9.1996 kann die Befristung einzelner Vertragsbedingungen nicht gestützt werden (BAG, Urteil
vom 23.01.2002 - 7 AZR 563/090NJW 2002, 3421).
Ob die zur Änderungskündigung vom Arbeitgeber angeführten betrieblichen Erfordernisse dringend sind, beurteilt sich anhand des
Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Eine Änderungskündigung ist im Sinne des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes erforderlich, wenn es dem Arbeitgeber nicht
möglich ist, durch andere technische, organisatorische oder wirtschaftliche Maßnahmen zu erreichen, dass ein Vertrieb zukünftig von einem anderen Standort
aus betrieben werden kann. Dabei sind nur solche Mittel bei der Erforderlichkeitsprüfung zu berücksichtigen, die gleich wirksam sind, um das
unternehmerische Ziel zu erreichen. Zum Vergleich können nicht solche Mittel herangezogen werden, die zur beabsichtigten Zweckerreichung weniger oder
sogar ungeeignet sind (BAG, Urteil vom 27.09.2001 - 2 AZR 246/00, NZA 2002, 696 Os).
An den Inhalt der Änderungskündigung sind keine allzu hohen Anforderungen zu stellen. Es muss lediglich unmissverständlich und eindeutig zum Ausdruck
kommen, dass das Arbeitsverhältnis beendet werden soll, wenn die Änderung der Arbeitsbedingungen vom Arbeitnehmer nicht angenommen wird (BAG,
Urteil vom 27.09.2001 - 6 AZR 404/00, Korinth, NZA 2002, 407 Os).
Eine Änderungskündigung liegt nur vor, wenn mit der Beendigungserklärung gleichzeitig ein annahmefähiges Änderungsangebot unterbreitet oder aber auf ein
früheres Angebot ausdrücklich Bezug genommen wird (BAG, Urteil vom 17.05.2001 - 2 AZR 460/00, NZA 2002, 54 Os).
Entschließt sich der Arbeitgeber, Mehrarbeit verstärkt durch Freizeitausgleich abzugelten, so kann dies je nach den Umständen eine Änderungskündigung mit
dem Ziel sozial rechtfertigen, von der vereinbarten pauschalierten Mehrarbeitsvergütung zur "Spitzabrechnung" der tatsächlich geleisteten Mehrarbeit
überzugehen (BAG, Urteil vom 23.11.2000 - 2 AZR 547/99, NZA 2001, 492).
Eine Stellplanreduzierung im öffentlichen Dienst auf Grund einer im Haushaltsgesetz festgelegten Zahl von konkret datierten "kw-Vermerken", wonach diese
Stellen "künftig wegfallen" sollen, bedarf eines auf den Stellenbedarf der jeweiligen Dienststelle zugeschnittenen Konzepts der zuständigen Verwaltung (im
Anschluss an BAG, NZA 1990, 99 = AP Nr. 76 zu Einigungsvertrag 'anlage 1 Kap. XIX), (BAG, Urteil vom 18.11.1999 - 2 AZR 77/99, NVwZ-RR 2000, 630 L).
Dem Arbeitgeber, der mit einzelnen Arbeitnehmern einzelvertraglich eine höhere Vergütung vereinbart hat, als sie dem betrieblichen Niveau entspricht, ist es
verwehrt, unter Berufung auf den Gleichbehandlungsgrundsatz diese Vergütung dem Lohn der übrigen Arbeitnehmer anzupassen, mit denen er eine solche
höhere Lohnvereinbarung nicht getroffen hat. Zur Darlegungslast des Arbeitgebers bei einer Änderungskündigung mit dem Ziel, das Entgelt höherbezahlter
Arbeitnehmer auf das Niveau der mit der Mehrzahl der Arbeitnehmer des Betriebes vereinbarten Tarifverträge des öffentlichen Dienstes (BAT) abzusenken
(BAG, Urteil vom 01.07.1999 - 2 AZR 826/98, Klette, DStR 2000, 291 L).
Eine Änderungskündigung, mit der der Arbeitgeber den Abbau tariflich gesicherter Leistungen (hier: Erhöhung der tariflichen Arbeitszeit von 35 Stunden auf
38,5 Stunden bei einer Lohnerhöhung von 3 % durchzusetzen versucht, ist rechtsunwirksam (BAG, Urteil vom 10.02.1999 - 2 AZR 422/98, NJW 1999, 2541).
Bei der Prüfung, ob ein dringendes betriebliches Erfordernis zu einer Änderung der Arbeitsbedingungen einzelner Arbeitnehmer besteht (§§ 2, 1 II KSchG) ist
auf die wirtschaftliche Situation des Gesamtbetriebs und nicht nur die eines unselbständigen Betriebsteils abzustellen (Bestätigung der Senatsrechtsprechung:
BAG-Urteile vom 11.10.1989 - 2 AZR 61/89, NJW 1990, 2489 = DB 1990, 2024 und vom 20.8.1998 - 2 AZR 84/98, DB 1999, 103), (BAG, Urteil vom
12.11.1998 - 2 AZR 91/98, NJW 1999, 3577).
Ist eine Entgeltkürzung mittels Änderungskündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse gerechtfertigt, so ist der Arbeitgeber regelmäßig nicht
berechtigt, einzelne Arbeitnehmer, auch nicht allein die Arbeitnehmer einer mit Verlust arbeitenden Abteilung, herauszugreifen und ihr Entgelt einschneidend
zu kürzen, während das Entgelt der überwiegenden Mehrzahl der Belegschaft unangetastet bleibt. Wird eine Entgeltkürzung nur mit vorübergehenden
wirtschaftlichen Verlusten begründet, müssen die Arbeitnehmer jedenfalls billigerweise keine Entgeltsenkung auf Dauer hinnehmen (BAG, Urteil vom
20.08.1998 - 2 AZR 84/98, NJW 1999, 1735 L).
Eine Änderungskündigung, die auf einer tarifwidrigen Arbeitszeitgestaltung beruht, ist sozial ungerechtfertigt, § 2, 1 II KschG (BAG, Urteil vom 18.12.1997 -
2 AZR 709/96, NJW 1998, 2075).
Zur sogenannten freien Unternehmerentscheidung bei der Arbeitszeitgestaltung (BAG, Urteil vom 24.04.1997 - 2 AZR 352/96, NJW 1998, 179).
Erfolgt der Widerruf im Zusammenhang mit einer Änderungskündigung und nimmt der Arbeitnehmer das darin liegende Änderungsangebot unter Vorbehalt an,
so ist auch die Änderungskündigung sozial gerechtfertigt, wenn die Ausübung des Widerrufsrechts billigem Ermessen entspricht (BAG, Urteil vom 15.11.1995
- 2 AZR 521/95, NZA 1996, 603).
Die irrtümliche Eingruppierung eines einzelnen Arbeitnehmers in eine zu hohe Vergütungsgruppe der für den öffentlichen Dienst geltenden Vergütungsordnung
kann zu einem dringenden betrieblichen Erfordernis für eine Änderungskündigung zum Zwecke der Rückgruppierung in die tariflich richtige Vergütungsgruppe
führen. Ein dingliches betriebliches Erfordernis für eine Änderungskündigung ist auch gegeben für die irrtümliche tarifwidrige Eingruppierung einer größeren
Gruppe von Arbeitnehmern, bei der das Gebot der sparsamen Haushaltsführung die richtige Vergütung grundsätzlich dringend erforderlich macht (BAG, Urteil
vom 15.03.1991 - 2 AZR 582/90, NZA 1992, 120).
Die auf die Missbrauchskontrolle beschränkte Überprüfung organisatorischer Unternehmensentscheidungen macht es nicht entbehrlich, jedenfalls gerichtlich zu
prüfen, ob die Organisationsänderung eine Beendigungs- oder Änderungskündigung unvermeidbar macht, oder ob das geänderte unternehmerische Konzept
nicht auch durch andere Maßnahmen verwirklicht werden kann. Wenn der Arbeitnehmer eine Änderungskündigung unter Vorbehalt nach § 2 KSchG
angenommen hat, ist der Arbeitgeber nicht aufgrund des allgemeinen Beschäftigungsanspruchs verpflichtet, den Arbeitnehmern vorläufig zu den bisherigen
Bedingungen weiter zu beschäftigen. Es bleibt dahingestellt, ob entsprechend § 102 V BetrVG ein Beschäftigungsanspruch dann besteht, wenn der Betriebsrat
einer mit der Änderung der Arbeitsbedingungen verbundenen Versetzung oder Umgruppierung widersprochen hat, die Zustimmung nicht ersetzt ist und es dem
Arbeitgeber auch verwehrt ist, die Maßnahmen vorläufig durchzuführen (BAG, Urteil vom 18.01.1990 - 2 AZR 183/89, NZA 1990, 734).
Die ordentliche Änderungskündigung eines Fernmeldehandwerkers bei der Deutschen Bundespost wegen seiner DKP-Zugehörigkeit und damit verbundener
Aktivitäten ist nur dann durch Gründe, die im Verhalten des Arbeitnehmers liegen, bedingt, wenn eine konkrete Störung des Arbeitsverhältnisses eingetreten ist
(Bestätigung von BAG, NJW 1985, 507; BAG, Urteil vom 20.07.1989 - 2 AZR 114/87, NJW 1990, 597).
Der Arbeitgeber ist nicht berechtigt, bei Ausspruch einer fristlosen Änderungskündigung einseitig die sich aus den Wertungen des Kündigungsschutzgesetzes
ergebende Frist, innerhalb der sich der Arbeitnehmer auf das Änderungsangebot des Arbeitgebers abschließend erklären muß, zu verkürzen. Die
widerspruchslose Weiterarbeit auf dem dem Arbeitnehmer mit der fristlosen Kündigung angebotenen neuen Arbeitsplatz ist jedenfalls i. d. R. solange nicht als
vorbehaltlose Annahme des Änderungsangebots zu verstehen, wie der Arbeitnehmer noch rechtzeitig, d. h. ohne schuldhaftes Zögern, einen Vorbehalt
entsprechend § 2 erklären kann. Nach Zugang einer außerordentlichen Änderungskündigung des Arbeitgebers hat der Arbeitnehmer unverzüglich zu erklären,
ob er das Änderungsangebot ablehnt oder es mit oder ohne den in § 2 KSchG bezeichneten Vorbehalt annimmt (im Anschluß an BAG, NZA 1987, 94 = AP § 2
KSchG 1969 Nr. 16); BAG, Urteil vom 27.03.1987 - 7 AZR 790/85, NZA 1988, 737).
In der widerspruchs- und vorbehaltlosen Weiterarbeit zu geänderten Arbeitsbedingungen kann dann eine Annahme des Änderungsangebots gesehen werden,
wenn sich die neuen Arbeitsbedingungen alsbald auf das Arbeitsverhältnis auswirken. § 2 KSchG ist auf die außerordentliche Änderungskündigung
entsprechend anwendbar (Bestätigung von BAG, AP § 85 BAT Nr. 3 (zu I 4) = NZA 1985, 62 L). Dies bedeutet, daß der Arbeitnehmer die Annahme des
Änderungsangebots unter Vorbehalt unverzüglich erklären muß (BAG, Urteil vom 19.06.1986 - 2 AZR 565/85, NZA 1987, 94).
Unterlässt es der Arbeitgeber, dem Arbeitnehmer vor Ausspruch einer Beendigungskündigung ein mögliches und zumutbares Änderungsangebot zu
unterbreiten, dann ist die Kündigung sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer einem vor der Kündigung gemachten entsprechenden Vorschlag zumindest
unter Vorbehalt zugestimmt hätte. Der Arbeitgeber muß bei den Verhandlungen mit dem Arbeitnehmer klarstellen, daß bei Ablehnung des Änderungsangebots
eine Kündigung beabsichtigt ist und ihm eine Überlegungsfrist von einer Woche einräumen. Dieses Angebot kann der Arbeitnehmer unter einem dem § 2
entsprechenden Vorbehalt annehmen. Der Arbeitgeber muß dann eine Änderungskündigung aussprechen. Der Arbeitgeber muß nach dem Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit auch vor jeder ordentlichen Beendigungskündigung von sich aus dem Arbeitnehmer eine beiden Parteien zumutbare Weiterbeschäftigung
auf einem freien Arbeitsplatz auch zu geänderten Bedingungen anbieten (Aufgabe von BAGE 30, 309 = NJW 79, 332 = AP § 626 BGB Nr. 70). Zum Vorrang
der Änderungskündigung vor Beendigungskündigung (BAG, Urteil vom 27.09.1984 - 2 AZR 62/83, NJW 1985, 1797).
Bietet der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer im Zusammenhang mit einer Kündigung nur noch eine befristete Weiterbeschäftigung an, so handelt es sich nicht um
eine Änderungskündigung, die unter dem Vorbehalt des § 2 S. 2 KSchG angenommen und mit einer Änderungsschutzklage nach § 4 S. 2 KSchG bekämpft
werden kann (BAG, Urteil vom 17.05.1984 - 2 AZR 109/83, NZA 1985, 489).
Ein in einem katholischen Krankenhaus beschäftigter Arzt ist verpflichtet, sich öffentlicher Stellungnahmen für den legalen Schwangerschaftsabbruch zu
enthalten. Ein Verstoß gegen diese Loyalitätspflicht kann einen Grund zur sozialen Rechtfertigung einer ordentlichen Kündigung abgeben (BAG, Urteil vom
21.10.1982 - 2 AZR 595/80, AfP 1983, 476).
Nicht jede Tätigkeit in einem Arbeitsverhältnis zur Kirche hat eine solche Nähe zu spezifischen kirchlichen Aufgaben, daß der sie ausübende Arbeitnehmer
sich voll mit den Lehren der Kirche identifizieren muß und deshalb die Glaubwürdigkeit der Kirche berührt wird, wenn er sich in seiner privaten Lebensführung
nicht an die tragenden Grundsätze der kirchlichen Glaubens- und Sittenlehre hält (BAG, Urteil vom 21.10.1982 - 2 AZR 595/(= AfP 1983, 476).
Ist eine an einer katholischen Privatschule in kirchlicher Trägerschaft beschäftigte Fachlehrerin für Gymnastik und Textilgestaltung aus der katholischen Kirche
ausgetreten und hat sie den Kirchenaustritt bei ihrer Einstellung verschwiegen, so kann dies eine ordentliche Kündigung sozial rechtfertigen (BAG, Urteil vom
04.03.1980 - 1 AZR 1151/78 , DB 1980, 2529).
*** (LAG)
Bei dauernder Beschäftigung von Leiharbeitnehmern liegen freie Arbeitsplätze vor. Arbeitsplätze, die mit überlassenen Arbeitnehmern besetzt sind, zu denen
der Arbeitgeber in keinen vertraglichen Beziehungen steht, sind als frei anzusehen. Die überlassenen Arbeitnehmer genießen keinen arbeitsvertraglichen
Bestandsschutz zum Entleiher, den der Arbeitgeber zu beachten haben könnte, sie sind in eine Sozialauswahl bei Wegfall von Beschäftigungsmöglichkeiten
nicht einzubeziehen. Der Arbeitgeber ist daher gehalten, zunächst den Abruf von Leiharbeitnehmern zu unterlassen, bevor er eigene Mitarbeiter kündigt (LAG
Berlin, Urteil vom 03.03.2009 - 12 Sa 2468/08).
Auch dann, wenn der Arbeitnehmer mit seiner Änderungskündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht obsiegt, hat er keinen materiellrechtlichen Anspruch
darauf, während des Fortgangs des Rechtsstreits vorläufig zu den alten Arbeitsbedingungen weiterbeschäftigt zu werden (wie BAG, BAGE 64, 24 = NZA 1990,
734 = AP Nr. 27 zu § 2 KSchG 1969 = DB 1990, 1773). An der bisherigen Rechtsprechung des LAG zum Umgang des beklagten Landes mt Lehrkräften, die
nicht freiwillig an der flexiblen Teilzeitarbeit nach dem Lehrerpersonalkonzept ... (LPK) teilnehmen, kann nicht in vollem Umfang festgehalten werden. In der
Rechtsprechung des LAG war bisher anerkannt, dass ein Anlass zu kündigungsrechtlichen Maßnahmen gegeben ist, wenn die Beschäftigungsquote
(Teilzeitquote) der nicht teilnehmenden Lehrkräfte höher liegt als diejenige der teilnehmenden Lehrkräfte. Es bleibt offen, ob der dafür zu Grunde gelegte
Gesichtspunkt der Verteilungsgerechtigkeit ausreicht, um in die Vertragsverhältnisse der nicht teilnehmenden Lehrkräfte einzugreifen. Aber selbst dann, wenn
man die ungleichmäßige Verteilung der Erwerbschancen für die Teilnehmer und die Nichtteilnehmer als einen ausreichenden Anlass für eine
Änderungskündigung ansehen würde, die mit dem Ziel ausgesprochen wird, die Erwerbschancen durch Kürzung der Teilzeitquote bei den Nichtteilnehmern
wieder den Erwerbschancen der Teilnehmer anzugleichen, gebietet es der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, den Nichtteilnehmern im Wege der
Änderungskündigung dann die vollständige Teilnahme am LPK zu ermöglichen. An der gegenteiligen bisherigen Rechtsprechung des LAG kann nicht
festgehalten werden (LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 15.07.2008 - 1 Sa 528/05, NJ 2008, 480).
Kündigt ein Arbeitgeber, bevor er eine nach § 17 I KSchG erforderliche Anzeige bei der Agentur für Arbeit erstattet hat, ist die Kündigung unwirksam. Eine
Heilung duch eine nachträgliche Anzeige ist nicht möglich. Enthält bei einer ordentlichen Änderungskündigung das Angebot einer Änderung der
Arbeitsbedingungen bereits mit Wirkung vor Ablauf der Kündigungsfrist, ist die Kündigung nach § 1 II, § 2 KSchG sozial ungerechtfertigt (vgl. BAG vom
21.9.2006 - 2 AZR 120/06, ZIP 2007, 882 = DB 2007, 634; LAG Düsseldorf, Urteil vom 01.03.2007 - 13 Sa 1275/06).
Bei der ordentlichen Änderungskündigung ist unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer sie unter Vorbehalt angenommen hat oder nicht, auch bei der sozialen
Auswahl dearauf abzustellen, wie sich die vorgeschlagene Vertragsänderung auf den sozialen Status der vergleichbaren Arbeitnehmer auswirkt. Bei der
Änderungskündigung muss sich die Austauschbarkeit auch auf den mit der Änderungskündigung angebotenen Arbeitsplatz beziehen in dem Sinn, dass die
vergleichbaren Arbeitnehmer auswirkt. Bei der Änderungskündigung muss sich die Austauschbarkeit auch auf den mit der Änderungskündigung angebotenen
Arbeitsplatz beziehen in dem Sinn, dass die vergleichbaren Arbeitnehmer für die Tätigkeit wenigstens annähernd gleich geeignet sind. Sind Arbeitnehmer mit
anderer bisheriger Anlerntätigkeit (Kurierfahrer) im Vergleich mit anderen angelernten Arbeitnehmern des Betriebs (Terminal Handling) mit gleicher
Tarifgruppe mit weitgehend deckungsgleichem Aufgaben- unde Qualifikationsprofil beschäftigt und für Arbeitsplätze, die Gegenstand des Änderungsangebots
sind (Terminal Handling) wenigstens annähernd gleich geeignet, kommt es für die Vergleichbarkeit auf eine aktuelle Identität der Arbeitsplätze nicht an. Für
die Vergleichbarkeit hinsichtlich des Arbeitszeitvolumens kommt es auf den Zeitpunkt der beabsichtigten Kündigung an, nicht auf nachträglich eingetretene
Änderungen. Im Übrigen kann von einer Organisationsentscheidung, die einer Sozialauswahl zwischen vollzeit- und teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmern
entgegensteht, nicht ausgegangen werden, wenn der Arbeitgeber keinen konkreten Sachvortrag dazu leistet, wann und mit welchem konkreten Inhalt ein die
Vergleichbarkeit ausschließendes Arbeitszeitmodell zuvor im betreffenden Bereich bestand. Es kann unentschieden bleiben, ob § 1 IV KSchG überhaupt für die
Änderungskündigung gilt. Eine Begrenzung der gerichtlichen Kontrolle gem. § 1 IV KSchG hinsichtlich der Vergleichbarkeit tritt jedenfalls dann nicht ein,
wenn eine betriebsvereinbarte Auswahlrichtlinie insoweit klediglich auf das Kündigungsschutzgesetz verweist. Der Arbeitgeber kann sich individualrechtlich
nicht auf im Prozess zur Rechtfertigung der getroffenen sozialen Auswahl angeführte Gründe berufen, wenn er insoweit den Betriebsrat objektiv unvollständig
angehört hat, insbesondere ihm keine Angaben zu den - später streitgegenständlichen - tatsächlichen Gesichtspunkten der Vergleichsgruppenbildung gemacht
hat. Ein Weiterbeschäftigungsantrag mit dem Inhalt der Verurteilung des Arbeitgebers zur Weiterbeschäftigung zu den Bedingungen des Arbeitsvertrags mit
vollzeitiger Tätigkeit ist hinreichend bestimmt, wenn sich aus der Klagebegründung und dem zwischen den Parteien unstreitigen Arbeitsvertrag die geltenden
Arbeitsvertragsbedingungen ergeben. Eine generelle und einschränkungslose Freistellungsklausel in einem Formulararbeitsvertrag stellt wegen Verstoß gegen
wesentliche Grundgedanken des § 102 V BetrVG und des richterrechtlichen Weiterbeschäftigungsanspruchs eine unangemessene Benachteiligung dar und ist
daher gem. § 307 I 1, II Nr. 1 BGB unwirksam (LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 05.01.2007 - 7 Sa 93/06).
§ 8 des Tarifvertrages über die Lohn- und Gehaltssicherung für Arbeitnehmer in der Eisen-, Metall-, Elektro- und Zentralheizungsindustrie
Nordrhein-Westfalens vom 25.01.1979 (jetzt § 8 TV EGS vom 18.12.2003), der den Arbeitgeber ohne besonderen Grund berechtigt, dem Arbeitnehmer eine
niedriger bezahlte Tätigkeit zuzuweisen, ist wegen Verstoßes gegen die zwingenden Kündigungsschutzbestimmungen der §§ 1 und 2 KSchG unwirksam (LAG
Hamm, Urteil vom 15.03.2006 - 2 Sa 1812/04, NZA-RR 2006, 581).
Die Umwandlung einer Teilzeit- in eine Vollzeitstelle kann ein Grund für die soziale Rechtfertigung einer betriebsbedingten Änderungskündigung sein. Dies
gilt jedoch jedenfalls dann nicht, wenn keine betrieblichen Gründe i. S. des § 8 IV 1 TzBfG vorliegen, die die Ablehnung des Teilzeitbegehrens eines
Arbeitnehmers auf dem geschaffenen Vollzeitarbeitsplatz rechtfertigen würden (LAG Nürnberg, Urteil vom 23.02.2006 - 5 Sa 224/05, NZA-RR 2006, 294).
Arbeitnehmer, die bis zum 31.12.2003 in einem Betrieb mit regelmäßig mehr als 5 Arbeitnehmern eingestellt wurden, genießen nach dem 01.01.2004 keinen
Kündigungsschutz mehr nach dem bisherigen Recht, wenn im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung wegen Wegfalls (Ausscheiden/Arbeitszeitreduzierung)
von am 31.12.2003 beschäftigten Arbeitnehmern der Schwellenwert von 5,25 Alt-Arbeitnehmern unterschritten wird (LAG Niedersachsen, Urteil vom
23.01.2006 - 17 Sa 1652/05, NZA-RR 2006, 413).
Kündigt ein Arbeitgeber, bevor er eine nach § 17 I KSchG erforderliche Anzeige bei der Agentur für Arbeit erstattet hat, ist die Kündigung unwirksam. Eine
Heilung duch eine nachträgliche Anzeige ist nicht möglich. Enthält bei einer ordentlichen Änderungskündigung das Angebot einer Änderung der
Arbeitsbedingungen bereits mit Wirkung vor Ablauf der Kündigungsfrist, ist die Kündigung nach § 1 II, § 2 KSchG sozial ungerechtfertigt (vgl. BAG vom
21.9.2006 - 2 AZR 120/06, ZIP 2007, 882 = DB 2007, 634; LAG Düsseldorf, Urteil vom 01.03.2007 - 13 Sa 1275/06).
Die Umwandlung einer Teilzeit- in eine Vollzeitstelle kann ein Grund für die soziale Rechtfertigung einer betriebsbedingten Änderungskündigung sein. Dies
gilt jedoch jedenfalls dann nicht, wenn keine betrieblichen Gründe i. S. des § 8 IV 1 TzBfG vorliegen, die die Ablehnung des Teilzeitbegehrens eines
Arbeitnehmers auf dem geschaffenen Vollzeitarbeitsplatz rechtfertigen würden (LAG Nürnberg, Urteil vom 23.02.2006 - 5 Sa 224/05, NZA-RR 2006, 294).
Arbeitnehmer, die bis zum 31.12.2003 in einem Betrieb mit regelmäßig mehr als 5 Arbeitnehmern eingestellt wurden, genießen nach dem 01.01.2004 keinen
Kündigungsschutz mehr nach dem bisherigen Recht, wenn im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung wegen Wegfalls (Ausscheiden/Arbeitszeitreduzierung)
von am 31.12.2003 beschäftigten Arbeitnehmern der Schwellenwert von 5,25 Alt-Arbeitnehmern unterschritten wird (LAG Niedersachsen, Urteil vom
23.01.2006 - 17 Sa 1652/05, NZA-RR 2006, 413).
§ 3 Kündigungseinspruch
Hält der Arbeitnehmer eine Kündigung für sozial ungerechtfertigt, so kann er binnen einer Woche nach der Kündigung Einspruch beim Betriebsrat einlegen.
Erachtet der Betriebsrat den Einspruch für begründet, so hat er zu versuchen, eine Verständigung mit dem Arbeitgeber herbeizuführen. Er hat seine
Stellungnahme zu dem Einspruch dem Arbeitnehmer und dem Arbeitgeber auf Verlangen schriftlich mitzuteilen.
§ 4 Anrufung des Arbeitsgerichtes
Will ein Arbeitnehmer geltend machen, dass eine Kündigung sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist, so muss er innerhalb von
drei Wochen nach Zugang der Kündigung Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst
ist. Im Falle des § 2 ist die Klage auf Feststellung zu erheben, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen
rechtsunwirksam ist. Hat der Arbeitnehmer Einspruch beim Betriebsrat eingelegt (§ 3), so soll er der Klage die Stellungnahme des Betriebsrates beifügen.
Soweit die Kündigung der Zustimmung einer Behörde bedarf, läuft die Frist zur Anrufung des Arbeitsgerichtes erst von der Bekanntgabe der Entscheidung der
Behörde an den Arbeitnehmer ab.
Leitsätze:
„... II. Aufgrund der bisherigen tatsächlichen Feststellungen durfte das Landesarbeitsgericht die außerordentliche Änderungskündigung vom 21. April 2009
nicht nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG für unwirksam halten. Es steht nicht fest, ob es insoweit einer Anhörung des Betriebsrats nach § 102 Abs. 1 BetrVG
bedurfte. Das wäre nicht der Fall, wenn die Versetzung der Klägerin in den Verkaufsbereich mit geänderten Arbeitszeiten schon ohne Änderungskündigung
rechtswirksam vorgenommen werden konnte, die ausgesprochene Änderungskündigung demnach „überflüssig" war.
1. Die von der Klägerin begehrte Feststellung, die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Änderungskündigung vom 21. April 2009 sei unwirksam, kann
nicht getroffen werden, wenn das von ihr unter Vorbehalt angenommene „Änderungsangebot" der Beklagten in Wirklichkeit gar nicht auf eine Änderung der
Arbeitsvertragsbedingungen abzielte.
a) Nach § 4 Satz 2 KSchG ist eine Änderungsschutzklage auf die Feststellung zu richten, die Änderung der Arbeitsbedingungen sei „sozial ungerechtfertigt"
oder sei „aus einem anderen Grund rechtsunwirksam". Auf eine außerordentliche Änderungskündigung ist § 4 Satz 2 KSchG trotz des einschränkenden
Wortlauts von § 13 Abs. 1 Satz 2 KSchG entsprechend anzuwenden (BAG 28. Oktober 2010 - 2 AZR 688/09 - Rn. 12, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 148 = EzA
KSchG § 2 Nr. 80). Eine solche Feststellung können die Gerichte nicht treffen, wenn das mit der Kündigung verbundene „Änderungsangebot" gar nicht auf eine
Änderung der bestehenden Vertragsbedingungen gerichtet ist, sondern die bereits bestehenden Vertragsbedingungen inhaltlich nur wiederholt. Das ist der Fall,
wenn die in ihm vorgesehenen „neuen" Bedingungen vom Arbeitgeber schon durch Ausübung des Direktionsrechts durchgesetzt werden können (BAG 26.
Januar 2012 - 2 AZR 102/11 - Rn. 12; 29. September 2011 - 2 AZR 617/10 - Rn. 14; ErfK/Oetker 12. Aufl. § 2 KSchG Rn. 14). Voraussetzung für die
Begründetheit einer Änderungsschutzklage nach § 4 Satz 2 KSchG ist, dass die Parteien über die Berechtigung einer Änderung ihrer arbeitsvertraglichen
Vereinbarungen streiten. Das Fehlen der sozialen Rechtfertigung einer Änderung der Arbeitsbedingungen oder deren Unwirksamkeit aus anderen Gründen kann
nicht festgestellt werden, wenn der Vertrag der Parteien in Wirklichkeit nicht geändert werden soll. Das gilt auch für eine außerordentliche
Änderungskündigung, insbesondere für eine außerordentliche Änderungskündigung mit notwendiger Auslauffrist, die der ordentlichen Änderungskündigung in
den Rechtsfolgen angenähert ist (BAG 29. September 2011 - 2 AZR 617/10 - Rn. 14).
b) Hat der Arbeitnehmer - wie hier - das Änderungsangebot des Arbeitgebers unter Vorbehalt angenommen und Änderungsschutzklage nach § 4 Satz 2 KSchG
erhoben, streiten die Parteien nicht über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses und damit nicht über die Rechtswirksamkeit der ausgesprochenen Kündigung,
sondern nur noch über die Berechtigung des Angebots auf Änderung der Arbeitsbedingungen. Streitgegenstand der Änderungsschutzklage ist nicht die
Wirksamkeit der Kündigung, sondern der Inhalt der für das Arbeitsverhältnis geltenden Vertragsbedingungen (BAG 26. Januar 2012 - 2 AZR 102/11 - Rn. 13;
26. August 2008 - 1 AZR 353/07 - Rn. 17, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 139 = EzA KSchG § 2 Nr. 72).
c) Vom Arbeitgeber erstrebte Änderungen, die sich schon durch die Ausübung des Weisungsrechts gemäß § 106 Satz 1 GewO durchsetzen lassen, halten sich
im Rahmen der vertraglichen Vereinbarungen und sind keine „Änderung der Arbeitsbedingungen" iSv. § 2 Satz 1, § 4 Satz 2 KSchG (BAG 26. Januar 2012 - 2
AZR 102/11 - Rn. 14). Soll der bestehende Vertragsinhalt nicht geändert werden, liegt in Wirklichkeit kein Änderungsangebot vor, die vermeintlich erst
herbeizuführenden Vertragsbedingungen gelten bereits. Eine Änderungskündigung ist „überflüssig". Eine Änderungsschutzklage ist dann unbegründet (BAG
26. Januar 2012 - 2 AZR 102/11 - aaO; KR/Rost 9. Aufl. § 2 KSchG Rn. 28). Es kann in diesem Fall schlechterdings nicht festgestellt werden, der Änderung
der Vertragsbedingungen fehle es an einem wichtigen Grund oder sie sei aus anderen Gründen rechtsunwirksam (BAG 26. Januar 2012 - 2 AZR 102/11 - aaO;
vgl. auch ErfK/Oetker 12. Aufl. § 2 KSchG Rn. 14).
2. Nach den bisherigen Feststellungen schuldete die Klägerin eine Tätigkeit als Verkäuferin. Danach hält sich die von der Beklagten für sie vorgesehene
Tätigkeit im Rahmen der bestehenden vertraglichen Abrede. Um ihr diese Tätigkeit zuzuweisen, bedurfte es folglich keiner Änderungskündigung. Zwischen
den Parteien steht dagegen im Streit, ob die Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit auf die Wochentage von Montag bis Freitag und der Beginn und das Ende
der täglichen Arbeitszeit vertraglich fest vereinbart sind. Liegt keine feste vertragliche Vereinbarung vor, gehört es nach § 106 Satz 1 GewO zum Gegenstand
des Direktionsrechts der Beklagten, die Lage der Arbeitszeit zu bestimmen (vgl. BAG 15. September 2009 - 9 AZR 757/08 - Rn. 51, BAGE 132, 88). Haben
die Parteien dagegen die Lage der Arbeitszeit vertraglich festgelegt, ist sie gemäß § 106 Satz 1 Halbs. 2 GewO einer näheren Ausgestaltung im Wege des
Direktionsrechts der Beklagten entzogen. Eine solche Vereinbarung können die Vertragsparteien ausdrücklich oder konkludent schließen. Wollen sie das
Weisungsrecht des Arbeitgebers durch eine vertragliche Regelung einschränken, müssen sie das hinreichend deutlich zum Ausdruck bringen (Schaub/Linck
ArbR-Hdb. 13. Aufl. § 45 Rn. 67, 68; HWK/Lembke 4. Aufl. § 106 GewO Rn. 38).
3. Das Landesarbeitsgericht hat nicht festgestellt, ob die Bestimmung der Lage der Arbeitszeit dem Direktionsrecht der Beklagten unterfällt oder diesem
aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung der Parteien entzogen ist.
a) Der schriftliche Arbeitsvertrag vom 1. April 1987 enthält keine ausdrückliche Regelung zur Verteilung der Arbeitszeit.
b) Das Landesarbeitsgericht hat dahinstehen lassen, ob die in der „Arbeitszeitänderung" vom 13. Oktober 1994 aufgeführten Arbeitszeiten ein einseitig nicht
mehr änderbarer Vertragsbestandteil geworden sind. Dies durfte nicht dahingestellt bleiben. Das Landesarbeitsgericht wird vielmehr zu klären haben, ob die
Parteien die Verteilung der Arbeitszeit der Klägerin vertraglich geregelt haben. Ist dies zu bejahen, bedurfte es zu ihrer Änderung einer - dann nicht
„überflüssigen" - Änderungskündigung, die allen Wirksamkeitsanforderungen entsprechen muss. Ist die Frage zu verneinen, kommt es auf die Wirksamkeit der
Änderungskündigung nicht an. Dabei kommt in Betracht, dass die Parteien mit dem Schreiben vom Oktober 1994 eine verbindliche Vereinbarung über die
Lage der Arbeitszeit getroffen haben. Ferner kommt in Betracht, dass die Parteien in der Folgezeit eine solche Vereinbarung getroffen haben; nach den
Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ist die Arbeitszeit für die Klägerin nach 1994 erneut verändert worden.
c) Soweit sich die Klägerin auf eine der einseitigen Änderung entzogenen Konkretisierung der Lage ihrer Arbeitszeit durch eine jahrelang gleichmäßige
Handhabung beruft, ist dieser Umstand nach den bisherigen Feststellungen nicht geeignet, das Weisungsrecht der Beklagten einzuschränken.
aa) Eine solche Konkretisierung tritt regelmäßig nicht allein dadurch ein, dass ein Arbeitnehmer längere Zeit in einer bestimmten Weise eingesetzt worden ist.
Zum reinen Zeitablauf müssen besondere Umstände hinzukommen, die erkennen lassen, der Arbeitnehmer solle künftig verpflichtet sein, seine Arbeit nur noch
wie bisher zu erbringen (BAG 15. September 2009 - 9 AZR 757/08 - Rn. 54, BAGE 132, 88). Allein aus der Beibehaltung einer betrieblichen Praxis über einen
längeren Zeitraum hinweg kann der Arbeitnehmer nicht schließen, der Arbeitgeber werde diese Praxis auch künftig beibehalten und sein Weisungsrecht nicht
mehr anders ausüben (BAG 7. Dezember 2000 - 6 AZR 444/99 - zu III 2 der Gründe, AP BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 61 = EzA BGB § 611 Direktionsrecht
Nr. 23). Der Arbeitgeber muss dazu nicht etwa in bestimmten zeitlichen Abständen darauf hinweisen, er beabsichtige, von seinem Weisungsrecht ggf. weiterhin
Gebrauch zu machen (vgl. Schaub/Linck ArbR-Hdb. 13. Aufl. § 45 Rn. 13 e).
bb) Etwas anderes kann sich bei Vorliegen besonderer Umstände ergeben, die den Schluss auf einen Verzicht des Arbeitgebers zulassen, von seinem
Weisungsrecht anderen Gebrauch zu machen. Solche Umstände hat das Landesarbeitsgericht bisher nicht festgestellt. Es wird den Parteien Gelegenheit geben
müssen, hierzu ergänzend vorzutragen. ..." (BAG, Urteil vom 19.07.2012 - 2 AZR 25/11)
***
„... 1. Die Begründetheit einer Änderungsschutzklage iSv. § 4 Satz 2 KSchG setzt voraus, dass in dem Zeitpunkt, zu welchem die Änderungskündigung
wirksam wird, das Arbeitsverhältnis nicht ohnehin zu den Bedingungen besteht, die dem Arbeitnehmer mit der Kündigung angetragen wurden (BAG 26. Januar
2012 - 2 AZR 102/11 - Rn. 12; 29. September 2011 - 2 AZR 523/10 - Rn. 14, EzA KSchG § 2 Nr. 83; 26. August 2008 - 1 AZR 353/07 - Rn. 17, AP KSchG
1969 § 2 Nr. 139 = EzA KSchG § 2 Nr. 72). Zielt eine Änderungskündigung ausschließlich auf die Herbeiführung von Arbeitsbedingungen, die ohnehin - sei es
normativ, sei es auf vertraglicher Grundlage - für das Arbeitsverhältnis gelten, ist die Kündigung wegen der mit ihr einhergehenden Bestandsgefährdung zwar
unverhältnismäßig. Streitgegenstand der Änderungsschutzklage ist aber nicht die Wirksamkeit der Kündigung, sondern der Inhalt der für das Arbeitsverhältnis
geltenden Arbeitsbedingungen. Die Feststellung, dass die dem Arbeitnehmer mit der Änderungskündigung angetragenen neuen Arbeitsbedingungen nicht
gelten, kann das Gericht nicht treffen, wenn sich das Arbeitsverhältnis bei Kündigungsausspruch bereits nach den fraglichen Bedingungen richtet (vgl. BAG 26.
Januar 2012 - 2 AZR 102/11 - Rn. 14; 29. September 2011 - 2 AZR 523/10 - aaO).
2. Ein in diesem Sinne „überflüssiges" Änderungsangebot liegt nicht vor.
a) Allerdings war die Beklagte nach Maßgabe des vereinbarten Tätigkeitsbereichs „Fleischer" grundsätzlich berechtigt, den Kläger per Direktionsrecht (§ 106
Satz 1 GewO) aus dem Bereich „Materialvorbereitung" in den Bereich „Rohwurst" - wie bereits im Juli 2009 geschehen - zu „versetzen".
aa) Das Tätigkeitsbild des „Fleischers" umfasst gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 13 der Verordnung über die Berufsausbildung zum Fleischer in der einschlägigen Fassung
vom 23. März 2005 (BGBl. I S. 898) die „Herstellung von Rohwurst". Dazu zählt die dem Kläger im Zusammenhang mit der Änderungskündigung angetragene
Tätigkeit.
bb) Zu Unrecht meint die Beklagte, diese Tätigkeit sei der vertraglich vereinbarten Arbeitsaufgabe deshalb nicht gleichwertig, weil sie nur einen - vermeintlich
unwesentlichen - Teilbereich aus dem Spektrum des Fleischerberufs abdecke. Die Gleichwertigkeit als typische Voraussetzung für die Übertragung einer
anderweitigen „zumutbaren" Arbeitsaufgabe mittels Direktionsrechts orientiert sich bei Anwendung eines tariflichen Vergütungssystems regelmäßig an diesem
System (vgl. BAG 17. August 2011 - 10 AZR 322/10 - Rn. 16, 25, EzA GewO § 106 Nr. 8; 30. August 1995 - 1 AZR 47/95 - zu II 2 b der Gründe, AP BGB §
611 Direktionsrecht Nr. 44 = EzA BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 14; KR/Rost 9. Aufl. § 2 KSchG Rn. 62). Davon geht im Übrigen die Beklagte selbst aus.
Auch sie versteht die bisherigen vertraglichen Festlegungen durchgängig so, dass sie eine Beschäftigung mit solchen im Betrieb anfallenden
„Fleischertätigkeiten" ermöglichten, die nach der Lohngruppe I LTV zu vergüten sind. Sie hat lediglich die Auffassung vertreten, diese Voraussetzung sei mit
Blick auf die Arbeitsplätze, die nach Schließung der „Materialvorbereitung" für eine Weiterbeschäftigung infrage gekommen seien, insbesondere die dem
Kläger angetragene Beschäftigung im Bereich „Rohwurst", nicht erfüllt. Zumindest Letzteres trifft bei richtiger Auslegung des einschlägigen Lohntarifvertrags
vom 26. August 2008 nicht zu.
(1) Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln (zu den Kriterien vgl. BAG 17.
Oktober 2007 - 4 AZR 1005/06 - Rn. 40, BAGE 124, 240; 7. Juli 2004 - 4 AZR 433/03 - zu I 1 b aa der Gründe, BAGE 111, 204) und ist - wie auch die
Auslegung von Gesetzen selbst - in der Revisionsinstanz in vollem Umfang nachzuprüfen (vgl. BAG 18. Mai 2011 - 4 AZR 549/09 - Rn. 28, EzA TVG § 4
Metallindustrie Nr. 139).
(2) Danach sind Arbeitnehmer, die eine Berufsausbildung als Fleischer erfolgreich abgeschlossen haben, bereits dann in die Lohngruppe I LTV eingruppiert,
wenn sie eine dem Berufsbild des Fleischers zugehörige Teiltätigkeit verrichten. Das gilt unabhängig davon, ob die Tätigkeit, wenn sie von einem
Arbeitnehmer ohne abgeschlossene Berufsausbildung durchgeführt wird, nach einer der Lohngruppen II bis IV LTV zu vergüten wäre. Die Tarifvertragsparteien
veranschlagen - wie § 3 Abs. 2 Satz 2 LTV verdeutlicht - die fachliche Qualifikation eines Arbeitnehmers stets höher, auch wenn er nur Teilaufgaben aus dem
Berufsbild des Fleischers verrichtet.
(a) Sind einem allgemein gefassten Tätigkeitsmerkmal einer Lohngruppe konkrete Richt-, Regel- oder Tätigkeitsbeispiele beigefügt, ist das Tätigkeitsmerkmal
regelmäßig dann erfüllt, wenn der Arbeitnehmer eine den Beispielen entsprechende Tätigkeit ausübt (BAG 21. April 2010 - 4 AZR 735/08 - Rn. 20; 20. Mai
2009 - 4 ABR 99/08 - Rn. 30 mwN, BAGE 131, 36). Dies folgt zum einen aus den Grundsätzen der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit, denen die
Tarifvertragsparteien bei Abfassung von Tarifnormen gerecht werden wollen. Zum anderen beruht dies auf dem Umstand, dass die Tarifvertragsparteien im
Rahmen ihrer rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten gewisse häufig vorkommende und typische Aufgaben und Funktionen einer bestimmten Lohngruppe fest
zuordnen können. Ob es sich dabei um eine den allgemeinen Merkmalen entsprechende Tätigkeit handelt, braucht in einem solchen Fall regelmäßig nicht mehr
geprüft zu werden (BAG 21. April 2010 - 4 AZR 735/08 - Rn. 20; 10. März 1999 - 4 AZR 246/98 - zu 3 b der Gründe). Etwas anderes kann gelten, wenn sich
aus dem Wortlaut oder dem tariflichen Gesamtzusammenhang ergibt, dass die von den Tarifvertragsparteien genannten Beispielstätigkeiten nur der Erläuterung
des abstrakten Tätigkeitsmerkmals dienen, allein aber nicht ausreichen sollen, dessen Anforderungen zu genügen (BAG 18. April 2007 - 4 AZR 77/06 - Rn. 17).
(b) Hiervon ausgehend spricht einiges dafür, dass der Kläger schon wegen des dort aufgeführten Richtbeispiels „Fleischergeselle" in die Lohngruppe I LTV
eingruppiert ist. Dem steht § 3 Abs. 1 Satz 2 LTV nicht entgegen. Danach dienen die aufgeführten Tätigkeitsbeispiele der Erläuterung, stellen keinen
abschließenden Katalog dar und begründen nur in Verbindung mit den Lohngruppenmerkmalen (Oberbegriffen) einen Anspruch auf eine entsprechende
Eingruppierung. Mit diesen Formulierungen kommt nicht hinreichend deutlich zum Ausdruck, dass die Tätigkeitsbeispiele bei der Eingruppierung nicht
selbständig anwendbar sein sollen, sondern stets noch eine umfassende Prüfung der abstrakten Lohngruppenmerkmale vorgenommen werden müsse. Zur
Erfüllung des Richtbeispiels muss ein Fleischergeselle auch keine „Führungsverantwortung" haben. Dies ergibt sich weder aus dem Beispiel selbst noch aus
den allgemeinen Merkmalen der Lohngruppe I LTV.
(c) Die Eingruppierung des Klägers in die Lohngruppe I LTV ergibt sich in jedem Fall aus § 3 Abs. 2 Satz 2 LTV. Der Wortlaut der Bestimmung, von dem bei
der Tarifauslegung vorrangig auszugehen ist (st. Rspr., zB BAG 14. September 2011 - 10 AZR 358/10 - Rn. 15, NZA 2011, 1358; 6. Dezember 2006 - 4 AZR
659/05 - BAGE 120, 269), sieht eine Eingruppierung von Arbeitnehmern mit einschlägiger abgeschlossener Berufsausbildung in die Lohngruppe I LTV vor,
sofern sie dem Berufsbild entsprechend tätig sind. Die Tarifregelung setzt somit für die Eingruppierung eines Arbeitnehmers mit Berufsabschluss in diese
Lohngruppe lediglich voraus, dass er „dem Berufsbild entsprechend tätig" ist, ohne zusätzliche Anforderungen an die Schwierigkeit oder den Umfang der
fraglichen Aufgaben zu stellen. Sie erfasst damit auch Teiltätigkeiten, sofern sie dem Ausbildungsberuf zuzurechnen sind. Lediglich fachfremde Arbeiten oder
bloße Hilfstätigkeiten, die bei jeder beruflichen Tätigkeit anfallen und deshalb für diese nicht charakterisierend sind - etwa Reinigungs- oder vergleichbare
Begleittätigkeiten - fallen nach dem Sprachgebrauch des Tarifvertrags aus dem Anwendungsbereich der Vorschrift heraus.
§ 3 Abs. 2 Satz 2 LTV macht auf diese Weise deutlich, dass es bei nachgewiesener Qualifikation für eine Einreihung in die Lohngruppe I LTV nicht noch
zusätzlich auf eine bestimmte Qualität der „dem Berufsbild entsprechenden" Tätigkeiten ankommt. Wollte man die Tarifregelung anders verstehen und - wie
die Beklagte - zusätzlich verlangen, dass die fraglichen Aufgaben in ihrer Breite das „klassische Berufsbild" abdecken und sich etwa durch das Merkmal der
„Wesentlichkeit" von den in den Lohngruppen II bis IV erfassten Teilaufgaben eines Facharbeiters unterscheiden, verbliebe für § 3 Abs. 2 Satz 2 LTV kein
eigenständiger Anwendungsbereich. Die Regelung liefe weitgehend leer.
(d) Dem steht die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht entgegen, derzufolge im Regelfall eine Tätigkeit, die dem Beispiel einer niedrigeren
Lohngruppe entspricht, nicht unter die abstrakten Tätigkeitsmerkmale einer höheren Lohngruppe subsumiert werden kann (vgl. BAG 19. Mai 2010 - 4 AZR
903/08 - Rn. 32, AP TVG § 1 Tarifverträge: Lufthansa Nr. 46; 25. September 1991 - 4 AZR 87/91 - zu II 2 a der Gründe, AP TVG § 1 Tarifverträge:
Großhandel Nr. 7 = EzA TVG § 4 Großhandel Nr. 2). Sie ist schon wegen des Ausnahmecharakters der Regelung des § 3 Abs. 2 Satz 2 LTV auf den Streitfall
nicht übertragbar. Ebenso wenig besteht ein Widerspruch zur Auslegung einer Eingruppierungsregelung im Einzelhandel, die Gegenstand der Entscheidung des
Bundesarbeitsgerichts vom 24. September 2008 (- 4 ABR 83/07 - Rn. 15 ff., AP TVG § 1 Tarifverträge: Einzelhandel Nr. 94) war. In die dortige Lohngruppe
III LTV waren eingruppiert „Arbeitskräfte, die ihre Abschlussprüfung bestanden haben und in ihrem erlernten Beruf beschäftigt sind". Soweit die Beklagte aus
dieser Formulierung für die Auslegung von § 3 Abs. 2 Satz 2 LTV abgeleitet hat, die Tätigkeit müsse „im Wesentlichen" dem Berufsbild entsprechen und das
Gepräge derjenigen einer Fachkraft haben, fehlt es schon nach dem Wortlaut an einer Vergleichbarkeit der Tarifbestimmungen. Überdies stehen beide
Eingruppierungsregelungen in einem unterschiedlichen Gesamtzusammenhang. Die darin zum Ausdruck kommenden unterschiedlichen Bewertungen der
Bedeutung einer abgeschlossenen Berufsausbildung durch die Tarifvertragsparteien sind zu respektieren. Sie könnten selbst bei größerer Übereinstimmung in
der Formulierung der Eingruppierungsvoraussetzungen zu verschiedenen Ergebnissen führen.
(e) Das Auslegungsergebnis wird durch die Tarifgeschichte gestützt.
(aa) Der Lohntarifvertrag vom 5. Juli 2006 ist, was die Eingruppierungsregelungen anbelangt, gleichlautend mit dem hier einschlägigen. Die beiden
Vorgängertarifverträge vom 19. April 2005 und 16. Dezember 2003 (LTV-Alt), stimmen in den allgemeinen Eingruppierungsmerkmalen der Lohngruppe 1
LTV-Alt mit § 2 LTV vom 26. August 2008 überein. In die Lohngruppe 2 LTV-Alt waren „angelernte ArbeitnehmerInnen" eingruppiert, soweit diese nach
einer Einarbeitungszeit von 12 Monaten Teilaufgaben eines/r Facharbeiters/in ausführten. In die Lohngruppen 3 und 4 LTV-Alt waren „ungelernte
ArbeitnehmerInnen" eingruppiert, je nachdem ob sie „mit schweren Arbeiten" oder „mit leichten Arbeiten" betraut waren. Eine der Bestimmung des § 3 LTV
vom 26. August 2008 vergleichbare Regelung enthielten die LTV-Alt nicht. Stattdessen hatten die Tarifvertragsparteien unter § 3 LTV-Alt eine
Besitzstandsregelung getroffen, nach der „bisher gezahlte höhere Löhne und Leistungszulagen" unberührt blieben. Die zeitlich weiter zurückliegenden
Lohntarifverträge vom 5. November 2002, vom 29. August 2001 und vom 20. Mai 1992 nennen in der Lohngruppe 1 keine allgemeinen
Eingruppierungsmerkmale, sondern führen ausschließlich Berufsgruppen wie folgt an: „Gesellen, Handwerker und Kraftfahrer". Hinsichtlich einer
Eingruppierung in die Lohngruppen 2 bis 4 wurde - wie in den Tarifverträgen vom 19. April 2005 und 16. Dezember 2003 - nach „angelernten" und
„ungelernten" Arbeitnehmern unterschieden.
(bb) Diese Entwicklung zeigt, dass die Tarifvertragsparteien seit jeher die fachliche Qualifikation der Arbeitnehmer in Form einer abgeschlossenen
Berufsausbildung als gewichtigen Grund für eine Eingruppierung in die höchste Lohngruppe angesehen haben. Soweit sie diese Voraussetzung ab dem Jahr
2003 um einen Tätigkeitsbezug ergänzt haben, sollte dies für Arbeitnehmer mit abgeschlossener Berufsausbildung erkennbar nicht zu einer grundlegend
anderen Bewertung führen. Dafür spricht die Beibehaltung der Unterscheidung zwischen „angelernten" und „ungelernten" Arbeitnehmern im Übrigen. Mit dem
Tarifvertrag vom 5. Juli 2006 wurden zwar die allgemeinen Eingruppierungsmerkmale der Lohngruppen II bis IV differenzierter ausgestaltet und auch diese um
tätigkeitsbezogene Kriterien ergänzt. Zugleich haben die Tarifvertragsparteien mit der Regelung in § 3 Abs. 2 Satz 2 LTV aber deutlich gemacht, dass sie an der
Qualifikation als Differenzierungskriterium - mit gewissen Einschränkungen - festhalten. Dies kann bei objektiver Betrachtung nur so verstanden werden, dass
sie ein „Abrutschen" von Arbeitnehmern mit abgeschlossener Berufsausbildung in eine niedrigere Vergütungsgruppe jedenfalls dann ausschließen wollten,
wenn diese nicht „fachfremd", sondern mit Aufgaben beschäftigt sind, die Gegenstand der Berufsausbildung sind.
(f) Die von der Beklagten vorgelegte - anderslautende - „Tarifauskunft" des Verbands der Ernährungswirtschaft e.V. Niedersachsen/Bremen/Sachsen-Anhalt
vom 17. September 2010 ist unbeachtlich (vgl. BAG 19. September 2007 - 4 AZR 670/06 - Rn. 32, BAGE 124, 110; zur Problematik ferner Creutzfeldt in FS
Düwell 2011 S. 293 ff.) und vermag das Ergebnis nicht in Frage zu stellen. Zum einen ist der Verband nicht Partei des im Streitfall einschlägigen Tarifvertrags
und war nach eigenem Bekunden nicht in die Tarifverhandlungen eingebunden. Er ist also ohnehin kein „authentischer Interpret". Zum anderen hat der in der
Auskunft bekundete Wille der Beklagten, Tätigkeiten, die dem Berufsbild des Fleischers zwar entsprechen, aber als Tätigkeitsbeispiele bei den Lohngruppen II
und III LTV aufgeführt sind, aus dem Anwendungsbereich des § 3 Abs. 2 Satz 2 LTV auszuklammern, in den Tarifnormen keinen genügenden Niederschlag
gefunden. Dieser Wille kann deshalb bei der Auslegung keine Berücksichtigung finden (vgl. dazu BAG 30. Januar 2002 - 10 AZR 441/01 - zu II 1 a der
Gründe, NZA 2002, 815).
(3) Nach allem sind ausgebildete Fleischer, die im Bereich „Rohwurst" mit den dem Kläger zugewiesenen Tätigkeiten beschäftigt werden, in die Lohngruppe I
LTV eingruppiert. Darauf, ob die Arbeitsaufgabe - wie von der Beklagten geltend gemacht - dem der Lohngruppe III zugeordneten Beispiel „Tätigkeiten in der
Vorbereitung sowie Füllen und Einhängen von Wurst mit einem Stückgewicht von über 2,5 kg in Gestelle" entspricht, kommt es nicht an.
b) Obwohl es demnach keiner Änderung bestehender Vertragsregelungen bedurfte, um den Kläger, ggf. auch längerfristig, im Bereich „Rohwurst" einzusetzen,
liegt kein „überflüssiges" Änderungsangebot vor. Die Erklärungen im Schreiben der Beklagten vom 29. Juli 2009 zielen nicht nur auf die Zuweisung einer
anderen Arbeitsaufgabe im Rahmen der durch die bisherigen Vertragsregelungen eröffneten - weiten - Einsatzmöglichkeit in verschiedenen Arbeitsbereichen
des Betriebs. Mit der in Nr. 1 des Änderungsangebots enthaltenen Regelung wollte die Beklagte vielmehr eine dauerhafte Begrenzung der vertraglich
geschuldeten Tätigkeit des Klägers auf den - deutlich engeren - Tätigkeitsbereich „Rohwurst" erreichen. Schon dies geht - ohne dass es noch auf die gemäß Nr.
2 vorgesehene „Herabgruppierung" ankäme - über das hinaus, was ein Arbeitgeber im Wege des Direktionsrechts einseitig durchzusetzen in der Lage ist.
aa) Das Landesarbeitsgericht hat das mit der Änderungskündigung unterbreitete Änderungsangebot insoweit nicht ausgelegt. Der Senat kann die Auslegung -
auch wenn es sich insgesamt um atypische Erklärungen handeln sollte - selbst vornehmen, weil der Sachverhalt vollständig festgestellt und kein weiteres
tatsächliches Vorbringen der Parteien zu erwarten ist (vgl. BAG 1. September 2010 - 5 AZR 700/09 - Rn. 24 mwN, BAGE 135, 255).
bb) Gemäß Nr. 1 des Änderungsangebots sollte der Kläger „zukünftig im Bereich Rohwurst tätig sein" und „alle damit im Zusammenhang stehenden Aufgaben
verrichten". Dem musste er als verständiger Erklärungsempfänger entnehmen, dass mit der Annahme des Angebots eine entsprechende Festlegung der
vertraglich geschuldeten Tätigkeit verbunden sein sollte. Dieser Eindruck wird dadurch verstärkt, dass unter Nr. 2 des Änderungsangebots ausdrücklich von
einem „neuen" Tätigkeitsbereich die Rede ist.
cc) Diesem Verständnis des Änderungsangebots steht der zuvor vereinbarte, im ursprünglichen Arbeitsvertrag der Parteien enthaltene Versetzungsvorbehalt
nicht entgegen. Das dem Kläger unterbreitete Angebot lässt nicht erkennen, dass diese Regelung weiterhin Gültigkeit haben sollte. Das Angebot beschreibt den
künftigen Einsatzbereich abschließend. Außerhalb der Kündigungserklärung liegende Umstände, die auf einen gegenteiligen Willen der Beklagten schließen
ließen, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
II. Die dem Kläger mit der Änderungskündigung angetragene, einseitig nicht durchsetzbare Beschränkung des vertraglichen Aufgabenbereichs, ist sozialwidrig
iSv. § 2 Satz 1, § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG.
1. Bei einer betriebsbedingten Änderungskündigung ist das Änderungsangebot des Arbeitgebers daran zu messen, ob dringende betriebliche Erfordernisse
gemäß § 1 Abs. 2 KSchG es bedingen und ob der Arbeitgeber sich darauf beschränkt hat, solche Vertragsänderungen vorzuschlagen, die der Arbeitnehmer
billigerweise hinnehmen muss (st. Rspr., BAG 12. Oktober 2010 - 2 AZR 945/08 - Rn. 29, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 147 = EzA KSchG § 2 Nr. 79; 9.
September 2010 - 2 AZR 936/08 - Rn. 29, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 149, jeweils mwN). Im Rahmen des § 1 Abs. 2 Satz 1 iVm. § 2 KSchG ist dabei zu prüfen,
ob ein Beschäftigungsbedürfnis für den betreffenden Arbeitnehmer zu den bisherigen Vertragsbedingungen entfallen ist und ihm bei Anwendung des
Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes die am wenigsten beeinträchtigende Änderung angeboten wurde. Ausgangspunkt ist die bisherige vertragliche Regelung. Die
angebotenen Änderungen dürfen sich nicht weiter vom bisherigen Inhalt des Arbeitsverhältnisses entfernen, als es zur Erreichung des angestrebten Ziels
erforderlich ist (BAG 26. März 2009 - 2 AZR 879/07 - Rn. 51 ff. mwN, AP KSchG 1969 § 9 Nr. 57). Dieser Maßstab gilt unabhängig davon, ob der
Arbeitnehmer das Änderungsangebot abgelehnt oder unter Vorbehalt angenommen hat (BAG 26. November 2009 - 2 AZR 658/08 - Rn. 16, AP KSchG 1969 §
2 Nr. 144 = EzA KSchG § 2 Nr. 76; 15. Januar 2009 - 2 AZR 641/07 - Rn. 14, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 141).
2. Die Vermutungswirkung des § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG greift im Streitfall nicht ein. Die Vorschrift ist zwar auf Änderungskündigungen anwendbar (BAG 19.
Juni 2007 - 2 AZR 304/06 - Rn. 18 ff., BAGE 123, 160). Die Beklagte hat sich aber weder auf sie berufen, noch bietet der festgestellte Sachverhalt
hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass die Voraussetzungen des § 1 Abs. 5 KSchG vorliegen. Fest steht auf der Grundlage des unstreitigen Parteivorbringens
nur, dass am 16. Juli 2009 ein Interessenausgleich/Sozialplan geschlossen wurde. Soweit darin auf eine Liste mit den Namen der für eine Änderungskündigung
vorgesehenen Arbeitnehmer Bezug genommen wird, ist nicht erkennbar, ob und wann eine solche Liste erstellt wurde und ob sie mit dem Interessenausgleich
eine einheitliche Urkunde bildet (zu dieser Voraussetzung BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 420/09 - Rn. 16, AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 98 = EzA
KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 22; 12. Mai 2010 - 2 AZR 551/08 - Rn. 17, AP KSchG 1969 § 1 Namensliste Nr. 20 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich
Nr. 21). Soweit die Beklagte eine - weder von ihr selbst, noch vom Betriebsrat unterzeichnete - „Personalliste" zur Gerichtsakte gereicht hat, in der die von
einer Änderungskündigung betroffenen Arbeitnehmer namentlich aufgeführt sind, handelt es sich ihren eigenen Ausführungen zufolge um die „Anlage 1" zur
Anhörung des Betriebsrats. Anhaltspunkte dafür, dass diese oder eine gleichlautende Liste dem Interessenausgleich beigefügt und mit ihm im
Kündigungszeitpunkt fest verbunden gewesen wäre, liegen nicht vor. Ob die übrigen Voraussetzungen des § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG erfüllt sind, kann offenbleiben.
3. Zugunsten der Beklagten kann unterstellt werden, dass ihre Organisationsentscheidung, die Schinkenzerlegung einzustellen und die Abteilung
„Materialvorbereitung" zu schließen, auf Dauer angelegt war. Weiter kann unterstellt werden, dass jedenfalls nach Ablauf der im Schreiben vom 29. Juli 2009
mitgeteilten Kündigungsfrist im Betrieb - abgesehen von den Arbeitsplätzen nicht vergleichbarer Führungskräfte - keine Tätigkeiten mehr verrichtet wurden,
die iSv. § 2, § 3 Abs. 1 LTV die allgemeinen Eingruppierungsmerkmale der Lohngruppe I erfüllten. Dies berechtigte die Beklagte aber nicht, den bisher weit
gefassten vertraglichen Aufgabenbereich des Klägers dauerhaft auf eine Beschäftigung im Bereich „Rohwurst" zu begrenzen. Fallen aufgrund
unternehmerischer Entscheidung bisher vom Arbeitnehmer verrichtete Arbeitsaufgaben ganz oder teilweise weg, liegt kein dringendes betriebliches Erfordernis
zur Änderung von Vertragsbedingungen iSv. § 2 Satz 1 KSchG vor, solange der Arbeitnehmer auf der bestehenden Vertragsgrundlage vollschichtig mit
Aufgaben beschäftigt werden kann, die ihm in den durch § 106 Satz 1 GewO vorgegebenen Grenzen einseitig übertragen werden können. Das gilt schon
deshalb, weil der Arbeitnehmer sonst Gefahr liefe, sich im Fall einer erneuten, im Kündigungszeitpunkt nicht absehbaren Veränderung des betrieblichen
Leistungsspektrums bei der Sozialauswahl uU nicht mehr auf solche Tätigkeiten berufen zu können, die vormals unzweifelhaft zu seinem Aufgabengebiet
zählten. Ein dringendes betriebliches Erfordernis, die vertraglich geschuldete Tätigkeit auf die noch im Betrieb anfallenden Arbeiten zu begrenzen, ist nicht erkennbar.
4. Fehlt es damit schon an der sozialen Rechtfertigung der angebotenen Tätigkeitsänderung, kommt es nicht mehr darauf an, ob der gemäß Nr. 2 des
Änderungsangebots in Aussicht gestellten Absenkung der Vergütung auf die Lohngruppe III LTV konstitutive, dh. rechtsgeschäftliche Bedeutung zukommen
sollte - was bei normativer Bindung des Klägers tarifwidrig wäre - oder ob es sich lediglich um eine deklaratorische (Wissens-)Erklärung der Beklagten
handelte. Insbesondere kann offenbleiben, welche rechtlichen Konsequenzen es hat, wenn ein Arbeitgeber, der mit der Änderungskündigung in erster Linie eine
Änderung der Tätigkeit anstrebt, sich bei Bindung an ein tarifliches Vergütungssystem über die tarifliche Eingruppierung der neuen Tätigkeit irrt und deshalb
im Änderungsangebot eine unzutreffende Vergütungsgruppe anführt. ..." (BAG, Urteil vom 23.02.2012 - 2 AZR 44/11)
***
Unter "geänderten Arbeitsbedingungen" iSv. § 2 Satz 1, § 4 Satz 2 KSchG sind andere Vertragsbedingungen zu verstehen. Vom Arbeitgeber erstrebte
Änderungen, die er durch Ausübung seines Weisungsrechts nach § 106 Satz 1 GewO bewirken kann, halten sich im Rahmen der schon bestehenden
vertraglichen Vereinbarungen. Zu ihrer Durchsetzung bedarf es keiner "Änderung von Arbeitsbedingungen" nach § 2 Satz 1 KSchG. Eine Klage nach § 4 Satz 2
KSchG ist angesichts ihres Streitgegenstands unbegründet, wenn der Arbeitgeber schon nach den bestehenden Vertragsbedingungen rechtlich in der Lage ist,
die im "Änderungsangebot" genannten Änderungen durchzusetzen. Darauf, ob er sein Direktionsrecht tatsächlich bereits (wirksam) ausgeübt hat, kommt es
nicht an (BAG, Urteil vom 26.01.2012 - 2 AZR 102/11).
***
„... I. Ohne Erfolg rügt die Revision, das Landesarbeitsgericht hätte die Änderungsschutzklage deshalb abweisen müssen, weil die der Klägerin angetragenen
Arbeitsbedingungen ohnehin seit dem 1. Juli 2007 für das Arbeitsverhältnis bestimmend gewesen seien. Die Änderungskündigung war nicht in diesem Sinne ‚überflüssig'.
1. Die Begründetheit einer Änderungsschutzklage iSv. § 4 Satz 2 KSchG setzt allerdings voraus, dass in dem Zeitpunkt, zu welchem die Änderungskündigung
wirksam wird, das Arbeitsverhältnis nicht ohnehin zu den Bedingungen besteht, die dem Arbeitnehmer mit der Kündigung angetragen wurden (BAG 26.
August 2008 - 1 AZR 353/07 - Rn. 17, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 139 = EzA KSchG § 2 Nr. 72; 24. August 2004 - 1 AZR 419/03 - zu B I der Gründe, BAGE
111, 361). Zielt eine Änderungskündigung ausschließlich auf die Herbeiführung von Arbeitsbedingungen, die - etwa aufgrund einer unmittelbar
anzuwendenden Betriebs- oder Dienstvereinbarung - ohnehin für das Arbeitsverhältnis gelten, ist die Kündigung wegen der mit ihr einhergehenden
Bestandsgefährdung zwar unverhältnismäßig. Streitgegenstand der Änderungsschutzklage ist aber nicht die Wirksamkeit der Kündigung, sondern der Inhalt der
für das Arbeitsverhältnis geltenden Arbeitsbedingungen. Die Feststellung, dass die dem Arbeitnehmer mit der Änderungskündigung angetragenen neuen
Arbeitsbedingungen nicht gelten, kann das Gericht nicht treffen, wenn sich das Arbeitsverhältnis bei Kündigungsausspruch aus anderen Gründen bereits nach
den fraglichen Arbeitsbedingungen richtet (BAG 26. August 2008 - 1 AZR 353/07 - Rn. 17, aaO; 24. August 2004 - 1 AZR 419/03 - zu B I der Gründe, aaO).
2. Im Streitfall ist ein Rechtsgrund, der unabhängig von der ausgesprochenen Kündigung eine Änderung der Arbeitsbedingungen in dem fraglichen Umfang
bewirkt haben könnte, nicht zu erkennen.
a) Die Auffassung des Beklagten, die ‚streitbefangenen' Änderungen der Arbeitsbedingungen seien unmittelbar mit Inkrafttreten der - zweiten -
Sanierungsvereinbarung zum 1. Juli 2007 eingetreten, trifft schon deshalb nicht zu, weil dieser sich nicht darauf beschränkt hat, der Klägerin Änderungen
anzubieten, die Bestandteil der mit der Mitarbeitervertretung getroffenen Vereinbarung sind. Er hat ihr vielmehr unter § 13 des Änderungsvertrags eine sog.
doppelte Schriftformklausel angetragen, die nach den bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts weder Gegenstand schon der bisherigen
arbeitsvertraglichen Vereinbarungen der Parteien noch in der Sanierungsvereinbarung vorgesehen war.
b) Abgesehen davon kommt der - zweiten - Sanierungsvereinbarung vom 25. April 2007 zumindest hinsichtlich der angestrebten Sanierungsbeiträge der
Beschäftigten des Beklagten keine unmittelbare Wirkung zu. Das gilt selbst dann, wenn es sich bei der Vereinbarung um eine Dienstvereinbarung iSv. § 37
Abs. 1 Satz 1 des Kirchengesetzes der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen über Mitarbeitervertretungen (MVG-K) handeln sollte.
aa) Die verfassten Kirchen können aufgrund ihrer in Art. 140 GG iVm. Art. 137 Abs. 3 WRV garantierten Autonomie Mitarbeitervertretungsgesetze erlassen.
Das betrifft auch kirchliche Einrichtungen mit eigener Rechtspersönlichkeit. Für den Beklagten gelten insoweit die Regelungen des MVG-K in der für den
Streitfall maßgebenden Fassung der Bekanntmachung vom 21. April 2005 (KABl. S. 76) und ihrer Ergänzung und Berichtigung vom 25. August 2005 (KABl.
S. 202). Nach § 1 Abs. 2 MVG-K sind in Einrichtungen der Diakonie, soweit sie sich dem Kirchengesetz angeschlossen haben, Mitarbeitervertretungen zu
bilden. Zwischen den Parteien steht außer Streit, dass sich der Beklagte dem Gesetz angeschlossen hat.
bb) Gemäß § 37 Abs. 1 MVG-K können Mitarbeitervertretung und Dienststellenleitung Dienstvereinbarungen schließen (§ 37 Abs. 1 Satz 1 MVG-K). Solche
Dienstvereinbarungen dürfen Regelungen weder erweitern, einschränken noch ausschließen, die auf Rechtsvorschriften, insbesondere Beschlüssen der Arbeits-
und Dienstrechtlichen Kommission, auf Entscheidungen der Schlichtungskommission nach dem Gemeinsamen Mitarbeitergesetz, auf allgemeinverbindlichen
Richtlinien der beteiligten Kirchen oder auf etwa anzuwendenden Tarifverträgen beruhen (§ 37 Abs. 1 Satz 2 MVG-K). Arbeitsentgelte und sonstige
Arbeitsbedingungen, die durch eine Arbeits- und Dienstrechtliche Kommission geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, können nicht Gegenstand
einer Dienstvereinbarung sein, es sei denn, die Regelung durch die Arbeits- und Dienstrechtliche Kommission lässt eine Dienstvereinbarung ausdrücklich zu (§
37 Abs. 1 Satz 3 MVG-K). Dienstvereinbarungen sind nach § 37 Abs. 2 MVG-K schriftlich abzuschließen. Gemäß § 37 Abs. 3 MVG-K gelten sie unmittelbar
und zwingend und können im Einzelfall nicht abbedungen werden.
cc) Es ist bereits fraglich, ob sich die unmittelbare Wirkung, die das Kirchengesetz Dienstvereinbarungen zuerkennt, auf dem Regime staatlichen Rechts
unterfallende Arbeitsverhältnisse erstrecken kann. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts entfalten die auf dem sog. Dritten Weg zustande
gekommen kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen (Arbeitsvertragsrichtlinien oder BAT-KF) keine normative Wirkung gegenüber Arbeitnehmern, die aufgrund
eines privatrechtlichen Vertrags mit der Kirche oder einer ihrer Einrichtungen verbunden sind. Es bedarf vielmehr stets eines die Regelungen in Kraft setzenden
säkularen Akts, typischerweise einer arbeitsvertraglichen Inbezugnahme (vgl. BAG 13. November 2002 - 4 AZR 73/01 - zu I 3 b bb der Gründe, BAGE 103,
353; 20. März 2002 - 4 AZR 101/01 - zu III 2 b aa der Gründe, BAGE 101, 9). Für die durch § 37 Abs. 3 MVG-K angeordnete unmittelbare Wirkung
kirchenrechtlicher Dienstvereinbarungen gilt möglicherweise nichts anderes (vgl. Schliemann NZA 2005, 976, 977). Die Frage muss nicht abschließend
beantwortet werden. In keinem Fall kann durch eine Dienstvereinbarung - ihre kirchenrechtliche Zulässigkeit unterstellt - zum Nachteil der Arbeitnehmer in
bestehende arbeitsvertragliche Rechtspositionen eingegriffen werden. Dies vermöchte selbst eine auf staatlichem Recht fußende Betriebsvereinbarung iSv. § 77
Abs. 2, Abs. 4 BetrVG nicht (vgl. BAG 12. Dezember 2006 - 1 AZR 96/06 - Rn. 21, BAGE 120, 308; 18. Juli 2006 - 1 AZR 578/05 - Rn. 31 ff., BAGE 119,
122; vgl. auch Bietmann Betriebliche Mitbestimmung im kirchlichen Dienst S. 77; Richardi Arbeitsrecht in der Kirche 5. Aufl. S. 348).
dd) Einer Wirksamkeit von Regelungen, die - wie die in Rede stehenden Bestimmungen der zweiten Sanierungsvereinbarung - auf eine Änderung von
Arbeitsbedingungen im Bereich des Entgelts und der Arbeitszeit zielen, dürften zudem die Vorgaben des § 37 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 MVG-K
entgegenstehen. Diese enthalten, wie das Landesarbeitsgericht im Ausgangspunkt richtig gesehen hat, eine an § 77 Abs. 3 BetrVG angelehnte
‚Regelungssperre'. Ihr Zweck besteht nach allgemeinem Verständnis darin, den von den Kirchen beschrittenen ‚Dritten Weg' abzusichern und zu stärken (vgl.
Baumann-Czichon/Germer MVG-K § 37 Rn. 10; Richardi Arbeitsrecht in der Kirche 5. Aufl. S. 371). Es soll - wie im Betriebsverfassungsrecht durch § 77
Abs. 3 BetrVG - verhindert werden, dass Arbeitgeber und Mitarbeitervertretung Normen erlassen, die inhaltlich zu den in § 37 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3
MVG-K genannten ‚überbetrieblichen' Regelungen in Konkurrenz treten. Der Abschluss von Vereinbarungen auf Dienststellenebene ist bei diesem Verständnis
bereits dann unzulässig, wenn die Dienstvereinbarung Gegenstände behandelt, derer sich die Arbeitsrechtliche Kommission angenommen hat oder
üblicherweise annimmt, ohne dass es auf den Verbreitungsgrad solcher ‚überbetrieblicher' Regelungen oder darauf ankäme, ob sie im Arbeitsverhältnis Geltung
beanspruchen könnten (ähnlich für die ‚Regelungssperre' in § 38 MAVO: BAG 16. März 2004 - 9 AZR 93/03 - zu B II 2 c aa und bb der Gründe, BAGE 110, 60).
ee) Auch dies kann im Streitfall dahinstehen. Der Sanierungsvereinbarung vom 25. April 2007 kommt, soweit sie auf eine Änderung materieller
Arbeitsbedingungen der Beschäftigten zielt, jedenfalls deshalb keine unmittelbare Geltung zu, weil sie selbst dies ausschließt. Die Sanierungspartner gehen,
was die angestrebten Sanierungsbeiträge der Mitarbeiter anbelangt, ersichtlich von der Notwendigkeit einer einzelvertraglichen Umsetzung ihrer Abreden - ggf.
durch Änderungskündigung - aus.
(1) Dafür spricht zunächst die Präambel der zweiten Sanierungsvereinbarung. Im dortigen Absatz 3 heißt es, Vorstand und Mitarbeitervertretung seien
übereingekommen, die bestehenden Arbeitsverträge ‚frühestmöglich' in neue Arbeitsverträge auf der Grundlage des ‚dynamischen' TVöD-B umzustellen. Das
lässt auf einen erst noch in Gang zu setzenden Mechanismus schließen, der ‚frühestmöglich' Wirkung solle entfalten können. Noch deutlicher kommt das
Fehlen des Willens, unmittelbar auf die materiellen Arbeitsbedingungen einzuwirken, in Nr. 3 der Sanierungsvereinbarung zum Ausdruck. Nach dieser
Regelung, die betriebsbedingte Kündigungen für die Laufzeit der Vereinbarung grundsätzlich ausschließt, bleiben Änderungskündigungen gegenüber
denjenigen Beschäftigten zulässig, die eine ‚aufgrund dieser Sanierungsvereinbarung erforderliche Änderungsvereinbarung nicht annehmen'. In dieselbe
Richtung weist die unter Nr. 8 der Vereinbarung begründete Verpflichtung der Sanierungspartner, erneut in Verhandlungen einzutreten, falls ‚die in der Anlage
zum Sanierungsvertrag genannten finanziellen Beiträge der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht erzielt werden'. Außerdem sollten nur diejenigen
Beschäftigten Anspruch auf eine Erfolgsbeteiligung haben, die ‚zu einem Wechsel in den TVöD-B mit den in dieser Sanierungsvereinbarung niedergelegten
Modifikationen bereit sind'.
(2) Diesem Verständnis der Vereinbarung entspricht das spätere Verhalten des Beklagten. Er hat allen Beschäftigten, mit denen er die Geltung der Tarifverträge
des öffentlichen Dienstes vereinbart hatte, nach Abschluss der zweiten Sanierungsvereinbarung und unter Bezugnahme auf sie Angebote zur Vertragsänderung
zugeleitet und gegenüber Mitarbeitern, die das Angebot ablehnten, eine Änderungskündigung erklärt.
ff) Ob die Sanierungsvereinbarung vom 25. April 2007 unter diesen Umständen überhaupt eine Dienstvereinbarung iSv. § 37 Abs. 1 Satz 1 MVG-K darstellt
oder - zumindest in Teilen - als Regelungsabrede zu qualifizieren ist (für die Zulässigkeit von Regelungsabreden im Bereich des kirchlichen
Mitarbeitervertretungsrechts: KGH EKD 26. Mai 2010 - I-0124/R73-09 - zu II 3 der Gründe, ZMV 2011, 37; Baumann-Czichon/Germer MVG.EKD 2. Aufl. §
38 Rn. 15; (ablehnend) Fey/Rehren MVG.EKD Stand Juli 2011 § 36 Rn. 1), ist damit für die Beurteilung ihrer rechtlichen Wirkung auf die Arbeitsbedingungen
der Klägerin ohne Belang.
c) Die nach Maßgabe der Vereinbarung vom 25. April 2007 angestrebten Änderungen sind auch nicht aufgrund einer im Änderungsvertrag der Parteien vom 13.
Februar 2004 enthaltenen Klausel Gegenstand der arbeitsvertraglichen Vereinbarungen geworden. Zwar haben die Klägerin und der Beklagte darin für einen
möglichen Wegfall nicht ständiger Bezüge aufgrund Tarifvertragsänderung vereinbart, dass der in das (erste) Sanierungskonzept eingestellte Sanierungsbeitrag
der Klägerin ggf. durch Einbehalt anderer Vergütungsbestandteile sichergestellt werden solle. Gegenstand der zweiten Sanierungsvereinbarung ist aber nicht
eine solche ‚Sicherstellung'. Entgegen der Auffassung des Beklagten kommt eine Vertragsanpassung auch nicht wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage in
Betracht. Das arbeitsrechtliche Kündigungsrecht ist lex specialis gegenüber einer Anpassung nach § 313 BGB (BAG 8. Oktober 2009 - 2 AZR 235/08 - Rn. 32
mwN, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 143 = EzA KSchG § 2 Nr. 75).
II. Die der Klägerin im Rahmen der Änderungskündigung vom 28. Dezember 2007 angebotenen Änderungen der Arbeitsbedingungen sind sozial
ungerechtfertigt iSv. § 2 Satz 1, § 1 Abs. 2 KSchG. Es fehlt an einem ausreichend bestimmten Änderungsangebot. Zudem hat der Beklagte der Klägerin nicht
nur solche Änderungen angetragen, die zur Erreichung des behaupteten Sanierungsziels unabweisbar notwendig waren. Ob die Änderungskündigung noch aus
anderen Gründen unwirksam ist, bedarf keiner Entscheidung.
1. Eine betriebsbedingte Änderungskündigung ist nur wirksam, wenn sich der Arbeitgeber bei Vorliegen eines Kündigungsgrundes darauf beschränkt hat,
solche Änderungen vorzuschlagen, die der Arbeitnehmer billigerweise hinnehmen muss. Im Rahmen von § 1 Abs. 2 Satz 1 iVm. § 2 KSchG ist dabei zu prüfen,
ob das Beschäftigungsbedürfnis für den Arbeitnehmer zu den bisherigen Vertragsbedingungen entfallen ist (BAG 29. September 2011 - 2 AZR 451/10 - Rn. 17,
PersR 2012, 90; 10. September 2009 - 2 AZR 822/07 - Rn. 24, BAGE 132, 78). Dieser Maßstab gilt unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer das
Änderungsangebot abgelehnt oder unter Vorbehalt angenommen hat. Ob der Arbeitnehmer eine ihm vorgeschlagene Änderung billigerweise hinnehmen muss,
ist nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu ermitteln. Die Änderungen müssen geeignet und erforderlich sein, um den Inhalt des Arbeitsvertrags den
geänderten Beschäftigungsmöglichkeiten anzupassen. Diese Voraussetzungen müssen für alle Vertragsänderungen vorliegen. Ausgangspunkt ist die bestehende
vertragliche Regelung. Die angebotenen Änderungen dürfen sich nicht weiter vom bisherigen Inhalt des Arbeitsverhältnisses entfernen, als dies zur Erreichung
des angestrebten Ziels erforderlich ist (BAG 29. September 2011 - 2 AZR 451/10 - Rn. 17, aaO; 10. September 2009 - 2 AZR 822/07 - Rn. 24, aaO).
2. Das mit der Kündigung unterbreitete Änderungsangebot muss eindeutig bestimmt, zumindest bestimmbar sein (BAG 10. September 2009 - 2 AZR 822/07 -
Rn. 15, BAGE 132, 78; 15. Januar 2009 - 2 AZR 641/07 - Rn. 16 mwN, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 141 = EzAÜG KSchG Nr. 30). Ihm muss zweifelsfrei zu
entnehmen sein, welche Arbeitsbedingungen zukünftig gelten sollen. Da der Arbeitnehmer von Gesetzes wegen innerhalb kurzer Frist auf das Vertragsangebot
des Arbeitgebers reagieren und sich entscheiden muss, ob er die Änderung der Arbeitsbedingungen ablehnt, ob er sie mit oder ohne Vorbehalt annimmt, ist dies
schon im Interesse der Rechtssicherheit zu fordern. Nur so kann der Arbeitnehmer eine abgewogene Entscheidung über die Annahme oder Ablehnung des
Angebots treffen. Unklarheiten gehen zulasten des Arbeitgebers. Sie führen zur Unwirksamkeit der Änderungskündigung (BAG 10. September 2009 - 2 AZR
822/07 - Rn. 15 mwN, aaO).
3. Danach sind die Änderungen der Arbeitsbedingungen im Streitfall schon deshalb ungerechtfertigt, weil dem Änderungsangebot nicht zweifelsfrei
entnommen werden kann, ab welchem Zeitpunkt sie gelten sollen.
a) Ein Änderungsangebot kann auch dann den Bestimmtheitserfordernissen genügen, wenn sich sein Inhalt erst durch Auslegung (§§ 133, 157 BGB)
hinreichend sicher ermitteln lässt. Dabei können und müssen auch außerhalb des Kündigungsschreibens liegende, zur Erforschung seines Inhalts geeignete
Umstände herangezogen und berücksichtigt werden. Da sich das Schriftformerfordernis des § 623 BGB nicht nur auf die Kündigungserklärung als solche,
sondern auch auf das Änderungsangebot erstreckt, ist nach der Ermittlung des wirklichen rechtsgeschäftlichen Willens weiter zu prüfen, ob dieser in der
Urkunde Ausdruck gefunden hat. Bei formbedürftigen Erklärungen ist nur der Wille beachtlich, der unter Wahrung der vorgeschriebenen Form erklärt worden
ist (vgl. BAG 16. Dezember 2010 - 2 AZR 576/09 - Rn. 20 ff., EzA KSchG § 2 Nr. 81; 16. September 2004 - 2 AZR 628/03 - zu B I 2 der Gründe, BAGE 112, 58).
b) Der Beklagte hat in einer Vielzahl von Fällen im Wesentlichen inhaltsgleiche Änderungskündigungen ausgesprochen. Seine Erklärungen sind deshalb nach
ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von einem verständigen und redlichen Empfänger unter Berücksichtigung der
Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden. Ansatzpunkt für die Auslegung typischer Willenserklärungen ist in erster Linie ihr
Wortlaut. Ist dieser nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie die Erklärung aus der Sicht typischerweise an Geschäften dieser
Art beteiligter Verkehrskreise zu verstehen ist. Die Auslegung typischer Willenserklärungen unterliegt der uneingeschränkten revisionsrechtlichen Nachprüfung
(BAG 18. Mai 2010 - 3 AZR 102/08 - Rn. 28, AP BGB § 133 Nr. 58; 10. September 2009 - 2 AZR 822/07 - Rn. 18 mwN, BAGE 132, 78).
c) Anders als das Landesarbeitsgericht angenommen hat, lässt sich dem Änderungsangebot nicht eindeutig entnehmen, die der Klägerin angesonnene
Vertragsänderung solle rückwirkend ab dem 1. Juli 2007 gelten. Das Angebot ist vielmehr perplex, dh. in sich widersprüchlich.
aa) Nach dem Wortlaut des Kündigungsschreibens hat der Beklagte der Klägerin angeboten, das Arbeitsverhältnis ‚nach Ablauf der Kündigungsfrist zu den
Bedingungen der in der Anlage beigefügten Neufassung des Arbeitsvertrags' fortzusetzen. Dem musste ein objektiver Erklärungsempfänger entnehmen, dass
eine Änderung der Arbeitsbedingungen erst mit Ablauf der Kündigungsfrist - im Streitfall mit Wirkung ab dem 1. April 2008 - eintreten sollte.
bb) In Widerspruch dazu steht der Inhalt des beigefügten Änderungsvertrags. Diesem zufolge wird eine Änderung der Arbeitsbedingungen bereits zum 1. Juli
2007 angestrebt. So ist die Überleitung des Arbeitsverhältnisses in den TVöD ausdrücklich zum 1. Juli 2007 vorgesehen. Die gleichfalls vorgesehene Erhöhung
der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit soll möglichst zum 1. Juli 2007, spätestens aber zum 1. Januar 2008 in Kraft treten (§ 2 und § 3 Abs. 3 des
Änderungsvertrags). Andere Regelungen, wie etwa die zum Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen und zur Erfolgsbeteiligung (§ 4 und § 5 des
Änderungsvertrags), knüpfen an die ‚Laufzeit der Sanierungsvereinbarung' und damit zumindest mittelbar ebenfalls an den 1. Juli 2007 an. Dieses
wortlautorientierte Verständnis des Änderungsangebots wird auch durch eine Beachtung des Gebots der interessengerechten Auslegung von Willenserklärungen
nicht korrigiert. Ein objektiver, mit den Umständen vertrauter Erklärungsempfänger musste vielmehr davon ausgehen, der Beklagte wolle durch eine
Rückwirkung der Änderungen eine gleichmäßige Behandlung sämtlicher Mitarbeiter erreichen. Dies war gemäß § 311a Abs. 1 BGB auch schuldrechtlich nicht ausgeschlossen.
cc) Außerhalb der schriftlichen Änderungskündigung liegende Umstände führen nicht dazu, dass zweifelsfrei von einem Änderungsangebot ausgegangen
werden könnte, das frühestens ab dem 1. April 2008 hat wirken sollen.
(1) Soweit der Beklagte behauptet, Änderungsangebote im Zusammenhang mit der ersten Sanierungsvereinbarung seien, falls sie erst mit zeitlicher
Verzögerung angenommen worden seien, ausschließlich für die Zukunft umgesetzt worden, handelt es sich um neues Vorbringen, das in der Revision keine
Berücksichtigung finden kann. Überdies ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin von einer derartigen Praxis Kenntnis gehabt hätte. Auch war es - zumal
angesichts der Komplexität der ihr nunmehr angetragenen Vertragsänderungen - nicht Aufgabe der Klägerin, darüber zu spekulieren, ab welchem Zeitpunkt
diese wirksam werden sollten. Es war Sache des Beklagten, dies von vorneherein zweifelsfrei klarzustellen.
(2) Es kommt auch nicht entscheidend darauf an, wie der Beklagte das Arbeitsverhältnis nach Ablauf der Kündigungsfrist tatsächlich abgerechnet hat. Der
Arbeitnehmer muss schon im Zeitpunkt des Zugangs der Änderungskündigung die Tragweite der ihm angesonnenen Änderungen überblicken können.
Außerdem schloss der Umstand, dass der Beklagte im August 2008 rückwirkend ab 1. April 2008 korrigierte Abrechnungen auf der Grundlage einer
Überleitung in den TVöD-B erstellen ließ, nicht aus, dass er sich zukünftig auf ein noch früheres Wirksamwerden berufen würde. Ebenso wenig konnte die
Klägerin aus der mehrfachen Unterbreitung eines gleichlautenden Änderungsvertrags schließen, der Beklagte wolle sich nur die zeitliche Anpassung des
Vertragstexts ersparen. Sein Vorgehen konnte, wie erwähnt, ebenso gut als Hinweis darauf verstanden werden, dass er die Änderungen aus Gründen der
Praktikabilität und der Gleichbehandlung aller Beschäftigten einheitlich und ab demselben Zeitpunkt durchsetzen wollte.
dd) Das Änderungsangebot wäre selbst dann nicht hinreichend bestimmt, wenn es eindeutig dahin zu verstehen wäre, es solle erst zum 1. April 2008 gelten.
Dann bliebe beispielsweise unklar, ob die Klägerin ggf. Anspruch auf Auszahlung der verschobenen Weihnachtsgeldzahlung für das Jahr 2007 haben sollte
oder ob die entsprechende Summe gemäß § 3 Abs. 1 Satz 2 des Änderungsangebots als außerordentlicher Ertrag in die Ergebnisbeteiligung des Jahres
einfließen würde, in dem ein möglicher Zahlungszufluss auf einem Konto des Arbeitgebers erfolgt. Unklar bliebe auch, ob Änderungen, die an die ‚Laufzeit'
der Sanierungsvereinbarung vom 25. April 2007 anknüpfen, automatisch prolongiert würden, sollte sich der Beklagte - wie unter Nr. 8 der Vereinbarung
vorgesehen - mit der Mitarbeitervertretung auf deren Verlängerung verständigen.
4. Wäre das Änderungsangebot dennoch - wie das Landesarbeitsgericht angenommen hat - dahin zu verstehen, dass es auf eine rückwirkende Änderung der
Arbeitsbedingungen zum 1. Juli 2007 zielte, wäre es mangels eines diese Rückwirkung rechtfertigenden Grundes sozial ungerechtfertigt. Eine ordentliche
Kündigung entfaltet Wirkungen erst mit Ablauf der Kündigungsfrist. Der Arbeitnehmer ist grundsätzlich nicht verpflichtet, in eine schon früher wirkende
Vertragsänderung einzuwilligen (BAG 21. September 2006 - 2 AZR 120/06 - Rn. 22, 25 mwN, BAGE 119, 332). Eine solche Rückwirkung ist auch nicht
deshalb gerechtfertigt, weil es um die einheitliche Umsetzung eines Sanierungskonzepts geht. Schon das Interesse des Arbeitgebers an einer zukünftigen
Vereinheitlichung der Arbeitsbedingungen kann im Rahmen von § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG regelmäßig keine Beachtung finden (vgl. BAG 8. Oktober 2009 - 2
AZR 235/08 - Rn. 27, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 143 = EzA KSchG § 2 Nr. 75).
5. Die der Klägerin mit der Änderungskündigung vom 28. Dezember 2007 angetragenen Änderungen der Arbeitsbedingungen sind zudem deshalb sozial
ungerechtfertigt, weil § 13 des Änderungsangebots eine sog. doppelte Schriftformklausel vorsieht, ohne dass der Beklagte hierfür Gründe iSv. § 2 Satz 1, § 1
Abs. 2 KSchG dargetan hätte. Eine derartige Klausel war weder Gegenstand der Sanierungsvereinbarung noch bisheriger arbeitsvertraglicher Regelungen. Die
Klausel erweitert das im ursprünglichen Arbeitsvertrag nur für ‚Nebenabreden' vorgesehene Schriftformerfordernis und kann insbesondere die Entstehung einer
betrieblichen Übung verhindern (vgl. BAG 20. Mai 2008 - 9 AZR 382/07 - Rn. 34, BAGE 126, 364). Damit handelt es sich, anders als der Beklagte gemeint
hat, nicht nur um eine unwesentliche Änderung. Ob ggf. auch eine solche einer sozialen Rechtfertigung bedürfte und ob die Klausel im Hinblick auf § 305b
BGB einer Überprüfung ihrer Wirksamkeit überhaupt standhielte, braucht nicht entschieden zu werden. ..." (BAG, Urteil vom 29.09.2011 - 2 AZR 523/10)
***
Leben Ehegatten in einer gemeinsamen Wohnung und sind sie deshalb nach der Verkehrsanschauung füreinander als Empfangsboten anzusehen, gelangt eine
an einen der Ehegatten gerichtete Willenserklärung grundsätzlich auch dann in dessen Macht- und Zugriffsbereich, wenn sie dem anderen Ehegatten außerhalb
der Wohnung übermittelt wird (BAG, Urteil vom 09.06.2011 - 6 AZR 687/09).
***
„... Der Kläger hat gegen die Kündigung gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 iVm. § 4 Satz 1 KSchG binnen Dreiwochenfrist Kündigungsschutzklage erhoben. Dass er
sich erst nach Ablauf dieser Frist auf seine Schwerbehinderung und einen daraus resultierenden Unwirksamkeitsgrund berufen hat, ist mit Blick auf die
Klageerhebungsfrist unschädlich; er hat die erforderliche Rüge ordnungsgemäß (§ 6 KSchG) innerhalb des ersten Rechtszugs nachgeholt (vgl. BAG 11.
Dezember 2008 - 2 AZR 395/07 - Rn. 15, BAGE 129, 25; 23. April 2008 - 2 AZR 699/06 - Rn. 22, AP KSchG 1969 § 4 Nr. 65 = EzA KSchG § 4 nF Nr. 84).
..." (BAG, Urteil vom 09.06.2011 - 2 AZR 703/09)
***
Die Klagefrist für die Bedingungskontrollklage nach §§ 21, 17 Satz 1 TzBfG beginnt nicht, wenn der Arbeitgeber weiß, dass der Arbeitnehmer schwerbehindert
ist, und das Integrationsamt der erstrebten Beendigung durch auflösende Bedingung nicht zugestimmt hat. Das folgt aus einer Analogie zu § 4 Satz 4 KschG
(BAG, Urteil vom 09.02.2011 - 7 AZR 221/10).
***
„... 1. Einer Kündigungsschutzklage nach § 4 KSchG kann nur stattgegeben werden, wenn das Arbeitsverhältnis zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung
nicht bereits aufgrund anderer Beendigungstatbestände aufgelöst ist. Der Bestand des Arbeitsverhältnisses im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung
ist Voraussetzung für die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst wurde (KR/Friedrich 9. Aufl. § 4 KSchG Rn. 255).
Streitgegenstand einer Kündigungsschutzklage mit einem Antrag nach § 4 KSchG ist, ob das Arbeitsverhältnis der Parteien aus Anlass einer bestimmten
Kündigung zu dem in ihr vorgesehenen Termin aufgelöst worden ist. Mit der Rechtskraft eines Urteils im Kündigungsschutzprozess steht deshalb fest, ob im
Zeitpunkt des Zugangs einer Kündigung ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien bestanden hat oder nicht (Senat 10. November 2005 - 2 AZR 623/04 - zu
B I 1 b aa der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 196 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 11; KR/Friedrich aaO). Die Rechtskraft schließt gemäß § 322 ZPO im Verhältnis
der Parteien zueinander eine hiervon abweichende gerichtliche Feststellung in einem späteren Verfahren aus (Senat 10. November 2005 - 2 AZR 623/04 - aaO).
2. Mit der Verkündung des Urteils im Verfahren - 2 AZR 825/09 - steht rechtskräftig fest, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien im Zeitpunkt des
Zugangs der Kündigung vom 25. Juni 2007 schon nicht mehr bestanden hat. ..." (BAG, Urteil vom 27.01.2011 - 2 AZR 826/09)
***
„... I. Die Revision ist unbegründet. Das Arbeitsverhältnis hat aufgrund der Fiktionswirkung des § 7 KSchG mit dem 29. März 2008 geendet, weil der Kläger
nicht innerhalb der Frist des § 4 KSchG Klage gegen die Kündigung vom 19. März 2008 erhoben hat. Ihm stehen deshalb keine Entgeltansprüche für die Zeit
seit dem 30. März 2008 zu. Die Vorinstanzen haben darum zu Recht die Klage abgewiesen.
1. Die Klagefrist des § 4 KSchG ist auch einzuhalten, wenn die ordentliche Kündigung gegen das Kündigungsverbot des § 15 Abs. 3 TzBfG verstößt, weil der
befristete Vertrag weder die Möglichkeit vorsieht, das Arbeitsverhältnis ordentlich zu kündigen noch die Anwendbarkeit eines Tarifvertrags vereinbart ist, der
ein solches Kündigungsrecht enthält (KR/Friedrich 9. Aufl. § 4 KSchG Rn. 15; ErfK/Kiel 10. Aufl. § 4 KSchG Rn. 4; BBDK/Kriebel KSchG Stand April 2010
§ 4 Rn. 20; Fornasier/Werner NJW 2007, 2729, 2733; vgl. für den tarifvertraglichen oder arbeitsvertraglichen Ausschluss der ordentlichen Kündigung
allgemein BAG 8. November 2007 - 2 AZR 314/06 - Rn. 17, BAGE 124, 367). Das folgt aus Wortlaut und Entstehungsgeschichte des Gesetzes. Der
Gesetzgeber wollte im Interesse einer raschen Klärung der Frage, ob eine Kündigung das Arbeitsverhältnis beendet hat oder nicht, für die Geltendmachung aller
Unwirksamkeitsgründe eine einheitliche Klagefrist von drei Wochen vorsehen. Dadurch sollte die Ungewissheit, wann das Recht zur Erhebung der
Kündigungsschutzklage im Einzelfall verwirkt ist, beendet werden (vgl. BT-Drucks. 15/1204 S. 9 f.).
2. Entgegen der Auffassung des Klägers ist die Geltendmachung des Fortbestands des gekündigten Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der vereinbarten
Befristung in den Fällen des § 15 Abs. 3 TzBfG mit der Nichteinhaltung der Kündigungsfrist, die der Arbeitnehmer auch außerhalb der Klagefrist des § 4 Satz 1
KSchG geltend machen kann, nicht vergleichbar.
a) Die Nichteinhaltung der Kündigungsfrist kann auch außerhalb der 3-Wochenfrist des § 4 KSchG noch geltend gemacht werden. Der Arbeitnehmer, der
lediglich die Einhaltung der Kündigungsfrist verlangt, stellt nicht in Frage, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung als solche aufgelöst wird. Er strebt
nur die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu einem anderen Zeitpunkt als der Arbeitgeber an (BAG 15. Dezember 2005 - 2 AZR 148/05 - Rn. 15 ff., BAGE
116, 336; bestätigt durch BAG 6. Juli 2006 - 2 AZR 215/05 - Rn. 12 ff., AP KSchG 1969 § 4 Nr. 57).
b) Diese Erwägungen greifen bei einer Klage auf Annahmeverzugslohn, mit der die Unwirksamkeit einer Kündigung nach § 15 Abs. 3 TzBfG geltend gemacht
wird, nicht. In diesem Fall akzeptiert der Arbeitnehmer gerade nicht die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch die erklärte Kündigung. Er hält im
Gegenteil die Kündigung unter Berufung auf § 15 Abs. 3 TzBfG für unwirksam. Er nimmt lediglich die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch die
vereinbarte Befristung als nachfolgenden Beendigungstatbestand zu einem späteren Zeitpunkt hin. Im Unterschied zur Geltendmachung einer zu kurzen
Kündigungsfrist ist also nicht nur ein einziger Beendigungstatbestand gegeben, der das Arbeitsverhältnis auch nach dem Willen des Arbeitnehmers tatsächlich
beenden soll, allerdings zu einem späteren Zeitpunkt als vom Arbeitgeber gewollt. Ist die Kündigung unwirksam, weil das Kündigungsverbot des § 15 Abs. 3
TzBfG missachtet worden ist, und macht der Arbeitnehmer den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Befristung geltend, liegen vielmehr
zwei unterschiedliche Beendigungstatbestände vor, wobei die Kündigung als erster Tatbestand das Arbeitsverhältnis nach dem Willen des Arbeitnehmers
gerade nicht beenden kann und soll. Erst der Auslauf der Befristung soll als zweiter, nachgeschalteter Beendigungstatbestand zur Beendigung des
Arbeitsverhältnisses führen. Es geht also nicht bloß um die Nichteinhaltung der Kündigungsfrist, sondern um den Ausschluss der ordentlichen Kündigung im
befristeten Arbeitsverhältnis. Auf diesen Fall ist § 4 KSchG anwendbar (KR/Friedrich 9. Aufl. § 4 KSchG Rn. 15).
II. Auch der Umstand, dass das Arbeitsverhältnis noch nicht dem Geltungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes unterfiel, entband den Kläger nicht von der
Verpflichtung, die Klagefrist des § 4 KSchG einzuhalten (Senat 9. Februar 2006 - 6 AZR 283/05 - Rn. 17 f., BAGE 117, 68).
III. Das Landesarbeitsgericht hat rechtlich zutreffend ausgeführt, dass der Ausspruch einer nach § 15 Abs. 3 TzBfG ausgeschlossenen ordentlichen Kündigung
mit einer mündlichen Kündigung nicht vergleichbar ist, dass auch eine etwaige Treuwidrigkeit der Kündigung in der Frist des § 4 KSchG hätte geltend gemacht
werden müssen und die Kündigungserklärung nicht in eine Kündigung zum 30. April 2008 umgedeutet werden kann. Gegen diese Ausführungen erhebt die
Revision keine Angriffe.
IV. Da wegen der Versäumung der Klagefrist des § 4 KSchG die Kündigung der Beklagten vom 19. März 2008 aufgrund der Fiktionswirkung des § 7 KSchG
als wirksam gilt und das Arbeitsverhältnis zum 29. März 2008 als beendet anzusehen ist, fehlt es an dem für den begehrten Annahmeverzug erforderlichen
Bestand eines Arbeitsverhältnisses für den streitgegenständlichen Vergütungszeitraum (vgl. APS/Ascheid/Hesse 3. Aufl. § 7 KSchG Rn. 10). ..." (BAG, Urteil
vom 22.07.2010 - 6 AZR 480/09)
***
Eine schwangere Arbeitnehmerin muss die Unwirksamkeit einer Kündigung nach § 9 Abs. 1 MuSchG grundsätzlich innerhalb der dreiwöchigen Klagefrist
gerichtlich geltend machen. Die Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG läuft auch an, wenn die den Sonderkündigungsschutz auslösenden Voraussetzungen
(Schwangerschaft) erst nach Zugang der Kündigung der Arbeitnehmerin bekannt werden. Sie wird durch die Mitteilung der Arbeitnehmerin an den Arbeitgeber
nach Kündigungsausspruch, sie sei schwanger, nicht gehemmt oder unterbrochen. Erhebt die schwangere Arbeitnehmerin keine Kündigungsschutzklage,
obwohl sie den Arbeitgeber nach Ausspruch der Kündigung und noch innerhalb der Zweiwochenfrist des § 9 I Satz 1 MuSchG von ihrer Schwangerschaft in
Kenntnis gesetzt hat, wird die Kündigung nach Ablauf der dreiwöchigen Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG als von Anfang an rechtswirksam fingiert (§ 7
KSchG). Voraussetzung für die Anwendung der Ausnahmeregelung des § 4 Satz 4 KSchG ist die Kenntnis des Arbeitgebers von der Schwangerschaft der
Arbeitnehmerin zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung. Erlangt er erst nach Zugang der Kündigung diese Kenntnis, findet § 4 Satz 4 KSchG keine
Anwendung (BAG, Urteil vom 19.02.2009 - 2 AZR 286/07).
Für die Anwendung des § 4 S. 1 KSchG ist kein Raum, wenn keine Kündigungserklärung vorliegt, sondern die Parteien um die Änderung des Inhalts des
Arbeitsverhältnisses oder seine Beendigung in anderer Weise als durch Kündigung streiten. Es fehlt an der für eine Analogie erforderlichen, positiv
festzustellenden Gesetzeslücke, weil der Gesetzgeber eine einheitliche Klagefrist nur in den Fällen anordnen wollte, in denen der Arbeitnehmer die
Rechtsunwirksamkeit einer Arbeitgeberkündigung geltend machen will. Behält sich der Arbeitgeber in Anlehnung an das Beamtenrecht die einseitige
Versetzung des Arbeitnehmers in den einstweiligen Ruhestand vor, ohne dafür eine Kündigung erklären zu müssen, ist eine derartige Bestimmung wegen der
Umgehung zwingender kündigungsschutzrechtlicher Bestimmungen nichtig (BAG, Urteil vom 05.02.2009 - 6 AZR 151/08).
Mit der Rechtskraft des der Kündigungsschutzklage nach § 4 KSchG stattgebenden Urteils steht nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts
fest, dass das Arbeitsverhältnis durch die angegriffene Kündigung nicht aufgelöst worden ist. Damit ist grundsätzlich zugleich entschieden, dass bei einer
außerordentlichen Kündigung zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis bestanden hat. Diese Rechtsprechung
verstößt weder gegen Art. 20 III noch gegen Art. 19 IV GG. Kündigt ein Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis wiederholt fristlos und legt er gegen ein Urteil des
Landesarbeitsgerichts, das der gegen die erste Kündigung gerichteten Klage stattgegeben hat, Nichtzulassungsbeschwerde ein, wird diese Beschwerde
unbegründet, wenn nach Verkündung des Urteils des Landesarbeitsgerichts das Arbeitsgericht der gegen die zweite Kündigung gerichteten Klage stattgibt und
diese Entscheidung rechtskräftig wird. Die möglichen Zulassungsgründe des § 72 II ArbGG sind dann nicht mehr entscheidungserheblich, weil durch die
Entscheidung des Arbeitsgerichts rechtskräftig feststeht, dass zum Kündigungstermin ein Arbeitsverhältnis bestanden hat. Der Arbeitgeber kann den Eintritt
dieser Rechtsfolgen verhindern, indem er die Aussetzung des Kündigungsrechtsstreits über die spätere Kündigung beantragt (§ 148 ZPO). Einem solchen
Aussetzungsantrag ist regelmäßig stattzugeben. Gegen die Ablehnung der Aussetzung des Verfahrens besteht die Möglichkeit der sofortigen Beschwerde nach
§ 252 ZPO. Des Weiteren kann der Arbeitgeber die zur Begründung der ersten Kündigung verfassten Schriftsätze in den Rechtsstreit über die Wirksamkeit der
zweiten Kündigung einführen und unter Bezugnahme darauf geltend machen, zum Termin der zweiten Kündigung habe kein Arbeitsverhältnis mehr bestanden.
Gegen ein der Kündigungsschutzklage stattgebendes Urteil kann der Arbeitgeber Berufung einlegen (BAG, Beschluss vom 26.06.2008 - 6 AZN 648/07).
Streitgegenstand der Änderungsschutzklage nach Annahme der geänderten Arbeitsbedingungen unter Vorbehalt ist nicht die Wirksamkeit der ausgesprochenen
Kündigung, sondern die Geltung der geänderten Bedingungen. Die Änderungsschutzklage ist unbegründet, wenn die betreffenden Arbeitsbedingungen im
Kündigungszeitpunkt aus anderen Gründen schon gelten. Sieht eine tarifliche Regelung als mögliche Lohnarten Zeit-, Akkord- und Prämienlohn
gleichberechtigt nebeneinander vor, ist durch diese Bestimmung eine Betriebsvereinbarung über den Wechsel aus der einen in eine andere Lohnart nicht nach §
77 Abs. 3 BetrVG gesperrt. Im Ausspruch einer "überflüssigen" Änderungskündigung liegt regelmäßig auch für die Dauer der Kündigungsfrist kein Verzicht
des Erklärenden auf Rechtspositionen, die er schon unabhängig von der Kündigung besitzt (BAG, Urteil vom 26.08.2008 - 1 AZR 353/07 zu KSchG §§ 4 , 2).
Die gesetzlichen Regelungen des Kündigungsschutzgesetzes zur Klagefrist dienen dem Zweck, den Arbeitsvertragsparteien frühzeitig über die Wirksamkeit
bzw. Unwirksamkeit einer Kündigung Klarheit und Rechtssicherheit zu verschaffen. Allerdings will § 6 KSchG den - häufig rechtsunkundigen - Arbeitnehmer
vor einem unnötigen Verlust seines Kündigungsschutzes aus formalen Gründen schützen. Der Wille des Arbeitnehmers, eine Beendigung seines
Arbeitsverhältnisses durch Kündigung nicht zu akzeptieren und sein Arbeitsverhältnis fortführen zu wollen, kann während der dreiwöchigen Klagefrist des § 4
S. 1 KSchG auch ohne einen ausdrücklichen Hinweis auf eine ganz bestimmte Kündigungserklärung für den Kündigenden hinreichend klar zum Ausdruck
kommen, beispielsweise indem der Arbeitnehmer eine Leistungsklage erhoben hat, deren Anspruch zwingend die Unwirksamkeit der ausgesprochenen
Kündigung voraussetzt. Erhebt der Arbeitnehmer gegen eine erste Kündigung zu einem bestimmten Termin Kündigungsschutzklage verbunden mit einem -
vorläufigen - Weiterbeschäftigungsantrag, so wird eine auf dieselben Gründe gestützte zweite spätere, aber zum selben oder sogar einem früheren
Beendigungstermin ausgesprochene Kündigung nicht nach § 7 KSchG wirksam, weil der Kläger diese nicht innerhalb der dreiwöchigen Klagefrist - sondern
erst später - ausdrücklich angegriffen hat (BAG, Urteil vom 23.04.2008 - 2 AZR 699/06).
Der Antrag einer Kündigungsschutzklage muss nach § 4 S. 1 KSchG auf die Feststellung gerichtet sein, "dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht
aufgelöst ist". Eine Klageschrift ist als Prozesshandlung auslegungsfähig. Entscheidend ist der geäußerte Parteiwille, wie er aus der Klageschrift und den
sonstigen Umständen erkennbar wird. Im arbeitsgerichtlichen Verfahren ist ein großzügiger Maßstab anzulegen. Entscheidend ist, dass aus dem Antrag bzw.
aus der Klageschrift der Wille des Klägers zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage hinreichend deutlich hervorgeht. Dementsprechend kann es auch bei
Fehlen eines ausdrücklich formulierten Antrags genügen, wenn aus der Klageschrift ersichtlich wird, gegen wen sie sich richtet, wo der Kläger tätig war und
vor allem, dass er seine Kündigung nicht als berechtigt anerkennt. Eine Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung setzt regelmäßig eine Abmahnung
voraus. Liegt eine ordnungsgemäße Abmahnung vor und verletzt der Arbeitnehmer erneut seine vertraglichen Pflichten, kann regelmäßig davon ausgegangen
werden, es werde auch künftig zu weiteren Vertragsstörungen kommen. Dabei ist es für eine negative Prognose ausreichend, wenn die jeweiligen
Pflichtverletzungen aus demselben Bereich stammen und somit Abmahnung und Kündigungsgrund in einem inneren Zusammenhang stehen (BAG, Urteil vom
13.12.2007 - 2 AZR 818/06).
Die Beurteilung des Rechtsverhältnisses als Arbeitsverhältnis oder sonstiges Dienstverhältnis ist nicht allein Vorfrage für die positive Entscheidung über den
Bestandsschutzantrag einer Kündigungsschutzklage, sondern zugleich Gegenstand des Entscheidungsausspruchs. Ob die Auslegung des
Entscheidungsausspruchs trotz eines dem § 4 KSchG entsprechenden Wortlauts etwas anderes ergeben kann, bleibt dahingestellt. Jedenfalls dann, wenn die
Statusfrage von den Parteien zumindest konkludent zur Entscheidung gestellt wird, enthält die Kündigungsschutzklage auch eine so genannte Statusklage. Der
Arbeitgeber muss den Arbeitnehmer vor Ausspruch einer Verdachtskündigung anhören. Der gebotene Umfang der Anhörung richtet sich entsprechend dem
Zweck der Aufklärung nach den Umständen des Einzelfalls. Kennt der Arbeitnehmer die gegen ihn erhobenen Vorwürfe einschließlich der den Verdacht
begründenden Indiztatsachen, bedarf es insoweit keiner weiteren Vorhaltung oder Einzelbefragung. Vielmehr genügt es, dem Arbeitnehmer Gelegenheit zum
Vorbringen der entlastenden Tatsachen und Gesichtspunkte zu geben (BAG, Urteil vom 28.11.2007 - 5 AZR 952/06).
Der tarifvertragliche oder arbeitsvertragliche Ausschluss der ordentlichen Kündigung zählt zu den Unwirksamkeitsgründen einer vom Arbeitgeber
ausgesprochenen ordentlichen Kündigung, die gemäß §§ 4, 6 n.F. KSchG rechtzeitig prozessual geltend gemacht werden müssen (BAG, Urteil vom 08.11.2007
- 2 AZR 314/06).
Ergibt die Auslegung von zwei Kündigungsschreiben, dass der Arbeitgeber lediglich eine (doppelt verlautbarte) Kündigungserklärung abgegeben hat, deren
Zugang er auf zwei verschiedenen Wegen sicherstellen wollte, so reicht es aus, dass der Arbeitnehmer gegen diese doppelt verlautbarte Kündigungserklärung
nur einmal rechtzeitig nach §§ 4, 7 KSchG Klage erhebt. Dies gilt auch dann, wenn beide Kündigungsschreiben an zwei aufeinanderfolgenden Tagen
abgeschickt werden und deshalb unterschiedliche Daten tragen. Kündigungsgründe, die dem Kündigenden bei Ausspruch der Kündigung noch nicht bekannt
waren, können im Prozess uneingeschränkt nachgeschoben werden, wenn sie bereits vor Ausspruch der Kündigung entstanden waren. Ob ein Auswechseln der
Kündigungsgründe im Prozess auch dann möglich ist, wenn die Kündigung hierdurch einen völlig anderen Charakter erhält, bleibt offen. Ein Spesenbetrug und
ein Arbeitszeitbetrug können selbst dann als Grund zur fristlosen Entlassung ausreichen, wenn es sich um einen einmaligen Vorfall mit geringen finanziellen
Auswirkungen handelt (BAG, Urteil vom 06.09.2007 - 2 AZR 264/06).
Kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis innerhalb der sechsmonatigen Wartezeit des § 1 I KSchG außerordentlich, hat der Arbeitnehmer, der die
Unwirksamkeit der Kündigung geltend machen will, gem. §§ 13 I 2, 4 S. 1 KSchG innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung
Kündigungsschutzklage zu erheben (Aufgabe von BAGE 24, 401 = AP BGB § 626 Nr. 65 = NJW 1973, 533 L; BAG, Urteil vom 28.06.2007 - 6 AZR 873/06).
Ist zum Zeitpunkt der Klageerhebung ein Insolvenzverwalter bestellt, ist die Kündigungsschutzklage gegen diesen in seiner Eigenschaft als Partei kraft
Amtes zu erheben. Eine Klage gegen die Schuldnerin wahrt nicht die Klagefrist des § 4 KSchG. Die Parteien eines Prozesses sind bei nicht eindeutiger
Bezeichnung in der Klageschrift durch Auslegung zu ermitteln. Selbst bei äußerlich eindeutiger, aber offenkundig unrichtiger Bezeichnung ist grundsätzlich
diejenige Person als Partei angesprochen, die erkennbar durch die Parteibezeichnung betroffen werden soll. Eine ungenaue oder erkennbar falsche
Parteibezeichnung ist unschädlich und kann jederzeit von Amts wegen richtiggestellt werden. Enthält die Klageschrift keinen Hinweis auf ein eröffnetes
Insolvenzverfahren und die Bestellung des Insolvenzverwalters und wird vielmehr die Schuldnerin eindeutig als Bekl. bezeichnet, kann die Klageschrift nur
dahin aufgefasst und ausgelegt werden, dass sich die Klage allein gegen die Schuldnerin richten soll (BAG, Urteil vom 21.09.2006 - 2 AZR 573/05).
Die Nichteinhaltung der Kündigungsfrist kann auch außerhalb der Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG geltend gemacht werden. Eine Ausnahme gilt nur dann,
wenn der Kündigungstermin integraler Bestandteil der Kündigungserklärung ist. Dies ist nur dann der Fall, wenn die Auslegung der Kündigung ergibt, dass der
Arbeitgeber die Kündigung ausschließlich zu dem in ihr genannten Zeitpunkt gelten lassen und für den Fall, dass dieser Termin nicht der richtige ist, am
Arbeitsverhältnis festhalten will (BAG, Urteil vom 06.07.2006 - 2 AZR 215/05).
Es ist in aller Regel ermessensfehlerhaft, über einen Kündigungsschutzantrag hinsichtlich einer Kündigung und über einen darauf bezogenen Auflösungsantrag
eher zu entscheiden, als über einen zeitlich vorgehenden Auflösungsantrag (Aufgabe von BAG 17. 9. 1987 - 2 AZR 2/87 - RzK I 11a Nr. 16; BAG, Urteil vom
27.04.2006 - 2 AZR 360/05).
Eine noch im Jahre 2003 zugegangene Kündigung, gegen die erst im Jahre 2004 gerichtlich vorgegangen wird, unterliegt der Drei-Wochen-Frist des § 4 KSchG
i. d. F. des Gesetzes zu Reformen am Arbeitsmarkt vom 24. 12. 2003 (BGBl. I, 3002); die Drei-Wochen-Frist begann mit In-Kraft-Treten der Neufassung des
Kündigungsschutzgesetzes am 1. 1. 2004 und lief am 21. 1. 2004 ab (BAG, Urteil vom 09.02.2006 - 6 AZR 283/05).
Der Arbeitnehmer muss allerdings, will er sich den Sonderkündigungsschutz nach § 85 SGB IX a.F. erhalten, nach Zugang der Kündigung innerhalb einer
angemessenen Frist gegenüber dem Arbeitgeber seine bereits festgestellte oder zur Feststellung beantragte Schwerbehinderteneigenschaft geltend machen. Als
regelmäßig angemessen wurde nach der bisherigen Rechtsprechung eine Frist von einem Monat angenommen. Der Senat erwägt, nach der Neufassung des SGB
IX und des § 4 KSchG vorbehaltlich einer Regelung durch den Gesetzgeber die Regelfrist, innerhalb derer der Arbeitnehmer nach Zugang der Kündigung dem
Arbeitgeber seine Schwerbehinderung oder den entsprechenden Feststellungsantrag mitteilen muss, in Angleichung an entsprechende gesetzliche Fristen auf
drei Wochen festzusetzen. Der Sonderkündigungsschutz nach §§ 85 ff. SGB IX a. F. steht dem Arbeitnehmer auch dann zu, wenn der Arbeitgeber von der
Schwerbehinderteneigenschaft oder der Antragstellung beim Versorgungsamt nichts wusste (BAG, Urteil vom 12.01.2006 - 2 AZR 539/05).
Will ein Arbeitnehmer geltend machen, dass eine Kündigung rechtsunwirksam ist, so muss er innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen
Kündigung Feststellungsklage beim Arbeitsgericht erheben (§ 4 KSchG). Andernfalls gilt die Kündigung als von Anfang an rechtswirksam (§ 7 KSchG).
Wendet sich der Arbeitnehmer dagegen nicht gegen die Auflösung des Arbeitsverhältnisses an sich, sondern macht lediglich geltend, bei einer ordentlichen
Kündigung habe der Arbeitgeber die Kündigungsfrist nicht eingehalten, so kann er dies auch außerhalb der Klagefrist des § 4 KSchG tun. Die unzutreffende
Berechnung der Kündigungsfrist durch den Arbeitgeber macht die ordentliche Kündigung nicht insgesamt unwirksam, sondern betrifft lediglich den Zeitpunkt
ihrer Wirksamkeit. In dem vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall war die Klägerin bei der Beklagten, die eine private Pflegestation betrieb, seit 1996 als
Hauspflegerin beschäftigt gewesen. Die Beklagte hatte das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin am 20. Januar 2004 zum 6. Februar 2004 gekündigt. Eine Klage
nach § 4 KSchG hatte die Klägerin nicht erhoben. Erst am 17. März 2004 machte sie durch eine beim Arbeitsgericht erhobene Klage auf Vergütung für die Zeit
bis zum 31. März 2004 geltend, die Kündigung wirke erst zum 31. März 2004, weil die gesetzliche Kündigungsfrist zwei Monate zum Monatsende betrage. Die
Klage hatte - wie schon in der Vorinstanz - auch vor dem Bundesarbeitsgericht Erfolg (BAG, Urteil vom 15.12.2005 - 2 AZR 148/05).
Die Erhebung einer Kündigungsschutzklage wahrt die tarifliche Ausschlussfrist gem. § 16 Nr. 1 BRTV nur für solche Ansprüche, die für den Arbeitgeber
erkennbar mit dem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses im Normalfall verbunden sind. Zahlungsansprüche, die zusätzlich auf eine unrichtige Eingruppierung
gestützt werden, bedürfen auch dann zur Wahrung der Ausschlussfrist gem. § 16 Nr. 1 BRTV einer gesonderten, hierauf gestützten Geltendmachung, wenn sie
während des Kündigungsrechtsstreits fällig werden (BAG, Urteil vom 14.12.2005 - 10 AZR 70/05).
Ist im Rubrum der Klageschrift irrtümlich als Bekl. nicht der Insolvenzverwalter, sondern die Schuldnerin genannt, so ist das Klagerubrum entsprechend zu
berichtigen, wenn sich aus der Klageschrift oder aus dem dieser beigefügten Kündigungsschreiben ergibt, dass sich die Klage gegen den Insolvenzverwalter als
Partei kraft Amtes richten soll (BAG, Urteil vom 27.03.2003 - 2 AZR 272/02, NZA 2003, 1391).
In der Erhebung einer Kündigungsschutzklage liegt keine Geltendmachung von Steuerverzögerungsschäden (BAG, Urteil vom 20.06.2002 - 8 AZR 488/01,
NJW 2003, 1069 L).
Eine Kündigungsschutzklage gegen eine Kündigung des Insolvenzverwalters ist gegen diesen als Partei kraft Amtes zu richten. Eine Klage gegen die
Schuldnerin macht den Insolvenzverwalter nicht zur Partei und wahrt deshalb nicht die Klagefrist nach § 4 KSchG bzw. § 113 II InsO. Ist ausweislich des
Rubrums der Klageschrift anstatt des Insolvenzverwalters die Schuldnerin verklagt, ist jedoch stets zu prüfen, ob eine Berichtigung des Rubrums möglich ist.
Ergibt sich aus dem Inhalt der Klageschrift, etwa dem beigefügten Kündigungsschreiben des Insolvenzverwalters, dass sich die Klage in Wahrheit gegen den
Insolvenzverwalter richten soll, so ist die irrtümlich falsche Parteibezeichnung zu berichtigen (BAG, Urteil vom 17.01.2002 - 2 AZR 57/01, NZA 2002, 999 Os).
Wird mit dem Kündigungsschutzantrag gem. § 4 KSchG das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses im Zeitpunkt der Kündigung geltend gemacht, ist die Klage
als unbegründet abzuweisen, wenn zwischen den Parteien kein Arbeitsverhältnis bestanden hat (BAG, Urteil vom 20.09.2000 - 5 AZR 271/99,NZA 2001, 210).
Nach der Rechtsprechung des BAG (u.a. BAG, NZA 1994, 812 = NJW 1994, 2780 = AP Nr. 28 zu § 4 KSchG; BAGE 76, 148 = NZA 1994, 860 = AP Nr. 29
zu § 4 KSchG) ist neben der gegen eine bestimmte Kündigung gerichteten Kündigungsschutzklage die Erhebung einer allgemeinen Feststellungsklage auf
Fortbestand des Arbeitsverhältnisses möglich (Bestätigung der ständigen Rechtsprechung seit BAGE 57, 231 = NZA 1988, 651 = NJW 1988, 2691 = AP Nr. 19
zu § 4 KSchG). Für die Klage nach § 256 ZPO ist zur Begründung eines Interesses an alsbaldiger Feststellung Tatsachenvortrag zur Möglichkeit weiterer
Beendigungsgründe erforderlich. Ein solcher Sachvortrag ist im Falle einer ursprünglich mangels ausreichender Begründung unzulässigen Klage auch noch
nach Ablauf der Dreiwochenfrist (§ 4 KSchG) bei einer inzwischen ausgesprochenen, weiteren Kündigung nachholbar und ergänzbar (im Anschluß an Senat,
NZA 1996, 334 = NJW 1996, 2179 = AP Nr. 33 zu § 4 KschG) (BAG, Urteil vom 13.03.1997 - 2 AZR 512/96, NJW 1998, 698).
Geht dem Arbeitnehmer eine Arbeitgeberkündigung per Einschreiben zu, so ist die Klagefrist des § 4 KSchG auch dann grundsätzlich ab der Aushändigung des
Einschreibebriefs zu berechnen, wenn der Postbote den Arbeitnehmer nicht antrifft und dieser das Einschreiben zwar nicht alsbald, aber noch innerhalb der ihm
von der Post mitgeteilten Aufbewahrungsfrist beim zuständigen Postamt abholt oder abholen läßt (BAG, Urteil vom 25.04.1996 - 2 AZR 13/95, NJW 1997, 146).
Ein innerhalb der Frist des § 4 KSchG erhobener Antrag gem. § 256 I ZPO, mit dem die Feststellung des Fortbestehens des Arbeitsverhältnisses begehrt wird,
wahrt die Klagefirst für die erste und auch für spätere Kündigungen jedenfalls dann, wenn der Arbeitnehmer die Sozialwidrigkeit der Kündigungen noch bis
zum Schluß der mündlichen Verhandlung erster Instanz geltend macht (Fortführung der Senatsrechtsprechung, vgl. BAGE 57, 231 = NZA 1988, 651 = NJW
1988, 2691 = AP Nr. 19 zu § 4 KSchG 1969 und Senat, NZA 1994, 812 = NJW 1994, 2780 = AP Nr. 28 zu § 4 KSchG 1969) " dies gilt unabhängig davon, ob
für den Antrag zunächst ein Feststellungsinteresse i. S. von § 256 I ZPO bestand (BAG, Urteil vom 07.12.1995 - 2 AZR 772/94, NJW 1996, 2179).
Kündigt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer schriftlich, so wahrt dessen Klage auf Feststellung, das Arbeitsverhältnis sei durch die an diesem Tage
ausgesprochene Kündigung nicht aufgelöst worden, die Klagefrist des $ 4 KSchG regelmäßig auch für eine mündliche Kündigung, die der Arbeitgeber am
selben Tag zuvor wegen desselben Sachverhalts bereits ausgesprochen hatte (BAG, Urteil vom 14.09.1994 - 2 AZR 182/94, NJW 1995, 1173).
Gegen eine zweite Kündigung des Arbeitgebers (Wiederholungskündigung) muß der Arbeitnehmer zwar nach §§ 4, 7 KSchG Klage erheben, der zweiten
rechtzeitig erhobenen Klage ist jedoch aus Gründen der Präjudizialität ohne weiteres stattzugeben. (BAG, Urteil vom 26.08.1993 - 2 AZR 159/93, NJW 1994, 473).
Die Vorschriften über die fristgebundene Klageerhebung (§§ 4, 13 I 2) sind auch auf außerordentliche Kündigungen von Berufsausbildungsverhältnissen
anzuwenden, sofern nicht gem. § 111 II 5 ArbGG eine Verhandlung vor einem zur Beilegung von Streitigkeiten aus einem Berufsausbildungsverhältnis
gebildeten Ausschuss stattfinden muß, (BAG, Urteil vom 05.07.1990 - 2 AZR 53/90, NZA 1991, 671).
Die Vorschriften des KSchG über die fristgebundene Klageerhebung (§§ 4, 13 I 2) sind auf außerordentliche Kündigungen von Berufsausbildungsverhältnissen
jedenfalls dann nicht anzuwenden, wenn gem. § 111 II 5 ArbGG eine Verhandlung vor einem zur Beilegung von Streitigkeiten aus einem
Berufsausbildungsverhältnis gebildeten Ausschuß stattfinden muß (BAG, Urteil vom 13.04.1989 - 2 AZR 441/88, NZA 1990, 395).
Geht innerhalb der Frist des § 4 KSchG beim ArbG ein nicht unterzeichneter, jedoch im übrigen den Erfordernissen einer Klageschrift entsprechender
Schriftsatz ein, so kann der Mangel der Nichtunterzeichnung fristwahrend nach § 295 ZPO geheilt werden (Aufgabe der Rechtsprechung BAGE 1, 272; BAGE
28, 1), (BAG, Urteil vom 26.06.1986 - 2 AZR 358/85, NJW 1986, 3224).
Entspricht der Feststellungsantrag im Kündigungsschutzprozess dem Wortlaut des § 4 I (Feststellung, daß das Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung
aufgelöst worden ist), ist Streitgegenstand die Frage, ob das Arbeitsverhältnis aus Anlass einer ganz bestimmten Kündigung zu dem beabsichtigten Termin
aufgelöst worden ist oder nicht (sogenannten. punktuelle Streitgegenstandstheorie), (BAG, Urteil vom 12.06.1986 - 2 AZR 426/85, NZA 1987, 273).
Wird einem schwerbehinderten Arbeitnehmer der Zustimmungsbescheid der Hauptfürsorgestelle erst nach Zugang der Kündigung zugestellt, so wird erst zu
diesem Zeitpunkt die dreiwöchige Klagefrist für die Erhebung der Kündigungsschutzklage in Lauf gesetzt; § 4 S. 4 KSchG findet auch in einem solchen Fall
Anwendung, (BAG, Urteil vom 17.02.1982 - 7 AZR 846/79, NJW 1982, 2630).
An die Form einer Kündigungsschutzklage dürfen keine zu strengen Anforderungen gestellt werden. Es genügt, daß aus der Klage ersichtlich ist, gegen wen sie
sich richtet, wo der Kläger tätig war und daß er seine Kündigung nicht als berechtigt anerkennen will (im Anschluß an BAGE 3, 107 = NJW 1956, 1772). Es ist
unschädlich, wenn sich eine Kündigungsschutzklage unrichtigerweise gegen eine vermeintliche fristlose Kündigung anstatt gegen eine tatsächlich
ausgesprochene ordentliche Kündigung wendet, sofern der Arbeitgeber nur eine Kündigung zu dem vom Kläger beanstandeten Beendigungszeitraum erklärt hat
(BAG, Urteil vom 21.05.1981 - 2 AZR 133/79, NJW 1982, 1174).
Wirft der Arbeitnehmer am letzten Tag der dreiwöchigen Klagefrist des § 4 KSchG seine Kündigungsschutzklage in den normalen Briefkasten eines
Arbeitsgerichts, so ist dies selbst dann fristwahrend, wenn zugleich ein Nachtbriefkasten vorhanden ist (BAG, Urteil vom 22.02.1980 - 7 AZR 295/78, NJW
1981, 298).
*** (LAG)
Erlangt eine Arbeitnehmerin erst nach Ausspruch einer Arbeitgeberkündigung von ihrer Schwangerschaft Kenntnis, ist § 4 S. 4 KSchG nicht anzuwenden.
Erfährt eine Arbeitnehmerin nach Erhalt einer Kündigung ohne von ihr zu vertretenden Grund erst kurz vor Ablauf der Klagefrist von ihrer Schwangerschaft,
muss ihr eine Überlegungszeit von drei Werktagen zugebilligt werden, um abzuwägen, ob sie angesichts der für sie neuen Situation und des nun entstandenen
Sonderkündigungsschutzes Kündigungsschutzklage erheben will. Sie ist nicht verpflichtet, innerhalb der verbleibenden Restzeit der noch laufenden Klagefrist
von 1 bis 1 1/2 Tagen sich ihre neue rechtliche Situation zu vergegenwärtigen und die Kündigungsschutzklage - ggf. auch nur vorsorglich zur Wahrung der
Klagefrist - einzureichen. Versäumt sie durch die Inanspruchnahme dieser Überlegungszeit die dreiwöchige Klagefrist des § 4 S. 1 KSchG, ist die Klage auf
ihren Antrag hin im Regelfall nachträglich zuzulassen, soweit Klage und Zulassungsantrag nach Ablauf von drei Werktagen eingereicht wurden (LAG
Schleswig-Holstein, Beschluss vom 13.05.2008 - 3 Ta 56/08, SchlHA 2008, 367).
Kennt der Arbeitgeber bei Ausspruch der Kündigung die Schwangerschaft der Arbeitnehmerin nicht und möchte die Arbeitnehmerin wegen Verstoßes gegen §
9 MuSchG Kündigungsschutzklage erheben, ist diese Klage gem. § 4 S. 1 KSchG binnen drei Wochen ab Zugang der Kündigung zu erheben. § 4 S. 4 KSchG
ist nicht einschlägig. Trotz des Wortlauts des § 5 II 2 KSchG sind die den Antrag auf nachträgliche Zulassung begründenden Tatsachen nicht glaubhaft zu
machen, wenn sie der Arbeitgeber nicht bestreitet (§§ 294, 138 III, 288 I ZPO). Ein Antrag gem. § 5 II 1 KSchG ohne Angabe der Mittel für die
Glaubhaftmachung binnen der Zwei-Wochen-Frist des § 5 III 1 KSchG ist nicht endgültig unzulässig, sondern wird zulässig, wenn der Arbeitgeber die die
nachträgliche Zulassung begründenden Tatsachen bis zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht bestreitet (teleologische Reduktion; LAG Nürnberg, Beschluss
vom 04.12.2006 - 7 Ta 207/06).
Das Arbeitsgericht hat im Verfahren der nachträglichen Zulassung bei einer sofortigen Beschwerde durch Beschluss der Kammer, die nicht in derselben
Besetzung entscheiden muss, eine Abhilfeentscheidung zu treffen. Die Vorschriften des KSchG über die fristgebundene Klageerhebung sind auch auf
Kündigungen von Berufsausbildungsverhältnissen anzuwenden, sofern eine Ausschussverhandlung nach § 111 II ArbGG nicht stattfinden muss. Ein
Auszubildender muss sich das Verschulden seines Prozessbevollmächtigten nach § 85 II ZPO zurechnen lassen. Eine schuldhafte Versäumung der Klagefrist
liegt vor, wenn die klägerischen Prozessbevollmächtigten trotz eines innerhalb der Dreiwochenfrist erhaltenen Hinweises der für das Ausbildungsverhältnis
zuständigen Landwirtschaftskammer über das Nichtbestehen eines Ausschusses nach § 111 II ArbGG keine Klage erheben, sondern zusätzliche Auskünfte der
örtlichen Industrie- und Handelskammer einholen (LAG Köln, Beschluss vom 10.03.2006 - 3 Ta 47/06, NZA-RR 2006, 319).
§ 5 Zulassung verspäteter Klagen
(1) War ein Arbeitnehmer nach erfolgter Kündigung trotz Anwendung aller ihm nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt verhindert, die Klage
innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung zu erheben, so ist auf seinen Antrag die Klage nachträglich zuzulassen. Gleiches gilt,
wenn eine Frau von ihrer Schwangerschaft aus einem von ihr nicht zu vertreten Grund erst nach Ablauf der Frist des § 4 Satz 1 Kenntnis erlangt hat.
(2) Mit dem Antrag ist die Klageerhebung zu verbinden; ist die Klage bereits eingereicht, so ist auf sie im Antrag Bezug zu nehmen. Der Antrag muss ferner die
Angabe der die nachträgliche Zulassung begründenden Tatsachen und der Mittel für deren Glaubhaftmachung enthalten.
(3) Der Antrag ist nur innerhalb von zwei Wochen nach Behebung des Hindernisses zulässig. Nach Ablauf von sechs Monaten, vom Ende der versäumten Frist
an gerechnet, kann der Antrag nicht mehr gestellt werden.
(4) Über den Antrag entscheidet die Kammer durch Beschluss, der ohne mündliche Verhandlung ergehen kann. Gegen diesen ist die sofortige Beschwerde zulässig.
Leitsätze:
„... aa) Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 KSchG ist eine Kündigungsschutzklage nachträglich zuzulassen, wenn der Arbeitnehmer nach erfolgter Kündigung trotz
Anwendung aller ihm nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt verhindert war, die Klage rechtzeitig beim Arbeitsgericht zu erheben. Dabei ist ihm das
Verschulden eines (Prozess-)Bevollmächtigten an der Versäumung der gesetzlichen Klagefrist nach § 4 Satz 1 KSchG gem. § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG iVm. §
85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen (vgl. BAG 11. Dezember 2008 - 2 AZR 472/08 - Rn. 23, BAGE 129, 32).
bb) Der Kläger hat nicht dargelegt, dass er unverschuldet iSv. § 5 Abs. 1 Satz 1 KSchG daran gehindert gewesen wäre, die Klage gegen die Kündigung vom 25.
Juni 2009 rechtzeitig zu erheben.
(1) Trotz seiner Urlaubsabwesenheit wäre es ihm möglich gewesen, rechtzeitig bis zum Ablauf der Drei-Wochen-Frist am 16. Juli 2009 Klage auch gegen die
Kündigung vom 25. Juni 2009 zu erheben. Er hat nach seiner Rückkehr am 27. Juni 2009 die Kündigung vom 25. Juni 2009 zusammen mit derjenigen vom 26.
Juni 2009 in seinem Briefkasten vorgefunden.
(2) Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, das Vorbringen des Klägers, er habe keine Kenntnis davon gehabt, dass er gegen jede einzelne
Kündigung vorgehen müsse, schließe sein Verschulden nicht aus. Es gehört zu den für jeden Arbeitnehmer geltenden Sorgfaltspflichten, sich zumindest nach
Ausspruch einer Kündigung unverzüglich darum zu kümmern, ob und wie er dagegen vorgehen kann (vgl. BAG 26. August 1993 - 2 AZR 376/93 - zu B I 2 c
aa der Gründe, AP LPVG NW § 72 Nr. 8 = EzA KSchG § 4 nF Nr. 47; ErfK/Kiel 12. Aufl. § 5 KSchG Rn. 11).
(3) Ob der Kläger selbst das Unterbleiben der rechtzeitigen Klageerhebung gegen die Kündigung vom 25. Juni 2009 zu vertreten hat, weil er dem am 13. Juli
2009 unter Vorlage beider Kündigungsschreiben mandatierten Rechtsanwalt das Mandat noch während des Laufs der Klagefrist wieder entzogen hat, bedarf
keiner Entscheidung. Selbst wenn dieser die Versäumung der Klagefrist zu vertreten hätte, müsste sich der Kläger das nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen.
Ebenso kann wegen dieser Bestimmung dahinstehen, ob eine uU auch nach Mandatierung seines jetzigen Prozessbevollmächtigten noch mögliche rechtzeitige
Klageerweiterung infolge von dessen oder infolge eigenen Verschuldens des Klägers unterblieben ist.
(4) Das Landesarbeitsgericht hat ohne Rechtsfehler angenommen, die Klagefrist gegen die Kündigung vom 25. Juni 2009 sei nicht wegen eines
unverschuldeten Irrtums der Prozessbevollmächtigten darüber, wann die Kündigung dem Kläger zugegangen sei, versäumt worden. Vielmehr habe der
Bevollmächtigte angesichts des Datums des Kündigungsschreibens und des zweifelsfrei erkennbaren Umstands, dass dieses nicht mit der Post befördert worden
sei, einen Zugang bereits am 25. Juni 2009 in Betracht ziehen müssen. Dies ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Ein Irrtum über die für die
Fristberechnung erheblichen tatsächlichen Umstände kann nur dann zur nachträglichen Klagezulassung führen, wenn er unverschuldet ist (vgl. für die
Wiedereinsetzung Zöller/Greger ZPO 29. Aufl. § 233 Rn. 23 Stichwort „Irrtum"). Das war hier nicht der Fall. Vielmehr muss auch die mögliche Unrichtigkeit
einer Parteiinformation in Betracht gezogen und müssen bestehende Zweifel ausgeräumt werden (vgl. Zöller/Greger aaO). ..." (BAG, Urteil vom 22.03.2012 - 2
AZR 224/11)
***
„... I. Die Frist des § 5 Abs. 3 Satz 2 KSchG begann drei Wochen nach Zugang des Kündigungsschreibens der Beklagten am 4. April 2007. Sie endete am 25.
Oktober 2007.
1. Mit dem Einwurf des Kündigungsschreibens in den Hausbriefkasten ging dem Kläger die Kündigung nach § 130 BGB zu (vgl. BAG 28. Mai 2009 - 2 AZR
732/08 - Rn. 22, AP KSchG 1969 § 5 Nr. 16 = EzA KSchG § 5 Nr. 37). Dementsprechend begannen die Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG und nach deren Ende
die Frist des § 5 Abs. 3 Satz 2 KSchG zu laufen.
2. Die Ansicht des Klägers, ein Zugang der Kündigungserklärung sei nicht erfolgt und der Lauf der Fristen habe nicht begonnen, da er zu diesem Zeitpunkt
geschäftsunfähig iSd. § 104 Nr. 2 BGB gewesen und eine Zustellung an den gesetzlichen Vertreter iSd. § 131 Abs. 1 BGB nicht erfolgt sei, trifft nicht zu. Der
Kläger hat die die Geschäftsunfähigkeit begründenden Tatsachen und Umstände weder rechtzeitig noch hinreichend substantiiert dargelegt.
a) Ob der Kläger hierzu im Revisionsverfahren neue Tatsachen vorgebracht hat, oder ob er hat rügen wollen, das Landesarbeitsgericht habe seinen bisherigen
Vortrag unzureichend berücksichtigt, kann dahingestellt bleiben. In beiden Fällen genügt sein Vorbringen den revisionsrechtlichen Anforderungen nicht.
Nach § 559 Abs. 1 Satz 1 ZPO unterliegt der Prüfung des Revisionsgerichts nur solches Parteivorbringen, das aus dem Tatbestand des Berufungsurteils oder
dem Sitzungsprotokoll ersichtlich ist. Neues Vorbringen kann allenfalls dann berücksichtigt werden, wenn es unstreitig oder seine Richtigkeit offenkundig ist
(BGH 11. November 1982 - III ZR 77/81 - zu I der Gründe, BGHZ 85, 288, 290; GMP/Müller-Glöge 7. Aufl. § 74 Rn. 116). Da die Beklagte in der
Revisionserwiderung das Vorliegen von Geschäftsunfähigkeit bei Zugang der Kündigung bestritten hat, wäre entsprechendes Vorbringen als neuer Vortrag
nicht zu berücksichtigen.
Als Verfahrensrüge ist das Vorbringen gleichfalls unbeachtlich. Eine Verfahrensrüge hat der Kläger nicht ordnungsgemäß erhoben. Von einer näheren
Begründung sieht der Senat gemäß § 564 ZPO ab.
b) Hinzu kommt, dass aus dem gesamten Vortrag des Klägers nicht schlüssig hervorgeht, dass dieser sich dauerhaft in einem seine freie Willensbestimmung
ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befunden hat.
aa) Da eine krankhafte Störung der Geistestätigkeit die Ausnahme und eine natürliche Person solange als unbeschränkt geschäftsfähig anzusehen ist, bis das
Gegenteil dargetan und ggf. bewiesen ist (BGH 24. September 1955 - IV ZR 162/54 - BGHZ 18, 184), hätte der Kläger Tatsachen und Umstände für einen
seine freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung seiner Geistestätigkeit substantiiert darlegen müssen. Die Gerichte müssen durch
einen entsprechenden Vortrag in die Lage versetzt werden zu beurteilen, ob der Betreffende sich in einer Situation befunden hat, in der er dauerhaft nicht mehr
im Stande gewesen ist, seinen Willen frei und unbeeinflusst von einer vorliegenden Geistesstörung oder -schwäche zu bilden und nach zutreffend gewonnenen
Einsichten zu handeln (BAG 28. Mai 2009 - 6 AZN 17/09 - Rn. 8, EzA ZPO 2002 § 57 Nr. 1; BGH 5. Dezember 1995 - XI ZR 70/95 - zu II 2 b aa der Gründe
mwN, NJW 1996, 918). Eine bloße Willensschwäche genügt insoweit nicht (Palandt/Heinrichs/Ellenberger 67. Aufl. § 104 BGB Rn. 5; OLG Düsseldorf 6.
März 1998 - 7 U 210/95 - FamRZ 1998, 1064).
bb) Aus dem Vortrag des Klägers ergibt sich dies nicht. Er hat lediglich vorgetragen, er sei nicht fähig gewesen, Klage einzureichen oder jemanden hiermit zu
beauftragen. Daraus folgt noch nicht seine Geschäftsunfähigkeit. Soweit der Kläger auf das - unstreitige - Vorliegen einer Depression verwiesen hat, hat er
deren Folgen nur vage beschrieben. Auch aus den Arztberichten vom 7. April und 14. Mai 2008, in denen nur allgemeine, mit einer Depression einhergehende
Symptome beschrieben werden, folgt nicht, dass er dauerhaft und durchgängig einen freien Willen nicht hätte bilden können. Dies gilt umso mehr, als
Depressionen bekanntermaßen in vielfältigen und völlig unterschiedlich ausgeprägten Formen vorkommen und depressive Erkrankungen regelmäßig
Schwankungen unterliegen. Dass der Erkrankte dauerhaft oder zumindest für einen längeren Zeitraum nicht mehr in der Lage ist, Alltagstätigkeiten
auszuführen, folgt daraus nicht. Im Streitfall hat zudem die medizinische Behandlung des Klägers erst am 11. Februar 2008 begonnen und hat der behandelnde
Arzt nur Rückschlüsse auf der Grundlage der vom Kläger selbst geschilderten Symptome ziehen können. Ob diese schon bei Kündigungszugang am 4. April
2007 vorlagen, konnte der Arzt nicht prüfen. Auch der Umstand, dass der Kläger über Monate hinweg gegenüber seiner Ehefrau die falsche Vorstellung
aufrechterhalten hat, er gehe morgens zu seiner Arbeit, lässt nicht den Schluss zu, er sei nicht mehr in der Lage gewesen, seine Entscheidungen von
vernünftigen Erwägungen abhängig zu machen.
3. Hat die dreiwöchige Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG deshalb am 4. April 2007 nach Maßgabe von § 187 Abs. 1 BGB zu laufen begonnen, so lief am 25.
Oktober 2007 die absolute Frist für einen Antrag auf nachträgliche Zulassung nach § 5 Abs. 3 Satz 2 KSchG ab.
II. Eine Wiedereinsetzung in die Frist des § 5 Abs. 3 Satz 2 KSchG ist ausgeschlossen.
1. § 5 KSchG selbst sieht eine solche Möglichkeit nicht vor.
2. Eine unmittelbare Anwendung von § 233 ZPO scheidet aus.
a) Nach dieser Bestimmung ist einer Partei, die ohne ihr Verschulden gehindert war, eine Notfrist, die Frist zur Begründung eines der genannten Rechtsbehelfe
oder die Frist des § 234 Abs. 1 ZPO zur Wiedereinsetzung als solche einzuhalten, auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
b) Bei den Fristen des § 5 Abs. 3 KSchG handelt es sich nicht um Notfristen (KR/Friedrich 9. Aufl. § 5 KSchG Rn. 164). Notfristen sind nach § 224 Abs. 1
Satz 2 ZPO nur diejenigen Fristen, die "in diesem Gesetz" als solche bezeichnet sind. Anerkannt ist zwar, dass damit nicht nur die Fristen der ZPO, sondern
auch die Notfristen des ArbGG gemeint sind (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO 67. Aufl. § 224 Rn. 5; Zöller/Stöber ZPO 27. Aufl. § 224 Rn.
3). Die Fristen des § 5 Abs. 3 KSchG werden jedoch nicht als Notfristen bezeichnet. Ebenso wenig handelt es sich um Rechtsmittelfristen (im Ergebnis auch
BAG 16. März 1988 - 7 AZR 587/87 - zu II der Gründe, BAGE 58, 9). Die Frist des § 5 Abs. 2 Satz 2 KSchG ist auch keine der Frist des § 234 Abs. 1 ZPO
vergleichbare Frist, in die nach § 233 ZPO eine Wiedereinsetzung grundsätzlich möglich ist. Sie ist vielmehr der absoluten Frist des § 234 Abs. 3 ZPO
vergleichbar, in die der Säumige auch nach den Vorschriften der ZPO unter keinen Umständen wieder eingesetzt werden kann.
3. Eine analoge Anwendung von § 233 ZPO auf die Versäumung der Frist des § 5 Abs. 3 Satz 2 KSchG kommt nicht in Betracht.
a) Eine analoge Gesetzesanwendung setzt voraus, dass ein vom Gesetz sprachlich nicht erfasster, dh. gesetzlich ungeregelter Fall nach Maßgabe des
Gleichheitssatzes und zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen nach der gleichen Rechtsfolge verlangt, wie ein gesetzlich geregelter Fall (BAG 14.
Februar 2007 - 7 ABR 26/06 - Rn. 56, BAGE 121, 212; 29. September 2004 - 1 ABR 39/03 - zu B III 2 b der Gründe, BAGE 112, 100). Sie hat folglich
insbesondere Sinn und Zweck der fraglichen Regelung in den Blick zu nehmen.
b) Danach ist eine analoge Anwendung des § 233 ZPO auf die schuldlose Versäumung der Frist des § 5 Abs. 3 Satz 2 KSchG nicht möglich. Es würde dabei
nicht eine in der ZPO vorgesehene Möglichkeit auf die nachträgliche Klagezulassung nach § 5 KSchG übertragen. Auch nach der ZPO ist vielmehr eine
Wiedereinsetzung in die vergleichbare Frist des § 234 Abs. 3 ZPO ausgeschlossen (BGH 19. Februar 1976 - VII ZR 16/76 - zu II der Gründe, VersR 1976, 728;
Hüßtege in Thomas/Putzo ZPO 28. Aufl. § 234 Rn. 12). Deshalb würden - umgekehrt - die Wiedereinsetzungsvorschriften der ZPO auf die absolute Frist des §
5 Abs. 3 Satz 2 KSchG angewendet, obwohl das Gesetz eine solche Möglichkeit im Hinblick auf § 234 Abs. 3 ZPO gerade nicht vorsieht. Dafür gibt es keine
aus dem Gleichheitssatz abzuleitende Notwendigkeit. Der Gesetzgeber hat mit der Entscheidung für eine absolute Ausschlussfrist zur Erhebung einer
Kündigungsschutzklage eine Abwägung zwischen den Interessen des Arbeitnehmers an einer gerichtlichen Überprüfung der Wirksamkeit einer Kündigung und
den Interessen des Arbeitgebers an einer baldigen Gewissheit über die endgültige Rechtsbeständigkeit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses getroffen. Hält
er es zwar für zumutbar, dass der Arbeitgeber über die eigentliche Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG hinaus noch geraume Zeit mit einer Klagezulassung wegen
einer unverschuldeten Fristversäumnis rechnen muss, so soll diese Ungewissheit aber spätestens sechs Monate nach Fristablauf ein Ende haben. Eine
Wiedereinsetzung in diese - absolute - Ausschlussfrist widerspräche deshalb gerade dem gesetzgeberischen Programm und dem Gesetzeszweck. Sie hätte nicht
die Vermeidung von Wertungswidersprüchen, sondern deren Erzeugung zur Folge. Das schließt eine analoge Anwendung von § 233 ZPO auf die Versäumung
der Frist des § 5 Abs. 3 Satz 2 KSchG aus (im Ergebnis ebenso HaKo/Gallner 3. Aufl. § 5 Rn. 40 mwN; Stahlhacke/Preis/Vossen 10. Aufl. Rn. 1996;
APS/Ascheid/Hesse 3. Aufl. § 5 KSchG Rn. 89; LAG Köln 14. März 2003 - 4 Ta 3/03 - LAGE KSchG § 5 Nr. 106a; Hessisches LAG 11. März 2005 - 15 Ta
638/04 - zu II der Gründe, NZA-RR 2005, 322; Hüßtege in Thomas/Putzo ZPO 28. Aufl. § 233 Rn. 3).
III. Die Bestimmung des § 5 Abs. 3 Satz 2 KSchG ist verfassungsgemäß (zur Verfassungsmäßigkeit der absoluten [Jahres-] Frist des § 234 Abs. 3 ZPO vgl.
BVerfG 18. Dezember 1972 - 2 BvR 756/71 -). Sie verstößt weder gegen die Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG noch gegen das aus dem
Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG folgende Gebot der Rechtssicherheit. Ebenso wenig verletzt sie Grundrechte des gekündigten Arbeitnehmers.
1. Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistet wie der Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG nicht nur formal die Möglichkeit, ein Gericht anzurufen.
Die Vorschriften wollen einen effektiven Rechtsschutz gewähren. Der Zugang zum Gericht darf nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu
rechtfertigender Weise erschwert werden (BVerfG 29. November 1989 - 1 BvR 1011/88 - zu B II 2 b der Gründe mwN, BVerfGE 81, 123, 129). Bei der
normativen Ausgestaltung des Zugangs zu den Gerichten muss der Gesetzgeber dieses Ziel beachten. Die Zugangsregelungen müssen im Hinblick darauf
geeignet und angemessen sein (BVerfG 2. Dezember 1987 - 1 BvR 1291/85 - zu C I der Gründe mwN, BVerfGE 77, 275, 284). Der Gesetzgeber kann Fristen
für die Anrufung der Gerichte vorsehen, solange der gerichtliche Rechtsschutz dadurch nicht unzumutbar eingeschränkt wird. Die Fristen dürfen deshalb nicht
unangemessen kurz sein (BVerfG 2. Dezember 1987 - 1 BvR 1291/85 - zu C II 2 der Gründe, BVerfGE 77, 275, 285).
2. Die Regelungen der §§ 4 ff. KSchG werden diesen Anforderungen gerecht.
a) Die Vorschriften der §§ 4, 7 KSchG dienen dem Zweck, im Falle einer Kündigung den Arbeitsvertragsparteien alsbald Klarheit über den Bestand des
Arbeitsverhältnisses zu schaffen. Mit ihnen trägt der Gesetzgeber dem berechtigten Interesse des Arbeitgebers Rechnung, zeitnah zu erkennen, ob er über den
fraglichen Arbeitsplatz disponieren und die durch die Kündigung frei gewordene Stelle ggf. wieder besetzen kann (Senat 11. Dezember 2008 - 2 AZR 472/08 -
Rn. 31, AP KSchG 1969 § 4 Nr. 68 = EzA KSchG § 5 Nr. 35; APS/Ascheid/Hesse 3. Aufl. § 5 KSchG Rn. 3; HaKo/Gallner 3. Aufl. § 5 Rn. 3).
b) Allerdings kann die in § 7 KSchG angeordnete Rechtsfolge der rückwirkenden Heilung einer Unwirksamkeit der Kündigung unbillig sein, wenn der
Arbeitnehmer trotz Anwendung aller ihm nach Lage der Dinge zuzumutenden Sorgfalt an der rechtzeitigen Klageerhebung gehindert war. Dem trägt § 5 KSchG
Rechnung, indem er die Möglichkeit eröffnet, eine Klage unter dieser Voraussetzung nachträglich zu erheben. Die von § 4 Satz 1 KSchG intendierte
Rechtssicherheit lässt § 5 KSchG im Interesse des Rechtsschutzes zurücktreten (Senat 11. Dezember 2008 - 2 AZR 472/08 - AP KSchG 1969 § 4 Nr. 68 = EzA
KSchG § 5 Nr. 35).
c) § 5 Abs. 3 Satz 2 KSchG begrenzt den potentiellen Vorrang der Gewährung von Rechtsschutz auf die Zeit von sechs Monaten. Dagegen bestehen keine
durchgreifenden Bedenken. Zwar erscheint die Möglichkeit einer nachträglichen Klagezulassung grundsätzlich erforderlich, um den Arbeitnehmer vom Risiko
einer unverschuldeten Versäumung der Frist des § 4 Satz 1 KSchG zu entlasten. Es ist aber nicht geboten, diese Möglichkeit zeitlich unbegrenzt offen zu
halten. Die Sechsmonatsfrist stellt sich insoweit als ein angemessener Interessenausgleich dar. Sie wägt in angemessener Weise das Interesse an materieller
Gerechtigkeit gegen das Interesse an Rechtssicherheit ab. Die Frist des § 5 Abs. 3 Satz 2 KSchG ist nicht unangemessen kurz, auch nicht im Vergleich zur
Jahresfrist des § 234 Abs. 3 ZPO. Sie wird den Besonderheiten des Kündigungsschutzes gerecht. Sie trägt dem Umstand Rechnung, dass der Arbeitgeber an
alsbaldiger Planbarkeit ein besonderes, sachlich begründetes Interesse hat, und ist Ausdruck des auch in § 61a ArbGG geregelten Beschleunigungsgrundsatzes
im Arbeitsgerichtsprozess.
3. Grundrechte des Klägers aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 GG werden durch die auf sechs Monate befristete Möglichkeit einer nachträglichen
Klagezulassung nicht verletzt. Auf die entsprechenden verfassungsrechtlichen Gewährleistungen kann sich nicht nur der gekündigte Arbeitnehmer, sondern
auch der kündigende Arbeitgeber berufen. Dessen Interesse an baldiger Gewissheit über die wirksame Beendigung des Arbeitsverhältnisses und der damit
verbundenen Planungssicherheit ist bei der prozeduralen Ausgestaltung des Kündigungsschutzes ebenfalls schutzbedürftig.
a) Dem durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Interesse des Arbeitnehmers an der Erhaltung seines Arbeitsplatzes steht das Interesse des Arbeitgebers
gegenüber, in seinem Unternehmen nur Mitarbeiter zu beschäftigen, die seinen Vorstellungen entsprechen. Er übt damit selbst seine Berufsfreiheit iSd. Art. 12
Abs. 1 GG aus (BVerfG 27. Januar 1998 - 1 BvL 15/87 - zu B I 3 a der Gründe, BVerfGE 97, 169, 176). Der Geltungsbereich der Berufsfreiheit erstreckt sich
gemäß Art. 19 Abs. 3 GG auch auf inländische juristische Personen wie die Beklagte (BVerfG 4. April 1967 - 1 BvR 84/65 - zu II 1 der Gründe, BVerfGE 21,
261, 266). Die kollidierenden Grundrechtspositionen sind vom Gesetzgeber in ihrer Wechselwirkung zu erfassen und so zu begrenzen, dass sie für alle
Beteiligten möglichst weitgehend wirksam werden (BVerfG 19. Oktober 1993 - 1 BvR 567/89, 1 BvR 1044/89 - zu C II 2 b der Gründe, BVerfGE 89, 214, 232).
Dem Gesetzgeber ist dabei ein weiter Gestaltungsfreiraum eingeräumt. Die Einschätzung der für die Konfliktlage maßgeblichen ökonomischen und sozialen
Rahmenbedingungen liegt in seiner politischen Verantwortung, ebenso die Vorausschau auf die Wirkungen seiner Regelung. Dasselbe gilt für die Bewertung
der Interessenlage, dh. die Gewichtung der einander entgegenstehenden Belange und die Bestimmung ihrer Schutzbedürftigkeit. Eine Verletzung
grundrechtlicher Schutzpflichten kann in einer solchen Lage nur festgestellt werden, wenn eine Grundrechtsposition der anderen in einer Weise untergeordnet
wird, dass in Anbetracht der Bedeutung und Tragweite des betroffenen Grundrechts von einem angemessenen Ausgleich nicht mehr gesprochen werden kann
(BVerfG 27. Januar 1998 - 1 BvL 15/87 - BVerfGE 97, 169).
b) Danach verletzt § 5 Abs. 3 Satz 2 KSchG den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG nicht. Der Gesetzgeber hat mit dieser Frist einen Ausgleich zwischen den
Belangen der Arbeitsvertragsparteien geschaffen, der der aus dieser Grundrechtsnorm abzuleitenden doppelten Schutzpflicht genügt. Die einander
gegenüberstehenden Belange sind angemessen berücksichtigt.
aa) Bei einer Regelung des Kündigungsschutzes streiten auf Seiten des Arbeitnehmers gewichtige Interessen. Seine berufliche Tätigkeit, für die Art. 12 Abs. 1
GG den erforderlichen Freiraum gewährleistet, kann er nur durch Abschluss und Fortbestand von Arbeitsverträgen realisieren. Der Arbeitsplatz ist die
wirtschaftliche Existenzgrundlage für ihn und seine Familie. Sein Lebenszuschnitt wird ebenso davon bestimmt wie seine gesellschaftliche Stellung. Mit der
Beendigung des Arbeitsverhältnisses wird dieses ökonomische und soziale Beziehungsgeflecht in Frage gestellt (BVerfG 27. Januar 1998 - 1 BvL 15/87 - zu B
I 3 b aa der Gründe, BVerfGE 97, 169, 177). Fristen für eine Kündigungsschutzklage und deren nachträgliche Zulassung begrenzen den Grundrechtsschutz des
Arbeitnehmers. Auf der anderen Seite steht das Interesse des Arbeitgebers, möglichst rasch eindeutig Klarheit darüber zu erhalten, ob sich der Arbeitnehmer
gegen die Kündigung gerichtlich wehrt. Davon hängt seine Planungssicherheit ab.
bb) Die Frist von sechs Monaten nach Ablauf der Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG ist geeignet, sowohl den Anforderungen an die Rechtssicherheit als auch
dem Interesse am Erhalt des Arbeitsplatzes zu genügen. Dabei durfte der Gesetzgeber typisierende Annahmen zugrunde legen. Er ist berechtigt, von einem
Gesamtbild auszugehen, das sich aus vorliegenden Erfahrungen ergibt. Es genügt, dass die Vorschrift für möglichst viele Tatbestände eine angemessene
Regelung schafft (BVerfG 2. Dezember 1987 - 1 BvR 1291/85 - zu C II 1 der Gründe, BVerfGE 77, 275, 285). Dies ist bei § 5 Abs. 3 Satz 2 KSchG der Fall.
Der Umstand, dass in Einzelfällen der Arbeitnehmer unverschuldet sogar die Sechsmonatsfrist nicht einhalten kann, stellt die getroffene Fristenregelung als
generell angemessenen Ausgleich nicht in Frage.
c) § 5 Abs. 3 Satz 2 KSchG berührt nicht die durch Art. 1 Abs. 1 GG geschützte Menschenwürde. Unbeschadet des Verhältnisses dieser Bestimmung zu Art. 12
Abs. 1 GG wird der Arbeitnehmer durch die Höchstfrist von sechs Monaten für die nachträgliche Zulassung einer Kündigungsschutzklage nicht zum bloßen
Gegenstand eines ihn betreffenden staatlichen Verfahrens (vgl. dazu BVerfG 9. März 1983 - 2 BvR 315/83 - zu II 1 der Gründe, BVerfGE 63, 332, 337). ..."
(BAG, Urteil vom 28.01.2010 - 2 AZR 985/08)
***
Das Gericht darf über den Hilfsantrag auf nachträgliche Klagezulassung nur entscheiden, wenn es zu der Ansicht gelangt ist, der Kläger habe gegen eine ihm
zugegangene und dem Arbeitgeber zurechenbare schriftliche Kündigungserklärung verspätet Klage erhoben (BAG, Urteil vom 28.05.2009 - 2 AZR 732/08):
„... I. Entgegen der Auffassung der Beklagten durfte das Landesarbeitsgericht über die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des
Arbeitsgerichts durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 5 Abs. 4 KSchG nF; § 128 Abs. 2 ZPO).
1. Über die sofortige Beschwerde des Klägers konnte das Landesarbeitsgericht in Form des (Zwischen-) Urteils gem. § 5 Abs. 4 KSchG in der ab dem 1. April
2008 in Kraft getretenen Neufassung entscheiden (vgl. Senat 11. Dezember 2008 - 2 AZR 472/08 - mit weiteren Hinweisen auf die Literatur und die
Rechtsprechung in B I der Entscheidungsgründe, NZA 2009, 692). Dies folgt aus den Grundsätzen zum intertemporalen Prozessrecht. Es sind im
Entscheidungsfall auch keine Gründe ersichtlich, die ausnahmsweise ein Abweichen vom Grundsatz der Anwendbarkeit des neuen Prozessrechts auf
schwebende Verfahren gebieten (vgl. insoweit bereits die Ausführungen des Senats in der bereits zitierten Entscheidung vom 11. Dezember 2008 - 2 AZR
472/08 - aaO).
2. Das Landesarbeitsgericht konnte auch ohne mündliche Verhandlung entscheiden. Da § 64 Abs. 7 ArbGG die Regelung des § 46 Abs. 2 Satz 2 ArbGG nicht
in Bezug nimmt, kann in einem Berufungsverfahren die Kammer des Landesarbeitsgerichts mit Zustimmung der Prozessparteien eine Entscheidung ohne
mündliche Verhandlung gem. § 128 Abs. 2 Satz 1 ZPO treffen (Germelmann in Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge ArbGG 6. Aufl. § 64 Rn. 129;
Hauck in Hauck/Helml ArbGG 3. Aufl. § 64 Rn. 13a; Schwab/Weth/Schwab ArbGG 2. Aufl. § 64 Rn. 236; GK-ArbGG/Vossen Stand Dezember 2005 § 64
Rn. 131).
Die Zustimmungserklärungen der Parteien lagen hier vor. Nachdem das Landesarbeitsgericht mit seinem Beschluss vom 16. April 2008 darauf hingewiesen
hatte, dass aufgrund der Änderung des § 5 Abs. 4 KSchG beabsichtigt sei, über die Beschwerde durch Urteil - der Kammer - zu befinden und zugleich um die
Mitteilung eines Einverständnisses, "im schriftlichen Verfahren gem. § 128 Abs. 2 ZPO" zu entscheiden, nachgesucht hatte, haben sowohl der Kläger mit
Schriftsatz vom 21. April 2008 als auch die Beklagte mit Schriftsatz vom 24. April 2008 ihr Einverständnis erklärt.
II. Das Landesarbeitsgericht durfte die Kündigungsschutzklage nicht nachträglich durch Urteil zulassen.
1. Das Landesarbeitsgericht durfte schon nicht offen lassen, ob und wann das Kündigungsschreiben der Beklagten dem Kläger überhaupt zugegangen ist. Einer
Entscheidung über den Hilfsantrag auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage bedarf es nur, wenn der Kläger die Klagefrist überhaupt versäumt
hat. Insoweit fehlt es an einer gerichtlichen Begründung und an tatsächlichen Feststellungen.
a) Voraussetzung für die Entscheidung über einen Hilfsantrag auf nachträgliche Zulassung einer Kündigungsschutzklage ist die Versäumung der Klagefrist. Der
Senat hatte bereits zur alten Fassung des § 5 KSchG, die ein zwingendes Vorabentscheidungsverfahren vorsah, entschieden, dass das Gericht nur über einen
nachträglichen Klagezulassungsantrag entscheiden kann, wenn nach seiner Auffassung die Klage verspätet erhoben worden ist (28. April 1983 - 2 AZR 438/81
- BAGE 42, 294; 5. April 1984 - 2 AZR 67/83 - BAGE 45, 298). Der Arbeitnehmer stelle nämlich den Antrag auf nachträgliche Klagezulassung grundsätzlich
nur - wie hier - hilfsweise für den Fall, dass die Kündigungsschutzklage tatsächlich verspätet beim Gericht erhoben worden ist (Senat 28. April 1983 - 2 AZR
438/81 - aaO; Stahlhacke/Vossen 9. Aufl. Rn. 1870; MünchKommBGB/Hergenröder 5. Aufl. § 5 KSchG Rn. 26; BBDK/Kriebel Stand Juli 2008 § 5 Rn. 162).
Daran hat die zum 1. April 2008 in Kraft getretene Neuregelung des § 5 KSchG nichts geändert. Sie verstärkt vielmehr durch einen Verzicht auf das früher
obligatorische Zwischenverfahren und die Einführung des sog. Verbundverfahrens als Regelfall (vgl. BT-Drucks. 16/7716 S. 14; Francken/Natter/Rieker NZA
2008, 377, 380) die bisherige Rechtslage. Auch bei einer ausnahmsweisen Vorabentscheidung durch Zwischenurteil muss das Gericht weiterhin Feststellungen
zur verspäteten Klageerhebung (ErfK/Kiel 9. Aufl. § 5 KSchG Rn. 29; KR/Friedrich 9. Aufl. § 5 KSchG Rn. 169c; BBDK/Kriebel § 5 Rn. 162) bzw. dazu
treffen, ob überhaupt eine dem Arbeitgeber zurechenbare schriftliche Kündigung vorliegt, ob und wann die Kündigungserklärung dem Arbeitnehmer
zugegangen und wann die Klage beim Arbeitsgericht eingegangen ist (HWK/Quecke 3. Aufl. § 5 KSchG Rn. 14). Über einen (Hilfs-) Antrag auf nachträgliche
Zulassung einer verspätet erhobenen Kündigungsschutzklage kann deshalb nur entschieden werden, wenn das Tatsachengericht zu der Ansicht gelangt ist, dem
Arbeitnehmer sei überhaupt eine Kündigungserklärung zugegangen (vgl. KR/Friedrich § 5 KSchG Rn. 200 mwN). Das Gericht darf deshalb nicht von einer
Prüfung der Voraussetzungen bzgl. der Einhaltung bzw. Versäumung der Klagefrist absehen (MünchKommBGB/Hergenröder § 5 KSchG Rn. 27; ErfK/Kiel §
5 KSchG Rn. 29). Für dieses Verständnis der Norm spricht neben deren Wortlaut, der die Verspätung der Klage zur Antragsvoraussetzung macht, auch der
Umstand, dass eine "Verfristung" für den Kündigungsschutzantrag präjudizielle Bindungswirkung hat (Senat 28. April 1983 - 2 AZR 438/81 - aaO; 5. April
1984 - 2 AZR 67/83 - aaO; MünchKommBGB/Hergenröder § 5 KSchG Rn. 27; APS/Ascheid/Hesse 3. Aufl. § 5 KSchG Rn. 129; Stahlhacke/Vossen Rn. 1871;
Schwab FA 2008, 135; aA: LAG Köln 30. Mai 2007 - 9 Ta 51/07 - NZA-RR 2007, 521; LAG Sachsen-Anhalt 22. Oktober 1997 - 5 Ta 229/97 - LAGE KSchG
§ 5 Nr. 92; DFL/Bröhl 2. Aufl. § 5 KSchG Rn. 14; HWK/Quecke § 5 KSchG Rn. 14 und 19; HaKo/Gallner 3. Aufl. § 5 Rn. 83). Hinzu kommen nach dem Sinn
und Zweck der gesetzlichen Neuregelung, nach der der Gesetzgeber eine Beschleunigung des Kündigungsrechtsstreits intendiert hat (vgl. hierzu BT-Drucks.
16/7716 S. 33 f.; Francken/Natter/Rieker NZA 2008, 377, 380), noch prozessökonomische Gründe. Entscheidet sich das Gericht abweichend vom Regelfall für
eine Entscheidung im sog. Zwischenverfahren, lässt es sich nicht rechtfertigen, einen Streit über eine nachträgliche Klagezulassung über drei Instanzen zu
führen, ohne dass dessen Basis, nämlich ob überhaupt die Klage verspätet erhoben wurde, geklärt ist. Ansonsten könnte das - isolierte - nachträgliche
Klagezulassungsverfahren ins Leere laufen, wenn bspw. nach einer späteren rechtskräftigen Zurückweisung des Antrags auf nachträgliche Klagezulassung nicht
nur im Einzelnen (erstmals) geprüft und festgestellt wird, dass die Klagefrist gar nicht versäumt wurde (vgl. MünchKommBGB/Hergenröder § 5 KSchG Rn.
30; APS/Ascheid/Hesse § 5 KSchG Rn. 129).
b) Die Beurteilung, ob der Kläger die Klagefrist versäumt hat, hängt hier davon ab, ob und wann das Kündigungsschreiben dem Kläger zugegangen ist. Ein
entsprechender Zugang des Kündigungsschreibens und eine daraus resultierende verspätete Erhebung der Kündigungsschutzklage wird deshalb das
Landesarbeitsgericht zunächst - ggf. durch eigene Ermittlungen - festzustellen haben.
2. Darüber hinaus kann aufgrund der bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ein nachträglicher Zulassungsgrund noch nicht angenommen werden.
a) Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 KSchG ist eine Kündigungsschutzklage nachträglich zuzulassen, wenn der Arbeitnehmer nach erfolgter Kündigung trotz Anwendung
aller ihm nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt verhindert war, die Klage rechtzeitig beim Arbeitsgericht zu erheben. Der Antrag auf nachträgliche
Klagezulassung muss die Angabe der die nachträgliche Klagezulassung begründenden Tatsachen und der Mittel für deren Glaubhaftmachung enthalten (§ 5
Abs. 2 Satz 2 KSchG).
b) Im Entscheidungsfall hat das Landesarbeitsgericht bisher keine ausreichenden, glaubhaft gemachten Tatsachen und Umstände festgestellt, die ein
Verschulden des Klägers an der Einhaltung einer rechtzeitigen Klageerhebung ausschließen.
aa) Gelangt ein Kündigungsschreiben in den Hausbriefkasten eines Arbeitnehmers, kann er als Empfänger dieser verkörperten Kündigungserklärung eine
nachträgliche Klagezulassung nicht allein darauf stützen, dieses Schreiben sei aus ungeklärten Gründen nicht zu seiner Kenntnis gelangt (KR/Friedrich 9. Aufl.
§ 5 KSchG Rn. 79; LAG Rheinland-Pfalz 23. Mai 2008 - 10 Ta 64/08 -). Der Inhaber eines Hausbriefkastens muss grundsätzlich dafür Sorge tragen und
Vorsorge treffen, dass er von für ihn bestimmte Sendungen Kenntnis nehmen kann. Dies entspricht den Gepflogenheiten des Verkehrs und wird von ihm
erwartet (KR/Friedrich § 5 KSchG Rn. 79; LAG Hamm 11. April 1974 - 8 Ta 28/74 - DB 1974, 1072; LAG Berlin 4. Januar 1982 - 9 Ta 5/81 - AP KSchG
1969 § 5 Nr. 3 = EzA KSchG § 5 Nr. 13; 4. November 2004 - 6 Ta 1733/04 - LAGE KSchG § 5 Nr. 109; LAG Rheinland-Pfalz 27. Juli 2005 - 2 Ta 148/05 -;
12. März 2007 - 11 Ta 217/06 -; 23. Mai 2008 - 10 Ta 64/08 -). Allerdings hat der Empfänger einer Kündigungserklärung nur die üblichen, für den Zugang von
Sendungen nötigen Vorkehrungen zu treffen (BGH 15. Juni 1994 - IV ZB 6/94 - NJW 1994, 2898). Allein eine Unaufklärbarkeit, ob und warum ein Schreiben
abhanden gekommen sein kann, indiziert nicht stets eine mangelnde Sorgfalt und eine verschuldete Fristversäumnis des Empfängers. Es ist nicht gesichert, dass
durch den Einwurf eines Schreibens in einen Hausbriefkasten eines Arbeitnehmers er stets von ihm Kenntnis hätte nehmen können (BGH 5. Oktober 2000 - X
ZB 13/00 - NJW-RR 2001, 571, 572). Solche Schreiben können auch bei einwandfreier Organisation des Empfangsbereichs - bspw. durch Fremdverschulden -
verloren gehen oder zerstört werden, ohne dass der Empfänger davon Kenntnis erhält. Deshalb und im Hinblick auf die Gewährleistung eines effektiven
Rechtsschutzes dürfen - auch wenn der Arbeitnehmer als Empfänger eines solchen Schreibens die Beweislast für eine unverschuldete Fristversäumnis trägt
(vgl. ErfK/Kiel 9. Aufl. § 5 KSchG Rn. 22; KR/Friedrich § 5 KSchG Rn. 112) - an die Darlegungslast des Antragstellers bei der nachträglichen Klagezulassung
zwar strenge (vgl. MünchKommBGB/Hergenröder 5. Aufl. § 5 KSchG Rn. 3 mwN), aber keine unzumutbaren Anforderungen gestellt werden. Allerdings wird
es regelmäßig zur Darlegung einer unverschuldeten Fristversäumnis nicht ausreichen, wenn sich ein Arbeitnehmer allein und pauschal darauf beruft, ein
Kündigungsschreiben sei weder von ihm noch von seiner Ehefrau oder seiner Tochter im Hausbriefkasten vorgefunden worden (LAG Rheinland-Pfalz 27. Juli
2005 - 2 Ta 148/05 -; KR/Friedrich § 5 KSchG Rn. 79). Vielmehr muss, da es nach der gesetzlichen Formulierung auf die Anwendung "aller" dem
Arbeitnehmer zuzumutenden Sorgfalt ankommt, grundsätzlich durch eine nähere Darstellung und Glaubhaftmachung auch ein naheliegender - und ggf.
verschuldeter - Verlust des Kündigungsschreibens in der Sphäre des Kündigungsempfängers ausgeschlossen werden. Zu einem entsprechendem Vortrag gehört
deshalb zumindest die Darlegung, wer von den in Betracht kommenden Personen im fraglichen Zeitraum den Briefkasten geleert hat, ob - und ggf. welche -
andere Postsendungen oder Reklame sich im Briefkasten befanden und wie mit diesen verfahren wurde. Dies gilt um so mehr, wenn der Arbeitnehmer mit der
Übermittlung und dem Zugang einer Kündigung rechnen musste. In einem solchen Fall kann von ihm ein gesteigertes Maß an Aufmerksamkeit, Sorgfalt und
eine entsprechende Darlegung der Umstände im Prozess erwartet werden.
bb) An einem solchen konkreten und glaubhaft gemachten Sachvortrag fehlt es hier. Der Kläger hat bisher nicht angegeben, wann und von wem an den Tagen
nach dem 14. Februar 2007 der Briefkasten geleert worden ist (vgl. zu diesem Aspekt LAG Rheinland-Pfalz 12. März 2007 - 11 Ta 217/06 -) und welche
Sendungen die Personen dem Briefkasten entnommen und wohin sie die Sendungen verbracht haben.
Das Landesarbeitsgericht wird diesen Aspekt, der nach seiner bisherigen Beurteilung konsequenterweise keine Rolle gespielt hat, näher aufklären müssen.
Dabei ist das Berufungsgericht durch die Regelung des § 5 Abs. 3 iVm. Abs. 2 Satz 2 KSchG an einer weiteren Sachaufklärung nicht gehindert. Zwar sind nach
Ablauf der Frist des § 5 Abs. 3 KSchG vorgebrachte Gründe und Mittel der Glaubhaftmachung nicht mehr zu berücksichtigen (vgl. KR/Friedrich 9. Aufl. § 5
KSchG Rn. 115 mwN). Das Landesarbeitsgericht hat aber verspätet vorgetragene Tatsachen und beigebrachte Mittel der Glaubhaftmachung zu beachten, wenn
sie nur einen fristgerecht geltend gemachten Grund ergänzen, vervollständigen oder konkretisieren und darüber hinaus - wie hier - eine Pflicht des Gerichts
nach § 139 ZPO bestanden hat, durch eine gerichtliche Nachfrage Unklarheiten oder Ungenauigkeiten zu beseitigen (KR/Friedrich § 5 KSchG Rn. 116 mwN;
MünchKommBGB/Hergenröder 5. Aufl. § 5 KSchG Rn. 15).
Durch diese notwendigen Darlegungen und Erläuterungen wird dem Kläger auch nicht die Wahrnehmung effektiven Rechtsschutzes erschwert. Er musste schon
nach seinem Vortrag aufgrund des Gesprächs mit dem Betriebsratsmitglied vom 14. Februar 2007 mit dem baldigen Zugang eines Kündigungsschreibens der
Beklagten rechnen. Ihm oblag deshalb ein gesteigertes Maß an Aufmerksamkeit. Dies gilt um so mehr, als die Beklagte zutreffend darauf hingewiesen hat, der
Kläger müsse auch ausschließen, dass das Kündigungsschreiben von ihm oder einer Angehörigen versehentlich entsorgt oder mit anderen Schreiben und
Postsendungen vermengt worden sei.
cc) Andere Besonderheiten, wie beispielsweise ein bewusstes Zurückhalten des Kündigungsschreibens durch ein Familienmitglied (vgl. LAG Hamm 11. April
1974 - 8 Ta 28/74 - DB 1974, 1072; LAG Berlin 4. Januar 1982 - 9 Ta 5/81 - AP KSchG 1969 § 5 Nr. 3 = EzA KSchG § 5 Nr. 13; LAG Rheinland-Pfalz 27.
Juli 2005 - 2 Ta 148/05 - und 12. März 2007 - 11 Ta 217/06 -; v. Hoyningen-Huene/Linck KSchG 14. Aufl. § 5 Rn. 13) oder eine vergessene Aushändigung des
Kündigungsschreibens durch ein Familienmitglied (vgl. insbesondere LAG Frankfurt am Main 15. November 1988 - 7 Ta 347/88 - LAGE KSchG § 5 Nr. 41),
sind vom Kläger nicht behauptet und glaubhaft gemacht worden. Ob solche möglichen Ausnahmeumstände im Allgemeinen, wie das Landesarbeitsgericht
meint, geeignet sein können, einen Verschuldensausschluss und eine unverschuldete Fristversäumnis annehmen zu können, kann deshalb dahingestellt bleiben. ..."
*** (LAG)
Verfahrensänderung zum Antrag auf nachträgliche Zulassung einer verspätet erhobenen Kündigungsschutzklage: Die mit Wirkung ab dem 1.4.2008 geänderte
Fassung von § 5 IV KSchG durch das Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26.3.2008 (BGBl I, S. 444) führt -
wegen Fehlens einer Übergangsregelung - nach den Grundsätzen des intertemporalen Prozessrechtes dazu, dass über eine Beschwerde, die vor dem 1.4.2008
eingelegt wurde, ab diesem Stichtag das LAG nunmehr durch Urteil zu entscheiden hat. Zur Begründetheit eines Zulassungsantrags, der darauf gestützt wird,
dass trotz bewiesenem Zugang der Kündigung (Möglichkeit der Kenntnisnahme i. S. von § 130 BGB) gleichwohl der Kündigungsempfänger tatsächlich keine
rechtzeitige Kenntnis von dem Schreiben erlangt hat (LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 07.05.2008 - 12 Sa 63/08, NZA-RR 2008, 431).
Mangels Überleitungsvorschrift ist nach den Grundsätzen des intertemporalen Prozessrechtes bei einem Antrag auf nachträgliche Zulassung das Prozessrecht in
der jeweils geltenden Fassung anzuwenden. Wird bei einem Beschluss nach § 5 KSchG das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde noch im zeitlichen
Geltungsbereich des alten Rechtes eingelegt, richtet sich Statthaftigkeit und sonstige Zulässigkeitsvoraussetzungen nach altem Recht. In der Sache selbst hat
das Landesarbeitsgericht nach den neuen Verfahrensvorschriften zu entscheiden. Der Beschluss des Arbeitsgerichts ist als Zwischenurteil über den Antrag auf
nachträgliche Zulassung zu bewerten. Das Verschulden eines Mitarbeiters einer Einzelgewerkschaft ist nicht über § 85 II ZPO zurechenbar, wenn die
Kündigungsschutzklage nicht rechtzeitig an die "DGB-Rechtsschutz GmbH" weitergeleitet wird (LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 07.05.2008 - 10 Sa 26/08).
Im Verfahren auf nachträgliche Zulassung einer Kündigungsschutzklage ist nicht zu klären, wann die Kündigung tatsächlich zugegangen ist. Gegenstand ist
allein die Prüfung, ob die - gegebenenfalls unterstellte - verspätete Klageerhebung vom Arbeitnehmer verschuldet ist oder nicht. Kündigt der Arbeitgeber einen
Arbeitnehmer, der während eines im Ausland verbrachten Erholungsurlaubs erkrankt, durch ein an die inländische Anschrift gerichtetes Schreiben, so ist dem
Arbeitnehmer, der auf Grund seiner Erkrankung erst nach Ablauf der Klagefrist zurückkehrt, jedenfalls dann nachträgliche Klagezulassung zu gewähren, wenn
er dem Arbeitgeber seine Faxanschrift und Postanschrift im Ausland mitgeteilt hatte und der Arbeitgeber ihm dennoch keine Mitteilung über die Kündigung im
Ausland hatte zukommen lassen (LAG Köln, Beschluss vom 30.05.2007 - 9 Ta 51/07).
Ein Grund für eine nachträgliche Zulassung einer Kündigungsschutzklage ist gegeben, wenn ein Arbeitnehmer die Klage zunächst deshalb falsch adressiert hat,
weil er die falsche Anschrift des Arbeitsgerichts dem örtlichen Stadt- und Brancheninfo „Gewusst wo", das die falsche Adresse enthielt, entnommen hat (LAG
Köln, Beschluss vom 12.04.2006 - 14 Ta 133/06).
Das Arbeitsgericht hat im Verfahren der nachträglichen Zulassung bei einer sofortigen Beschwerde durch Beschluss der Kammer, die nicht in derselben
Besetzung entscheiden muss, eine Abhilfeentscheidung zu treffen (LAG Köln, Beschluss vom 10.03.2006 - 3 Ta 47/06, NZA-RR 2006, 319).
Allein das Vorliegen eines Krankenhausaufenthalts rechtfertigt noch keine nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage. Es kommt vielmehr darauf an,
ob der Arbeitnehmer durch seine Krankheit objektiv daran gehindert war, eine Klage zu formulieren oder seine Rechte auf andere Weise wahrzunehmen (LAG
Köln, Beschluss vom 01.03.2006 - 3 Ta 23/06).
Beruft sich eine Klagepartei auf den Verlust eines Schriftsatzes zur Erhebung der Kündigungsschutzklage bei der Postbeförderung, so erfordert der Antrag auf
nachträgliche Klagezulassung die Darlegung, dass die Klageschrift bereits der Post übergeben worden sei; der Absendevorgang muss dabei lückenlos
dargestellt werden (LAG Nürnberg, Urteil vom 02.06.2003 - 5 Ta 78/03, NZA-RR 2003, 661).
Nach § 85 II ZPO werden nur solche Fehlleistungen eines Prozessbevollmächtigten oder seiner Hilfskräfte der Partei zugerechnet, die in der Zeit zwischen
Annahme des Mandats bis zu dessen Beendigung stattgefunden haben. Fehlleistungen einer um Rechtsschutz gebetenen Fachgewerkschaft sind nur dann nach §
85 II ZPO zuzurechnen, wenn diese ausdrücklich ein Mandat zur Prozessführung angenommen hat - oder wenn sie durch ausdrückliches Rechtsgeschäft mit
ihrem Mitglied die Funktion eines Bindegliedes zwischen diesem und dem, den Prozess führenden Prozessbevollmächtigten übernommen hat. Die im Rahmen
des Antrages auf Rechtsschutz üblicherweise stattfindende Beratung des Mitgliedes, die Sachverhaltsermittlung und Weitergabe der Unterlagen an die
Prozessbevollmächtigten reicht nicht für die Annahme eines Mandates der Fachgewerkschaft als "Verkehrsanwalt" aus. Maßgeblich für die Entscheidung über
eine nachträgliche Zulassung der verspäteten Kündigungsschutzklage sind bei Beratungsfehlern unterschiedlicher, für die Beratung geeigneten Institutionen nur
diejenigen, die die entscheidende Ursache für die Versäumung der Klagefrist gesetzt haben (LAG Bremen, Urteil vom 26.05.2003 - 2 Ta 4/03, NZA 2004, 228).
Ist durch eine (verspätete) Erhebung der Kündigungsschutzklage hingegen ein Prozessrechtsverhältnis begründet, muss sich der Arbeitnehmer die
anschließende schuldhafteVersäumung der zweiwöchigen Frist für den Antrag auf nachträgliche Zulassung durch seinen Prozessbevollmächtigten zurechnen
lassen. § 85 II ZPO findet in diesem Fall Anwendung, weil er sich bei der Frist des § 5 III auch um eine prozessuale Frist handelt (LAG Niedersachsen, Urteil
vom 28.01.2003 - 5 Ta 507/02, NZA-RR 2004, 17).
Eine Erkrankung nach Zugang der Kündigung führt nur dann zu einer nachträglichen Zulassung der verspätet erhobenen Kündigungsschutzklage, wenn sie den
Arbeitnehmer tatsächlich an der rechtzeitigen Klageerhebung gehindert hat. Solange Krankheitsverlauf oder Behandlungsmethode nicht entgegenstehen, besteht
kein durchschlagender Grund, den Krankenhauspatienten von der Anforderung freizustellen, sich nötigenfalls telefonisch beraten zu lassen (LAG Düsseldorf,
Urteil vom 19.09.2002 - 15 Ta 343/02, NZA-RR 2003, 78).
Auch nach der zum 1. 1. 2002 in Kraft getretenen Änderung des Beschwerderechts (§§ 567 ff. ZPO nF; § 78 ArbGG nF) ist die Rechtsbeschwerde gegen eine
Entscheidung des Landesarbeitsgerichts im Verfahren der nachträglichen Zulassung einer Kündigungsschutzklage nach § 5 KSchG nicht statthaft (BAG, Urteil
vom 20.08.2002 - 2 AZB 16/02, NJW 2002, 3650).
Ein gewerkschaftlich vertretener Arbeitnehmer muss sich bei verspäteter Klageerhebung ein Verschulden seiner Einzel- bzw. Fachgewerkschaft im Rahmen des
§ 5 I KSchG nach § 85 II ZPO zurechnen lassen - auch wenn nur der DGB-Rechtsschutz GmbH Prozessmandat erteiltwurde (LAG Düsseldorf, Urteil vom
30.07.2002 - 15 Ta 282/02, NZA-RR 2003, 80).
Grundsätzlich ist ein Richter am Landgericht nicht als zuverlässige Stelle für die Erteilung von Auskünften in arbeitsrechtlichen Fragen anzusehen (LAG
Düsseldorf, Urteil vom 25.07.2002 -15 Ta 306/02, NZA 2003, 286 L).
Eine Kündigungsschutzklage ist nachträglich zuzulassen, wenn ein Nichtkündigungsberechtigter auf die Frage des Arbeitnehmers, ob es zutreffend sei, dass
"interne Rationalisierungsarbeiten" Gründe für die Kündigung darstellen, die "Schulter zuckt", und dadurch der Arbeitnehmer veranlasst wird, keine Klage
einzureichen (LAG Saarland, Urteil vom 27.06.2002 - 2 Ta 22/02,NZA-RR 2002, 488).
Geht eine Kündigung einem Arbeitnehmer im Ausland zu und kehrt dieser erst nach Ablauf der Frist des § 5 KSchG nach Deutschland zurück und erhebt dann
unverzüglich Kündigungsschutzklage, so ist die Dreiwochenfrist nicht gewahrt. Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, sich der neuen Kommunikationsmittel wie
Telefon, Telefax etc. auch im Ausland zu bedienen, um eine Kündigungsschutzklage einzureichen oder einen Dritten in der Bundesrepublik Deutschland mit
der Einreichung der Klage zu beauftragen. Für einen bei einem deutschen Arbeitgeber angestellten Arbeitnehmer, der in einem süd-osteuropäischen Land (hier:
Rumänien) eine fristlose Kündigung erhält, ist die deutsche Botschaft in diesem Land eine "zuverlässige Stelle", bei der sich der Arbeitnehmer Rechtsrat bzgl.
der Einlegung einer Kündigungsschutzklage holen kann. Gibt der Mitarbeiter der deutschen Botschaft die Auskunft, eine Kündigungsschutzklage müsse
innerhalb von vier Wochen nach Zugang erhoben werden, so trifft den Arbeitnehmer an der Versäumung der Dreiwochenfrist kein Verschulden, wenn er die
Klage innerhalb der vierwöchigen, aber nach Ablauf der Dreiwochenfrist erhebt. Dies gilt auch dann, wenn der Botschaftsmitarbeiter im Übrigen erklärt, er sei
für das Anliegen des in Deutschland arbeitenden Arbeitnehmers nicht zuständig, da dieser US-Amerikaner ist (LAG Bremen, Urteil vom 31.10.2001 - 4 Ta
76/01, NZA 2002, 580).
Kündigungsschutzklage gegen die "Regierung von U.", die als Vertretungsbehörde die Kündigung ausgesprochen hat, gerichtet, ist die Klage zu berichtigen.
Ein Parteiwechsel findet nicht statt (LAG Nürnberg, Urteil vom 08.10.2001 - 7 Ta 163/01, NZA-RR 2002, 212).
Legt der Prozessvertreter das Mandat nieder, weil die Vergütung nicht gesichert ist, handelt es sich um Parteiverschulden, wenn hierdurch die
Kündigungsschutzklage zu spät eingereicht wird (LAG Köln, Urteil vom 03.05.2001 - 2 Ta 1/01, NZA-RR 2002, 438).
Hat das ArbG über einen Antrag auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage nichtentschieden, weil es nach seinem Rechtsstandpunkt darauf nicht
ankam, ist das Urteil beigegenteiliger Auffassung des Berufungsgerichts aufzuheben und die Sache zur Entscheidung über den Zulassungsantrag an das ArbG
zurückzuverweisen (LAG Köln, Urteil vom 19.10.2000 - 10 Sa 342/00, MDR 2001, 517).
Die Aufgabe eines Briefes in Taschkent/Usbekistan an den Rechtsanwalt des Arbeitnehmers in Deutschland mit dem Auftrag, gegen eine am Vortag
zugegangene Kündigung Klage zu erheben, genügt - ausgehend von einer normalen Postlaufzeit von 7 Tagen - den Sorgfaltsanforderungen des § 5 KSchG.
Eine Erkundigungspflicht beim Rechtsanwalt bestandjedenfalls im Jahr 1999 mangels Zweifel an der Zuverlässigkeit der Postbeförderung nicht (LAGHessen,
Urteil vom 24.05.2000 - 2 Ta 74/00, BB 2001, 1907 L).
Eine Kündigungsschutzklage ist nicht nachträglich zuzulassen, weil der Arbeitnehmer die Notwendigkeit einer fristgebundenen Klage insbesondere wegen
eines Vorbehalts des Arbeitgebers verkannt hat, die Kündigung unter bestimmten Bedingungen zurückzunehmen, woraufhin sich der Arbeitnehmer um deren
Erfüllung bemüht (LAG Köln, Urteil vom26.11.1999 - 11 Ta 348/99, MDR 2000, 589).
Ein unverschuldeter Rechtsirrtum des gekündigten Arbeitnehmers über den Beginn der Dreiwochenfrist des § 4 KSchG rechtfertigt die nachträgliche Zulassung
der Kündigungsschutzklage gem. § 5 I KSchG. Unverschuldet ist der Rechtsirrtum nur dann, wenn aus Laiensicht eine abweichende Bewertung der Rechtslage
ernsthaft nicht in Betracht kam undes deshalb vernünftigerweise auch nicht notwendig erschien, einen rechtskundigen Dritte um Rat zu fragen. Ob die rechtlich
falsche Einschätzung des Beginns der Dreiwochenfrist durch einen gekündigten Arbeitnehmer grundsätzlich unverschuldet ist, wenn sie auf der Meinung eines
zuvor konsultierten Rechtskundigen (Rechtsanwalt, Rechtssekretär einer Gewerkschaft)beruht, kann hier offen bleiben (LAG Sachsen-Anhalt, Urteil vom
22.06.1999 - 3 Ta 64/99, NZA 2000, 377 L).
Die Erkrankung eines Arbeitnehmers rechtfertigt nicht ohne weiteres die nachträgliche Zulassung einer Kündigungsschutzklage (LAG Berlin, Urteil vom
14.04.1999 - 9 Ta 498/99,NZA-RR 1999, 437).
Die nachträgliche Zulassung einer Kündigungsschutzklage ist gerechtfertigt, wenn die Klagefrist aufgrund einer falschen Auskunft des Personalrats versäumt
wurde(LAG Sachsen, Urteil vom27.07.1998 - 6 Ta 273/97, NZA-RR 1999, 266).
Rechtsschutzversicherungen obliegt nicht die Rechtsberatung ihrer Versicherten. Ein Arbeitnehmer kann daher bei Anwendung der zuzumutenden Sorgfalt
nicht darauf vertrauen, dass Vertreter oder Angestellte der Rechtsschutzversicherung ihn von sich aus über die Dreiwochenfrist des § 4 KSchG belehren. (Die
mangelnde Kenntnis von der Dreiwochenfrist rechtfertigt nicht die nachträgliche Zulassung einer Kündigungsschutzklage (LAG Sachsen,Urteil vom
23.07.1998 - 9 Ta 193/98, NZA 1999, 112 L).
Die erst durch eine Klagerücknahme eintretende Fristversäumnis ist nicht unverschuldet i.S.des § 5 I KSchG. Die Fahrlässigkeit seines Prozeßbevollmächtigten
muß sich der Arbeitnehmer nach § 85 II ZPO zurechnen lassen (LAG Köln, Urteil vom 10.07.1998 - 6 Ta 150/98, NZA-RR1998, 561).
Im Verfahren wegen nachträglicher Zulassung der Kündigungsschutzklage nach § 5 KschG muss der Arbeitnehmer sich das Verschulden seines
Prozessbevollmächtigten wie eigenes Verschulden zurechnen lassen. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob es sich um eine Prozesshandlung innerhalb
eines bereits anhängigen Verfahrens oder um die Einleitung eben dieses Verfahrens handelt. Ein Rechtsanwalt handelt nachlässig, wenn er einer
Anwaltsgehilfin die Überprüfung überlässt festzustellen, ob zwei Schriftstücke, denselben Arbeitnehmer betreffend, jeweils als selbständige Kündigungen oder
als eine Kündigung zu bewerten sind, wenn von der Prüfung der Entscheidung abhängig ist, ob und wogegen fristgebundene Klagen erhoben werden sollen; das
gilt zumindest dann, wenn dieselbe Anwaltsgehilfin erst sechs Monate zuvor durch eine gleichartige Fehlentscheidung die Verfristung einer anderen
Kündigungsschutzklage verursacht hat. Beruht die Verspätung der Klageerhebung darauf, dass der vom Arbeitnehmer bei der Klageerhebung eingeschaltete
Betriebsrat nicht sorgfältig gearbeitet hat, so ist der Antrag auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage deshalb zurückzuweisen, weil es sich als
äußerst leichfertiges Verhalten eines Arbeitnehmers darstellt, den für die Durchsetzung von Individualinteressen nicht zuständigen Betriebsrat mit der
Veranlassung der Klageerhebung zu beauftragen(LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom16.04.1998 - 4 Ta 188/97, AnwBl 1998, 664).
Prüfungsgegenstand des Verfahrens über die nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage ist nur die Frage des Verschuldens; die Verspätung der Klage
sowie sonstige Vorfragen sind vorab im Hauptverfahren zu prüfen und - gleichsam in der" Zwischenablage" - festzustellen (LAG Sachsen-Anhalt, Urteil vom
22.10.1997 - 5 Ta 229/97,NZA 1999, 614).
Die Büroangestellte eines Rechtsanwalts ist keine "zuverlässige Stelle", bei der der Arbeitnehmer darauf vertrauen darf, daß er verläßlich beraten wird. Hat ein
Arbeitnehmer, der die Klagefrist nicht kennt, innerhalb dieser Frist mit einer Angestellten eines Rechtsanwaltsbüros einen Besprechungstermin vereinbart, der
außerhalb der Klagefrist liegt, rechtfertigt dies die nachträgliche Klagezulassung nicht. Dies gilt auch dann, wenn die Angestellte bei dem Arbeitnehmer durch
gezielte Fragen - etwa nach dem Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung - den Eindruck erweckt hat, sie sei sachkundig (LAG Düsseldorf, Urteilvom 21.10.1997
- 1 Ta 321/97, NZA 1998, 728 L).
Beruht der verspätete Eingang einer Kündigungsschutzklage auf einem dem Büropersonal des klägerischen Prozessbevollmächtigten zuzurechnenden Versehen
("Zahlendreher" bei der Postleitzahl), so ist mangels Verschuldens der Partei oder ihres Prozessbevollmächtigten die Klage nachträglich zuzulassen (LAG Köln,
Urteil vom 21.04.1997 - 5 Ta 76/97, NZA-RR 1998,13).
Zumutbare Sorgfalt macht es erforderlich, die Kündigungsschutzklage auch noch vor demvermutlich frühesten Termin des Fristablaufs einzureichen, wenn
zwischen der Rückkehr von einer Urlaubsreise (Kenntnis vom Kündigungsschreiben) und diesem Tag mindestens eineWoche als Überlegungsfrist bleibt (LAG
Köln, Urteil vom 17.04.1997 - 10 Ta 57/97, NZA-RR1998, 14).
Die Zweiwochenfrist des § 5 III ArbGG beginnt nicht nur bei positiver Kenntnis des Arbeitnehmers von der Verspätung der Frist des § 4 KSchG zu laufen,
sondern bereits dann, wenn er bei zumutbarer Sorgfalt Kenntnis von ihr hätte erlangen können. Dabei muß sich der Arbeitnehmer etwaige Versäumnisse seines
Anwalts nach § 85 II ZPO entgegenhalten lassen (LAG Hamm, Urteil vom 04.11.1996 - 12 Ta 105/96, NZA-RR 1997, 209).
Zur Berücksichtigung des Anspruchs auf ein faires Verfahren im Rahmen der Entscheidungüber einen Antrag auf nachträgliche Zulassung einer
Kündigungsschutzklage gem. § 5 KSchG (Fortführung von BVerfG, NJW 1995, 3173 ff.), wenn die Klage versehentlich an ein unzuständiges Gericht
adressiert ist und von diesem verzögert an das (zuständige) ArbG weitergeleitet wird (LAG Hessen, Urteil vom 01.10.1996 - 15 Ta 279/96, NZA-RR 1997,
211).
Auch dem von einem Rechtsanwalt verfassten Antrag auf nachträgliche Zulassung einer Kündigungsschutzklage kann bei fehlender ausdrücklicher
Hervorhebung in der Regel stillschweigend entnommen werden, es sollten die die Zulassung begründenden Tatsachen, soweit sie im Wissen des gekündigten
Arbeitnehmers stehen, durch eidesstattliche Versicherung des letzteren glaubhaft gemacht werden. Ein solcher Antrag ist darum auch ohne förmliche Angabe
dieses Mittels jedenfalls dann nicht unzulässig im Sinne des § 5 II 2 Halbs. 2 KSchG, wenn der Arbeitgeber die betreffenden Tatsachen nicht bestreitet
(Fortführung von LAG Hamm, Beschluß vom 19.6.1986, LAGE Nr. 23 zu § 5 KSchG), (LAG Hamm, Urteil vom 18.04.1996- 5 Ta 285/95, NZA-RR 1996,
454 L).
Art. 103 I GG gebietet es, die verspätete Kündigungsschutzklage des bei Kündigungszugang ortsabwesenden Arbeitnehmers, der seine ständige Wohnung nur
vorübergehend - für regelmäßig nicht länger als 6 Wochen - nicht benutzt hat und vom Kündigungszugang erst nach Rückkehr erfährt, auch dann nachträglich
zuzulassen, wenn der Arbeitnehmer Anlass hatte, mitdem Zugang einer Kündigung während seiner Ortsabwesenheit zu rechnen und gleichwohl keine
besonderen Vorkehrungen für eine rechtzeitige Klageerhebung getroffen hat (Anlehnung an die Rechtsprechung des BVerfG; zuletzt BVerfG, NJW 1976,
1537; LAG Hamm, Urteil vom28.03.1996 - 5 Ta 161/95, NZA-RR 1996, 454 L).
Über einen in der Berufungsinstanz erstmals gestellten Antrag des Arbeitnehmers auf nachträgliche Zulassung einer Kündigungsschutzklage hat in jedem Fall
zunächst das Arbeitsgericht zu entscheiden. Das Landesarbeitsgericht hat dementsprechend das bisherige erstinstanzliche (abweisende) Urteil aufzuheben und
den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht zurück zu verweisen (LAG Brandenburg, Urteil vom 13.03.1996 - 7 Sa 461/95, NZA-RR 1997,212).
Eine weitergehende Sorgfalt zur Vorsorge eines ständigen Zugangs einer schriftlichen Kündigungserklärung könnte rückschauend nur dann als zumutbar
angesehen werden, wenn der Arbeitnehmer durch sonstiges Verschulden die rechtzeitige Kenntnisnahme und Klageerhebung behindert oder gar den Zugang der
Kündigung vorsätzlich gehindert hätte. Der Umstand allein, dass die alsbaldige Kündigung nicht auszuschließen war und der Arbeitnehmer gleichwohl ohne
Zurücklassung einer Urlaubsanschrift und ohne regelmäßige Kontrollmöglichkeit für Posteingänge für 5 Wochen einen Bootsurlaub auf der Nordsee verbringt,
enthält keine Verstoß gegen zumutbare Sorgfaltspflicht, wenn der Arbeitgeber die Urlaubspläne konnte und erkennbar keine Veranlassung bestand, die
Kündigung bereits mehr als 3 Wochen vor der Rückkehr des Arbeitnehmers auszusprechen (LAG Köln, Urteil vom 04.03.1996 - 10 Ta 322/95, NZA-RR1996, 455).
Auch wenn die anwaltlich verfasste Kündigungsschutzklage nicht unterzeichnet worden ist, genügt für die Zulässigkeit des Antrags auf nachträgliche Zulassung
i. S. des § 5 II 1, 2. Halbs. KSchG die Bezugnahme auf die betreffende Klageschrift (LAG Hamm, Urteil vom 21.12.1995- 5 Ta 602/94, NZA-RR 1996, 388).
Der Konkursverwalter ist nicht verpflichtet, noch von der Gemeinschuldnerin gekündigteArbeitnehmer auf die Eröffnung des Konkursverfahrens hinzuweisen,
wenn den Arbeitnehmern die Stellung des Konkursantrags bekannt ist (LAG Düsseldorf, Urteil vom 20.11.1995 - 1 Ta291/95 , WiB 1996, 353).
Über den Antrag auf nachträgliche Zulassung einer verspäteten Kündigungsschutzklage hat stets zunächst das Arbeitsgericht zu entscheiden; das
Landesarbeitsgericht kann im Zulassungsverfahren ausschließlich als Beschwerdeinstanz tätig werden (LAG Nürnberg, Urteil vom 19.09.1995 - 2 Sa 203/95 ,
NZA 1996, 503).
Ein ausländischer Arbeitnehmer, dem in der Strafhaft die Kündigung seines Arbeitsverhältnisses zugeht und der daraufhin zu seinem Sozialbetreuer geht und
diesen fragt, was er gegen die Kündigung machen könne und zur Antwort erhält, da am Entlassungstag die Kündigungsfrist noch laufe, könne er dann etwas
gegen die Kündigung unternehmen - obwohl der Entlassungstag mehr als drei Wochen nach dem Zugang der Kündigung liegt - hat die3-Wochenfrist
unverschuldet versäumt. Seine Kündigungsschutzklage ist nachträglich zuzulassen, wenn er dies innerhalb von 14 Tagen, nachdem er von der Frist erfahren hat,
untergleichzeitiger Erhebung der Klage beantragt (LAG Bremen, Urteil vom 13.06.1994 - 4 Ta32/94, NZA 1994, 1104).
Soll arglistige Täuschung über den Kündigungsgrund die nachträgliche Zulassung einerKündigungsschutzklage rechtfertigen (angeblich: Betriebsstilllegung,
tatsächlich geplant und durchgeführt: Betriebsveräußerung), so ist - vorausgesetzt der Arbeitgeber ist nicht persönlichtätig geworden - mindestens die
Darlegung und Glaubhaftmachung erforderlich, der Arbeitgeberhabe die Täuschung gekannt oder kennen müssen (vgl. § 123 II BGB) oder der auskunftgebende
"Mitarbeiter" gehöre zum Kreis der Kündigungsberechtigten i. S. von § 626II BGB (LAG Köln, Urteil vom 24.05.1994 - 13 Ta 72/94, NZA 1995, 127).
Wird die Kündigungsschutzklage zurückgenommen und nach Ablauf der drei-Wochen-Frist neu erhoben, so ist der Antrag auf nachträgliche Zulassung der
zweiten Klage zurückzuweisen. Dies gilt auch dann, wenn das Gericht im ersten Kündigungsschutzverfahren übersehen hat, daß die klagerücknehmende Partei
durch einen nicht im Termin anwesenden Prozessbevollmächtigtenvertreten war, und die Klagerücknahme auf richterlichen Rat erfolgte (LAG
Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 09.12.1993 - 2 Ta 83/93, AuA 1994, 121).
Die Klagefrist ist schuldhaft versäumt, wenn die rechtskundig vertretene Partei am letzten Tag der Frist per Telefax unter Benutzung eines gerichtsfremden
Telefaxempfangsanschlusses die Klage einreicht, die Inhaberin des Anschlusses (hier: die Staatsanwaltschaft) die Klage jedoch erst später weiterleitet. Es
entlastet die Partei nicht, wenn in der Vergangenheit entsprechendefristgebundene Prozessschriften rechtzeitig weitergeleitet wurden (LAG Nürnberg, Urteil
vom23.07.1993 - 7 Ta 23/93, NZA 1994, 334).
Wird eine Kündigungsschutzklage erst im zweiten Rechtszug im Wege des Parteiwechsels gegen die richtige Partei gerichtet, so ist der Antrag auf
nachträgliche Klagezulassung vor dem LAG anhängig zu machen (LAG Hamm, Urteil vom 15.07.1993 - 8 Ta 440/92, NZA 1993,288).
Im Antrag auf die nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage müssen auch die Tatsachen für die Wahrung der Antragsfrist von zwei Wochen
glaubhaft gemacht werden (LAG Hessen, Urteil vom 08.11.1991 - 15 Ta 327/91, NZA 1992, 619 L).
Die Arbeitsämter sind für Arbeitnehmer erkennbar keine zuständigen oder geeigneten Stellen zur Erteilung von Rechtsauskünften zu der Frage, ob und wie ein
Arbeitnehmer gegen eineKündigung seines Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber rechtlich vorgehen kann (LAG Düsseldorf, Urteil vom 25.04.1991 - 1
Ta 97/91 , NZA 1992, 44).
Eine nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage scheidet i. d. R. wegen Verschulden der Fristversäumung aus, wenn die Klage von einem
Rechtsanwalt statt gem. Art. 56 VIIIZA-NTS gegen die Bundesrepublik Deutschland gegen eine US-Dienststelle erhoben worden ist. Dies gilt auch dann, wenn
das ArbG den Rechtsanwalt nicht rechtzeitig gem. § 139 ZPO auf die fehlerhafte Klageerhebung hingewiesen hat (LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom
27.04.1990- 9 Ta 65/90 , NZA 1991, 613).
Wird der Antrag auf nachträgliche Zulassung nach Verkündung des erstinstanzlichen Urteils in der Berufungsinstanz gestellt, ist das Berufungsverfahren
zunächst auszusetzen, damit das selbständige Verfahren über die nachträgliche Zulassung in zwei Instanzen nachgeholt werden kann. Im Fall der Aussetzung
des Berufungsverfahrens in der Hauptsache ist im Verfahren auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage vorab zu prüfen, ob die
Kündigungsschutzklage überhaupt verspätet erhoben worden ist. Dabei ist das erstinstanzliche Gericht an seine Feststellung im Urteil in der Hauptsache nach §
322 ZPO gebunden. Die Beschwerdekammer kann im Verfahren über die nachträgliche Zulassung während der Aussetzung des Berufungsverfahrens in der
Hauptsache mit bindender Wirkung für die Berufungskammer im Hauptverfahren entsprechend § 322 ZPO feststellen, daß die Klagefrist von drei Wochen nach
§ 4 KSchG für die Kündigungsschutzklage doch gewahrt ist (LAG Hamm, Urteil vom 16.11.1989 - 17 Sa 109/89, NZA 1990, 310 L).
Der "vorsorglich' gestellte Antrag auf nachträgliche Klagezulassung bedarf jedenfalls dann der vorrangigen Bescheidung, wenn aus tatsächlichen oder
rechtlichen Gründen die Möglichkeit der Versäumung der Frist zur Erhebung der Kündigungsschutzklage nicht auszuschließen ist. Bei dem Antrag handelt es
sich um keinen Hilfsantrag für den Fall, daß das Gericht die Klage für verspätet hält (LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 04.04.1989 - 8 Ta 4/89, NZA 1989,
823L).
Im Fall der unrichtigen Bezeichnung des Arbeitgebers bedarf es keiner nachträglichen Zulassung; vielmehr ist das Rubrum zu berichtigen, wenn für die
Beteiligten bei objektiver Würdigung des Erklärungsinhaltes der in der Klageschrift gewählten Parteibezeichnung von Anfang an klar war, wer verklagt werden
sollte (LAG Köln, Urteil vom 10.10.1988 - 5 Ta202/88, NZA 1989, 281).
Stellt sich erst in zweiter Instanz heraus, daß über den Antrag auf nachträgliche Zulassung einerKündigungsschutzklage entschieden werden muß, hat das LAG
den Rechtsstreit gem. § 148 ZPO auszusetzen. Über den Zulassungsantrag hat zunächst das ArbG zu entscheiden; das LAG ist nur Beschwerdeinstanz (LAG
Berlin, Urteil vom 23.08.1988 - 3 Sa 43/88, NZA 1989, 281 L).
Wenn nach Ablauf der Zweiwochenfrist vom Kläger der Schwerpunkt des Vorbringens nachträglich anders gesetzt wird und in diesem Rahmen ergänzende
Tatsachen vorgebrachtwerden, ist nachträgliche Klagezulassung geboten. Bei der Abgrenzung zwischen ergänzendemund neuem Vorbringen ist nicht zu
kleinlich und zu engherzig vorzugehen (LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 11.04.1988 - 10 Ta 11/80, NZA 1989, 153).
Im Rahmen der anwaltlichen Sorgfaltspflicht ist der Anwalt allein aufgrund des Kündigungsdatums nicht verpflichtet, Recherchen darüber anzustellen, ob,
wann und wem ein Kündigungsschreiben im Ausland (hier in der Türkei) zugegangen ist (LAG Köln, Urteil vom24.03.1988 - 8 Ta 48/88, NJW 1988, 1870).
Wird der Inhalt eidesstattlicher Versicherungen nach Ablauf der 14-Tagesfrist des § 5 KSchG lediglich konkretisiert, muß der entsprechende Vortrag noch
berücksichtigt werden. Dies gilt auch für eine erst in der Beschwerdeinstanz vorgelegte, den Sachverhalt konkretisierendeeidesstattliche Versicherung. Ein
Arbeitnehmer genügt seiner Sorgfaltspflicht i. S. des § 5KSchG, wenn er nach seiner Rückkehr den Empfangsboten nach dem Tag des Zugangs des
Kündigungsschreibens befragt. Er darf sich auf die nach dessen Erinnerung gemachten Angabenverlassen und muß keine weiteren Nachforschungen anstellen
(LAG Bremen, Urteil vom17.02.1988 - 3 Ta 79/87, NZA 1988, 548 L).
Der Antrag auf nachträgliche Klagezulassung kann nach Ablauf der sechsmonatigen Ausschlussfrist des § 5 Abs. 3 S. 2 KSchG nicht mit der Begründung
nachgeholt werden, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer arglistig von der Erhebung der Kündigungsschutzklage abgehalten habe (LAG Hamm, Urteil vom
29.10.1987 - 8 Ta 106/87, MDR 1988, 171).
Das Verfahren über die nachträgliche Zulassung einer Kündigungsschutzklage erstreckt sich nurdarauf, ob die Verspätung der Klageerhebung vom
Arbeitnehmer verschuldet ist, nicht jedoch z.B. auf die Vorfrage, wann die Kündigung dem Arbeitnehmer zugegangen ist (LAG Berlin, Urteil vom 19.01.1987 -
9 Ta 14/86, NZA 1988, 260).
Zu der üblichen Sorgfaltspflicht des Prozessbevollmächtigten bei Kündigungsschutzklagengehört es mit Rücksicht auf Sinn und Zweck der §§ 4 und 5 KSchG,
daß er sich innerhalbangemessener Frist nach Übersendung der Klageschrift an das Gericht (hier: 4 bis 5 Wochen) davon überzeugt, ob die Klageschrift bei
Gericht eingegangen ist (LAG Köln, Urteil vom 27.02.1986 - 8 Ta 16/86, NZA 1986, 441).
Ein Krankenhaus- oder Klinikaufenthalt genügt für sich genommen nicht zur Inanspruchnahme der nachträglichen Klagezulassung. Es kommt vielmehr darauf
an, ob der Arbeitnehmerobjektiv gehindert war, seine Rechte wahrzunehmen, sei es durch Beauftragung dritter Personenoder Übersendung einer selbst
formulierten Klage nach eventuell erforderlichen Einholung von telefonischer oder schriftlicher Auskunft über einschlägige Form- und Fristbestimmungen
(LAG Hamm, Urteil vom 12.09.1985 - 8 Ta 235/85 , NZA 1985, 739).
Wird dem Prozessbevollmächtigten von seinem Mandanten, mit dem wegen Sprachschwierigkeiten Verständigungsprobleme bestehen, ein mehr als 1 Monat
altes Kündigungsschreiben vorgelegt, so ist er gehalten, vorsorglich den Antrag auf nachträgliche Klagezulassung mit der Erhebung der Kündigungsschutzklage
zu verbinden (LAG Düsseldorf, Urteil vom 21.03.1985 - 1 Ta 75/85, NZA 1986, 404).
Eine Erkrankung allein rechtfertigt die nachträgliche Zulassung einer Kündigungsschutzklage nicht, so lange sie nicht die Entscheidungsfähigkeit des
Arbeitnehmers beeinträchtigt und die Anrufung des Arbeitsgerichts nicht auf irgendeine Weise sichergestellt werden kann. Ein ausländischer Arbeitnehmer, der
die deutsche Sprache nicht beherrscht, ist zur Vermeidung von Rechtsnachteilen verpflichtet, sich alsbald Kenntnis vom Inhalt eines Schreibens seines
Arbeitgeber zu verschaffen. Kommt er dieser Pflicht nicht nach, kann er sich im Fall einerKündigung nicht darauf berufen, daß er die Klagefrist ohne sein
Verschulden versäumt habe (LAG Hamburg, Urteil vom 20.11.1984 - 1 Ta 12/84, NZA 1985, 127).
Kennt ein Arbeitnehmer die Klagefrist des § 4 nicht, ist seine Kündigungsschutzklage nachträglich zuzulassen, wenn er eine zur Rechtsauskunft geeignete und
zuverlässige Stelle, z.B. einem Rechtsanwalt, die Rechtsberatungsstelle einer Gewerkschaft oder die Rechtsantragsstelle eines Arbeitgebers um Auskunft
ersucht und dort eine falsche Rechtsberatung erfahren hat. Der Bundesrichter oder Vorsitzende ist schlechthin keine geeignete und zuverlässige Stelle in diesem
Sinn (LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 10.09.1984 - 1 Ta197/84, NZA 1985, 430).
Der Antrag auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage ist stets ein Hilfsantrag für den Fall, daß die Klage verspätet ist. Nur wenn das Gericht die
Klage für verspätet hält, darf es über den Antrag entscheiden. Das Verfahren über den Antrag auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage dient
allein der Klärung der Frage, ob die verspätete Klageerhebung verschuldet ist. Daraus ergibt sich, daß allein die Feststellungen über die Verspätung und das
Verschulden im Beschluss über die nachträgliche Zulassung der inneren Rechtskraft fähig sind, nicht aber andere Vorfragen (BAG, Urteil vom 05.04.1984 - 2
AZR 67/83, NZA 1984, 123).
Die Schuldlosigkeit an der Fristversäumnis muß binnen der zweiwöchigen Antragsfrist des § 5 III 1 KSchG "nach allen Richtungen hin schlüssig' dargetan
werden (LAG Frankfurt, Urteil vom22.12.1983 - 12 Ta 256/83, NZA 1984, 40).
Gibt der Arbeitnehmer seinem Arbeitgeber mangels ausreichender postalischer Versorgung seines marokkanischen Heimatorts bei Urlaubsantritt eine Anschrift
in einem rund 30 km entfernten Ort an, so muß er - jedenfalls bei der krankheitsbedingten Verlängerung seines Aufenthalts - für verpflichtet erachtet werden,
sich um die dort eingehende Post zu kümmern (LAG Hamm, Urteil vom 29.09.1983 - 8 Ta 288/83, MDR 1984, 173).
Da der Beschluss nach § 5 der formellen Rechtskraft fähig ist und hinsichtlich der Feststellung, dass die Klage verspätet ist, Präjudizwirkung für den zweiten
Abschnitt des Kündigungsschutzprozesses hat, tritt entsprechend § 322 ZPO aufgrund der inneren Rechtskraft des Beschlusses und wegen seiner
Unanfechtbarkeit (§ 548 ZPO) insoweit auch eine Bindungswirkung für das Revisionsgericht ein. Die Berufungskammer des Landesarbeitsgerichts ist im
Kündigungsschutzprozess in entsprechender Anwendung von § 318 ZPO an den Beschluss der Beschwerdekammer gebunden, mit dem die sofortige
Beschwerde gem. § 5 KSchG gegen die Zurückweisung des Antrags auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage zurückgewiesen worden ist. Die
Bindungswirkung erstreckt sich auch auf die Feststellung, daß die Kündigungsschutzklage verspätet ist (BAG, Urteil vom 28.04.1983- 2 AZR 438/81, NJW
1984, 255).
Es wird entgegen LAG München, BB 1981, 915 und ALG Mainz, EzA § 5 KSchG Nr. 15 daran festgehalten, daß dem Arbeitnehmer im Verfahren über die
nachträgliche Klagezulassung nach§ 5 ein Verschulden seiner Prozeß bevollmächtigten an der Versäumung der Klagefrist nichtentgegengehalten werden kann
(LAG Hamm, Urteil vom 09.12.1982 - 8 Sa/Ta 315/82, NJW1983, 1631).
Wird (im Fall der Entscheidung über die nachträgliche Zulassung und über die Kündigungsschutzklage einheitlich durch Urteil) nur das Rechtsmittel der
Berufung eingelegt, muss das Landesarbeitsgericht die Berufung, soweit sie sich gegen die Entscheidung nach § 5 richtet, als sofortige Beschwerde behandeln
und über die nachträgliche Zulassung endgültig durch Beschluss entscheiden. Über den Antrag auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage ist
gem. § 5 IV durch Beschluss zu entscheiden. Wird gleichwohl über die nachträgliche Zulassung und über die Kündigungsschutzklage in gesetzwidriger Weise
einheitlich durch Urteil entschieden, kann hiergegen sowohl die Berufung als auch die sofortige Beschwerde eingelegt werden. Entscheidet (nach dem
Arbeitsgericht auf die Berufung) auch das Landesarbeitsgericht in fehlerhafter Weise über den Antrag nach § 5 und die Kündigungsschutzklage einheitlich
durch Urteil und läßt außerdem die Revision zu, schafft diese gesetzwidrige Revisionszulassung keine weitere Überprüfungsmöglichkeit und ist trotz §72 III
ArbGG für das BAG nicht bindend.(BAG, Urteil vom 14.10.1982 - 2 AZR 570/80 , NJW1984, 254).
Zur nachträglichen Zulassung der Kündigungsschutzklage bei Zustellung der Kündigung während des Heimaturlaubs eines erkrankten ausländischen
Arbeitnehmers (LAG Hamm, Urteil vom 08.07.1982 - 8 Ta 183/82, DB 1982, 2706).
Zur Frage der Zulassung erneuter Klage nach Klagerücknahme wegen Betriebsübergang (LAG Hamm, Urteil vom 28.01.1982 - 8 Ta 248/81, MDR 1982, 435).
Anwaltliche Versäumnisse können der nachträglichen Klagezulassung entgegenstehen, wenn der Arbeitnehmer sie erkennen und in ihrer Bedeutung würdigen
konnte und gleichwohl nichtsunternommen hat, um die Wahrung der Klagefrist sicherzustellen (LAG Hamm, Urteil vom 15.10.1981 - 8 Ta 174/81, MDR
1982, 172).
Der Richter ist nicht befugt, den allgemeinen Kündigungsschutz nach § 1 KSchG und den gerichtlichen Schutz gegen außerordentliche Kündigungen nach den
§§ 4, 13 I 2 KSchG durch die analoge Heranziehung einer Anrechnungsvorschrift des Prozessrechtes, die sich für materiellrechtliche Ausschlussfristen
überhaupt keine Geltung beimessen will, zu verkürzen. Es wird daran festgehalten, daß sich der Arbeitnehmer im Verfahren über die nachträgliche
Klagezulassung nach § 5 KSchG ein Verschulden seines Prozessbevollmächtigten an der Versäumung der Klagefrist des § 4 KSchG nicht entgegenhalten zu
lassen braucht (Bestätigung von LAG Hamm, MDR 1972, 361 = Betr 1972, 1974; ständige Rechtsprechung; LAG Hamm, Urteil vom 11.12.1980 - 8 Ta
173/80, NJW 1981, 1230).
Der Antrag auf nachträgliche Zulassung einer verspätet erhobenen Kündigungsschutzklage muss vom Kläger in der mündlichen Verhandlung gestellt werden.
Andernfalls bleibt er unberücksichtigt (LAG Frankfurt, Urteil vom 25.08.1980 - 11 Sa 1002/79, NJW 1982, 1304).
§ 6 Verlängerte Anrufungsfrist
Hat ein Arbeitnehmer innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung im Klagewege geltend gemacht, dass eine rechtswirksame
Kündigung nicht vorliege, so kann er sich in diesem Verfahren bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz zur Begründung der Unwirksamkeit
der Kündigung auch auf innerhalb der Klagefrist nicht geltend gemachte Gründe berufen. Das Arbeitsgericht soll ihn hierauf hinweisen.
Leitsätze:
„... I. Nach § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer
dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des
Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann.
1. Auch der Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung kann einen wichtigen Grund bilden. Ein solcher Verdacht stellt gegenüber dem Vorwurf, der
Arbeitnehmer habe die Tat begangen, einen eigenständigen Kündigungsgrund dar. Eine Verdachtskündigung kann gerechtfertigt sein, wenn sich starke
Verdachtsmomente auf objektive Tatsachen gründen, die Verdachtsmomente geeignet sind, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche
Vertrauen zu zerstören, und der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen, insbesondere dem Arbeitnehmer
Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat (st. Rspr., BAG 25. November 2010 - 2 AZR 801/09 - Rn. 16, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 48
= EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 9; 23. Juni 2009 - 2 AZR 474/07 - Rn. 51, BAGE 131, 155).
2. Der Verdacht muss auf konkrete - vom Kündigenden ggf. zu beweisende - Tatsachen gestützt sein. Der Verdacht muss ferner dringend sein. Es muss eine
große Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass er zutrifft (BAG 25. November 2010 - 2 AZR 801/09 - AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 48 =
EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 9; 12. Mai 2010 - 2 AZR 587/08 - Rn. 27, AP KSchG 1969 § 15 Nr. 67 = EzA KSchG § 15 nF Nr. 67).
Die Umstände, die ihn begründen, dürfen nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht ebenso gut durch ein Geschehen zu erklären sein, das eine außerordentliche
Kündigung nicht zu rechtfertigen vermöchte. Bloße, auf mehr oder weniger haltbare Vermutungen gestützte Verdächtigungen reichen dementsprechend zur
Rechtfertigung eines dringenden Tatverdachts nicht aus (BAG 29. November 2007 - 2 AZR 724/06 - Rn. 30, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr.
40 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 5; 10. Februar 2005 - 2 AZR 189/04 - AP KSchG 1969 § 1 Nr. 79 = EzA KSchG § 1
Verdachtskündigung Nr. 3). Schließlich muss der Arbeitgeber alles ihm Zumutbare zur Aufklärung des Sachverhalts getan, insbesondere dem Arbeitnehmer
Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben haben (BAG 23. Juni 2009 - 2 AZR 474/07 - Rn. 51, BAGE 131, 155; 10. Februar 2005 - 2 AZR 189/04 - Rn. 28,
aaO). Der Umfang der Nachforschungspflichten richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls (BAG 23. Juni 2009 - 2 AZR 474/10 - aaO; 10. Februar 2005 -
2 AZR 189/04 - aaO).
3. Für die kündigungsrechtliche Beurteilung der Pflichtverletzung, auf die sich der Verdacht bezieht, ist ihre strafrechtliche Bewertung nicht maßgebend.
Entscheidend ist der Verstoß gegen vertragliche Haupt- oder Nebenpflichten und der mit ihm verbundene Vertrauensbruch (BAG 25. November 2010 - 2 AZR
801/09 - Rn. 17, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 48 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 9; 10. Juni 2010 - 2 AZR
541/09 - Rn. 30, BAGE 134, 349). Auch der dringende Verdacht einer nicht strafbaren, gleichwohl erheblichen Verletzung der sich aus dem Arbeitsverhältnis
ergebenden Pflichten kann ein wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB sein (BAG 25. November 2010 - 2 AZR 801/09 - Rn. 17, aaO).
II. Danach liegt „an sich" ein wichtiger Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB vor.
1. Wer als Arbeitnehmer bei der Ausführung von vertraglichen Aufgaben Vorteile für sich fordert, sich versprechen lässt oder entgegen nimmt, verletzt
zugleich - unabhängig von einer möglichen Strafbarkeit wegen Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr nach § 299 Abs. 1 StGB oder - als Beschäftigter im
öffentlichen Dienst - wegen Vorteilsannahme nach § 331 Abs. 1 StGB bzw. Bestechlichkeit nach § 332 Abs. 1 StGB - seine Pflicht, auf die berechtigten
Interessen seines Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen (§ 241 Abs. 2 BGB). Ein solches Verhalten ist „an sich" geeignet, eine fristlose Kündigung zu
rechtfertigen. Dabei spielt es grundsätzlich keine Rolle, ob es zu einer den Arbeitgeber schädigenden Handlung gekommen ist. Der ins Auge gefasste Vorteil
begründet vielmehr allgemein die Gefahr, der Annehmende werde nicht mehr allein die Interessen des Geschäftsherrn wahrnehmen. Der wichtige Grund liegt in
der zu Tage getretenen Einstellung des Arbeitnehmers, bei der Erfüllung von arbeitsvertraglich geschuldeten Aufgaben unberechtigte eigene Vorteile
wahrzunehmen. Durch sein Verhalten zerstört der Arbeitnehmer regelmäßig das Vertrauen in seine Zuverlässigkeit und Redlichkeit (BAG 26. September 2002
- 2 AZR 424/01 - zu B I 2 a der Gründe, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 37 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 1; 21.
Juni 2001 - 2 AZR 30/00 - zu B III 2 a der Gründe, EzA BGB § 626 Unkündbarkeit Nr. 7). Auch der dringende Verdacht einer derartigen Pflichtverletzung
kann einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung darstellen (BAG 26. September 2002 - 2 AZR 424/01 - zu B I 2 b der Gründe, aaO).
2. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, der Kläger sei im Kündigungszeitpunkt einer in diesem Sinne schwerwiegenden Pflichtverletzung dringend
verdächtig gewesen, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
a) Die Beklagte hat sich für den Verdacht auf den im Durchsuchungsbeschluss vom 21. November 2008 wiedergegebenen Sachverhalt berufen. Danach soll der
Kläger - zusammengefasst - den Geschäftsführer der GmbH Mitte Februar 2008 aufgefordert haben, ihm eine Gegenleistung iHv. 10 vH des Werts des Auftrags
betreffend die Brandschutzklappensanierung dafür zu gewähren, dass er sich in besonderer Weise für die Vergabe von Aufträgen an die GmbH einsetze.
Nachdem der Geschäftsführer ihm in einem Telefonat vom 10. März 2008 mitgeteilt habe, er werde den geforderten Betrag nicht zahlen, soll der Kläger ihn
gefragt haben, ob er sich diese Weigerung auch gut überlegt habe; diese Haltung könne Konsequenzen nach sich ziehen. Die Äußerungen soll der Kläger am 5.
August 2008 anlässlich einer Besprechung in der Räumlichkeiten der Bu sinngemäß wiederholt und nachfolgend das Angebot des Geschäftsführers, ihm eine
Ferienwohnung am Gardasee zur Verfügung zu stellen, angenommen haben.
b) Mit der Bezugnahme auf diese Sachverhaltsdarstellung hat die Beklagte hinreichend objektive Tatsachen aufgezeigt, die den Verdacht begründen, der Kläger
habe sich in Bezug auf seine Berufstätigkeit Geld bzw. geldwerte Vorteile von einem Vertragspartner der Beklagten versprechen lassen und diesen zu dem
Versprechen durch das Inaussichtstellen eines möglichen Auftragsverlusts genötigt. Die Beklagte beruft sich dazu nicht auf bloße Mutmaßungen oder
Spekulationen, sondern auf einen greifbaren, durch die Strafverfolgungsbehörden ermittelten und in dem Durchsuchungsbeschluss über mehrere Seiten hinweg
hinsichtlich Tatzeit und Tatgeschehen detailliert beschriebenen Sachverhalt. Dass dieser Sachverhalt im Wesentlichen auf den Angaben des im
Ermittlungsverfahren mitbeschuldigten Geschäftsführers der GmbH über den Inhalt mit dem Kläger geführter Vieraugengespräche beruht und mit dessen
Aussage „steht und fällt", steht dem Umstand, dass es sich dabei um objektive Verdachtstatsachen handelt, nicht entgegen. Die Beklagte hatte keinen
durchgreifenden Anlass, die Glaubhaftigkeit der Angaben des Geschäftsführers in Zweifel zu ziehen. Auch wenn diesem - wie der Kläger im Verlauf des
Kündigungsrechtsstreits behauptet hat - Straffreiheit zugesagt worden sein sollte, ist nicht erkennbar - und ist es fernliegend -, dass sich diese Zusage auch auf
den Straftatbestand der falschen Verdächtigung (§ 164 StGB) bezöge. Möglichen Unsicherheiten in Bezug auf die Beweisführung hat die Beklagte dadurch
Rechnung getragen, dass sie die Kündigung auf den Verdacht und nicht auf die Erwiesenheit einer Tat stützt.
c) Demgegenüber bringt der Kläger lediglich vor, das Landesarbeitsgericht sei zu Unrecht von der Dringlichkeit des Verdachts ausgegangen. Insbesondere habe
es verkannt, dass sich die Beklagte hierfür nicht auf den gegen ihn erlassenen Haftbefehl habe berufen dürfen. Damit hat der Kläger die den Verdacht
begründenden Tatsachen nicht entkräftet.
aa) Im Strafverfahren gewonnene Erkenntnisse oder Handlungen der Strafverfolgungsbehörden können die Annahme verstärken, der Arbeitnehmer habe die
Pflichtverletzung begangen (BAG 27. Januar 2011 - 2 AZR 825/09 - Rn. 17, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 49 = EzA BGB 2002 § 626
Verdacht strafbarer Handlung Nr. 10; 5. Juni 2008 - 2 AZR 234/07 - Rn. 25, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 44 = EzA BGB 2002 § 626
Verdacht strafbarer Handlung Nr. 7; SPV/Preis 10. Aufl. Rn. 711). Derartige Umstände können nicht nur bei der Frage Bedeutung gewinnen, zu welchem
Zeitpunkt eine Verdachtskündigung ausgesprochen werden soll, und deshalb für die Einhaltung der Zweiwochenfrist von Bedeutung sein (BAG 27. Januar
2011 - 2 AZR 825/09 - Rn. 17, aaO). Sie können auch den Kündigungsgrund selbst unterstützen, sofern es um Handlungen oder Anordnungen der
Ermittlungsbehörden geht, die ihrerseits einen dringenden Tatverdacht voraussetzen (vgl. BAG 29. November 2007 - 2 AZR 724/06 - Rn. 38, AP BGB § 626
Verdacht strafbarer Handlung Nr. 40 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 5). Das trifft auf den in Rede stehenden Haftbefehl
grundsätzlich zu. Nach § 112 Abs. 1 iVm. § 114 StPO darf Untersuchungshaft gegen den Beschuldigten nur angeordnet werden, wenn er der Tat dringend
verdächtig ist und - kumulativ - ein Haftgrund besteht. Hinzu kommt, dass die Staatsanwaltschaft der materiellen Wahrheit verpflichtet ist und deshalb nach §
160 Abs. 2 StPO auch den Beschuldigten entlastende Umstände zu ermitteln und bei ihrem Vorgehen zu berücksichtigen hat (Löwe/Rosenberg/Erb StPO § 160
Rn. 47 mwN). Gleiches gilt für den Ermittlungsrichter, der über die Anordnung von Untersuchungshaft entscheidet.
bb) Allerdings wird die Verdachtskündigung nicht allein auf eine den dringenden Tatverdacht bejahende Entscheidung der Strafverfolgungsbehörden als solche
gestützt werden können. Bei der Kündigung wegen erwiesener Tat reicht eine strafgerichtliche Verurteilung für sich genommen nicht aus, die Kündigung zu
rechtfertigen. Vielmehr sind die Arbeitsgerichte gehalten, den Sachverhalt im Kündigungsschutzprozess ohne Bindung an das Strafurteil selbst aufzuklären und
zu bewerten (BAG 18. November 1999 - 2 AZR 852/98 - zu II 2 a der Gründe, BAGE 93, 12; 26. März 1992 - 2 AZR 519/91 - zu B II 4 und III 3 b, dd der
Gründe, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 23 = EzA BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 4). Für die Verdachtskündigung wird nichts
anderes gelten können. Dies hat zur Folge, dass Handlungen oder Entscheidungen der Strafverfolgungsbehörden allenfalls indizielle Bedeutung für die vom
Gericht vorzunehmende Bewertung erlangen können, ob die Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus wichtigem Grund wegen des entsprechenden Verdachts
gerechtfertigt ist. Die behördlichen Maßnahmen bilden dagegen für sich genommen keinen Kündigungsgrund und sind nicht geeignet, eine eigene Bewertung
der den Verdacht begründenden Tatsachen durch die mit der Sache befassten Gerichte zu ersetzen. Im Ergebnis kommt es hierauf nicht an.
(1) Das Landesarbeitsgericht hat seine Auffassung, die Beklagte habe im Kündigungszeitpunkt davon ausgehen dürfen, der Kläger sei der ihm vorgeworfenen
Taten dringend verdächtig, nicht mit dem Haftbefehl als solchem begründet. Es hat vielmehr angenommen, die Beklagte habe sich auf der Grundlage bekannter
Verdachtstatsachen die Einschätzung der Ermittlungsbehörden zur Dringlichkeit des Verdachts zu eigen gemacht.
(2) Daran anknüpfend hat es weiter geprüft, ob sich der Verdacht aufgrund des Parteivorbringens im vorliegenden Verfahren als weniger intensiv darstellt.
Seine Auffassung, dies sei nicht der Fall, hat es im Wesentlichen damit begründet, Manipulationen bei der Preisgestaltung seien den Umständen nach nicht
auszuschließen. Das gelte auch dann, wenn das zweite Angebot der GmbH vom 11. März 2008 - wie vom Kläger behauptet - auf der Grundlage des
Leistungsverzeichnisses des hinzugezogenen Ingenieurbüros erfolgt sei. Dieser Umstand entlaste den Kläger nicht, weil schon der Umfang der auf 38 Seiten
zusammengestellten Angebotspositionen die Chance erhöhe, dass unbemerkt einzelne preisrelevante Posten höher als erforderlich kalkuliert würden. Außerdem
sei eine mögliche Preismanipulation durch die später, allerdings erst auf Initiative des Servicezentrums der Beklagten tatsächlich erreichte deutliche
Reduzierung des Angebotspreises indiziert.
(a) Diese Würdigung ist, soweit sie auf tatsächlichem Gebiet liegt, revisionsrechtlich nur daraufhin überprüfbar, ob sie in sich widerspruchsfrei ist und nicht
gegen Denkgesetze, Erfahrungssätze oder andere Rechtssätze verstößt (BAG 27. Januar 2011 - 8 AZR 580/09 - EzA AGG § 22 Nr. 3; 7. November 2002 - 2
AZR 599/01 - AP KSchG 1969 § 1 Krankheit Nr. 40 = EzA KSchG § 1 Krankheit Nr. 50; 1. Oktober 1997 - 5 AZR 685/96 - BAGE 86, 347 mwN). Einen
derartigen Rechtsfehler zeigt der Kläger nicht auf.
(b) Die Wertung des Landesarbeitsgerichts ist grundsätzlich möglich. Das gilt umso mehr, als der Kläger keinen Grund dafür benannt hat, warum er als
zuständiger Sachbearbeiter das Angebot an das Servicezentrum der Beklagten in F weitergeleitet hat, ohne auf die vom Ingenieurbüro beanstandeten Punkte
einzugehen. Selbst wenn er sich damit im Rahmen bestehender Richtlinien bewegt haben sollte, fügt sich sein Vorgehen immerhin in das „Bild" der gegen ihn
erhobenen Anschuldigungen. Die Rüge der Revision, das Landesarbeitsgericht habe in Erwägung ziehen müssen, dass vereinzelt falsche Mengen zu dem
überhöhten Angebotspreis vom 11. März 2008 geführt hätten, ist unbegründet. Nach dem Tatbestand des Berufungsurteils hat das Ingenieurbüro eine
Nachverhandlung des betreffenden Angebots wegen zu hoher Zeitansätze und Einheitspreise vorgeschlagen. Daran knüpfen die Ausführungen des Gerichts an.
Das Landesarbeitsgericht hat dabei nicht den Vortrag des Klägers übergangen, er habe auf die Auftragsvergabe keinen bestimmenden Einfluss nehmen können.
Es hat das Vorbringen im Tatbestand seines Urteils erwähnt und im Rahmen seiner rechtlichen Ausführungen (unter II 1.2.1.2 der Entscheidungsgründe)
gewürdigt. Dass es darin keinen Umstand erblickt hat, der die Intensität des Verdachts hätte vermindern können, begründet keinen Rechtsfehler im aufgezeigten
Sinne. Im Übrigen schließt das Fehlen einer Möglichkeit zur internen Einflussnahme nicht aus, dass sich der Arbeitnehmer nach außen einer solchen berühmt.
Soweit der Kläger gemeint hat, die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts seien „lebensfremd", setzt er seine eigene Bewertung der Abläufe an die Stelle
derjenigen des Landesarbeitsgerichts. Das macht dessen Würdigung nicht rechtsfehlerhaft.
d) Die Beklagte hat ihre Verpflichtung nicht verletzt, den Verdacht so weit wie möglich aufzuklären. Insbesondere hat sie den Kläger vor der Kündigung
ordnungsgemäß angehört.
aa) Die vorherige Anhörung des Arbeitnehmers ist Wirksamkeitsvoraussetzung der Verdachtskündigung. Bei dieser besteht in besonderem Maße die Gefahr,
dass der Arbeitnehmer zu Unrecht beschuldigt wird. Dessen Anhörung ist deshalb ein Gebot der Verhältnismäßigkeit. Unterbliebe sie, wäre die Kündigung
nicht „ultima ratio" (BAG 23. Juni 2009 - 2 AZR 474/07 - Rn. 51, BAGE 131, 155; 13. März 2008 - 2 AZR 961/06 - Rn. 14 mwN, AP BGB § 626 Verdacht
strafbarer Handlung Nr. 43 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 6).
bb) Der dringende Verdacht einer schwerwiegenden Verfehlung kann nur dann für den Ausspruch einer Kündigung genügen, wenn es weder gelungen ist, ihn
auszuräumen, noch gelungen ist, die erhobenen Vorwürfe auf eine sichere Grundlage zu stellen (BAG 28. November 2007 - 5 AZR 952/06 - Rn. 19, AP BGB §
626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 42 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 4). Die Anhörung des Arbeitnehmers ist deshalb ein stets
gebotenes Mittel der Sachverhaltsaufklärung. Ihr Umfang richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Einerseits muss sie nicht in jeder Hinsicht den
Anforderungen genügen, die an eine Anhörung des Betriebsrats nach § 102 Abs. 1 BetrVG gestellt werden (BAG 13. März 2008 - 2 AZR 961/06 - Rn. 15, AP
BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 43 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 6; 26. September 2002 - 2 AZR 424/01 - zu B I 1 b
bb der Gründe, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 37 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 1). Andererseits reicht es nicht
aus, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer lediglich mit einer allgemein gehaltenen Wertung konfrontiert. Die Anhörung muss sich auf einen greifbaren
Sachverhalt beziehen. Der Arbeitnehmer muss die Möglichkeit haben, bestimmte, zeitlich und räumlich eingegrenzte Tatsachen ggf. zu bestreiten oder den
Verdacht entkräftende Tatsachen aufzuzeigen und so zur Aufhellung der für den Arbeitgeber im Dunkeln liegenden Geschehnisse beizutragen. Um dieser
Aufklärung willen wird dem Arbeitgeber die Anhörung abverlangt. Sie ist nicht etwa dazu bestimmt, als verfahrensrechtliche Erschwernis die Aufklärung zu
verzögern und die Wahrheit zu verdunkeln (BAG 13. März 2008 - 2 AZR 961/06 - aaO).
cc) Diesen Anforderungen wird die Anhörung des Klägers gerecht. Die Beklagte hat ihm die konkreten Vorwürfe bekannt gemacht und hinreichend Zeit für
eine Stellungnahme eingeräumt. Eines ausdrücklichen Hinweises auf eine bestehende Kündigungsabsicht bedurfte es nicht.
(1) Die Beklagte hat den Kläger mit Schreiben vom 5. und 6. Februar 2009 mit dem gegen ihn gehegten Verdacht konfrontiert. Aufgrund der Mitteilungen im
ersten Schreiben wusste der Kläger, dass es im Kern um zwei Sachverhalte geht. Die Darstellung der Vorwürfe war ausreichend. Der Kläger konnte angesichts
des dem Schreiben vom 6. Februar 2009 beigefügten Durchsuchungsbeschlusses und der dort enthaltenen ausführlichen Darstellung des maßgebenden
Sachverhalts in räumlicher und zeitlicher Hinsicht nicht im Unklaren sein, über welchen Kenntnisstand die Beklagte verfügte und auf welche Umstände sie den
Verdacht stützte. Einen Katalog von Fragen - wie vom Kläger erbeten - brauchte die Beklagte nicht zu formulieren. Zweck der Anhörung ist die Aufklärung des
belastenden Sachverhalts in seiner Gänze, und zwar auch in Richtung auf eine mögliche Entlastung. Der Arbeitnehmer soll Gelegenheit erhalten, sich möglichst
unbefangen mit den Vorwürfen des Arbeitgebers auseinanderzusetzen, weil möglicherweise schon seine spontane Reaktion zu einer Entlastung führt (Ebeling
Die Kündigung wegen Verdachts S. 167). Diesem Zweck liefe die Formulierung konkreter Fragen zuwider.
(2) Die dem Kläger im zweiten Schreiben eingeräumte Frist zur Stellungnahme „bis Dienstschluss" am Montag, dem 9. Februar 2009, war zwar knapp
bemessen. Der Kläger hat aber weder dargelegt, dass und ggf. warum ihm tatsächlich eine sachangemessene Äußerung binnen der Frist nicht zumutbar war,
noch sind solche Umstände objektiv erkennbar. Das gilt umso mehr, als die ihm eingeräumte Möglichkeit zur schriftlichen Äußerung seinem Wunsch entsprach
und die - allemal rechtzeitige - Einladung der Beklagten zu dem Gesprächstermin am 9. Februar 2009 nicht aufhob. Soweit mit Blick auf die Zweiwochenfrist
des § 626 Abs. 2 BGB für Aufklärungsbemühungen des Arbeitgebers im Wege der Anhörung des Arbeitnehmers in der Regel eine Frist von einer Woche zu
veranschlagen ist (BAG 27. Januar 2011 - 2 AZR 825/09 - Rn. 22, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 49 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht
strafbarer Handlung Nr. 10), folgt daraus nicht, dass dem Arbeitnehmer stets eine entsprechend lange Frist zur Stellungnahme einzuräumen wäre. Das gilt auch
angesichts der dem Arbeitnehmer grundsätzlich zuzugestehenden Möglichkeit, einen Rechtsanwalt hinzuzuziehen (vgl. insoweit BAG 13. März 2008 - 2 AZR
961/06 - Rn. 18, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 43 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 6). Im Übrigen hat der Kläger
in seinem Schreiben vom 9. Februar 2009 Stellung genommen, ohne um eine Verlängerung der Frist nachzusuchen. Daraus durfte die Beklagte folgern, es habe
sich um eine abschließende Äußerung gehandelt. Dass sich der Kläger vorbehalten hat, nach Einsicht in die Ermittlungsakten zu einzelnen Punkten weiter
Stellung zu beziehen, steht dem nicht entgegen. Der Kläger hat nicht begründet, warum er sich zu welchen Gesichtspunkten nicht abschließend hat erklären
können oder wollen. Dessen hätte es aber bedurft, da sich die Verdachtstatsachen auf Gegenstände seiner eigenen Wahrnehmung bezogen und er keinen Anlass
haben konnte anzunehmen, die Beklagte verfüge über bessere Erkenntnisse als er selbst (ähnlich BAG 26. September 2002 - 2 AZR 424/01 - zu B I 1 c der
Gründe, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 37 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 1).
(3) Für die ordnungsgemäße Anhörung kommt es nicht darauf an, ob mit der Angabe „Dienstschluss" das Ende der dem Kläger eingeräumten Frist hinreichend
bestimmt bezeichnet worden ist. Die Beklagte hat sich gegenüber den Erklärungen im Schreiben vom 9. Februar 2009 nicht auf Verspätung berufen. Die Rüge
des Klägers, das Landesarbeitsgericht habe nicht berücksichtigt, dass die Beklagte ihr Anhörungsschreiben nicht mehr an ihn persönlich, sondern an seinen
bereits umfassend beauftragten Rechtsanwalt habe übermitteln müssen, ist vor diesem Hintergrund nicht verständlich.
(4) Die Anhörung ist auch nicht deshalb unzureichend, weil die Beklagte den Kläger nicht ausdrücklich auf eine bestehende Kündigungsabsicht für den Fall
hingewiesen hat, dass sich die Vorwürfe nicht ausräumen ließen. Es ist bereits fraglich, ob den Arbeitgeber eine solche Verpflichtung trifft (bejahend Fischer
BB 2003, 522, 523; Seeling/Zwickel MDR 2008, 1022). In jedem Fall bleibt die Nichterteilung eines Hinweises auf eine mögliche Kündigung dann folgenlos,
wenn für den Arbeitnehmer die Bestandsgefährdung des Arbeitsverhältnisses erkennbar war. So liegt es hier. Die Beklagte hat den Kläger mit dem Schreiben
vom 5. Februar 2009 mit sofortiger Wirkung von der Arbeitsleistung frei gestellt. Sie hat mitgeteilt, aufgrund des Verdachts und der Schwere der ihm zugrunde
liegenden Tat sei ihr seine Weiterbeschäftigung unzumutbar. Unter diesen Umständen musste dem Kläger klar sein, dass der Fortbestand seines
Arbeitsverhältnisses aus Sicht der Beklagten ganz wesentlich von seiner Stellungnahme abhing.
dd) Die Beklagte hat nicht andere Erkenntnismöglichkeiten ungenutzt gelassen, insbesondere nur unzureichende eigene Ermittlungen angestellt. Anhaltspunkte
für weitere Aufklärungsbemühungen konnten sich angesichts der Beschlagnahme relevanter Geschäftsunterlagen nur aus der Stellungnahme des Klägers
ergeben. Dieser hat sich darauf beschränkt, den Verdacht pauschal von sich zu weisen. Er hat sich mit den im Durchsuchungsbeschluss einzeln aufgeführten
Gesprächen weder auseinandergesetzt, noch ihnen substantiierten Vortrag entgegengehalten. Ohne eine detaillierte Erwiderung hatte die Beklagte keinen
Anlass, etwa den Geschäftsführer der GmbH selbst zu befragen. Mit Blick auf das Angebot einer Ferienwohnung am Gardasee ist die Beklagte den Angaben
des Klägers zur Buchung einer angeblich zeitgleichen Urlaubsreise an die Adria nachgegangen - mit dem Ergebnis, dass dieser Umstand in Anbetracht der
Dauer des dem Kläger bewilligten Urlaubs nacheinander liegende Aufenthalte an beiden Orten nicht ausschloss.
3. Der Verdacht besteht weiterhin. Er wurde im Verlauf des Rechtsstreits weder entkräftet, noch sind Umstände eingetreten, die zu seiner Abschwächung
geführt hätten.
a) Bei der Prüfung der Wirksamkeit einer Verdachtskündigung ist zu berücksichtigen, dass der ursprüngliche Verdacht durch später bekannt gewordene
Umstände, jedenfalls soweit sie bei Kündigungszugang objektiv bereits vorlagen, abgeschwächt oder verstärkt werden kann (BAG 12. Mai 2010 - 2 AZR
587/08 - Rn. 28, AP KSchG 1969 § 15 Nr. 67 = EzA KSchG § 15 nF Nr. 67; 6. November 2003 - 2 AZR 631/02 - zu B II 1 c der Gründe, AP BGB § 626
Verdacht strafbarer Handlung Nr. 39 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 2). Eine Differenzierung danach, ob der Arbeitgeber objektiv
die Möglichkeit hatte, von den betreffenden Tatsachen bis zum Kündigungsausspruch Kenntnis zu erlangen, ist nicht gerechtfertigt.
b) Demgegenüber hält das Landesarbeitsgericht nur solche Tatsachen für berücksichtigungsfähig, die der Arbeitgeber bei Anwendung gebotener und
zumutbarer Sorgfalt hätte erkennen können. Dies überzeugt nicht. Hat der Arbeitgeber entlastende Umstände deshalb nicht erkannt, weil er den Sachverhalt
nicht sorgfältig genug aufgeklärt hat, ist die Verdachtskündigung regelmäßig schon aus diesem Grund unwirksam. Dass zugunsten des Arbeitnehmers darüber
hinaus Tatsachen berücksichtigungsfähig sind, die der Arbeitgeber selbst nach zumutbaren Aufklärungsbemühungen noch nicht hat kennen können, trägt der
Besonderheit Rechnung, dass im Rahmen der Verdachtskündigung nicht der volle Nachweis einer Pflichtverletzung verlangt wird. Blieben den Arbeitnehmer
entlastende Tatsachen, die erst im Prozess zutage getreten sind, außer Betracht, hätte der Arbeitgeber ein sehr geringes Prozessrisiko. Er müsste nur
nachweisen, dass zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung ein dringender Tatverdacht bestand. Das würde der bei der Verdachtskündigung bestehenden
Gefahr, einen Unschuldigen zu treffen, nicht gerecht (BAG 12. Mai 2010 - 2 AZR 587/08 - Rn. 28, AP KSchG 1969 § 15 Nr. 67 = EzA KSchG § 15 nF Nr.
67). Die Gefahr würde vielmehr „sehenden Auges" vergrößert. Ihr erst mit einem möglichen Wiedereinstellungsanspruch zu begegnen, würde der Sach- und
Interessenlage nicht gerecht.
c) Der Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts wirkt sich im Ergebnis nicht aus (§ 561 ZPO).
aa) Der Kläger hat dem Vorbringen der Beklagten zum Inhalt der Gespräche mit dem Geschäftsführer der GmbH keinen anderen, im Einzelnen dargelegten
Gesprächsverlauf entgegengesetzt. Er hat sich auf ein einfaches Bestreiten beschränkt und lediglich behauptet, die eine oder andere Äußerung sei so nicht
gefallen. Dabei ist er auch dann noch geblieben, als die Beklagte vorgetragen hatte, sie habe mittlerweile Einsicht in die beschlagnahmten Unterlagen nehmen
können und diese ausgewertet, zudem habe sie den Geschäftsführer der GmbH befragt, der seine frühere Aussage bekräftigt habe. Spätestens angesichts dieses
Vorbringens hätte der Kläger dem von der Beklagten behaupteten Inhalt und Verlauf der Gespräche mit dem Geschäftsführer der GmbH substantiiert
entgegentreten müssen. Das hat er unterlassen. Damit hat er seiner Erklärungspflicht nach § 138 Abs. 1, Abs. 2 ZPO nicht genügt. Das gilt gleichermaßen für
die bruchstückhafte Einlassung zum Komplex „Ferienwohnung". Sie fügt sich ohne Weiteres in die von der Beklagten behaupteten Verdachtstatsachen ein und
vermag diese gerade nicht zu entkräften. Der Kläger hat eine vollständige Darstellung des tatsächlichen, aus seiner Sicht wahrhaftigen Geschehensablaufs auch
insoweit unterlassen. Auf eine Einschränkung seiner prozessualen Wahrheitspflicht wegen des laufenden Strafverfahrens hat er sich nicht berufen. Es kann
deshalb offenbleiben, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen ein solcher Einwand mit Blick auf die Besonderheiten der Verdachtskündigung beachtlich
gewesen wäre.
bb) Die Aufhebung des Haftbefehls entlastet den Kläger nicht. Aus ihr folgt - unbeschadet der Frage, inwieweit dies dem Kläger zugute kommen könnte - nicht,
die Strafverfolgungsbehörden hätten einen dringenden Tatverdacht zuletzt nicht mehr bejaht. Sie kann ebenso gut darauf zurückzuführen sein, dass der
Sachverhalt aus Sicht der zuständigen Stellen ausermittelt war und etwa der Haftgrund der Verdunkelungsgefahr nicht mehr vorlag. Die Annahme, dass nicht
etwa der Wegfall eines dringenden Tatverdachts zur Aufhebung des Haftbefehls geführt hat, liegt deshalb nahe, weil er zu diesem Zeitpunkt schon über ein Jahr
bestand. Zumindest hatte der Kläger aufgrund seiner Sachnähe Anlass, sich zum Grund der Aufhebung zu erklären. Das hat er versäumt. Ebenso wenig wird der
Verdacht dadurch entkräftet, dass bei einer von der Beklagten durchgeführten Innenrevision kein weiteres den Kläger belastendes Material aufgefunden wurde.
III. Die Interessenabwägung des Landesarbeitsgerichts ist unter Beachtung eines ihm zukommenden Beurteilungsspielraums (vgl. BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR
541/09 - Rn. 33, BAGE 134, 349; 11. Dezember 2003 - 2 AZR 36/03 - zu II 1 f der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 179 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 5)
revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Es hat alle vernünftigerweise in Betracht zu ziehenden Umstände des Einzelfalls berücksichtigt und vertretbar
gegeneinander abgewogen. Danach konnte es ohne Rechtsfehler zu dem Ergebnis gelangen, der Beklagten sei in Anbetracht der Schwere der Pflichtverletzung,
derer der Kläger verdächtig war, ein Festhalten am Arbeitsverhältnis selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zumutbar gewesen.
IV. Die Kündigungserklärungsfrist (§ 626 Abs. 2 BGB) ist gewahrt. Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts sind die den
Verdacht begründenden Tatsachen der Beklagten erstmals am 4. Februar 2009 bekannt geworden. Das Kündigungsschreiben ging dem Kläger am 13. Februar
2009 zu.
V. Das Landesarbeitsgericht hat nicht näher geprüft, ob die Kündigung an einer fehlerhaften Beteiligung des Personalrats oder des Gesamtpersonalrats scheitert.
Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger habe zuletzt eine fehlerhafte Beteiligung nicht mehr behauptet. Dagegen wendet sich die Revision nicht. Ein
Rechtsfehler liegt auch objektiv nicht vor.
1. Allerdings entbindet der Umstand, dass ein Arbeitnehmer, der die ordnungsgemäße Beteiligung des Personalrats bzw. Gesamtpersonalrats gerügt hat, den
Ausführungen des Arbeitgebers nicht weiter entgegen tritt, das mit der Sache befasste Gerichte nicht von der Verpflichtung, den Arbeitgebervortrag auf seine
Schlüssigkeit hin zu überprüfen. Hinsichtlich des Vorbringens zur ordnungsgemäßen Beteiligung des zuständigen Personalrats gilt - wie für die
ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats nach § 102 Abs. 1 BetrVG - eine abgestufte Darlegungslast (BAG 18. Januar 2001 - 2 AZR 616/99 - zu II 3 a der
Gründe, AP LPVG Niedersachsen § 28 Nr. 1 = EzA BGB § 626 Krankheit Nr. 4). Hat der Arbeitnehmer die ordnungsgemäße Beteiligung des Personalrats
bestritten, muss der Arbeitgeber im Detail darlegen, ob und ggf. wie das Verfahren durchgeführt worden ist. Erst wenn er dem nachgekommen ist und eine
ordnungsgemäße Beteiligung des zuständigen Personalrats schlüssig aufgezeigt hat, kommt es darauf an, ob der Arbeitnehmer diesem Vorbringen iSv. § 138
Abs. 2 ZPO ausreichend entgegengetreten ist, insbesondere deutlich gemacht hat, welche Angaben des Arbeitgebers er weiterhin (mit Nichtwissen, § 138 Abs.
4 ZPO) bestreitet (BAG 23. Juni 2005 - 2 AZR 193/04 - zu II 1 b der Gründe, AP ZPO § 138 Nr. 11 = EzA BetrVG 2001 § 102 Nr. 12; 18. Januar 2001 - 2
AZR 616/99 - aaO; 16. März 2000 - 2 AZR 75/99 - AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 114 = EzA BGB § 626 nF Nr. 179).
2. Einer Schlüssigkeitsprüfung im dargestellten Sinne bedarf es nur dann nicht, wenn der Arbeitnehmer auf die Ausführungen des Arbeitgebers zur
Personalratsbeteiligung zweifelsfrei zu erkennen gibt, dass er an der betreffenden Rüge als solcher nicht länger festhält. Mit seinem Vorbringen, es fehle an
einer ordnungsgemäßen Beteiligung der zuständigen Arbeitnehmervertretung, beruft sich der Arbeitnehmer auf einen „anderen" Unwirksamkeitsgrund iSd. § 4
Satz 1, § 6 KSchG (BAG 18. Januar 2012 - 6 AZR 407/10 - Rn. 12, EzA KSchG § 6 Nr. 4). Die Rüge, die Kündigung sei noch aus einem anderen Grund als
dem der Sozialwidrigkeit unwirksam, führt zwar nicht zu einem Wechsel des Streitgegenstands, sondern nur zu einer Erweiterung des Sachvortrags im
Kündigungsschutzprozess. Die Regelung des § 6 KSchG ist aber Beleg dafür, dass der Arbeitnehmer über die Einführung der Unwirksamkeitsgründe frei
entscheiden und den Prozessstoff insoweit von vorneherein begrenzen oder in den zeitlichen Grenzen des § 6 Satz 1 KSchG erweitern kann. Die gerichtliche
Überprüfung der Wirksamkeit der Kündigung hat nur im Rahmen der iSv. § 4 Satz 1 iVm. § 6 Satz 1 KSchG rechtzeitig angebrachten Unwirksamkeitsgründe
zu erfolgen. Für die außerordentliche Kündigung gilt über § 13 Abs. 1 Satz 2 KSchG Entsprechendes. Unterliegt es deshalb in diesem rechtlichen Rahmen der
Disposition des Arbeitnehmers, den Umfang der gerichtlichen Überprüfung einer Kündigung zu bestimmen, ist regelmäßig davon auszugehen, dass sich der
Prozessstoff entsprechend reduziert, falls der Arbeitnehmer im Verlauf des Rechtsstreits zweifelsfrei zu erkennen gibt, sich auf bestimmte, rechtlich
eigenständige Unwirksamkeitsgründe nicht mehr berufen zu wollen. Eine solche die Gerichte bindende Beschränkung des Sachvortrags ist grundsätzlich noch
in zweiter Instanz möglich. Die Regelung des § 6 Satz 1 KSchG dient der Konzentration des Kündigungsschutzprozesses und in diesem Zusammenhang auch
dem Schutz des Arbeitgebers. Dieser soll sich nicht erstmals in zweiter Instanz auf einen bis dahin in das gerichtliche Verfahren nicht eingeführten „anderen"
Unwirksamkeitsgrund einlassen und dementsprechend langfristig entsprechende Beweise sichern müssen. Diesem Zweck widerspricht es nicht, dem
Arbeitnehmer die Befugnis einzuräumen, die Unwirksamkeitsrüge bezogen auf einen bestimmten Unwirksamkeitsgrund selbst im fortgeschrittenen
Verfahrensstadium wieder fallen zu lassen.
3. So liegt es hier. Einer Überprüfung der Wirksamkeit der Kündigung mit Blick auf die (Gesamt-)Personalratsbeteiligung bedurfte es nicht. Das
Landesarbeitsgericht hat im Tatbestand des Berufungsurteils festgestellt, der Kläger erhebe die betreffende Rüge nicht mehr. Tatbestandsberichtigung hat der
Kläger nicht beantragt. ..." (BAG, Urteil vom 24.05.2012 - 2 AZR 206/11)
***
„... II. Der Kläger hat die Klagefrist des § 17 TzBfG aber dadurch gewahrt, dass er in dem weiteren Termin zur streitigen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht
am 23. März 2010 einen die Befristung zum 31. März 2009 betreffenden Befristungskontrollantrag gestellt hat. Im Zeitpunkt dieser Antragstellung war die
dreiwöchige Klagefrist nach § 17 Satz 1 TzBfG zwar abgelaufen. Der Kläger konnte die Unwirksamkeit der Befristung aber im Rahmen der verlängerten
Anrufungsfrist nach § 17 Satz 2 TzBfG iVm. einer entsprechenden Anwendung von § 6 Satz 1 KSchG geltend machen. Dies hat das Landesarbeitsgericht verkannt.
1. Nach § 17 Satz 2 TzBfG ist ua. § 6 KSchG entsprechend anzuwenden.
a) Die entsprechende Anwendung des § 6 Satz 1 KSchG nach § 17 Satz 2 TzBfG hat zum einen zur Folge, dass der Arbeitnehmer bis zum Schluss der
mündlichen Verhandlung erster Instanz die Unwirksamkeit der Befristung aus anderen Gründen als denjenigen geltend machen kann, die er innerhalb der
dreiwöchigen Klagefrist benannt hat. Auch im Befristungskontrollrecht muss der Arbeitnehmer alle anderen Unwirksamkeitsgründe grundsätzlich im ersten
Rechtszug geltend machen. Eine andere Würdigung als im Kündigungsschutzrecht ist wegen des identischen Zwecks der Klagefrist des § 17 Satz 1 TzBfG und
der entsprechenden Anwendung der verlängerten Anrufungsfrist nach § 17 Satz 2 TzBfG, § 6 Satz 1 KSchG nicht geboten (vgl. hierzu BAG 4. Mai 2011 - 7
AZR 252/10 - Rn. 16, EzA KSchG § 6 Nr. 3).
b) Die entsprechende Anwendung des § 6 Satz 1 KSchG nach § 17 Satz 2 TzBfG hat zum anderen zur Folge, dass die Rechtsunwirksamkeit einer konkreten
Befristung nicht nur durch eine den Anforderungen des § 17 Satz 1 TzBfG entsprechende Klage innerhalb von drei Wochen nach dem vereinbarten Ende des
befristeten Arbeitsvertrags geltend gemacht werden kann. Die Klagefrist kann auch dadurch gewahrt sein, dass der Arbeitnehmer bis zum Schluss der
mündlichen Verhandlung erster Instanz einen Befristungskontrollantrag stellt und er innerhalb der Dreiwochenfrist auf anderem Weg gerichtlich geltend
gemacht hat, dass die nach diesem Antrag streitgegenständliche Befristung rechtsunwirksam ist.
aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum Kündigungsschutzrecht ist § 6 KSchG entsprechend anzuwenden, wenn der Arbeitnehmer im
Weg einer Leistungsklage aus der Unwirksamkeit einer Kündigung folgende Lohnansprüche oder seine Weiterbeschäftigung für einen Zeitraum nach Zugang
der Kündigung innerhalb von drei Wochen gerichtlich geltend gemacht hat (vgl. BAG 23. April 2008 - 2 AZR 699/06 - Rn. 23 mwN, AP KSchG 1969 § 4 Nr.
65 = EzA KSchG § 4 nF Nr. 84). Zweck des § 4 KSchG ist es, frühzeitig Rechtsklarheit und -sicherheit zu schaffen. § 6 KSchG will demgegenüber den - häufig
rechtsunkundigen - Arbeitnehmer vor einem unnötigen Verlust seines Kündigungsschutzes aus rein formalen Gründen schützen. Dementsprechend ist es nach
§§ 4, 6 KSchG erforderlich, aber auch ausreichend, dass der Arbeitnehmer durch eine rechtzeitige Anrufung des Arbeitsgerichts seinen Willen, sich gegen die
Wirksamkeit einer Kündigung wehren zu wollen, genügend klar zum Ausdruck bringt. Dieser Wille des Arbeitnehmers, eine Beendigung seines
Arbeitsverhältnisses nicht zu akzeptieren und das Arbeitsverhältnis auch in Zukunft fortsetzen zu wollen, kann während der dreiwöchigen Klagefrist auch auf
andere Weise als durch einen ausdrücklichen, auf eine bestimmte Kündigung gerichteten Klageantrag für den Kündigenden hinreichend klar zum Ausdruck
kommen, beispielsweise indem der Arbeitnehmer eine Leistungsklage erhoben hat, deren Anspruch zwingend die Unwirksamkeit der ausgesprochenen
Kündigung voraussetzt (vgl. BAG 23. April 2008 - 2 AZR 699/06 - Rn. 24 mwN, aaO).
bb) Diesem Regelungszweck dient § 6 Satz 1 KSchG auch nach Novellierung des Kündigungsschutzgesetzes durch das Arbeitsmarktreformgesetz vom 24.
Dezember 2003 (BGBl. I S. 3002 [am 1. Januar 2004 in Kraft getretenes KSchG nF]). Die Vorschrift erfasst zwar seitdem in ihrer unmittelbaren Anwendung
nicht länger einen Antragswechsel vom allgemeinen Feststellungsantrag iSv. § 256 Abs. 1 ZPO zum punktuellen Antrag oder - in Analogie zu § 6 Satz 1
KSchG - den umgekehrten Wechsel (vgl. BAG 4. Mai 2011 - 7 AZR 252/10 - Rn. 28 mwN, EzA KSchG § 6 Nr. 3). Der Gesetzgeber wollte aber trotz der
redaktionell missglückten Fassung des § 6 KSchG nF unverändert sicherstellen, dass die Unwirksamkeit einer Kündigung nicht zwingend durch eine
Kündigungsschutzklage innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigungserklärung geltend gemacht werden muss, sondern die Klagefrist auch dann
gewahrt sein kann, wenn der Arbeitnehmer innerhalb der dreiwöchigen Frist auf anderem Weg geltend gemacht hat, dass eine unwirksame Kündigung vorliege.
Das Interesse des Arbeitgebers an einer schnellen Klärung der Rechtslage und sein Vertrauen in den Bestand der ausgesprochenen Kündigung wird hierdurch
regelmäßig nicht bzw. nur geringfügig berührt und muss unter Berücksichtigung des Sinn und Zwecks des § 6 Satz 1 KSchG nF zurücktreten (vgl. BAG 23.
April 2008 - 2 AZR 699/06 - Rn. 24 mwN, AP KSchG 1969 § 4 Nr. 65 = EzA KSchG § 4 nF Nr. 84). Auf diese entsprechende Anwendung der verlängerten
Anrufungsfrist von § 6 Satz 1 KSchG nF erstreckt sich die in § 17 Satz 2 TzBfG angeordnete entsprechende Anwendung der Vorschrift. Wegen des identischen
Zwecks der Klagefrist des § 17 Satz 1 TzBfG und der entsprechenden Anwendung der verlängerten Anrufungsfrist nach § 17 Satz 2 TzBfG, § 6 KSchG
verbietet sich bei der entsprechenden Anwendung von § 6 Satz 1 KSchG nF im Befristungskontrollrecht eine andere Würdigung als im Kündigungsschutzrecht
(zu § 6 KSchG in der bis zum 31. Dezember 2003 geltenden Fassung ebenso: BAG 16. April 2003 - 7 AZR 119/02 - zu I 3 b der Gründe, BAGE 106, 72). Es
wäre nicht gerechtfertigt, § 6 KSchG nF im Kündigungsschutzverfahren einen weitreichenderen Anwendungsbereich beizumessen als im
Befristungskontrollrechtsstreit. Dies widerspräche im Übrigen auch der Intention von § 17 Satz 2 TzBfG. Nach den Gesetzesmaterialien zu § 1 Abs. 5 des bis
zum 31. Dezember 2000 geltenden Gesetzes über arbeitsrechtliche Vorschriften zur Beschäftigungsförderung in der am 1. Oktober 1996 in Kraft getretenen
Fassung (BeschFG 1996, BGBl. I S. 1478), mit dessen Satz 1 erstmals eine allgemeine Klagefrist zur Feststellung der Unwirksamkeit der Befristung eines
Arbeitsvertrags von drei Wochen nach dem vereinbarten Ende des Arbeitsverhältnisses geregelt und in dessen Satz 2 auf eine entsprechende Geltung der §§ 5
bis 7 KSchG verwiesen worden ist, soll die Unwirksamkeit einer Befristungsabrede nicht nur durch eine Feststellungsklage innerhalb von drei Wochen nach
dem vereinbarten Ende der Befristung geltend gemacht werden können. Die Dreiwochenfrist soll vielmehr auch gewahrt werden können, wenn innerhalb dieser
Frist aus anderen Gründen auf dem Klageweg geltend gemacht wird, dass eine wirksame Befristung nicht vorliegt, etwa durch eine Lohnklage (vgl. die -
umgesetzte - Beschlussempfehlung und den Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung vom 26. Juni 1996 zur Änderung des Gesetzes über
arbeitsrechtliche Vorschriften zur Beschäftigungsförderung: BT-Drucks. 13/5107 S. 11, 31). § 17 Satz 1 und Satz 2 TzBfG schreiben im Wesentlichen
wortgleich die Vorgängerregelungen von § 1 Abs. 5 Satz 1 und Satz 2 BeschFG 1996 fort; Sinn und Zweck der nunmehr geltenden Bestimmungen zur
rechtzeitigen Erhebung einer Befristungskontrollklage sind damit nicht anders zu verstehen.
2. Nach diesen Grundsätzen ist hier nach § 17 Satz 2 TzBfG iVm. § 6 Satz 1 KSchG (entsprechend) die Dreiwochenfrist des § 17 Satz 1 TzBfG gewahrt.
a) Es kann offenbleiben, ob eine innerhalb von drei Wochen nach dem Ende des befristeten Arbeitsvertrags erhobene, auf den Bestand eines unbefristeten
Arbeitsverhältnisses gerichtete allgemeine Feststellungsklage nach § 256 Abs. 1 ZPO in jedem Fall die Klagefrist nach § 17 Satz 1 und Satz 2 TzBfG für die
letzte, innerhalb der verlängerten Anrufungsfrist nach § 6 Satz 1 KSchG (entsprechend) konkret zum Gegenstand der Klage gemachte Befristungsabrede wahrt.
Jedenfalls wenn, wie vorliegend, in der Klagebegründung zu dem innerhalb der Dreiwochenfrist beim Arbeitsgericht erhobenen allgemeinen
Feststellungsantrag die später streitgegenständliche Befristungsabrede ausdrücklich bezeichnet ist, ist eine entsprechende Anwendung von § 6 Satz 1 KSchG
iVm. § 17 Satz 2 TzBfG gerechtfertigt. Soweit der Senat in einer früheren Entscheidung angenommen hat, dass ein allgemeiner Feststellungsantrag iSd. § 256
Abs. 1 ZPO die Klagefrist des § 17 Satz 1 TzBfG nicht zu wahren vermag (ausf. BAG 16. April 2003 - 7 AZR 119/02 - zu I 1 a der Gründe, BAGE 106, 72),
betraf dies eine Fallgestaltung, in der der Kläger - anders als im vorliegenden Streitfall - bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz keinen
Befristungskontrollantrag iSv. § 17 Satz 1 TzBfG gestellt hat.
b) Der Kläger hat in seiner Klageschrift die (nunmehr) streitgegenständliche Befristungsabrede vom 10. September 2008 angeführt. Deren Unwirksamkeit wäre
Voraussetzung dafür gewesen, dem - nicht mehr streitgegenständlichen, aber ursprünglich anhängig gemachten - allgemeinen Feststellungsbegehren
stattzugeben. Dem beklagten Land musste damit bereits mit dem Feststellungsbegehren hinreichend deutlich geworden sein, dass der Kläger die Beendigung
seines Arbeitsverhältnisses nicht, auch nicht aufgrund der Befristung zum 31. März 2009, akzeptiert. Der noch vor Schluss der mündlichen Verhandlung erster
Instanz gestellte, auf die Unwirksamkeit dieser Befristungsabrede zielende, Befristungskontrollantrag wahrt damit in entsprechender Anwendung von § 6 Satz 1
KSchG iVm. § 17 Satz 2 TzBfG die Klagefrist des § 17 Satz 1 TzBfG.
III. Da die Klage demnach nicht mit der Begründung abgewiesen werden kann, der Kläger habe die Rechtsunwirksamkeit der Befristung zum 31. März 2009
nicht rechtzeitig iSv. § 17 Satz 1 TzBfG geltend gemacht, wird das Landesarbeitsgericht die Zulässigkeit dieser Befristung nach § 14 Abs. 1 Satz 1 TzBfG
prüfen müssen. Da es - aus seiner Sicht konsequent - die zugrunde liegenden Tatsachen zumindest nicht abschließend festgestellt hat, wird es dies nachzuholen
haben. Die Sache ist daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, § 563 Abs. 1 ZPO. Das Landesarbeitsgericht
wird bei der nachzuholenden Prüfung zu berücksichtigen haben, dass sich das beklagte Land zur Rechtfertigung der Befristung nicht allein auf den Umstand
einer Finanzierung des letzten Vertrags mit dem Kläger aus Studienbeiträgen berufen hat. Es hat vielmehr die „Notwendigkeit der vorläufigen Überbrückung
der Einarbeitungsphase einer zum 1. Februar 2008 berufenen Professorin und wegen einer zum 1. Oktober 2008 besetzten halben Qualifikationsstelle", „einen
tatsächlichen vorübergehenden Mehrbedarf für das Wintersemester 2008/09 von 7 LVS", „die vorübergehende zusätzliche Mehrbelastung in der Mathematik
wegen der laufenden Umstellung und Neuausrichtung des Faches Mathematik weg von der fachwissenschaftlichen Richtung hin zu einem fachdidaktischen
Schwerpunkt" und „die sich schon zum Wintersemester 2008/09 konkret abzeichnende Schließung des A-Faches Mathematik wegen geringer Nachfrage"
betont. Dies deutet auf einen nur vorübergehend bestehenden betrieblichen Bedarf an der Arbeitsleistung des Klägers iSv. § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TzBfG, der
allerdings durch näheren Tatsachenvortrag zu begründen wäre. ..." (BAG, Urteil vom 15.05.2012 - 7 AZR 6/11)
***
Das Arbeitsgericht genügt der Hinweispflicht des § 6 Satz 2 KSchG auf die Präklusionsvorschrift des § 6 Satz 1 KSchG, wenn es den Arbeitnehmer darauf
hinweist, dass er sich bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz zur Begründung der Unwirksamkeit der Kündigung auch auf innerhalb der
Klagefrist des § 4 KSchG nicht geltend gemachte Gründe berufen kann. Hinweise des Arbeitsgerichts auf konkrete Unwirksamkeitsgründe sind unter dem
Gesichtspunkt des § 6 Satz 2 KSchG auch dann nicht geboten, wenn im Laufe des erstinstanzlichen Verfahrens deutlich wird, dass Unwirksamkeitsgründe in
Betracht kommen, auf die sich der Arbeitnehmer bisher nicht berufen hat.(Rn.14) Die Pflicht zu derartigen Hinweisen kann sich allerdings aus der in § 139
ZPO geregelten materiellen Prozessleitungspflicht des Gerichts ergeben (BAG, Urteil vom 18.01.2012 - 6 AZR 407/10).
***
„... b) Der Senat kann offenlassen, ob die Klägerin mit dem in zweiter Instanz durch Anschlussberufung gestellten Bedingungskontrollantrag die verlängerte
Anrufungsfrist der §§ 21, 17 Satz 2 TzBfG, § 6 Satz 1 KSchG gewahrt hat.
aa) Nach §§ 21, 17 Satz 2 TzBfG ist § 6 KSchG entsprechend anzuwenden. Die entsprechende Anwendung des § 6 Satz 1 KSchG nach §§ 21, 17 Satz 2 TzBfG
hat zur Folge, dass der Arbeitnehmer bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz die Unwirksamkeit der Bedingung aus anderen Gründen als
denjenigen geltend machen kann, die er innerhalb der dreiwöchigen Klagefrist benannt hat. Auch im Bedingungskontrollrecht muss der Arbeitnehmer alle
anderen Unwirksamkeitsgründe grundsätzlich im ersten Rechtszug geltend machen. Eine andere Würdigung als im Kündigungsschutzrecht ist wegen des
identischen Zwecks der Klagefrist des § 17 Satz 1 TzBfG und der entsprechenden Anwendung der verlängerten Anrufungsfrist nach §§ 21, 17 Satz 2 TzBfG, §
6 Satz 1 KSchG nicht geboten (vgl. für die Befristungskontrolle BAG 4. Mai 2011 - 7 AZR 252/10 - Rn. 16, EzA-SD 2011 Nr. 20, 3). Welche Anforderungen
an die Geltendmachung der Unwirksamkeit einer Bedingung zu stellen sind, ist noch nicht abschließend geklärt (vgl. dazu im Kündigungsschutzrecht die
strengen Anforderungen von BAG 8. November 2007 - 2 AZR 314/06 - Rn. 18 ff., BAGE 124, 367). Nach § 6 Satz 2 KSchG soll das Arbeitsgericht den
Arbeitnehmer auf die verlängerte Anrufungsfrist des § 6 Satz 1 KSchG hinweisen. Der Senat hat mit Urteil vom 4. Mai 2011 entschieden, dass bei einem
Verstoß des Arbeitsgerichts gegen die Hinweispflicht keine Zurückverweisungspflicht des Landesarbeitsgerichts besteht (vgl. im Einzelnen BAG 4. Mai 2011 -
7 AZR 252/10 - Rn. 15 ff. mwN, aaO).
bb) Hier kann dahinstehen, ob die Klägerin den unterbliebenen Eintritt der Bedingung im ersten Rechtszug geltend gemacht und das Arbeitsgericht gegen seine
Hinweispflicht verstoßen hat. Sollte das Arbeitsgericht seine Hinweispflicht aus §§ 21, 17 Satz 2 TzBfG, § 6 Satz 2 KSchG verletzt haben, wäre die Klägerin
damit ausgeschlossen, sich auf die Unwirksamkeit oder den unterbliebenen Eintritt der Bedingung zu berufen. Der Senat kann jedoch zugunsten der Klägerin
unterstellen, dass das Arbeitsgericht seine Hinweispflicht verletzt hat. Das Landesarbeitsgericht hat in diesem Fall zu Recht in eigener Prüfungskompetenz
angenommen, die Bedingung in § 37 Abs. 4 Unterabs. 1 MTV-DP AG sei wirksam und eingetreten. Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts trat die
Beendigungswirkung allerdings nicht schon mit dem 31. Januar 2009, sondern erst mit dem 14. Februar 2009 ein.
cc) Die auflösende Bedingung des § 37 Abs. 4 Unterabs. 1 MTV-DP AG ist wirksam.
(1) Nach § 37 Abs. 4 Unterabs. 1 MTV-DP AG endet das Arbeitsverhältnis „nach Zugang der Mitteilung zur Betriebsrente gemäß Tarifvertrag zur Regelung
des Besitzstandes aus der bisherigen VAP-Zusatzversorgung, die aufgrund des Leistungsfalls gemäß § 3 Buchstabe c) des Tarifvertrages zur Regelung des
Besitzstandes aus der bisherigen VAP-Zusatzversorgung gewährt wird, mit Ablauf des Vormonats des ersten Rentenzahlmonats laut der Mitteilung zur
Betriebsrente". § 3 Buchst. c Satz 1 TV BZV bestimmt, dass Betriebsrente nach diesem Tarifvertrag gezahlt wird wegen Postbeschäftigungsunfähigkeit.
Postbeschäftigungsunfähigkeit liegt nach § 3 Buchst. c Satz 2 TV BZV vor, wenn der Betriebs- oder Amtsarzt feststellt, dass der Arbeitnehmer infolge eines
körperlichen Gebrechens oder wegen Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte zur Erfüllung seiner arbeitsvertraglichen Pflichten dauerhaft unfähig ist.
(2) § 37 Abs. 4 Unterabs. 1 MTV-DP AG dient ebenso wie zB § 59 Abs. 1 BAT dem Schutz des Arbeitnehmers, der aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr
imstande ist, seine bisherige Tätigkeit zu versehen, und bei dem die Gefahr besteht, dass sich sein Gesundheitszustand verschlechtert, wenn er seine Tätigkeit
fortsetzt. Ferner will die Tarifvorschrift dem berechtigten Interesse des Arbeitgebers Rechnung tragen, sich von einem Arbeitnehmer zu trennen, der
gesundheitsbedingt nicht mehr in der Lage ist, seine arbeitsvertraglich geschuldete Leistung zu erbringen. Diese berechtigten Interessen beider
Arbeitsvertragsparteien sind grundsätzlich geeignet, einen sachlichen Grund für die auflösende Bedingung abzugeben (vgl. zu der Vorgängernorm des § 25 II
Abs. 1 TV Arb BAG 6. Dezember 2000 - 7 AZR 302/99 - zu B II 2 der Gründe, AP TVG § 1 Tarifverträge: Deutsche Post Nr. 3 = EzA BGB § 620 Bedingung
Nr. 16).
(3) Sinn und Zweck der Tarifvorschrift sowie verfassungsrechtliche Gesichtspunkte verlangen jedoch insofern eine einschränkende Auslegung, als eine
Beendigung des Arbeitsverhältnisses grundsätzlich dann nicht eintritt, wenn der Arbeitnehmer noch auf seinem oder einem anderen, ihm nach seinem
Leistungsvermögen zumutbaren freien Arbeitsplatz weiterbeschäftigt werden könnte (vgl. zu der Vorgängerbestimmung des § 25 II Abs. 1 TV Arb näher BAG
6. Dezember 2000 - 7 AZR 302/99 - zu B II 3 der Gründe, AP TVG § 1 Tarifverträge: Deutsche Post Nr. 3 = EzA BGB § 620 Bedingung Nr. 16).
(4) Grundsätzlich ist erst die mit dem Bezug dauerhafter Rentenleistungen verbundene wirtschaftliche Absicherung des Arbeitnehmers geeignet, die
Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund auflösender Bedingung zu rechtfertigen. Eine Rentenbewilligung, die zu keiner rentenrechtlichen Absicherung
des Arbeitnehmers führt, ist daher als Auflösungstatbestand ungeeignet. Eine rentenrechtliche Absicherung ist jedenfalls dann ausreichend, wenn die Rente der
Höhe nach eine wirtschaftliche Absicherung darstellt, der Arbeitnehmer die einmal bezahlte Rente auch behalten darf, wenn die Anspruchsvoraussetzungen
später entfallen, und seine Interessen in diesem Fall auch im Übrigen hinreichend berücksichtigt sind (vgl. im Einzelnen BAG 6. Dezember 2000 - 7 AZR
302/99 - zu B II 4 a der Gründe, AP TVG § 1 Tarifverträge: Deutsche Post Nr. 3 = EzA BGB § 620 Bedingung Nr. 16).
(5) Der in § 37 Abs. 4 Unterabs. 1 MTV-DP AG enthaltene Auflösungstatbestand der Bewilligung einer Betriebsrente aus der bisherigen
VAP-Zusatzversorgung ist mit einer ausreichenden rentenrechtlichen Absicherung des Arbeitnehmers verbunden. Das gilt auch in den Fällen, in denen die
Betriebsrente nicht aufgrund eines durch Bescheid des Rentenversicherungsträgers belegten Versicherungsfalls, sondern - wie hier - nach § 3 Buchst. c Satz 1
TV BZV aufgrund des Eintritts des Versicherungsfalls bewilligt wurde, der durch den Betriebs- oder Amtsarzt festgestellt wurde (vgl. zu der
Vorgängerbestimmung des § 25 II Abs. 1 TV Arb detailliert BAG 6. Dezember 2000 - 7 AZR 302/99 - zu B II 4 b der Gründe, AP TVG § 1 Tarifverträge:
Deutsche Post Nr. 3 = EzA BGB § 620 Bedingung Nr. 16).
(6) Die Tarifvertragsparteien haben die Interessen des Arbeitnehmers auch dann hinreichend berücksichtigt, wenn die VAP-Rente später erlischt. Die in § 37
Abs. 4 Unterabs. 2 MTV-DP AG normierten Wiedereinstellungsansprüche werden dem Bestandsschutzinteresse der Arbeitnehmer gerecht. Sie sind unbedingt
ausgestaltet und setzen nicht voraus, dass ein freier Arbeitsplatz besteht. Nicht zu beanstanden ist auch, dass die Tarifvertragsparteien den unterschiedlichen
Bestandsschutz von ordentlich kündbaren und ordentlich unkündbaren Arbeitnehmern verschieden berücksichtigt haben. Nur Arbeitnehmer, die bei ihrem
Ausscheiden ordentlich unkündbar sind, sind nach § 37 Abs. 4 Unterabs. 2 Satz 2 MTV-DP AG zu gleichwertigen Bedingungen wiedereinzustellen (vgl. zu der
Vorgängernorm des § 25 II Abs. 1 TV Arb näher BAG 6. Dezember 2000 - 7 AZR 302/99 - zu B II 4 b cc der Gründe, AP TVG § 1 Tarifverträge: Deutsche
Post Nr. 3 = EzA BGB § 620 Bedingung Nr. 16).
dd) Die auflösende Bedingung des § 37 Abs. 4 Unterabs. 1 MTV-DP AG ist eingetreten.
(1) Der Klägerin wurde mit Schreiben der Niederlassung Renten Service vom 30. Januar 2009 eine Betriebsrente aus der bisherigen VAP-Zusatzversorgung
iSv. § 37 Abs. 4 Unterabs. 1 MTV-DP AG und zusätzlich eine der sog. Versicherungsrente entsprechende Leistung bewilligt. Die zusätzliche Leistung beruht
auf der Protokollnotiz zu § 2 Abs. 4 TV BZV viertletzter Abs. Danach wird zusätzlich ein Aufstockungsbetrag multipliziert mit einem Dynamisierungsfaktor
gezahlt, solange der Betriebsrentenempfänger keine Leistungen auf Altersrente oder volle Erwerbsminderungsrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung erhält.
(2) Dem Eintritt der auflösenden Bedingung steht nicht entgegen, dass die Rente als vorläufige Betriebsrentenleistung bezeichnet wurde und die Zahlung unter
dem Vorbehalt zu viel gezahlter Beträge erfolgte. Wie sich aus dem Schreiben vom 30. Januar 2009 ergibt, bezogen sich die Vorläufigkeit und der Vorbehalt
nicht auf die Bewilligung selbst, sondern lediglich darauf, dass eine endgültige Festsetzung der Höhe nach zunächst nicht möglich war. Es fehlten noch Daten
für die endgültige Berechnung der betrieblichen Altersversorgung (vgl. zu dem Problem auch BAG 6. Dezember 2000 - 7 AZR 302/99 - zu B III 1 der Gründe,
AP TVG § 1 Tarifverträge: Deutsche Post Nr. 3 = EzA BGB § 620 Bedingung Nr. 16).
(3) Der Senat ist nicht an einer abschließenden Entscheidung gehindert, obwohl der Zeitpunkt des Zugangs des Schreibens vom 30. Januar 2009, mit dem die
Rente bewilligt wurde, nicht feststeht. Die Tatsache des Zugangs ist festgestellt. Der erste Rentenzahlmonat war der Februar 2009.
(4) Die Würdigung des vom Arbeitsgericht eingeholten Sachverständigengutachtens durch das Berufungsgericht dahin, die Klägerin habe nicht anderweitig
beschäftigt werden können, hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.
(a) Eine vom Berufungsgericht nach § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO vorgenommene Würdigung des gesamten Inhalts der Verhandlung und des Ergebnisses einer
Beweisaufnahme ist durch das Revisionsgericht nur begrenzt überprüfbar. Das Revisionsgericht kann lediglich prüfen, ob das Berufungsgericht die
Voraussetzungen und Grenzen des § 286 ZPO gewahrt und eingehalten hat. Revisionsrechtlich von Bedeutung ist nur, ob das Berufungsgericht den gesamten
Inhalt der Verhandlung berücksichtigt und alle erhobenen Beweise gewürdigt hat, ob die Beweiswürdigung in sich widerspruchsfrei und ohne Verletzung von
Denkgesetzen sowie allgemeinen Erfahrungssätzen erfolgt ist und sie rechtlich möglich ist. Es genügt, dass das Berufungsgericht insgesamt widerspruchsfrei
und umfassend zum Ergebnis der Beweisaufnahme Stellung genommen hat. Zu verlangen ist allerdings, dass alle wesentlichen Aspekte der Ausführungen des
Sachverständigen in der Begründung des Gerichts erwähnt und gewürdigt worden sind (vgl. BAG 18. Januar 2007 - 2 AZR 759/05 - Rn. 28 mwN, PatR 2008, 34).
(b) Das Landesarbeitsgericht hat den gesamten Inhalt des Gutachtens umfassend, widerspruchsfrei und frei von Denkfehlern gewürdigt.
(aa) Das Berufungsgericht hat in nicht zu beanstandender Weise darauf hingewiesen, dass der Sachverständige ausgeführt habe, aufgrund des aktuellen
Kniebefunds sei ein Bezirk, der überhaupt keine Stufen enthalte, noch ausreichend zu bewältigen. Das Erfordernis, mehr als zehn Treppenstufen pro Tour
bewältigen zu müssen, sei für die Klägerin aufgrund der Kniebefunde zu vermeiden. Daraus hat das Landesarbeitsgericht den Schluss gezogen, dass nicht nur
die mit der Änderung des Zustellbezirks verbundene Mehrbelastung ab Oktober 2008 mit dem festgestellten Krankheitsbild unvereinbar sei, sondern die
Klägerin die geschuldete Arbeitsleistung als Zustellerin insgesamt nicht mehr erbringen könne. Die Argumentation des Berufungsgerichts, die vom
Sachverständigen angegebene Grenze von zehn Stufen könne in keinem Zustellbezirk eingehalten werden, weil die Klägerin nicht nur Außen-, sondern auch
Innentreppen steigen müsse, um eine ordnungsgemäße Zustellung zu bewirken, lässt weder Denkfehler noch Widersprüche erkennen, sondern ist plausibel und
naheliegend. Gleiches gilt für die Erwägung des Landesarbeitsgerichts, dass deshalb auch eine Beschäftigung der Klägerin in dem früheren Bezirk von Frau K
ausgeschlossen sei, weil auch hier häufig mehr als zehn Treppenstufen hintereinander zu bewältigen seien.
(bb) Die Revision hat dagegen keine erheblichen Rügen erhoben. Soweit sie beanstandet, das Landesarbeitsgericht habe verkannt, dass der Gutachter lediglich
Empfehlungen ausgesprochen habe, trifft das nicht zu. Dabei kann dahinstehen, ob der Gutachter einen absoluten Grenzwert an Treppenstufen festgelegt hat,
den die Klägerin noch bewältigen kann. Er hat jedenfalls deutlich zum Ausdruck gebracht, dass jegliches Treppensteigen für die Klägerin aus gesundheitlichen
Gründen problematisch ist und mehr als zehn Stufen aus medizinischer Sicht unzumutbar sind.
(cc) Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts ist auch nicht deswegen unvollständig, weil es nicht oder unzutreffend berücksichtigt hat, dass der
Sachverständige ausgeführt hat, es sei aus medizinischer Sicht ausreichend wahrscheinlich, dass die Klägerin die Arbeitssituation wie in der Zeit vor 2006 noch
ausreichend bewältigen könne. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, diese Aussage sei unter Verkennung der realen Gegebenheiten erfolgt, ist
revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Sie beruht entgegen der Auffassung der Revision nicht auf der unzutreffenden Unterstellung des Berufungsgerichts, der
Sachverständige sei hinsichtlich der vor 2006 zugewiesenen Zustellbezirke allein von den falschen tatsächlichen Schilderungen der Klägerin ausgegangen. Der
Sachverständige legt in seinem Gutachten ausdrücklich seine tatsächlichen Annahmen dar. Danach ist er davon ausgegangen, die Klägerin habe in der
konkreten Arbeitssituation vor 2006 am Anfang der Tour überhaupt keine Stufen gehen müssen. In der Mitte der Tour habe es ein Haus mit neun Stufen
gegeben und darüber hinaus gelegentlich auch ein Haus mit einer Stufe. Er nahm also an, in dem früheren Bezirk sei nur einmal eine größere Zahl von Stufen
angefallen und das auch nur in der Mitte der Tour. Dieser Ausgangspunkt ist nach den getroffenen Feststellungen schon deshalb unzutreffend, weil wegen der
dabei nicht berücksichtigten Innentreppen auch in dem damaligen Zustellbezirk mehr als zehn Treppenstufen zu bewältigen waren. Das Landesarbeitsgericht
hat unangegriffen festgestellt, dass jedenfalls einige Male im Monat zuzustellende Schriftstücke persönlich übergeben werden müssten und die Zahl von zehn
Stufen dann erheblich überschritten werde. Auf die Frage, ob es sich um Außen- oder Innentreppenstufen handelt, kommt es nicht an.
(dd) Nicht zu beanstanden ist ferner die Argumentation des Berufungsgerichts, der Beklagten könne nicht zugemutet werden, auf eine persönliche Zustellung zu
verzichten oder persönlich auszuhändigende Schriftstücke von einem anderen Zusteller austragen zu lassen. Dagegen wendet sich die Revision auch nicht.
(5) Das Landesarbeitsgericht ist frei von Rechtsfehlern davon ausgegangen, dass andere als die vertraglichen, dem Leistungsvermögen der Klägerin angepassten
Beschäftigungsmöglichkeiten nicht zur Verfügung stehen. Es hat zu Recht angenommen, dass eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit fehlt, obwohl die Beklagte
kein ausreichendes betriebliches Eingliederungsmanagement durchgeführt hat. Die Beklagte ist ihrer deswegen gesteigerten Darlegungslast für fehlende
anderweitige leidensgerechte Einsatzmöglichkeiten nachgekommen. Die Klägerin hätte nun ihrerseits darlegen müssen, wie sie sich ihre Weiterbeschäftigung vorstellt.
(a) Nach § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX haben schwerbehinderte Menschen gegenüber ihrem Arbeitgeber Anspruch auf behinderungsgerechte Beschäftigung,
damit sie ihre Fähigkeiten und Kenntnisse möglichst voll verwerten und weiterentwickeln können. Der Arbeitgeber erfüllt diesen Anspruch regelmäßig, wenn
er dem Arbeitnehmer die im Arbeitsvertrag vereinbarte Arbeit zuweist. Kann der schwerbehinderte oder gleichgestellte Arbeitnehmer die damit verbundenen
Tätigkeiten wegen seiner Schwerbehinderung oder Gleichstellung nicht mehr ausführen, führt dieser Verlust nach der Konzeption der §§ 81 ff. SGB IX nicht
ohne Weiteres dazu, dass der Beschäftigungsanspruch entfällt. Der schwerbehinderte Arbeitnehmer kann vielmehr Anspruch auf anderweitige Beschäftigung
haben. Der Arbeitgeber ist nicht zur anderweitigen Beschäftigung des schwerbehinderten oder gleichgestellten Menschen verpflichtet, wenn eine anderweitige
Beschäftigung zwar in Betracht kommt, sie ihm aber unzumutbar oder mit unverhältnismäßig hohen Aufwendungen verbunden ist (§ 81 Abs. 4 Satz 3 SGB
IX). Der Arbeitgeber ist auch nicht gehalten, für den schwerbehinderten Menschen einen zusätzlichen Arbeitsplatz einzurichten (vgl. BAG 4. Oktober 2005 - 9
AZR 632/04 - Rn. 23, BAGE 116, 121).
(b) Der Arbeitnehmer, der Ansprüche aus § 81 Abs. 4 SGB IX geltend macht, hat nach allgemeinen Regeln grundsätzlich die Darlegungs- und Beweislast für
die anspruchsbegründenden Voraussetzungen. Dem Arbeitgeber obliegt es, die anspruchshindernden Umstände vorzutragen. Etwas anderes gilt aber, wenn der
Arbeitgeber seinen Pflichten zur rechtzeitigen Beteiligung des Integrationsamts und der Schwerbehindertenvertretung im Präventionsverfahren nach § 84 Abs.
1 SGB IX nicht nachgekommen ist. § 84 Abs. 1 SGB IX verlangt dem Arbeitgeber ab, bei personen-, verhaltens- oder betriebsbedingten Schwierigkeiten, die
das Arbeitsverhältnis gefährden können, unter Beteiligung des Integrationsamts und der Schwerbehindertenvertretung nach Lösungen zu suchen, um die
Schwierigkeiten zu beseitigen. Die Beteiligung dieser Stellen soll gewährleisten, dass alle Möglichkeiten zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses fachkundig
untersucht werden und deren technische und wirtschaftliche Realisierbarkeit geprüft wird. Verletzt der Arbeitgeber seine gesetzlichen Erörterungspflichten und
verhindert er damit die Durchführung des Präventionsverfahrens, hat das Folgen für die Darlegungslast. Hat der Arbeitgeber seine Pflichten aus § 84 Abs. 1
SGB IX nicht erfüllt, kann er sich nicht darauf berufen, er habe nicht gewusst, wie er einen behinderungsgerechten Arbeitsplatz habe ausstatten sollen (vgl.
BAG 4. Oktober 2005 - 9 AZR 632/04 - Rn. 30, BAGE 116, 121).
(c) Auch die Verletzung der Verpflichtung zur Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements nach § 84 Abs. 2 SGB IX führt zu einer
veränderten Darlegungslast. Wäre ein positives Ergebnis des betrieblichen Eingliederungsmanagements möglich gewesen, kann sich der Arbeitgeber nicht
darauf beschränken vorzutragen, er kenne keine alternativen Einsatzmöglichkeiten für den beeinträchtigten Arbeitnehmer und es gebe keine leidensgerechten
Arbeitsplätze, die dieser trotz seiner Erkrankung noch einnehmen könne. Er hat vielmehr von sich aus denkbare oder vom Arbeitnehmer bereits benannte
Alternativen zu würdigen und im Einzelnen darzulegen, aus welchen Gründen sowohl eine Anpassung des bisherigen Arbeitsplatzes als auch die Beschäftigung
auf einem anderen leidensgerechten Arbeitsplatz ausscheiden (vgl. BAG 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - Rn. 35, EzA SGB IX § 84 Nr. 7; 10. Dezember
2009 - 2 AZR 400/08 - Rn. 19, AP KSchG 1969 § 1 Krankheit Nr. 48 = EzA KSchG § 1 Krankheit Nr. 56). Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass ein
betriebliches Eingliederungsmanagement entbehrlich war, weil es wegen der gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Arbeitnehmers unter keinen Umständen
ein positives Ergebnis hätte erbringen können, trägt der Arbeitgeber. Die objektive Nutzlosigkeit eines betrieblichen Eingliederungsmanagements schränkt die
Pflicht des Arbeitgebers aus § 84 Abs. 2 SGB IX ein, ein betriebliches Eingliederungsmanagement durchzuführen. Es obliegt daher dem Arbeitgeber, die
tatsächlichen Umstände im Einzelnen darzulegen und zu beweisen, aufgrund derer ein betriebliches Eingliederungsmanagement wegen der gesundheitlichen
Beeinträchtigungen des Arbeitnehmers kein positives Ergebnis hätte erbringen können. Dazu muss er umfassend und konkret vortragen, weshalb weder der
weitere Einsatz des Arbeitnehmers auf dem bisher innegehabten Arbeitsplatz noch dessen leidensgerechte Anpassung und Veränderung möglich war und der
Arbeitnehmer auch nicht auf einem anderen Arbeitsplatz bei geänderter Tätigkeit hätte eingesetzt werden können. Erst dann ist es Sache des Arbeitnehmers,
sich darauf substantiiert einzulassen und darzulegen, wie er sich eine leidensgerechte Beschäftigung vorstellt (vgl. BAG 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 -
Rn. 36, aaO).
(d) Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, die Beklagte habe zwar nicht das erforderliche Präventionsverfahren nach § 84 Abs. 1 SGB IX und auch
kein ausreichendes betriebliches Eingliederungsmanagement nach § 84 Abs. 2 SGB IX durchgeführt, sie habe aber ihrer sich daraus ergebenden gesteigerten
Darlegungslast genügt.
(aa) Die Voraussetzungen für die Durchführung des Präventionsverfahrens und des betrieblichen Eingliederungsmanagements nach § 84 Abs. 1 und Abs. 2
SGB IX waren gegeben. Die Klägerin war aus personenbedingten Gründen nicht mehr in der Lage, ihre vertraglich geschuldete Arbeitspflicht zu erfüllen. Das
gefährdete ihr Arbeitsverhältnis. Die Klägerin war innerhalb eines Jahres mehr als sechs Wochen arbeitsunfähig erkrankt. Das betriebliche
Eingliederungsmanagement nach § 84 Abs. 2 SGB IX ist auch dann durchzuführen, wenn keine betriebliche Interessenvertretung iSv. § 93 SGB IX gebildet ist
(vgl. BAG 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - Rn. 28, EzA SGB IX § 84 Nr. 7). Es ist deshalb unschädlich, dass das Berufungsgericht hierzu keine
Feststellungen getroffen hat.
(bb) Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Beklagte ihre aus § 84 Abs. 1 und Abs. 2 SGB IX folgenden Pflichten verletzt hat. Die
Erfüllung dieser Pflichten setzt im Sinne einer Mindestanforderung voraus, dass die zu beteiligenden Stellen, Ämter und Personen einbezogen worden sind,
keine vernünftigerweise in Betracht zu ziehende Anpassungs- und Änderungsmöglichkeit ausgeschlossen wurde und die von den Teilnehmern eingebrachten
Vorschläge sachlich erörtert wurden (vgl. BAG 10. Dezember 2009 - 2 AZR 400/08 - Rn. 21, AP KSchG 1969 § 1 Krankheit Nr. 48 = EzA KSchG § 1
Krankheit Nr. 56). Ein solches Verfahren wurde nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht durchgeführt.
(cc) Die Beklagte hat aber, wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei angenommen hat, ihrer daraus folgenden gesteigerten Darlegungslast hinsichtlich
anderweitiger Einsatzmöglichkeiten genügt und hinreichend vorgetragen, dass auch bei vollständiger Durchführung des betrieblichen
Eingliederungsmanagements keine anderweitige Weiterbeschäftigungsmöglichkeit festgestellt worden wäre. Sie hat sowohl zu den der Entgeltgruppe 3
zugeordneten Positionen als auch zu niedriger eingruppierten Tätigkeiten Stellung genommen. Dabei hat sie sich im Einzelnen mit den Positionen eines
Paketzustellers, einer Schalterkraft im Filialbereich, eines Führers von Kraftfahrzeugen über 7,5 Tonnen und unter 7,5 Tonnen, einer „Servicekraft" und eines
„Mitarbeiters Verkauf 1", eines „Mitarbeiters Verkauf 2", den Positionen in der Abteilung Großeinlieferung, den in der Abteilung Stationäre Arbeiten
angesiedelten Tätigkeiten des Sortierens und Codierens, der Tätigkeit als „Verlader mit Gruppenführertätigkeit" sowie den Positionen von Hausarbeitern,
Lagerarbeitern und Verladekräften auseinandergesetzt. Bezogen auf die von Frau P ausgeübte Tätigkeit hat die Beklagte vorgetragen, dass die Klägerin
Sendungen unter hohem Zeitdruck aus gesundheitlichen Gründen nicht sortieren könne.
(dd) Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, die Beklagte habe nachvollziehbar dargelegt, dass die Klägerin entweder fachlich oder körperlich außerstande
sei, solche Aufgaben zu übernehmen, und alle anderen Arbeitsplätze besetzt seien, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Soweit die Revision rügt, dieser
Vortrag der Beklagten sei nicht einlassungsfähig, ist das nicht nachzuvollziehen. Die Klägerin hätte darlegen können, sie fühle sich etwa zur Sortierarbeit, wie
sie vorübergehend Frau P übertragen wurde, in der Lage oder verfüge über ausreichende Kenntnisse, um als Schalterkraft tätig zu werden. Das Berufungsgericht
hat auch nicht, wie die Revision meint, verkannt, dass der Arbeitgeber prüfen muss, ob eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit auf Arbeitsplätzen besteht, die
durch Umsetzungsketten frei zu machen sind. Das Landesarbeitsgericht ist vielmehr davon ausgegangen, dass die Klägerin entweder fachlich oder
gesundheitlich nicht in der Lage war, eine der von der Beklagten genannten Tätigkeiten auf einem freien oder besetzten Arbeitsplatz auszuüben.
ee) Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete nach §§ 21, 15 Abs. 2 TzBfG zwei Wochen nach dem Zugang der Beendigungsmitteilung am 31. Januar 2009 mit
dem 14. Februar 2009.
(1) Das Arbeitsverhältnis endet nach §§ 21, 15 Abs. 2 TzBfG frühestens zwei Wochen nach Zugang der schriftlichen Unterrichtung des Arbeitnehmers durch
den Arbeitgeber über den Zeitpunkt des Bedingungseintritts. Tritt die Bedingung vor dem Ende dieses Zweiwochenzeitraums ein, endet das Arbeitsverhältnis
erst nach Bedingungseintritt, also nach dem vereinbarten Ende iSv. §§ 21, 17 Satz 1 TzBfG. Das Arbeitsverhältnis wird nach dem vereinbarten Ende
fortgesetzt, ohne dass ein Fall der §§ 21, 15 Abs. 5 TzBfG gegeben wäre (vgl. BAG 6. April 2011 - 7 AZR 704/09 - Rn. 22, EzA-SD 2011 Nr. 18, 5).
(2) Das Arbeitsverhältnis endete hier deswegen mit dem 14. Februar 2009. § 193 BGB findet keine Anwendung (vgl. bspw. ErfK/Müller-Glöge 11. Aufl. § 15
TzBfG Rn. 3 mwN). ..." (BAG, Urteil vom 27.07.2011 - 7 AZR 402/10)
***
Verstößt das Arbeitsgericht gegen die Hinweispflicht aus § 17 Satz 2 TzBfG, § 6 Satz 2 KSchG, hat das Landesarbeitsgericht selbst zu prüfen, ob die
Befristung des Arbeitsvertrags gegen weitere, in der Klagefrist nicht geltend gemachte Unwirksamkeitsgründe verstößt. Es muss die Sache nicht an das
Arbeitsgericht zurückverweisen (BAG, Urteil vom 04.05.2011 - 7 AZR 252/10).
***
Die gesetzlichen Regelungen des Kündigungsschutzgesetzes zur Klagefrist dienen dem Zweck, den Arbeitsvertragsparteien frühzeitig über die Wirksamkeit
bzw. Unwirksamkeit einer Kündigung Klarheit und Rechtssicherheit zu verschaffen. Allerdings will § 6 KSchG den - häufig rechtsunkundigen - Arbeitnehmer
vor einem unnötigen Verlust seines Kündigungsschutzes aus formalen Gründen schützen. Der Wille des Arbeitnehmers, eine Beendigung seines
Arbeitsverhältnisses durch Kündigung nicht zu akzeptieren und sein Arbeitsverhältnis fortführen zu wollen, kann während der dreiwöchigen Klagefrist des § 4
S. 1 KSchG auch ohne einen ausdrücklichen Hinweis auf eine ganz bestimmte Kündigungserklärung für den Kündigenden hinreichend klar zum Ausdruck
kommen, beispielsweise indem der Arbeitnehmer eine Leistungsklage erhoben hat, deren Anspruch zwingend die Unwirksamkeit der ausgesprochenen
Kündigung voraussetzt. Erhebt der Arbeitnehmer gegen eine erste Kündigung zu einem bestimmten Termin Kündigungsschutzklage verbunden mit einem -
vorläufigen - Weiterbeschäftigungsantrag, so wird eine auf dieselben Gründe gestützte zweite spätere, aber zum selben oder sogar einem früheren
Beendigungstermin ausgesprochene Kündigung nicht nach § 7 KSchG wirksam, weil der Kläger diese nicht innerhalb der dreiwöchigen Klagefrist - sondern
erst später - ausdrücklich angegriffen hat (BAG, Urteil vom 23.04.2008 - 2 AZR 699/06).
Hat sich der Arbeitnehmer für den Fall der Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung damit einverstanden erklärt, daß das Arbeitsverhältnis mit Ablauf
der bei einer ordentlichen Kündigung einzuhaltenden Kündigungsfrist endet, bleibt bei der Umdeutung der außerordentlichen in eine ordentliche Kündigung für
die Verlängerung der Anrufungsfrist nach § 6 S. 1 kein Raum. Hat sich der Arbeitnehmer für den Fall der Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung
damit einverstanden erklärt, daß das Arbeitsverhältnis mit Ablauf der bei einer ordentlichen Kündigung einzuhaltenden Kündigungsfrist endet, bleibt bei der
Umdeutung der außerordentlichen in eine ordentliche Kündigung für die Verlängerung der Anrufungsfrist nach § 6 S. 1 kein Raum (BAG, Urteil vom
13.08.1987 - 2 AZR 599/86, NJW 1988, 561).
§ 6 KSchG ist analog anzuwenden, wenn innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Änderungskündigung Änderungsschutzklage gemäß § 4 S. 2 KSchG
erhoben wird und der Kläger in diesem Verfahren bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung erster Instanz die Unwirksamkeit der Änderungskündigung
gemäß § 1 II und III KSchG geltend macht (BAG, Urteil vom 23.03.1983 - 7 AZR 157/81, NJW 1983, 2719).
§ 7 Wirksamwerden der Kündigung
Wird die Rechtsunwirksamkeit einer Kündigung nicht rechtzeitig geltend gemacht (§ 4 Satz 1, §§ 5 und 6), so gilt die Kündigung als von Anfang an
rechtswirksam; ein vom Arbeitnehmer nach § 2 erklärter Vorbehalt erlischt.
Leitsätze:
„... Notwendige Voraussetzung für die Annahme eines Arbeitsverhältnisses ist nach § 611 Abs. 1 BGB, dass sich der Arbeitnehmer vertraglich zur Leistung
von Diensten verpflichtet (BAG 31. Juli 2002 - 7 AZR 181/01 - zu B 1 a der Gründe, AP TzBfG § 4 Nr. 2 = EzA TzBfG § 12 Nr. 1). Allerdings muss die
Arbeitsleistung nicht schon von vornherein festgelegt sein. Die arbeitsvertragliche Vereinbarung kann auch beinhalten, dass der Arbeitgeber die konkrete
Verpflichtung zur Arbeitsleistung erst durch eine einseitige, gemäß § 106 Satz 1 GewO zu treffende Weisung auslöst (vgl. BAG 31. Juli 2002 - 7 AZR 181/01 -
zu B 1 a der Gründe, aaO). Ebenso kann vereinbart werden, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung entsprechend dem Arbeitsanfall zu erbringen hat (vgl.
§ 12 Abs. 1 Satz 1 TzBfG). Demgegenüber ist ein Vertrag, der keine Verpflichtung zur Dienstleistung begründet, kein Dienstvertrag und damit auch kein
Arbeitsvertrag. Daher ist eine Rahmenvereinbarung, welche nur die Bedingungen der erst noch abzuschließenden Arbeitsverträge wiedergibt, selbst aber noch
keine Verpflichtung zur Arbeitsleistung begründet, kein Arbeitsvertrag (BAG 12. November 2008 - 7 ABR 73/07 - Rn. 18; 16. April 2003 - 7 AZR 187/02 - zu
I 1 der Gründe, BAGE 106, 79; 31. Juli 2002 - 7 AZR 181/01 - zu B 1 a der Gründe, aaO).
2. Gemessen daran ist die Rahmenvereinbarung vom 11. Dezember 2000 kein Arbeitsvertrag.
a) Unerheblich ist, dass nach dem Wortlaut der Rahmenvereinbarung kein Arbeitsverhältnis vorliegt, sondern eine Tätigkeit auf selbstständiger Basis vereinbart
ist (Auftragnehmer/Auftraggeber). Dies stünde einer Einordnung des Vertrags als Arbeitsverhältnis nicht entgegen. Denn durch Parteivereinbarung kann die
Bewertung einer Rechtsbeziehung als Arbeitsverhältnis nicht abbedungen und der Geltungsbereich des Arbeitnehmerschutzrechts nicht eingeschränkt werden.
Ist der Betreffende nach dem objektiven Geschäftsinhalt Arbeitnehmer, so können die davon abweichenden Bezeichnungen und Vorstellungen der Parteien
daran nichts ändern. Das gilt erst recht, wenn derartige Verträge nicht ausgehandelt, sondern von der einen Partei vorformuliert werden. Der wirkliche
Geschäftsinhalt ist den ausdrücklich getroffenen Vereinbarungen und der praktischen Durchführung des Vertrags zu entnehmen. Wird ein als freier
Mitarbeitervertrag bezeichnetes Vertragsverhältnis wie ein Arbeitsverhältnis durchgeführt, ist es auch als Arbeitsverhältnis anzusehen (BAG 12. September
1996 - 5 AZR 104/95 - zu I 2 der Gründe, BAGE 84, 124). Ebenso unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass die Vergütung - ohne dass die
Umsatzsteuerpflichtigkeit näher bestimmt war - als Honorar bezeichnet wurde, der Kläger eine Rechnung zu stellen hatte und selbst für die Einhaltung der
steuerlichen Bestimmungen verantwortlich sein sollte.
b) Der Kläger hat jedoch in der Rahmenvereinbarung keine Dienste zugesagt und sich nicht zur Erbringung von Diensten verpflichtet. Der Beklagten wurde
auch nicht das Recht eingeräumt, durch Ausübung eines Leistungsbestimmungsrechts die konkrete Leistungspflicht des Klägers herbeizuführen (BAG 16. April
2003 - 7 AZR 187/02 - zu I 1 der Gründe, BAGE 106, 79). Schon § 1 Abs. 1 der Rahmenvereinbarung verweist ausdrücklich auf den Abschluss einzelner
Vereinbarungen. § 2 Abs. 1 bestimmt, dass die Auftraggeberin dem Auftragnehmer für jede Veranstaltung einen Einzelauftrag erteilt und der Auftragnehmer
unverzüglich erklären wird, ob er den Auftrag annehme. Nach § 2 Abs. 3 Satz 2 ist der Auftragnehmer in der Entscheidung frei, ob er einen Einzelauftrag
annimmt oder ablehnt; ein Anspruch auf Erteilung weiterer Einzelaufträge soll nach Abs. 3 Satz 1 nicht bestehen. Damit entstand eine Verpflichtung noch nicht
aufgrund dieser Rahmenvereinbarung, sondern es bedurfte des Abschlusses von Einzelvereinbarungen.
c) Die tatsächliche Durchführung der Tätigkeit des Klägers entsprach nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des
Landesarbeitsgerichts diesen vertraglichen Bestimmungen.
Der einzelne Einsatz des Klägers erfolgte nicht aufgrund einseitiger Anweisung der Beklagten. Zwar trug sich der Kläger zuletzt nicht mehr in Wunschlisten ein
und ihm wurden auch einzelne Aufträge angeboten, die seinen Wünschen nicht entsprachen. Sein Einsatz erfolgte dennoch stets nach einer zumindest zuvor
getroffenen mündlichen Absprache mit der zuständigen Sachgebietsleiterin. Bezüglich des konkreten Arbeitseinsatzes bestand somit das Konsensprinzip (vgl.
BAG 12. Dezember 1984 - 7 AZR 509/83 - zu II 3 d bb der Gründe, BAGE 47, 314). Damit hatte der Kläger auch in der Vertragspraxis stets die Möglichkeit,
einen von der Beklagten angebotenen Einsatz abzulehnen. Auch wenn man den Vortrag des Klägers als zutreffend unterstellt, dass er dies aus wirtschaftlichen
und finanziellen Gründen nie getan habe, so führt dies nicht zu der Annahme einer rechtlichen Verpflichtung. Eine wirtschaftliche Abhängigkeit kann den
Status eines arbeitnehmerähnlichen Selbstständigen begründen (vgl. am Beispiel des Franchisenehmers: BAG 16. Juli 1997 - 5 AZB 29/96 - zu II 5 der Gründe,
BAGE 86, 178; BSG 4. November 2009 - B 12 R 3/08 - Rn. 27, BSGE 105, 46; BGH 16. Oktober 2002 - VIII ZB 27/02 - zu II 2 b bb der Gründe, BGHZ 152,
213; 4. November 1998 - VIII ZB 12/98 - zu II 2 der Gründe, BGHZ 140, 11). Sie genügt für sich genommen aber nicht, um das Bestehen eines
Arbeitsverhältnisses anzunehmen.
Ein schriftlicher Abschluss der jeweiligen Einzelvereinbarung war nach dem Rahmenvertrag nicht vorgesehen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus Ziffer
1.2. der „Zusätzlichen Vertragsbedingungen der Verwaltung des Deutschen Bundestages". Zwar kommt diese Regelung über die Verweisung in § 6 Abs. 2 der
Rahmenvereinbarung zur Anwendung; sie betrifft aber nur Änderungen und Ergänzungen des Rahmenvertrags selbst. Hier haben die Parteien in Form der
Einzelvereinbarungen jeweils neue Verträge abgeschlossen. Für die Frage, ob der Kläger aufgrund der jeweiligen Einzelabsprache tätig geworden ist, ist es
zudem ohne Belang, ob die mündliche Vereinbarung vor oder erst nach dem Einsatz schriftlich bestätigt worden ist. Der Zeitpunkt der Unterzeichnung wäre -
sollte es sich bei den einzelnen Einsätzen um Arbeitsverhältnisse handeln - nur für die Frage relevant, ob die jeweilige Befristungsabrede dem
Schriftformerfordernis nach § 14 Abs. 4 TzBfG genügt.
3. Entgegen der Auffassung der Revision stellt die Rahmenvereinbarung nach ihrem objektiven Geschäftsinhalt keine unzulässige, zu einem unbefristeten
Dauerarbeitsverhältnis führende Vertragsgestaltung dar.
a) Es liegt weder eine Gesetzesumgehung noch der Missbrauch einer an sich zulässigen rechtlichen Gestaltungsmöglichkeit vor.
Rahmenverträge, die bestimmte Einzelheiten künftig abzuschließender Einzelverträge festlegen, sind außerhalb arbeitsvertraglicher Vertragsbeziehungen
grundsätzlich anerkannt. Sie sind auch bei arbeitsvertraglichen Beziehungen nicht ausgeschlossen. Hieran hält der Senat fest (grundlegend BAG 31. Juli 2002 -
7 AZR 181/01 - zu B 3 a der Gründe mwN, AP TzBfG § 4 Nr. 2 = EzA TzBfG § 12 Nr. 1; kritisch und mit Überblick des Meinungsstands:
Laux/Schlachter/Laux TzBfG 2. Aufl. § 12 Rn. 17 ff.). Es kann durchaus sachgerecht sein, die Bedingungen der noch abzuschließenden Einzelverträge in einer
Rahmenvereinbarung niederzulegen und darauf bei Abschluss der Einzelverträge jeweils Bezug zu nehmen. Die Arbeitsvertragsparteien sind nicht gezwungen,
statt der Kombination von Rahmenvereinbarungen und Einzelarbeitsverträgen ein Abrufarbeitsverhältnis nach § 12 TzBfG zu begründen (BAG 31. Juni 2002 -
7 AZR 181/01 - zu B 3 a der Gründe, aaO). § 12 TzBfG verbietet den Abschluss jeweils befristeter Einzelarbeitsverträge nicht. Die Bestimmung dient dem
Schutz des Arbeitnehmers im Rahmen eines Dauerarbeitsverhältnisses, indem sie zum einen die Festlegung einer bestimmten Dauer der Arbeitszeit vorschreibt,
bzw. bei Fehlen einer Festlegung fingiert (§ 12 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 TzBfG), und zum anderen bestimmt, dass der Arbeitnehmer nur zur Arbeitsleistung
verpflichtet ist, wenn der Arbeitgeber ihm die Lage seiner Arbeitszeit jeweils mindestens vier Tage im Voraus mitteilt (§ 12 Abs. 2 TzBfG). Dieser Schutz des
Arbeitnehmers ist geboten, weil er sich dauerhaft zur Erbringung seiner Arbeitsleistung verpflichtet hat. Gerade an der dauerhaften Verpflichtung fehlt es
jedoch bei einer Rahmenvereinbarung wie der vorliegenden und deren tatsächlichen Handhabung. Auch kann der Arbeitnehmer ein Interesse an einer solchen
Vertragskonstruktion haben; denn er kann dadurch über seine Zeit frei verfügen und läuft nicht Gefahr, dass seine anderweitigen Dispositionen und
Verpflichtungen mit der Verpflichtung zur Arbeitsleistung kollidieren (BAG 31. Juli 2002 - 7 AZR 181/01 - zu B 3 a der Gründe, aaO).
b) Der durch Art. 12 Abs. 1 GG gebotene Bestandsschutz wird nicht in unzulässiger Weise beseitigt oder beschränkt.
Es unterliegt der vollen Überprüfung durch die Arbeitsgerichte, ob durch die Rahmenvereinbarung oder deren tatsächliche Handhabung eine Verpflichtung zur
Erbringung von Arbeitsleistung und damit ein Arbeitsverhältnis begründet wird. Auch wenn dies nicht der Fall ist, unterliegen die zwischen den Parteien
geschlossenen Einzelvereinbarungen der arbeitsgerichtlichen Befristungskontrolle, soweit es sich um Arbeitsverhältnisse handelt (vgl. BAG 16. April 2003 - 7
AZR 187/02 - zu I 2 der Gründe, BAGE 106, 79). Nach dem TzBfG kommt es nicht darauf an, ob die Wartezeit des § 1 KSchG erfüllt ist (BAG 6. November
2003 - 2 AZR 690/02 - zu B I 2 a der Gründe, BAGE 108, 269).
4. Ob die Rahmenvereinbarung zwischen den Parteien unter Verstoß gegen Ausschreibungspflichten zustande gekommen ist, kann dahinstehen. Selbst wenn
ein solcher Verstoß vorgelegen haben sollte, könnte der Kläger daraus nicht das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses ableiten.
II. Zwischen den Parteien ist auch zu einem späteren Zeitpunkt kein unbefristeter Arbeitsvertrag zustande gekommen.
1. Eine entsprechende ausdrückliche Vereinbarung wird vom Kläger nicht behauptet. Der konkludente Abschluss eines unbefristeten Vertrags ist ebenfalls nicht
erfolgt. Der Kläger konnte seine Heranziehung zu den einzelnen Einsätzen nicht dahin verstehen, dass nunmehr ein unbefristetes Abrufarbeitsverhältnis
begründet werden sollte. Durch die jeweils für den einzelnen Einsatz getroffene Vereinbarung und die Bezugnahme auf die Rahmenvereinbarung wurde
wiederholt deutlich gemacht, dass gerade kein Dauerarbeitsverhältnis entstehen sollte.
2. Etwas anderes gilt auch nicht hinsichtlich des sog. Scouting. Dabei kann dahinstehen, ob insoweit überhaupt eine Rahmenvereinbarung bestand, ob die
Rahmenvereinbarung vom 11. Dezember 2000 konkludent um die Scouting-Tätigkeiten erweitert wurde oder ob hierüber mündlich eine gesonderte
Rahmenvereinbarung getroffen wurde. Für die letztgenannte Annahme spricht die Darstellung des Klägers über das Zustandekommen der Scouting-Einsätze in
der mündlichen Verhandlung vor dem Senat. Jedenfalls gingen die Parteien vom Bestehen entsprechender Rahmenregelungen aus, da das Scouting nach den
Bedingungen der Vereinbarung vom 11. Dezember 2000 abgewickelt wurde. Letztlich kommt es hierauf aber nicht entscheidungserheblich an. Maßgeblich ist
vielmehr, dass die Parteien nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts auch über die Scouting-Tätigkeit jeweils Einzelvereinbarungen abschlossen,
durch die erst die Leistungspflicht des Klägers begründet wurde. ..." (BAG, Urteil vom 15.02.2012 - 10 AZR 111/11)
***
„... Die Befristung des Arbeitsverhältnisses gilt nicht bereits nach § 17 Satz 2 TzBfG iVm. § 7 Halbs. 1 KSchG als wirksam, denn die Klägerin hat deren
Rechtsunwirksamkeit mit der am 6. August 2008 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage rechtzeitig geltend gemacht. Die - materiell-rechtliche - Klagefrist
des § 17 Satz 1 TzBfG wird nach ständiger Rechtsprechung des Senats auch durch die Erhebung einer Klage vor dem Ablauf der vereinbarten Vertragslaufzeit
gewahrt (vgl. zB BAG 2. Juni 2010 - 7 AZR 136/09 - Rn. 13 mwN, AP TzBfG § 14 Nr. 71 = EzA TzBfG § 14 Nr. 67). Die Klage genügt den Anforderungen,
die an eine ordnungsgemäße Klageerhebung gemäß § 17 Satz 1 TzBfG zu stellen sind (vgl. hierzu BAG 16. April 2003 - 7 AZR 119/02 - zu I der Gründe,
BAGE 106, 72). ..." (BAG, Urteil vom 01.06.2011 - 7 AZR 827/09)
***
„... Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis des bei ihr seit
dem 1. Juli 1993 als Diplom-Ingenieur beschäftigten Klägers mit Schreiben vom 19. November 2003, dem Kläger am selben Tag zugegangen, zum 31. März
2004. Gegen diese Kündigung hat sich der Kläger mit seiner beim Arbeitsgericht am 15. März 2004 eingegangenen Klage gewandt und insbesondere die nicht
ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats gerügt. Der Kläger hat insoweit die Auffassung vertreten, seine Klage sei noch rechtzeitig erhoben worden, da die
ab dem 1. Januar 2004 geltende Neufassung des § 4 KSchG auf die im Jahr 2003 erklärte Kündigung keine Anwendung finde. Der Kläger hat - soweit für das
Revisionsverfahren noch von Bedeutung - beantragt festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung vom 19. November 2003
aufgelöst worden ist. Die Beklagte hat zur Begründung ihres Klageabweisungsantrags die Auffassung vertreten, die neue ab dem 1. Januar 2004 geltende
gesetzliche Regelung zur Klagefrist erfasse auch die streitgegenständliche Kündigung. Zum Zeitpunkt der Klageerhebung sei bereits die 3-wöchige Klagefrist
abgelaufen gewesen; sie habe spätestens mit Ablauf des 21. Januar 2004 geendet. ...
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat mit der im März 2004 erhobenen Klage
die 3-wöchige Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG versäumt. Die Kündigung vom 19. November 2003 gilt als von Anfang an rechtswirksam (§ 7 KSchG).
A. Das Landesarbeitsgericht hat zur Begründung seiner die Klage abweisenden Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt, die Kündigung vom 19. November
2003 gelte schon wegen der erst am 15. März 2004 erhobenen Klage und der deshalb versäumten Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG als von Anfang an
rechtswirksam (§ 7 KSchG). Die gesetzliche Klagefrist erstrecke sich seit dem 1. Januar 2004 auf alle Unwirksamkeitsgründe. Für Kündigungen, die vor dem 1.
Januar 2004 zugegangen seien, laufe sie ab dem 1. Januar 2004 und ende am 21. Januar 2004.
B. Dem folgt der Senat im Ergebnis und in der Begründung. Eine noch im Jahr 2003 zugegangene Kündigung, gegen die erst im Jahr 2004 gerichtlich
vorgegangen wurde, unterfällt der Drei-Wochen-Frist des § 4 KSchG in der Fassung des Gesetzes zu Reformen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003 (nF).
Die Drei-Wochen-Frist begann demnach mit dem Inkrafttreten der Neufassung des Kündigungsschutzgesetzes am 1. Januar 2004 und lief am 21. Januar 2004
ab (so bereits BAG 9. Februar 2006 - 6 AZR 283/05 -, zur Veröffentlichung vorgesehen [zVv.]).
Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist somit durch die Kündigung der Beklagten vom 19. November 2003 zum 31. März 2004 rechtswirksam beendet worden.
Sie gilt nach § 7 KSchG iVm. § 4 Satz 1 KSchG nF als von Anfang an rechtswirksam.
I. Die 3-wöchige Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG nF erfasst - mit Ausnahme der mangelnden Schriftform - seit dem 1. Januar 2004 alle
Unwirksamkeitsgründe, insbesondere auch eine fehlerhafte Betriebsratsanhörung (vgl. beispw. KR-Friedrich 7. Aufl. § 4 KSchG Rn. 9a; Löwisch BB 2004,
154, 158; Bader NZA 2004, 65, 67; Raab RdA 2004, 321, 322; Eylert/Schinz AE 2005, 5, 9).
II. Entgegen der Auffassung der Revision ist § 4 KSchG nF auch auf Kündigungen anzuwenden, die vor dem Inkrafttreten der gesetzlichen Neuregelungen am
1. Januar 2004 zugegangen sind und deren Wirksamkeit der Arbeitnehmer nach dem 1. Januar 2004 zur gerichtlichen Überprüfung stellt.
1. Es wäre zwar im Sinn einer klaren Regelung, § 4 KSchG nF nur auf Kündigungen anzuwenden, die ab dem 1. Januar 2004 zugegangen sind (so
ErfK/Ascheid 6. Aufl. § 4 KSchG Rn. 1; Eylert/Schinz AE 2005, 5, 9). Das Gesetz zu Reformen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003 (BGBl. I S. 3002)
enthält aber keine Übergangsregelung. Deshalb ist mit dem Sechsten Senat (9. Februar 2006 - 6 AZR 283/05 - zVv.) davon auszugehen, dass die Neuregelung
der Klagefrist mit dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes auch bereits zugegangene Kündigungen mit der Maßgabe erfasst, dass die Klagefrist für die
betroffenen Arbeitnehmer am 1. Januar 2004 zu laufen begann und am 21. Januar 2004 endete. Die Fiktionswirkung der §§ 7, 4 KSchG nF trat demnach mit
Ablauf des 21. Januar 2004 ein (BAG 9. Februar 2006 - 6 AZR 283/05 - zVv.).
Die Rechtsprechung des Sechsten Senats des Bundesarbeitsgerichts, der sich der erkennende Senat anschließt, entspricht der überwiegenden Meinung im
Schrifttum, die sich im Anschluss an frühere Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts zur Frage der Klagefrist bei Änderungen und Einführung des Teilzeit-
und Befristungsgesetzes (BAG 20. Januar 1999 - 7 AZR 715/97 - BAGE 90, 348 und 11. Dezember 2003 - 6 AZR 64/03 - BAGE 109, 110) herausgebildet
hatte (vgl. insb. Bader NZA 2004, 65, 68; KR-Rost 7. Aufl. § 7 KSchG Rn. 3c; Quecke RdA 2004, 86, 99; HWK/Pods/Quecke 1. Aufl. § 4 KSchG Rn. 3;
MünchKommBGB/Hergenröder 4. Aufl. § 4 KSchG Rn. 11 Fn. 17; aA Löwisch BB 2004, 154, 159).
2. Entgegen der Auffassung der Revision bestehen gegen diese Lösung keine verfassungsrechtlichen Rückwirkungsbeschränkungen. Die Geltendmachung der
Unwirksamkeit der Kündigung richtet sich nämlich nach dem Recht, das zum Zeitpunkt dieser Geltendmachung galt, dh. nach § 4 KSchG nF (BAG 9. Februar
2006 - 6 AZR 283/05 -zVv.).
III. Da der Kläger die 3-wöchige Klagefrist mit seiner am 15. März 2004 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage nicht gewahrt hat, sind die Wirkungen des §
7 KSchG nF eingetreten. Einen Antrag auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsfeststellungsklage (§ 5 KSchG) hat der Kläger nicht gestellt. ..."
***
„... I. Die Kündigung vom 30. Juni 2005 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 31. Oktober 2005 rechtswirksam beendet.
1. Die Kündigung vom 30. Juni 2005 gilt nach § 7 KSchG als von Anfang an rechtswirksam, weil die Rechtsunwirksamkeit von der Klägerin nicht rechtzeitig
geltend gemacht worden ist.
a) Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht festgestellt, dass sich die Klägerin nicht innerhalb einer Frist von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen
Kündigung vom 30. Juni 2005 auf die Unwirksamkeit dieser Kündigung berufen und Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erhoben hatte, dass das
Arbeitsverhältnis durch diese Kündigung nicht aufgelöst worden ist. Die Kündigungsschutzklage ist erst am 5. August 2005, also nach Ablauf der dreiwöchigen
Klagefrist, beim Arbeitsgericht Hannover eingegangen.
b) Entgegen der Auffassung der Revision war die Frist zur Anrufung des Arbeitsgerichts auch an- und bei Eingang der Kündigungsschutzklage beim
Arbeitsgericht abgelaufen. § 4 Satz 4 KSchG steht dem nicht entgegen.
aa) Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 MuSchG ist die Kündigung gegenüber einer Frau während der Schwangerschaft und bis zum Ablauf von vier Monaten nach der
Entbindung unzulässig, wenn dem Arbeitgeber zur Zeit der Kündigung die Schwangerschaft oder Entbindung bekannt war oder innerhalb zweier Wochen nach
Zugang der Kündigung mitgeteilt wird. Zu Ihrer Wirksamkeit bedarf eine Kündigung in solch einem Fall der Erklärung der Zulässigkeit durch die zuständige
Behörde (§ 9 Abs. 3 Satz 1 MuSchG).
bb) Zum Kündigungszeitpunkt war die Klägerin schwanger. Sie hatte diesen Umstand der Beklagten mit Schreiben vom 7. Juli 2005 unstreitig - und damit auch
noch rechtzeitig iSd. § 9 Abs. 1 Satz 1 MuSchG - mitgeteilt.
cc) Entgegen der Auffassung der Revision war die Klägerin gehalten, den gesetzlichen Unwirksamkeitsgrund des § 9 Abs. 1 MuSchG innerhalb der
dreiwöchigen Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG vor dem Arbeitsgericht geltend zu machen (vgl. Senat 13. Februar 2008 - 2 AZR 864/06 - Rn. 41, AP SGB IX §
85 Nr. 5 = EzA KSchG § 4 nF Nr. 83; LAG Schleswig-Holstein 13. Mai 2008 - 3 Ta 56/08 - NZA-RR 2009, 132; Stahlhacke/Vossen 9. Aufl. Rn. 1735;
Bender/Schmidt NZA 2004, 358, 364; Griebeling NZA 2005, 494, 502; Quecke RdA 2004, 86, 100; Raab RdA 2004, 321, 330; Keßeler RdA 2007, 252;
Zeising/Kröpelin DB 2005, 1626, 1629).
Dagegen kann die Klägerin nicht erfolgreich einwenden, die fehlende Zustimmung der zuständigen Stelle führe zur Nichtigkeit der Kündigung. Auch
Unwirksamkeits- und Nichtigkeitsgründe müssen innerhalb der Klagefrist geltend gemacht werden (Raab RdA 2004, 321, 330 mwN; vgl. BT-Drucks. 15/1204
S. 13, in der der Verstoß gegen § 9 MuSchG ausdrücklich genannt wird) 'Eine Arbeitnehmerin muss auch dann innerhalb von drei Wochen nach Zugang der
Kündigung nach § 4 Satz 1 KSchG Klage beim Arbeitsgericht erheben, wenn sie sich zur Unwirksamkeit der Kündigung auf andere Gründe als das Fehlen der
sozialen Rechtfertigung beruft. Auch ein Verstoß der Kündigung gegen ein gesetzliches Verbot wie § 9 Abs. 1 MuSchG muss innerhalb dieser Klagefrist
gerichtlich geltend gemacht werden, wobei mit Zugang der Kündigung die Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG anläuft. Die schwangere Arbeitnehmerin ist - trotz
Bekanntgabe der Schwangerschaft gegenüber ihrem Arbeitgeber - deshalb gehalten, die Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG einzuhalten, um den eigentlich
gegebenen Nichtigkeitsgrund nach § 134 BGB iVm. § 9 Abs. 1 MuSchG geltend zu machen. Durch die Bekanntgabe der Schwangerschaft wird die angelaufene
Klagefrist auch nicht mehr gehemmt. Ein möglicher Verstoß gegen § 134 BGB iVm. § 9 Abs. 1 MuSchG kann nach § 4 Satz 1 KSchG iVm. § 7 KSchG
dementsprechend bei einer nicht rechtzeitigen Klageerhebung geheilt werden. Selbst bei einer nachträglichen Bekanntgabe der den Sonderkündigungsschutz
auslösenden Umstände läuft die Klagefrist nach § 4 Satz 1 KSchG an, weil im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung die Voraussetzungen des
Sonderkündigungsschutzes, insbesondere der Kenntnis des Arbeitgebers von der Schwangerschaft, nicht vorgelegen haben. Zur Erlangung des
Sonderkündigungsschutzes muss die Arbeitnehmerin den Arbeitgeber von ihrer Schwangerschaft in Kenntnis setzen. Erhebt sie keine Kündigungsschutzklage,
obwohl sie den Arbeitgeber innerhalb der Zweiwochenfrist des § 9 Abs. 1 Satz 1 MuSchG von ihrer Schwangerschaft in Kenntnis gesetzt hat, so wird mit
Ablauf der Dreiwochenfrist nach § 4 Satz 1 KSchG nach § 7 KSchG die Kündigung als von Anfang an rechtswirksam fingiert (vgl. ausdrücklich Senat 13.
Februar 2008 - 2 AZR 864/06 - Rn. 48, AP SGB IX § 85 Nr. 5 = EzA KSchG § 4 nF Nr. 83).
dd) Dem Ablauf der dreiwöchigen Klagefrist steht im Entscheidungsfall § 4 Satz 4 KSchG nicht entgegen.
(1) Bedarf die Kündigung der Zustimmung einer Behörde, so läuft nach dieser gesetzlichen Regelung die Frist für die Arbeitnehmerin zur Anrufung des
Arbeitsgerichts erst ab der Bekanntgabe der Entscheidung der Behörde. In diesen Fällen kann eine Arbeitnehmerin ohne Begrenzung durch die dreiwöchige
Klagefrist das Fehlen einer Zulässigkeitserklärung nach § 9 Abs. 3 MuSchG jederzeit geltend machen, wenn ihr eine entsprechende Entscheidung der
zuständigen Behörde nicht bekannt gegeben worden ist.
(2) Zwar lag im Entscheidungsfall eine Zustimmung der Behörde zur Kündigung der im Kündigungszeitpunkt schwangeren Klägerin nicht vor. Die Regelung
des § 4 Satz 4 KSchG erfasst diesen Fall jedoch nicht.
Voraussetzung für die Anwendbarkeit der Ausnahmeregelung des § 4 Satz 4 KSchG ist die Kenntnis des Arbeitgebers von den den Sonderkündigungsschutz
begründenden Tatsachen zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung (vgl. Senat 13. Februar 2008 - 2 AZR 864/06 - Rn. 48, AP SGB IX § 85 Nr. 5 = EzA
KSchG § 4 nF Nr. 83; LAG Schleswig-Holstein 13. Mai 2008 - 3 Ta 56/08 - NZA-RR 2009, 132; LAG Nürnberg 4. Dezember 2006 - 7 Ta 207/06 - BB 2007,
447; HaKo/Gallner 3. Aufl. § 4 KSchG Rn. 115; Stahlhacke/Vossen 9. Aufl. Rn. 1815c; KR/Friedrich 8. Aufl. § 4 KSchG Rn. 202a f.; Preis DB 2004, 70, 77).
Die Kündigung einer schwangeren Arbeitnehmerin ist nach § 9 Abs. 1 MuSchG ohne behördliche Zustimmung zulässig, wenn dem Arbeitgeber die
Schwangerschaft zum Zeitpunkt der Kündigung nicht bekannt war und sie ihm auch nicht später oder von der Arbeitnehmerin verschuldet verspätet nach
Kündigungszugang mitgeteilt worden ist. Schon diese Regelung zeigt, dass auch bei objektiv bestehender Schwangerschaft nicht immer eine Zustimmung der
zuständigen Behörde einzuholen ist. In einem solchen Fall kommt § 4 Satz 4 KSchG nicht zur Anwendung. Um den Sonderkündigungsschutz zu erlangen,
muss die Arbeitnehmerin den Arbeitgeber von der Schwangerschaft in Kenntnis gesetzt haben. Ansonsten sind die Voraussetzungen des
Sonderkündigungsschutzes und damit die Notwendigkeit einer behördlichen Zustimmung zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung nicht gegeben. Die
Klagefrist nach § 4 Satz 1 KSchG wird deshalb mit dem Zugang der Kündigung bei der Arbeitnehmerin in Gang gesetzt (vgl. Senat 13. Februar 2008 - 2 AZR
864/06 - aaO; siehe auch KR/Friedrich 8. Aufl. § 4 KSchG Rn. 203). Erlangt der Arbeitgeber erst nach Zugang der Kündigung Kenntnis von der
Schwangerschaft der Arbeitnehmerin, ist § 4 Satz 4 KSchG nicht (mehr) anwendbar.
Dieses Ergebnis ergibt sich insbesondere aus der Gesetzessystematik. § 5 Abs. 1 Satz 2 KSchG wäre überflüssig, wenn bei einer objektiv bestehenden
Schwangerschaft der Arbeitgeber immer - unabhängig von seiner Kenntnis - ein behördliches Zustimmungsverfahren einleiten müsste, selbst wenn er erst nach
Ausspruch der Kündigung von diesem Umstand Kenntnis erhält. Gerade die gesetzliche Regelung des § 5 Abs. 1 Satz 2 KSchG verdeutlicht, dass die Kenntnis
des Arbeitgebers von der Schwangerschaft der Arbeitnehmerin Voraussetzung für das Eingreifen des Sonderkündigungsschutzes und Basis für ein mögliches
Zulässigkeitserklärungsverfahren ist. Auch verdeutlicht die Norm, dass der Gesetzgeber die Anwendung der regelmäßigen Klagefrist in diesen Fällen
beabsichtigt hat. Würde bei fehlender Durchführung des behördlichen Zustimmungsverfahrens die Klagefrist nie bzw. grundsätzlich nicht (an-) laufen, bliebe
für § 5 Abs. 1 Satz 2 KSchG kein Anwendungsbereich (vgl. Schmidt NZA 2004, 79, 80; Raab RdA 2004, 321, 330).
Zudem spricht der Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung des § 4 Satz 4 KSchG gegen dessen Anwendung in den Fällen, in denen der Arbeitgeber zum
Kündigungszeitpunkt keine Kenntnis von der Schwangerschaft der Arbeitnehmerin hatte. § 4 Satz 4 KSchG will ein Informationsdefizit der Arbeitnehmerin im
Hinblick auf eine erforderliche behördliche Zustimmung ausgleichen. Bis zur Bekanntgabe der behördlichen Entscheidung weiß die Arbeitnehmerin nicht, ob
der Arbeitgeber sie überhaupt beantragt und wie ggf. die Behörde entschieden hat (vgl. Senat 3. Juli 2003 - 2 AZR 487/02 - BAGE 107, 50; Bender/Schmidt
NZA 2004, 358, 364). Ein solches Informationsdefizit der Arbeitnehmerin kann aber gar nicht vorliegen, wenn sie aufgrund ihres bisherigen Verhaltens selbst
nicht annehmen und nicht erwarten kann, der Arbeitgeber werde und müsse eine behördliche Zustimmung einholen. Hat sie ihren Arbeitgeber bis zum Zugang
der Kündigung nicht über ihre Schwangerschaft informiert bzw. ist die Schwangerschaft nicht offensichtlich (vgl. LAG Schleswig-Holstein 13. Mai 2008 - 3 Ta
56/08 - NZA-RR 2009, 132; LAG Düsseldorf 10. Februar 2005 - 15 Ta 26/05 - NZA-RR 2005, 382; KR/Friedrich 8. Aufl. § 4 KSchG Rn. 202a f., 204;
Stahlhacke/Vossen 9. Aufl. Rn. 1815c; HaKo/Gallner 3. Aufl. § 4 KSchG Rn. 115b; Keßeler RdA 2007, 252, 253; Schmidt NZA 2004, 79, 81), muss der
Arbeitnehmerin bewusst sein, dass der Arbeitgeber keinen Anlass hatte, eine behördliche Zustimmung zu beantragen.
c) Entgegen der Auffassung der Revision musste das Landesarbeitsgericht die Klage auch nicht nach § 5 KSchG nachträglich zulassen.
aa) Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 KSchG ist eine Kündigungsschutzklage nachträglich zuzulassen, wenn die Arbeitnehmerin trotz aller ihr nach Lage der Umstände
zuzumutenden Sorgfalt verhindert war, die Klage innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung zu erheben. Gleiches gilt gemäß § 5
Abs. 1 Satz 2 KSchG, wenn eine Frau von ihrer Schwangerschaft aus einem von ihr nicht zu vertretenden Grund erst nach Ablauf der Frist des § 4 Satz 1
KSchG Kenntnis erlangt hat. Der Zweck der Regelung besteht darin, einer gekündigten Arbeitnehmerin die Möglichkeit zu geben, nachträglich
Kündigungsschutzklage zu erheben, weil sie es aufgrund einer schlichten Unkenntnis unverschuldet versäumt hat, die Klagefrist einzuhalten. Es sollen also
individuelle Härten ausgeglichen werden (Hergenröder/v. Wickede RdA 2008, 364, 370).
bb) Die Voraussetzungen für eine nachträgliche Klagezulassung sind im Entscheidungsfall nicht gegeben.
(1) Die Klägerin hat nicht erst nach Ablauf der Klagefrist von ihrer Schwangerschaft Kenntnis erlangt. Die Schwangerschaft war ihr unstreitig bereits deutlich
früher, wie sich aus ihrem Schreiben an die Beklagte vom 7. Juli 2005 ergibt, bekannt.
(2) Andere relevante Gründe, die eine nachträgliche Klagezulassung rechtfertigen könnten, hat die Klägerin weder benannt noch innerhalb der zweiwöchigen
Antragsfrist nach § 5 Abs. 3 Satz 1 KSchG glaubhaft gemacht (§ 5 Abs. 2 Satz 2 KSchG).
(a) Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht allein in der Klageschrift noch keinen - auch keinen konkludenten - Antrag auf nachträgliche Klagezulassung
gesehen. Es hat ausgeführt, an ein solches Begehren seien zwar keine hohen Anforderungen zu stellen, es müsse aber zumindest deutlich werden, eine
nachträgliche Klagezulassung werde erstrebt, indem beispielsweise die Klagebegründung Ausführungen zur Klagezulassung und deren Ursachen und Gründe enthält.
(b) Die Wertung des Landesarbeitsgerichts ist nicht zu beanstanden. Die nachträgliche Zulassung einer Kündigungsschutzklage setzt den Antrag des
Arbeitnehmers voraus. Das Gericht kann nicht von Amts wegen tätig werden. Allerdings braucht ein solcher Antrag nicht ausdrücklich angekündigt und gestellt
zu werden. Ausreichend ist, wenn aus der "Eingabe" erkennbar wird, dass die Zulassung einer verspäteten Klage erstrebt wird (Senat 2. März 1989 - 2 AZR
275/88 - AP BGB § 130 Nr. 17 = EzA BGB § 130 Nr. 22). Allein die Tatsache einer verspäteten Klageerhebung - und somit das bloße Vorliegen einer
Klageschrift - reicht jedoch nicht aus, um einen Zulassungsantrag annehmen zu können (Senat 2. März 1989 - 2 AZR 275/88 - aaO; vgl. auch KR/Friedrich 8.
Aufl. § 5 KSchG Rn. 79; ErfK/Kiel 9. Aufl. § 5 KSchG Rn. 18). Der Wille der Klägerin, ihre Klage noch nachträglich zuzulassen, muss deshalb erkennbar - in
der Klageschrift - ihren Ausdruck gefunden haben. Aus ihrer Klageschrift lässt sich ein solcher Wille in der Tat nicht hinreichend herauslesen. Die Klägerin
hatte vielmehr ausgeführt, der Hinweis der Beklagten auf eine fehlende fristgerechte Kündigungsschutzklage sei zwar "richtig, … jedoch auch unnütz, da das
Rechtsschutzbedürfnis fehlte, da die Beklagte selbst nach Zugang der Kündigung … mitgeteilt hat, dass aus der Kündigung keinerlei Rechte hergeleitet werden".
(c) Im Übrigen enthält die Klageschrift auch keine ausreichenden Angaben iSv. § 5 Abs. 2 Satz 2 KSchG, die eine nachträgliche Klagezulassung begründen
könnten. Insbesondere fehlt es an einer hinreichenden Darlegung, aus der sich schließen ließe, die Klägerin habe die Klagefrist unverschuldet nicht eingehalten.
(d) Die Klägerin hat weiterhin für eine mögliche nachträgliche Klagezulassung keine Mittel der Glaubhaftmachung für ihre unverschuldete Fristversäumnis angegeben.
(e) Schließlich ist nicht erkennbar, dass die Klägerin die Klagefrist unverschuldet versäumt hat.
(aa) Ein mögliches Verschulden ihrer Bevollmächtigten ist ihr nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen (vgl. jetzt BAG 11. Dezember 2008 - 2 AZR 472/08 -).
(bb) Auch kann eine nachträgliche Klagezulassung nicht darauf gestützt werden, die Klagefrist sei infolge von "Vergleichsverhandlungen" versäumt worden (v.
Hoyningen-Huene/Linck 14. Aufl. § 5 KSchG Rn. 40; Zwanziger in Kittner/Däubler/Zwanziger KSchR 7. Aufl. § 5 KSchG Rn. 14; KR/Friedrich 8. Aufl. § 5
KSchG Rn. 66; HaKo/Gallner 3. Aufl. § 5 KSchG Rn. 53; APS/Ascheid/Hesse 3. Aufl. § 5 KSchG Rn. 63; Stahlhacke/Vossen 9. Aufl. Rn. 1856; ErfK/Kiel 9.
Aufl. § 5 KSchG Rn. 17; zuletzt Hergenröder/v. Wickede RdA 2008, 364, 370). Es oblag der Klägerin, ggf. vorsorglich Kündigungsschutzklage zu erheben.
Verzichtet eine Arbeitnehmerin auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage, weil der Arbeitgeber ihr eine Abfindung in Aussicht gestellt hat, die jedoch
wegen später gescheiterter Vergleichsverhandlungen nicht gezahlt wird, liegt darin kein Umstand, der eine nachträgliche Klagezulassung rechtfertigen kann
(vgl. KR/Friedrich 8. Aufl. § 5 KSchG Rn. 40; Hergenröder/v. Wickede RdA 2008, 364, 370 f.). Ob etwas anderes gilt, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer
arglistig, beispielsweise unter Hinweis auf Vergleichsverhandlungen, veranlasst hat, vorerst keine Kündigungsschutzklage zu erheben, kann im
Entscheidungsfall dahinstehen. Entsprechende Anhaltspunkte sind aufgrund der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nicht erkennbar.
(cc) Weiterhin rechtfertigt das Schreiben der Beklagten, "sie werde aus der Kündigung vom 30. Juni 2005 keine Rechte mehr herleiten und die Fortsetzung des
Arbeitsverhältnisses zu den bisherigen Bedingungen der Klägerin anbieten", nicht die Annahme einer unverschuldeten Fristversäumnis und kann eine
nachträgliche Klagezulassung nicht begründen.
Eine Kündigungsschutzklage kann ggf. nachträglich zugelassen werden, wenn der Arbeitgeber eine Arbeitnehmerin arglistig von einer Klageerhebung abhält
(vgl. insbes. ErfK/Kiel 9. Aufl. § 5 KSchG Rn. 3; APS/Ascheid/Hesse 3. Aufl. § 5 KSchG Rn. 16; KR/Friedrich 8. Aufl. § 5 KSchG Rn. 40) bzw. wenn die
Arbeitnehmerin unter Hinweis auf eine Rücknahme der Kündigung veranlasst wird, von einer Klageerhebung, mit der eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses
erstrebt wird, abzusehen (vgl. insgesamt LAG Hamm 29. Oktober 1987 - 8 Ta 106/87 - LAGE KSchG § 5 Nr. 33; LAG Köln 26. November 1999 - 11 Ta
348/99 - LAGE KSchG § 5 Nr. 97; 19. April 2004 - 5 Ta 63/04 - LAGE KSchG § 5 Nr. 108a).
Durch die Mitteilung der Beklagten ist jedoch die Klägerin nicht arglistig von der Erhebung einer Kündigungsschutzklage abgehalten worden. Eine Kündigung
kann als einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung nach Zugang an den Gekündigten vom Kündigenden grundsätzlich nicht mehr einseitig
zurückgenommen werden (vgl. Senat 29. Januar 1981 - 2 AZR 1055/78 - BAGE 35, 30, 35; 26. November 1981 - 2 AZR 509/79 - BAGE 37, 135; 19. August
1982 - 2 AZR 230/80 - BAGE 40, 56; Thüsing AuR 1996, 245; Fischer NZA 1999, 459; Berrisch Bewegtes Arbeitsrecht FS Leinemann S. 315;
APS/Ascheid/Hesse 3. Aufl. § 4 KSchG Rn. 126; HaKo/Gallner 3. Aufl. § 4 KSchG Rn. 79). Dementsprechend kann der Arbeitgeber die Gestaltungswirkung
einer einseitigen, empfangsbedürftigen rechtsgestaltenden Willenserklärung grundsätzlich nicht mehr einseitig beseitigen (vgl. Senat 19. August 1982 - 2 AZR
230/80 - aaO). In einer Erklärung, wie der von der Beklagten, kann danach allein ein Angebot zur Fortsetzung bzw. Neubegründung des schon beendeten
Arbeitsverhältnisses liegen (vgl. bspw. Fischer NZA 1999, 459, 460; Schmädicke/Leister ArbRB 2007, 279). Eine einseitige Rücknahme der Kündigung ist
dem Arbeitgeber verwehrt. Die Wirkungen einer Kündigung können nur durch Vereinbarung beseitigt werden. Die ausgesprochene Kündigung ist erst "aus der
Welt", wenn der Arbeitnehmer ein entsprechendes Fortsetzungsangebot des Arbeitgebers angenommen hat, dh. eine Einigung über die Fortsetzung des
Arbeitsverhältnisses zustande gekommen ist. Steht nicht endgültig fest, ob der Arbeitnehmer das Angebot des Arbeitgebers auf Fortsetzung des
Arbeitsverhältnisses annehmen will, muss er vorsorglich Kündigungsschutzklage erheben, um die Wirkung des § 7 KSchG zu vermeiden. Sogar bei einer
offensichtlich rechtsunwirksamen Kündigung gilt die Kündigung als von Anfang an rechtswirksam und kann das Arbeitsverhältnis nach § 7 KSchG
rechtswirksam beenden, wenn der betroffene Arbeitnehmer sich nicht rechtzeitig mit seiner Kündigungsschutzklage gegen eine solche Kündigung wendet und
ihre Rechtsunwirksamkeit nicht rechtzeitig geltend macht. Es liegt also an der Arbeitnehmerin, das Angebot anzunehmen und damit die Wirkung der
Kündigung aus der Welt zu schaffen. Nimmt sie das Angebot einer Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht an, kann regelmäßig nicht davon ausgegangen
werden, der Arbeitgeber habe die Arbeitnehmerin durch das schlichte Angebot der Beseitigung der Kündigung und ihrer Folgen an der Erhebung der
Kündigungsschutzklage arglistig gehindert.
(f) Entgegen der Auffassung der Revision ist das Berufen der Beklagten auf die abgelaufene Klagefrist auch nicht rechtsmissbräuchlich oder treuwidrig.
(aa) Wer durch sein Verhalten bewusst oder unbewusst eine Sach- oder Rechtslage schafft, auf die sich der andere Teil verlassen darf und verlassen hat, darf
den anderen Teil in seinem Vertrauen nicht enttäuschen. Es verstieße gegen Treu und Glauben im Rechtsverkehr, wenn es erlaubt wäre, sich nach Belieben mit
seinen früheren Erklärungen und seinem früheren Verhalten in Widerspruch zu setzen. Das Vertrauen eines Vertragspartners auf eine bestimmte Rechtslage ist
insbesondere schutzwürdig, soweit er von dem anderen Teil in diesem Glauben bestärkt worden ist. Gleichwohl ist nicht jedes widersprüchliche Verhalten
rechtsmissbräuchlich. Die Parteien dürfen nicht nur ihre Rechtsansichten ändern. Jeder Partei steht es in der Regel auch frei, sich auf die Nichtigkeit einer von
ihr abgegeben Erklärung zu berufen. Ein widersprüchliches Verhalten ist erst dann rechtsmissbräuchlich, wenn für den anderen Teil ein schützenswerter
Vertrauenstatbestand geschaffen worden ist oder wenn andere besondere Umstände die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen lassen (vgl. insbes. Senat 13.
Dezember 2007 - 2 AZR 971/06 - mwN, AP KSchG 1969 § 1a Nr. 7 = EzA KSchG § 1a Nr. 5).
(bb) Unter Berücksichtigung dieses Maßstabs ist ein rechtsmissbräuchliches Verhalten der Beklagten nicht erkennbar.
Die Beklagte konnte der Klägerin ohne weiteres eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses - unter Beseitigung der ausgesprochenen Folgen der Kündigung -
anbieten. Sie konnte auch - nach Ablauf einer gewissen Zeit - von diesem Angebot wieder abrücken. Die Klägerin konnte, solange kein Vertragsabschluss
vorlag, nicht darauf vertrauen, dass die Parteien auf jeden Fall das Arbeitsverhältnis durch eine Beendigungsvereinbarung und Zahlung einer Abfindung
beenden würden. Dies gilt umso mehr, als ihre Bevollmächtigten im Telefonat vom 19. Juli 2005 unstreitig erklärt hatten, falls man sich heute nicht einige,
müsse Klage erhoben werden. Schon dies verdeutlicht, dass die Klägerin selbst nicht zwingend darauf vertraut hatte, eine entsprechende Einigung zwischen den
Parteien werde - ohne Wenn und Aber - definitiv zustande kommen.
2. Die Parteien haben die Kündigung vom 30. Juni 2005 und deren Wirkung nicht einverständlich aufgehoben. Dies hat das Landesarbeitsgericht zu Recht angenommen.
a) Soweit die Beklagte mit dem am 12. Juli 2005 zugegangenen Schreiben der Klägerin mitgeteilt hatte, sie leite aus der Kündigung keine Rechte mehr her,
liegt darin ein Angebot auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses. Die Klägerin hatte zu diesem Zeitpunkt die Wahl, ob sie einer Fortsetzung des
Arbeitsverhältnisses zustimmte oder die Kündigungsfrist verstreichen ließ und von der Abfindungsoption nach § 1a KSchG Gebrauch macht.
b) Das Angebot auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses hat die Klägerin jedoch weder ausdrücklich noch durch schlüssiges Verhalten angenommen. Das
schriftliche Angebot der Beklagten auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses konnte von der Klägerin nach § 147 Abs. 2 BGB nur bis zu dem Zeitpunkt
angenommen werden, in welchem die Beklagte den Eingang der Antwort unter regelmäßigen Umständen erwarten durfte. Der Antrag der Beklagten erlosch
nach § 146 BGB, da er von der Klägerin abgelehnt oder nicht gegenüber der Beklagten nach den §§ 147 ff. BGB rechtzeitig angenommen worden ist. Auf das
Angebot der Beklagten, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, hat die Klägerin mit einer erhöhten Abfindungsforderung reagiert. Noch am 19. Juli 2005 hatte ihr
Prozessbevollmächtigter von der Beklagten eine Abfindung in Höhe von 25. 000, 00 Euro verlangt. Spätestens mit diesem Angebot hat sie das Angebot der
Beklagten abgelehnt (§ 150 Abs. 2 BGB).
c) Damit lag keine wirksame Vereinbarung der Parteien über die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses oder ihrer Fortsetzung vor. ..." (BAG, Urteil vom
19.02.2009 - 2 AZR 286/07).
***
Ergibt die Auslegung von zwei Kündigungsschreiben, dass der Arbeitgeber lediglich eine (doppelt verlautbarte) Kündigungserklärung abgegeben hat, deren
Zugang er auf zwei verschiedenen Wegen sicherstellen wollte, so reicht es aus, dass der Arbeitnehmer gegen diese doppelt verlautbarte Kündigungserklärung
nur einmal rechtzeitig nach §§ 4, 7 KSchG Klage erhebt. Dies gilt auch dann, wenn beide Kündigungsschreiben an zwei aufeinanderfolgenden Tagen
abgeschickt werden und deshalb unterschiedliche Daten tragen. Kündigungsgründe, die dem Kündigenden bei Ausspruch der Kündigung noch nicht bekannt
waren, können im Prozess uneingeschränkt nachgeschoben werden, wenn sie bereits vor Ausspruch der Kündigung entstanden waren. Ob ein Auswechseln der
Kündigungsgründe im Prozess auch dann möglich ist, wenn die Kündigung hierdurch einen völlig anderen Charakter erhält, bleibt offen. Ein Spesenbetrug und
ein Arbeitszeitbetrug können selbst dann als Grund zur fristlosen Entlassung ausreichen, wenn es sich um einen einmaligen Vorfall mit geringen finanziellen
Auswirkungen handelt (BAG, Urteil vom 06.09.2007 - 2 AZR 264/06).
Der Kläger sollte bei der Beklagten vom 1. Januar 2004 bis zum 31. Dezember 2005 befristet beschäftigt werden. Der Arbeitsvertrag sah eine Probezeit von
sechs Monaten und die Möglichkeit der Kündigung des Arbeitsverhältnisses während der Probezeit mit einer Frist von einem Monat zum Monatsende vor. Der
Abschluss des Arbeitsvertrages stand unter dem Vorbehalt des positiven Ergebnisses einer Untersuchung durch den werksärztlichen Dienst. Da der Kläger den
vom Werksarzt vorgesehenen Untersuchungstermin nicht wahrnehmen konnte, vereinbarten die Parteien eine Untersuchung des Klägers durch einen externen
Arzt. Der Kläger unterzog sich am 1. Dezember 2003 der ärztlichen Untersuchung. Die Arztkosten beliefen sich auf 83, 96 Euro. Zuvor hatte die Beklagte den
Kläger am 27. November 2003 telefonisch über eine beabsichtigte Beendigung des Arbeitsverhältnisses unterrichtet und das Arbeitsverhältnis mit Schreiben
vom 28. November 2003 zum 31. Dezember 2003 gekündigt. Mit der am 13. Februar 2004 bei dem Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger die
Unwirksamkeit der Kündigung geltend gemacht und Ersatz der Arztkosten verlangt. Die Kündigung sei treuwidrig und es fehle an einer ordnungsgemäßen
Anhörung des Betriebsrats. Das Arbeitsverhältnis habe überdies frühestens mit Ablauf des 29. Februar 2004 geendet, weil die Kündigungsfrist erst mit dem 1.
Januar 2004 oder mit dem 5. Januar 2004, dem Tag der in Aussicht genommenen tatsächlichen Arbeitsaufnahme, begonnen habe. Das Arbeitsgericht hat die
Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des Klägers die Beklagte zur Erstattung der verauslagten Arztkosten verurteilt und im
Übrigen die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Die Revision des Klägers blieb erfolglos. Die Anschlussrevision der Beklagten führte zur
Wiederherstellung des Urteils des Arbeitsgerichts auch hinsichtlich der Versagung der Arztkosten. Eine noch im Jahre 2003 zugegangene Kündigung, gegen die
erst im Jahre 2004 gerichtlich vorgegangen wird, unterliegt der Drei-Wochen-Frist des § 4 KSchG nF, die mit Inkrafttreten der Neufassung des
Kündigungsschutzgesetzes am 1. Januar 2004 begann und am 21. Januar 2004 ablief. Da die Klage erst am 13. Februar 2004 beim Arbeitsgericht eingegangen
war, kann sich der Kläger nicht mehr mit Erfolg auf die behauptete fehlerhafte Anhörung des Betriebsrats und auf den geltend gemachten Verstoß der
Kündigung gegen Treu und Glauben berufen. Dagegen kann außerhalb der Klagefrist des § 4 KSchG nF noch geltend gemacht werden, bei der ordentlichen
Kündigung habe der Arbeitgeber die Kündigungsfrist nicht eingehalten. Bei einer Kündigung vor Dienstantritt ist jedoch grundsätzlich nicht davon auszugehen,
dass die Parteien eine tatsächliche Mindestbeschäftigung gewollt haben, so dass die Kündigungsfrist idR mit Zugang der Kündigungserklärung beginnt und im
vorliegenden Fall am 31. Dezember 2003 endete. Ein Anspruch auf Erstattung der Kosten für die ärztliche Einstellungsuntersuchung besteht nicht. Der Kläger
durfte diesen Aufwand nicht mehr für erforderlich halten, nachdem die Beklagte ihm mitgeteilt hatte, das Arbeitsverhältnis durch Kündigung beenden zu
wollen (BAG, Urteil vom 09.02.2006 - 6 AZR 283/ 05).
***
Macht ein Arbeitnehmer nach dem vereinbarten Ablauf des befristeten Arbeitsvertrags nicht innerhalb der 3-Wochenfrist nach § 1 V 1 BeschFG geltend, dass
die Befristungsabrede des Arbeitsverhältnis nicht beendet hat, so gilt die Befristung nach § 1 V 2 BeschFG i. V. mit § 7 KSchG als von Anfang an als wirksam
(BAG, Urteil vom 22.03.2000 - 7 AZR 581/98, NJW 2000, 3661).
Die Frist des § 1 V 1 BeschFG wurde durch eine bereits vor dem 1.10.1996 erhobene und hiernach fortgeführte, auf die Feststellung des Fortbestands des
Arbeitgeberverhältnisses über das Fristende hinaus gerichtliche Klage gewahrt (BAG, Urteil vom 01.12.1999 - 7 AZR 236/98, NZA 2000, 374).
Mit der Versäumung der Klagefrist des § 1 V 1 BeschFG werden gem. § 5 S. 2 BeschFG i.V. mit § 7 KSchG alle Voraussetzungen einer rechtswirksamen
Befristung fingiert (BAGE 93, 305 = NZA 2000, 721 = NJW 2000, 2834 = AP BeschFG1985 § 1 Nr. 22), (BAG, Urteil vom 19.09.2001 - 7 AZR 574/00, NZA
2002, 464 Os).
Streiten die Parteien darüber, ob überhaupt eine Befristungsabrede getroffen wurde oder ob eine vertraglich vereinbarte Voraussetzung für die Beendigung des
Arbeitsverhältnisses vorliegt, findet die Klagefrist des § 1 V 1 BeschFG keine Anwendung. In diesem Fall ist auch für die Fiktion des § 7 KSchG i.V. mit § 1 V
2 BeschFG kein Raum. (Nichtamtliche Orientierungssätze des BAG), (BAG, Urteil vom 20.02.2002 - 7 AZR 622/00, NZA 2002, 1304 Os).
Der Insolvenzverwalter ist nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht daran gehindert, das Arbeitsverhältnis erneut unter Ausnutzung der kürzeren
Kündigungsfristen gem. § 113 I InsO zu kündigen. Der Kündigungsgrund "Betriebsstilllegung" ist durch eine darauf gestützte Kündigung vor
Verfahrenseröffnung, die gem. § 7 KSchG wirksam geworden ist, nicht verbraucht (LAG Hamm, Urteil vom 21.11.2001 - 2 Sa 1123/01, ZIP 2002, 1857).
Bei einem gerichtlichen Vergleich, durch den ein Kündigungsrechtsstreit mit Zahlung einer Abfindung und Einigung auf die Beendigung des
Arbeitsverhältnisses erledigt wird, ist i. d. R. davon auszugehen, daß ein Rücktrittsrecht nach §§ 325, 326 BGB stillschweigend ausgeschlossen sein soll (LAG
Köln, Urteil vom 05.01.1996 - 4 Sa 909/94 , NZA-RR 1997, 11).
Zur Darlegungslast des Arbeitgebers zur Anhörung des Betriebsrats nach § 102 BetrVG, wenn die Kündigungsschutzklage verfristet ist, § 7 KSchG (LAG
Sachsen-Anhalt, Urteil vom 18.01.1995 - 5 Sa 429/94, NZA-RR 1996, 14).
§ 8 Wiederherstellung der früheren Arbeitsbedingungen
Stellt das Gericht im Falle des § 2 fest, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen sozial ungerechtfertigt ist, so gilt die Änderungskündigung als von Anfang
an rechtsunwirksam.
§ 9 Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch Urteil des Gerichts; Abfindung des Arbeitnehmers
(1) Stellt das Gericht fest, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, ist jedoch dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des
Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten, so hat das Gericht auf Antrag des Arbeitnehmers das Arbeitsverhältnis aufzulösen und den Arbeitgeber zur Zahlung einer
angemessenen Abfindung zu verurteilen. Die gleiche Entscheidung hat das Gericht auf Antrag des Arbeitgebers zu treffen, wenn Gründe vorliegen, die eine den
Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen. Arbeitnehmer und Arbeitgeber können den
Antrag auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses bis zum Schluß der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz stellen.
(2) Das Gericht hat für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses den Zeitpunkt festzusetzen, an dem es bei sozial gerechtfertigter Kündigung geendet hätte.
Leitsätze/Entscheidungen:
„... Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Bremen vom 3. Februar 2010 - 2 Sa 123/09 - aufgehoben, soweit es das
Arbeitsverhältnis aufgelöst, die Beklagte zur Zahlung einer Abfindung verurteilt und die Klage abgewiesen hat.
In diesem Umfang wird der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das
Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand: Die Parteien streiten im Revisionsverfahren noch um einen von der Beklagten gestellten Auflösungsantrag. Dabei steht im Vordergrund die Frage,
ob der Kläger leitender Angestellter nach § 14 Abs. 2 KSchG ist.
Der Kläger trat im Frühjahr 2007 als Leiter des Geschäftsbereichs Nord in die Dienste der Beklagten, die ein Zeitarbeitsunternehmen betreibt. Sein monatliches
Bruttogehalt betrug 10. 500, 00 Euro nebst variablen Gehaltsbestandteilen. Für das Jahr 2008 war ein Zielgehalt von 210. 000, 00 Euro brutto angestrebt.
Der Kläger war unmittelbar an die Geschäftsführung angebunden. Seiner Zuständigkeit unterlagen mehrere Niederlassungen in Norddeutschland, deren Leiter
ihrerseits zur selbständigen Einstellung und Entlassung der von der Beklagten "verliehenen" Projektingenieure berechtigt waren. Diese Befugnis hatte auch der
Kläger. Dagegen lag die Zuständigkeit für Einstellung und Entlassung der Niederlassungsleiter und des übrigen "internen" Personals der Beklagten nicht beim
Kläger, sondern bei der Geschäftsführung, deren Entscheidungen der Kläger allerdings beeinflussen konnte. In einer Stellenbeschreibung für die Ebene des
Klägers heißt es unter anderem:
"Hauptaufgaben: Führen und Coachen der Niederlassung/sleiter, Kommunikationsschnittstelle zwischen GF (Geschäftsführung) und NL (Niederlassung),
Gewinnung von Topkunden und Topmitarbeitern, Sicherstellung der ordnungsgemäßen Abläufe in den Niederlassungen. …
Kompetenzen: i. V.
Grundsätze: Der Regionalleiter ist Mitglied des oberen Führungskreises. Somit wird ein Höchstmaß an Loyalität und vorbildlichem Handeln vorausgesetzt. Der
Regionalleiter ist für den Gesamterfolg des Unternehmens mit-verantwortlich."
Im Dezember 2008 umfasste der Geschäftsbereich Nord der Beklagten 562, 25 Stellen, wovon 84, 25 auf Vertriebs- und Verwaltungspositionen (interne
Stellen) und 478 auf Projektingenieure ("verliehene" Arbeitnehmer) entfielen. Im Laufe des Jahres 2008 wurden insgesamt 40 interne Mitarbeiter und rund 200
Projektingenieure eingestellt. Nach Angaben der Beklagten unterzeichnete der Kläger in etwa 25 bis 30 Fällen Kündigungen, Aufhebungsverträge und
Arbeitsverträge mit Projektingenieuren, die meisten davon gegen Ende des Jahres 2007 für die Niederlassung H. Nach Angaben des Klägers geschah dies allein
wegen der Abwesenheit des damaligen Niederlassungsleiters. Im Jahr 2008 wurde im Geschäftsbereich Nord ein Umsatz von etwa 40 Mio. Euro erzielt. Das
entsprach einem Anteil von 30 % am Gesamtumsatz der Beklagten.
Mit Schreiben vom 4. Dezember 2008 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers aus Gründen in dessen Verhalten ordentlich zum 31. März 2009.
Hiergegen hat er sich mit seiner Klage gewandt und die Auffassung vertreten, die Kündigung sei sozial nicht gerechtfertigt.
Der Kläger hat, soweit noch von Interesse, beantragt festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Anstellungsverhältnis nicht durch die unter dem
Datum 4. Dezember 2008 ausgesprochene Kündigung mit Ablauf des 31. März 2009 beendet worden ist.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen, hilfsweise, das Arbeitsverhältnis nach den §§ 9, 10 KSchG gegen Zahlung einer Abfindung, deren Höhe in
Ermessen des Gerichts gestellt ist, aufzulösen.
Die Beklagte hat die Kündigung damit begründet, der Kläger habe einem ihm befreundeten Mitarbeiter ungerechtfertigte Vorteile zugewandt und seine Arbeit
nicht im Griff gehabt. Jedenfalls müsse das Arbeitsverhältnis durch das Gericht aufgelöst werden; einer Begründung bedürfe dieses Begehren nicht, weil der
Kläger leitender Angestellter im Sinne von § 14 Abs. 2 KSchG sei. Im Übrigen bestünden auch Auflösungsgründe iSd. § 9 KSchG.
Der Kläger hat beantragt, den Auflösungsantrag der Beklagten abzuweisen. Er sei nicht als leitender Angestellter anzusehen. Er habe über keine Berechtigung
zur selbständigen Einstellung und Entlassung von Arbeitnehmern verfügt.
Das Arbeitsgericht hat - soweit von Interesse - nach dem Klageantrag erkannt und den Auflösungsantrag der Beklagten abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht
hat die Berufung der Beklagten gegen die Entscheidung des Arbeitsgerichts über die Kündigung zurückgewiesen, hat auf deren Berufung aber das
Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung von 20. 000, 00 Euro aufgelöst. Mit der Revision erstrebt der Kläger die vollständige Wiederherstellung des
arbeitsgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe: Die Revision hat Erfolg. Mit der von ihm gegebenen Begründung durfte das Landesarbeitsgericht das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht
auflösen. Der Kläger ist nicht leitender Angestellter nach § 14 Abs. 2 KSchG (I). Der Auflösungsantrag bedurfte einer Begründung. Ob hinreichende Gründe
für die Auflösung vorliegen, steht noch nicht fest (II).
I. Der Kläger ist nicht leitender Angestellter iSd. § 14 Abs. 2 KSchG. Er war nicht zur selbständigen Einstellung und Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt.
1. Zur selbständigen Einstellung und Entlassung sind nur solche Arbeitnehmer iSd. § 14 Abs. 2 KSchG berechtigt, deren entsprechende Befugnis nicht nur im
Innenverhältnis, sondern auch im Außenverhältnis besteht. Von einer Berechtigung zur selbständigen Einstellung kann nicht die Rede sein, wenn sie sich auf
die Befugnis beschränkt, intern Vorschläge zu unterbreiten (BAG 18. November 1999 - 2 AZR 903/98 - zu II 1 a der Gründe, AP KSchG 1969 § 14 Nr. 5 =
EzA KSchG § 14 Nr. 4).
a) Die Befugnis muss entweder eine bedeutende Anzahl von Arbeitnehmern oder eine gewisse Anzahl bedeutender Arbeitnehmer erfassen. Entscheidend für
den Inhalt der Personalkompetenz ist, welchen Stellenwert die Tätigkeit der Mitarbeiter, die der Betreffende einstellt oder entlässt, für das Unternehmen hat.
Die Voraussetzungen des § 14 Abs. 2 Satz 1 KSchG können deshalb auch dann erfüllt sein, wenn sich die personellen Entscheidungskompetenzen des
Angestellten auf eine abgeschlossene Gruppe beziehen, die für das Unternehmen, insbesondere für dessen unternehmerischen Erfolg, von Gewicht ist (BAG 10.
Oktober 2002 - 2 AZR 598/01 - zu D II 1 der Gründe mwN, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 123 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte
Kündigung Nr. 122; 27. September 2001 - 2 AZR 176/00 - zu B II 3 c cc der Gründe, AP KSchG 1969 § 14 Nr. 6 = EzA KSchG § 14 Nr. 6).
b) Die Personalkompetenz muss einen wesentlichen Teil der Tätigkeit des Angestellten ausmachen und darf nicht "nur auf dem Papier stehen". Sie muss
tatsächlich ausgeübt werden (BAG 10. Oktober 2002 - 2 AZR 598/01 - zu D II 1 der Gründe mwN, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 123 =
EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 122; 27. September 2001 - 2 AZR 176/00 - zu B II 3 c cc der Gründe, AP KSchG 1969 § 14 Nr. 6 = EzA
KSchG § 14 Nr. 6).
2. Die Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall führt zu dem Ergebnis, dass der Kläger nicht zur Personengruppe des § 14 Abs. 2 KSchG gehört.
a) Der Kläger hatte keine Personalkompetenz iSd. § 14 Abs. 2 KSchG für die internen Arbeitnehmer der Beklagten.
aa) Er war zur Einstellung und Entlassung der - für das Unternehmen wichtigen - Niederlassungsleiter nicht berechtigt. Das hat auch das Landesarbeitsgericht
nicht anders gesehen, hat aber gemeint, von der fehlenden rechtlichen Befugnis absehen zu sollen, weil der Kläger inhaltlich maßgebenden Einfluss auf die
personelle Zusammensetzung dieses Kreises von Mitarbeitern habe ausüben können. Die Erwägungen des Landesarbeitsgerichts korrespondieren nicht
ausreichend mit dem Wortlaut des Gesetzes. § 14 Abs. 2 KSchG spricht von der "Berechtigung" zur Einstellung und Entlassung. Damit ist ausdrücklich die
Einräumung einer rechtlichen Befugnis gefordert, nicht aber ein wie auch immer vermittelter informeller Einfluss maßgebend. Der leitende Angestellte iSd. §
14 Abs. 2 KSchG muss die Rechtsmacht haben, den Arbeitgeber selbständig im Außenverhältnis zu anderen Arbeitnehmern zu verpflichten.
bb) Das Gebot der Rechtssicherheit verbietet ein über den Wortlaut hinausgehendes Verständnis des § 14 Abs. 2 KSchG. Die formelle Berechtigung zum
Abschluss von Arbeitsverträgen und zum Ausspruch von Kündigungen ist regelmäßig leichter festzustellen, während eine zuverlässige rechtliche Gewichtung
informeller Einflüsse auf Personalentscheidungen schwierig sein wird. Deshalb kann die Überlegung des Landesarbeitsgerichts, der Kläger habe den
Niederlassungsleitern Weisungen erteilen können und sei ihr Vorgesetzter gewesen, zu keinem anderen Ergebnis führen. Das Gesetz verlangt nicht die
Zuweisung irgendwelcher Zuständigkeiten für Mitarbeiter, sondern die Rechtsmacht zur Begründung und Auflösung von Arbeitsverhältnissen.
b) Die Berechtigung des Klägers umfasste auch nicht die "selbständige" Einstellung und Entlassung der Projektleiter. Die betreffende Befugnis war
eingeschränkt dadurch, dass sie auch anderen Arbeitnehmern zustand. Außerdem ist sie vom Kläger nur in marginalem Umfang ausgeübt worden und hat seine
Tätigkeit nicht geprägt. Sie stand im Wesentlichen auf dem Papier.
aa) Die Berechtigung zur Einstellung und Entlassung war schon deshalb nicht ausreichend, weil sie nicht unbeschränkt war. Die Beklagte hatte diese Befugnis
zugleich auch den Niederlassungsleitern eingeräumt. Ihnen gegenüber war aber nicht der Kläger, sondern die dem Kläger vorgesetzte Geschäftsleitung
einstellungs- und entlassungsbefugt. Ob der Kläger sich im Konfliktfall mit einer Einstellungs- oder Entlassungsentscheidung durchsetzen konnte, war also
nicht von vornherein sicher. Seine Berechtigung war durch gleiche Berechtigungen anderer eingeschränkt. Dies hatte zur Folge, dass Einstellungen und
Entlassungen von Projektingenieuren auch gegen seinen Willen erfolgen konnten, ohne dass der Kläger dem hätte entgegentreten können. Eine "selbständige"
Einstellungs- oder Entlassungsbefugnis, dh. eine, deren Umsetzung nur vom Willensentschluss des Klägers abhing, bestand damit praktisch nicht.
bb) Der Kläger hat von der ihm eingeräumten Rechtsmacht zur Einstellung der Projektingenieure nur in geringem Umfang Gebrauch gemacht. Im fraglichen
Zeitraum sind im Bereich, den er leitete, rund 200 Projektingenieure eingestellt worden. Von den betreffenden Verträgen hat der Kläger nur wenige
unterschrieben. Dass der Abschluss auch nur eines dieser Verträge von ihm konkret betrieben worden wäre, ist nicht vorgetragen und auch sonst nicht
ersichtlich. Wie viele Aufhebungsverträge insgesamt geschlossen wurden, ist nicht festgestellt. Von diesen hat der Kläger allenfalls 20 unterzeichnet. Bei dieser
Lage ist nicht erkennbar, dass die Personalkompetenz einen wesentlichen Teil der Tätigkeit des Klägers ausgemacht hätte. Sie stand ihm zwar formal zu, fiel
aber neben den anderen Aufgaben des Klägers nicht ins Gewicht.
cc) Dem steht die Stellenbeschreibung nicht entgegen. Der Kläger mag Mitglied des "oberen Führungskreises" gewesen sein und er mag auch maßgeblichen
Einfluss auf den Geschäftsgang in seinem Zuständigkeitsbereich gehabt haben. Bei der von der Beklagten gewählten Zuordnung von Personalkompetenzen teils
an die Geschäftsführung, teils an die hierarchisch unterhalb des Klägers handelnden Mitarbeiter fehlte es ihm aber letztlich an der Rechtsmacht zur
eigenständigen Durchsetzung seiner Vorstellungen. Der Arbeitgeber kann nicht einem Arbeitnehmer die rechtlichen Befugnisse zur Personalführung
vorenthalten und gleichzeitig mit Erfolg geltend machen, der Betreffende stehe als leitender Angestellter kündigungsrechtlich in seinem, also des Arbeitgebers "Lager".
dd) Unzutreffend ist der Einwand der Beklagten, der Kläger habe die Personalkompetenz an die Niederlassungsleiter delegiert. Nach den Feststellungen des
Landesarbeitsgerichts stand den Niederlassungsleitern das Recht zur Einstellung und Entlassung der Projektingenieure zu, ohne dass es irgendwelcher
Übertragung durch den Kläger bedurft hätte.
II. Ob das Auflösungsbegehren der Beklagten Erfolg hat, steht noch nicht fest. Das Landesarbeitsgericht hat sich mit dem Vorbringen der Beklagten, das den
Auflösungsantrag nach § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG begründen soll, nicht befasst. Feststellungen sind insoweit nicht getroffen. Der Rechtsstreit ist deshalb zur
neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - zurückzuverweisen (§§ 561, 563 ZPO) ..." (BAG, Urteil vom
14.04.2011 - 2 AZR 167/10).
***
„... Die Revision ist begründet. Mit der bisherigen Begründung durfte das Landesarbeitsgericht dem Auflösungsantrag nicht stattgeben. Dies führt, da der Senat
mangels ausreichender Feststellungen nicht abschließend beurteilen kann, ob Auflösungsgründe iSv. § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG vorliegen, zur Aufhebung des
Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
I. Zwischen den Parteien besteht kein Streit darüber, dass der Kläger trotz seiner Stellung als Gesellschafter der Beklagten Arbeitnehmer im Sinne des
Kündigungsschutzgesetzes ist. Dafür spricht im Übrigen, dass der Kläger im Rahmen seiner Tätigkeit als kaufmännischer Leiter dem Weisungsrecht des
Geschäftsführers der Beklagten aus § 106 Satz 1 GewO unterstand (vgl. BAG 6. Mai 1998 - 5 AZR 612/97 - zu I 2 a der Gründe, AP BGB § 611 Abhängigkeit
Nr. 95 = EzA BGB § 611 Arbeitnehmerbegriff Nr. 68). Er verfügte mit einem Geschäfts- und dementsprechenden Stimmrechtsanteil von 24 vH auch nicht über
eine sog. Sperrminorität, aufgrund derer er als Kapitaleigner auf die Geschäftsführung hätte bestimmenden Einfluss nehmen können (vgl. BAG 6. Mai 1998 - 5
AZR 612/07 - aaO).
II. Der Auflösungsantrag der Beklagten bedurfte nach § 9 KSchG der Begründung. Der Kläger ist kein leitender Angestellter iSv. § 14 Abs. 2 KSchG.
1. Gemäß § 14 Abs. 2 Satz 2 KSchG ist § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG auf Geschäftsführer, Betriebsleiter und ähnliche leitende Angestellte, soweit diese zur
selbständigen Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt sind, mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Auflösungsantrag des Arbeitgebers
keiner Begründung bedarf. Dabei muss die Befugnis zur eigenverantwortlichen Einstellung oder Entlassung ebenso wie bei den leitenden Angestellten iSv. § 5
Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BetrVG eine bedeutende Anzahl von Arbeitnehmern erfassen. Ein nur eng umgrenzter Personenkreis genügt nicht (BAG 10. Oktober 2002 -
2 AZR 598/01 - zu D II 1 der Gründe mwN, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 123 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr.
122). Die Personalkompetenz muss einen wesentlichen Teil der Tätigkeit des Angestellten ausmachen (BAG 10. Oktober 2002 - 2 AZR 598/01 - aaO, mwN).
2. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Zwar hat der Kläger, jedenfalls bis zum Tod von R, in Einzelfällen Personalgespräche geführt, schriftliche
Arbeitsverträge unterzeichnet und Arbeitnehmer der Beklagten entlassen. Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts lag allerdings
das Letztentscheidungsrecht über die Durchführung dieser Maßnahmen bei dem früheren Geschäftsführer der Beklagten. Eine iSv. § 14 Abs. 2 Satz 2 KSchG
hinreichende Personalkompetenz ergibt sich auch nicht daraus, dass der Kläger - wie von der Beklagten geltend gemacht - seine eigenen Kinder ohne
Absprache mit der Geschäftsführung eingestellt haben mag.
III. Ob für die Beklagte Auflösungsgründe iSv. § 9 KSchG vorliegen, steht noch nicht fest.
1. Nach § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG hat das Gericht nach - wie im Streitfall - erfolgreicher Kündigungsschutzklage auf Antrag des Arbeitgebers das
Arbeitsverhältnis aufzulösen, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und
Arbeitnehmer nicht erwarten lassen.
a) Das Kündigungsschutzgesetz lässt die Auflösung des Arbeitsverhältnisses trotz Sozialwidrigkeit der Kündigung nur ausnahmsweise zu. Es ist nach seiner
Konzeption ein Bestandsschutz- und kein Abfindungsgesetz. Deshalb sind an die Auflösungsgründe strenge Anforderungen zu stellen (BAG 23. Februar 2010 -
2 AZR 554/08 - Rn. 22, AP KSchG 1969 § 9 Nr. 61 = EzA KSchG § 9 nF Nr. 58; 23. Juni 2005 - 2 AZR 256/04 - zu II 2 a der Gründe, AP KSchG 1969 § 9
Nr. 52 = EzA KSchG § 9 nF Nr. 52). Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt ist derjenige der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht (BAG 8.
Oktober 2009 - 2 AZR 682/08 - Rn. 14 mwN, EzA KSchG § 9 nF Nr. 57). Von diesem Standpunkt aus ist zu fragen, ob in der Zukunft eine den
Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zu erwarten ist (BAG 10. Juli 2008 - 2 AZR 1111/06 - Rn. 43, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte
Kündigung Nr. 181 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 163).
b) Auflösungsgründe iSv. § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG können solche Umstände sein, die das persönliche Verhältnis zum Arbeitnehmer, die Wertung seiner
Persönlichkeit, seiner Leistung oder seiner Eignung für die ihm gestellten Aufgaben und sein Verhältnis zu den übrigen Mitarbeitern betreffen. Die Gründe, die
eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen den Vertragspartnern nicht erwarten lassen, müssen nicht im Verhalten, insbesondere
nicht im schuldhaften Verhalten des Arbeitnehmers liegen. Entscheidend ist, ob die objektive Lage die Besorgnis rechtfertigt, dass die weitere gedeihliche
Zusammenarbeit mit dem Arbeitnehmer gefährdet ist (BAG 8. Oktober 2009 - 2 AZR 682/08 - Rn. 15, EzA KSchG § 9 nF Nr. 57; 7. März 2002 - 2 AZR
158/01 - zu B II 2 b der Gründe, AP KSchG 1969 § 9 Nr. 42 = EzA KSchG § 9 nF Nr. 45). In diesem Sinne als Auflösungsgrund geeignet sind etwa
Beleidigungen, sonstige ehrverletzende Äußerungen oder persönliche Angriffe des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber, Vorgesetzte oder Kollegen (BAG 9.
September 2010 - 2 AZR 482/09 - Rn. 11 mwN, AP KSchG 1969 § 9 Nr. 64 = EzA KSchG § 9 nF Nr. 60).
c) Zu berücksichtigen ist aber auch, dass gerade Erklärungen in laufenden Gerichtsverfahren - etwa dem Kündigungsschutzprozess selbst - durch ein
berechtigtes Interesse des Arbeitnehmers gedeckt sein können (BAG 9. September 2010 - 2 AZR 482/09 - Rn. 12 mwN, AP KSchG 1969 § 9 Nr. 64 = EzA
KSchG § 9 nF Nr. 60). Darüber hinaus ist mit Blick auf eine prozessuale Auseinandersetzung zu berücksichtigen, dass Parteien zur Verteidigung von Rechten
schon im Hinblick auf das rechtliche Gehör (Art. 103 GG) alles vortragen dürfen, was als rechts-, einwendungs- oder einredebegründender Umstand
prozesserheblich sein kann (BVerfG 11. April 1991 - 2 BvR 963/90 - zu C II 3 der Gründe, NJW 1991, 2074). Anerkannt ist, dass ein Verfahrensbeteiligter
auch starke, eindringliche Ausdrücke und sinnfällige Schlagworte benutzen darf, um seine Rechtsposition zu unterstreichen, selbst wenn er seinen Standpunkt
vorsichtiger hätte formulieren können. Das gilt allerdings nur in den Grenzen der Wahrheitspflicht. Auch dürfen die Parteien nicht leichtfertig
Tatsachenbehauptungen aufstellen, deren Unhaltbarkeit ohne Weiteres auf der Hand liegt (BVerfG 11. April 1991 - 2 BvR 963/90 - aaO; BAG 23. Februar
2010 - 2 AZR 554/08 - Rn. 32, AP KSchG 1969 § 9 Nr. 61 = EzA KSchG § 9 nF Nr. 58).
2. Daran gemessen trägt die bisherige Begründung des Berufungsurteils die Auflösung des Arbeitsverhältnisses nicht.
a) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Kläger habe die Vertrauensbasis für eine weitere Zusammenarbeit der Parteien durch sein Vorgehen in dem
parallel geführten Zivilprozess zerstört. Zur Begründung seines Abberufungsantrags habe er dem Geschäftsführer der Beklagten eine "strafbare
Untreuehandlung" zu deren Nachteil vorgeworfen. Damit habe er "über das Ziel hinausgeschossen". Die Äußerung sei ehrverletzend. Der Kläger hätte bei der
Verfolgung seiner Rechte als Gesellschafter Rücksicht auf das ebenfalls bestehende Arbeitverhältnis nehmen und das nötige Augenmaß aufbringen müssen.
Stattdessen habe er trotz der wohlbegründeten, seine Klage abweisenden Entscheidung seinen Antrag weiter verfolgt, was geeignet gewesen sei, die
Spannungen zwischen ihm und dem Geschäftsführer der Beklagten weiter zu verschärfen.
b) Diese Würdigung hält einer Überprüfung schon deshalb nicht stand, weil es an tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts fehlt, die den Schluss
zuließen, der Vorwurf einer "strafbaren Untreuehandlung" sei ehrverletzend.
Der in Rede stehende Vorwurf, dessen Schwerpunkt ersichtlich auf einer Tatsachenbehauptung liegt, kann zwar grundsätzlich bei Nichterweislichkeit seiner
Wahrheit als ehrverletzend angesehen werden. Allerdings hat das Landesarbeitsgericht die Behauptung nicht auf ihren Wahrheitsgehalt überprüft. Es hat sich
nicht mit den Einzelheiten des Vorbringens des Klägers im Zivilprozess befasst, hierzu auch gar keine Feststellungen getroffen. Es hat sich vielmehr mit dem
Hinweis begnügt, das Vorgehen des Geschäftsführers - nämlich die Auszahlung der Tantieme ohne zugrundeliegenden Gesellschafterbeschluss - bedeute "nicht
gleich", dass er eine Straftat begangen habe und auch nicht, dass er für die Beklagte untragbar geworden sei. Diese Ausführungen haben im Hinblick auf die
Berechtigung der Behauptungen des Klägers keinen Aussagewert. Darüber hinaus bleibt auch die Stoßrichtung des "Vorwurfs einer strafbaren
Untreuehandlung" unklar. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Kläger habe damit den Geschäftsführer der Beklagten einer Straftat bezichtigt.
Denkbar erscheint aber auch, dass der Kläger lediglich darauf abheben wollte, das Verhalten erfülle objektiv die Voraussetzungen des Untreuetatbestands (§
266 Abs. 1 StGB). Das stünde jedenfalls im Einklang mit der Darstellung des (streitigen) Klägervortrags im Tatbestand des zwischenzeitlich im Zivilprozess
ergangenen und von der Beklagten in das Revisionsverfahren eingeführten Berufungsurteils. Danach hat der Kläger bezogen auf die Tantiemezahlung
vorgetragen, der Geschäftsführer der Beklagten habe seine Pflichten als Geschäftsführer objektiv grob verletzt und den objektiven Tatbestand einer Untreue verwirklicht.
Sollte die Anschuldigung des Klägers zutreffen, brauchte er sich nicht damit zu begnügen, das Verhalten des Geschäftsführers allgemein als "erhebliche
Pflichtverletzung" darzustellen. Er durfte seine Auffassung zu deren Qualität auch dadurch zum Ausdruck bringen, dass er die Tantiemezahlung - zumal
innerprozessual im Rahmen einer gerichtlichen Auseinandersetzung - unter strafrechtlichen Aspekten würdigte.
c) Selbst unterstellt, der Kläger hätte den Geschäftsführer objektiv wahrheitswidrig bezichtigt, sich einer Untreue (§ 266 Abs. 1 StGB) zum Nachteil der
Beklagten schuldig gemacht zu haben, läge darin kein Auflösungsgrund. Die gegenteilige Würdigung des Landesarbeitsgerichts berücksichtigt nicht
ausreichend, dass das Vorgehen des Klägers im Zivilprozess durch die Wahrnehmung berechtigter Interessen im Sinne von § 193 StGB gedeckt war. Jedenfalls
hat die für das Vorliegen von Auflösungsgründen darlegungs- und beweispflichtige Beklagte keine Umstände dargetan, die den vom Kläger ausdrücklich
geltend gemachten Rechtfertigungsgrund ausschlössen.
aa) Der Kläger hat in dem parallel geführten Zivilverfahren vorrangig eigene Rechte als Mitgesellschafter der Beklagten wahrgenommen. In einem solchen
"Kampf um das Recht" war ihm grundsätzlich auch die Behauptung ehrverletzender Tatsachen erlaubt, soweit es aus seiner Sicht hierauf ankommen konnte
(vgl. BVerfG 11. April 1991 - 2 BvR 963/90 - zu C II 3 der Gründe, NJW 1991, 2074). Letzteres war hier der Fall. Der Kläger wollte mit dem "Vorwurf einer
strafbaren Untreuehandlung" ersichtlich die Schwere der angeführten Pflichtverletzung des Geschäftsführers verdeutlichen.
bb) Allerdings könnte sich der Kläger dann nicht auf eine Rechtfertigung seines Vorgehens unter dem Gesichtspunkt der Wahrnehmung berechtigter Interessen
berufen, wenn die Unhaltbarkeit des Vorwurfs auf der Hand gelegen hätte oder er selbst nicht von der Richtigkeit seiner Behauptungen überzeugt gewesen wäre
(Fischer StGB 58. Aufl. § 193 Rn. 19, 28 mwN). Dafür bietet indes das Vorbringen der Beklagten - auch unter Einbeziehung des Urteils des Landgerichts D
vom 10. April 2008, auf das sich die Beklagte zur Darlegung eines überzogenen Vorgehens des Klägers gegen ihren Geschäftsführer maßgeblich stützt - keinen
genügenden Anknüpfungspunkt.
(1) Das Landgericht hat in seinem Urteil ausdrücklich dahinstehen lassen, ob die umstrittene Tantiemezahlung - insbesondere im strafrechtlichen Sinne - als
Untreuehandlung zu qualifizieren ist. Es ist davon ausgegangen, auch unabhängig von einer etwaigen Strafbarkeit habe der Geschäftsführer seine ihm
gegenüber der Beklagten obliegenden Pflichten erheblich verletzt, indem er es versäumt habe, eine Entscheidung der Gesellschafterversammlung über die
Tantiemezahlung herbeizuführen. Seine Auffassung, trotz der Schwere der Pflichtverletzung seien die beantragte Abberufung des Geschäftsführers und die
Kündigung des Anstellungsvertrags nicht gerechtfertigt, hat es im Wesentlichen auf die - aus seiner Sicht nicht substantiiert bestrittene - Behauptung der
Beklagten gestützt, der frühere Mehrheitsgesellschafter R habe dem jetzigen Geschäftsführer noch zu Lebzeiten die Tantieme zugesagt. Außerdem sei zu
berücksichtigen, dass es sich bei der Beklagten um ein reines Familienunternehmen handele und weitere Umstände, die eine Untragbarkeit oder Ungeeignetheit
des Geschäftsführers begründen könnten, nicht ersichtlich seien.
(2) Lag aber nach gesellschaftsrechtlichen Maßstäben eine erhebliche Pflichtverletzung des Geschäftsführers mit finanziell nachteiligen Wirkungen für die
Beklagte vor, kann nicht davon die Rede sein, der Kläger habe den Vorwurf einer strafrechtlich relevanten Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht seines
Bruders quasi "aus der Luft gegriffen" und ohne jeden berechtigten Anlass erhoben. Ein anders Bild ergibt sich - entgegen der Auffassung der Beklagten - nicht
aus dem im Zivilprozess zwischenzeitlich ergangenen Urteil des Oberlandesgerichts H vom 7. Juli 2009, mit dem dieses die Berufung des Klägers gegen das
landgerichtliche Urteil zurückgewiesen hat. Auch das Oberlandesgericht hat ausweislich der Gründe seiner Entscheidung angenommen, der Geschäftsführer der
Beklagten habe - jedenfalls was eine Tantiemezahlung in Höhe von 50. 000, 00 Euro anbelange - gegen seine Geschäftsführerpflichten verstoßen. Soweit es
gleichwohl davon ausgegangen ist, die Pflichtverletzung erreiche nicht das für eine Abberufung und Kündigung des Anstellungsvertrags erforderliche Gewicht,
hat es dies - nach Beweisaufnahme - ua. damit begründet, dass dem Geschäftsführer die Tantieme durch den früheren Mehrheitsgesellschafter R noch zu dessen
Lebzeiten zugesagt worden sei. Die Durchführung einer Beweisaufnahme im Berufungsverfahren spricht aber deutlich dafür, dass der Vortrag des Klägers zum
Gewicht der festgestellten Pflichtverletzung schlüssig war, mag auch aus Sicht der Zivilgerichte die strafrechtliche Würdigung des Geschehens für die
gesellschaftsrechtliche Bewertung der Pflichtverletzung nicht entscheidend gewesen sein. Die Beklagte hat im Hinblick auf ihren Auflösungsantrag auch nicht
etwa behauptet, der Kläger habe die Vereinbarungen zwischen seinen Brüdern positiv gekannt und dahingehenden Vortrag im Zivilrechtsstreit wider besseres
Wissen bestritten.
cc) Der Kläger musste sich - anders als das Landesarbeitsgericht offenbar meint - auch nicht deshalb einer strafrechtlichen Bewertung des Geschehens um die
Tantiemezahlung enthalten oder aber von der Durchführung des Berufungsverfahrens im Zivilprozess absehen, weil er zugleich Arbeitnehmer der Beklagten
war. Es stand ihm frei, im Rahmen einer zulässigen Interessenwahrnehmung den Rechtsweg auszuschöpfen. Wollte man dies anders sehen, müsste der
Arbeitnehmer von der Erhebung aus seiner Sicht berechtigter gesellschaftsrechtlicher Forderungen absehen, nur um keinen Grund für die Auflösung des
Arbeitsverhältnisses zu setzen. Ein solcher Rechtsverzicht kann ihm schon nach dem Rechtsgedanken des Maßregelungsverbots (§ 612a BGB) nicht abverlangt
werden (ähnlich BAG 9. Februar 1995 - 2 AZR 389/94 - zu II 6 der Gründe, EzA KSchG § 1 Personenbedingte Kündigung Nr. 12). Der Schutz, den die
gesetzlichen Kündigungsvorschriften - auch über § 9 KSchG - gewähren, ist auch nicht deshalb ein geringerer, weil der Arbeitnehmer zugleich Gesellschafter
des Unternehmens ist.
dd) Die Beklagte hat auch keine konkreten Anhaltspunkte benannt, die den Schluss zuließen, das Arbeitsverhältnis der Parteien sei durch die
gesellschaftsrechtliche Auseinandersetzung zusätzlich nachteilig belastet worden. Der Kläger hat seinen "Vorwurf einer strafbaren Untreuehandlung" - soweit
ersichtlich -, ausschließlich innerhalb der zuständigen Gremien und im anschließenden zivilgerichtlichen Verfahren angebracht und damit in der Tendenz
gezeigt, dass er zwischen seiner Stellung als Arbeitnehmer der Beklagten und der eines Gesellschafters der Beklagten zu trennen weiß. Zudem kommunizierten
er und der Geschäftsführer - unstreitig - bereits vor Einleitung des Kündigungsschutzprozesses nur noch schriftlich miteinander. Das mag, auch unter
Berücksichtigung der herausgehobenen Stellung des Klägers als kaufmännischer Leiter, einer sachgerechten Zusammenarbeit zwischen ihm und dem
Geschäftsführer nicht zuträglich gewesen sein. Doch muss berücksichtigt werden, dass sich die Parteien grundsätzlich auf diese Situation eingestellt hatten. So
hat der Geschäftsführer der Beklagten dem Kläger - unstreitig - mit Notiz vom 16. November 2006 mitgeteilt, er "akzeptiere dies", womit er auf die aus seiner
Sicht fehlende Bereitschaft seines Bruders abhob, in geschäftlichen Angelegenheiten ein persönliches Gespräch zu führen. Dass die Kommunikation der
Parteien auf dieser "Kompromissebene" durch das gesellschaftsrechtliche Vorgehen des Klägers zusätzlich erschwert wurde, kann nicht ohne Weiteres
angenommen werden. Dagegen spricht auch die finanzielle Beteiligung des Klägers am Unternehmen der Beklagten und das ihm insoweit zu unterstellende
Interesse an deren wirtschaftlichem Erfolg.
3. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts stellt sich nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Die Beklagte hat sich auf weitere Umstände
berufen, die aus ihrer Sicht einer den Betriebszwecken dienlichen Zusammenarbeit der Parteien entgegenstehen. Ob diese ihr - entweder einzeln, oder aber in
ihrer Gesamtschau - einen Grund zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses gaben, kann der Senat nicht abschließend beurteilen, weil es an Feststellungen des
Landesarbeitsgerichts zu dem jeweils zugrunde liegenden Sachverhalt fehlt. Dies bedingt die Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht. ..."
(BAG, Urteil vom 24.03.2011 - 2 AZR 674/09)
***
„... I. Ein Auflösungsgrund für den Arbeitgeber nach § 9 KSchG kann auch in einem Verhalten seines Prozessbevollmächtigten liegen, das der Arbeitnehmer
nicht veranlasst hat. Die gegenteilige Auffassung des Landesarbeitsgerichts findet im Gesetz keine Stütze.
1. Nach § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG hat das Gericht nach erfolgreicher Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers auf Antrag des Arbeitgebers das
Arbeitsverhältnis aufzulösen, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und
Arbeitnehmer nicht erwarten lassen. Die nach Auffassung des Arbeitgebers maßgeblichen Gründe sind von ihm im Prozess vorzutragen und - falls bestritten -
zu beweisen. Eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses kommt nach der Konzeption des Gesetzgebers nur ausnahmsweise in Betracht. Dass allerdings auch die
während des Kündigungsschutzprozesses auftretenden Spannungen die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses sinnlos erscheinen lassen können, ist dem Gesetz
nicht fremd (Senat 10. Juli 2008 - 2 AZR 1111/06 - Rn. 42 mwN, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 181 = EzA KSchG § 1
Betriebsbedingte Kündigung Nr. 163).
a) Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Frage, ob eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und
Arbeitnehmer zu erwarten ist, ist der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz (Senat 23. Februar 2010 - 2 AZR 554/08 - Rn. 23
mwN, EzA KSchG § 9 nF Nr. 58; 7. März 2002 - 2 AZR 158/01 - AP KSchG 1969 § 9 Nr. 42 = EzA KSchG § 9 nF Nr. 45). Der Auflösungsantrag ist trotz
seiner nach § 9 Abs. 2 KSchG gesetzlich angeordneten Rückwirkung auf den Kündigungszeitpunkt in die Zukunft gerichtet. Das Gericht hat eine Vorausschau anzustellen.
b) Als Auflösungsgründe für den Arbeitgeber gem. § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG kommen solche Umstände in Betracht, die das persönliche Verhältnis zum
Arbeitnehmer, die Wertung seiner Persönlichkeit, seiner Leistung oder seiner Eignung für die ihm gestellten Aufgaben und sein Verhältnis zu den übrigen
Mitarbeitern betreffen. Die Gründe, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen den Vertragspartnern nicht erwarten lassen,
müssen nicht im Verhalten, insbesondere nicht im schuldhaften Verhalten des Arbeitnehmers liegen. Es kommt darauf an, ob die objektive Lage beim Schluss
der mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz die Besorgnis rechtfertigt, dass die weitere Zusammenarbeit mit dem Arbeitnehmer gefährdet ist (Senat 8.
Oktober 2009 - 2 AZR 682/08 - Rn. 15 mwN, EzA KSchG § 9 nF Nr. 57; 7. März 2002 - 2 AZR 158/01 - AP KSchG 1969 § 9 Nr. 42 = EzA KSchG § 9 nF Nr.
45). Als Auflösungsgrund geeignet sind danach etwa Beleidigungen, sonstige ehrverletzende Äußerungen oder persönliche Angriffe des Arbeitnehmers gegen
den Arbeitgeber, Vorgesetzte oder Kollegen.
Auch das Verhalten des Prozessbevollmächtigten des Arbeitnehmers im Kündigungsschutzprozess kann die Auflösung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen.
Dies gilt für vom Arbeitnehmer nicht veranlasste Erklärungen des Prozessbevollmächtigten jedenfalls dann, wenn der Arbeitnehmer sich diese zu eigen macht
und sich auch nachträglich nicht von ihnen distanziert (Senat 10. Juli 2008 - 2 AZR 1111/06 - Rn. 45 mwN, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung
Nr. 181 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 163; v. Hoyningen-Huene/Linck KSchG 14. Aufl. § 9 Rn. 73; Löwisch/Spinner KSchG 9. Aufl. § 9
Rn. 59; HWK/Thies 3. Aufl. § 9 KSchG Rn. 21; HaKo/Fiebig Kündigungsschutzrecht 3. Aufl. § 9 Rn. 68; TLL/Arnold KSchG § 9 Rn. 37; ErfK/Kiel 10. Aufl.
§ 9 KSchG Rn. 14). Zu berücksichtigen ist allerdings, dass gerade Erklärungen im laufenden Kündigungsschutzverfahren durch ein berechtigtes Interesse des
Arbeitnehmers gedeckt sein können (Senat 23. Februar 2010 - 2 AZR 554/08 - Rn. 31 mwN, EzA KSchG § 9 nF Nr. 58; 10. Juli 2008 - 2 AZR 1111/06 - Rn.
45 mwN, aaO).
c) Die vom Landesarbeitsgericht vertretene und auch in der arbeitsrechtlichen Literatur gelegentlich geäußerte Auffassung, nur ein vom Arbeitnehmer
veranlasstes Verhalten seines Prozessbevollmächtigten könne als Auflösungsgrund herangezogen werden (vgl. APS/Biebl 3. Aufl. § 9 KSchG Rn. 66;
KR/Spilger 9. Aufl. § 9 KSchG Rn. 56; KDZ/Zwanziger 7. Aufl. § 9 KSchG Rn. 21; wohl auch MünchKommBGB/Hergenröder 5. Aufl. § 9 KSchG Rn. 51),
stimmt nicht ausreichend mit den gesetzlichen Vorgaben überein.
aa) Die Auffassung beruht offenbar auf dem Gedanken, den Arbeitnehmer dürfe ein Rechtsnachteil - Verlust des Arbeitsplatzes - grundsätzlich nur dann
treffen, wenn er selbst hierzu bewusst eine Ursache gesetzt habe. Das trifft jedoch schon für die Regelung des Gesetzes über die Kündigungsgründe nicht zu.
Bei betriebsbedingten Kündigungen liegt der Kündigungsgrund in aller Regel außerhalb des Einflussbereichs des Arbeitnehmers. Dasselbe kann auch bei
personenbedingten Kündigungen der Fall sein. Damit kann es auch bei der Auflösung des Arbeitsverhältnisses nicht entscheidend darauf ankommen, ob der
Arbeitnehmer den Fortfall der Vertrauensgrundlage selbst verursacht hat.
bb) Allerdings ist sorgfältig zu prüfen, ob das jeweils konkrete Verhalten Dritter geeignet ist, die Vertrauensgrundlage für weitere Zusammenarbeit der
Vertragsparteien entfallen zu lassen. Das ist im Allgemeinen nur dann der Fall, wenn der Arbeitnehmer dieses Verhalten entscheidend veranlasst hat (Senat 14.
Mai 1987 - 2 AZR 294/86 - AP KSchG 1969 § 9 Nr. 18 = EzA KSchG § 9 nF Nr. 20). Beim Verhalten des Prozessbevollmächtigten des Arbeitnehmers ist dies
deshalb anders, weil der Arbeitnehmer sich seiner im Verhältnis zum Arbeitgeber bewusst bedient und Prozessverhalten des Bevollmächtigten dem
Arbeitnehmer schon wegen des § 85 ZPO zugerechnet wird. Prozessvortrag des Bevollmächtigten gilt von vornherein als Vortrag der Partei. Tatsächliche
Erklärungen des Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung sind für die miterschienene Partei "verpflichtend", wenn sie die Erklärungen nicht
sofort widerruft oder berichtigt (§ 85 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Diese gesetzliche Regelung steht der Annahme entgegen, Prozessvortrag des Arbeitnehmers könne
nur dann als Auflösungsgrund berücksichtigt werden, wenn der Arbeitgeber nachweise, dass ein bestimmter - etwa beleidigender - Teil des Prozessvortrags
vom Arbeitnehmer entscheidend veranlasst worden sei. Da es um das persönliche Verhältnis zwischen dem Arbeitnehmer und Arbeitgeber geht, kann dies auch
dadurch belastet werden, dass ein Arbeitnehmer sich seines Bevollmächtigten im Prozess bedient, um den Arbeitgeber durch unfaire und herabsetzende
Erklärungen anzugreifen und sich gleichzeitig hinter ihm zu verstecken. Es kommt deshalb darauf an, ob der Arbeitnehmer sich die betreffenden Äußerungen
seines Prozessbevollmächtigten zu eigen gemacht und sich auch nachträglich nicht von ihnen distanziert hat.
2. An diesen Vorgaben gemessen trägt die vom Landesarbeitsgericht gegebene Begründung nicht das von ihm gefundene rechtliche Ergebnis, es fehle an einem
Auflösungsgrund. Das Landesarbeitsgericht hat sich mit der Feststellung begnügt, der Kläger habe die Äußerungen seines Prozessbevollmächtigten nicht
veranlasst. Dies entspricht nicht dem gesetzlichen Maßstab.
II. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts erweist sich bei Anwendung der oben genannten Grundsätze auf den Sachverhalt nicht aus anderen Gründen als
richtig (§ 561 ZPO). Die von der Beklagten behaupteten Tatsachen scheiden nicht von vornherein als Auflösungsgründe aus. Der Vorwurf, die
Kündigungsentscheidung beruhe auf rassistischen Motiven und es sei dem Personalreferenten nur darum gegangen, Schwarzafrikanern kündigen zu können,
kann als beleidigend und gerade angesichts der Personalstruktur bei den US-Streitkräften als schwere Beeinträchtigung der Vertrauensgrundlage angesehen
werden. Es steht freilich nicht fest, dass der Kläger sich die Äußerung zu eigen gemacht und sich von ihr nicht distanziert hätte.
III. Der Rechtsstreit ist nicht zur Endentscheidung reif (§ 563 Abs. 3 ZPO). Zwischen den Parteien ist streitig, ob der Prozessbevollmächtigte des Klägers die
von der Beklagten behaupteten Äußerungen getan hat. Ebenso ist streitig, ob der Kläger die Äußerungen überhaupt verstanden hat. Keinerlei Feststellungen
sind zu der Frage getroffen, wie sich der Kläger, wenn er die Äußerungen verstand, hierzu verhalten hat. Ebenso kommt in Betracht, dass durch die
zwischenzeitlich erfolgte Versetzung des Personalreferenten die etwa beeinträchtigte Vertrauensgrundlage wieder hergestellt ist. Zu beachten sein wird auch, ob
und inwieweit die Erschütterung der Vertrauensgrundlage sich auf das Austauschverhältnis auswirkt oder auszuwirken droht. ..." (BAG, Urteil vom 10.06.2010
- 2 AZR 297/09)
***
„... I. Der Auflösungsantrag der Beklagten hat keinen Erfolg. Es liegen keine Gründe vor, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit der
Parteien nicht erwarten ließen.
1. Stellt das Gericht in einem Kündigungsschutzprozess fest, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die als sozial ungerechtfertigt erkannte Kündigung aufgelöst
worden ist, hat es nach § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG auf Antrag des Arbeitgebers das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer angemessenen Abfindung aufzulösen,
wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen.
a) Das KSchG ist seiner Konzeption nach ein Bestandsschutz- und kein Abfindungsgesetz, so dass an den Auflösungsgrund strenge Anforderungen zu stellen
sind (Senat 10. Juli 2008 - 2 AZR 1111/06 - Rn. 42 ff., AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 181 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte
Kündigung Nr. 163; 23. Juni 2005 - 2 AZR 256/04 - zu II 2 a der Gründe mwN, AP KSchG 1969 § 9 Nr. 52 = EzA KSchG § 9 nF Nr. 52). Ein
Auflösungsantrag kommt vor allem dann in Betracht, wenn während eines Kündigungsschutzprozesses zusätzliche Spannungen zwischen den Parteien
auftreten, die eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses sinnlos erscheinen lassen (Senat 10. Juli 2008 - 2 AZR 1111/06 - Rn. 42, aaO; 12. Januar 2006 - 2 AZR
21/05 - Rn. 65, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 53 = EzA KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 67).
b) Für die Entscheidung über den Auflösungsantrag kommt es auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz an (Senat 23.
Juni 2005 - 2 AZR 256/04 - zu II 2 b der Gründe, AP KSchG 1969 § 9 Nr. 52 = EzA KSchG § 9 nF Nr. 52; 7. März 2002 - 2 AZR 158/01 - zu B II 2 b der
Gründe, AP KSchG 1969 § 9 Nr. 42 = EzA KSchG § 9 nF Nr. 45). Der Auflösungsantrag ist trotz seiner nach § 9 Abs. 2 KSchG gesetzlich angeordneten
Rückwirkung auf den Kündigungszeitpunkt in die Zukunft gerichtet. Das Gericht hat eine Vorausschau anzustellen. Im Zeitpunkt der Entscheidung über den
Antrag ist zu fragen, ob in Zukunft noch mit einer den Betriebszwecken dienlichen weiteren Zusammenarbeit der Parteien zu rechnen ist. Es geht um die
Würdigung, ob die zum Zeitpunkt der abschließenden Entscheidung in der Tatsacheninstanz gegebenen Umstände eine künftige gedeihliche Zusammenarbeit
noch erwarten lassen (Senat 10. Juli 2008 - 2 AZR 1111/06 - Rn. 43, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 181 = EzA KSchG § 1
Betriebsbedingte Kündigung Nr. 163; 23. Juni 2005 - 2 AZR 256/04 - zu II 2 b der Gründe, aaO).
c) Als Auflösungsgründe für den Arbeitgeber gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG kommen solche Umstände in Betracht, die das persönliche Verhältnis zum
Arbeitnehmer, die Wertung seiner Persönlichkeit, seiner Leistung oder seiner Eignung für die ihm gestellten Aufgaben und sein Verhältnis zu den übrigen
Mitarbeitern betreffen. Die Gründe, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen den Vertragspartnern nicht erwarten lassen,
müssen allerdings nicht im Verhalten, insbesondere nicht im schuldhaften Verhalten des Arbeitnehmers liegen. Vielmehr kommt es darauf an, ob die objektive
Lage die Besorgnis rechtfertigt, dass die weitere Zusammenarbeit mit dem Arbeitnehmer gefährdet ist (Senat 10. Juli 2008 - 2 AZR 1111/06 - Rn. 44, AP
KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 181 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 163; 7. März 2002 - 2 AZR 158/01 - zu B II 2 b der
Gründe, AP KSchG 1969 § 9 Nr. 42 = EzA KSchG § 9 nF Nr. 45; KR/Spilger 9. Aufl. § 9 KSchG Rn. 56 mwN; ErfK/Kiel 9. Aufl. § 9 KSchG Rn. 20, 22
mwN; APS/Biebl 3. Aufl. § 9 KSchG Rn. 62).
d) Die Wertung, ob im Einzelfall die Auflösung gerechtfertigt ist, obliegt in erster Linie dem Tatsachengericht. Das Revisionsgericht kann aber nachprüfen, ob
das Berufungsgericht die Voraussetzungen für den Auflösungsantrag verkannt und bei Prüfung der vorgetragenen Auflösungsgründe alle wesentlichen
Umstände vollständig und widerspruchsfrei gewürdigt hat (vgl. Senat 10. Juli 2008 - 2 AZR 1111/06 - Rn. 40, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte
Kündigung Nr. 181 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 163; 23. Juni 2005 - 2 AZR 256/04 - zu II 1 der Gründe, AP KSchG 1969 § 9 Nr. 52 =
EzA KSchG § 9 nF Nr. 52).
2. Diesen Anforderungen hält die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts nicht stand.
a) Aus dem Vorbringen der Beklagten und aus dem unstreitigen Sachverhalt ist nicht ersichtlich, dass es zwischen dem Kläger und Vorgesetzten zu
persönlichen Auseinandersetzungen gekommen wäre. Ebenso wenig ist eine Trübung des Verhältnisses zwischen dem Kläger und Arbeitskollegen ersichtlich.
Die Leistung und die Eignung des Klägers für die vertraglich geschuldete Arbeit sind nicht von den Sachverhalten betroffen, die von der Beklagten als
Auflösungsgründe herangezogen werden.
b) Dass der Kläger Anträge bei Gericht gestellt hat, die erfolglos geblieben sind, ist für sich genommen ersichtlich kein Auflösungsgrund. Dass die Anträge in
Schädigungsabsicht oder sonst schikanös angebracht worden wären, ist nicht festgestellt. Überdies finden sich im Berufungsurteil und im Vorbringen der
Beklagten zur objektiven Lage der Beziehungen zwischen dem Kläger einerseits und seinen Vorgesetzten und Kollegen andererseits im Zeitpunkt der
mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz keinerlei Feststellungen, die das Arbeitsverhältnis des Klägers konkret - dh. auf der Ebene der Tatsachen -
beträfen. Es mag sein, dass der Kläger bei der - vermeintlichen oder wirklichen - Wahrnehmung betriebsverfassungsrechtlicher Positionen "über das Ziel
hinausgeschossen" und dabei die ihm gesetzten Grenzen verkannt hat und die Beklagte ihn als einen menschlich problematischen und herausfordernd
wirkenden Mitarbeiter betrachtet. Es mag auch sein, dass der Kläger sich in ein schwieriges Verhältnis zu seiner Gewerkschaft gebracht hat. Dass dadurch das
Arbeitsverhältnis zur Beklagten irgendwie fassbar - etwa im Bereich der Hauptleistungspflichten oder einzelner Nebenpflichten - in Mitleidenschaft gezogen
worden wäre, ist nicht ersichtlich.
c) Wenn das Landesarbeitsgericht den Kläger als "unehrlich" charakterisiert und als jemanden ansieht, der in der Verfolgung eigener Interessen "Grenzen
überschreite", so sind dies gewiss Würdigungen, die, wenn sie zutreffen, eine zwar nicht unverbreitete, aber um deswillen doch nicht begrüßenswerte Haltung
im Wirtschaftsleben bezeichnen. Gleichwohl korrespondieren sie nicht ausreichend mit den gesetzlichen Anforderungen an einen Auflösungsgrund. Diese
setzen vielmehr die Prognose einer schweren Beeinträchtigung des Austauschverhältnisses voraus. Davon kann hier nach dem Vortrag der Beklagten und den
Feststellungen des Berufungsgerichts keine Rede sein. Dass eine Vertrauensbeziehung zwischen den Vertragsparteien unerlässlich ist, wie das
Landesarbeitsgericht ausführt, trifft zu. Störungen des erforderlichen Vertrauens, die der weiteren wechselseitigen Erfüllung der Vertragspflichten und dem
Zusammenwirken zum Wohl des Betriebs entgegenstünden, sind aber nicht ersichtlich; zumindest haben sie sich nicht in greifbaren Tatsachen
niedergeschlagen. ..." (BAG, Urteil vom 8. 10. 2009 - 2 AZR 682/08)
***
„... I. Nach § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG hat das Gericht das Arbeitsverhältnis auf Antrag des Arbeitgebers aufzulösen und diesen zur Zahlung einer angemessenen
Abfindung zur verurteilen, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer
nicht erwarten lassen. Diese Voraussetzung ist im Streitfall nicht gegeben.
1. Eine Auflösung scheitert nicht schon daran, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der
Berufungsinstanz - unstreitig - bereits beendet war.
a) Die Parteien gehen übereinstimmend davon aus, dass ihr Arbeitsverhältnis - sollte es nicht durch eine weitere ordentliche Kündigung der Beklagten vom 28.
November 1995 schon zum 31. März 1996 aufgelöst worden sein - spätestens mit Ablauf des 31. März 2005 geendet hat. Der Kläger, der im März 2005 sein
65. Lebensjahr vollendete, ist mit Wirkung vom 1. April 2005 in den Ruhestand getreten und bezieht seither Regelaltersrente.
b) Nach § 9 Abs. 2 KSchG ist für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses der Zeitpunkt festzusetzen, an dem es bei sozial gerechtfertigter Kündigung - hier der
31. Dezember 1995 - geendet hätte. Daraus folgt, dass ein Antrag auf Auflösung nicht mehr gestellt werden kann, wenn das Arbeitsverhältnis zu diesem
Zeitpunkt bereits aus anderen Gründen beendet war. Eine gerichtliche Auflösung kommt nur in Betracht, wenn das Arbeitsverhältnis zu dem gesetzlich
zwingend vorgeschriebenen Auflösungszeitpunkt noch bestanden hat. Andernfalls kann durch das Urteil nichts mehr gestaltet werden (BAG 20. März 1997 - 8
AZR 769/95 - zu B II 4 b der Gründe, BAGE 85, 330). Diese Voraussetzung ist erfüllt. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat jedenfalls nicht vor dem 31.
Dezember 1995 geendet.
c) Hat das Arbeitsverhältnis zwar erst nach dem gemäß § 9 Abs. 2 KSchG festzusetzenden Zeitpunkt, aber schon vor Erlass des Auflösungsurteils geendet, steht
dies einer gerichtlichen Auflösung nicht entgegen (BAG 24. Mai 2005 - 8 AZR 246/04 - zu II 2 der Gründe, BAGE 114, 362; Senat 17. September 1987 - 2
AZR 2/87 - zu II 2 a der Gründe, RzK I 11a Nr. 16). Allerdings ist in einem solchen Fall ein anderer als der sonst vorgesehene Beurteilungszeitpunkt
maßgeblich. Grundsätzlich ist die Begründetheit eines Auflösungsantrags nach den bei Erlass des Urteils vorliegenden Umständen zu beurteilen (Senat 8.
Oktober 2009 - 2 AZR 682/08 - Rn. 14, EzA KSchG § 9 nF Nr. 57; 23. Juni 2005 - 2 AZR 256/04 - zu II 2 b der Gründe, AP KSchG 1969 § 9 Nr. 52 = EzA
KSchG § 9 nF Nr. 52). Eine auf deren Grundlage anzustellende zukunftsgerichtete Prognose kann bei einer schon zuvor eingetretenen Beendigung des
Arbeitsverhältnisses nicht mehr erfolgen. Daher ist die Prognose anhand der bis zur Beendigung eingetretenen Umstände zu erstellen und auf den Zeitraum
zwischen dem Termin, zu dem die Kündigung gewirkt hätte, wenn sie sozial gerechtfertigt gewesen wäre, und dem Beendigungszeitpunkt zu erstrecken (BAG
17. September 1987 - 2 AZR 2/87 - zu II 3 b der Gründe, aaO).
d) An dieser Rechtsprechung, die in der Literatur vielfach Zustimmung gefunden hat (vgl. APS/Biebl 3. Aufl. § 9 KSchG Rn. 88; ErfK/Kiel 10. Aufl. § 9
KSchG Rn. 5; v. Hoyningen-Huene/Linck KSchG 14. Aufl. § 9 Rn. 41; SPV/Vossen 10. Aufl. 2010 Rn. 2102; aA Löwisch/Spinner KSchG 9. Aufl. § 9 Rn.
28), hält der Senat auch in Anbetracht der im angefochtenen Urteil geäußerten Bedenken fest.
aa) Das Landesarbeitsgericht meint, bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor einer Entscheidung über den Auflösungsantrag fehle es schon deshalb an
Auflösungsgründen, weil eine Zusammenarbeit der Parteien, anders als § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG vorausgesetzt, in keinem Fall mehr "zu erwarten" sei. Die
Auffassung des Senats sei mit der Zukunftsbezogenheit des Auflösungsantrags nicht vereinbar und führe zu einer sachlich nicht gerechtfertigten
Differenzierung. Werde über den Auflösungsantrag noch kurz vor der Beendigung entschieden, sei ein Prognosezeitraum von ggf. nur wenigen Tagen zugrunde
zu legen. Demgegenüber komme es bei einer Entscheidung nach dem Beendigungszeitpunkt ggf. auf einen Zeitraum von mehreren Jahren an.
bb) Dieser Einwand überzeugt nicht. Er berücksichtigt nicht, dass gerade der Ausschluss einer Auflösungsmöglichkeit wegen anderweitiger Beendigung des
Arbeitsverhältnisses zu unbilligen Ergebnissen führen kann. So bliebe der Arbeitgeber auch bei Vorliegen von Auflösungsgründen grundsätzlich verpflichtet,
dem Arbeitnehmer nach Maßgabe von § 615 BGB bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses Gehalt zu zahlen, während er andernfalls lediglich eine
Abfindung in den Höchstgrenzen des § 10 KSchG zu zahlen hätte. Auch auf Seiten des Arbeitnehmers kann der Wegfall eines berechtigten
Abfindungsanspruchs zu wirtschaftlichen Nachteilen führen. Dies könnte eine an der Vereitelung der Auflösung interessierte Partei dazu verleiten, den Prozess,
soweit dies in ihrer Macht steht, über den Beendigungszeitpunkt hinaus zu verzögern, um daraus finanzielle Vorteile zu ziehen (vgl. Senat 21. Januar 1965 - 2
AZR 38/64 - zu I 1 der Gründe, BAGE 17, 46). Dem kann durch die vom Senat bevorzugte Lösung begegnet werden. Sie trägt überdies dem gesetzlichen
Sanktionszweck der nach § 10 KSchG festzusetzenden Abfindung Rechnung (vgl. ErfK/Kiel 10. Aufl. § 9 KSchG Rn. 5) und entspricht der Methodik des
Schadenersatzrechts (Senat 21. Januar 1965 - 2 AZR 38/64 - aaO; Tschöpe FS Schwerdtner 217, 242 f.).
2. Gleichwohl war das Arbeitsverhältnis nicht aufzulösen. Das Landesarbeitsgericht ist im Rahmen seiner das Urteil selbstständig tragenden (Hilfs-)
Begründung rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gelangt, auch bei einem Prognosezeitraum vom 1. Januar 1996 (Ablauf der Kündigungsfrist) bis zum 31. März
2005 (spätestes Ende des Arbeitsverhältnisses) fehle es an Auflösungsgründen iSv. § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG.
a) Das KSchG ist seiner Konzeption nach ein Bestandsschutz- und kein Abfindungsgesetz. An den Auflösungsgrund sind deshalb strenge Anforderungen zu
stellen (Senat 8. Oktober 2009 - 2 AZR 682/08 - Rn. 13 mwN, EzA KSchG § 9 nF Nr. 57; 10. Juli 2008 - 2 AZR 1111/06 - Rn. 42 ff., AP KSchG 1969 § 1
Betriebsbedingte Kündigung Nr. 181 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 163). Ein Auflösungsantrag kommt vor allem dann in Betracht, wenn
während eines Kündigungsschutzprozesses zusätzliche Spannungen zwischen den Parteien auftreten, die eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses sinnlos
erscheinen lassen (Senat 8. Oktober 2009 - 2 AZR 682/08 - aaO; 12. Januar 2006 - 2 AZR 21/05 - Rn. 65, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung
Nr. 53 = EzA KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 67).
b) Auflösungsgründe für den Arbeitgeber können solche Umstände sein, die das persönliche Verhältnis zum Arbeitnehmer, die Wertung seiner Persönlichkeit,
seiner Leistung oder seiner Eignung für die ihm gestellten Aufgaben und sein Verhältnis zu den übrigen Mitarbeitern betreffen. Die Gründe, die eine den
Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen den Vertragspartnern nicht erwarten lassen, müssen nicht im Verhalten, insbesondere nicht im
schuldhaften Verhalten des Arbeitnehmers liegen. Entscheidend ist, ob die objektive Lage die Besorgnis rechtfertigt, dass die weitere gedeihliche
Zusammenarbeit mit dem Arbeitnehmer gefährdet ist (Senat 8. Oktober 2009 - 2 AZR 682/08 - Rn. 15, EzA KSchG § 9 nF Nr. 57; 7. März 2002 - 2 AZR
158/01 - zu B II 2 b der Gründe, AP KSchG 1969 § 9 Nr. 42 = EzA KSchG § 9 nF Nr. 45). In diesem Sinne als Auflösungsgrund geeignet sind etwa
Beleidigungen, sonstige ehrverletzende Äußerungen oder persönliche Angriffe des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber, Vorgesetzte oder Kollegen (Senat 23.
Juni 2005 - 2 AZR 256/04 - zu II 2 c der Gründe mwN, AP KSchG 1969 § 9 Nr. 52 = EzA KSchG § 9 nF Nr. 52).
c) Auch das Verhalten des Arbeitnehmers oder seines Prozessbevollmächtigten im Kündigungsschutzprozess kann die Auflösung des Arbeitsverhältnisses
rechtfertigen. Dies gilt für vom Arbeitnehmer nicht veranlasste Erklärungen seines Prozessbevollmächtigten jedenfalls dann, wenn er sich diese zu eigen macht
und sich auch nachträglich von ihnen nicht distanziert (Senat 7. März 2002 - 2 AZR 158/01 - zu B II 2 c der Gründe, AP KSchG 1969 § 9 Nr. 42 = EzA KSchG
§ 9 nF Nr. 45).
Dabei ist zu berücksichtigen, dass Erklärungen im laufenden Kündigungsschutzverfahren durch ein berechtigtes Interesse des Arbeitnehmers gedeckt sein
können. Die wertsetzende Bedeutung der Grundrechte ist auch auf der Rechtsanwendungsebene zu gewährleisten, wenn im Zuge der Anwendung
verfassungsrechtlich unbedenklicher Normen grundrechtlich geschützte Positionen berührt werden (BVerfG 15. April 2008 - 1 BvR 1793/07 - zu II 3 der
Gründe mwN, NJW 2008, 2424). Deshalb sind bei der Beurteilung, ob aufgrund von Äußerungen des Arbeitnehmers eine weitere gedeihliche Zusammenarbeit
mit dem Arbeitgeber nicht mehr zu erwarten steht, die grundrechtlichen Rahmenbedingungen, insbesondere das Grundrecht auf Meinungsfreiheit, zu beachten.
Der Grundrechtsschutz besteht unabhängig davon, ob eine Äußerung rational oder emotional, begründet oder grundlos ist, ob sie von anderen für nützlich oder
schädlich, wertvoll oder wertlos gehalten wird. Er bezieht sich sowohl auf den Inhalt als auch auf die Form der Äußerung. Selbst eine polemische oder
verletzende Formulierung entzieht einer Äußerung noch nicht den Schutz der Meinungsfreiheit (BVerfG 16. Oktober 1998 - 1 BvR 1685/92 - zu II 2 a aa der
Gründe, AP BGB § 611 Abmahnung Nr. 24 = EzA BGB § 611 Abmahnung Nr. 40; 10. Oktober 1995 - 1 BvR 1476/91 - zu C I 1 der Gründe, BVerfGE 92,
266). Allerdings wird das Grundrecht auf Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG nicht schrankenlos gewährt, sondern durch die allgemeinen Gesetze und das
Recht der persönlichen Ehre (Art. 5 Abs. 2 GG) beschränkt. Mit diesen muss es ggf. in ein ausgeglichenes Verhältnis gebracht werden (BVerfG 15. April 2008
- 1 BvR 1793/07 - mwN, aaO; BAG 24. November 2005 - 2 AZR 584/04 - Rn. 26, AP BGB § 626 Nr. 198 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 13).
Darüber hinaus ist gerade im Rahmen einer prozessualen Auseinandersetzung zu berücksichtigen, dass Parteien zur Verteidigung von Rechten schon im
Hinblick auf das rechtliche Gehör (Art. 103 GG) alles vortragen dürfen, was als rechts-, einwendungs- oder einredebegründender Umstand prozesserheblich
sein kann (BVerfG 11. April 1991 - 2 BvR 963/90 - zu C II 3 der Gründe, NJW 1991, 2074). Anerkannt ist insbesondere, dass ein Verfahrensbeteiligter auch
starke, eindringliche Ausdrücke und sinnfällige Schlagworte benutzen darf, um seine Rechtsposition zu unterstreichen, selbst wenn er seinen Standpunkt
vorsichtiger hätte formulieren können. Das gilt allerdings nur in den Grenzen der Wahrheitspflicht. Auch dürfen die Parteien nicht leichtfertig
Tatsachenbehauptungen aufstellen, deren Unhaltbarkeit ohne Weiteres auf der Hand liegt (BVerfG 11. April 1991 - 2 BvR 963/90 - aaO).
d) Die Würdigung, ob nach diesen Maßstäben im Einzelfall die Auflösung des Arbeitsverhältnisses gerechtfertigt ist, obliegt in erster Linie dem
Tatsachengericht. Das Revisionsgericht kann aber nachprüfen, ob das Berufungsgericht die Voraussetzungen für den Auflösungsantrag verkannt und bei
Prüfung der vorgetragenen Auflösungsgründe alle wesentlichen Umstände vollständig und widerspruchsfrei berücksichtigt und gewürdigt hat (vgl. Senat 8.
Oktober 2009 - 2 AZR 682/08 - Rn. 16, EzA KSchG § 9 nF Nr. 57; 23. Juni 2005 - 2 AZR 256/04 - zu II 1 der Gründe, AP KSchG 1969 § 9 Nr. 52 = EzA
KSchG § 9 nF Nr. 52). Dem hält die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts stand.
aa) Zu Recht hat sich das Landesarbeitsgericht auf die Prüfung solcher Umstände beschränkt, die bis zum 31. März 2005 eingetreten waren. Erklärungen des
Klägers, die dieser nach Beginn seines Ruhestands abgegeben hat, oder ihm insoweit zuzurechnende Äußerungen seiner Ehefrau sind ungeeignet, den
Auflösungsantrag der Beklagten zu begründen. Das folgt daraus, dass die Begründetheit des Antrags in Fällen wie dem vorliegenden aus der Sicht des
Zeitpunkts der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu beurteilen ist. Damit wäre eine - selbst eine nur unterstützende - Heranziehung von Vorfällen, die sich
erst später ereignet haben, unvereinbar. Hinzu kommt, dass eine Verletzung nachvertraglicher Schutz- und Rücksichtnahmepflichten wegen einer nach
Vertragsende veränderten Pflichtenstruktur keine sicheren Rückschlüsse auf die Möglichkeit einer gedeihlichen, an den Betriebszwecken orientierten
Zusammenarbeit in einem noch aktiven Arbeitsverhältnis zuließe.
bb) Dem Landesarbeitsgericht ist darin zuzustimmen, dass die interne Bearbeitung des Rechtsstreits mit der R GmbH der Beklagten keinen Grund für eine
Auflösung des Arbeitsverhältnisses gab.
(1) Der Beklagten war es nicht schon verwehrt, zur Begründung ihres Auflösungsantrags auf solche Umstände zurückzugreifen, die sie zur Rechtfertigung ihrer
sozial ungerechtfertigten Kündigung vom 24. Oktober 1995 angeführt hatte. Derartige Sachverhalte können jedenfalls dann zur Begründung eines
Auflösungsantrags herangezogen werden, wenn der Arbeitgeber sich - wie hier - auch noch auf weitere Tatsachen beruft (Senat 23. Oktober 2008 - 2 AZR
483/07 - Rn. 71 mwN, AP BGB § 626 Nr. 218).
(2) Das Landesarbeitsgericht hat das Verhalten des Klägers in Teilen als vertragswidrig angesehen. So hat es angenommen, der Kläger habe vor Kündigung des
Gestattungsvertrags mit der R GmbH Rücksprache mit den bereits beauftragten Rechtsanwälten halten müssen. Außerdem habe er seine Kompetenzen
überschritten, als er anschließend Rechtsanwälte selbst mandatiert habe. Ferner habe er den Oberbürgermeister verspätet über das Urteil des Landgerichts vom
3. August 1995 unterrichtet und in seinem "Hausbrief" Bedenken des Gerichts gegen die von der Beklagten vertretene Rechtsauffassung nicht hinreichend
Rechnung getragen.
(3) Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht aber angenommen, dass solcherart Pflichtverletzungen einer den Betriebszwecken dienlichen Zusammenarbeit der
Parteien deshalb nicht entgegenstanden, weil sie sich durch geeignete Weisungen der Beklagten hätten steuern lassen.
(4) Auch der vom Kläger in Sachen R GmbH eingenommene Rechtsstandpunkt als solcher und die Konsequenz, mit der der Kläger ihn vertreten hat, sind kein
Auflösungsgrund. Die von der Beklagten beauftragten Gutachter haben in ihrer Stellungnahme die Rechtslage als "kompliziert" bezeichnet und gemeint, die
Auffassung des Klägers könne jedenfalls nicht als "völlig abwegig" bezeichnet werden. Das hat das Berufungsgericht mit nachvollziehbaren Argumenten
ebenso gesehen. Die Erhebung einer Klage auf Rückzahlung von Honorar gegen die zweitbeauftragten Rechtsanwälte war nicht völlig fernliegend. Das
Landesarbeitsgericht hat festgestellt, dass diese bei Mandatsniederlegung ihren Vorschuss bereits erhalten hatten. Ein "überzogenes Vorgehen" des Klägers
kann ebenso wenig in der Erhebung von Schadensersatzforderungen gegenüber den ursprünglich beauftragten Rechtsanwälten gesehen werden. Immerhin war
deren Schreiben vom 13. Dezember 1993 ein Grund, der aus Sicht des Landgerichts Koblenz zum Unterliegen der Beklagten im Rechtsstreit mit der R GmbH
führte. Zudem waren die betreffenden Schritte mit dem Oberbürgermeister der Beklagten abgestimmt.
cc) Die Auflösung des Arbeitsverhältnisses war nicht mit Rücksicht auf das sonstige Verhalten des Klägers geboten. Zwar hat das Berufungsgericht dieses
Verhalten als teilweise unverhältnismäßig, beleidigend oder illoyal qualifiziert. Auch hat es erkannt, dass es nicht ohne jede Auswirkung auf die
Zusammenarbeit der Parteien im Prognosezeitraum geblieben wäre. Dennoch durfte es davon ausgehen, dass die Parteien aufgrund der besonderen Umstände
des Einzelfalls - etwa des teilweise fehlenden Bezugs zur Tätigkeit des Klägers und des Umstands, dass der Konflikt durch ein unverhältnismäßiges Vorgehen
der Beklagten selbst mit hervorgerufen worden war - zu einer gedeihlichen Zusammenarbeit hätten zurückfinden können.
(1) Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, das Schreiben des Klägers vom 11. September 1995 an eine Bürgerin sei unangemessen und überzogen gewesen.
Ferner sei es als Ausdruck einer illoyalen Haltung gegenüber dem Oberbürgermeister zu bewerten, dass der Kläger zwar ständig seine Verpflichtungen
gegenüber Stadtrat und Gemeinde betont, bei seiner Anhörung durch den Personalrat aber erklärt habe, Weisungen des Oberbürgermeisters nur unter dem
Vorbehalt ihrer gerichtlichen Prüfung befolgen zu wollen. Entsprechendes gelte für die Äußerungen des Klägers, mit denen er in einem Zeitungsartikel zitiert
worden sei. Es sei überzogen und unsachlich, wenn er das Vorgehen des Oberbürgermeisters mit dem Wort "abspeisen" würdige und durch den Hinweis auf ein
Verlangen nach Akteneinsicht Misstrauen säe. Auch habe er durch die Nichtbeachtung des Verwaltungswegs bei Einreichung seiner Petition im November
1995 versucht, über die Mitglieder des Stadtrats in unlauterer Weise Druck auf die Verwaltung auszuüben. Unangemessen seien seine Ausführungen, mit denen
er den dem Oberbürgermeister angelasteten Verstoß gegen § 28 Abs. 3 SächsGemO ohne Not mit Straftaten verglichen habe. Das belege, dass der Kläger nicht
immer das rechte Maß finde, angemessen auf möglicherweise zu Recht von ihm beanstandete Situationen zu reagieren. Aus seinem Prozessverhalten,
insbesondere der Begründung von Ablehnungsgesuchen gegenüber zuständigen Richtern aus dem März und Mai 2003 werde seine Eigenschaft deutlich, einem
Anliegen in unverhältnismäßiger, teils aggressiver und beleidigender Art Ausdruck zu verleihen.
(2) Ob diese Würdigung dem Recht des Klägers auf freie Meinungsäußerung (Art. 5 Abs. 1 GG) und/oder seinem Petitionsrecht (Art. 17 GG und Art. 35
SächsVerf iVm. § 12 SächsGemO) ausreichend Rechnung trägt, kann dahinstehen. Auch wenn dies zugunsten der Beklagten unterstellt wird, musste das
Landesarbeitsgericht dem Auflösungsantrag nicht stattgeben.
(a) Das fragliche Schreiben vom 11. September 1995 hat die Beklagte zum Anlass genommen, dem Kläger eine Ermahnung auszusprechen. Damit hat sie zu
erkennen gegeben, dass dieser Vorfall aus ihrer Sicht einer weiteren gedeihlichen Zusammenarbeit nicht entgegen steht. Äußerungen des Klägers anlässlich
prozessualer Ablehnungsgesuche hat das Landesarbeitsgericht zu Recht keine fallübergreifende Bedeutung beigemessen. Das gilt ebenso für eine in der
rechtlichen Argumentation des Klägers mitschwingende "Überheblichkeit". Aus der Art und Weise der Prozessführung eines als beratender Jurist beschäftigten
Arbeitnehmers in einem eigenen Kündigungsrechtsstreit lässt sich nicht ohne Weiteres auf dessen Auftreten in Rechtsstreitigkeiten schließen, die er für seinen
Arbeitgeber zu führen hat. Umstände, die eine andere Betrachtung rechtfertigen könnten, zeigt die Revision nicht auf. Das Landesarbeitsgericht hat sich -
entgegen dem Vorbringen der Beklagten - auch mit einem Brief des Klägers an die Prozessbevollmächtigten in Sachen R GmbH auseinandergesetzt und - ohne
dass dies revisionsrechtlich zu beanstanden wäre - gemeint, ihm komme kein zu verallgemeinerndes Gewicht zu. Auch die Vielzahl der zwischen den Parteien
geführten Rechtsstreitigkeiten und der Vorwurf der Revision, der Kläger habe selbst in aussichtsloser Lage Rechtsmittel gegen Entscheidungen der
Vorinstanzen eingelegt, führt zu keinem anderen Ergebnis. Es steht dem Kläger frei, den Rechtsweg auszuschöpfen.
(b) Die Auffassung des Landesarbeitsgerichts, zu Lasten der Beklagten sei zudem zu berücksichtigen, dass diese mit der Kündigung und den sie begleitenden
Umständen maßgeblich zu den Spannungen zwischen den Parteien beigetragen habe, ist nicht zu beanstanden. Sie beruht auf dem Gedanken, dass es dem
Arbeitgeber nicht gestattet ist, sich auf von ihm selbst herbeigeführte Auflösungsgründe zu berufen (vgl. Senat 2. Juni 2005 - 2 AZR 234/04 - zu II 2 e aa der
Gründe, AP KSchG 1969 § 9 Nr. 51 = EzA KSchG § 9 nF Nr. 51; 7. März 2002 - 2 AZR 158/01 - AP KSchG 1969 § 9 Nr. 42 = EzA KSchG § 9 nF Nr. 45;
KR/Spilger 9. Aufl. § 9 KSchG Rn. 56, 59). Unter diesem Gesichtspunkt ist es vertretbar, dass das Landesarbeitsgericht die Kündigung - auch im Hinblick auf
die umfangreichen Unterhaltspflichten des Klägers - als "rigide" bewertet und dies damit begründet hat, weder habe der Kläger Kritik hinsichtlich seiner
beratenden und prozessbegleitenden Tätigkeit erfahren, noch sei ihm ausreichend Gelegenheit zur Verhaltensänderung gegeben worden. Auch die Würdigung,
in der Entbindung des Klägers von seiner Stellung als Amtsleiter liege eine unverhältnismäßige Reaktion, ist nicht zu beanstanden. Das gilt insbesondere
angesichts des Verlangens, der Kläger möge seine Absetzung gemeinsam mit dem Oberbürgermeister in der Verwaltung bekannt geben. Zu Unrecht rügt die
Beklagte, das Landesarbeitsgericht sei hinsichtlich dieser Erwägung der Verpflichtung zur Neubewertung des Sachverhalts nach der Aufhebung seines ersten
Urteils durch den Sächsischen Verfassungsgerichtshof nicht ausreichend gerecht geworden. Auch wenn es Passagen aus dem aufgehobenen Urteil zu großen
Teilen wörtlich wiederholt und lediglich eine vom Verfassungsgerichtshof bemängelte Passage ausgelassen hat, rechtfertigt dies nicht die Annahme, es habe
den Sachverhalt keiner erneuten und eigenständigen rechtlichen Überprüfung unterzogen. Im Übrigen hat auch die Beklagte den Rechtsstreit nicht mit der
gebotenen Sachlichkeit geführt, soweit sie dem langjährig als Rechtsanwalt tätigen Kläger die fachliche Kompetenz abgesprochen und behauptet hat, er habe im
Rechtsstreit mit der R GmbH "abstruse" Rechtsauffassungen vertreten.
(c) Die Einschätzung des Landesarbeitsgerichts, angesichts der Möglichkeit der Beklagten, auf das Verhalten des Klägers durch eindeutige Regelungen und
sachliche Anweisungen steuernd einzuwirken, sei durchaus eine gedeihliche weitere Zusammenarbeit der Parteien zu erwarten gewesen, ist vertretbar. Ihr steht
nicht entgegen, dass es bestimmte Verhaltensauffälligkeiten des Klägers dessen Persönlichkeitsstruktur zugeschrieben hat. Darin läge allenfalls dann ein
Widerspruch, wenn es von einer mangelnden Steuerbarkeit des beanstandeten Verhaltens ausgegangen wäre. Das ist nicht der Fall. Ebenso wenig kann den
Äußerungen des Klägers zum Weisungsrecht des Oberbürgermeisters entnommen werden, er sei nicht (mehr) gewillt, diese zu befolgen. Seine Äußerung, er
werde künftige Weisungen ggf. gerichtlich überprüfen lassen, war erkennbar durch die unerwartete Konfrontation mit der Kündigungsabsicht der Beklagten
bedingt und berechtigt nicht zu der Annahme, er werde sich auch bei Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses eindeutigen Regelungen und Anweisungen
verschließen. Das entsprach im Übrigen der Einschätzung des Personalrats, der die Äußerung und Begleitumstände unmittelbar wahrgenommen hatte.
dd) Das Landesarbeitsgericht hat kein entscheidungserhebliches Vorbringen der Beklagten übergangen oder fehlerhaft gewichtet.
(1) Zu Unrecht rügt die Revision, es habe sich nicht mit der Beleidigung eines seinerzeit zuständigen Vorsitzenden Richters am Landesarbeitsgericht
auseinandergesetzt. Die Entscheidungserheblichkeit der behaupteten Gehörsverletzung ist nicht zu erkennen.
(2) Soweit die Revision rügt, das Landesarbeitsgericht habe eine im Schriftsatz des Klägers vom 10. April 2003 enthaltene Äußerung über ihren
Oberbürgermeister übergangen, derzufolge dieser "seine Kommunalerfahrung in einem Rechtssystem erworben hatte, bei dem die sogenannte sozialistische
Gesetzlichkeit eine Nachgiebigkeit des Rechts für politische Ziele erforderte", hat sie es versäumt darzulegen, wann und wo sie diese Äußerung zum
Gegenstand ihres Auflösungsbegehrens gemacht hatte.
(3) Auf Äußerungen des Klägers im Schriftsatz vom 18. April 2006 und in einer Eingabe an den Regierungspräsidenten vermag die Beklagte ihren
Auflösungsantrag schon deshalb nicht zu stützen, weil sie die Zeit nach dem 31. März 2005, dem Ende des Prognosezeitraums, betreffen.
(4) Das Landesarbeitsgericht hat nicht den Regelungsgehalt des § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG als einer neben § 626 BGB bestehenden Lösungsmöglichkeit des
Arbeitgebers verkannt, soweit es dem am 16. März 2005 verfassten Schreiben des Klägers wegen der alsbaldigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses keine
Bedeutung mehr beigemessen hat. Das Schreiben war unmittelbar an den amtierenden Oberbürgermeister gerichtet. Eine Außenwirkung kam ihm nicht zu. Der
Kläger befasste sich darin überwiegend mit aus seiner Sicht vorliegenden Amtspflichtverletzungen des Amtsvorgängers. Eine Mitverantwortung des Adressaten
stellte er allenfalls unter dem Aspekt unterbliebener Mitarbeiterverantwortung "in den Raum". Anders als die Beklagte meint, kann unter diesen Umständen
nicht angenommen werden, das Schreiben habe sie trotz des unmittelbar bevorstehenden Endes des Arbeitsverhältnisses zu einer fristlosen Kündigung
berechtigt und müsse daher erst recht als Auflösungsgrund taugen.
Unschädlich ist, dass sich das Landesarbeitsgericht nicht näher mit der Frage befasst hat, ob die Äußerungen des Klägers sein vorangegangenes Verhalten in
einem anderen Licht erscheinen lassen. Der Kläger hat das Schreiben mit dem Hinweis darauf eingeleitet, dass er "am letzten Tag, an dem mich der
Arbeitsvertrag den Bürgern dieser Stadt zum Einsatz für das Gemeinwohl verpflichtet, … das Résumée ziehen (könne)". Dies spricht dafür, dass er sich seiner
Mäßigungspflicht im bestehenden Arbeitsverhältnis durchaus bewusst war und sie auch bei tatsächlicher Beschäftigung beachtet hätte.
(5) Ein Auflösungsgrund ergibt sich ebenso wenig aus dem Vorbringen des Klägers zur Erstellung des "Hausbriefs" vom 30. August 1995, von dem er unter
Vorlage einer bereits auf den 6. August 1995 datierten Ausfertigung behauptete, ihn schon Anfang August dem Oberbürgermeister zugeleitet zu haben. Das
Landesarbeitsgericht hat gemeint, insoweit fehle es an hinreichenden Indiztatsachen für einen vorsätzlich falschen Prozessvortrag des Klägers. Dem Gericht sei
aus eigener Erfahrung bekannt, dass es seinerzeit (1995) bei der Verwendung einer bestimmten, auch von der Beklagten genutzten Software häufig zu
programmtechnisch bedingten Fehlern bei Formatierungen und Datierungen gekommen sei. Dem Kläger habe - zumal sehr viel später - die (richtige) Datierung
des Briefs auf den 30. August 1995 nicht mehr bewusst sein müssen. Die Rüge der Beklagten, das Landesarbeitsgericht habe diesen Gesichtspunkt nur nach
einem ausdrücklichen richterlichen Hinweis berücksichtigen dürfen, ist unbegründet. Die Beklagte übersieht, dass sich der Kläger mit Schriftsatz vom 27. Juni
2006 auf mögliche programmtechnische Fehler bei der automatischen Erzeugung des Datums im "Hausbrief" berufen hatte, ohne dass sie dem entgegen
getreten wäre. Unter diesen Umständen stellt es keinen Verfahrensmangel dar, wenn das Landesarbeitsgericht das klägerische Vorbringen mit eigenem Wissen
vergleicht. Seine Würdigung lässt nicht erkennen, dass es dabei die ausdrückliche Behauptung des Klägers, das Dokument am 6. August 1995 und nicht erst am
30. August 1995 erstellt zu haben, übergangen hätte. Es brauchte in den Entscheidungsgründen nicht auf alle Einzelheiten des Vorbringens der Parteien
einzugehen, zumal die Behauptung des Klägers einen Irrtum auf seiner Seite nicht ausschließt. Die Beklagte führt im Übrigen selbst an, der Kläger habe in
seinem Schriftsatz vom 20. August 2003 "klarstellend" erklärt, seine Angaben zu einer "vermuteten Absendung des Hausbriefs nahe bei dem 6. August 1995"
seien "ein für Jedermann erkennbarer Irrtum" gewesen. Der späteren Modifizierung dieses Vorbringens ist nicht zu entnehmen, dass der Kläger die Möglichkeit
eines Irrtums nunmehr gänzlich ausschließen wollte.
II. Fehlt es an einem Auflösungsgrund iSv. § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG, kann offen bleiben, ob der Beklagten ein Auflösungsantrag überhaupt zu Gebote stand.
Darauf, ob die Kündigung vom 24. Oktober 1995 aus sonstigen Gründen unwirksam war, wie der Kläger gemeint hat, kommt es nicht an.
1. Eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses auf Antrag des Arbeitgebers kommt nur in Betracht, wenn die Kündigung nicht auch aus einem anderen Grund als
dem der Sozialwidrigkeit unwirksam ist (Senat 28. Mai 2009 - 2 AZR 949/07 - Rn. 15; 28. August 2008 - 2 AZR 63/07 - Rn. 27, BAGE 127, 329). Dabei führt
das Vorliegen eines anderen Unwirksamkeitsgrundes iSv. § 13 Abs. 3 KSchG nicht zur Unzulässigkeit des Auflösungsbegehrens wegen Fehlens einer
Prozessvoraussetzung. Es mangelt dem Begehren vielmehr an einer materiellen Voraussetzung des § 9 Abs. 1 KSchG wie beim Fehlen von Auflösungsgründen
iSv. § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG auch. Auf eine bestimmte Prüfungsreihenfolge sind die Gerichte gesetzlich nicht festgelegt. Liegt nur eine der Voraussetzungen
des § 9 Abs. 1 KSchG nicht vor, ist der Auflösungsantrag des Arbeitgebers unbegründet. Einer Erörterung weiterer Voraussetzungen bedarf es dann nicht.
2. Etwas anderes ergibt sich im Streitfall auch nicht daraus, dass der Kläger beantragt hat, die Revision der Beklagten mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass
ihr Auflösungsantrag "wegen Verstoßes gegen § 28 Abs. 3 der Sächsischen Gemeindeordnung als unzulässig und unbegründet" abgewiesen werde. Der Kläger
hat keinen Anspruch auf Abweisung des Auflösungsantrags aus einem bestimmten rechtlichen Grund. Der Streitgegenstand bestimmt sich durch den Antrag
und den zu seiner Begründung vorgetragenen Lebenssachverhalt (vgl. BAG 2. Oktober 2007 - 1 ABR 79/06 - Rn. 18 mwN, EzA ZPO 2002 § 559 Nr. 1). In
diesem Rahmen sind die Gerichte in der rechtlichen Beurteilung frei und nicht an die von den Parteien vorgebrachte rechtliche Begründung gebunden. Im
Übrigen hat der Senat im vorliegenden Rechtsstreit bereits entschieden, dass die von § 28 Abs. 3 SächsGemO geforderte Herstellung des Einvernehmens mit
dem Stadtrat keine Wirksamkeitsvoraussetzung für die Kündigung gegenüber einem Gemeindebediensteten darstellt (Urteil vom 27. September 2001 - 2 AZR
389/00 - zu II 5 der Gründe, AP KSchG 1969 § 9 Nr. 41 = EzA ZPO § 322 Nr. 13).
C. Die Anschlussrevision des Klägers ist unzulässig. Der Kläger ist durch das Berufungsurteil nicht beschwert.
I. Die Anschlussrevision stellt, obwohl nicht Rechtsmittel im eigentlichen Sinne, ein Angriffsmittel dar, mit dem der Anschlussrevisionskläger eine
Abänderung der angefochtenen Entscheidung zu seinen Gunsten erstrebt (BGH 11. März 1981 - GSZ 1/80 - zu II 2 b der Gründe, BGHZ 80, 146). Dies setzt
eine Beschwer des Anschlussrevisionsklägers durch das angefochtene Berufungsurteil voraus (zB Senat 15. März 2001 - 2 AZR 141/00 - zu B IV der Gründe,
AP KSchG 1969 § 4 Nr. 46 = EzA KSchG § 4 nF Nr. 61; 26. Januar 1995 - 2 AZR 355/94 - zu I 2 der Gründe, EzA BGB § 626 nF Nr. 155; BGH 31. Mai 1995
- VIII ZR 267/94 - zu II der Gründe mwN, LM ZPO § 556 Nr. 29).
II. Die Beschwer eines sich gegen den Auflösungsantrag des Arbeitgebers verteidigenden Arbeitnehmers ist nach den Grundsätzen zu bestimmen, die für die
Beschwer einer beklagten Partei gelten. Es kommt darauf an, ob das angefochtene Urteil seinem Inhalt nach für ihn nachteilig ist, er also mit dem Rechtsmittel
eine für ihn günstigere Entscheidung herbeiführen kann (vgl. BGH 4. Mai 2000 - VII ZR 53/99 - zu I 3 der Gründe mwN, BGHZ 144, 242). Das bestimmt sich
allein nach dem rechtskraftfähigen Inhalt der angefochtenen Entscheidung (BGH 16. April 1996 - XI ZR 302/95 - zu II 3 der Gründe, NJW-RR 1996, 828). An
einer Beschwer fehlt es, wenn sich das Rechtsmittel allein gegen die Urteilsbegründung wendet und die Partei dieselbe Entscheidung nur mit einer anderen
Begründung erstrebt (BGH 17. Dezember 2003 - IV ZR 28/03 - zu II 1 der Gründe mwN, NJW-RR 2004, 724; 2. Dezember 1982 - IVb ZR 638/80 - zu I 2 b
der Gründe, BGHZ 82, 246).
III. Danach liegt auf Seiten des Klägers eine Beschwer nicht vor.
1. Der Kläger strebt zwar, wie er vor dem Senat klargestellt hat, mit der begehrten Abweisung des Auflösungsantrags als "unzulässig" nicht etwa - zu seinen
eigenen Lasten - ein bloßes Prozessurteil an. Er will vielmehr erreichen, dass das Auflösungsbegehren der Beklagten aus einem bestimmten Grund - wegen
"sonstiger Unwirksamkeit" der Kündigung vom 24. Oktober 1995 und insoweit va. wegen eines Verstoßes gegen § 28 Abs. 3 SächsGemO - abgewiesen wird.
Hinsichtlich der Wirkung seiner materiellen Rechtskraft unterscheidet sich das angefochtene von dem erstrebten Urteil jedoch nicht. Die Gründe für die
Abweisung eines Auflösungsantrags nehmen an der Rechtskraft der Entscheidung nicht teil. Noch weniger sind sie etwa im Tenor des Urteils auszusprechen.
Der Kläger hat mit der Abweisung des gegnerischen Auflösungsantrags durch das Landesarbeitsgericht voll obsiegt. Mehr könnte er mit seiner Revision nicht erreichen.
2. Der Kläger kann eine Beschwer durch das angefochtene Urteil nicht aus der Zurückweisung seiner Anschlussberufung durch das Urteil des
Landesarbeitsgerichts vom 4. September 2003 herleiten. Dieses Urteil ist insoweit rechtskräftig. ..." (BAG, Urteil vom 23.02.2010 - 2 AZR 554/08)
***
Der Arbeitgeber kann auch nach den zum 1. Januar 2004 erfolgten Änderungen der §§ 4 bis 7, § 13 III KSchG im Fall einer sozialwidrigen ordentlichen
Kündigung die Auflösung des Arbeitsverhältnisses nach § 9 I 2 KSchG nur verlangen, wenn die Rechtsunwirksamkeit der Kündigung allein auf der
Sozialwidrigkeit, nicht jedoch auf anderen Gründen i.S. des § 13 III KSchG beruht (BAG, Urteil vom 28.08.2008 - 2 AZR 63/07).
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Frage, ob Gründe vorliegen, die i.S. von § 9 I 2 KSchG eine den Betriebszwecken dienliche weitere
Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen, ist der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz.
Dabei kann ein zwischenzeitlicher Wandel in den betrieblichen Verhältnissen, beispielsweise ein Wechsel in der Person des Vorgesetzten, Berücksichtigung
finden (BAG, Urteil vom 10.07.2008 - 2 AZR 1111/06).
Nimmt der im Kündigungsschutzprozess in erster Instanz unterlegene Arbeitgeber die von ihm eingelegte Berufung in der Berufungsverhandlung zurück, so
wird damit der vom Arbeitnehmer erstmals durch Anschlussberufung verfolgte Auflösungsantrag unzulässig (BAG, Urteil vom 03.04.2008 - 2 AZR 720/06).
***
„ ... Stellt das Gericht in einem Kündigungsrechtsstreit fest, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung aufgelöst worden ist, hat es nach § 9 Abs. 1
Satz 2 KSchG auf Antrag des Arbeitgebers das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer angemessenen Abfindung aufzulösen, wenn Gründe vorliegen, die eine
den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen. Insoweit geht es um die Anwendung
eines unbestimmten Rechtsbegriffs. Die Wertung, ob im Einzelfall die Auflösung gerechtfertigt ist, obliegt in erster Linie dem Tatsachengericht. Das
Revisionsgericht kann nur nachprüfen, ob das Berufungsgericht die Voraussetzungen für den Auflösungsantrag verkannt und bei Prüfung der vorgetragenen
Auflösungsgründe alle wesentlichen Umstände vollständig und widerspruchsfrei gewürdigt hat (Senat 25. September 1982 - 2 AZR 21/81 - AP KSchG 1969 §
9 Nr. 10 = EzA KSchG § 9 nF Nr. 15; 14. Mai 1987 - 2 AZR 294/86 - AP KSchG 1969 § 9 Nr. 18 = EzA KSchG § 9 nF Nr. 20).
2. Das angefochtene Urteil hält auch diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab nicht stand. Es hat zum einen nicht alle wesentlichen Umstände berücksichtigt,
die vorgenommene Würdigung ist zum anderen auch nicht widerspruchsfrei.
a) Nach der Grundkonzeption des Kündigungsschutzgesetzes führt eine Sozialwidrigkeit der Kündigung zu deren Rechtsunwirksamkeit und zum Fortbestand
des Arbeitsverhältnisses. Das Kündigungsschutzgesetz ist vorrangig ein Bestandsschutz- und kein Abfindungsgesetz (vgl. Senat 30. September 1976 - 2 AZR
402/75 - BAGE 28, 196; 14. Januar 1993 - 2 AZR 343/92 - EzA KSchG § 1 Krankheit Nr. 39) . Dieser Grundsatz wird durch § 9 KSchG unter der
Voraussetzung durchbrochen, dass - bezogen auf den Auflösungsantrag des Arbeitgebers - eine Vertrauensgrundlage für eine sinnvolle Fortsetzung des
Arbeitsverhältnisses nicht mehr besteht (vgl. schon Begründung Regierungsentwurf vom 23. Januar 1951 zu § 7 KSchG in: RdA 1951, 58, 64; KR-Spilger 7.
Aufl. § 9 KSchG Rn. 9; Stahlhacke/Preis/Vossen Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis 9. Aufl. Rn. 1968) . Da hiernach eine Auflösung des
Arbeitsverhältnisses nur ausnahmsweise in Betracht kommt, sind an die Auflösungsgründe strenge Anforderungen zu stellen (Senat 7. März 2002 - 2 AZR
158/01 - AP KSchG 1969 § 9 Nr. 42 = EzA KSchG § 9 nF Nr. 45; 14. Januar 1993 - 2 AZR 342/92 - aaO; APS-Biebl § 9 KSchG Rn. 49; KR-Spilger aaO § 9
KSchG Rn. 52; Keßler NZA-RR 2002, 1, 7) . Allerdings war die Erwägung, dass es insbesondere während eines Kündigungsschutzprozesses zu zusätzlichen
Spannungen zwischen den Parteien kommen kann, die eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses sinnlos erscheinen lassen, für die Schaffung der gesetzlichen
Regelungen mitbestimmend (Senat 25. November 1982 - 2 AZR 21/81 - AP KSchG 1969 § 9 Nr. 10 mit Anmerkung Herschel = EzA KSchG § 9 nF Nr. 15; 14.
Mai 1987 - 2 AZR 294/86 - AP KSchG 1969 § 9 Nr. 18 = EzA KSchG § 9 nF Nr. 20).
b) Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Frage, ob eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und
Arbeitnehmer zu erwarten ist, ist der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz (vgl. schon BAG 29. März 1960 - 3 AZR 568/58 -
BAGE 9, 131; 7. März 2002 - 2 AZR 158/01 - aaO). Der Auflösungsantrag ist trotz seiner nach § 9 Abs. 2 KSchG gesetzlich angeordneten Rückwirkung auf
den Kündigungszeitpunkt in die Zukunft gerichtet. Das Gericht hat eine Vorausschau anzustellen. Im Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag ist zu fragen,
ob auf Grund des Verhaltens des Arbeitnehmers in der Vergangenheit in Zukunft noch mit einer den Betriebszwecken dienenden weiteren Zusammenarbeit der
Parteien zu rechnen ist (Senat 7. März 2002 - 2 AZR 158/01 - aaO) . Hierin wird der Unterschied zwischen der Auflösung nach §§ 9, 10 KSchG gegenüber
einer Überprüfung der Kündigung nach § 1 KSchG deutlich. Für die Frage der Rechtswirksamkeit der Kündigung nach § 1 KSchG ist entscheidend, ob
Umstände vorliegen, die im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung die Kündigung als wirksam erscheinen lassen. Es ist eine rückschauende
Bewertung dieser Gründe vorzunehmen, später eingetretene Umstände sind grundsätzlich nicht mehr einzubeziehen (vgl. schon BAG 29. März 1960 - 3 AZR
368/58 - aaO) . § 9 KSchG betrifft hingegen die künftige Gestaltung der Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien. Es geht um die Würdigung, ob die zum
Zeitpunkt der abschließenden Entscheidung in der Tatsacheninstanz gegebenen Umstände eine künftige gedeihliche Zusammenarbeit noch erwarten lassen.
Wegen dieses anderen zeitlichen Beurteilungsansatzes ist es gerade auch denkbar, dass mögliche Auflösungsgründe ihr Gewicht wieder verlieren, weil die
tatsächlichen oder rechtlichen Umstände sich im Zeitpunkt der abschließenden Entscheidung geändert haben. Hierin liegt keine ungerechtfertigte
Benachteiligung der den Auflösungsantrag stellenden Partei, die auf die Dauer eines Kündigungsschutzverfahrens nur begrenzt Einfluss hat. Soweit etwaige
Auflösungsgründe das Gewicht eines Kündigungsgrundes erreichen, steht es auch dem Arbeitgeber frei, eine (weitere) Kündigung auszusprechen (vgl.
KR-Spilger aaO § 9 KSchG Rn. 52) . Diese ist dann - unabhängig vom Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung - wiederum (nur) nach den Verhältnissen zum
Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung zu beurteilen. Der Sinn der Auflösung nach § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG besteht eben nicht darin, dem
Arbeitgeber eine weitere Kündigung zu ersparen (KR-Spilger aaO § 9 KSchG Rn. 53; Keßler NZA-RR 2002, 8) . Die Regelung bietet vielmehr neben dem
eigentlichen kündigungsrechtlichen Instrumentarium nur eine zusätzliche Lösungsmöglichkeit.
c) Als Auflösungsgründe für den Arbeitgeber gem. § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG kommen solche Umstände in Betracht, die das persönliche Verhältnis zum
Arbeitnehmer, die Wertung seiner Persönlichkeit, seiner Leistung oder seiner Eignung für die ihm gestellten Aufgaben und sein Verhältnis zu den übrigen
Mitarbeitern betreffen. Die Gründe, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen den Vertragspartnern nicht erwarten lassen,
müssen allerdings nicht im Verhalten, insbesondere nicht im schuldhaften Verhalten des Arbeitnehmers liegen. Vielmehr kommt es darauf an, ob die objektive
Lage beim Schluss der mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz beim Arbeitgeber die Besorgnis aufkommen lassen kann, dass die weitere
Zusammenarbeit mit dem Arbeitnehmer gefährdet ist (vgl. nur BAG 7. März 2002 - 2 AZR 158/01 - AP KSchG 1969 § 9 Nr. 42 = EzA KSchG § 9 nF Nr. 45;
KR-Spilger aaO § 9 KSchG Rn. 57 mwN).
Als Auflösungsgrund geeignet sind danach etwa Beleidigungen, sonstige ehrverletzende Äußerungen oder persönliche Angriffe des Arbeitnehmers gegen den
Arbeitgeber, Vorgesetzte oder Kollegen (so schon BAG 30. Juni 1959 - 3 AZR 111/58 - AP KSchG § 1 Nr. 56; KR-Spilger aaO § 9 KSchG Rn. 56; Keßler
NZA-RR 2002, 1, 9, beide mwN) . Auch das Verhalten eines Prozessbevollmächtigten des Arbeitnehmers im Kündigungsschutzprozess kann die Auflösung
des Arbeitsverhältnisses bedingen (BAG 7. März 2002 - 2 AZR 158/01 - aaO, einschränkend etwa KR-Spilger aaO § 9 KSchG Rn. 56;
Kittner/Däubler/Zwanziger KSchR 6. Aufl. § 9 KSchG Rn. 21) . Dies gilt auch für von ihm nicht veranlasste Erklärungen des Prozessbevollmächtigten
jedenfalls dann, wenn der Arbeitnehmer sich diese zu eigen macht und sich auch nachträglich nicht hiervon distanziert. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass
gerade Erklärungen im laufenden Kündigungsschutzverfahren durch ein berechtigtes Interesse des Arbeitnehmers gedeckt sein können.
Liegt ein Grund vor, der an sich zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses geeignet erscheint, so muss in einem zweiten Schritt geprüft werden, ob in Anbetracht
der konkreten betrieblichen Umstände noch eine den Betriebszwecken dienliche Zusammenarbeit möglich ist (APS-Biebl § 9 KSchG Rn. 50) . So kann ein
zwischenzeitlich eingetretener Wandel der betrieblichen Verhältnisse - beispielsweise der Austausch von Vorgesetzten oder eine Veränderung in der
Belegschaftsstruktur - Berücksichtigung finden (KR-Spilger aaO § 9 KSchG Rn. 56; Keßler NZA-RR 2002, 1, 8) . Dies folgt schon aus dem zukunftsbezogenen
Zweck der Auflösung.
Bei der Anwendung des § 9 KSchG sind die wechselseitigen Grundrechtspositionen des betroffenen Arbeitgebers und des Arbeitnehmers zu berücksichtigen
und abzuwägen. So dürfen der gerichtlichen Durchsetzung von Grundrechtspositionen keine praktisch unüberwindlichen Hindernisse entgegengesetzt werden
(vgl. BVerfG 16. November 1993 - 1 BvR 258/86 - BVerfGE 89, 276, 289) . Die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast darf den durch einfachrechtlichen
Normen bewirkten Schutz grundrechtlicher Gewährleistungen nicht leer laufen lassen (BVerfG 22. Oktober 2004 - 1 BvR 1944/01 - AP KSchG 1969 § 9 Nr.
49 = EzA KSchG § 9 nF Nr. 49).
d) Einer Überprüfung nach diesen Grundsätzen hält die angefochtene Entscheidung nicht stand.
aa) Zu Unrecht geht das Landesarbeitsgericht davon aus, personenbedingte Gründe wie das Vorbringen der Beklagten zu Krankheiten der Klägerin könnten
nicht als Auflösungsgrund herangezogen werden. Die Gründe, die eine dem Betriebszweck dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen den Vertragsparteien
nicht erwarten lassen, müssen nicht im Verhalten, insbesondere nicht im schuldhaften Verhalten des Arbeitnehmers liegen. Vielmehr kommt es darauf an, ob
die objektive Lage beim Schluss der mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz beim Arbeitgeber die Besorgnis aufkommen lassen kann, die weitere
Zusammenarbeit mit dem Arbeitnehmer sei gefährdet (BAG 7. März 2002 - 2 AZR 158/01 - AP KSchG 1969 § 9 Nr. 42 = EzA KSchG § 9 nF Nr. 45) . Danach
ist schon fraglich, ob die aus § 1 Abs. 2 KSchG herzuleitende Unterscheidung zwischen betriebsbedingter, personenbedingter und verhaltensbedingter
Kündigung auf eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses nach §§ 9, 10 KSchG überhaupt passt. Erforderlich ist hier jedenfalls eine Gesamtabwägung. Diese
verlangt eine Berücksichtigung aller Umstände, die für oder gegen die Prognose sprechen, eine weitere, den Betriebszwecken dienliche Zusammenarbeit
zwischen den Parteien sei nicht mehr zu erwarten. Bei dieser Gesamtabwägung sind auch Tatsachen zu berücksichtigen, die der Arbeitgeber im Zusammenhang
mit Fehlzeiten des Arbeitnehmers vorträgt. Dies gilt insbesondere, soweit der Arbeitgeber Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers im Zusammenhang mit
aufgetretenen Krankheitszeiten darlegt und Umstände vorträgt, die für einzelne Zeiträume Zweifel an einer ärztlich attestierten Arbeitsunfähigkeit aufkommen lassen.
bb) Es stellt auch keine ausreichende Auseinandersetzung mit dem detaillierten Vorbringen des Beklagten zu den weiteren Auflösungsgründen (immerhin
neben den zusammenfassenden Darstellungen des Beklagten und der Vorgesetzten der Klägerin ein ganzer Aktenordner), wenn das Landesarbeitsgericht hierzu
nur ausführt, die in der Stellungnahme der Vorgesetzten der Klägerin und der hierzu gefertigten Dokumentation enthaltenen Behauptungen seien "größten
Teils" zu pauschal, als dass sie überprüft und zur Begründung des Auflösungsantrags herangezogen werden könnten. Welche Vorwürfe das Berufungsgericht
für zu pauschal dargestellt ansieht, wird lediglich anhand weniger Beispiele angeführt, ohne dass das Berufungsgericht auf den detaillierten Vortrag des
Beklagten zu diesen Punkten eingegangen wäre. Welche anderen Vorwürfe das Berufungsgericht ebenfalls als zu pauschal vorgetragen ansieht, wird nicht
ausgeführt. Ebenso fehlt jeder Hinweis dazu, wie das Landesarbeitsgericht die Sachverhalte beurteilt, die auch seiner Ansicht nach ("größten Teils") von dem
Beklagten eben nicht zu pauschal vorgetragen worden sind. Insgesamt reichen die kurzen Ausführungen des Landesarbeitsgerichts zu der von ihm als
Parteivorbringen berücksichtigten - möglicherweise nach der Zurückverweisung schriftsätzlich zu ergänzenden - umfangreichen Dokumentation des Beklagten
hinsichtlich der Auflösungsgründe nicht als Begründung aus, weshalb diese vom Beklagten vorgebrachten Tatsachen eine Auflösung nicht rechtfertigen.
cc) Auch die Berücksichtigung der Kündigungsgründe im Rahmen des Vorbringens des Beklagten zu den Auflösungsgründen ist nicht frei von Rechtsfehlern.
Zwar trifft es zu, dass der Auflösungsantrag regelmäßig nicht allein mit dem Sachverhalt begründet werden kann, mit dem der Arbeitgeber die Kündigung
begründet. Darum geht es hier jedoch nicht. Hat der Arbeitgeber umfangreich als Auflösungsgründe bestimmte Verhaltensweisen des Arbeitnehmers
vorgetragen, die die Befürchtung begründen, eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen den Parteien sei nicht zu erwarten, so kann
der Anlass, der zur Kündigung geführt hat, die schlechte Prognose für eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit verstärken. Die
Kündigungsgründe sind insoweit zu berücksichtigen und können geeignet sein, den sonstigen Auflösungsgründen besonderes Gewicht zu verleihen.
Deshalb wäre zu prüfen gewesen, ob nicht gerade der Kündigungssachverhalt, der nach dem insoweit rechtskräftigen Urteil des Landesarbeitsgerichts nicht
geeignet war, eine Kündigung zu begründen, eine Haltung der Klägerin zu ihrem Arbeitsverhältnis offenbart hat, die im Zusammenhang mit den sonst
vorgetragenen Auflösungsgründen eine weitere gedeihliche Zusammenarbeit zwischen den Parteien nicht erwarten ließ. Der Kündigungssachverhalt bietet
Anhaltspunkte für eine derartige problematische Einstellung der Klägerin zu ihren arbeitsvertraglichen Pflichten. Dem hätte das Landesarbeitsgericht schon
deshalb nachgehen müssen, weil es letztlich die Unwirksamkeit der Kündigung lediglich darauf gestützt hat, der Beklagte habe der Klägerin nicht beweisen
können, dass deren gesamtes Vorbringen hinsichtlich des "verkohlten Teekessels" von Anfang bis Ende unzutreffend sei. Bleibt insoweit jedoch ein Verdacht,
so ist dieser bei der Beurteilung der Auflösungsgründe mit zu berücksichtigen. Jedenfalls ist die Schilderung der Klägerin von den Ereignissen nur schwer als
geeignet anzusehen, den Verdacht zu beseitigen, dass sich der Vorfall nicht exakt so abgespielt haben kann, wie die Klägerin ihn im Prozess dargestellt hat.
Dagegen, dass es sich wirklich um einen Notfall gehandelt hat, spricht schon die Eile, mit der die Klägerin die Dienststelle verlassen hat, im Vergleich zu der
angesichts eines Notfalles erheblichen Zeitdauer des Weges der Klägerin zu ihrer Wohnung. Abgesehen davon war bei der Auflösungsentscheidung jedenfalls
das Verhalten der Klägerin nach dem behaupteten Ausschalten der Herdplatte - insbesondere die "Verlängerung" der Mittagspause und die Eintragung in das
Abwesenheitsbuch erst am Ende des folgenden Arbeitstages - zu berücksichtigen. ..." (BAG, Urteil vom 23.06.2005, 2 AZR 256/04).
***
Nach § 9 KSchG können die Gerichte für Arbeitssachen auf Antrag des Arbeitgebers ein Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung auflösen, wenn eine
ordentliche Kündigung sozial ungerechtfertigt ist, aber Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen
Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen. Der Auflösungsantrag kann bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung vor dem
Landesarbeitsgericht gestellt werden. Sind Auflösungsgründe gegeben, ist das Arbeitsverhältnis zu dem Zeitpunkt aufzulösen, an dem es bei sozial
gerechtfertigter Kündigung geendet hätte. Ein Arbeitgeber, der eine Kündigung vor einem Betriebsübergang ausgesprochen hat und gegen den der
Kündigungsschutzprozess deshalb weiter geführt wird, ist trotz des Verlustes der Arbeitgeberstellung befugt, einen Auflösungsantrag zu stellen. Dies gilt
zumindest dann, wenn der Auflösungszeitpunkt zeitlich vor dem Betriebsübergang liegt. Die Klägerin ist seit 1999 als Oberärztin in dem ursprünglich von dem
Beklagten getragenen Krankenhaus beschäftigt. Sie wandte sich gegen die Übernahme des befristet eingestellten W. in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis.
Dabei bezeichnete sie andere unbefristet tätige Kollegen als "Altlasten" und wies daraufhin, dass befristet Beschäftigte "anspruchsloser" seien. Die Klägerin
äußerte mehrfach, Material gegen Kollegen "für den Tag X" zu sammeln und erhob Vorwürfe gegen den Chefarzt. Sie stellte einen Zusammenhang mit
möglichen Studien für die Pharmaindustrie, in der W. zuvor beschäftigt war, her und befragte den Chefarzt, wie viel ihm W. denn in Aussicht gestellt habe. In
der dann entstandenen Situation drohte die Klägerin damit, dass sie ihn, für den Fall, dass er es wagen sollte, sie auch nur anzurühren, umbringen werde. In
einem Schreiben benannte die Klägerin 13 Fälle angeblicher Behandlungsfehler durch Herrn W., vier davon mit tödlichem Ausgang. Der Beklagte, der diese
Vorwürfe im einzelnen zurückgewiesen hat, kündigte das Arbeitsverhältnis der Klägerin außerordentlich, hilfsweise ordentlich zum 30. Juni 2003. Die
Kündigungsschutzklage der Klägerin war erfolgreich. Während des erstinstanzlichen Verfahrens wurde das Krankenhaus am 9. Oktober 2003 auf die
Betriebserwerberin übertragen. Der Veräußerer beantragte am 16. Oktober 2003 im Kammertermin vor dem Arbeitgericht die Auflösung des
Arbeitsverhältnisses. Er und die dem Rechtsstreit als Streithelferin beigetretene Betriebsübernehmerin sind der Ansicht, eine weitere Zusammenarbeit mit der
Klägerin sei nicht zumutbar. Das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht haben den Auflösungsantrag des Beklagten zurückgewiesen. Der Senat hat das
Urteil des Landesarbeitgerichts aufgehoben und den Rechtsstreit an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen (BAG, Urteil vom 24.05.2005 - 8 AZR 246/04 -
Pressemitteilung Nr. 30/05).
*** (LAG)
Die (Voraus-) Abtretung eines dem Arbeitnehmer zustehenden Anspruchs auf Zahlung einer Abfindung für den Verlust seines Arbeitsplatzes (§§ 9, 10 KSchG
i.V.m. § 3 Nr. 9 EStG a.F. und n.F.) ist nicht nach § 399 1. Alt. BGB wegen ihrer Entschädigungsfunktion (zuletzt wieder BAG EzA § 115 ZPO 2002 Nr. 3)
ausgeschlossen. Voraussetzung für eine wirksame Vorausabtretung ist, dass die abgetretene Forderung, hier der Abfindungsabspruch, von dem
Abtretungsvertrag erfasst wird. Dies ist nach den allgemeinen Grundsätzen der Vertragsauslegung festzustellen. Die Vorausabtretung von
Arbeitsgeltansprüchen schließt nicht den Abfindungsanspruch ein. Dem steht nicht die Rechtsprechung des BAG (vgl. nur BAG EzA § 767 ZPO Nr. 2),
wonach die Pfändung von Arbeitseinkommen i. S. des § 850ff. ZPO auch eine Abfindung nach §§ 9, 10 KSchG erfasst, entgegen (vgl. auch LAG Köln
NZA-RR 2006, 365,366; LAG Düsseldorf, Entscheidung vom 29.06.2006 - 11 Sa 291/06, DB 2006, 2691).
Beruft sich der Arbeitgeber darauf, die Vorgesetzten und Kollegen des Arbeitnehmers wollten mit diesem nicht mehr zusammenarbeiten, genügt dies für
Kündigung nach § 1 II KSchG und für die Auflösung nach § 9 KSchG nur dann, wenn solche Äußerungen im zeitlichen Zusammenhang mit der Kündigung
gefallen sind und wenn der Arbeitgeber ernsthaft mit der Abkehr dieser Mitarbeiter im Fall des Weiterarbeitens des Kl. rechnen müsste. Erforderlich ist auch,
dass der Arbeitgeber zunächst versucht hat, einen Ausgleich mit den Mitarbeitern zu schaffen (LAG Nürnberg, Urteil vom 09.12.2003 - 6 Sa 676/02, NZA-RR
2004, 298).
Wurde im Rahmen der gerichtlichen Auflösung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung nach §§ 9, 10 KSchG zuerkannt, kann der durch die Beendigung des
Arbeitsverhältnisses eingetretene Verlust einer Anwartschaft auf betriebliche Altersversorgung daneben nicht als Schadensersatz nach § 628 II BGB oder aus
dem Gesichtspunkt einer positiven Vertragsverletzung nach §§ 280, 286 analog BGB verlangt werden (BAG, Urteil vom 12.06.2003 - 8 AZR 341/02, AP H.
2/2004 § 628 BGB Nr. 16).
Ein Auflösungsgrund nach § 9 I Satz 1 KSchG liegt nicht schon darin, dass der Arbeitgeber nach erstinstanzlichem Verlust des Kündigungsschutzprozesses
erneut kündigt und grundsätzlich entschlossen ist, die unternehmerische Entscheidung, die der ersten, sozialwidrigen Kündigung zugrunde lag, mit allen ihm
zur Verfügung stehenden rechtlichen Mitteln, notfalls einer erneuten, aus seiner Sicht nunmehr sozial gerechtfertigten Kündigung durchzusetzen (BAG, Urteil
vom 27.03.2003 - 2 AZR 9/02, NZA 2004, 512 Os)
Eine betriebsverfassungs- oder personalvertretungsrechtliches Verwertungsverbot für nicht mitgeteilte Kündigungsgründe erstreckt sich nicht auf die
Verwendung dieser Gründe im Rahmen eines Auflösungsantrags nach § 9 I S. 2 KSchG (BAG, Urteil vom 10.10.2002 - 2 AZR 240/01, AP H. 7/2003 § 9
KSchG 1969 Nr. 45).
Eine ausgesprochene Abmahnung des Inhalts, dass der Arbeitnehmer im Rahmen des Zeitmanagements aufgefordert worden ist, dafür zu sorgen, dass die
Telefonkosten nicht so hoch sein sollen, ist nicht gleichartig und damit für den Vorwurf des Führens von Privatgesprächen ungenügend. Der gegenüber dem
AG geäußerte Unwille, möglichst nicht zu einem Arbeitsgerichtstermin, bei dem es um Belange des Arbeitgebers geht, erscheinen zu müssen, rechtfertigt
keinen Auflösungsantrag § 9 KSchG (LAG Nürnberg, Urteil vom 06.08.2002 - 6 (5) Sa 472/01, NZA-RR 2003, 191).
Wird ein Kündigungsschutzprozess nach Konkurseröffnung gegen den Konkursverwalter fortgesetzt und schließen die Parteien sodann einen
Abfindungsvergleich, handelt es sich bei dem Abfindungsanspruch des Arbeitnehmers in der Regel um eine Masseschuld (BAG, Urteil vom 12.06.2002 - 10
AZR 180/01, NJW 2002, 3045).
Zur Auflösung eines Arbeitsverhältnisses auf Antrag des Arbeitgebers an sich geeignete Gründe können auf Grund der zeitlichen Entwicklung und damit
verbundener veränderter tatsächlicher oder rechtlicher Umstände ihr Gewicht verlieren (BAG, Urteil vom 07.03.2002 - 2 AZR 158/01, NJW 2003, 1474 L).
***
Der im Kündigungsschutzprozess vom Arbeitgeber gestellte (Hilfsantrag) Antrag auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses (§ 9 I Satz 3 KSchG) bedarf nicht der
Zustimmung des Integrationsamtes. Dies gilt auch, wenn der minderbehinderte Arbeitnehmer seinen Antrag auf Gleichstellung mit einem Schwerbehinderten
nach Zugang der Kündigung gestellt hat. Eine analoge Anwendung der Sonderkündigungsschutzregelungen des SGB IX auf diese Fälle scheidet aus (a.A. OVG
Lüneburg, NZA 1990, 66 L; VGH Mannheim, Entscheidung vom 18.01.2006 - 9 S 1580/05, NZA-RR 2006, 356).
Geht das Arbeitsverhältnis nach der Kündigung durch Rechtsgeschäft auf einen Betriebserwerber über, so kann dieser auch noch in der Berufungsinstanz dem
Prozess beitreten, um einen Auflösungsantrag zu stellen (LAG Köln, Urteil vom 15.02.2002 - 4 (2) Sa 575/01, MDR 2002, 1323).
Abfindungen gemäß §§ 9, 10 KSchG sind außergewöhnliche Einkünfte im Sinne von §§ 34 Nr. 1 in Verbindung mit § 34 II Nr. 2 EStG. Ihre Versteuerung
erfolgt gemäß § 34 I EStG. Trotz der teilweise verwandten Bezeichnung der Neuregelung von § 34 I EStG als "rechnerische Verteilung auf fünf Jahre" (so
genannte 1/5 Regelung) werden außerordentliche Einkünfte im Jahr des Zuflusses versteuert. Die Verteilung auf fünf Jahre erfolgt lediglich rechnerisch zum
Zwecke der Progressionsabschwächung (LAG Hamm, Urteil vom 21.01.2002 - 19 Sa 1596/01, NZA-RR 2003, 38).
Einigen sich die Parteien auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung in entsprechender Anwendung der §§ 9, 10 KSchG,
erhöht sich der Vergleichswert nicht um den Abfindungsbetrag (LAG Berlin, Urteil vom 26.10.2001 - 17 Ta (Kost) 6152/01, NZA-RR 2002, 608).
Die Kombination von Kündigungsschutzklage und Auflösungsantrag nach den §§ 9, 10 KSchG führt nicht zu einer Streitwerterhöhung (LAG München, Urteil
vom 14.09.2001 - 4 Ta 200/01, NZA-RR 2002, 493).
Die im Kündigungsschutzrechtsstreit bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch gerichtlichen Vergleich geschuldete Abfindung des Arbeitgebers ist eine
Abfindung gem. §§ 9, 10 KSchG, die streitwerterhöhend nicht zu berücksichtigen ist, § 12 VII 1 ArbGG, (LAG Köln, Urteil vom 29.12.2000 - 8 Ta 230/00 ,
NZA-RR 2001, 324).
Ein Arbeitgeber kann eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses nach § 9 KSchG nur verlangen, wenn der geltend gemachte Kündigungssachverhalt lediglich
nach § 1 KSchG wegen Sozialwidrigkeit zur Unwirksamkeit der Kündigung führt. Es ist aber unschädlich, wenn der Arbeitgeber zusätzlich weitere
Kündigungssachverhalte geltend macht, die aus anderen Gründen die Unwirksamkeit der Kündigung begründen (Fortführung von BAG vom 9.10.1979, BAGE
32, 122 = NJW 1980, 312), (BAG, Urteil vom 21.09.2000 - 2 AZN 576/00, NJW 2001, 771).
Der Antrag des Arbeitnehmers auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses gem. § 9 I Satz 2 KSchG, der im Kündigungsschutzprozess neben dem Antrag auf
Feststellung der Nichtauflösung des Arbeitsverhältnisses durch eine Kündigung gestellt wird, stellt einen eigenen Streitgegenstand dar. Er ist bei der
Festsetzung des Streitwerts zum Zweck der anwaltlichen Gebührenberechnung gesondert zu bewerten und führt auch dann, wenn der Gegenstandswert für den
Kündigungsstreit auf den Betrag des Vierteljahresverdiensts (§ 12 VII Satz 1 ArbGG) festgesetzt wird, zu einer Erhöhung des Streitwerts über den Betrag des
Vierteljahresverdiensts hinaus. Der Streitwert für den Auflösungsantrag des Arbeitnehmers ist auf den Betrag einer Bruttomonatsvergütung festzusetzen (LAG
Berlin, Urteil vom 30.12.1999 - 7 Ta 6121/99 (Kost), DB 2000, 484 L ).
Der Arbeitgeber kann die Auflösung des Arbeitsverhältnisses nach § 9 KSchG nur verlangen, wenn die Kündigung lediglich sozialwidrig und nicht bereits aus
anderen Gründen, z.B. fehlerhafter Anhörung des Betriebs- oder Personalrats unwirksam ist (LAG Köln, Urteil vom 11.03.1999 - 10 (2) Sa 889/98, NZA-RR
2000, 55).
Zum Auflösungsantrag des Arbeitgebers bei wettbewerbswidrigen Aktivitäten des Arbeitnehmers (LAG Köln, Urteil vom 21.11.1997 - 11 Sa 342/97 , NZA-RR
1998, 394).
Erhebt ein Arbeitnehmer Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit einer Kündigung und Zahlung einer Abfindung gem. §§ 9, 10 KSchG, so ist eine
Entscheidung über den Feststellungsantrag durch Teilurteil unzulässig (LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 10.07.1997 - 11 Sa 1144/96, NZA 1998, 903).
Zu den Anforderungen an die Antragsbegründung des Arbeitgebers auf Auflösung eines Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer angemessenen Abfindung
(LAG Berlin, Urteil vom 05.05.1997 - 9 Sa 129/96, NZA-RR 1998, 116).
Verpflichtet sich der Arbeitgeber in einem Vergleich, an den Arbeitnehmer eine Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes "brutto ist gleich netto" zu
zahlen, so führt dies nicht dazu, daß er die auf die Abfindung entfallende Einkommensteuer im Innenverhältnis zum Arbeitnehmer zu übernehmen hat, wenn
beide Parteien sich über die Bedeutung der Floskel "brutto ist gleich netto" keine Gedanken gemacht haben. Es fehlt dann an dem Willen zur entsprechenden
rechtsgeschäftlichen Gestaltung ihrer Beziehungen (LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 17.04.1997 - 11 Sa 132/96, NZA-RR 1998, 56).
Der Chefarzt bleibt im Rahmen seiner medizinisch-fachlichen Aufgaben weisungsfrei. Ein Entlassungsverlangen der Chefarztkollegen kann deshalb nicht
darauf gestützt werden, daß Visiten und Kontaktpflege zu niedergelassenen Ärzten in nicht ausreichendem Umfang vorgenommen worden sind. Die bloße
Weigerung aller leitenden Funktionsträger eines Krankenhauses, weiterhin mit dem Chefarzt einer Abteilung zusammenzuarbeiten, rechtfertigt noch keine
Auflösung des Arbeitsverhältnisses nach § 9 KSchG, wenn der Arbeitgeber nicht vorher durch zumutbare Gegenvorstellungen versucht hat, dem Druck
entgegenzuwirken und die Spannungen abzubauen (LAG Köln, Urteil vom 17.01.1996 - 8 (11) Sa 768/95, NZA 1996, 1100 L).
Die durch einen zulässigen Auflösungsantrag des Arbeitgebers nach § 9 KSchG begründete Ungewissheit über den Ausgang des Kündigungsprozesses
begründet ein schutzwertes Interesse des Arbeitgebers an der Nichtbeschäftigung des gekündigten Arbeitnehmers für die Dauer des Kündigungsprozesses i. S.
der Entscheidung des Großen Senats des BAG vom 27.2.1985 (NZA 1985, 702 = NJW 1985, 2968 = AP Nr. 14 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht; BAG,
Urteil vom 16.11.1995 - 8 AZR 864/93, NZA 1996, 589).
Andere Abfindungen als die nach § 9, 10 KSchG (z. B. Abfindungen nach § 113 BetrVG) werden in Kündigungsschutzprozessen dem Streitwert gem. § 12 VII
ArbGG hinzugerechnet (LAG Berlin, Urteil vom 14.03.1995 - 1 Ta 6/95 u.a., NZA 1995, 1072).
Eine Abfindung nach § 9 KSchG ist nicht generell von der Einsatzpflicht nach § 115 ZPO ausgenommen (entgegen LAG Bremen, MDR 1988, 995 und
Baumbach, Lauterbach/Alberst/Hartmann, ZPO, § 115 Anm. 3 C),(LAG Köln, Urteil vom 07.03.1995 - 7 Ta 22/95, NZA 1995, 864 L).
Wird ein Arbeitsverhältnis nach § 9 I 1 KSchG auf Antrag des Arbeitnehmers durch Urteil aufgelöst, gehören zu den Bemessungsfaktoren über die Höhe der
Abfindung nach §§ 9, 10 KSchG - wie z. B. Dauer des Arbeitsverhältnisses, Sozialdaten, etwaiges Anschlussarbeitsverhältnis u. ä. - auch der Grad bzw. das
Maß der Sozialwidrigkeit der Kündigung sowie die Frage, inwieweit der Arbeitnehmer die Auflösungsgründe selbst mitverursacht hat. Beruht die Kündigung
darauf, daß der Arbeitnehmer den Kündigungssachverhalt selbst pflichtwidrig herbeigeführt hat (hier: unzutreffende Angaben in Arbeitszeitnachweisen und
Unstimmigkeiten bei Reisekosten), ist dies in die Ermessensentscheidung über die Höhe der Abfindung einzubeziehen und kann im Einzelfall zu einer
beträchtlichen Reduzierung des festzusetzenden Abfindungsbetrags führen (LAG Düsseldorf, Urteil vom 29.11.1994 - 16 Sa 1597/94, NZA 1995, 579 L).
Zur Frage, ob die Wirksamkeit einer Kündigung von der Zustimmung eines Dritten abhängig gemacht werden kann. Beruft sich der Arbeitnehmer gegenüber
einem Auflösungsantrag des Arbeitgebers nach § 9 KSchG auf eine Unwirksamkeit der Kündigung aus anderen Gründen als der Sozialwidrigkeit, so setzt dies
voraus, daß die Unwirksamkeit Folge eines Verstoßes gegen eine Schutznorm zu seinen Gunsten ist (Ergänzung zu BAGE 35, 30 = NJW 1982, 1118 = AP Nr.
6 zu § 9 KSchG 1969),(BAG, Urteil vom 10.11.1994 - 2 AZR 207/94, NJW 1995, 1981).
Wird einem Arbeitnehmer in einem Aufhebungsvertrag die Zahlung einer Abfindung zugesagt, handelt es sich mangels einer eindeutigen Regelung im
allgemeinen um einen Bruttobetrag (LAG Berlin, Urteil vom 21.02.1994 - 9 Sa 126/93, NZA 1995, 792 L).
Kommt die Umdeutung einer fristlosen Kündigung des Arbeitgebers in eine ordentliche Kündigung in Betracht, so hat der Arbeitnehmer grundsätzlich die
Möglichkeit, die Auflösung des Arbeitsverhältnisses nach § 9 KSchG bezogen auf die fristlose Kündigung oder nur auf die umgedeutete fristgerechte
Kündigung zu beantragen. Ist in einem Kündigungsrechtsstreit entschieden, daß das Arbeitsverhältnis durch eine bestimmte Kündigung nicht aufgelöst worden
ist, so kann der Arbeitgeber eine erneute Kündigung nicht auf Kündigungsgründe stützen, die er schon zur Begründung der ersten Kündigung vorgebracht hat
und die in dem ersten Kündigungsschutzprozess materiell geprüft worden sind mit dem Ergebnis, daß sie die Kündigung nicht rechtfertigen können. Dies gilt
sowohl für eine sogenannte Wiederholungskündigung als auch für eine sogenannte Trotzkündigung nach Rechtskraft des Urteils in dem ersten Prozeß (BAG,
Urteil vom 26.08.1993 - 2 AZR 159/93, NJW 1994, 473).
Haben in einem Kündigungsschutzprozess beide Parteien einen Auflösungsantrag gestellt und löst das ArbG daraufhin das Arbeitsverhältnis auf, so ist der
Arbeitnehmer, der die Höhe der festgesetzten Abfindung nicht angreift, durch dieses Urteil nicht beschwert und seine Berufung deshalb unzulässig, auch wenn
das ArbG das Arbeitsverhältnis auf den Antrag des Arbeitgebers hin auflöst. Der Arbeitnehmer kann in einem derartigen Fall nicht allein mit dem Ziel
Berufung einlegen, seinen erstinstanzlich gestellten Auflösungsantrag zurückzunehmen und eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu erreichen (BAG,
Urteil vom 23.06.1993 - 2 AZR 56/93, NJW 1994, 1428).
Es bedarf einer ausdrücklichen Regelung in einem Vergleich, wenn eine Abfindung im Kündigungsschutzprozess entgegen § 117 II AFG nicht um den darauf
entfallenden Anteil der Arbeitslosenunterstützung gekürzt werden soll, sondern die auf die Bundesanstalt übergegangenen Ansprüche vom Arbeitgeber getragen
werden sollen (BAG, Urteil vom 25.03.1992 - 5 AZR 254/91, NZA 1992, 1081).
Ein vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien vereinbarter Abfindungsbetrag wird, sofern keine anderweitige Abrede getroffen ist, erst
zum Zeitpunkt der vorgesehenen Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällig (im Anschluß an LAG Köln, Betr. 1984, 568; BAG, NZA 1988, 329), (LAG
Düsseldorf, Urteil vom 23.05.1989 - 16 Sa 475/89, NZA 1989, 850 L).
Wird in einem Prozessvergleich, welcher u. a. die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses betrifft, eine vereinbarte Abfindung i. S. §§ 9, 10 mit dem Zusatz
"brutto für netto' oder ähnlich gekennzeichnet, liegt darin regelmäßig keine arbeitgeberseitige Übernahme der in solchen Fällen für den Arbeitnehmer
eintretenden steuerlichen Folgen gem. § 3 Nr. 9 EStG (LAG Hessen, Urteil vom 07.12.1988 - 10 Sa 1059/88, NZA 1989, 850 L).
Abfindungen nach §§ 9, 10, die für den Verlust des Arbeitsplatzes gezahlt werden, unterliegen auch dann nicht der Beitragspflicht zur Sozialversicherung,
wenn für sie Einkommen- oder Lohnsteuer abzuführen ist. Gegenteiliges ergibt sich weder aus §§ 14, 17 SGB IV noch aus § 3 IX EStG i. V. mit ArEV.
Abfindungen nach §§ 9, 10 KSchG, die für den Verlust des Arbeitsplatzes gezahlt werden, unterliegen auch dann nicht der Beitragspflicht zur
Sozialversicherung, wenn für sie Einkommensteuer oder Lohnsteuer abzuführen ist. Gegenteiliges ergibt sich weder aus §§ 14, 17 SGB IV noch aus § 3 IX
EStG i. V. mit den Bestimmungen der Arbeitsentgeltverordnung (BAG, Urteil vom 09.11.1988 - 4 AZR 433/88 , NJW 1989, 1381).
Ob eine Abfindung nach § 3 Nr. 9 EStG steuerfrei ist, hängt nicht von ihrer Bezeichnung im Abfindungsvergleich ab, sondern von ihrer wahren rechtlichen
Natur. Es liegt keine Abfindung, sondern eine verdeckte Lohnzahlung vor, wenn die Parteien die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum Ablauf der
Kündigungsfrist einer nicht angegriffenen ordentlichen Kündigung vereinbaren und die Abfindung geringer ist als der Zwischenlohn seit der angegriffenen
außerordentlichen Kündigung. Über die Steuerfreiheit einer Abfindung haben die Gerichte für Arbeitssachen als Vorfrage zu entscheiden, wenn der Arbeitgeber
Steuern abgeführt hat und der Arbeitnehmer die Vollstreckung der vollen Abfindungssumme betreibt (LAG München, Urteil vom 20.01.1988 - 5 Sa 869/87 ,
NZA 1988, 660 L).
Vereinbaren Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes und
stirbt der Arbeitnehmer vor dem Termin der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, geht der Anspruch auf die Abfindung auf die Erben über (BAG, Urteil vom
25.06.1987 - 2 AZR 504/86, NZA 1988, 466).
Das Verhalten dritter Personen ist als Grund für den Auflösungsantrag des Arbeitgebers nach § 9 KSchG nur dann geeignet, wenn der Arbeitnehmer dieses
Verhalten durch eigenes Tun entscheidend veranlaßt hat (BAG, Urteil vom 14.05.1987 - 2 AZR 294/86 , NZA 1988, 16).
Der in einer Abfindungsvereinbarung enthaltene Zusatz "brutto = netto" ist ohne rechtliche Bedeutung hinsichtlich der Frage, wen die Steuerlast trifft. Vielmehr
muß sich aus sonstigen Umständen ergeben, daß die Parteien eine sogenannte "Bruttoabfindung" vereinbart haben. Hierfür trägt der Arbeitnehmer die
Beweislast (LAG Niedersachsen, Urteil vom 10.12.1984 - 2 Sa 110/84, NZA 1985, 221).
Die Vorschrift des § 9 II KSchG ist verfassungsmäßig. Sie verstößt weder gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 I GG noch gegen die Eigentumsgarantie des Art.
14 GG noch gegen das in Art. 20 III GG verankerte Rechtsstaatsprinzip (BAG, Urteil vom 16.05.1984 - 7 AZR 280/82, NZA 1985, 60).
Ein Urteil auf Zahlung einer Abfindung gem. §§ 9, 10 KSchG ist hinsichtlich der Abfindungssumme, da dieser Anspruch durch richterliches Gestaltungsurteil
geschaffen wird, erst mit Eintritt der Rechtskraft vollstreckungsfähig. Einem insoweit gestellten Vollstreckungsschutzantrag fehlt das Rechtsschutzinteresse
(LAG Hamburg, Urteil vom 28.12.1982 - 1 Sa 6/82, NJW 1983, 1344).
In der Stellung des Auflösungsantrages gem. § 9 KSchG nach der erklärten "Kündigungsrücknahme' durch den Arbeitgeber liegt in der Regel die Ablehnung
des Arbeitgeberangebots, die Wirkungen der Kündigung einverständlich rückgängig zu machen und das Arbeitsverhältnis fortzusetzen. In der Erhebung der
Kündigungsschutzklage liegt keine antizipierte Zustimmung des Arbeitnehmers zur Rücknahme der Kündigung des Arbeitgebers. Erklärt der Arbeitgeber die
Kündigungsrücknahme, liegt darin das Vertragsangebot an den Arbeitnehmer, das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht als beendet anzusehen. Durch
die "Rücknahme der Kündigung' durch den Arbeitgeber entfällt nicht das Rechtsschutzinteresse für die anhängige Kündigungsschutzklage. Die
"Kündigungsrücknahme' nimmt dem Arbeitgeber auch nicht das Recht, erst danach gem. § 9 die Auflösung des Arbeitsverhältnisses zu beantragen (BAG,
Urteil vom 19.08.1982 - 2 AZR 230/80, NJW 1983, 1628).
Der Senat gibt seine bisherige Rechtsprechung auf, der Begriff der Unzumutbarkeit in § 9 I 1 KSchG sei ebenso anzuwenden, wie bei der arbeitnehmerseitigen
außerordentlichen Kündigung nach § 629 I BGB (BAGE 16, 285 = NJW 1965, 787 = AP § 7 KSchG Nr. 20).
Gründe, die zur fristlosen Kündigung berechtigen, machen zwar stets auch die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nach § 9 I 1 KSchG unzumutbar.
Andererseits können schon solche Tatsachen die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nach § 9 I 1 KSchG unzumutbar machen, die für eine fristlose Kündigung
nicht ausreichen (BAG, Urteil vom 26.11.1981 - 2 AZR 509/79, NJW 1982, 2015).
Eine Kündigungsabfindung gemäß §§ 9, 10 KSchG ist keine bevorrechtigte Konkursforderung mit Rang vor § 61 I Nr. 1 KO (LAG Frankfurt, Urteil vom
04.05.1981 - 14/8 Sa 1237/80, NJW 1981, 2774).
Ein einheitliches Arbeitsverhältnis kann gemäß § 9 KSchG nur einheitlich aufgelöst werden. Als "Verdienst' i. S. des § 10 KSchG gilt, jedenfalls in den Fällen
der gesamtschuldnerischen Beschäftigungs- oder Vergütungspflicht, die insgesamt zugesagte Vergütung. Auch hinsichtlich der festzusetzenden Abfindung sind
dann die mehreren Arbeitgeber Gesamtschuldner (BAG, Urteil vom 27.03.1981 - 7 AZR 523/78, NJW 1984, 1703).
Die Auflösung des Arbeitsverhältnisses nach § 9 KSchG, die vom Arbeitnehmer auch dann beantragt werden kann, wenn die Unwirksamkeit der Kündigung
nicht ausschließlich auf Sozialwidrigkeit gestützt wird, setzt die gerichtliche Feststellung der Sozialwidrigkeit der Kündigung voraus; dies kann auch durch ein
Anerkenntnisurteil geschehen. Der Grundsatz, dass über die Rechtswirksamkeit der Kündigung und über die Auflösung des Arbeitsverhältnisses nur einheitlich
entschieden werden kann, steht im Geltungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes dem Erlass eines Teil-Anerkenntnisurteils über die Unwirksamkeit der
Kündigung nicht entgegen. Die "Rücknahme der Kündigung" durch den Arbeitgeber nimmt dem Arbeitnehmer jedenfalls dann nicht das Recht, nach § 9
KSchG die Auflösung des Arbeitsverhältnisses zu verlangen, wenn der Auflösungsantrag bereits vorher rechtshängig geworden ist. Die Auflösung des
Arbeitsverhältnisses ist auch bei einer sozialwidrigen Änderungskündigung jedenfalls dann möglich, wenn der Arbeitnehmer das Änderungsangebot nicht
angenommen hat. Bei einem Anerkenntnisurteil, das die Unwirksamkeit einer Kündigung feststellt, ist - wenn die Unwirksamkeit der Kündigung soweit auf die
fehlende Anhörung des Betriebsrates als auch auf die Sozialwidrigkeit gestützt worden ist - durch Auslegung zu ermitteln, ob der Arbeitgeber auch die
Sozialwidrigkeit der Kündigung anerkannt hat (BAG, Urteil vom 29.01.1981 - 2 AZR 1055/78, NJW 1982, 1118).
Der vom Arbeitgeber neben dem Antrag auf Abweisung einer Kündigungsschutzklage hilfsweise gestellte Auflösungsantrag nach § 9 I 2 KSchG wird dann,
wenn der Arbeitnehmer gegen die Abweisung der Kündigungsschutzklage durch das LAG Revision einlegt, auch ohne Anschlussrevision des ArbG in der
Revisionsinstanz anhängig, (BAG, Urteil vom 18.12.1980 - 2 AZR 1006/78, NJW 1981, 2316)
§ 10 Höhe der Abfindung
(1) Als Abfindung ist ein Betrag bis zu zwölf Monatsverdiensten festzusetzen.
(2) Hat der Arbeitnehmer das fünfzigste Lebensjahr vollendet und hat das Arbeitsverhältnis mindestens fünfzehn Jahre bestanden, so ist ein Betrag bis zu
fünfzehn Monatsverdiensten, hat der Arbeitnehmer das fünfundfünfzigste Lebensjahr vollendet und hat das Arbeitsverhältnis mindestens zwanzig Jahre
bestanden, so ist ein Betrag bis zu achtzehn Monatsverdiensten festzusetzen. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitnehmer in dem Zeitpunkt, den das Gericht nach § 9
Abs. 2 für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses festsetzt, das in der Vorschrift des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch über die Regelaltersrente bezeichnete
Lebensalter erreicht hat.
(3) Als Monatsverdienst gilt, was dem Arbeitnehmer bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit in dem Monat, in dem das Arbeitsverhältnis endet
(§ 9 Abs. 2), an Geld und Sachbezügen zusteht.
Leitsätze:
Die (Voraus-) Abtretung eines dem Arbeitnehmer zustehenden Anspruchs auf Zahlung einer Abfindung für den Verlust seines Arbeitsplatzes (§§ 9, 10 KSchG
i.V.m. § 3 Nr. 9 EStG a.F. und n.F.) ist nicht nach § 399 1. Alt. BGB wegen ihrer Entschädigungsfunktion (zuletzt wieder BAG EzA § 115 ZPO 2002 Nr. 3)
ausgeschlossen. Voraussetzung für eine wirksame Vorausabtretung ist, dass die abgetretene Forderung, hier der Abfindungsabspruch, von dem
Abtretungsvertrag erfasst wird. Dies ist nach den allgemeinen Grundsätzen der Vertragsauslegung festzustellen. Die Vorausabtretung von
Arbeitsgeltansprüchen schließt nicht den Abfindungsanspruch ein. Dem steht nicht die Rechtsprechung des BAG (vgl. nur BAG EzA § 767 ZPO Nr. 2),
wonach die Pfändung von Arbeitseinkommen i. S. des § 850ff. ZPO auch eine Abfindung nach §§ 9, 10 KSchG erfasst, entgegen (vgl. auch LAG Köln
NZA-RR 2006, 365,366; LAG Düsseldorf, Entscheidung vom 29.06.2006 - 11 Sa 291/06, DB 2006, 2691).
Andere Abfindungen als die nach § 9, 10 KSchG (z. B. Abfindungen nach § 113 BetrVG) werden in Kündigungsschutzprozessen dem Streitwert gem. § 12 VII
ArbGG hinzugerechnet (LAG Berlin, Urteil vom 14.03.1995 - 1 Ta 6/95 u.a., NZA 1995, 1072).
Soweit nach § 10 II KSchG der Höchstbetrag der Abfindung vom Lebensalter des Arbeitnehmers abhängt, ist das Datum der Auflösungsentscheidung
maßgeblich. Es kommt nicht darauf an, zu welchem Termin das Arbeitsverhältnis aufgelöst wird (anderer Ansicht Hueck/ v. Hoyningen/ Huene, KSchG 11.
Aufl., 1992 § 10 Rdnr. 18; KR-Becker, § 10 Rdnr. 41 ff.). Dies ergibt sich aus einer systematischen und am Gesetzeszweck orientierten Auslegung des § 10 II
KSchG. Diese Gesetzesnorm soll sie besondere Schutzwürdigkeit älterer Arbeitnehmer im Falle einer Auslösung des Arbeitsverhältnisses angemessen
berücksichtigen. Diese besondere soziale Schutzwürdigkeit setzt aber mit dem Zeitpunkt ein, an dem über den Auflösungsantrag entschieden wird. Für die
Bemessung der Abfindung sind - wie für die Beurteilung des Auflösungsantrages - die Verhältnisse zum Zeitpunkt der Entscheidung maßgeblich (LAG
Rheinland-Pfalz, Urteil vom 16.12.1994 - 3 Sa 761/94, NZA 1996, 94).
Allgemeine Grundsätze zur Höhe einer angemessenen Abfindung nach § 10 KSchG gelten auch bei Auflösung eines Arbeitsverhältnisses unter Ehegatten. Die
Bemessung der Abfindung im Auflösungsurteil kann schon aus gesetzlichen Gründen nicht auf einer "Grundregel" von 1/2 Monatsbezug je Beschäftigungsjahr,
die häufig bei Vergleichsbemühungen herangezogen wird, beruhen. Im Rahmen der gesetzlichen Höchstbeträge kann eine höhere Abfindung im Einzelfall
durch folgende Umstände gerechtfertigt werden: Ein verhaltensbedingter Kündigungsgrund ist schon "objektiv" nicht gegeben. Der Arbeitgeber hat den
vermeintlichen Kündigungsgrund selbst herbeigeführt. Die Kündigung erscheint als Maßregelung nach § 612a BGB. Die Vertragsauflösung bringt dem
Arbeitnehmer in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Kündigung und Auflösung wirken als Kränkung des Arbeitnehmers fort. Beim Ehegattenarbeitsverhältnis
kann die Festsetzung einer niedrigeren Abfindung nicht ohne weiteres mit einer bevorstehenden wirtschaftlichen Belastung des Arbeitgebers durch die
familienrechtliche Abwicklung der ehelichen Vermögensverhältnisse oder Unterhaltspflichten gerechtfertigt werden. Auch die zu erwartende Belastung mit
einer Steuernachzahlung, die deshalb entsteht, weil Einkünfte aus dem gemeinsamen Betrieb nicht vollständig versteuert wurden, aber jetzt die Höhe des
Unterhalts beeinflussen sollen, führt nicht zu einer niedrigeren Abfindung im Kündigungsschutzprozess. Eigenes Vermögen des Arbeitnehmers mindert nicht
die Höhe der Abfindung (LAG Köln, Urteil vom 15.09.1994 - 10 Sa 595/94, NZA 1995, 993 L).
Abfindungen nach §§ 9, 10, die für den Verlust des Arbeitsplatzes gezahlt werden, unterliegen auch dann nicht der Beitragspflicht zur Sozialversicherung,
wenn für sie Einkommen- oder Lohnsteuer abzuführen ist. Gegenteiliges ergibt sich weder aus §§ 14, 17 SGB IV noch aus § 3 IX EStG i. V. mit ArEV.
Abfindungen nach §§ 9, 10 KSchG, die für den Verlust des Arbeitsplatzes gezahlt werden, unterliegen auch dann nicht der Beitragspflicht zur
Sozialversicherung, wenn für sie Einkommensteuer oder Lohnsteuer abzuführen ist. Gegenteiliges ergibt sich weder aus §§ 14, 17 SGB IV noch aus § 3 IX
EStG i. V. mit den Bestimmungen der Arbeitsentgeltverordnung (BAG, Urteil vom 09.11.1988 - 4 AZR 433/88 , NJW 1989, 1381).
Ein gekündigter Arbeitnehmer ist gehindert, im Rahmen eines laufenden Kündigungsschutzverfahrens einen Abfindungsvergleich abzuschließen, wenn das
Kündigungsschutzverfahren rechtskräftig abgeschlossen ist, das Arbeitsverhältnis unangefochten fortbesteht und Ansprüche des Arbeitnehmers aus
Annahmeverzug gem. § 615 BGB entstanden sind (LAG Hamm, Urteil vom 19.02.1988 - 16 Sa 1705/87, NZA 1988, 773).
Vereinbart der Arbeitgeber in einem Aufhebungsvertrag mit einem ausländischen Arbeitnehmer, daß dieser für den Fall der endgültigen Rückkehr in seine
Heimat nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung erhalten soll, so liegt darin keine Umgehung der §§ 9, 10 KSchG. Eine "Heimkehrklausel"
mit ausländischen Arbeitnehmern kann wegen funktionswidriger Umgehung der §§ 111, 112 BetrVG unwirksam sein, wenn der Aufhebungsvertrag in
Ausführung einer Betriebsvereinbarung geschlossen wird, die Personalabbau durch Abschluß von Aufhebungsverträgen zum Ziel hat und der deshalb eine Art
Sozialplanersatzcharakter zukommt (BAG, Urteil vom 07.05.1987 - 2 AZR 271/86, NJW 1988, 159).
Für die Bestimmung der Höhe der nach §§ 9, 10 KSchG festzusetzenden Abfindung ist beachtlich, ob der Arbeitnehmer den Auflösungsgrund schuldhaft
herbeigeführt hat. Gibt der Arbeitnehmer im Laufe des Kündigungsschutzverfahrens Erklärungen über den Arbeitgeber ab, die diesen in seinem Ansehen
herabzusetzen geeignet sind und deren Abgabe nicht zur Verteidigung im Rechtsstreit erforderlich waren, so führt das zu einer erheblichen Herabsetzung und u.
U. zum Wegfall der Abfindung (LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 22.01.1987 - 4 Sa 509/86, NZA 1987, 601 L).
Ein Urteil auf Zahlung einer Abfindung gem. §§ 9, 10 KSchG ist hinsichtlich der Abfindungssumme vorläufig vollstreckbar (entgegen LAG Hamburg, NJW
1983, 1344), (LAG Bremen, Urteil vom 31.08.1983 - 2 Ta 72/83, NJW 1984, 447).
§ 11 Anrechnung auf entgangenen Zwischenverdienst
Besteht nach der Entscheidung des Gerichts das Arbeitsverhältnis fort, so muss sich der Arbeitnehmer auf das Arbeitsentgelt, das ihm der Arbeitgeber für die
Zeit nach der Entlassung schuldet, anrechnen lassen,
1. was er durch anderweitige Arbeit verdient hat,
2. was er hätte verdienen können, wenn er es nicht böswillig unterlassen hätte, eine ihm zumutbare Arbeit anzunehmen,
3. was ihm an öffentlich-rechtlichen Leistungen infolge Arbeitslosigkeit aus der Sozialversicherung, der
Arbeitslosenversicherung, der Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch oder der Sozialhilfe für die Zwischenzeit gezahlt
worden ist. Diese Beträge hat der Arbeitgeber der Stelle zu erstatten, die sie Geleistet hat.
Leitsätze:
Hat der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis gekündigt und besteht nach der Entscheidung des Gerichts das Arbeitsverhältnis fort, hat er die während des
Kündigungsrechtsstreits entstandenen Urlaubsansprüche des Arbeitnehmers grundsätzlich auch dann zu erfüllen, wenn dieser inzwischen mit einem anderen
Arbeitgeber ein neues Arbeitsverhältnis eingegangen ist. Der Arbeitnehmer muss sich nur dann den ihm während des Kündigungsrechtsstreits vom anderen
Arbeitgeber gewährten Urlaub auf seinen Urlaubsanspruch gegen den alten Arbeitgeber anrechnen lassen, wenn er die Pflichten aus beiden Arbeitsverhältnissen
nicht gleichzeitig hätte erfüllen können (BAG, Urteil vom 21.02.2012 - 9 AZR 487/10).
***
Die Zumutbarkeit anderweitiger Arbeit iSv. § 11 Satz 1 Nr. 2 KSchG und der arbeitsvertragliche Beschäftigungsanspruch sind rechtlich unabhängig ( BAG,
Urteil vom 17.11.2011 - 5 AZR 564/10):
„... 2. Das hält der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht uneingeschränkt stand.
a) Nach § 11 Satz 1 Nr. 2 KSchG muss sich der Arbeitnehmer auf das Arbeitsentgelt, das ihm der Arbeitgeber für die Zeit nach der Entlassung schuldet,
anrechnen lassen, was er hätte verdienen können, wenn er es nicht böswillig unterlassen hätte, eine ihm zumutbare Arbeit anzunehmen. Die Vorschrift ist
inhaltsgleich mit § 615 Satz 2 BGB (BAG 11. Oktober 2006 - 5 AZR 754/05 - Rn. 18, AP BGB § 615 Nr. 119 = EzA BGB 2002 § 615 Nr. 18). Beide
Bestimmungen stellen darauf ab, ob dem Arbeitnehmer nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) sowie unter Beachtung des Grundrechts auf freie Arbeitsplatzwahl
(Art. 12 GG) die Aufnahme einer anderweitigen Arbeit zumutbar ist. Dabei kommt eine Anrechnung auch in Betracht, wenn die Beschäftigungsmöglichkeit bei
dem Arbeitgeber besteht, der sich mit der Annahme der Dienste des Arbeitnehmers im Verzug befindet. Maßgebend sind die Umstände des Einzelfalls. Die
Unzumutbarkeit der Arbeit kann sich unter verschiedenen Gesichtspunkten ergeben. Sie kann ihren Grund in der Person des Arbeitgebers, der Art der Arbeit
und den sonstigen Arbeitsbedingungen haben. Auch vertragsrechtliche Umstände sind zu berücksichtigen. Allerdings ist die nichtvertragsgemäße Arbeit nicht
ohne weiteres mit unzumutbarer Arbeit gleichzusetzen. Wie § 615 Satz 2 BGB schließt § 11 Satz 1 Nr. 2 KSchG den Fall mit ein, dass der Arbeitgeber nur
vertragswidrige Arbeit anbietet. Denn das Angebot vertragsgerechter Arbeit zwecks Erfüllung des bestehenden Arbeitsverhältnisses würde den Annahmeverzug
beenden (vgl. nur BAG 24. September 2003 - 5 AZR 500/02 - zu I der Gründe, BAGE 108, 27). Vielmehr handelt der Arbeitnehmer böswillig, dem ein
Vorwurf daraus gemacht werden kann, dass er während des Annahmeverzugs trotz Kenntnis aller objektiven Umstände vorsätzlich untätig bleibt oder die
Aufnahme der Arbeit bewusst verhindert (st. Rspr., zB BAG 7. Februar 2007 - 5 AZR 422/06 - Rn. 15 mwN, BAGE 121, 133).
b) Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das Landesarbeitsgericht in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise in Übereinstimmung mit dem
Arbeitsgericht angenommen, die Tätigkeit in der Wohnumfeldpflege sei dem Kläger „an sich" zumutbar gewesen. Es handelte sich dabei um einen Ausschnitt
der Aufgaben eines Hausmeisters. Mit der Arbeit in der Wohnumfeldpflege war weder eine Änderung des Arbeitsorts noch eine Statusverschlechterung
dergestalt verbunden, dass der Kläger vormaligen Kollegen oder sogar Untergebenen unterstellt gewesen wäre. Die Unzumutbarkeit folgt auch nicht daraus,
dass die Beklagte für die Tätigkeit in der Wohnumfeldpflege keine Bereitschaftszulage zahlen wollte. Der Kläger hat weder finanzielle Probleme durch eine
vorübergehende Nichtzahlung der Bereitschaftszulage noch die Aussicht auf einen anderweitigen Arbeitsplatz mit besseren Verdienstmöglichkeiten geltend
gemacht. Auf die ordentliche Kündigung der Beklagten zum 31. Dezember 2008, die nicht auf das Verhalten des Klägers gestützt war (zur möglichen
Unzumutbarkeit der Weiterarbeit bei einer verhaltensbedingten Kündigung, vgl. BAG 24. September 2003 - 5 AZR 500/02 - zu II 2 der Gründe mwN, BAGE
108, 27), hat der Kläger die Unzumutbarkeit der (Weiter-)Arbeit in der Wohnumfeldpflege ebenso wenig gestützt wie auf den Auflösungsantrag der Beklagten.
Diese objektive Zumutbarkeit einer Beschäftigung in der Wohnumfeldpflege bestätigt die subjektive Einschätzung des Klägers, der in der Zeit vom 18. Juni
2008 bis zu seinem Urlaub im Dezember 2008 bis auf kürzere Arbeitsunfähigkeitszeiten tatsächlich in der Wohnumfeldpflege arbeitete.
c) Der Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts im Versetzungsrechtsstreit mit der Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde
im Dezember 2008 (§ 72a Abs. 5 Satz 6 ArbGG), änderte entgegen der Auffassung der Vorinstanzen an der Zumutbarkeit der Beschäftigung in der
Wohnumfeldpflege bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzprozesses nichts. Der Anspruch auf eine bestimmte Beschäftigung im bestehenden
Arbeitsverhältnis bedingt als solcher nicht die Unzumutbarkeit jedweder anderen Tätigkeit im Rahmen einer Prozessbeschäftigung. § 11 Satz 1 Nr. 2 KSchG
regelt nicht Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsvertrag, sondern die nach anderen Maßstäben zu beurteilende Obliegenheit, aus Rücksichtnahme gegenüber
dem Arbeitgeber einen zumutbaren Zwischenverdienst zu erzielen (vgl. BAG 7. Februar 2007 - 5 AZR 422/06 - Rn. 17, BAGE 121, 133). Das zeigt gerade der
gesetzliche Regelfall der böswillig bei einem anderen Arbeitgeber unterlassenen Arbeit, die notwendigerweise auf einer anderen vertraglichen Grundlage
stattgefunden hätte (vgl. BAG 26. September 2007 - 5 AZR 870/06 - Rn. 23, BAGE 124, 141).
d) Rechtsfehlerhaft hat das Landesarbeitsgericht zudem dringende Gründe für das Angebot der Beklagten, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des
Kündigungsschutzprozesses nicht mit der arbeitsvertraglich geschuldeten, sondern einer anderen Tätigkeit zu beschäftigen, verlangt. Das Bestehen dringender
Gründe für das Angebot objektiv vertragswidriger Arbeit ist ein Kriterium für böswilliges Unterlassen iSv. § 615 Satz 2 BGB im unstreitig bestehenden
Arbeitsverhältnis, in dem der Arbeitnehmer vertragsgemäße Arbeit zu vertragsgemäßen Bedingungen erwarten darf (vgl. BAG 7. Februar 2007 - 5 AZR 422/06
- Rn. 3, 18, BAGE 121, 133). Für die Obliegenheit des Arbeitnehmers nach § 11 Satz 1 Nr. 2 KSchG im gekündigten Arbeitsverhältnis ist dagegen der
arbeitsvertragliche Beschäftigungsanspruch grundsätzlich ohne Belang. Aufgrund der Unsicherheit über den Bestand des Arbeitsverhältnisses nach Ablauf der
Kündigungsfrist und vor einer rechtskräftigen Entscheidung im Kündigungsschutzprozess stand im streitbefangenen Zeitraum gerade nicht fest, dass die
Beklagte den Kläger als Hausmeister beschäftigen musste. Es stand noch nicht einmal fest, ob sie den Kläger überhaupt noch auf der Grundlage eines
bestehenden Arbeitsvertrags zu beschäftigen hatte.
III. Die Höhe dessen, was sich der Kläger nach § 11 Satz 1 Nr. 2 KSchG auf seinen Annahmeverzugsanspruch anrechnen lassen muss, entspricht - soweit in der
Revision noch streitgegenständlich - der vereinbarten Vergütung, so dass der Kläger für den streitbefangenen Zeitraum nichts mehr verlangen kann. ..."
***
„... I. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung von Vergütung gemäß § 615 Satz 1 iVm. § 611 Abs. 1 BGB. Die Beklagte befand sich nicht im
Annahmeverzug, denn der Kläger war in der streitbefangenen Zeit nicht leistungswillig, § 297 BGB.
1. Die in § 297 BGB nicht ausdrücklich genannte Voraussetzung der Leistungswilligkeit folgt daraus, dass ein leistungsunwilliger Arbeitnehmer sich selbst
außer Stande setzt, die Arbeitsleistung zu bewirken. Der subjektive Leistungswille ist eine von dem Leistungsangebot und dessen Entbehrlichkeit unabhängige
Voraussetzung, die während des gesamten Verzugszeitraums vorliegen muss (vgl. BAG 24. September 2003 - 5 AZR 591/02 - zu B I der Gründe, EzA BGB
2002 § 615 Nr. 5; 19. Mai 2004 - 5 AZR 434/03 - AP BGB § 615 Nr. 108 = EzA BGB 2002 § 615 Nr. 6).
2. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist der Anwendungsbereich des § 297 BGB nicht auf den Fall beschränkt, in dem der Arbeitnehmer
bereits vor einer Kündigung leistungsunwillig war. Die Nichtaufnahme einer vom Arbeitgeber angebotenen Beschäftigung kann nicht nur zur Anrechnung
böswillig nicht erzielten Verdienstes gemäß § 615 Satz 2 BGB, § 11 Nr. 1 und Nr. 2 KSchG führen. Vielmehr kann sie den Annahmeverzug des Arbeitgebers
gänzlich entfallen lassen (BAG 13. Juli 2005 - 5 AZR 578/04 - BAGE 115, 216; MünchKommBGB/Henssler 5. Aufl. § 615 Rn. 42; ErfK/Preis 11. Aufl. § 615
BGB Rn. 47; aA Boemke JuS 2006, 287, 288; KR/Spilger 9. Aufl. § 11 KSchG Rn. 24). Die vom Landesarbeitsgericht angenommene Eingrenzung lässt sich
weder dem Wortlaut noch dem Sinn und Zweck des § 297 BGB entnehmen. § 297 BGB bestimmt schlicht, dass der Gläubiger dann nicht in Verzug kommt,
wenn der Schuldner außerstande ist (oder sich außerstande gesetzt hat), die Leistung zu bewirken. Dies gilt unabhängig davon, ob eine Kündigung seitens des
Gläubigers ausgesprochen worden ist oder nicht. § 297 BGB lässt den Annahmeverzug im Fall der Leistungsunfähigkeit des Arbeitnehmers entfallen und ist
auch in diesem Anwendungsbereich nicht auf die Leistungsunfähigkeit vor einer Kündigung beschränkt. Der Rückschluss auf einen fehlenden Leistungswillen
anlässlich der Nichtaufnahme einer vom Arbeitgeber angebotenen Arbeit lässt den Anwendungsbereich der § 615 Satz 2 BGB, § 11 Nr. 2 KSchG nicht
entfallen. Er ist nur dann zulässig, wenn der Arbeitnehmer ein Angebot des Arbeitgebers ablehnt, das trotz Aufrechterhaltung der Kündigung auf eine
Weiterbeschäftigung zu unveränderten Bedingungen gerichtet und dessen Annahme auch sonst zumutbar ist. Bei einer reinen Anrechnung bleibt es hingegen,
wenn entweder das böswillige Unterlassen eines Zwischenerwerbs bei einem anderen Arbeitgeber oder als Selbständiger in Rede steht oder die
Beschäftigungsmöglichkeit bei dem Arbeitgeber besteht, der sich mit der Annahme der Dienste in Verzug befindet (BAG 24. September 2003 - 5 AZR 500/02 -
zu II 2 b der Gründe, BAGE 108, 27; 16. Juni 2004 - 5 AZR 508/03 - BAGE 111, 123) und dieser eine zwar nicht vertragsgemäße, jedoch gleichwohl
zumutbare Beschäftigung (vgl. BAG 7. Februar 2007 - 5 AZR 422/06 - Rn. 16, BAGE 121, 133) angeboten hat.
3. Der Arbeitgeber hat darzulegen und zu beweisen, dass der Arbeitnehmer zur Leistung objektiv außerstande oder subjektiv nicht zur Leistung bereit ist. Dies
ergibt sich aus der Fassung des § 297 BGB (zum fehlenden Leistungswillen, BAG 6. November 1986 - 2 AZR 744/85 - zu II 3 a der Gründe, RzK I 13b Nr. 4;
zum Unvermögen, 23. Januar 2008 - 5 AZR 393/07 - Rn. 13, EzA BGB 2002 § 615 Nr. 22; 5. November 2003 - 5 AZR 562/02 - zu I 2 a der Gründe, AP BGB
§ 615 Nr. 106 = EzA BGB 2002 § 615 Nr. 2). Der Leistungswille ist eine innere Tatsache. Dass eine Partei eine innere Tatsache zu beweisen hat und die
Führung dieses Beweises Schwierigkeiten bereitet, führt nicht zur Beweislastumkehr, sondern zur Modifizierung der Darlegungslast. Wendet der Arbeitgeber
fehlenden Leistungswillen des Arbeitnehmers im Annahmeverzugszeitraum ein, reicht es aus, dass er Indizien vorträgt, aus denen hierauf geschlossen werden
kann. In Betracht kommt insbesondere die Nichtaufnahme der Arbeit nach erfolgreichem Betreiben der Zwangsvollstreckung aus einem
Weiterbeschäftigungstitel. Hat der Arbeitgeber solche Indizien vorgetragen oder sind sie unstreitig, ist es Sache des Arbeitnehmers, diese Indizwirkung zu
erschüttern. Trägt er dazu nichts vor, gilt die Behauptung des Arbeitgebers, der Arbeitnehmer sei während des Verzugszeitraums leistungsunwillig gewesen,
gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden (vgl. BAG 5. November 2003 - 5 AZR 562/02 - aaO).
4. Das Landesarbeitsgericht hat offen gelassen, ob der Kläger im Klagezeitraum leistungswillig war. Doch belegen bereits die unstreitigen Tatsachen, dass der
Leistungswille des Klägers fehlte.
a) Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 5. Juni 2007 die Unwirksamkeit der Kündigung vom 15. Mai 2006 festgestellt und auf Antrag des Klägers die
Beklagte zur vorläufigen Weiterbeschäftigung des Klägers als Verpackungsentwickler zu unveränderten Bedingungen verurteilt. Nachdem der Kläger mit
Schriftsatz vom 24. Juli 2007 die Zwangsvollstreckung aus dem Weiterbeschäftigungstitel beantragt hatte, erklärte die Beklagte mit Schreiben vom 2. August
2007 ihre Bereitschaft, den Kläger „urteilsgemäß" zu beschäftigen, und forderte ihn zur Arbeitsaufnahme auf. Mit Faxschreiben vom 7. August 2007 teilte der
Kläger der Beklagten jedoch ohne nähere Begründung mit, er werde an diesem Tag nicht erscheinen, um sich seinen Arbeitsplatz zuweisen zu lassen.
Wie das Landesarbeitsgericht zutreffend angenommen hat, beinhaltete das Angebot der Beklagten eine tatsächliche Weiterbeschäftigung als
Verpackungsentwickler bei unveränderten Bedingungen. Dieses Angebot war dem Kläger schon deshalb zumutbar, weil er durch die Erwirkung des Titels
sowie die eingeleitete Zwangsvollstreckung selbst die Zumutbarkeit einer „urteilsgemäßen" Weiterbeschäftigung zu erkennen gegeben hatte. Angesichts der
eingeleiteten Zwangsvollstreckung aus dem erstrittenen Weiterbeschäftigungstitel hätte der Kläger konkret begründen müssen, warum ihm die
Weiterbeschäftigung nicht mehr zumutbar war (vgl. BAG 24. September 2003 - 5 AZR 500/02 - zu II 3 b cc der Gründe, BAGE 108, 27). An der Bereitschaft
der Beklagten zur urteilsgemäßen Beschäftigung hatte - seinerzeit - offenbar auch der Kläger keine Zweifel. Ansonsten hätte er nicht erklärt, dass sich der
Zwangsgeldantrag durch das Schreiben der Beklagten vom 2. August 2007 „erledigt" habe und der zunächst zulässige und begründete Vollstreckungsantrag
unbegründet geworden sei, weil die Beklagte begonnen habe, das Weiterbeschäftigungsurteil „zu achten". Der Kläger ist dem Angebot nicht nachgekommen.
b) Der Kläger hat keine Umstände vorgetragen, die die Indizwirkung der genannten Tatsachen erschüttern.
aa) Der Kläger war zwar am 7. August 2007 arbeitsunfähig. Jedoch hat er diesen vorübergehenden Hinderungsgrund zunächst gar nicht benannt und auch mit
Schriftsatz vom 20. August 2007 nur erklären lassen, dass er zum Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses arbeitswillig, vom 2. bis zum 10. August 2007
arbeitsunfähig gewesen sei. Anstalten zu einer Arbeitsaufnahme hat er trotz zwischenzeitlicher Genesung weiterhin nicht gemacht, obwohl das Angebot der
Beklagten zeitlich unbefristet war.
bb) Der Leistungswille ist nicht zu einem späteren Zeitpunkt wieder eingetreten. Der Kläger hat keine Tatsachen vorgetragen, welche den Schluss zuließen,
dass er nach Ablehnung des Weiterbeschäftigungsangebots seinen Leistungswillen zu einem späteren Zeitpunkt vor Ablauf des 31. Dezember 2007
wiederhergestellt habe (vgl. BAG 13. Juli 2005 - 5 AZR 578/04 - BAGE 115, 216). Es ist nicht erkennbar, dass die im Laufe des Rechtsstreits zur
Unzumutbarkeit der Tätigkeit nachgeschobenen Gründe im Zusammenhang mit seinem Leistungswillen im Klagezeitraum standen.
(1) Der Kläger hat nicht vorgetragen, dass er die angebotene Beschäftigung wegen der Einstellung eines weiteren Verpackungsentwicklers nicht aufgenommen
habe. Der Kläger hat weder dargelegt, wann er von der „Doppelbesetzung" Kenntnis erlangte, noch dass er im Klagezeitraum überhaupt von seiner Versetzung
iSd. § 95 Abs. 3 BetrVG ausgehen musste und die Weiterbeschäftigung ohne Beteiligung des Betriebsrats gemäß § 99 Abs. 1 BetrVG für unzumutbar erachtet
hatte. Zwar handelt der Arbeitnehmer nicht böswillig iSv. § 11 Nr. 2 KSchG, wenn er einer ohne Beteiligung des Betriebsrats ausgesprochenen Versetzung
keine Folge leistet (vgl. BAG 7. November 2002 - 2 AZR 650/00 - zu B I 2 c cc der Gründe, AP BGB § 615 Nr. 98 = EzA BGB 2002 § 615 Nr. 1). Jedoch hat
der Kläger diesen angeblichen Unzumutbarkeitsgrund erst im Verlauf des Rechtsstreits über die Annahmeverzugsvergütung nachgeschoben. Von einer
fehlenden Zustimmung des Betriebsrats zu einer geplanten Versetzung ist in keinem bis zum 31. Dezember 2007 eingereichten Schriftsatz des Klägers die
Rede. Hätte der Kläger damals angenommen, dass seiner Weiterbeschäftigung irgendwelche Hinderungsgründe „aus der Sphäre der Beklagten"
entgegenstünden, wäre auch kein Raum für eine Erledigungserklärung gewesen. Zudem konnte der Kläger nicht davon ausgehen, dass er überhaupt versetzt
oder vertragswidrig habe beschäftigt werden sollen.
(2) Der Ausspruch der Folgekündigung vom 28. August 2007 belegt keine Wiederherstellung des Leistungswillens des Klägers. Im Übrigen galt das Angebot
der Beklagten trotz des Ausspruchs der Folgekündigung für den Streitzeitraum, dh. bis zum 31. Dezember 2007, fort. Der Leistungswille des Klägers wurde
auch nicht durch die Kündigungsschutzklage ersetzt. Ohne den ernstlichen Willen des Arbeitnehmers, die angebotene Leistung zu erbringen, sind tatsächliche
und wörtliche Angebote unbeachtlich (vgl. BAG 19. Mai 2004 - 5 AZR 434/03 - AP BGB § 615 Nr. 108 = EzA BGB 2002 § 615 Nr. 6).
II. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Entschädigung für die entgangene private Nutzung eines Dienstfahrzeugs. Ohne Vergütungsanspruch bestand auch kein
Anspruch auf Überlassung des Dienstfahrzeugs zur privaten Nutzung (vgl. BAG 11. Oktober 2000 - 5 AZR 240/99 - zu A II 1 b der Gründe, BAGE 96, 34; 14.
Dezember 2010 - 9 AZR 631/09 - Rn. 14, NZA 2011, 569). ..." (BAG, Urteil vom 17.08.2011 - 5 AZR 251/10)
***
Der Arbeitnehmer kann die Annahme einer zumutbaren Arbeit allein dadurch böswillig unterlassen (§ 11 S. 1 Nr. 2 KSchG), dass er ein im Zusammenhang mit
einer Kündigung erklärtes Änderungsangebot nicht nach § 2 KSchG unter Vorbehalt annimmt. Erklärt der Arbeitgeber anschließend eine
Beendigungskündigung, ohne die auf der Änderungskündigung beruhende Arbeitsmöglichkeit weiter anzubieten, endet das böswillige Unterlassen mit Ablauf
der Kündigungsfrist (BAG, Urteil vom 26.09.2007 - 5 AZR 870/06).
Für die Frage der Zumutbarkeit einer Arbeit nach § 11 S. 1 Nr. 2 KSchG kann auch der Zeitpunkt eines Arbeitsangebots von Bedeutung sein. Der Arbeitnehmer
muss eine deutliche Verschlechterung seiner Arbeitsbedingungen nicht akzeptieren, solange er berechtigte Aussichten hat, rechtzeitig eine günstigere Arbeit zu
finden. Je länger Arbeitsangebot und vorgesehene Arbeitsaufnahme auseinanderliegen, desto weniger wird es dem Arbeitnehmer im Regelfall vorzuwerfen
sein, wenn er das Angebot ablehnt und sich stattdessen um eine für ihn günstigere Arbeit bemüht (BAG, Urteil vom 11.10.2006 - 5 AZR 754/05).
Die Arbeit bei dem bisherigen Arbeitgeber ist nur zumutbar im Sinne von § 11 Satz 1 Nr. 2 KSchG, wenn sie auf den Erwerb von Zwischenverdienst gerichtet
ist. Auf eine dauerhafte Änderung des Arbeitsvertrags braucht sich der Arbeitnehmer nicht einzulassen (BAG, Urteil vom 11.01.2006 - 5 AZR 98/ 05).
Bezieht der Arbeitnehmer während des Annahmeverzugs des Arbeitgebers Arbeitslosengeld und unterlässt er zugleich böswillig einen ihm zumutbaren Erwerb,
hat eine proportionale Zuordnung der Anrechnung nach § 11 Satz 1 Nr. 2 und 3 KSchG zu erfolgen (BAG, Urteil vom 11.01.2006 - 5 AZR 125/ 05).
Gemäß § 11 Nr. 3 KSchG ist der "Nettobetrag" des Arbeitslosengeldes als die dem Arbeitnehmer infolge Arbeitslosigkeit gezahlte öffentlich-rechtliche
Leistung auf das Arbeitsentgelt anzurechnen. Der Arbeitgeber hat der Bundesanstalt die geleisteten Beiträge aus dem Bruttobetrag des Arbeitsentgelts zu
erstatten (§ 335 III SGB III). Die Berufsunfähigkeitsrente nach früherem Recht ist weder eine Leistung infolge Arbeitslosigkeit (§ 11 Nr. 3 KSchG) noch gem. §
615 Satz 2 BGB anzurechnen (BAG, Urteil vom 24.09.2003 - 5 AZR 282/02, NZA 2003, 1332).
Allein das Unterlassen der Meldung des Arbeitnehmers beim Arbeitsamt als arbeitssuchend erfüllt nicht das Merkmal des böswilligen Unterlassens. Den
Arbeitnehmer trifft keine Obliegenheit, die Vermittlung der Bundesanstalt für Arbeit in Anspruch zu nehmen (BAG, Urteil vom 16.05.2000 - 9 AZR 202/99,
PflR 2001, 70).
Ein gekündigter Arbeitnehmer muss sich so genannten hypothetischen Verdienst nur dann anrechnen lassen, wenn er böswillig anderweitigen Erwerb
unterlässt. Um böswilliges Unterlassen handelt es sich, wenn der Arbeitnehmer grundlos zumutbare Arbeit ablehnt oder vorsätzlich verhindert, dass ihm
zumutbare Arbeit angeboten wird (BAG, Urteil vom 16.05.2000 - 9 AZR 203/99, NJW 2001, 243).
Die Anrechnung eines so genannten hypothetischen Verdienstes nach § 11 Nr. 2 KSchG, § 615 S. 2 BGB kommt auch in Betracht, wenn die
Beschäftigungsmöglichkeit bei dem Arbeitgeber besteht, der sich mit der Annahme der Dienste des Arbeitnehmers in Verzug befindet. Voraussetzung ist ein
Angebot des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer, die Arbeit jedenfalls vorläufig für die Dauer des Kündigungsschutzstreitrechts aufzunehmen (Bestätigung der
Entscheidung des BAG vom 14.11.1985, BAGE 50, 164 = NJW 1986, 2846), (BAG, Urteil vom 22.02.2000 - 9 AZR 194/99, NJW 2000, 2374).
Zur Anrechnung der von der Bundesanstalt für Arbeit für die zwischen der außerordentlichen Kündigung und der Beendigung des Arbeitsverhältnisses
aufgrund ordentlicher Kündigung gezahlten Krankenkassenbeiträge (BAG, Urteil vom 09.04.1981 - 6 AZR 787/78, NJW 1982, 1303).
*** (LAG)
Lehnt der Arbeitnehmer das Angebot des bisherigen Arbeitgebers ab, die bisherige Tätigkeit unter veränderten Bedingungen fortzusetzen, liegt darin keine
Weigerung i. S. von § 11 Nr. 2 KSchG. Auf eine dauerhafte Änderung seines Arbeitsvertrages braucht sich der Arbeitnehmer nicht einzulassen (im Anschluss
an BAG, [11.1.2006], NZA 2006, 314; LAG Niedersachsen, Urteil vom 06.01.2009 - 12 Sa 1058/08).
Der Kläger muss sich gem. § 11 S. 1 Nr. 2 KSchG auf seine Vergütungsansprüche anrechnen lassen, was er bei der Beklagten hätte verdienen können, wenn er
es nicht böswillig unterlassen hätte, die ihm angebotene Arbeit anzunehmen. Grundsätzlich ist es nicht unzumutbar die Arbeit unter Hinnahme von
Verdiensteinbußen fortzuführen. Wegen der Zumutbarkeit der Arbeitsaufnahme bedarf es jeweils einer Einzelfallprüfung, die sich nach den gesamten
Umständen des konkreten Falls beurteilt. Bei Gehaltskürzungen von etwa 12-15 % sind Gründe für die Unzumutbarkeit bei einem Besserverdienenden nicht
ohne weiteres ersichtlich und im Einzelfall gesondert vorzutragen (LAG Niedersachsen, Urteil vom 18.01.2006 - 6 Sa 1533/04, NZA-RR 2006, 349).
Der Kläger muss sich gem. § 11 S. 1 Nr. 2 KSchG auf seine Vergütungsansprüche anrechnen lassen, was er bei der Beklagten hätte verdienen können, wenn er
es nicht böswillig unterlassen hätte, die ihm angebotene Arbeit anzunehmen. Grundsätzlich ist es nicht unzumutbar die Arbeit unter Hinnahme von
Verdiensteinbußen fortzuführen. Wegen der Zumutbarkeit der Arbeitsaufnahme bedarf es jeweils einer Einzelfallprüfung, die sich nach den gesamten
Umständen des konkreten Falls beurteilt. Bei Gehaltskürzungen von etwa 12-15 % sind Gründe für die Unzumutbarkeit bei einem Besserverdienenden nicht
ohne weiteres ersichtlich und im Einzelfall gesondert vorzutragen (LAG Niedersachsen, Urteil vom 18.01.2006 - 6 Sa 1533/04, NZA-RR 2006, 349).
Allein aus dem Umstand einer vereinbarten Arbeitsfreistellung kann nicht darauf geschlossen werden, der Arbeitgeber unterwerfe sich nicht nur der Pflicht zur
Gehaltszahlung ohne Arbeitsleistung, sondern verzichte gleichzeitig auf die Möglichkeit der Anrechnung anderweitigen Verdienstes i.S. der § 615 S. 2 BGB, §
11 Nr. 1 KSchG (abweichend von LAG Hamm, DB 1991, 1577, und LAG Köln, NZA 1992, 123; LAG Thüringen, Urteil vom 21.11.2000 - 5 Sa 352/99, NJOZ
2001, 64).
Dem gekündigten Arbeitnehmer obliegt es, sich bei dem zuständigen Arbeitsamt arbeitssuchend zu melden, wenn er arbeitslos ist; andernfalls unterlässt er es
böswillig i.S. von § 11 Satz 1 Nr. 2 KSchG, anderweitigen Erwerb zu erzielen, es sei denn, er weist nach, dass er trotz Meldung nicht vermittelt worden wäre
(LAG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 12.08.1998 - 5 Sa 1086/97 , DB 2000, 480).
Als anrechenbar "verdient" i. S. von § 11 S. 1 Nr. 1 KSchG oder "erworben" i. S. des § 615 S. 2 BGB ist nur tatsächlich zugeflossenes Einkommen anzusehen;
titulierte aber nicht vollstreckbare Forderungen sind deshalb kein anrechenbarer Vermögenswert. Überhöhte Spesenzahlungen, denen kein
Verpflegungsaufwand korrespondiert, sind grundsätzlich als Arbeitsentgelt i. S. der Lohnfortzahlungsvorschriften und des Annahmeverzugs zu qualifizieren
(hier: 37,00 DM täglich bei Kraftfahrertätigkeit, für die tarifvertraglich 7,00 DM täglich vorgesehen sind), (LAG Hessen, Urteil vom 18.09.1995 - 14 Sa
1128/94, NZA-RR 1996, 445 L).
§ 12 Neues Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers; Auflösung des alten Arbeitsverhältnisses
Besteht nach der Entscheidung des Gerichts das Arbeitsverhältnis fort, ist jedoch der Arbeitnehmer inzwischen ein neues Arbeitsverhältnis eingegangen, so
kann er binnen einer Woche nach der Rechtskraft des Urteils durch Erklärung gegenüber dem alten Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bei
diesem verweigern. Die Frist wird auch durch eine vor ihrem Ablauf zur Post gegebene schriftliche Erklärung gewahrt. Mit dem Zugang der Erklärung erlischt
das Arbeitsverhältnis. Macht der Arbeitnehmer von seinem Verweigerungsrecht Gebrauch, so ist ihm entgangener Verdienst nur für die Zeit zwischen der
Entlassung und dem Tage des Eintritts in das neue Arbeitsverhältnis zu gewähren. § 11 findet entsprechende Anwendung.
Leitsätze:
Das Sonderkündigungsrecht nach § 12 KSchG steht dem Arbeitnehmer nicht zu, wenn er während des Kündigungsschutzprozesses eine selbständige Tätigkeit
aufgenommen hat (BAG, Urteil vom 25.10.2007 - 6 AZR 662/06).
Der Beschluss des Stadtrats einer sächsischen Stadt mit ca. 25.000 Einwohnern, die Vollzeitstelle der Gleichstellungsbeauftragten in eine halbe Stelle
umzuwandeln, verstößt nicht gegen § 64 SächsGemO, wonach die entsprechenden Aufgaben hauptamtlich erfüllt werden sollen. Ein solcher Beschluss kann
eine Änderungskündigung gegenüber der Gleichstellungsbeauftragten zur entsprechenden Reduzierung ihrer Arbeitszeit sozial rechtfertigen (BAG, Urteil vom
23.11.2000 - 2 AZR 617/99, NJW 2001, 2490 L).
§ 12 I 2 KSchG findet auf außerordentliche Kündigungen gem. EinigV Anwendung (BAG, Urteil vom 11.06.1992 - 8 AZR 537/91, NZA 1993, 118).
*** (LAG)
Eine nicht rechtzeitig abgegebene Fortsetzungsverweigerungserklärung kann regelmäßig in eine ordentliche Kündigung umgedeutet werden (LAG Berlin, Urteil
vom 15.10.1999 - 6 Sa 1235/99, MDR 2000, 281).
Hat der Arbeitnehmer einen Kündigungsschutzprozess gewonnen und inzwischen ein neues Arbeitsverhältnis begründet, so ist er auch nach Ablauf der
1-wöchigen Erklärungsfrist des § 12 KSchG nicht verpflichtet, einer Arbeitsaufforderung des alten Arbeitgebers sofort nachzukommen. Es liegt keine eine
fristlose Kündigung rechtfertigende Arbeitsverweigerung vor, wenn er zunächst das neue eingegangene Arbeitsverhältnis unter Einhaltung der ordentlichen
Kündigungsfrist löst (LAG Köln, Urteil vom 23.11.1994 - 8 Sa 862/94, NZA 1995, 992).
§ 13 Verhältnis zu sonstigen Kündigungen
(1) Die Vorschriften über das Recht zur außerordentlichen Kündigung eines Arbeitsverhältnisses werden durch das vorliegende Gesetz nicht berührt. Die
Rechtsunwirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung kann jedoch nur nach Maßgabe des § 4 Satz 1 und der §§ 5 bis 7 geltend gemacht werden. Stellt das
Gericht fest, dass die außerordentliche Kündigung unbegründet ist, ist jedoch dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten, so
hat auf seinen Antrag das Gericht das Arbeitsverhältnis aufzulösen und den Arbeitgeber zur Zahlung einer angemessenen Abfindung zu verurteilen. Das Gericht
hat für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses den Zeitpunkt festzulegen, zu dem die außerordentliche Kündigung ausgesprochen wurde. Die Vorschriften der
§§ 10 bis 12 gelten entsprechend.
(2) Verstößt eine Kündigung gegen die guten Sitten, so finden die Vorschriften des § 9 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 und der §§ 10 bis 12 entsprechende
Anwendung.
(3) Im übrigen finden die Vorschriften dieses Abschnitts mit Ausnahme der §§ 4 bis 7 auf eine Kündigung, die bereits aus anderen als den in § 1 Abs. 2 und 3
bezeichneten Gründen rechtsunwirksam ist, keine Anwendung.
Leitsätze:
„... Der Kläger hat gegen die Kündigung gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 iVm. § 4 Satz 1 KSchG binnen Dreiwochenfrist Kündigungsschutzklage erhoben. Dass er
sich erst nach Ablauf dieser Frist auf seine Schwerbehinderung und einen daraus resultierenden Unwirksamkeitsgrund berufen hat, ist mit Blick auf die
Klageerhebungsfrist unschädlich; er hat die erforderliche Rüge ordnungsgemäß (§ 6 KSchG) innerhalb des ersten Rechtszugs nachgeholt (vgl. BAG 11.
Dezember 2008 - 2 AZR 395/07 - Rn. 15, BAGE 129, 25; 23. April 2008 - 2 AZR 699/06 - Rn. 22, AP KSchG 1969 § 4 Nr. 65 = EzA KSchG § 4 nF Nr. 84).
..." (BAG, Urteil vom 09.06.2011 - 2 AZR 703/09)
***
Ein wichtiger Grund für eine - ausnahmsweise - ordentliche Beendigungskündigung eines ansonsten tariflich ordentlich unkündbaren Arbeitnehmers liegt dann
nicht vor, wenn die Möglichkeit besteht, den Arbeitnehmer auf einem freien Arbeitsplatz - ggf. zu geänderten Arbeitsbedingungen - weiterzubeschäftigen. Die
Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten hat der Arbeitgeber von sich aus anzubieten (hier: Weiterbeschäftigung auf einem freien Arbeitsplatz zu vergleichbaren
Bedingungen in L oder zu geänderten Bedingungen in F). Das Angebot kann lediglich in Extremfällen unterbleiben (zu BGB § 626 I). Ein Auflösungsantrag
des Arbeitgebers kann sich nach § 13 I 3 KSchG weder auf eine außerordentliche Kündigung noch auf eine außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist im
Fall einer tariflichen Unkündbarkeit beziehen. Der Arbeitgeber kann eine Auflösung nach § 9 I 2 KSchG nur verlangen, wenn die Kündigung lediglich
sozialwidrig ist (BAG, Urteil vom 26.03.2009 - 2 AZR 879/07).
Es ist in aller Regel ermessensfehlerhaft, über einen Kündigungsschutzantrag hinsichtlich einer Kündigung und über einen darauf bezogenen Auflösungsantrag
eher zu entscheiden, als über einen zeitlich vorgehenden Auflösungsantrag (Aufgabe von BAG 17. 9. 1987 - 2 AZR 2/87 - RzK I 11a Nr. 16; BAG, Urteil vom
27.04.2006 - 2 AZR 360/05).
*** (LAG)
Kein Schadensersatz wegen unberechtigter fristloser Kündigung bei Verlusten hinsichtlich der Altersversorgung, wenn das Arbeitsverhältnis auf Grund eines
Arbeitnehmerantrages gerichtlich aufgelöst wurde (LAG Köln, Urteil vom 27.04.2001 - 4 Sa 298/01, NJOZ 2001, 1907).
Es ist mit dem besonderen Bestandsschutz eines Berufsausbildungsverhältnisses nicht vereinbar, auf eine vom Arbeitgeber erklärte außerordentliche Kündigung
des Berufsausbildungsverhältnisses die dreiwöchige Klagefrist des Kündigungsschutzgesetzes (§§ 13 I Sätze 2, 4 KSchG) anzuwenden, wenn ein
Schlichtungsausschuss gem. § 111 II ArbGG nicht existiert (gegen BAG, 5.7.1990 - 2 AZR 53/90; LAG Brandenburg, Urteil vom 10.10.1997 - 5 Sa 367/97,
BB 1998, 2216 L ).
Entscheidet das Arbeitsgericht über den vorsorglichen Antrag auf nachträgliche Zulassung nicht, weil es die Kündigung bereits aus anderen Gründen i. S. des §
13 III KSchG für rechtsunwirksam erachtet, so ist dieses Urteil auf Berufung hin aufzuheben und die Sache an das Arbeitsgericht zurückzuverweisen, wenn sich
im Berufungsverfahren herausstellt, daß die vom Arbeitsgericht bejahten anderen Unwirksamkeitsgründe nicht vorliegen (LAG Nürnberg, Urteil vom
19.09.1995 - 2 Sa 203/95, NZA 1996, 503).
Die Rücknahme der Kündigung durch den Arbeitgeber nach Erhebung der Kündigungsschutzklage gilt nur dann als Anerkenntnis ihrer Sozialwidrigkeit, wenn
sie nicht zugleich aus anderen Gründen unwirksam ist. Deshalb ist es bei Vorliegen eines sonstigen Unwirksamkeitsgrundes (von der Sittenwidrigkeit
abgesehen) trotz Kündigungsrücknahme erforderlich, die Sozialwidrigkeit der Kündigung zu prüfen, wenn der Arbeitsnehmer seinen Auflösungsantrag weiter
verfolgt, da nur diese den Weg zu § 9 I 1 KSchG eröffnet (LAG Köln, Urteil vom 17.03.1995 - 13 Sa 1379/94, NZA-RR 1996, 127).
Die Frist nach §§ 4 S. 1, 13 I 2 KSchG kann auch durch eine hilfsweise gegen den richtigen Arbeitgeber erhobene Kündigungsschutzklage gewahrt werden,
obwohl eine eventuelle subjektive Klagehäufung unzulässig ist (BAG, Urteil vom 31.03.1993 - 2 AZR 467/92, NJW 1994, 1084).
§ 13 I 2 KSchG findet auf außerordentliche Kündigungen gem. dem EinigV Anwendung (BAG, Urteil vom 11.06.1992 - 8 AZR 474/91, LKV 1993, 240).
Nach § 13 I 3 kann bei Unwirksamkeit einer arbeitgeberseitig ausgesprochenen außerordentlichen Kündigung nur der Arbeitnehmer die gerichtliche Auflösung
des Arbeitsverhältnisses nach §§ 9, 10 verlangen. Dieses trifft auch bei einem Arbeitsverhältnis mit einem Arbeitnehmer in leitender Funktion zu (LAG Hamm,
Urteil vom 24.11.1988 - 17 Sa 518/88, NZA 1989, 278).
Für Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung reicht nicht jedes Verhalten aus, das zur fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund berechtigt, vielmehr ist ein
besonders grober Vertragsverstoß erforderlich und die Gefährdung von Rechtsgütern des Arbeitgebers, seiner Familienangehörigen oder anderer Arbeitnehmer,
deren Schutz Vorrang vor dem Interesse des Arbeitnehmers an der Erhaltung seines Verdienstes hat (BAG, Urteil vom 29.10.1987 - 2 AZR 144/87, NZA 1988,
465).
Die Vorschrift des § 13 I 3 KSchG über die Auflösung des Arbeitsverhältnisses auf Antrag des Arbeitnehmers nach unwirksamer fristloser
Arbeitgeberkündigung ist auf das Berufsausbildungsverhältnis nicht anwendbar (BAG, Urteil vom 29.11.1984 - 2 AZR 354/83, NZA 1986, 230).
§ 14 Angestellte in leitender Stellung
(1) Die Vorschriften dieses Abschnitts gelten nicht
1. in Betrieben einer juristischen Person für die Mitglieder des Organs, das zur gesetzlichen Vertretung der juristischen Person berufen ist,
2. in Betrieben einer Personengesamtheit für die durch Gesetz, Satzung oder Gesellschaftsvertrag zur Vertretung der Personengesamtheit berufenen Personen.
(2) Auf Geschäftsführer, Betriebsleiter und ähnliche leitende Angestellte, soweit diese zur selbständigen Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern
berechtigt sind, finden die Vorschriften dieses Abschnitts mit Ausnahme des § 3 Anwendung. § 9 Abs. 1 Satz 2 findet mit der Maßgabe Anwendung, dass der
Antrag des Arbeitgebers auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses keiner Begründung bedarf.
Leitsätze:
„... II. Die Revision des Klägers ist unbegründet. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts, das Arbeitsverhältnis der Parteien gegen Zahlung einer
Abfindung zum 30. Juni 2007 aufzulösen, hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Das Landesarbeitsgericht hat ohne Rechtsfehler angenommen, der
Auflösungsantrag der Beklagten habe gem. § 14 Abs. 2 Satz 2 KSchG keiner Begründung bedurft. Der Kläger war leitender Angestellter iSv. § 14 Abs. 2 Satz 1
KSchG. Mit Blick auf die Einheitlichkeit des Arbeitsverhältnisses hat das Landesarbeitsgericht dabei den Antrag der Beklagten zu Recht als einen einheitlichen
verstanden, gerichtet darauf, das Arbeitsverhältnis - und nicht, wie nach der Antragsformulierung, „die Arbeitsverhältnisse" - der Parteien aufzulösen.
1. Nach § 14 Abs. 2 KSchG findet auf Geschäftsführer, Betriebsleiter und ähnliche leitende Angestellte, soweit diese zur selbständigen Einstellung oder
Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt sind, § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG mit der Maßgabe Anwendung, dass der Antrag des Arbeitgebers auf Auflösung des
Arbeitsverhältnisses keiner Begründung bedarf.
a) Die Befugnis zur selbständigen Einstellung oder Entlassung muss entweder eine bedeutende Anzahl von Arbeitnehmern oder eine gewisse Anzahl
bedeutender Arbeitnehmer erfassen. Entscheidend für das Gewicht der Personalkompetenz ist, welchen Stellenwert die Tätigkeit der Mitarbeiter, die der
Betreffende einstellt oder entlässt, für das Unternehmen hat. Es kann auch dann ausreichend sein, wenn sich die personellen Entscheidungskompetenzen des
Angestellten auf eine geschlossene Gruppe beziehen, die für das Unternehmen, insbesondere für dessen unternehmerischen Erfolg, von Bedeutung ist (BAG 14.
April 2011 - 2 AZR 167/10 - Rn. 14, AP KSchG 1969 § 14 Nr. 12 = EzA KSchG § 14 Nr. 9; 10. Oktober 2002 - 2 AZR 598/01 - zu D II 1 der Gründe mwN,
AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 123 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 122).
b) Zur selbständigen Einstellung oder Entlassung iSd. § 14 Abs. 2 KSchG sind nur solche Arbeitnehmer berechtigt, deren entsprechende Befugnis nicht nur im
Außen-, sondern auch im Innenverhältnis besteht. Von einer Berechtigung zur selbständigen Einstellung kann nicht die Rede sein, wenn sie sich auf die
Befugnis beschränkt, intern Vorschläge zu unterbreiten (BAG 14. April 2011 - 2 AZR 167/10 - Rn. 13, AP KSchG 1969 § 14 Nr. 12 = EzA KSchG § 14 Nr. 9;
18. November 1999 - 2 AZR 903/98 - zu II 1 a der Gründe, AP KSchG 1969 § 14 Nr. 5 = EzA KSchG § 14 Nr. 4).
c) Die Personalkompetenz muss einen wesentlichen Teil der Tätigkeit des Angestellten ausmachen und darf nicht „nur auf dem Papier stehen". Sie muss
tatsächlich ausgeübt werden (BAG 14. April 2011 - 2 AZR 167/10 - Rn. 15, AP KSchG 1969 § 14 Nr. 12 = EzA KSchG § 14 Nr. 9; 10. Oktober 2002 - 2 AZR
598/01 - zu D II 1 der Gründe mwN, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 123 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 122).
2. Unter Anwendung dieser Grundsätze ist die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, der Kläger sei leitender Angestellter iSv. § 14 Abs. 2 KSchG gewesen,
revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
a) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Kläger habe als Abteilungsleiter die Befugnis gehabt, die ihm unterstellten Mitarbeiter selbständig
einzustellen und zu entlassen. Diese Kompetenz habe sich zwar nur auf eine geschlossene Gruppe innerhalb der Belegschaft der Beklagten zu 1) - die insgesamt
etwa 110 Mitarbeiter beschäftigt - bezogen, nämlich auf die 45 Mitarbeiter in der von ihm geleiteten Abteilung Baufinanzierung. Diese seien aber für den
unternehmerischen Erfolg der Beklagten zu 1) von besonderem Gewicht. Für eine Bausparkasse, die die Finanzmittel für die Durchführung von Bau- oder
Modernisierungsvorhaben zur Verfügung stelle, sei entscheidend, wie die rechtliche und technische Abwicklung der Baufinanzierung gehandhabt werde. Die
Personalkompetenz bestehe im Innen- und im Außenverhältnis. Der Kläger sei insofern nicht an Weisungen oder Genehmigungen von Vorstandsmitgliedern
gebunden gewesen. Die Personalverantwortung des Klägers habe auch tatsächlich zu einem wichtigen Teilbereich seiner Führungsaufgaben gezählt.
b) Im Ergebnis zutreffend hat das Landesarbeitsgericht eine Stellung des Klägers als leitender Angestellter im Verhältnis zur Beklagten zu 1) als ausreichend
erachtet. Die Auflösung durch Urteil (§ 9 KSchG) kann im einheitlichen Arbeitsverhältnis mit mehreren Arbeitgebern grundsätzlich nur insgesamt erfolgen
(BAG 27. März 1981 - 7 AZR 523/78 - zu II 4 der Gründe, BAGE 37, 1). Ausreichend ist im Regelfall ein Auflösungsgrund, der für oder gegen einen der
Arbeitgeber vorliegt (BAG 27. März 1981 - 7 AZR 523/78 - zu II 4 a der Gründe, aaO). Ist der Arbeitnehmer leitender Angestellter iSv. § 14 Abs. 2 KSchG nur
im Verhältnis zu einem der Arbeitgeber und stellt dieser einen Auflösungsantrag, schlägt dies wegen der vereinbarten Einheitlichkeit des Arbeitsverhältnisses
auf die Beziehung zu den anderen Arbeitgebern durch. Eine Fortsetzung des einheitlichen Arbeitsverhältnisses ist der Arbeitgeberseite dann in der Regel
insgesamt unzumutbar. Dies hat das Landesarbeitsgericht zu Recht auch für den vorliegenden Fall angenommen. Besteht deshalb eine Auflösungsmöglichkeit
der Beklagten zu 1), weil der Kläger im Verhältnis zu ihr leitender Angestellter iSd. § 14 Abs. 2 KSchG ist, wirkt sich dies wegen der vereinbarten
Einheitlichkeit des Arbeitsverhältnisses zu allen drei Beklagten auf das Arbeitsverhältnis insgesamt aus. Eine Fortführung des Arbeitsverhältnisses mit
Tätigkeiten des Klägers ggf. nur noch für die Beklagten zu 2) und 3) ist nach den Vereinbarungen der Parteien nicht vorgesehen. Zwar sollte das
Arbeitsverhältnis bei einem Wegfall der Tätigkeiten für die später beigetretenen Beklagten zu 2) und 3) auch ohne diese fortgesetzt werden können, nicht aber
umgekehrt nur für sie.
c) Das Landesarbeitsgericht hat den Begriff des leitenden Angestellten iSv. § 14 Abs. 2 KSchG auch im Übrigen nicht verkannt.
aa) Eine Beschränkung der selbständigen Entscheidungskompetenz des Klägers auf die in seiner Abteilung vorzunehmenden Einstellungen ergibt sich nicht
daraus, dass er an den festgelegten Stellenplan gebunden war. So wenig es einer selbständigen Einstellungs- oder Entlassungsbefugnis entgegensteht, wenn der
Angestellte unternehmensinterne Vorgaben beachten muss (BAG 27. September 2001 - 2 AZR 176/00 - AP KSchG 1969 § 14 Nr. 6 = EzA KSchG § 14 Nr. 6),
so wenig verlangt eine Personalkompetenz iSv. § 14 Abs. 2 KSchG eine unternehmerische Entscheidungshoheit über den Stellenplan und die Befugnis, selbst
über Stellenausweitungen oder -kürzungen zu entscheiden. Nach der gesetzlichen Regelung ist der Angestellte vielmehr bereits dann als „im Lager" des
Arbeitgebers stehend anzusehen, wenn er selbständig darüber entscheiden kann, wer in einem wesentlichen Bereich des Unternehmens eingestellt oder
entlassen wird.
bb) Das Landesarbeitsgericht hat ohne Rechtsfehler angenommen, die Personalverantwortung des Klägers habe zu einem wichtigen Teilbereich seiner
Führungsaufgaben gezählt. Es hat dies aus der Bedeutung der von dem Kläger geleiteten Abteilung für den unternehmerischen Erfolg der Beklagten zu 1)
abgeleitet. Mit seinem hiergegen gerichteten neuen Sachvortrag zur Art des von seiner Abteilung verantworteten Geschäfts und der tariflichen Eingruppierung
seiner Mitarbeiter kann der Kläger in der Revision gem. § 559 Abs. 1 ZPO nicht mehr gehört werden. Das Landesarbeitsgericht musste auch nicht aufklären, ob
es entsprechend dem Vorbringen des Klägers nur eine Entlassung und maximal zehn Einstellungen in seiner Abteilung während der Zeit seiner Leitung gegeben
hat. Die Personalkompetenz iSv. § 14 Abs. 2 KSchG muss zwar einen wesentlichen Teil der Tätigkeit des Angestellten ausmachen. Hierfür kommt es aber
nicht allein darauf an, welchen zeitlichen Anteil sie an der Tätigkeit des Angestellten hat. Maßgeblich ist, ob sie von wesentlicher Bedeutung für das
Unternehmen und damit als Teil der Tätigkeit des Angestellten qualitativ nicht unwesentlich ist. Dies war nach der Würdigung des Landesarbeitsgerichts beim
Kläger der Fall. Der Kläger hat seine Befugnisse nach der Würdigung des Landesarbeitsgerichts auch tatsächlich ausgeübt.
Der Kläger rügt in der Revision ohne Erfolg, er habe in diesem Zusammenhang vorgetragen, über die eine Entlassung und die fünf bis zehn Einstellungen nicht
selbst entschieden zu haben. Sein Vorbringen war nach dem Tatbestand der angefochtenen Entscheidung streitig. Die Richtigstellung des Tatbestands kann
nicht im Wege der Verfahrensrüge, sondern nur durch einen Antrag nach § 320 ZPO erreicht werden (BAG 7. Juli 2011 - 2 AZR 377/10 - Rn. 34, AP KSchG
1969 § 15 Nr. 69 = EzA KSchG § 15 nF Nr. 68; 26. Februar 1987 - 2 AZR 177/86 - zu B II 1 b der Gründe, AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 15 =
EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 24; BGH 22. September 2008 - II ZR 235/07 - zu II 1 a der Gründe, DStR 2008, 2228; 2. Juli 2007 - II ZR 111/05 - zu B
III 1 der Gründe, ZIP 2007, 1942; Müller-Glöge in Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge ArbGG 7. Aufl. § 74 Rn. 106; Schwab/Weth/Ulrich ArbGG 3.
Aufl. § 74 Rn. 57). Einen solchen Antrag hat der Kläger nicht gestellt.
d) Die Rüge des Klägers, das Landesarbeitsgericht habe den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme gem. § 355 ZPO verletzt, weil es die Zeugen
nicht selbst vernommen, sondern darum das Arbeitsgericht ersucht habe, ist unbegründet. Selbst wenn man darin einen Verfahrensverstoß sehen wollte, wäre
dieser gem. § 295 Abs. 1 ZPO geheilt. Der Kläger hätte diese Rüge bereits in der auf die Beweisaufnahme folgenden mündlichen Verhandlung erheben müssen
(vgl. BGH 2. Februar 1979 - V ZR 146/77 - zu I der Gründe, NJW 1979, 2518; 16. Oktober 1963 - IV ZR 17/63 - BGHZ 40, 179; Zöller/Greger ZPO 29. Aufl.
§ 355 Rn. 8). Dies hat er nicht getan.
aa) Anhaltspunkte für eine missbräuchliche Inanspruchnahme des ersuchten Richters, welche die Aufhebung des Berufungsurteils erfordern könnte (vgl. dazu
BGH 2. Februar 1979 - V ZR 146/77 - NJW 1979, 2518), sind nicht ersichtlich.
bb) Der gerügte Verfahrensverstoß ist nicht erst durch das Urteil des Landesarbeitsgerichts erkennbar geworden, so dass der Kläger die Rüge im
Berufungsverfahren noch nicht hätte erheben können (zu den Konsequenzen vgl. BGH 4. November 2010 - I ZR 190/08 - zu II 2 der Gründe, NJW-RR 2011,
569; 9. Januar 1997 - III ZR 162/95 - zu I 2 der Gründe, AP ZPO § 355 Nr. 2). Der Kläger beruft sich zum einen darauf, es habe schon im Beweisbeschluss des
Landesarbeitsgerichts eine Begründung dafür gefehlt, warum mit der Beweisaufnahme ein anderes Gericht ersucht worden sei. Dies war bereits mit Erlass des
Beweisbeschlusses erkennbar. Zum anderen macht er geltend, es sei von vornherein mit widersprechenden Zeugenaussagen zu rechnen gewesen. Auch dies
wurde nicht erst durch das Berufungsurteil erkennbar - zumal das Landesarbeitsgericht eine Widersprüchlichkeit der Zeugenaussagen nicht angenommen hat.
e) Die Beweiswürdigung des Landesarbeitsgerichts hält auch in der Sache einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.
aa) Eine vom Berufungsgericht nach § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO vorgenommene Würdigung des Inhalts der Verhandlung und des Ergebnisses einer
Beweisaufnahme ist durch das Revisionsgericht nur begrenzt überprüfbar. Dieses kann lediglich prüfen, ob das Berufungsgericht die Voraussetzungen und
Grenzen des § 286 ZPO gewahrt und eingehalten hat. Dafür ist nur von Bedeutung, ob das Berufungsgericht den gesamten Inhalt der Verhandlung
berücksichtigt und alle erhobenen Beweise gewürdigt hat, ob die Beweiswürdigung in sich widerspruchsfrei und ohne Verletzung von Denkgesetzen sowie
allgemeinen Erfahrungssätzen erfolgt und ob sie rechtlich möglich ist. Dabei verlangt die Berücksichtigung des Ergebnisses einer Beweisaufnahme nicht eine
Würdigung jeder einzelnen Ausführung eines Sachverständigen oder Zeugen. Ausreichend ist, dass das Berufungsgericht insgesamt widerspruchsfrei und
umfassend hinsichtlich aller wesentlichen Aspekte zum Ergebnis der Beweisaufnahme Stellung genommen hat (BAG 27. Juli 2011 - 7 AZR 402/10 - Rn. 51,
EzA TzBfG § 17 Nr. 14; 18. Januar 2007 - 2 AZR 759/05 - Rn. 28, PatR 2008, 34; BGH 14. Januar 1993 - IX ZR 238/91 - zu B II 3 a der Gründe, NJW 1993, 935).
bb) Danach ist ein Fehler des Landesarbeitsgerichts nicht ersichtlich. Dieses hat widerspruchsfrei und umfassend hinsichtlich aller wesentlichen Aspekte zum
Ergebnis der Beweisaufnahme Stellung genommen. Es hat es aufgrund der Aussagen der vernommenen anderen Abteilungsleiter als erwiesen angesehen, dass
die Personalverantwortung des Klägers für die ihm unterstellten Mitarbeiter zu einem wichtigen Teilbereich seiner Führungsaufgaben gezählt hat. Die Zeugen
hätten übereinstimmend ausgesagt, dass sie zwar auf die vorherige Genehmigung einer Stelle durch die sog. Clearingkommission des Konzerns angewiesen
seien. Nach Genehmigung einer Stelle hätten sie aber eigenständig darüber zu entscheiden, wie diese ausgeschrieben werde und welcher Kandidat zum Zuge
komme. Eine Genehmigung durch den Vorstand oder einzelne Vorstandsmitglieder sei nicht erforderlich. Soweit der Kläger gerügt hat, die vernommenen
Abteilungsleiter hätten nur ihre jeweils eigene Kompetenz darstellen können, hat er übersehen, dass das Landesarbeitsgericht der Aussage eines der Zeugen
gerade entnommen hat, das Einstellungsprozedere sei in jeder Abteilung gleich gewesen, ebenso die Zuständigkeit für die Sachentscheidungen bei Entlassungen.
3. Der gerichtlichen Auflösung steht nicht entgegen, dass die - hilfsweise erklärte ordentliche - Kündigung der Beklagten vom 21. November 2006 schon aus
anderen Gründen als dem Fehlen einer sozialen Rechtfertigung rechtsunwirksam wäre. Dies hat das Landesarbeitsgericht mit nicht zu beanstandender
Würdigung ausgeschlossen. Insbesondere ist der Sprecherausschuss der leitenden Angestellten nach § 31 Abs. 2 SprAuG ordnungsgemäß vor Ausspruch der
Kündigung gehört worden.
4. Die Abfindung gem. §§ 9, 10 KSchG kann in einem einheitlichen Arbeitsverhältnis in der Regel nur einheitlich festgesetzt werden. Bemessungsgrundlage
(„Monatsverdienst" iSd. § 10 Abs. 3 KSchG) sind die Bezüge, die dem Arbeitnehmer aus dem Arbeitsverhältnis insgesamt zustehen (BAG 27. März 1981 - 7
AZR 523/78 - zu II 4 b der Gründe, BAGE 37, 1). Das Landesarbeitsgericht hat einen Betrag in Höhe von zwölf durchschnittlichen Bruttomonatseinkommen
unter Einbezug von Sonderzahlungen festgesetzt. Dies hält sich im Rahmen von § 10 Abs. 1 und Abs. 3 KSchG.
III. Die Anschlussrevision der Beklagten ist auch insoweit unbegründet, wie sie sich gegen die Entscheidung über den Zahlungsantrag richtet. Der Kläger hat
Anspruch auf die noch offene Vergütung für November und auf Vergütung für Dezember 2006 gem. §§ 615, 611 BGB. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat
im Anspruchszeitraum fortbestanden. Aufgrund der Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung befanden sich die Beklagten im Annahmeverzug iSv. §§
293 ff. BGB. Der Anspruch auf die Zuschüsse zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung für Dezember 2006 ergibt sich aus § 257 SGB V und § 61 SGB II.
Der Senat hatte gem. §§ 65, 73 Abs. 2 ArbGG nicht zu prüfen, ob der beschrittene Rechtsweg insoweit zulässig ist (vgl. zur Unzuständigkeit der Gerichte für
Arbeitssachen für die Arbeitgeberzuschüsse zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung BAG 19. August 2008 - 5 AZB 75/08 - Rn. 6, AP ArbGG 1979 § 2
Zuständigkeitsprüfung Nr. 12 = EzA ArbGG 1979 § 2 Nr. 72). Der Zinsanspruch folgt aus § 286 Abs. 2 Nr. 1, § 288 Abs. 1 BGB. ..." (BAG, Urteil vom
19.04.2012 - 2 AZR 186/11)
***
„... Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Bremen vom 3. Februar 2010 - 2 Sa 123/09 - aufgehoben, soweit es das
Arbeitsverhältnis aufgelöst, die Beklagte zur Zahlung einer Abfindung verurteilt und die Klage abgewiesen hat.
In diesem Umfang wird der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das
Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand: Die Parteien streiten im Revisionsverfahren noch um einen von der Beklagten gestellten Auflösungsantrag. Dabei steht im Vordergrund die Frage,
ob der Kläger leitender Angestellter nach § 14 Abs. 2 KSchG ist.
Der Kläger trat im Frühjahr 2007 als Leiter des Geschäftsbereichs Nord in die Dienste der Beklagten, die ein Zeitarbeitsunternehmen betreibt. Sein monatliches
Bruttogehalt betrug 10. 500, 00 Euro nebst variablen Gehaltsbestandteilen. Für das Jahr 2008 war ein Zielgehalt von 210. 000, 00 Euro brutto angestrebt.
Der Kläger war unmittelbar an die Geschäftsführung angebunden. Seiner Zuständigkeit unterlagen mehrere Niederlassungen in Norddeutschland, deren Leiter
ihrerseits zur selbständigen Einstellung und Entlassung der von der Beklagten "verliehenen" Projektingenieure berechtigt waren. Diese Befugnis hatte auch der
Kläger. Dagegen lag die Zuständigkeit für Einstellung und Entlassung der Niederlassungsleiter und des übrigen "internen" Personals der Beklagten nicht beim
Kläger, sondern bei der Geschäftsführung, deren Entscheidungen der Kläger allerdings beeinflussen konnte. In einer Stellenbeschreibung für die Ebene des
Klägers heißt es unter anderem:
"Hauptaufgaben: Führen und Coachen der Niederlassung/sleiter, Kommunikationsschnittstelle zwischen GF (Geschäftsführung) und NL (Niederlassung),
Gewinnung von Topkunden und Topmitarbeitern, Sicherstellung der ordnungsgemäßen Abläufe in den Niederlassungen. …
Kompetenzen: i. V.
Grundsätze: Der Regionalleiter ist Mitglied des oberen Führungskreises. Somit wird ein Höchstmaß an Loyalität und vorbildlichem Handeln vorausgesetzt. Der
Regionalleiter ist für den Gesamterfolg des Unternehmens mit-verantwortlich."
Im Dezember 2008 umfasste der Geschäftsbereich Nord der Beklagten 562, 25 Stellen, wovon 84, 25 auf Vertriebs- und Verwaltungspositionen (interne
Stellen) und 478 auf Projektingenieure ("verliehene" Arbeitnehmer) entfielen. Im Laufe des Jahres 2008 wurden insgesamt 40 interne Mitarbeiter und rund 200
Projektingenieure eingestellt. Nach Angaben der Beklagten unterzeichnete der Kläger in etwa 25 bis 30 Fällen Kündigungen, Aufhebungsverträge und
Arbeitsverträge mit Projektingenieuren, die meisten davon gegen Ende des Jahres 2007 für die Niederlassung H. Nach Angaben des Klägers geschah dies allein
wegen der Abwesenheit des damaligen Niederlassungsleiters. Im Jahr 2008 wurde im Geschäftsbereich Nord ein Umsatz von etwa 40 Mio. Euro erzielt. Das
entsprach einem Anteil von 30 % am Gesamtumsatz der Beklagten.
Mit Schreiben vom 4. Dezember 2008 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers aus Gründen in dessen Verhalten ordentlich zum 31. März 2009.
Hiergegen hat er sich mit seiner Klage gewandt und die Auffassung vertreten, die Kündigung sei sozial nicht gerechtfertigt.
Der Kläger hat, soweit noch von Interesse, beantragt festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Anstellungsverhältnis nicht durch die unter dem
Datum 4. Dezember 2008 ausgesprochene Kündigung mit Ablauf des 31. März 2009 beendet worden ist.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen, hilfsweise, das Arbeitsverhältnis nach den §§ 9, 10 KSchG gegen Zahlung einer Abfindung, deren Höhe in
Ermessen des Gerichts gestellt ist, aufzulösen.
Die Beklagte hat die Kündigung damit begründet, der Kläger habe einem ihm befreundeten Mitarbeiter ungerechtfertigte Vorteile zugewandt und seine Arbeit
nicht im Griff gehabt. Jedenfalls müsse das Arbeitsverhältnis durch das Gericht aufgelöst werden; einer Begründung bedürfe dieses Begehren nicht, weil der
Kläger leitender Angestellter im Sinne von § 14 Abs. 2 KSchG sei. Im Übrigen bestünden auch Auflösungsgründe iSd. § 9 KSchG.
Der Kläger hat beantragt, den Auflösungsantrag der Beklagten abzuweisen. Er sei nicht als leitender Angestellter anzusehen. Er habe über keine Berechtigung
zur selbständigen Einstellung und Entlassung von Arbeitnehmern verfügt.
Das Arbeitsgericht hat - soweit von Interesse - nach dem Klageantrag erkannt und den Auflösungsantrag der Beklagten abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht
hat die Berufung der Beklagten gegen die Entscheidung des Arbeitsgerichts über die Kündigung zurückgewiesen, hat auf deren Berufung aber das
Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung von 20. 000, 00 Euro aufgelöst. Mit der Revision erstrebt der Kläger die vollständige Wiederherstellung des
arbeitsgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe: Die Revision hat Erfolg. Mit der von ihm gegebenen Begründung durfte das Landesarbeitsgericht das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht
auflösen. Der Kläger ist nicht leitender Angestellter nach § 14 Abs. 2 KSchG (I). Der Auflösungsantrag bedurfte einer Begründung. Ob hinreichende Gründe
für die Auflösung vorliegen, steht noch nicht fest (II).
I. Der Kläger ist nicht leitender Angestellter iSd. § 14 Abs. 2 KSchG. Er war nicht zur selbständigen Einstellung und Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt.
1. Zur selbständigen Einstellung und Entlassung sind nur solche Arbeitnehmer iSd. § 14 Abs. 2 KSchG berechtigt, deren entsprechende Befugnis nicht nur im
Innenverhältnis, sondern auch im Außenverhältnis besteht. Von einer Berechtigung zur selbständigen Einstellung kann nicht die Rede sein, wenn sie sich auf
die Befugnis beschränkt, intern Vorschläge zu unterbreiten (BAG 18. November 1999 - 2 AZR 903/98 - zu II 1 a der Gründe, AP KSchG 1969 § 14 Nr. 5 =
EzA KSchG § 14 Nr. 4).
a) Die Befugnis muss entweder eine bedeutende Anzahl von Arbeitnehmern oder eine gewisse Anzahl bedeutender Arbeitnehmer erfassen. Entscheidend für
den Inhalt der Personalkompetenz ist, welchen Stellenwert die Tätigkeit der Mitarbeiter, die der Betreffende einstellt oder entlässt, für das Unternehmen hat.
Die Voraussetzungen des § 14 Abs. 2 Satz 1 KSchG können deshalb auch dann erfüllt sein, wenn sich die personellen Entscheidungskompetenzen des
Angestellten auf eine abgeschlossene Gruppe beziehen, die für das Unternehmen, insbesondere für dessen unternehmerischen Erfolg, von Gewicht ist (BAG 10.
Oktober 2002 - 2 AZR 598/01 - zu D II 1 der Gründe mwN, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 123 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte
Kündigung Nr. 122; 27. September 2001 - 2 AZR 176/00 - zu B II 3 c cc der Gründe, AP KSchG 1969 § 14 Nr. 6 = EzA KSchG § 14 Nr. 6).
b) Die Personalkompetenz muss einen wesentlichen Teil der Tätigkeit des Angestellten ausmachen und darf nicht "nur auf dem Papier stehen". Sie muss
tatsächlich ausgeübt werden (BAG 10. Oktober 2002 - 2 AZR 598/01 - zu D II 1 der Gründe mwN, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 123 =
EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 122; 27. September 2001 - 2 AZR 176/00 - zu B II 3 c cc der Gründe, AP KSchG 1969 § 14 Nr. 6 = EzA
KSchG § 14 Nr. 6).
2. Die Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall führt zu dem Ergebnis, dass der Kläger nicht zur Personengruppe des § 14 Abs. 2 KSchG gehört.
a) Der Kläger hatte keine Personalkompetenz iSd. § 14 Abs. 2 KSchG für die internen Arbeitnehmer der Beklagten.
aa) Er war zur Einstellung und Entlassung der - für das Unternehmen wichtigen - Niederlassungsleiter nicht berechtigt. Das hat auch das Landesarbeitsgericht
nicht anders gesehen, hat aber gemeint, von der fehlenden rechtlichen Befugnis absehen zu sollen, weil der Kläger inhaltlich maßgebenden Einfluss auf die
personelle Zusammensetzung dieses Kreises von Mitarbeitern habe ausüben können. Die Erwägungen des Landesarbeitsgerichts korrespondieren nicht
ausreichend mit dem Wortlaut des Gesetzes. § 14 Abs. 2 KSchG spricht von der "Berechtigung" zur Einstellung und Entlassung. Damit ist ausdrücklich die
Einräumung einer rechtlichen Befugnis gefordert, nicht aber ein wie auch immer vermittelter informeller Einfluss maßgebend. Der leitende Angestellte iSd. §
14 Abs. 2 KSchG muss die Rechtsmacht haben, den Arbeitgeber selbständig im Außenverhältnis zu anderen Arbeitnehmern zu verpflichten.
bb) Das Gebot der Rechtssicherheit verbietet ein über den Wortlaut hinausgehendes Verständnis des § 14 Abs. 2 KSchG. Die formelle Berechtigung zum
Abschluss von Arbeitsverträgen und zum Ausspruch von Kündigungen ist regelmäßig leichter festzustellen, während eine zuverlässige rechtliche Gewichtung
informeller Einflüsse auf Personalentscheidungen schwierig sein wird. Deshalb kann die Überlegung des Landesarbeitsgerichts, der Kläger habe den
Niederlassungsleitern Weisungen erteilen können und sei ihr Vorgesetzter gewesen, zu keinem anderen Ergebnis führen. Das Gesetz verlangt nicht die
Zuweisung irgendwelcher Zuständigkeiten für Mitarbeiter, sondern die Rechtsmacht zur Begründung und Auflösung von Arbeitsverhältnissen.
b) Die Berechtigung des Klägers umfasste auch nicht die "selbständige" Einstellung und Entlassung der Projektleiter. Die betreffende Befugnis war
eingeschränkt dadurch, dass sie auch anderen Arbeitnehmern zustand. Außerdem ist sie vom Kläger nur in marginalem Umfang ausgeübt worden und hat seine
Tätigkeit nicht geprägt. Sie stand im Wesentlichen auf dem Papier.
aa) Die Berechtigung zur Einstellung und Entlassung war schon deshalb nicht ausreichend, weil sie nicht unbeschränkt war. Die Beklagte hatte diese Befugnis
zugleich auch den Niederlassungsleitern eingeräumt. Ihnen gegenüber war aber nicht der Kläger, sondern die dem Kläger vorgesetzte Geschäftsleitung
einstellungs- und entlassungsbefugt. Ob der Kläger sich im Konfliktfall mit einer Einstellungs- oder Entlassungsentscheidung durchsetzen konnte, war also
nicht von vornherein sicher. Seine Berechtigung war durch gleiche Berechtigungen anderer eingeschränkt. Dies hatte zur Folge, dass Einstellungen und
Entlassungen von Projektingenieuren auch gegen seinen Willen erfolgen konnten, ohne dass der Kläger dem hätte entgegentreten können. Eine "selbständige"
Einstellungs- oder Entlassungsbefugnis, dh. eine, deren Umsetzung nur vom Willensentschluss des Klägers abhing, bestand damit praktisch nicht.
bb) Der Kläger hat von der ihm eingeräumten Rechtsmacht zur Einstellung der Projektingenieure nur in geringem Umfang Gebrauch gemacht. Im fraglichen
Zeitraum sind im Bereich, den er leitete, rund 200 Projektingenieure eingestellt worden. Von den betreffenden Verträgen hat der Kläger nur wenige
unterschrieben. Dass der Abschluss auch nur eines dieser Verträge von ihm konkret betrieben worden wäre, ist nicht vorgetragen und auch sonst nicht
ersichtlich. Wie viele Aufhebungsverträge insgesamt geschlossen wurden, ist nicht festgestellt. Von diesen hat der Kläger allenfalls 20 unterzeichnet. Bei dieser
Lage ist nicht erkennbar, dass die Personalkompetenz einen wesentlichen Teil der Tätigkeit des Klägers ausgemacht hätte. Sie stand ihm zwar formal zu, fiel
aber neben den anderen Aufgaben des Klägers nicht ins Gewicht.
cc) Dem steht die Stellenbeschreibung nicht entgegen. Der Kläger mag Mitglied des "oberen Führungskreises" gewesen sein und er mag auch maßgeblichen
Einfluss auf den Geschäftsgang in seinem Zuständigkeitsbereich gehabt haben. Bei der von der Beklagten gewählten Zuordnung von Personalkompetenzen teils
an die Geschäftsführung, teils an die hierarchisch unterhalb des Klägers handelnden Mitarbeiter fehlte es ihm aber letztlich an der Rechtsmacht zur
eigenständigen Durchsetzung seiner Vorstellungen. Der Arbeitgeber kann nicht einem Arbeitnehmer die rechtlichen Befugnisse zur Personalführung
vorenthalten und gleichzeitig mit Erfolg geltend machen, der Betreffende stehe als leitender Angestellter kündigungsrechtlich in seinem, also des Arbeitgebers "Lager".
dd) Unzutreffend ist der Einwand der Beklagten, der Kläger habe die Personalkompetenz an die Niederlassungsleiter delegiert. Nach den Feststellungen des
Landesarbeitsgerichts stand den Niederlassungsleitern das Recht zur Einstellung und Entlassung der Projektingenieure zu, ohne dass es irgendwelcher
Übertragung durch den Kläger bedurft hätte.
II. Ob das Auflösungsbegehren der Beklagten Erfolg hat, steht noch nicht fest. Das Landesarbeitsgericht hat sich mit dem Vorbringen der Beklagten, das den
Auflösungsantrag nach § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG begründen soll, nicht befasst. Feststellungen sind insoweit nicht getroffen. Der Rechtsstreit ist deshalb zur
neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - zurückzuverweisen (§§ 561, 563 ZPO) ..." (BAG, Urteil vom
14.04.2011 - 2 AZR 167/10).
***
„... 1. Im Ergebnis zutreffend hält das Berufungsgericht die von dem klagenden GmbH-Geschäftsführer ursprünglich bei dem Arbeitsgericht erhobene und nach
Verweisung gemäß §§ 48 Abs. 1 ArbGG, 17 a Abs. 2 GVG bei der ordentlichen Gerichtsbarkeit anhängige ‚Kündigungsschutzklage' (§ 4 i.V. mit § 1 Abs. 2
KSchG) für unbegründet, weil das Anstellungsverhältnis des Klägers bei der beklagten GmbH & Co. KG nicht dem Kündigungsschutz gemäß §§ 1 ff. KSchG
unterlag und deshalb die Kündigung der Beklagten keiner sozialen Rechtfertigung gemäß § 1 Abs. 2 KSchG bedurfte.
a) Nach dem im vorliegenden Rechtsstreit ergangenen Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 6. August 2003 (5 AZB 79/02, ZIP 2003, 1722) gilt der
Geschäftsführer der Komplementär-GmbH einer KG gemäß § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG - auch bei einem von dem Bundesarbeitsgericht so genannten
‚arbeitnehmerähnlichen' Status im Einzelfall - nicht als Arbeitnehmer i.S. des Arbeitsgerichtsgesetzes, weil er gemäß §§ 161 Abs. 2, 125, 170 HGB, 35 Abs. 1
GmbHG mittelbar zur Vertretung der KG, also einer ‚Personengesamtheit' i.S. von § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG berufen sei und Arbeitgeberfunktionen für sie wahrnehme.
Ob damit zugleich schon aus arbeitsrechtlichen Gründen ein materieller Kündigungsschutz des Geschäftsführers einer Komplementär-GmbH gemäß der für
Vertreter einer Personengesamtheit geltenden Ausnahmevorschrift des § 14 Abs. 1 Nr. 2 KSchG generell ausscheidet, wie das Berufungsgericht annimmt, hatte
das Bundesarbeitsgericht in dem genannten Beschluss nicht zu entscheiden; eine entsprechende Aussage ist dem Beschluss auch nicht zu entnehmen (vgl.
dagegen BAGE 39, 16). Im Schrifttum ist die Frage umstritten (dafür Löwisch/Spinner, KSchG 9. Aufl. § 14 Rdn. 7; v. Hoyningen-Huene/Linck, KSchG 13.
Aufl. § 14 Rdn. 6; Kiel in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht 7. Aufl. § 14 KSchG Rdn. 4; Zimmer/Rupp, GmbHR 2006, 572, 576; a.A. Biebl in
Ascheid/Preis/Schmidt, Kündigungsrecht, § 14 KSchG Rdn. 10; Kittner/Däubler/Zwanziger, Kündigungsschutzrecht, 6. Aufl. § 14 KSchG Rdn. 12). Für die
Unanwendbarkeit des materiellen Kündigungsschutzes bei dieser Fallgestaltung spricht immerhin, dass § 4 KSchG ersichtlich von einem übereinstimmenden
Anwendungsbereich des Arbeitsgerichtsgesetzes und des Kündigungsschutzgesetzes ausgeht (vgl. auch BAGE 39, 16, 26 f.; BGH, Urt. v. 25. Juli 2002 - III ZR
207/01, ZIP 2002, 1593 f.), weil gemäß § 4 KSchG der materielle Kündigungsschutz eines Arbeitnehmers durch ‚Anrufung des Arbeitsgerichts' geltend
gemacht werden muss und insoweit eine Ausnahme für Geschäftsführer, welche das Arbeitsgericht nicht anrufen können, aber dennoch als ‚Arbeitnehmer'
Kündigungsschutz genießen sollen, im Gesetz nicht vorgesehen ist.
Die Frage, über die die ordentlichen Gerichte autonom zu befinden haben und für deren Beantwortung es wesentlich auf den organschaftlichen Charakter eines
Geschäftsführeranstellungsvertrages ankommt, ist hier nicht entscheidungserheblich, weil der Kläger schon aus anderen Gründen keinen Kündigungsschutz
gemäß dem ersten Abschnitt des Kündigungsschutzgesetzes in Anspruch nehmen kann.
b) Im vorliegenden Fall besteht nämlich die Besonderheit, dass die Beklagte zur Zeit des Abschlusses des Geschäftsführeranstellungsvertrages zwischen ihr und
dem Kläger im Dezember 1998 noch in der Rechtsform einer GmbH existierte. Gemäß der negativen Fiktion des § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG gilt der allgemeine
Kündigungsschutz nach dem ersten Abschnitt des Kündigungsschutzgesetzes nicht für die Organvertreter einer juristischen Person, und zwar nach einhelliger
Auffassung auch dann nicht, wenn ihr Anstellungsverhältnis ausnahmsweise nicht als freies Dienst-, sondern als Arbeitsverhältnis ausgestaltet ist (vgl. BAGE
39, 16, 25 = ZIP 1983, 607, 609 f.; Sen.Urt. v. 10. Januar 2000 - II ZR 251/98, ZIP 2000, 508, 510), wie der Kläger unter Hinweis auf verschiedene
Bestimmungen seines Anstellungsvertrages geltend macht. Die von den Gesellschaftern der Beklagten im Dezember 2000 beschlossene und im April 2001 in
das Handelsregister eingetragene formwechselnde Umwandlung der Beklagten in eine GmbH & Co. KG führte zwar zu einer Beendigung der ursprünglichen
Organstellung des Klägers; sein Anstellungsvertrag blieb aber davon unberührt und setzte sich mit der Beklagten in ihrer neuen Rechtsform fort, ohne dass sich
die Rechtsnatur des Vertrages dadurch änderte (vgl. Senat aaO; BAG, Beschl. v. 21. Februar 1994 - 2 AZB 28/93, ZIP 1994, 1044, 1046; Urt. v. 13. Februar
2003 - 8 AZR 654/01, NZA 2003, 552, 555; Lutter/Decher, UmwG 3. Aufl. § 202 Rdn. 30, 39). Der Kläger erlangte deshalb durch die Umwandlung der
Beklagten nicht einen Kündigungsschutz, den er vorher nicht hatte. Daran ändert auch die Bestellung des Klägers zum Geschäftsführer der
Komplementär-GmbH der Beklagten nichts; dieser Bestellung lag der mit der Beklagten als GmbH geschlossene Anstellungsvertrag zugrunde. Anders als im
Fall des BAG-Urteils vom 15. April 1982 (2 AZR 1101/79, BAGE 39, 16 = ZIP 1983, 607) wurde hier nicht ein bisheriger Arbeitnehmer einer KG zum
Geschäftsführer ihrer Komplementär-GmbH bestellt (vgl. dazu Baums, Der Geschäftsleitervertrag, S. 398 f.), dessen Arbeitsverhältnis in diesem Fall als
ruhendes fortbestünde (vgl. dazu BAGE 49, 81; 55, 137). Ebenso wenig ist durch die - am Widerstand des Klägers gescheiterten - Verhandlungen der Parteien
über den Abschluss eines Geschäftsführeranstellungsvertrages mit der Komplementär-GmbH der Beklagten ein Arbeitsverhältnis zustande gekommen (vgl.
BAG, Beschl. v. 21. Februar 1994 aaO S. 1047). Arbeitnehmer der beklagten GmbH & Co. KG war der Kläger zu keinem Zeitpunkt. Auch als Geschäftsführer
der Komplementär-GmbH der Beklagten unterlag er lediglich dem gesellschaftsrechtlich fundierten Weisungsrecht der GmbH-Gesellschafter (§ 46 Nr. 6
GmbHG; vgl. BGHZ 75, 321, 326; Fleck, ZHR 149, 387, 403 ff.) oder einer von ihnen beauftragten Person, nicht aber einem arbeitsrechtlichen Direktionsrecht
der Beklagten, für die er vielmehr diese und andere Arbeitgeberfunktionen gegenüber Arbeitnehmern der KG selbst wahrzunehmen hatte.
2. Entgegen der Ansicht der Revision hatten über die Kündigung gegenüber dem Kläger nicht sämtliche Gesellschafter der beklagten KG zu entscheiden. Es
handelte sich vielmehr um eine Geschäftsführungsmaßnahme, die allein der Komplementär-GmbH oblag (vgl. § 164 HGB; Sen.Urt. v. 1. Dezember 1969 - II
ZR 224/67, WM 1970, 249, 251; Baums, Der Geschäftsleitervertrag, S. 93, 391), wobei für diese - wie auch sonst bei der Abberufung und Kündigung
gegenüber einem GmbH-Geschäftsführer - deren Gesellschafterversammlung aufgrund ihrer Annexkompetenz gemäß § 46 Nr. 5 GmbHG zu entscheiden hatte
(vgl. BGHZ 89, 48, 54 f.; Sen.Urt. v. 25. März 1991 - II ZR 169/90, ZIP 1991, 580, 582; Henze in Ebenroth/Boujong/Joost, HGB § 177 a Anh. A Rdn. 72, 76).
Der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH Dr. W., der die Kündigung gegenüber dem Kläger mit Schreiben vom 22. Oktober 2001 namens der Beklagten
erklärt hat, war unstreitig zugleich Vertreter der Alleingesellschafterin der Komplementär-GmbH der Beklagten und konnte daher sowohl über die Kündigung
gemäß § 46 Nr. 5 GmbHG entscheiden als auch die Kündigung namens der Beklagten gegenüber dem Kläger erklären (vgl. Sen.Urt. v. 27. März 1995 - II ZR
140/93, ZIP 1995, 643, 645). ..." (BGH, Beschluss vom 08.01.2007 - II ZR 267/05 zu GmbHG §§ 35, 46 Nr. 5; KSchG § 14 Abs. 1)
***
Der Anstellungsvertrag eines DO-Angestellten, der für die Dauer des Anstellungsvertrages aus der Unterstellung unter die Dienstordnung beurlaubt ist, kann
nicht wirksam durch „Abbestellung" beendet werden, auch wenn diese Möglichkeit vertraglich vorgesehen ist; mit einer solchen Vereinbarung wird der
gesetzliche (Änderungs-)Kündigungsschutz umgangen (BAG, Urteil vom 09.02.2006 - 6 AZR 47/05).
Die Personalkompetenz iSd. § 14 II KSchG muss einen wesentlichen Teil der ausgeübten Tätigkeit des Angestellten ausmachen. Sie darf nicht nur "auf dem
Papier stehen". Anderenfalls könnte durch die Vertragsgestaltung die nach § 9 I Satz 2 KSchG zwingend vorgeschriebene Begründungspflicht obsolet gemacht
werden (BAG, Urteil vom 10.10.2002 - 2 AZR 598/01 DB 2003, 506).
§ 14 I Nr. 1 KSchG gilt auch für nicht beamtete organschaftliche Vertreter juristischer Personen des öffentlichen Rechts. Die gegenständliche Beschränkung der
gesetzlichen Vertretungsbefugnis steht der Anwendung des § 14 I Nr. 1 KschG (BAG, Urteil vom 17.01.2002 - 2 AZR 719/00, NZA 2002, 854).
Eine ausreichende Personalverantwortung eines leitenden Angestellten i. S. d. § 14 II S. 1 KSchG kann bereits dann gegeben sein, wenn sie sich auf eine
abgeschlossene Gruppe von Mitarbeitern bezieht, die für das Unternehmen von wesentlicher Bedeutung ist. Das ist insbesondere anzunehmen, wenn diese
Mitarbeiter ihrerseits die ihnen nachgeordneten Arbeitnehmer selbstständig einstellen und entlassen können (BAG, Urteil vom 27.09.2001 - 2 AZR 176/00,
NJW 2002, 3192).
Von einer selbständigen Einstellungsbefugnis des "ähnlichen leitenden Angestellten" i. S. des § 14 II 1 KSchG kann nicht die Rede sein, wenn diese dem
Angestellten - hier einem Chefarzt - nur intern, nicht aber auch im Außenverhältnis zusteht (im Anschluss an BAG, NJW 1962, 73 = AP KSchG § 1
Personenbedingte Kündigung Nr. 1), (BAG, Urteil vom 18.11.1999 - 2 AZR 903/98, NJW 2001, 915).
Gehört zu den Personalbefugnissen eines Chefarztes, daß er im Auftrag des Krankenhausträgers die nachgeordneten Ärzte der Abteilung einstellt, wobei er die
vorherige Zustimmung der Krankenhausleitung einzuholen hat, so ist er nicht als ähnlich leitender Angestellter i.S. des § 14 II KSchG anzusehen. Es reicht
nicht aus, daß er im Innenverhältnis verbindlich Vorschläge machen kann, die nur unter bestimmten Voraussetzungen abgelehnt werden. Zur schlüssigen
Darlegung, daß eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht zu erwarten ist (LAG Nürnberg,
Urteil vom 13.10.1998 - 6 (4) Sa 509/97, NZA-RR 1999, 238).
Der Leiter eines einzelnen Restaurants einer Restaurantkette kann je nachdem, ob er das Restaurant eigenverantwortlich führt, dabei bedeutungsvolle
unternehmerische Teilaufgaben wahrnimmt, Vorgesetzter der im Restaurant Beschäftigten ist und bei seiner Tätigkeit einen erheblichen
Entscheidungsspielraum hat, Betriebsleiter in leitender Stellung i. S. des § 14 II KSchG sein (BAG, Urteil vom 25.11.1993 - 2 AZR 517/93, NZA 1994, 837).
Der Ausschluß des allgemeinen Kündigungsschutzes in 14 I Nr. 1 und 2 KSchG 1969 gilt nur für Kündigungen von juristischen Personen oder
Personengesamtheiten gegenüber ihren unmittelbaren Organvertretern. Auf die von einer GmbH Co. KG ausgesprochene Kündigung eines zwischen ihr und
dem Geschäftsführer ihrer Komplementär-GmbH bestehenden Anstellungsvertrags ist § 14 I Nr. 2 KSchG nicht anzuwenden. Die Anwendung des allgemeinen
Kündigungsschutzes hängt dann davon ab, ob der Geschäftsführer unabhängiger Dienstnehmer oder Arbeitnehmer der GmbH Co. KG ist (BAG, Urteil vom
15.04.1982 - 2 AZ R 1101/79, NJW 1983, 2405).
§ 15 Unzulässigkeit der Kündigung
(1) Die Kündigung eines Mitglieds eines Betriebsrats, einer Jugend- und Auszubildendenvertretung, einer Bordvertretung oder eines Seebetriebsrats ist
unzulässig, es sei denn, dass Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen,
und dass die nach § 103 des Betriebsverfassungsgesetzes erforderliche Zustimmung vorliegt oder durch gerichtliche Entscheidung ersetzt ist. Nach Beendigung
der Amtszeit ist die Kündigung eines Mitglieds eines Betriebsrats, einer Jugend- und Auszubildendenvertretung oder eines Seebetriebsrats innerhalb eines
Jahres, die Kündigung eines Mitglieds einer Bordvertretung innerhalb von sechs Monaten, jeweils vom Zeitpunkt der Beendigung der Amtszeit an gerechnet,
unzulässig, es sei denn, dass Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist
berechtigen; dies gilt nicht, wenn die Beendigung der Mitgliedschaft auf einer gerichtlichen Entscheidung beruht.
(2) Die Kündigung eines Mitglieds einer Personalvertretung, einer Jugend- und Auszubildendenvertretung oder einer Bordvertretung oder Seebetriebsrats ist
unzulässig, es sei denn, dass Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen,
und dass die nach dem Personalvertretungsrecht erforderliche Zustimmung vorliegt oder durch gerichtliche Entscheidung ersetzt ist. Nach Beendigung der
Amtszeit der in Satz 1 genannten Personen ist ihre Kündigung innerhalb eines Jahres, vom Zeitpunkt der Beendigung der Amtszeit an gerechnet, unzulässig, es
sei denn, dass Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen; dies gilt
nicht, wenn die Beendigung der Mitgliedschaft auf einer gerichtlichen Entscheidung beruht.
(3) Die Kündigung eines Mitglieds eines Wahlvorstands ist vom Zeitpunkt seiner Bestellung an, die Kündigung eines Wahlbewerbers vom Zeitpunkt der
Aufstellung des Wahlvorschlags an, jeweils bis zur Bekanntgabe des Wahlergebnisses unzulässig, es sei denn, dass Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber
zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen, und dass die nach § 103 des Betriebsverfassungsgesetzes oder nach
dem Personalvertretungsrecht erforderliche Zustimmung vorliegt oder durch eine gerichtliche Entscheidung ersetzt ist. Innerhalb von sechs Monaten nach
Bekanntgabe des Wahlergebnisses ist die Kündigung unzulässig, es sei denn, dass Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem
Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen, und dass die nach § 103 des Betriebsverfassungsgesetzes oder nach dem Personalvertretungsrecht
erforderliche Zustimmung vorliegt oder durch eine gerichtliche Entscheidung ersetzt ist. Innerhalb von sechs Monaten nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses
ist die Kündigung unzulässig, es sei denn, dass Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer
Kündigungsfrist berechtigen; dies gilt nicht für Mitglieder des Wahlvorstands, wenn dieser durch gerichtliche Entscheidung durch einen anderen Wahlvorstand
ersetzt worden ist.
(3a) Die Kündigung eines Arbeitnehmers, der zu einer Betriebs-, Wahl-oder Bordversammlung nach § 17 Abs. 3 , § 17a Nr. 3 Satz 2 , § 115 Abs. 2 Nr. 8 Satz 1
des Betriebsverfassungsgesetzes einlädt oder die Bestellung eines Wahlvorstands nach § 16 Abs. 2 Satz 1 , § 17 Abs. 4 , § 17a Nr. 4 , § 63 Abs. 3 , § 115 Abs. 2
Nr. 8 Satz 2 oder § 116 Abs. 2 Nr. 7 Satz 5 des Betriebsverfassungsgesetzes beantragt, ist vom Zeitpunkt der Einladung oder Antragstellung an bis zur
Bekanntgabe des Wahlergebnisses unzulässig, es sei denn, dass Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung
einer Kündigungsfrist berechtigen; der Kündigungsschutz gilt für die ersten drei in der Einladung oder Antragstellung aufgeführten Arbeitnehmer. Wird ein
Betriebsrat, eine Jugend- und Auszubildendenvertretung, eine Bordvertretung oder ein Seebetriebsrat nicht gewählt, besteht der Kündigungsschutz nach Satz 1
vom Zeitpunkt der Einladung oder Antragstellung an drei Monate.
(4) Wird der Betrieb stillgelegt, so ist die Kündigung der in den Absätzen 1 bis 3 genannten Personen frühestens zum Zeitpunkt der Stilllegung zulässig, es sei
denn, dass ihre Kündigung zu einem früheren Zeitpunkt durch zwingende betriebliche Erfordernisse bedingt ist.
(5) Wird eine der in den Absätzen 1 bis 3 genannten Personen in einer Betriebsabteilung beschäftigt, die stillgelegt wird, so ist sie in eine andere
Betriebsabteilung zu übernehmen. Ist dies aus betrieblichen Gründen nicht möglich, so findet auf ihre Kündigung die Vorschrift des Absatzes 4 über die
Kündigung bei Stilllegung des Betriebs sinngemäß Anwendung.
Leitsätze/Entscheidungen:
Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses einer Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen bedarf gem. § 96 Abs. 3 Satz 1 SGB IX iVm. § 103
BetrVG bzw. den maßgeblichen personalvertretungsrechtlichen Vorschriften der Zustimmung des Betriebs- bzw. Personalrats. Einer Zustimmung der
Schwerbehindertenvertretung bedarf es nicht ( BAG, Urteil vom 19.07.2012 - 2 AZR 989/11).
***
„... a) Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG ist die Kündigung eines Mitglieds des Betriebsrats nur zulässig, wenn Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur
Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen. Voraussetzung ist damit das Vorliegen eines wichtigen Grundes iSv. §
626 Abs. 1 BGB. Dem Arbeitgeber muss die Weiterbeschäftigung auch nur bis zum Ablauf der fiktiven ordentlichen Kündigungsfrist unzumutbar sein (BAG
12. Mai 2010 - 2 AZR 587/08 - Rn. 17, AP KSchG 1969 § 15 Nr. 67 = EzA KSchG § 15 nF Nr. 67; 17. Januar 2008 - 2 AZR 821/06 - Rn. 18, BAGE 125, 267).
b) Eine verhaltensbedingte außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist ist gem. § 15 KSchG gegenüber dem geschützten Personenkreis unzulässig (BAG 17.
Januar 2008 - 2 AZR 821/06 - Rn. 27 ff., BAGE 125, 267). Kommt eine Vertragspflichtverletzung in Betracht, ist für die Beurteilung, ob Tatsachen vorliegen,
die den Arbeitgeber iSv. § 15 Abs. 1 KSchG, § 626 Abs. 1 BGB aus wichtigem Grund zur Kündigung berechtigen, auf die Unzumutbarkeit einer
Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf der fiktiven ordentlichen Kündigungsfrist abzustellen. Ist eine Beschäftigung bis dahin zumutbar, ist die Kündigung
unwirksam. Eine außerordentliche Kündigung mit notwendiger Auslauffrist ist gegenüber dem durch § 15 KSchG geschützten Personenkreis ausgeschlossen
(BAG 12. Mai 2010 - 2 AZR 587/08 - Rn. 17, AP KSchG 1969 § 15 Nr. 67 = EzA KSchG § 15 nF Nr. 67; 17. Januar 2008 - 2 AZR 821/06 - Rn. 25 ff., BAGE
125, 267). Ebenso ist eine vom Landesarbeitsgericht nach Umdeutung für möglich gehaltene ordentliche Kündigung gegenüber dem nach § 15 KSchG
geschützten Personenkreis unzulässig.
aa) Die Zulassung einer auf Gründe im Verhalten gestützten außerordentlichen Kündigung mit Auslauffrist und erst recht die Zulassung einer ordentlichen
Kündigung gegenüber dem nach § 15 KSchG geschützten Personenkreis kommt nicht in Betracht. Sie würde die kündigungsrechtlichen Grenzen zwischen den
kündbaren und den geschützten Arbeitnehmern verwischen. Sie führte in Fällen, in denen die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zwar bis zum Ablauf der
fiktiven Kündigungsfrist, nicht aber bis zum Auslaufen des Sonderkündigungsschutzes zumutbar ist, zur Zulässigkeit einer Kündigung, die im Ergebnis der -
ausgeschlossenen - ordentlichen Kündigung gleichkäme. Sie stellte damit für diese Fallgruppe das unkündbare Mitglied des Betriebsrats mit dem kündbaren
Arbeitnehmer gleich. Sinn des Gesetzes ist es dagegen, das Betriebsratsmitglied mit Rücksicht auf seine besondere Stellung - abgesehen von den Fällen des §
15 Abs. 4, Abs. 5 KSchG - von der Bedrohung durch eine ordentliche Kündigung auszunehmen. Bei Zulassung einer verhaltensbedingten außerordentlichen
Kündigung mit Auslauffrist oder ordentlichen Kündigung würde sich deshalb gerade die Gefahr realisieren, der der Gesetzgeber durch die Schaffung des § 15
KSchG begegnen wollte (BAG 17. Januar 2008 - 2 AZR 821/06 - Rn. 28, BAGE 125, 267; vgl. auch Bröhl Die außerordentliche Kündigung mit notwendiger
Auslauffrist S. 45; im Ergebnis ebenso KR/Fischermeier 9. Aufl. § 626 BGB Rn. 133; APS/Linck 4. Aufl. § 15 KSchG Rn. 129a; Eylert/Sänger RdA 2010, 24,
28; aA: KR/Etzel 9. Aufl. § 15 KSchG Rn. 22, 23; HWK/Quecke 2. Aufl. § 15 KSchG Rn. 43). Die durch § 15 KSchG bezweckte Sicherung der
Unabhängigkeit der Mandatsträger und der Kontinuität der Betriebsratsarbeit erfordert bei verhaltensbedingten Kündigungen den vollen Schutz nach § 15 Abs.
1 Satz 1 KSchG (vgl. APS/Linck aaO). § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG verlangt das Vorliegen von Gründen, die zur Kündigung ohne Einhaltung einer
Kündigungsfrist berechtigen. Dies schließt es aus, bei der Zumutbarkeitsprüfung einen anderen Maßstab anzulegen und statt auf die Dauer der Kündigungsfrist
auf die voraussichtlich verbleibende Amtszeit des Betriebsratsmitglieds (nebst Nachwirkungszeitraum) abzustellen (so aber KR/Etzel aaO; HWK/Quecke aaO).
bb) Soweit der Senat die Zulässigkeit einer Änderungskündigung mit Auslauffrist aus betrieblichen Gründen auch gegenüber Betriebsratsmitgliedern bejaht hat
(vgl. BAG 21. Juni 1995 - 2 ABR 28/94 - BAGE 80, 185), ist diese Konstellation mit der vorliegenden nicht vergleichbar. Das Gesetz zeigt in § 15 Abs. 4 und
Abs. 5 KSchG, dass der Sonderkündigungsschutz im Falle betriebsbedingter Umstände von vornherein eingeschränkt ist. Das beruht darauf, dass das
Betriebsratsmitglied von solchen Umständen nicht allein und nur als solches betroffen ist. Dagegen realisiert sich bei verhaltensbedingten Kündigungen nicht
das - letztlich alle Betriebsangehörigen gleich treffende - Betriebsrisiko, sondern es verwirklichen sich auf die einzelne Person bezogene Gefährdungen des
Vertragsverhältnisses (BAG 17. Januar 2008 - 2 AZR 821/06 - Rn. 29, BAGE 125, 267).
cc) Der vom Landesarbeitsgericht angestellte Vergleich mit Arbeitnehmern, die aus anderen Gründen ordentlich unkündbar sind, rechtfertigt kein anderes Ergebnis.
(1) Zwar hat es der Senat für möglich gehalten, das Arbeitsverhältnis eines aufgrund tariflicher Regelung ordentlich nicht kündbaren Arbeitnehmers auch aus
Gründen in seinem Verhalten außerordentlich - mit einer der fiktiven Kündigungsfrist entsprechenden Auslauffrist - zu kündigen, obwohl ein wichtiger Grund
iSd. § 626 Abs. 1 BGB nicht bejaht werden könnte, wäre die ordentliche Kündigung nicht ausgeschlossen (vgl. BAG 15. November 2001 - 2 AZR 605/00 - zu
II 5 der Gründe, BAGE 99, 331; 13. April 2000 - 2 AZR 259/99 - zu II 3 d cc der Gründe, BAGE 94, 228; 11. März 1999 - 2 AZR 427/98 - zu B II 3 b der
Gründe, AP BGB § 626 Nr. 150 = EzA BGB § 626 nF Nr. 177). Unabhängig davon, ob hieran festzuhalten ist, können die dem zugrunde liegenden
Erwägungen auf den nach § 15 KSchG geschützten Personenkreis nicht übertragen werden.
(2) Gegen die erwähnte Rechtsprechung bestehen Bedenken.
(a) Eine außerordentliche Kündigung gegenüber tariflich nicht ordentlich kündbaren Personen ist zunächst beim Vorliegen betrieblicher Gründe für zulässig
erachtet worden, obwohl es dem Arbeitgeber zumutbar gewesen wäre, die ordentliche Kündigungsfrist einzuhalten (vgl. BAG 28. März 1985 - 2 AZR 113/84 -
zu B III 2 a der Gründe, BAGE 48, 220; 5. Februar 1998 - 2 AZR 227/97 - zu II 3 b der Gründe, BAGE 88, 10; 12. August 1999 - 2 AZR 748/98 - zu B II 2 der
Gründe, AP SchwbG 1986 § 21 Nr. 7 = EzA SchwbG 1986 § 21 Nr. 10). Führt gerade der Ausschluss der ordentlichen Kündigung zu einer unzumutbaren
Belastung des Arbeitgebers, weil dieser den Arbeitnehmer zwar nicht mehr beschäftigen kann, aber für lange Zeit zur Zahlung des vereinbarten Entgelts
verpflichtet bleibt, kann ausnahmsweise auch eine außerordentliche Kündigung gerechtfertigt sein (BAG 28. März 1985 - 2 AZR 113/84 - zu B III 2 b der
Gründe, aaO; 5. Februar 1998 - 2 AZR 227/97 - zu II 3 b und d der Gründe, aaO; 12. August 1999 - 2 AZR 748/98 - aaO). In diesem Fall ist zur Vermeidung
einer Benachteiligung der durch den Ausschluss der ordentlichen Kündigung gerade besonders geschützten Arbeitnehmer zwingend eine der ordentlichen
Kündigungsfrist entsprechende Auslauffrist einzuhalten (vgl. BAG 28. März 1985 - 2 AZR 113/84 - zu B IV 1 der Gründe, aaO; 5. Februar 1998 - 2 AZR
227/97 - zu II 3 c der Gründe, aaO; 12. August 1999 - 2 AZR 748/98 - aaO).
(b) Ähnlich ist die Interessenlage bei einer krankheitsbedingten Kündigung. Ist eine ordentliche Kündigung möglich, ist dem Arbeitgeber die Fortsetzung des
Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist regelmäßig zumutbar; eine außerordentliche Kündigung - mit notwendiger Auslauffrist - kommt in der
Regel nur dann in Betracht, wenn eine ordentliche Kündigung einzel- oder tarifvertraglich ausgeschlossen ist (BAG 18. Oktober 2000 - 2 AZR 627/99 - zu II 3
der Gründe, BAGE 96, 65).
(c) Anders liegen die Dinge bei einer auf Gründe im Verhalten des Arbeitnehmers gestützten Kündigung. Für die Reaktion auf Pflichtverstöße des
Arbeitnehmers besteht kein Regel-Ausnahme-Verhältnis zwischen ordentlicher und außerordentlicher Kündigung. Eine außerordentliche Kündigung aus
wichtigem Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB ist insoweit nicht etwa grundsätzlich ausgeschlossen. Vielmehr bildet die Schwere der Pflichtverletzung - unter
Berücksichtigung aller sonstigen relevanten Einzelfallumstände - den Maßstab für die Prüfung, ob eine ordentliche, eine außerordentliche oder gar keine
Kündigung gerechtfertigt ist (vgl. BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 27, AP BGB § 626 Nr. 236 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 36; 10. Juni 2010 - 2 AZR
541/09 - Rn. 34, 37, BAGE 134, 349). Ist die Schwelle zum wichtigen Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB überschritten, ist eine außerordentliche - fristlose -
Kündigung zulässig, ohne dass es darauf ankäme, ob die ordentliche Kündigung ausgeschlossen ist oder nicht. Ist die Schwelle zum wichtigen Grund nicht
erreicht, kann eine ordentliche Kündigung gerechtfertigt sein. Gegenüber einem ordentlich nicht kündbaren Arbeitnehmer ist diese aber ausgeschlossen.
Pflichtverletzungen, die nicht zur sofortigen Auflösung des Arbeitsverhältnisses berechtigen, sollen eine (ordentliche) Kündigung gerade nicht rechtfertigen
können. Es erscheint deshalb zweifelhaft, ob es mit dem Zweck der ordentlichen Unkündbarkeit zu vereinbaren ist, bei weniger schweren Pflichtverletzungen
eine außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist zu ermöglichen, die der ausgeschlossenen ordentlichen Kündigung letztlich gleichkommt.
(3) Im Streitfall kann dies dahinstehen. Der vom Landesarbeitsgericht angestellte Vergleich der nach § 15 KSchG geschützten Mandatsträger mit einzel- oder
tarifvertraglich nicht mehr ordentlich kündbaren Arbeitnehmern lässt den Zweck des Kündigungsschutzes gem. § 15 KSchG außer Acht. Durch den
Sonderkündigungsschutz nach dieser Bestimmung soll vermieden werden, dass die geschützten Personen ihr (Betriebsrats-)Mandat nicht sachangemessen
wahrnehmen. Zugleich soll die Zusammensetzung des betreffenden Gremiums und damit die Kontinuität der Betriebsratsarbeit gewahrt bleiben. Dies erfordert
mit Blick auf Gründe im Verhalten des Mandatsträgers den vollen Schutz nach § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG (vgl. APS/Linck 4. Aufl. § 15 KSchG Rn. 129a). Die
geschützten Personen sollen mit Rücksicht auf ihre besondere Stellung von der Bedrohung durch eine ordentliche Kündigung - abgesehen von den Fällen des §
15 Abs. 4, Abs. 5 KSchG - ausgenommen werden. Das schließt es aus, eine außerordentliche fristlose Kündigung aus Gründen im Verhalten des
Mandatsträgers, die als solche unwirksam ist, in eine außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist oder gar - wie das Landesarbeitsgericht im Streitfall - in eine
ordentliche Kündigung umzudeuten.
3. Das Landesarbeitsgericht hat sich mit einer Umdeutung der unwirksamen außerordentlichen fristlosen (Tat-)Kündigung vom 28. April 2009 - aus seiner Sicht
konsequent - nicht auseinandergesetzt. Sie scheidet aus den dargelegten Gründen ebenfalls aus. ..." (BAG, Urteil vom 21.06.2012 - 2 AZR 343/11)
***
„... II. Die Zustimmung des Betriebsrats zur Kündigung war deshalb notwendig, weil der Kläger am 15. April 2009 mit Beginn dieses Arbeitstags für das
urlaubsbedingt verhinderte Betriebsratsmitglied erneut in den Betriebsrat nachgerückt war. Ihm stand damit im Kündigungszeitpunkt der besondere
Kündigungsschutz aus § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG zu.
1. Gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG ist die Kündigung eines Mitglieds des Betriebsrats unzulässig, es sei denn, dass Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber
zur außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen, und dass die nach § 103 BetrVG erforderliche
Zustimmung des Betriebsrats vorliegt oder durch gerichtliche Entscheidung ersetzt ist.
2. Dieser besondere Kündigungsschutz gilt auch für Ersatzmitglieder, soweit und solange sie ein verhindertes ordentliches Ersatzmitglied im Betriebsrat vertreten.
a) Nach § 25 Abs. 1 Satz 1 BetrVG rückt ein Ersatzmitglied in den Betriebsrat nach, sofern ein ordentliches Mitglied aus diesem ausscheidet. Das gilt nach § 25
Abs. 1 Satz 2 BetrVG entsprechend für die Dauer der Stellvertretung eines zeitweilig verhinderten ordentlichen Mitglieds.
b) Eine zeitweilige Verhinderung in diesem Sinne liegt vor, wenn ein Betriebsratsmitglied aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht in der Lage ist, sein
Amt auszuüben (BAG 23. August 1984 - 2 AZR 391/83 - zu B II 1 a der Gründe, BAGE 46, 258). Diese Voraussetzung ist während des Erholungsurlaubs eines
Betriebsratsmitglieds jedenfalls dann erfüllt, wenn es nicht zuvor seine Bereitschaft angezeigt hat, trotz des Urlaubs für Betriebsratstätigkeiten zur Verfügung
zu stehen.
aa) Die Frage, ob die Gewährung von Erholungsurlaub stets zu einer Verhinderung iSv. § 25 Abs. 1 Satz 2 BetrVG führt, wird unterschiedlich beantwortet.
(1) Das Bundesarbeitsgericht hat sich mit der Problematik vornehmlich aus der Sicht des beurlaubten Betriebsratsmitglieds befasst. Zur urlaubsrechtlichen
Behandlung freigestellter Betriebsratsmitglieder hat es ausgeführt, die Gewährung von Erholungsurlaub bewirke, dass das Betriebsratsmitglied von seiner
betriebsverfassungsrechtlichen Amtstätigkeit suspendiert werde. Daraus folge, dass Urlaub ein Verhinderungsgrund für die Teilnahme an Betriebsratssitzungen
iSv. § 25 Abs. 1 Satz 2 BetrVG sei (BAG 20. August 2002 - 9 AZR 261/01 - zu I 1 der Gründe, BAGE 102, 251). In einer älteren Entscheidung (BAG 24. Juni
1969 - 1 ABR 6/69 - zu D der Gründe, AP BetrVG § 39 Nr. 8 = EzA BetrVG § 39 Nr. 3) ging es um die Frage, ob einem ordentlichen Betriebsratsmitglied
Anspruch auf Erstattung von Fahrtkosten für die Anreise zu einer Betriebsratssitzung zustand, an der es während seines Urlaubs teilgenommen hatte. In diesem
Zusammenhang hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, das Betriebsratsmitglied sei zwar wegen seiner urlaubsbedingten Verhinderung nicht verpflichtet
gewesen, an der Betriebsratssitzung teilzunehmen, sei dazu aber berechtigt gewesen.
(2) Im Schrifttum wird teilweise die Auffassung vertreten, die Gewährung von Erholungsurlaub begründe nicht in jedem Fall eine Verhinderung iSv. § 25 Abs.
1 Satz 2 BetrVG (DKK/Buschmann BetrVG 12. Aufl. § 25 Rn. 17; Fitting BetrVG 25. Aufl. § 25 Rn. 21; Stege/Weinspach/Schiefer BetrVG 9. Aufl. § 25 Rn.
4; WPK/Wlotzke BetrVG 4. Aufl. § 25 Rn. 10; Brill BlStSozArbR 1983, 177, 179; Uhmann NZA 2000, 576, 579). Insbesondere dann, wenn sich das
Betriebsratsmitglied während des Urlaubs in der Nähe des Betriebssitzes aufhalte, müsse im Rahmen einer Einzelfallbewertung geklärt werden, ob die mit der
Urlaubsgewährung verbundene Freistellung von der Arbeitspflicht eine zeitweilige Verhinderung bewirke. Von einer tatsächlichen Verhinderung sei
auszugehen, wenn die Amtsausübung dem Betriebsratsmitglied persönlich unzumutbar sei (AnwK/Kloppenburg 2. Aufl. § 25 BetrVG Rn. 8; Fitting BetrVG
25. Aufl. § 25 Rn. 21; ähnlich wohl Eylert in: Schwarze/Eylert/Schrader KSchG § 15 Rn. 27).
(3) Ein anderer Teil der Lehre (GK-BetrVG/Oetker 9. Aufl. § 25 Rn. 17) und mit ihm einige Instanzgerichte (LAG Rheinland-Pfalz 9. April 2001 - 7 Sa 54/01
-; ArbG Emden 13. Dezember 1978 - 1 Ca 420/78 - ARST 1979, 132; für das Personalvertretungsrecht: VG Münster 28. August 1986 - 2 PVB 3/86 - ZBR 87,
55) gehen davon aus, Erholungsurlaub begründe stets eine objektive rechtliche Verhinderung an der Wahrnehmung der Betriebsratstätigkeit. Dem ist das
Landesarbeitsgericht im angefochtenen Berufungsurteil mit der Einschränkung gefolgt, eine Verhinderung bestehe jedenfalls so lange, bis das beurlaubte
Betriebsratsmitglied seine Bereitschaft zur Wahrnehmung von Betriebsratsaufgaben positiv anzeige.
bb) Der Senat schließt sich im Ergebnis den Ausführungen des Landesarbeitsgerichts an. Wird einem Betriebsratsmitglied Erholungsurlaub bewilligt, führt dies
nicht nur zum Ruhen seiner Verpflichtung zur Arbeitsleistung, sondern zugleich zur Suspendierung seiner Amtspflichten. Dem Betriebsratsmitglied wird zwar
aufgrund des Erholungsurlaubs die Verrichtung seiner Amtspflichten nicht ohne Weiteres objektiv unmöglich, grundsätzlich aber unzumutbar. Das beurlaubte
Betriebsratsmitglied gilt zumindest so lange als zeitweilig verhindert, bis es seine Bereitschaft, gleichwohl Betriebsratstätigkeiten zu verrichten, positiv anzeigt.
(1) Zwar handelt es sich bei der Erfüllung von Betriebsratsaufgaben um die Wahrnehmung eines Ehrenamts (§ 37 Abs. 1 BetrVG) und nicht um eine dem
Urlaubszweck entgegenstehende Erwerbstätigkeit iSv. § 8 BUrlG. Es widerspräche aber dem auf Erholung ausgerichteten Sinn der Befreiung von der
Arbeitspflicht, nicht zugleich von der Betriebsratstätigkeit befreit zu sein. Die Wahrnehmung des Betriebsratsamts während des Urlaubs ist dem
Betriebsratsmitglied deshalb, auch wenn sie objektiv möglich sein sollte, typischerweise unzumutbar. Die Rechtslage ist der bei der Elternzeit, für die das
Bundesarbeitsgericht angenommen hat, sie führe nicht zwingend zu einer Verhinderung iSv. § 25 Abs. 1 Satz 2 BetrVG (vgl. BAG 25. Mai 2005 - 7 ABR
45/04 - Rn. 17, AP BetrVG 1972 § 24 Nr. 13 = EzA BetrVG 2001 § 40 Nr. 9), schon deshalb nicht vergleichbar, weil der Arbeitnehmer während der Elternzeit
sogar die Möglichkeit hat, einer gewerblichen Tätigkeit - in Teilzeit - nachzugehen.
Auch bei der Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit kann es Fälle geben, in denen die Erkrankung den Arbeitnehmer zwar außerstande setzt, seine
Arbeitspflichten zu erfüllen, nicht aber sein Betriebsratsamt wahrzunehmen (BAG 15. November 1984 - 2 AZR 341/83 - zu B IV 1 der Gründe, BAGE 47, 201).
(2) Zudem sprechen Gründe der Praktikabilität und Rechtssicherheit dafür, dass mit der Urlaubsgewährung regelmäßig eine Suspendierung der Pflicht zur
Wahrnehmung des Betriebsratsamts einhergeht. Hinge die Beurteilung, ob einem Betriebsratsmitglied während des Urlaubs eine Betriebsratstätigkeit persönlich
zumutbar ist oder nicht, von den Umständen des Einzelfalls ab, würde dies die Feststellung einer Verhinderung erheblich erschweren. Dies wiederum würde
zum einen die Funktionsfähigkeit des Betriebsrats beeinträchtigen. Zum anderen wären Betriebsratsbeschlüsse, die in Abwesenheit eines beurlaubten
Betriebsratsmitglieds gefasst werden, mit einem nicht unerheblichen Risiko der Unwirksamkeit behaftet. Eine Einzelfallbetrachtung liefe zudem darauf hinaus,
Umstände zu erforschen, die der privaten Urlaubsgestaltung und damit dem engsten persönlichen Lebensbereich des Betriebsratsmitglieds zuzuordnen sind
(vgl. HaKo-BetrVG/Düwell 3. Aufl. § 25 Rn. 9; Richardi/Thüsing BetrVG 12. Aufl. § 25 Rn. 15; WPK/Wlotzke BetrVG 4. Aufl. § 25 Rn. 10). Es bedarf
deshalb einfacher, klarer Kriterien für die Feststellung einer zeitweiligen Verhinderung. Diesem Verlangen der Rechtssicherheit ist am ehesten Genüge getan,
wenn die Urlaubsgewährung grundsätzlich zur Verhinderung des Betriebsratsmitglieds führt, es sei denn, dieses hätte seine Bereitschaft zur
Betriebsratstätigkeit positiv, ggf. konkludent angezeigt. Solange eine solche - positive - Anzeige nicht vorliegt, ist das beurlaubte Betriebsratsmitglied iSv. § 25
Abs. 1 Satz 2 BetrVG als verhindert anzusehen (im Ergebnis ebenso HaKo-BetrVG/Düwell 3. Aufl. § 25 Rn. 9).
c) Das Ersatzmitglied erwirbt den Sonderkündigungsschutzschutz nach § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG für die Dauer der Verhinderung des Betriebsratsmitglieds.
Der Schutz hängt nicht davon ab, dass das Ersatzmitglied während der Vertretungszeit tatsächlich Betriebsratsaufgaben erledigt. Er setzt im Urlaubsfall
regelmäßig mit dem üblichen Arbeitsbeginn am ersten Urlaubstag des verhinderten Betriebsratsmitglieds ein.
aa) Ersatzmitglieder vertreten ordentliche Mitglieder des Betriebsrats nicht nur in einzelnen Amtsgeschäften, wie etwa in der Teilnahme an
Betriebsratssitzungen. Sie rücken vielmehr gemäß § 25 Abs. 1 Satz 2 BetrVG für die Dauer der Verhinderung eines Betriebsratsmitglieds in den Betriebsrat
nach (vgl. BAG 5. September 1986 - 7 AZR 175/85 - zu I der Gründe, BAGE 53, 23; 17. Januar 1979 - 5 AZR 891/77 - zu 2 a der Gründe, AP KSchG 1969 §
15 Nr. 5 = EzA KSchG § 15 nF Nr. 21). Der Eintritt des Ersatzmitglieds vollzieht sich automatisch mit Beginn des Verhinderungsfalls. Er hängt nicht davon ab,
dass die Verhinderung des ordentlichen Mitglieds dem Ersatzmitglied bekannt ist (BAG 5. September 1986 - 7 AZR 175/85 - aaO).
(1) Die zeitweilige Verhinderung des ordentlichen Mitglieds erfasst die Wahrnehmung des Betriebsratsamts als solches. Der während dieser Zeit gewährleistete
- volle - Sonderkündigungsschutz des Ersatzmitglieds ist dementsprechend nicht auf Zeiten beschränkt, in denen es konkrete Betriebsratstätigkeit entfaltet. Der
besondere Schutz steht ihm selbst dann zu, wenn während der Vertretungszeit keine Betriebsratstätigkeit anfällt (BAG 5. September 1986 - 7 AZR 175/85 - zu I
der Gründe, BAGE 53, 23; 17. Januar 1979 - 5 AZR 891/77 - zu 2 der Gründe, AP KSchG 1969 § 15 Nr. 5 = EzA KSchG § 15 nF Nr. 21). Es genügt die
Möglichkeit, dass dem Ersatzmitglied Betriebsratsaufgaben zufallen könnten (so auch ErfK/Koch 11. Aufl. § 25 BetrVG Rn. 8; Fitting BetrVG 25. Aufl. § 25
Rn. 9; HaKo-KSchR/Fiebig 3. Aufl. § 15 Rn. 38; KR/Etzel 9. Aufl. § 103 BetrVG Rn. 48; MünchKommBGB/Hergenröder 5. Aufl. § 15 KSchG Rn. 32;
WPK/Wlotzke BetrVG 4. Aufl. § 25 Rn. 23; Uhmann NZA 2000, 576, 578).
(2) Die gegenteilige Auffassung, die den besonderen Kündigungsschutz für Ersatzmitglieder auch während einer Vertretung davon abhängig macht, dass das
Ersatzmitglied in irgendeiner Form Betriebsratsaufgaben wahrgenommen hat (so Bader/Bram/Dörner § 15 KSchG Rn. 20; Eylert in Schwarze/Eylert/ Schrader
KSchG § 15 Rn. 28; Löwisch/Spinner KSchG 9. Aufl. § 15 Rn. 31; vermittelnd Schulin Anm. EzA KSchG § 15 nF Nr. 36: kein Kündigungsschutz bei
Vertretungszeiten ohne Amtstätigkeit bis zu drei Tagen), wird dem Zweck der Vertretungsregelung und dem durch sie vermittelten besonderen
Kündigungsschutz nicht hinreichend gerecht.
(a) Das Nachrücken des Ersatzmitglieds während der zeitweiligen Verhinderung eines ordentlichen Betriebsratsmitglieds soll im Interesse einer möglichst
wirksamen Wahrnehmung betriebsverfassungsrechtlicher Befugnisse eine stets vollzählige und dem Wählerwillen entsprechende Besetzung des Betriebsrats
sicherstellen. Es soll nicht nur die Möglichkeit einer wirksamen Beschlussfassung nach § 33 Abs. 2 BetrVG gewährleisten. Vielmehr sollen selbst kurze
Unterbesetzungen vermieden werden (BAG 6. September 1979 - 2 AZR 548/77 - zu II 2 e der Gründe, AP KSchG 1969 § 15 Nr. 7 = EzA KSchG § 15 nF Nr.
23; ErfK/Koch 11. Aufl. § 25 BetrVG Rn. 4).
(b) Die außerordentliche Kündigung eines Ersatzmitglieds während eines andauernden Vertretungsfalls berührt damit kollektive Interessen des Betriebsrats und
der Belegschaft. Ihnen trägt das Zustimmungserfordernis in § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG iVm. § 103 Abs. 1 BetrVG Rechnung. Sie verlangen nach einem
nahtlosen Eintritt des Sonderkündigungsschutzes für das zeitweise nachgerückte Ersatzmitglied. Setzte der volle Sonderkündigungsschutz erst bei Verrichtung
konkreter Betriebsratstätigkeit ein, bestünde die Gefahr, dass die Funktionsfähigkeit des Betriebsrats beeinträchtigt wird. Dies gilt insbesondere dann, wenn
außer dem nachgerückten kein weiteres Ersatzmitglied zur Verfügung steht (ähnlich BAG 9. November 1977 - 5 AZR 175/76 - zu 1 b der Gründe, AP KSchG
1969 § 15 Nr. 3 = EzA KSchG § 15 nF Nr. 13).
(c) Der Gefahr eines Rechtsmissbrauchs auf Seiten des Ersatzmitglieds kann mit Hilfe von § 242 BGB sachgerecht begegnet werden. Danach kann die
Berufung auf den besonderen Kündigungsschutz im Einzelfall ausgeschlossen sein. Davon ist etwa auszugehen, wenn ein Verhinderungsfall kollusiv zu dem
Zweck herbeigeführt wurde, dem Ersatzmitglied den besonderen Kündigungsschutz zu verschaffen (vgl. BAG 12. Februar 2004 - 2 AZR 163/03 - zu B I 2 der
Gründe, AP KSchG 1969 § 15 Ersatzmitglied Nr. 1 = EzA KSchG § 15 nF Nr. 56).
bb) Dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 12. Februar 2004 (- 2 AZR 163/03 - AP KSchG 1969 § 15 Ersatzmitglied Nr. 1 = EzA KSchG § 15 nF Nr. 56)
ist nichts Gegenteiliges zu entnehmen. Die Entscheidung betrifft den nachwirkenden Kündigungsschutz eines Ersatzmitglieds, dh. den Bestandsschutz nach
Beendigung des konkreten Verhinderungsfalls. Die Auffassung des Senats, der Kündigungsschutz aus § 15 Abs. 1 Satz 2 KSchG stehe dem Ersatzmitglied nur
zu, wenn es während der Zeit der Stellvertretung tatsächlich Betriebsratstätigkeit entfaltet hat, beruht auf dem anderen Schutzzweck dieser Regelung. Ihr Zweck
besteht darin, eine „Abkühlungsphase" in der Beziehung von ehemaligem Betriebsratsmitglied und Arbeitgeber zu gewährleisten und erst danach die
Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung wieder zu eröffnen. Hat das Ersatzmitglied während der Zeit, in der es in den Betriebsrat nachgerückt war, keine
konkreten Betriebsratsaufgaben wahrgenommen, fehlt es an einer Situation, in der Konflikte mit dem Arbeitgeber hätten entstehen können; einer durch den
nachwirkenden Kündigungsschutz herbeizuführenden „Abkühlung" bedarf es dann nicht (vgl. auch BAG 6. September 1979 - 2 AZR 548/77 - zu II 2 e der
Gründe, AP KSchG 1969 § 15 Nr. 7 = EzA KSchG § 15 nF Nr. 23; ErfK/Kiel 11. Aufl. § 15 Rn. 13; Richardi/Thüsing BetrVG 12. Aufl. § 25 Rn. 31).
d) Ausgehend von diesen Grundsätzen liegen im Streitfall die Voraussetzungen des besonderen Kündigungsschutzes aus § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG für den
Kläger vor. Dieser war bei Zugang der Kündigung Mitglied des Betriebsrats iSv. § 15 Abs. 1 KSchG, § 103 Abs. 1 BetrVG, § 25 Abs. 1 Satz 2 BetrVG.
aa) Der Kläger war für den 15. April 2009 nach § 25 Abs. 1 Satz 2 BetrVG in den Betriebsrat nachgerückt. Die Beklagte hatte einem ordentlichen
Betriebsratsmitglied am 14. April 2009 für den 15. und den 20. April 2009 Erholungsurlaub bewilligt. Damit war das ordentliche Mitglied an der
Wahrnehmung seines Betriebsratsamts am 15. April 2009 verhindert. Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, das Mitglied habe der Betriebsratsvorsitzenden
am 14. April 2009 nicht etwa eine Zusage gegeben, am nächsten Tag für Betriebsratstätigkeiten zur Verfügung zu stehen. Es habe auch nicht erklärt, sich für
telefonische Rückfragen in Betriebsratsangelegenheiten bereit zu halten. Mit dem Ziel der Abstimmung eines Anwaltstermins habe sodann der Betriebsrat am
15. April 2009 frühestens um 10:55 Uhr Kontakt mit dem beurlaubten Mitglied aufgenommen. An diese Feststellungen, die von der Revision nicht angegriffen
werden, ist der Senat gebunden (§ 559 Abs. 2 ZPO).
bb) Der Sonderkündigungsschutz des Klägers begann am Morgen des 15. April 2009 spätestens um 6:00 Uhr. Dies ist der Zeitpunkt, zu dem das verhinderte
Betriebsratsmitglied nach den im Betrieb geltenden Arbeitszeitregelungen seine Arbeit aufnehmen konnte (für die Maßgeblichkeit dieses Zeitpunkts vgl. BAG
5. September 1986 - 7 AZR 175/85 - zu I der Gründe, BAGE 53, 23; 6. September 1979 - 2 AZR 548/77 - zu II 2 e der Gründe, AP KSchG 1969 § 15 Nr. 7 =
EzA KSchG § 15 nF Nr. 23). Bei Zugang der Kündigung gegen 10:00 Uhr hat demnach der Sonderkündigungsschutz für den Kläger schon bestanden. Selbst
wenn man mit der Beklagten den Beginn der Kernarbeitszeit um 9:00 Uhr für maßgebend hielte, führte dies zu keinem anderen Ergebnis. Für die Beurteilung,
ob dem Ersatzmitglied besonderer Kündigungsschutz zusteht, kommt es auf die Verhältnisse bei Zugang und nicht bei Abgabe der Kündigungserklärung an
(statt vieler: Eylert in Schwarze/Eylert/Schrader KSchG § 15 Rn. 34).
cc) Dem Kündigungsschutz steht nicht entgegen, dass sich das beurlaubte Betriebsratsmitglied noch am 15. April 2009 bereit erklärt hat, einen Termin bei dem
den Betriebsrat beratenden Rechtsanwalt wahrzunehmen. Es ist schon fraglich, ob damit seine Verhinderung entfiel. Selbst wenn dies anzunehmen sein sollte,
wäre damit für den Kläger nicht der nachträgliche Wegfall des zuvor erworbenen Kündigungsschutzes verbunden gewesen. Der besondere Schutz aus § 15 Abs.
1 Satz 1 KSchG steht dem Ersatzmitglied unabhängig von der Dauer des Verhinderungsfalls und damit auch bei nur kurzzeitiger Verhinderung zu. Dass sich
die Kündigungsbeschränkung in solchen Fällen, zumal wenn es nicht zur Wahrnehmung von Betriebsratsaufgaben durch das Ersatzmitglied gekommen ist,
selten auswirken mag, steht dem nicht entgegen (BAG 9. November 1977 - 5 AZR 175/76 - zu 1 d der Gründe, AP KSchG 1969 § 15 Nr. 3 = EzA KSchG § 15
nF Nr. 13; Brill BlStSozArbR 1983, 177, 178; Uhmann NZA 2000, 576, 578). Ob freilich überhaupt eine Verhinderung vorliegt, wenn der Ausfall eines
ordentlichen Betriebsratsmitglieds von vornherein allenfalls für wenige Stunden zu erwarten steht - etwa wegen eines kurzzeitigen Arztbesuchs - und der
Betriebsrat sich darauf einstellen kann, braucht nicht entschieden zu werden. Im Fall des - und sei es wie hier nur eintägigen - Erholungsurlaubs ist eine
Verhinderung gegeben, soweit sich das ordentliche Betriebsratsmitglied nicht von vornherein zur Erledigung von Betriebsratstätigkeit bereit erklärt hat.
e) Der Sonderkündigungsschutz scheitert nicht daran, dass der Kläger wegen seiner Freistellung und der Erteilung eines Hausverbots im maßgebenden
Zeitpunkt selbst iSv. § 25 Abs. 1 Satz 2 BetrVG an einer Mitwirkung im Betriebsrat gehindert gewesen wäre.
aa) Bei der Freistellung des Klägers handelte es sich um eine einseitige Maßnahme der Beklagten, die die betriebsverfassungsrechtliche Position des Klägers
unberührt ließ. Anders als beim Erholungsurlaub, der auf einen Freistellungswunsch des Arbeitnehmers zurückgeht, ist bei einseitiger Suspendierung der
Arbeitspflicht durch den Arbeitgeber nicht zugleich von persönlicher Unzumutbarkeit der Wahrnehmung des Betriebsratsamts auszugehen. Der Umstand, dass
im Streitfall der Kläger gegen die Freistellung keine rechtlichen Schritte unternommen hat, ändert hieran nichts.
bb) Ein vom Arbeitgeber ausgesprochenes Hausverbot lässt die Befugnis des Arbeitnehmers, das Betriebsratsbüro zum Zwecke der Betriebsratstätigkeit
aufzusuchen, im Regelfall unberührt. Da der Arbeitgeber Personen, die eine Funktion in der Betriebsverfassung wahrnehmen, zu denen auch Ersatzmitglieder
zählen, nach § 78 Satz 1 BetrVG bei ihrer Amtsausübung nicht behindern darf (vgl. Fitting BetrVG 25. Aufl. § 78 Rn. 2; Richardi/Thüsing BetrVG 12. Aufl. §
78 Rn. 7), wäre das Verbot andernfalls grundsätzlich unwirksam. Im Einzelfall sind zwar Ausnahmen denkbar. Hier hat die Beklagte jedoch kein besonderes
schutzwürdiges Interesse daran dargetan, dem Kläger den Zutritt zum Betrieb selbst zur Wahrnehmung betriebsverfassungsrechtlicher Aufgaben verweigern zu können.
cc) Der Sonderkündigungsschutz wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass am 15. April 2009 im Betriebsrat Beschlüsse gefasst oder Gespräche in Bezug auf
einen Gegenstand geführt wurden, von dem der Kläger möglicherweise selbst betroffen war. Dies erfolgte in jedem Fall nach Zugang der Kündigung. Zwar
steht einem Ersatzmitglied bei einer eigenen zeitweiligen Verhinderung der besondere Kündigungsschutz nur zu, wenn die Dauer dieser Verhinderung im
Vergleich zur Gesamtdauer der Vertretungszeit verhältnismäßig gering ist (BAG 6. September 1979 - 2 AZR 548/77 - zu II 2 b bb der Gründe, AP KSchG 1969
§ 15 Nr. 7 = EzA KSchG § 15 nF Nr. 23). Dies gilt aber nicht für die Verhinderung eines Ersatzmitglieds, die auf eigener Betroffenheit beruht. In diesem Fall
verbleibt stets die Möglichkeit, dass weitere Betriebsratsaufgaben anfallen, an deren Erledigung das Ersatzmitglied nicht gehindert wäre.
III. Die Beklagte hat die erforderliche Zustimmung des Betriebsrats zur Kündigung des Klägers nicht eingeholt. Dies führt zur Unwirksamkeit der Kündigung.
Dem Kläger ist es nicht nach Treu und Glauben verwehrt, sich auf den Sonderkündigungsschutz zu berufen. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, es fehle
an hinreichenden Anhaltspunkten für einen Rechtsmissbrauch, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
1. Das in § 242 BGB verankerte Prinzip von Treu und Glauben bildet eine allen Rechten immanente Inhaltsbegrenzung. Welche Einschränkungen sich daraus
für die Ausübung einer erworbenen Rechtsposition ergeben, hängt von einer umfassenden Bewertung der gesamten Fallumstände ab. Diese Bewertung
vorzunehmen ist zunächst Sache des Tatrichters und in der Revisionsinstanz nur auf mögliche Rechtsfehler hin zu überprüfen (BGH 8. Mai 2003 - VII ZR
216/02 - zu III 2 der Gründe, NJW 2003, 2448).
2. Solche Rechtsfehler zeigt die Revision nicht auf. Das Berufungsgericht hat geprüft, ob das ordentliche Betriebsratsmitglied den Urlaub für den 15. und 20.
April 2009 zu dem Zweck beantragt haben könnte, dem Kläger den besonderen Kündigungsschutz zu verschaffen. Es hat dies auf der Grundlage des
Ergebnisses der vom Arbeitsgericht durchgeführten Beweisaufnahme verneint. Dabei hat es durchaus die Kurzfristigkeit des erst am 14. April 2009 förmlich
gestellten Urlaubsantrags in den Blick genommen. Es hat dieser deshalb kein entscheidendes Gewicht beigemessen, weil das ordentliche Mitglied seinen
Urlaubswunsch für die beiden Tage, an deren Vorabenden Fußballländerspiele übertragen wurden, schon längere Zeit zuvor mündlich angebracht habe. Die
Revision macht nicht geltend, das Landesarbeitsgericht habe sonstige Gesichtspunkte, die für eine kollusive Herbeiführung des Kündigungsschutzes sprechen
könnten, übersehen. ..." (BAG, Urteil vom 08.09.2011 - 2 AZR 388/10)
***
„... 2. Die Klage auf Entschädigung ist unbegründet. Die Klägerin wurde von der Beklagten nicht wegen ihrer Behinderung benachteiligt. Es bedarf deshalb
keiner Klärung, ob § 15 Abs. 2 AGG nach § 2 Abs. 4 AGG auf Benachteiligungen durch Kündigungen überhaupt anwendbar ist (offen gelassen auch durch
BAG 28. April 2011 - 8 AZR 515/10 - Rn. 20, NJW 2011, 2458).
a) Die Klägerin hat den Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG innerhalb der Frist des § 15 Abs. 4 AGG schriftlich geltend gemacht und die Klagefrist
des § 61b Abs. 1 ArbGG eingehalten.
aa) Sie hat den Anspruch zwar nicht unmittelbar gegenüber der Beklagten geltend gemacht. Die schriftliche Erhebung kann aber durch die Klageerhebung
ersetzt werden, sofern die Klage innerhalb der Zweimonatsfrist des § 15 Abs. 4 AGG dem Arbeitgeber zugestellt worden ist (Bauer/Göpfert/Krieger AGG 3.
Aufl. § 15 Rn. 55). Die Klageerweiterung mit dem Entschädigungsantrag wurde der Beklagten am 25. November 2008 zugestellt. Die Klägerin stützt den
Anspruch auf Umstände, die ihr nicht länger als zwei Monate zuvor zur Kenntnis gelangt waren, nämlich die Art und Weise, in der sie am 7. Oktober 2008
ihren Arbeitsplatz habe verlassen müssen, die Anfechtungserklärung vom 8. Oktober 2008, die Kündigung vom 22. Oktober 2008 und den Prozessvortrag der
Beklagten im vorliegenden Rechtsstreit.
bb) Durch die am 25. November 2008 zugestellte Klageerweiterung ist auch die Dreimonatsfrist gem. § 61b Abs. 1 ArbGG gewahrt.
b) Die Voraussetzungen für einen Anspruch nach § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG iVm. § 81 Abs. 2 Satz 2 SGB IX auf Zahlung einer angemessenen Entschädigung
sind aber nicht gegeben.
aa) Nach § 81 Abs. 2 Satz 1 SGB IX in der ab 18. August 2006 geltenden Fassung dürfen Arbeitgeber schwerbehinderte Beschäftigte nicht wegen ihrer
Behinderung benachteiligen. Gemäß § 81 Abs. 2 Satz 2 SGB IX gelten hierzu die Regelungen des ebenfalls am 18. August 2006 in Kraft getretenen
Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes. Ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot begründet nach § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG iVm. § 81 Abs. 2 Satz 2 SGB
IX einen Anspruch auf Zahlung einer angemessenen Entschädigung in Geld auch wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist. § 15 Abs. 2 AGG
regelt zwar nicht ausdrücklich, dass der Entschädigungsanspruch einen Verstoß des Arbeitgebers gegen das Benachteiligungsverbot gem. § 7 Abs. 1 AGG
voraussetzt (BAG 19. August 2010 - 8 AZR 370/09 - Rn. 29, EzA AGG § 15 Nr. 11; 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 28, BAGE 129, 181). Dies ergibt
sich aber aus dem Zusammenhang mit § 15 Abs. 1 AGG (vgl. BAG 24. September 2009 - 8 AZR 705/08 - Rn. 24, AP AGG § 3 Nr. 2 = EzA AGG § 3 Nr. 1).
Der Verstoß braucht nicht schuldhaft erfolgt zu sein (BAG 18. März 2010 - 8 AZR 1044/08 - Rn. 36, AP AGG § 15 Nr. 3 = EzA AGG § 15 Nr. 7).
bb) Ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot gem. § 7 Abs. 1 AGG liegt vor, wenn Beschäftigte wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes
benachteiligt werden. Der Kausalzusammenhang ist gegeben, wenn die Benachteiligung an einen oder mehrere der in § 1 AGG genannten Gründe anknüpft
oder dadurch motiviert ist (BT-Drucks. 16/1780 S. 32). Ausreichend ist, dass ein in § 1 AGG genannter Grund jedenfalls mitursächlich war (BAG 18. März
2010 - 8 AZR 1044/08 - Rn. 33, AP AGG § 15 Nr. 3 = EzA AGG § 15 Nr. 7; 22. Oktober 2009 - 8 AZR 642/08 - Rn. 27, AP AGG § 15 Nr. 2 = EzA AGG § 15
Nr. 4; 21. Juli 2009 - 9 AZR 431/08 - Rn. 40, BAGE 131, 232). Für den Begriff der Benachteiligung gilt § 3 AGG.
cc) Die Beweislastregel des § 22 AGG für eine Benachteiligung wegen eines der in § 1 AGG genannten Merkmale wirkt sich auf die Verteilung der
Darlegungslast aus. Der Beschäftigte genügt seiner Darlegungslast, wenn er Indizien vorträgt, die seine Benachteiligung wegen eines verpönten Merkmals
vermuten lassen. Dies ist der Fall, wenn die vorgetragenen Tatsachen aus objektiver Sicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass
die Benachteiligung wegen dieses Merkmals erfolgt ist. Es genügt, Indizien vorzutragen, die zwar nicht zwingend den Schluss auf die Kausalität zulassen, die
aber die Annahme rechtfertigen, dass sie gegeben ist (BAG 27. Januar 2011 - 8 AZR 580/09 - Rn. 29, NZA 2011, 737; 20. Mai 2010 - 8 AZR 287/08 (A) - AP
AGG § 22 Nr. 1 = EzA AGG § 22 Nr. 1). Dabei ist kein zu strenger Maßstab an die Vermutungswirkung der Hilfstatsachen anzulegen (BAG 24. April 2008 - 8
AZR 257/07 - Rn. 40, AP AGG § 33 Nr. 2 = EzA BGB 2002 § 611a Nr. 6 zu § 611a BGB). Werden vom Arbeitnehmer Tatsachen vorgetragen, die je für sich
genommen nicht zur Begründung der Kausalität ausreichen, ist eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen. Zu prüfen ist, ob die Hilfstatsachen, werden sie im
Zusammenhang gesehen, geeignet sind, die Vermutungswirkung zu begründen (vgl. zu § 611a Abs. 1 Satz 3 BGB aF BAG 27. Januar 2011 - 8 AZR 483/09 -
Rn. 25, EzA BGB 2002 § 611a Nr. 7).
dd) Danach hat die Beklagte die Klägerin nicht iSv. § 7 Abs. 1 AGG bzw. § 81 Abs. 2 Satz 1 SGB IX benachteiligt.
(1) Das Landesarbeitsgericht hat unterstellt, die Tatbestandsvoraussetzungen des § 15 Abs. 2 AGG seien erfüllt. Es hat angenommen, ein
Entschädigungsanspruch bestehe selbst dann nicht, weil die Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Klägerin bereits durch den materiellen Schadensersatz
ausgeglichen sei.
(2) Dies hält jedenfalls im Ergebnis einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Ungeachtet der Erwägungen des Landesarbeitsgerichts fehlt es an
hinreichenden Indiztatsachen iSv. § 22 AGG für die Annahme, die Beklagte habe die Klägerin wegen ihrer Behinderung benachteiligt.
(a) Allerdings bestand ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen der Anzeige ihrer Schwerbehinderung durch die Klägerin und den Umständen, auf die sie
ihren Entschädigungsanspruch stützt. Ob schon ein solcher zeitlicher Zusammenhang geeignet sein kann, die Vermutungswirkung des § 22 AGG auszulösen,
bedarf keiner Entscheidung (offen gelassen zu § 611a BGB in BAG 24. April 2008 - 8 AZR 257/07 - Rn. 37, AP AGG § 33 Nr. 2 = EzA BGB 2002 § 611a Nr.
6). Er reicht dafür jedenfalls im Streitfall nicht aus. Das Landesarbeitsgericht ist von der Richtigkeit der Einlassung der Beklagten ausgegangen, nicht der
Umstand, dass die Klägerin anerkannte Schwerbehinderte sei, sondern deren falsche Antwort auf die entsprechende Frage sei der Grund für die Anfechtung und
die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gewesen.
Dies ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Durch den Hinweis der Klägerin auf ihre seit Juli 1998 bestehende Anerkennung als Schwerbehinderte hatte
die Beklagte nicht nur erstmalig Kenntnis von diesem Umstand erlangt. Vielmehr wurde damit zugleich offenbar, dass die Klägerin vor der Einstellung eine
falsche Auskunft gegeben hatte. Die Beklagte hat durchgängig vorgetragen, ausschließlich darauf und auf eine durch die falsche Auskunft bewirkte Zerstörung
des Vertrauensverhältnisses und nicht auf die Schwerbehinderung als solche reagiert zu haben. Dem entspricht die Formulierung im Schreiben vom 8. Oktober
2008, die Anfechtung erfolge wegen der Lüge im Personalfragebogen. Auch aus dem weiteren Vortrag der Beklagten ergeben sich keine hinreichenden
Anhaltspunkte dafür, dass Anfechtung oder Kündigung wegen der Behinderung der Klägerin ausgesprochen worden wären.
(b) Eine Benachteiligung der Klägerin ergibt sich auch nicht aus den Maßnahmen, welche die Beklagte im Zusammenhang mit der Freistellung am 7. Oktober
2008 anordnete. Diese waren nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts auf das beschränkt, was mit der sofortigen Beendigung eines
Arbeitsverhältnisses bei der Beklagten auch in anderen Fällen einherging.
(c) Die Mutmaßung der Beklagten im Schriftsatz vom 20. Februar 2009, die Schwerbehinderung der Klägerin habe „psychologische Ursachen", und die sich
daran anschließenden Ausführungen lassen keine Benachteiligung der Klägerin wegen ihrer Behinderung vermuten. Aus diesem Vorbringen lässt sich nicht
darauf schließen, Freistellung, Anfechtung oder Kündigung seien eben deshalb erfolgt. Die Beklagte hatte lediglich auf den Vortrag reagiert, die Klägerin weise
keine körperlichen Defizite auf.
(d) Die Klägerin beruft sich nicht darauf, bereits die Frage nach einer Schwerbehinderung als solche habe eine unzulässige Benachteiligung dargestellt. Es kann
daher dahinstehen, ob insoweit die Fristen gem. § 15 Abs. 4 AGG, § 61b Abs. 1 ArbGG gewahrt wären.
Die Frage ist auch als Indiztatsache für eine spätere Benachteiligung durch die Freistellung und die diese begleitenden Maßnahmen oder durch die Anfechtung
und Kündigung nicht geeignet. Aus ihr lässt sich auf eine Benachteiligungsabsicht der Beklagten nicht mit hinreichender Sicherheit schließen. Die Beklagte
kann die Frage - so wie sie geltend macht - auch aus dem Grund gestellt haben, bevorzugt Schwerbehinderte einstellen zu wollen.
(e) Auch aus den Gesamtumständen folgen keine hinreichenden Indizien für eine Benachteiligung der Klägerin. Die zeitliche Nähe von Freistellung,
Anfechtung und Kündigung zur Anzeige der Schwerbehinderung genügt selbst unter Berücksichtigung der vor der Einstellung gestellten Frage nicht, um die
Vermutungswirkung des § 22 AGG auszulösen. Die Beklagte hat sich - plausibel - darauf berufen, sie habe allein den Umstand, dass die Klägerin unehrlich
gewesen sei, zum Anlass für die fraglichen Maßnahmen genommen. Das wird nicht dadurch widerlegt, dass sie die Klägerin vor der Einstellung nach einer
Anerkennung als Schwerbehinderte gefragt hatte. ..." (BAG, Urteil vom 07.07.2011 - 2 AZR 396/10)
***
Besonderer Kündigungsschutz des Wahlbewerbers (BAG, Urteil vom 07.07.2011 - 2 AZR 377/10):
„... I. Nach § 15 Abs. 3 Satz 1 KSchG ist die ordentliche Kündigung eines Wahlbewerbers vom Zeitpunkt der Aufstellung des Wahlvorschlags an bis zur
Bekanntgabe des Wahlergebnisses unzulässig.
II. Unter welchen Voraussetzungen ein Wahlvorschlag im Sinne des Gesetzes „aufgestellt" ist und demnach der Sonderkündigungsschutz für Wahlbewerber
einsetzt, ist umstritten.
1. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts beginnt der Sonderkündigungsschutz für Wahlbewerber, sobald ein Wahlvorstand für die Wahl bestellt
ist und für den Kandidaten ein Wahlvorschlag vorliegt, der die nach dem Betriebsverfassungsgesetz erforderliche Mindestzahl von Stützunterschriften aufweist.
Der Wahlvorschlag ist dann im Sinne des Gesetzes „aufgestellt". Auf seine Einreichung beim Wahlvorstand kommt es nicht an (vgl. BAG 5. Dezember 1980 -
7 AZR 781/78 - zu 2 der Gründe, BAGE 34, 291; 13. Oktober 1977 - 2 AZR 387/76 - zu II 1 der Gründe, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung
Nr. 1 = EzA BetrVG 1972 § 74 Nr. 3; 4. März 1976 - 2 AZR 620/74 - BAGE 28, 30; die Frage offen lassend BAG 17. März 2005 - 2 AZR 275/04 - AP BetrVG
1972 § 27 Nr. 6 = EzA BetrVG 2001 § 28 Nr. 1).
2. Demgegenüber wird in der Literatur die Auffassung vertreten, der Kündigungsschutz setze erst mit Eingang des gültigen Wahlvorschlags beim Wahlvorstand
ein. Erst ab diesem Zeitpunkt entfalte ein Wahlvorschlag bindende Wirkung und könne als „aufgestellt" angesehen werden. Zudem lasse sich der Zeitpunkt der
Anbringung der letzten Stützunterschrift oftmals nur schwer feststellen. Hieran anzuknüpfen bringe ein erhebliches Maß an Rechtsunsicherheit mit sich
(KPK/Bengelsdorf 3. Aufl. § 15 KSchG Rn. 8; v. Hoyningen-Huene/Linck KSchG 14. Aufl. § 15 Rn. 19; GK-BetrVG/Raab 8. Aufl. § 103 Rn. 17;
Richardi/Thüsing BetrVG 11. Aufl. § 103 Rn. 19; Hanau AR-Blattei: Betriebsverfassung IX Anm. zu Entsch. 21; ders. AR-Blattei: Kündigungsschutz Anm. zu
Entsch. 155; Meisel Mitwirkung und Mitbestimmung in personellen Angelegenheiten 5. Aufl. Rn. 644).
3. Der Senat hält an der bisherigen Rechtsprechung fest. Sie ist verbreitet auf Zustimmung gestoßen (vgl. Bader/Bram/Dörner § 15 KSchG Rn. 13; DFL/Rieble
4. Aufl. § 103 Rn. 4; ErfK/Kiel 11. Aufl. § 15 KSchG Rn. 14; Fitting BetrVG 25. Aufl. § 103 Rn. 10; HaKo/Fiebig 3. Aufl. § 15 Rn. 24; KR/Etzel 9. Aufl. §
103 BetrVG Rn. 23, 25; KDZ/Deinert KSchR 8. Aufl. § 15 KSchG Rn. 16; Löwisch/Spinner KSchG 9. Aufl. § 15 Rn. 37; MünchKommBGB/Hergenröder 5.
Aufl. § 15 KSchG Rn. 37; Eylert in Schwarze/ Eylert/Schrader § 15 KSchG Rn. 41; SPV/Vossen 10. Aufl. Rn. 1687; Stege/ Weinspach/Schiefer BetrVG 9.
Aufl. § 103 Rn. 20; Nägele/Nestel BB 2002, 354, 355; Witt AR-Blattei SD 530.9 Rn. 13 ff.). Für sie sprechen nach wie vor die besseren Argumente.
a) Der Wortlaut des § 15 Abs. 3 Satz 1 KSchG enthält keinen eindeutigen Anhaltspunkt für die Frage, wann von der „Aufstellung des Wahlvorschlags"
auszugehen ist (so schon BAG 4. März 1976 - 2 AZR 620/74 - zu I 4 a der Gründe, BAGE 28, 30). Der Begriff wird weder im Kündigungsschutzgesetz, noch
im Betriebsverfassungsgesetz oder in der einschlägigen Wahlordnung näher definiert.
aa) Schon der allgemeine Sprachgebrauch spricht aber dagegen, an den Eingang des Vorschlags beim Wahlvorstand oder gar - wie die Revision meint - an den
(späteren) Zeitpunkt, zu dem der Wahlvorstand den Vorschlag nach § 7 WO geprüft und für gültig befunden hat, anzuknüpfen. Nach alltagssprachlichem
Verständnis liegt es vielmehr nahe anzunehmen, dass nur ein Wahlvorschlag, der bereits „aufgestellt" ist, beim Wahlvorstand eingereicht werden kann. Das
bedeutet, dass der Vorgang der Aufstellung dem der Einreichung zeitlich vorangehen muss (vgl. BAG 4. März 1976 - 2 AZR 620/74 - zu I 4 a der Gründe,
BAGE 28, 30).
bb) Auch die Wahlordnung unterscheidet zwischen der „Aufstellung" von Wahlvorschlägen (in § 2 Abs. 5, § 3 Abs. 3 WO) und deren „Einreichung" beim
Wahlvorstand (bspw. in § 6 Abs. 1, § 7 Abs. 1, § 33 Abs. 1, § 36 Abs. 5 WO). Nach § 3 Abs. 3 WO soll der Wahlvorstand, sofern es nach Größe, Eigenart und
Zusammensetzung der Arbeitnehmerschaft des Betriebs zweckmäßig ist, im Wahlausschreiben darauf hinweisen, dass „bei der Aufstellung von
Wahlvorschlägen" die einzelnen Organisationsbereiche und die verschiedenen Beschäftigungsarten berücksichtigt werden sollen. Diese Regelung geht
erkennbar davon aus, dass die „Aufstellung" des Vorschlags der Einreichung beim Wahlvorstand zeitlich vorangeht.
cc) Hätte der Gesetzgeber für den Beginn des Kündigungsschutzes an die Einreichung des Wahlvorschlags beim Wahlvorstand anknüpfen wollen, hätte es nahe
gelegen, dies in § 15 Abs. 3 Satz 1 KSchG so zum Ausdruck zu bringen (vgl. bereits BAG 4. März 1976 - 2 AZR 620/74 - zu I 4 c aa der Gründe, BAGE 28,
30). Das ist trotz verschiedentlicher Neuregelungen des § 15 KSchG nicht geschehen. Dabei kann vorausgesetzt werden, dass dem Gesetzgeber die
Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Frage des Beginns des Sonderkündigungsschutzes bekannt war. Das spricht dafür, dass er die Regelung in
diesem Sinne verstanden wissen wollte.
b) Insbesondere der Regelungszweck des § 15 Abs. 3 Satz 1 KSchG spricht dafür, an den Zeitpunkt anzuknüpfen, zu dem die letzte der erforderlichen
Stützunterschriften unter den Wahlvorschlag gesetzt worden ist.
aa) Den Gesetzesmaterialien zufolge ist der besondere Kündigungsschutz des § 15 Abs. 1 KSchG auf Wahlbewerber ausgedehnt worden, weil dieser
Personenkreis im Hinblick auf mögliche Interessenkonflikte mit dem Arbeitgeber für die Zeit der Wahl in ähnlicher Weise schutzbedürftig ist wie
Betriebsratsmitglieder. Der Kündigungsschutz soll die Durchführung der Betriebsratswahlen dadurch erleichtern, dass Arbeitnehmer eher Bereitschaft zu einer
Kandidatur entwickeln. Außerdem sollen Arbeitgeber daran gehindert werden, etwa nicht genehme Wahlbewerber durch Kündigung von der Wahl
auszuschließen (vgl. BT-Drucks. VI/1786, S. 60).
bb) Um dieses Ziel effektiv zu gewährleisten, muss der Kündigungsschutz zu einem möglichst frühen Zeitpunkt einsetzen. Die aus der Kandidatur erwachsende
besondere Gefährdung des Arbeitsverhältnisses eines Wahlbewerbers entsteht dann, wenn für den Arbeitgeber erkennbar werden kann, dass der Arbeitnehmer
für das Amt in Aussicht genommen ist (vgl. BAG 5. Dezember 1980 - 7 AZR 781/78 - zu 2 der Gründe, BAGE 34, 291; 4. März 1976 - 2 AZR 620/74 - zu I 4
b bb der Gründe, BAGE 28, 30). Diese Möglichkeit besteht, sobald ein Wahlvorschlag vorliegt, der den Arbeitnehmer als Kandidaten benennt. Von diesem
Zeitpunkt an ist dessen Bewerbung zumindest bei den Unterstützern und damit in gewisser Weise „im Betrieb" bekannt. Es widerspräche dem
gesetzgeberischen Anliegen, wenn ein Wahlbewerber auch jetzt noch ohne besonderen Schutz bliebe. Dies könnte Arbeitnehmer von einer Kandidatur abhalten.
Auf den Zeitpunkt der Einreichung beim Wahlvorstand abzustellen wäre zudem geeignet, Kandidaten zu benachteiligen, die ihre Arbeitsleistung - wie im
Streitfall - außerhalb des Ortes erbringen, an dem sich der Sitz des Wahlvorstands befindet, und die deshalb auf eine postalische Übermittlung des Vorschlags
angewiesen sind. Das liefe auch kollektiven Interessen der den Kandidaten unterstützenden Arbeitnehmer und der Gesamtbelegschaft zuwider, die auf eine
möglichst leichte und von personellen Einflussnahmen des Arbeitgebers freie Durchführung des Wahlverfahrens gerichtet sind. Dass der Gesetzgeber diesen
Anliegen eine hohe Bedeutung beimisst, zeigt die zwischenzeitlich erfolgte Ausweitung des besonderen Kündigungsschutzes auf die Initiatoren einer
Betriebsratswahl in § 15 Abs. 3a KSchG (vgl. auch BAG 26. November 2009 - 2 AZR 185/08 - Rn. 18, BAGE 132, 293).
cc) Allerdings muss berücksichtigt werden, dass das Kündigungsschutzprivileg eng mit dem Wahlverfahren verknüpft und durch dieses zeitlich und funktional
begrenzt ist. Zudem verlangt das Erfordernis der „Aufstellung" des Wahlvorschlags nach der Einhaltung einer bestimmten Form (vgl. BAG 4. März 1976 - 2
AZR 620/74 - zu I 4 b bb der Gründe, BAGE 28, 30; 4. April 1974 - 2 AZR 452/73 - zu I 3 a der Gründe, BAGE 26, 116). Schon der Wortlaut des § 15 Abs. 3
Satz 1 KSchG verweist deshalb für den Beginn des Schutzes auf einen Abschnitt im Wahlverfahren, der zeitlich nach der bloßen Verlautbarung einer
möglichen Kandidatur oder eines entsprechenden Interesses liegt und der nicht gar schon in eine Zeit fällt, zu der das Wahlverfahren noch nicht einmal in Gang
gesetzt worden ist (vgl. BAG 4. März 1976 - 2 AZR 620/74 - aaO). Erforderlich ist die Existenz eines Wahlvorschlags, auf dessen Grundlage immerhin die
greifbare Möglichkeit einer Wahl in den Betriebsrat besteht (BAG 26. September 1996 - 2 AZR 528/95 - zu II 2 der Gründe, AP KSchG 1969 § 15
Wahlbewerber Nr. 3 = EzA KSchG § 15 nF Nr. 45; 4. März 1976 - 2 AZR 620/74 - zu I 4 c aa der Gründe, aaO).
dd) Diesen Anforderungen wird am ehesten ein Wahlvorschlag gerecht, der die nach § 14 Abs. 4 BetrVG erforderliche Mindestzahl von
Arbeitnehmerunterschriften trägt. Hat sich eine Kandidatur auf diese Weise verfestigt, muss der Arbeitgeber ernsthaft mit der Möglichkeit rechnen, dass ein
Kandidat in den Betriebsrat gewählt wird. Die damit verbundene „Vorwirkung" des potentiellen Betriebsratsamts bewirkt eine erhöhte Kündigungsgefahr, die
ein entsprechendes Schutzbedürfnis auf Seiten des Arbeitnehmers auslöst. Zugleich liegt in dem Erfordernis der hinreichenden Anzahl von Stützunterschriften -
neben dem der Bestellung eines Wahlvorstands - ein geeignetes Instrument, um einem Missbrauch des Kündigungsschutzprivilegs entgegenzuwirken (vgl.
BAG 4. März 1976 - 2 AZR 620/74 - zu I 4 c der Gründe, BAGE 28, 30).
c) Dieser Auslegung des Gesetzes steht nicht entgegen, dass eine vom Wahlvorstand zu beachtende Kandidatur erst vorliegt, wenn der Wahlvorschlag bei
diesem binnen der im Gesetz vorgesehenen Frist eingereicht worden ist (§ 14 Abs. 3 BetrVG iVm. § 6 Abs. 1 Satz 2 WO; § 14a Abs. 2, Abs. 3 BetrVG iVm. §
33 WO). Das Gesetz verlangt nicht, dass im Zeitpunkt der „Aufstellung" des Wahlvorschlags iSv. § 15 Abs. 3 KSchG sämtliche für eine erfolgreiche
Kandidatur notwendigen Förmlichkeiten gewahrt sind (vgl. BAG 4. März 1976 - 2 AZR 620/74 - zu I 4 c der Gründe, BAGE 28, 30; Reuter SAE 1975, 249 f.;
ähnlich für die „Bestellung" in § 15 Abs. 3 Satz 1 KSchG: BAG 26. November 2009 - 2 AZR 185/08 - BAGE 132, 293). Auf etwaige Mängel des
Wahlvorschlags kommt es - auch mit Blick auf den von § 15 Abs. 3 Satz 1 KSchG bezweckten Schutz kollektiver Interessen - so lange nicht an, wie der
Mangel gemäß § 8 Abs. 2 WO behebbar ist (BAG 17. März 2005 - 2 AZR 275/04 - zu C III 2 b der Gründe, AP BetrVG 1972 § 27 Nr. 6 = EzA BetrVG 2001 §
28 Nr. 1; 5. Dezember 1980 - 7 AZR 781/78 - zu 2 der Gründe, BAGE 34, 291; Eylert in Schwarze/Eylert/Schrader § 15 KSchG Rn. 41 mwN).
d) Möglichen Schwierigkeiten bei der Feststellung des Zeitpunkts, zu dem die letzte der notwendigen Unterschriften geleistet worden ist, kann in gewisser
Weise dadurch begegnet werden, dass der jeweilige Zeitpunkt der Unterzeichnung auf dem Wahlvorschlag festgehalten wird, mag dies auch - anders als für die
Einreichung der Vorschlagsliste beim Wahlvorstand (vgl. § 7 Abs. 1 WO) - gesetzlich nicht vorgesehen sein. Im Übrigen trifft den Arbeitnehmer, der sich auf §
15 Abs. 3 Satz 1 KSchG beruft, die Beweislast dafür, dass die Voraussetzungen des besonderen Kündigungsschutzes vorliegen. Er trägt damit auch das Risiko
einer Nichterweislichkeit der Rechtzeitigkeit der Stützunterschriften. Im Übrigen sind selbst dann, wenn man auf den Zeitpunkt der Einreichung des
Wahlvorschlags beim Wahlvorstand abstellen wollte, Fälle denkbar, in denen der Beginn des Kündigungsschutzes zweifelhaft ist (vgl. BAG 4. März 1976 - 2
AZR 620/74 - zu I 5 der Gründe, BAGE 28, 30).
e) Für den Beginn des Sonderkündigungsschutzes nach § 15 Abs. 3 Satz 1 KSchG kommt es nicht darauf an, ob bei der Anbringung der letzten erforderlichen
Stützunterschrift die Frist zur Einreichung von Wahlvorschlägen, die regelmäßig am Tag nach Aushang des Wahlausschreibens beginnt (§ 6 Abs. 1 WO; § 187
Abs. 1 BGB), schon angelaufen war (aA KR/Etzel 9. Aufl. § 103 BetrVG Rn. 25).
aa) Ein Wahlvorschlag, der vor Beginn der für die Einreichung maßgebenden Fristen beim Wahlvorstand eingeht, ist nicht ein von vorneherein ungültiger
Vorschlag. Gibt der Wahlvorstand einen ihm vorzeitig zugeleiteten Wahlvorschlag nicht zurück, kann er ihn nach Erlass des Wahlausschreibens nicht wegen
vorzeitiger Einreichung ablehnen; er ist dann als mit Erlass des Wahlausschreibens eingereicht anzusehen (Fitting BetrVG 25. Aufl. § 6 WO Rn. 3 mwN).
Reicht der Wahlvorstand den Vorschlag zurück, verliert dieser dadurch nicht seine kündigungsrechtliche Relevanz. Er kann nach Anlaufen der Frist erneut
eingereicht werden und dadurch volle Gültigkeit erlangen. Die „greifbare Möglichkeit" einer Wahl besteht somit auch, wenn der Wahlvorschlag „vorfristig"
aufgestellt wurde.
bb) Ein schon vollzogener Erlass des Wahlausschreibens ist auch nicht zur Vermeidung von Rechtsmissbrauch erforderlich. Diesem ist hinreichend dadurch
vorgebeugt, dass der Sonderkündigungsschutz nach § 15 Abs. 3 Satz 1 KSchG die Existenz eines Wahlvorstands voraussetzt.
III. Danach stand dem Kläger im Kündigungszeitpunkt der besondere Kündigungsschutz als Wahlbewerber zu.
1. Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts ging das Kündigungsschreiben dem Kläger am 28. Juli 2008 zu. Zu diesem Zeitpunkt war
unstreitig ein Wahlvorstand zur Durchführung einer Betriebsratswahl für den Betrieb der Niederlassung bestellt.
2. Bei Zugang der Kündigung lag ein den Kläger benennender Wahlvorschlag mit der erforderlichen Anzahl von Stützunterschriften vor.
a) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die letzte von insgesamt vier Stützunterschriften sei am 26. Juli 2008 um 16:00 Uhr auf dem schriftlichen
Wahlvorschlag angebracht worden. Es hat diesen Umstand als zwischen den Parteien unstreitig bezeichnet und weiter angenommen, der Vorschlag sei
unstreitig am 26. Juli 2008 um 16:38 Uhr an den Wahlvorstand versandt worden. Daran ist der Senat gebunden. Die Rüge der Revision, das
Landesarbeitsgericht habe hinsichtlich des festgestellten Zeitpunkts der Anbringung der Stützunterschriften streitiges Vorbringen als unstreitig behandelt, ist
unzulässig. Die in Rede stehenden Feststellungen sind im Tatbestand des Berufungsurteils enthalten. Die Beklagte konnte sie deshalb nur mit einem
Berichtigungsantrag nach § 320 Abs. 1 ZPO angreifen (vgl. BAG 26. Februar 1987 - 2 AZR 177/86 - zu B II 1 b der Gründe, AP KSchG 1969 § 1 Soziale
Auswahl Nr. 15 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 24; Müller-Glöge in Germelmann/Matthes/ Prütting/Müller-Glöge ArbGG 7. Aufl. § 74 Rn. 106;
Schwab/Weth/Ulrich ArbGG 3. Aufl. § 74 Rn. 57). Das ist nicht geschehen.
b) Die Revision wendet sich nicht gegen die Annahme des Landesarbeitsgerichts, mit vier Unterschriften sei die gesetzlich erforderliche Zahl von
Stützunterschriften vorhanden gewesen. Das ist auch aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Die notwendige Zahl von Stützunterschriften für
Wahlvorschläge der Arbeitnehmer ergibt sich aus § 14 Abs. 4 BetrVG (ggf. iVm. § 14a Abs. 2, § 14a Abs. 3 Satz 2 BetrVG). Danach muss ein - schriftlicher -
Wahlvorschlag mindestens von einem Zwanzigstel der wahlberechtigten Arbeitnehmer, wenigstens aber von drei Arbeitnehmern unterzeichnet sein. Diese
Voraussetzung ist erfüllt. Im Betrieb waren 46 Arbeitnehmer beschäftigt.
c) Sonstige Umstände, die von vorneherein der greifbaren Möglichkeit einer Wahl des Klägers entgegengestanden hätten und deshalb den Eintritt des
Sonderkündigungsschutzes hätten hindern können (vgl. BAG 26. September 1996 - 2 AZR 528/95 - zu II 2 der Gründe, AP KSchG 1969 § 15 Wahlbewerber
Nr. 3 = EzA KSchG § 15 nF Nr. 45), liegen nicht vor.
aa) Zwar ist Voraussetzung für einen gültigen Wahlvorschlag die Wählbarkeit des Bewerbers nach § 8 BetrVG (BAG 26. September 1996 - 2 AZR 528/95 - zu
II 2 der Gründe, AP KSchG 1969 § 15 Wahlbewerber Nr. 3 = EzA KSchG § 15 nF Nr. 45). Fehlt es hieran, darf der Vorschlag vom Wahlvorstand gemäß § 8
WO nicht berücksichtigt werden. Für die Wählbarkeit ist aber nicht auf den Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung abzustellen, sondern auf den Zeitpunkt der
Betriebsratswahl. Das hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt.
(1) Der wahlberechtigte Arbeitnehmer muss, um nach § 8 Abs. 1 BetrVG wählbar zu sein, dem Betrieb sechs Monate angehören. Ausnahmen gelten nach § 8
Abs. 2 BetrVG, wenn der Betrieb kürzer als sechs Monate besteht.
(2) Für das Eingreifen des besonderen Kündigungsschutzes nach § 15 Abs. 3 Satz 1 KSchG reicht es aus, dass die Voraussetzungen des § 8 BetrVG im
Zeitpunkt der Wahl vorliegen. Der Arbeitnehmer kann sich nur dann nicht auf den besonderen Kündigungsschutz als Wahlbewerber berufen, wenn bei Zugang
der Kündigung keinerlei Aussicht bestanden hat, dass er bei der durchzuführenden Wahl wählbar sein würde.
(a) Der Senat hat bislang offen gelassen, ob bei der Berechnung der nach § 8 BetrVG maßgebenden Betriebszugehörigkeit auf den Zeitpunkt der Aufstellung
des Wahlvorschlags oder den Zeitpunkt der Betriebsratswahl abzustellen ist (vgl. BAG 26. September 1996 - 2 AZR 528/95 - zu II 3 der Gründe, AP KSchG
1969 § 15 Wahlbewerber Nr. 3 = EzA KSchG § 15 nF Nr. 45). Dafür, dass es auf den Zeitpunkt der Wahl und nicht den der Kündigung oder gar den der
Aufstellung des Wahlvorschlags ankommt, sprechen vor allem teleologische Erwägungen. Die von § 8 BetrVG verlangte Dauer der Betriebszugehörigkeit soll
gewährleisten, dass ein Betriebsratsmitglied einen ausreichenden Überblick über die Verhältnisse des Betriebs besitzt. Dies ist für die sachgerechte Ausübung
des Betriebsratsamts notwendig ist (BT-Drucks. VI/1786, S. 37). Die Anforderung bezieht sich demzufolge auf das bereits gewählte, aktive
Betriebsratsmitglied. Ob es schon als Wahlbewerber über entsprechende Kenntnisse verfügt hat, ist dagegen nicht entscheidend. Ein Wahlbewerber hat noch
keine in die Zuständigkeit des Betriebsrats fallenden Entscheidungen zu treffen (vgl. LAG Hamm 21. April 1982 - 3 Sa 188/82 - DB 1982, 2709; im Ergebnis
ebenso: APS/Linck 3. Aufl. § 15 KSchG Rn. 58; Bader/Bram/Dörner § 15 KSchG Rn. 13; ErfK/Kiel 11. Aufl. § 15 KSchG Rn. 10; Fitting BetrVG 25. Aufl. §
8 Rn. 32; KDZ/Deinert 8. Aufl. § 15 KSchG Rn. 18; KR/Etzel 9. Aufl. § 103 BetrVG Rn. 25a; MünchKommBGB/Hergenröder 5. Aufl. § 15 KSchG Rn. 20;
SPV/Vossen 10. Aufl. Rn. 1687; WPK/Wlotzke BetrVG 4. Aufl. § 8 Rn. 7).
(b) Hier waren die Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 Satz 1 BetrVG erfüllt. Der am 1. Februar 2008 eingestellte Kläger gehörte dem Betrieb bei der
Durchführung der Betriebsratswahl am 2. September 2008 länger als sechs Monate an.
bb) Der Anwendbarkeit von § 15 Abs. 3 Satz 1 KSchG steht nicht entgegen, dass die Kandidatur des Klägers zeitlich eng mit dem Kündigungsentschluss der
Beklagten zusammenfiel. Das macht für sich genommen die Berufung auf den besonderen Kündigungsschutz nicht rechtsmissbräuchlich. Ebenso wenig ist von
Belang, ob die Beklagte, als sie den Kündigungsentschluss fasste, von der Bewerbung des Klägers bereits Kenntnis hatte. ..."
***
„... I. Die Kündigung ist weder nach § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG noch nach § 15 Abs. 3 Satz 1 KSchG unwirksam. Sie bedurfte nicht der Zustimmung des Betriebsrats.
1. Die Zustimmung des Betriebsrats war nicht wegen der Mitgliedschaft des Klägers in dem im Jahr 2002 gewählten Betriebsrat erforderlich (§ 15 Abs. 1 Satz 1
KSchG iVm. § 103 BetrVG). Die Amtszeit des Klägers als Mitglied des im Jahre 2002 gewählten Betriebsrats endete spätestens mit der konstituierenden
Sitzung des neuen Betriebsrats am 4. Mai 2006.
a) Die Kündigung eines Betriebsratsmitglieds ist nach § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG unzulässig, es sei denn, dass Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur
Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen, und dass die nach § 103 BetrVG erforderliche Zustimmung des
Betriebsrats vorliegt oder durch gerichtliche Entscheidung ersetzt ist. Der besondere Kündigungsschutz gem. § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG iVm. § 103 BetrVG
besteht indes nur während der jeweiligen Amtszeit des Betriebsratsmitglieds (APS/Linck 3. Aufl. § 15 KSchG Rn. 83, 136 und § 103 BetrVG Rn. 3). Danach
ist die Kündigung zwar weiterhin nur beim Vorliegen eines wichtigen Grundes zulässig, bedarf aber nicht mehr der Zustimmung des Betriebsrats. Scheidet ein
Betriebsratsmitglied während des Zustimmungsersetzungsverfahrens aus dem Betriebsrat aus, besteht nur noch nachwirkender Kündigungsschutz (Senat 19.
September 1991 - 2 ABR 14/91 - zu B III 2 der Gründe, RzK II 3 Nr. 20).
b) Beschließt der Betriebsrat - wie hier - seinen Rücktritt, bleibt er gem. § 13 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG iVm. § 22 BetrVG geschäftsführend im Amt, bis der neue
Betriebsrat gewählt und das Wahlergebnis bekanntgegeben ist. Die Geschäftsführung endet mit der Bekanntgabe des Wahlergebnisses. Sie endet allerdings
spätestens mit Ablauf der regulären - vierjährigen - Amtszeit, selbst wenn bis dahin ein neuer Betriebsrat noch nicht gewählt ist (Fitting 24. Aufl. § 21 Rn. 27,
29; Richardi/Thüsing BetrVG 12. Aufl. § 21 Rn. 19, 20; WPK/Wlotzke BetrVG 4. Aufl. § 21 Rn. 12).
c) Unterbleibt die Bekanntgabe des Wahlergebnisses, so endet die Amtszeit des geschäftsführenden Betriebsrats spätestens mit der konstituierenden Sitzung des
neu gewählten Gremiums iSv. § 29 Abs. 1 BetrVG, auch wenn die reguläre Amtszeit zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgelaufen ist. Das ergibt sich aus den
folgenden Überlegungen.
aa) Der Gesetzgeber hat in § 22 BetrVG die Dauer der Geschäftsführung durch den zurückgetretenen Betriebsrat zeitlich begrenzt. Sie soll in jedem Fall mit
Bekanntgabe des Ergebnisses der Neuwahl enden. Nach der Vorstellung des Gesetzes geht die nach § 18 Satz 1 WO vom Wahlvorstand vorzunehmende
Bekanntmachung der Gewählten der konstituierenden Sitzung des neu gewählten Betriebsrats zeitlich voraus. Aus der Bekanntmachung der Gewählten ergeben
sich die Personen der in den Betriebsrat einrückenden und bei der konstituierenden Sitzung teilnahmeberechtigten Mitglieder. Zugleich beginnt mit der
Bekanntgabe des Wahlergebnisses die Amtszeit der neu gewählten Betriebsratsmitglieder. Eine Überschneidung der Amtszeiten ist nicht vorgesehen. Der
Gesetzgeber ordnet also einen nahtlosen zeitlichen Übergang von der Amtszeit bzw. Geschäftsführung des alten auf den neuen Betriebsrat an. Dieser Übergang
soll dann stattfinden, wenn die Mitglieder des neuen Betriebsrats feststehen und bekannt sind. Dieser Zeitpunkt war hier jedenfalls bei der konstituierenden
Sitzung am 4. Mai 2006 erreicht. Mit ihm beginnt die Amtszeit des neuen Betriebsrats unabhängig davon, ob die reguläre Amtszeit des zurückgetretenen
Betriebsrats schon abgelaufen war. Dieser war im Streitfall am 12. März 2002 zu seiner konstituierenden Sitzung zusammengetreten; wann seine Amtszeit
begonnen hatte, hat das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt.
bb) Die zeitliche Dauer des Sonderkündigungsschutzes nach § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG, § 103 BetrVG kann nicht länger sein als die reguläre Amtszeit oder die
Weiterführung der Geschäfte selbst. Das zeigt § 15 Abs. 1 Satz 2 KSchG, der für die Zeit nach Ablauf der Amtszeit ausdrücklich die Zustimmungspflichtigkeit
für Kündigungen aufhebt.
cc) Dass der Wahlvorstand hier die gesonderte förmliche Bekanntgabe des Wahlergebnisses unterlassen hat, steht den vorstehenden Erwägungen nicht
entgegen. Die Vorschrift des § 18 Satz 1 WO hat nicht den Zweck, im Falle ihrer Nichtbeachtung einander überlappende Amtszeiten von Betriebsräten zu
schaffen. Ebenso wenig ist es ihr Ziel, den Sonderkündigungsschutz nach § 15 Abs. 1 Satz 1 BetrVG auf funktionslose ehemalige Amtsträger so lange zu
erstrecken, bis die Bekanntmachung eines Wahlergebnisses erfolgt, das bereits in die Tat umgesetzt worden ist. Schließlich will § 18 Satz 1 WO nicht
erreichen, dass ihr Amt bereits ausübende Betriebsratsmitglieder des Schutzes des § 15 Abs. 1 Satz 1 BetrVG entbehren müssen. Dies zeigt, dass jedenfalls
dann, wenn die Zusammensetzung des Betriebsrats nicht im Streit steht, die Amtszeit des geschäftsführenden Betriebsrats spätestens mit der konstituierenden
Sitzung des neu gewählten Betriebsrats auch für den Fall enden muss, dass eine förmliche Bekanntmachung des Wahlergebnisses unterblieben ist. Wie ohne
eine solche die Anfechtungsfrist nach § 19 Abs. 2 BetrVG berechnet werden muss, bedarf hier keiner Erörterung. Ebenso wenig war zu entscheiden, ob als
"Bekanntgabe des Wahlergebnisses" iSv. § 22 BetrVG, § 18 Satz 1 WO auch ein Aushang der gesamten Wahlniederschrift iSv. § 16 Abs. 1 WO anzusehen ist,
weil in ihr nach Abs. 1 Nr. 6 die Namen der gewählten Bewerber festzustellen sind.
2. Die Kündigung bedurfte nicht deshalb der Zustimmung des Betriebsrats, weil der Kläger bei dessen Neuwahl im Jahr 2006 Mitglied des Wahlvorstands und
Wahlbewerber war (§ 15 Abs. 3 Satz 1 KSchG iVm. § 103 BetrVG).
a) Nach § 15 Abs. 3 Satz 1 KSchG ist die Kündigung eines Mitglieds des Wahlvorstands vom Zeitpunkt seiner Bestellung, die eines Wahlbewerbers vom
Zeitpunkt der Aufstellung des Wahlvorschlags an bis zur Bekanntgabe des Wahlergebnisses unzulässig. Ist, wie im Streitfall, die förmliche Bekanntgabe des
Wahlergebnisses unterblieben, der Betriebsrat jedoch zu seiner konstituierenden Sitzung zusammengetreten, endet der Schutz nach § 15 Abs. 3 Satz 1 KSchG
mit diesem Zeitpunkt.
b) In § 15 Abs. 3 Satz 1 KSchG hat der Gesetzgeber das Ende des Sonderkündigungsschutzes - anders als in § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG - ausdrücklich auf den
Zeitpunkt der Bekanntgabe des Wahlergebnisses begrenzt. Er ist auch dabei von dem gesetzlich vorgeschriebenen zeitlichen Ablauf ausgegangen. Danach liegt
die Bekanntgabe des Wahlergebnisses vor der konstituierenden Sitzung. Sie macht den Kreis der einzuladenden Mitglieder des neuen Betriebsrats bekannt.
Damit ist vorausgesetzt, dass der Schutz bei der konstituierenden Sitzung schon geendet hat. Demzufolge muss diese als der Zeitpunkt angesehen werden, nach
dem der Sonderkündigungsschutz auf keinen Fall mehr bestehen kann. Im Übrigen steht mit der konstituierenden Sitzung die personelle Zusammensetzung des
Betriebsrats fest. Diese kann damit als bekannt gegeben iSd. § 15 Abs. 3 Satz 1 KSchG gelten.
3. Die Zustimmung des Betriebsrats zur Kündigung war nicht deshalb erforderlich, weil der Kläger an der konstituierenden Sitzung als Ersatzmitglied
teilgenommen hat.
a) Der besondere Kündigungsschutz gem. § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG iVm. § 103 BetrVG erstreckt sich auch auf Ersatzmitglieder, die wegen einer zeitweiligen
Verhinderung eines regulären Betriebsratsmitglieds gem. § 25 Abs. 1 Satz 2 BetrVG tätig waren (BAG 17. Januar 1979 - 5 AZR 891/77 - zu 1 der Gründe, AP
KSchG 1969 § 15 Nr. 5 = EzA KSchG § 15 nF Nr. 21; APS/Linck 3. Aufl. § 15 KSchG Rn. 110; ErfK/Kiel 10. Aufl. § 15 KSchG Rn. 13;
Stahlhacke/Stahlhacke 9. Aufl. 2005 Rn. 1612). Das Zustimmungserfordernis iSv. § 103 BetrVG besteht indes nur, wenn das Ersatzmitglied entweder endgültig
für ein ausgeschiedenes Mitglied eingerückt ist (§ 25 Abs. 1 Satz 1 BetrVG) oder wenn und solange es ein zeitweilig verhindertes Mitglied vertritt (§ 25 Abs. 1
Satz 2 BetrVG). Ersatzmitglieder, die nach Beendigung der Vertretungszeit wieder aus dem Betriebsrat ausgeschieden sind, haben hingegen nur noch
nachwirkenden Kündigungsschutz gem. § 15 Abs. 1 Satz 2 KSchG (BAG 18. Mai 2006 - 6 AZR 627/05 - Rn. 25, AP KSchG 1969 § 15 Ersatzmitglied Nr. 2 =
EzA ArbGG 1979 § 69 Nr. 5; 17. Januar 1979 - 5 AZR 891/77 - zu 1 der Gründe, aaO; APS/Linck § 15 KSchG Rn. 112).
b) Danach endete der besondere Kündigungsschutz des Klägers als Ersatzmitglied mit der Rückkehr des regulären Betriebsratsmitglieds.
II. Die Unwirksamkeit der Kündigung folgt nicht daraus, dass der Betriebsrat vor ihrem Anspruch nicht gem. § 102 BetrVG angehört wurde. Scheidet ein
Betriebsratsmitglied während des Zustimmungsersetzungsverfahrens nach § 103 BetrVG aus dem Betriebsrat aus, ist für die dann ohne Zustimmung mögliche
außerordentliche Kündigung durch den Arbeitgeber eine erneute Anhörung des Betriebsrats nicht erforderlich (Senat 8. Juni 2000 - 2 AZN 276/00 - BAGE 95,
60; 19. September 1991 - 2 ABR 14/91 - zu III der Gründe, RzK II 3 Nr. 20; APS/Linck 3. Aufl. § 103 BetrVG Rn. 29; KR/Etzel 9. Aufl. § 103 BetrVG Rn.
133). Der Anhörungspflicht ist durch die Unterrichtung im Rahmen des Antrags nach § 103 BetrVG genügt.
III. Ob die Kündigung nach § 626 Abs. 1 BGB unwirksam ist, steht noch nicht fest.
1. Die außerordentliche Kündigung eines durch § 15 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 Satz 2 KSchG geschützten Arbeitnehmers ist unzulässig, wenn diesem ausschließlich
eine Amts- und nicht zugleich eine Vertragspflichtverletzung vorzuwerfen ist. Eine Kündigung kommt dagegen in Betracht, wenn in dem Verhalten zugleich
eine Vertragspflichtverletzung zu sehen ist. In solchen Fällen ist an die Berechtigung der fristlosen Entlassung ein "strengerer" Maßstab anzulegen als bei einem
Arbeitnehmer, der dem Betriebsrat nicht angehört (Senat 16. Oktober 1986 - 2 ABR 71/85 - zu B II 4 der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 95 = EzA BGB § 626 nF
Nr. 105; BAG 10. November 1993 - 7 AZR 682/92 - zu 5 a der Gründe, AP BetrVG 1972 § 78 Nr. 4 = EzA BGB § 611 Abmahnung Nr. 29).
2. Die vorsätzliche Falschaussage eines Betriebsratsmitglieds in einem den eigenen Arbeitgeber betreffenden Beschlussverfahren stellt nicht nur eine
Verletzung von Amtspflichten, sondern auch eine Vertragspflichtverletzung dar. Ein bestimmtes Verhalten ist nur dann ausschließlich eine
Amtspflichtverletzung, wenn dem Betriebsratsmitglied lediglich ein Verstoß gegen allein kollektivrechtliche Pflichten zum Vorwurf zu machen ist. Verstößt
das Betriebsratsmitglied stattdessen gegen eine für alle Arbeitnehmer gleichermaßen geltende vertragliche Pflicht, liegt - zumindest auch - eine
Vertragspflichtverletzung vor (BAG 15. Juli 1992 - 7 AZR 466/91 - zu 2 b der Gründe, BAGE 71, 14). Das ist hier der Fall. Die vorsätzliche Falschaussage in
einem den Arbeitgeber berührenden gerichtlichen Verfahren ist - unabhängig von ihrer strafrechtlichen Würdigung - ein Verstoß gegen ein für jeden
Arbeitnehmer geltendes Verbot.
3. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, der Kläger habe im Rahmen des Amtsenthebungsverfahrens am 19. Januar 2005 vor dem Arbeitsgericht
vorsätzlich falsch ausgesagt, ist auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen nicht zutreffend.
a) Wie die Revision zu Recht rügt, durfte das Landesarbeitsgericht die Vernehmung der vom Kläger gegenbeweislich benannten Zeugen K. und D. nicht
unterlassen. Seine Vorgehensweise steht nicht im Einklang mit Art. 103 Abs. 1 GG. Sie verletzt den Anspruch des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs.
aa) Der in Art. 103 Abs. 1 GG verankerte Anspruch auf rechtliches Gehör gewährleistet dem an einem gerichtlichen Verfahren Beteiligten das Recht, sich zu
dem der gerichtlichen Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt und zur Rechtslage zu äußern (BVerfG 17. Mai 1983 - 2 BvR 731/80 - BVerfGE 64, 135).
Nach Art. 103 Abs. 1 GG sind die Gerichte verpflichtet, das Vorbringen der Verfahrensbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen, bei der Urteilsfindung in Erwägung
zu ziehen (BVerfG 23. Juni 1999 - 2 BvR 762/98 - NJW 2000, 131) und erhebliche Beweisantritte zu berücksichtigen (BVerfG 22. November 2004 - 1 BvR
1935/03 - NJW 2005, 1487; 31. Oktober 1990 - 2 BvR 183/90 - NJW 1991, 285). Die Nichtberücksichtigung eines entscheidungserheblichen Beweisangebots
verletzt den Anspruch der betroffenen Partei auf rechtliches Gehör, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze mehr findet (BVerfG 30. Januar 1985 - 1 BvR
393/84 - BVerfGE 69, 141; BAG 10. Februar 2009 - 3 AZN 1003/08 - Rn. 13 mwN, AE 2009, 268).
bb) Nach diesen Maßstäben ist Art. 103 Abs. 1 GG hier verletzt.
(1) Das Landesarbeitsgericht hat den Beweisantrag des Klägers auf Vernehmung der Zeugen K. und D. selbst für erheblich gehalten. Das zeigt sich daran, dass
es die - zum Termin nicht erschienenen - beiden Zeugen geladen hat. Die Beweiserhebung war auch entbehrlich, da diese Zeugen - neben anderen, die vom
Landesarbeitsgericht vernommen wurden - vom Kläger gegenbeweislich dafür benannt worden waren, dass Herr G. nicht zum Bummelstreik aufgerufen habe.
(2) Das Landesarbeitsgericht hat sein Vorgehen damit begründet, dass der Kläger die ladungsfähigen Anschriften trotz einer bis zum 5. Juli 2007 bemessenen
Frist erst vier Tage vor dem Termin vom 14. September 2007 mitgeteilt habe und durch eine Vertagung eine dem Kläger zuzurechnende Verzögerung
eingetreten wäre. Diese Begründung findet im Prozessrecht keine Stütze. Die Ladung der Zeugen wurde vom Kammervorsitzenden am 10. September 2007
veranlasst und am 11. September 2007 ausgeführt. Dass die Ladungen die Zeugen nicht rechtzeitig erreicht hätten, ist nicht festgestellt. Der Zeuge K. hat dem
Gericht zwei Tage später mitteilen lassen, er sei durch Krankheit am Erscheinen gehindert. Abgesehen davon hat das Landesarbeitsgericht am 14. September
2007 kein Urteil verkündet, sondern Termin zur Verkündung einer Entscheidung auf den 23. November 2007 festgesetzt. Inwiefern bei dieser Lage gleichwohl
eine dem Kläger zuzurechnende Verzögerung gegeben sein soll, ist nicht erkennbar.
(3) Soweit sich das Landesarbeitsgericht darauf bezieht, der Kläger habe erklärt, er wisse nicht, ob der Zeuge K. bei der Versammlung am 18. September 2003
zugegen gewesen sei, könnte allenfalls dieser Umstand die Nichtvernehmung des Zeugen K. rechtfertigen. Allerdings hatte der Kläger von seinem
Beweisantrag auch in Bezug auf den Zeugen K. nicht Abstand genommen, sondern ihn aufrechterhalten. Dass er sich angesichts der besonderen Umstände der
Zusammenkunft und nach Verlauf von vier Jahren nicht sicher war, ob der Zeuge an der Versammlung teilgenommen hatte, stand bei der hier gegebenen Lage
dessen Vernehmung nicht entgegen - zumal das Landesarbeitsgericht angesichts der besonderen räumlichen Verhältnisse in der Tiefgarage der Aussage
verschiedener vom Kläger benannter Zeugen, sie hätten den Hauptbelastungszeugen F. bei der Versammlung nicht gesehen, keinerlei Bedeutung beigemessen hat.
b) Das Landesarbeitsgericht hat bei seiner Beweiswürdigung außerdem wesentliche Gesichtspunkte außer Acht gelassen und damit den Anforderungen des §
286 ZPO nicht genügt. Dabei ist von besonderem Gewicht, dass der von ihm als Kündigungsgrund angesehene und als bewiesen erachtete Vorwurf lautet, der
Kläger habe vorsätzlich falsch ausgesagt.
aa) Bei dieser Würdigung hätte das Landesarbeitsgericht bedenken müssen, dass der Kläger vor dem Arbeitsgericht nicht nur ausgesagt hatte, Herr G. habe die
Kollegen aufgefordert, "100 % Leistung" zu geben, sondern auch erklärt hatte: "Was der G. dazu gesagt hat, weiß ich nicht mehr im Einzelnen." Es kam
jedenfalls in Betracht, dass der Kläger damit seine Erklärung unter einen gewissen Vorbehalt stellen wollte. Damit hätte sich das Landesarbeitsgericht
eingehend auseinandersetzen müssen.
bb) Außerdem hätte das Landesarbeitsgericht bedenken müssen, dass die Grenze zwischen der Aufforderung zum "Bummelstreik" und der Erklärung, die
Arbeitnehmer müssten "100 % geben", fließend ist, solange lediglich der Wortlaut in Betracht gezogen wird. So mag es durchaus möglich sein, mit der
Aufforderung "100 %" zu geben, einen Tonfall oder eine Gestik zu verbinden, die bei den Zuhörern keinen Zweifel daran lässt, dass sie zum "Bummelstreik"
aufgefordert werden. Ebenso gut kann allerdings das Gegenteil der Fall sein. Jedenfalls berücksichtigt der vom Landesarbeitsgericht gezogene Schluss vom
Wortlaut eines Teils der Aussage des Klägers über den Wortlaut eines Teils der Äußerungen von Herrn G. auf den Sinn der Aussage des Herrn G. und den Sinn
der Aussage des Klägers nicht ausreichend die auf der Hand liegende Möglichkeit der Mehrdeutigkeit beider Aussagen.
cc) Ebenso wenig hat das Landesarbeitsgericht den Umstand ausreichend berücksichtigt, dass die Arbeitnehmer, die sich in der Tiefgarage versammelt hatten,
übereinstimmend der Auffassung waren, die Beklagte verlange mehr Arbeitsleistung von ihnen als ihren vertraglichen Pflichten entspreche. Es ist deshalb nicht
fernliegend, dass Herr G. mit einer etwaigen Aufforderung, weniger zu arbeiten als die Beklagte verlange, nicht zu einem rechtswidrigen Bummelstreik
aufrufen wollte, sondern lediglich dazu, dass die Arbeitnehmer nicht mehr arbeiten sollten, als sie vertraglich verpflichtet seien. War es aber so, dann würde die
vom Kläger gegebene Darstellung, Herr G. habe dazu aufgefordert, 100 % zu geben, der Darstellung, dass damit zugleich eine Aufforderung verbunden war,
weniger zu leisten als die Beklagte verlangte, nicht widersprechen, ohne dass von der Aufforderung zu einem Bummelstreik die Rede sein könnte.
dd) Schließlich hätte das Landesarbeitsgericht in Erwägung ziehen müssen, dass die nächtliche Versammlung von Arbeitnehmern mehrerer Nationalitäten mit
unterschiedlichen Muttersprachen besucht wurde. Da die Frage, ob Herr G. zu einem Bummelstreik aufgerufen hat, nur dann beantwortet werden kann, wenn
feststeht, dass dieser annehmen konnte, richtig verstanden zu werden, kann auch die Frage, ob der Kläger den Sinn der Aussage des Herrn G. richtig
wiedergegeben hat, nicht ohne Berücksichtigung der Sprachkenntnisse derjenigen beantwortet werden, die an der Versammlung teilnahmen.
IV. Der Rechtsstreit war zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen (§ 563 ZPO). Dieses wird darauf Bedacht
nehmen müssen, dass im Streitfall an den wichtigen Grund besonders hohe Anforderungen zu stellen sind. Die mögliche Pflichtverletzung stand in einem
inneren Zusammenhang mit den kollektivrechtlichen Aufgaben des Klägers. Außerdem muss es in seine Überlegungen einbeziehen, dass der
Kündigungsvorwurf nur gerechtfertigt ist, wenn der Kläger vorsätzlich falsch ausgesagt hat. Das Landesarbeitsgericht wird schließlich den noch unerledigten
Beweisanträgen nachzugehen und bei einer erneuten Beweiswürdigung die unter III 3 genannten Umstände zu berücksichtigen haben. ..." (BAG, Urteil vom
05.11.2009 - 2 AZR 487/08)
***
Nach § 15 KSchG ist auch eine verhaltensbedingte außerordentliche Kündigung mit notwendiger Auslauffrist gegenüber dem geschützten Personenkreis
unzulässig. Bei der außerordentlichen fristlosen Kündigung eines ordentlich unkündbaren Arbeitnehmers ist entscheidend, ob dem Arbeitgeber die
Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf der fiktiven ordentlichen Kündigungsfrist zugemutet werden kann. Das gilt auch für Arbeitnehmer, denen gegenüber die
ordentliche Kündigung nach § 15 KSchG ausgeschlossen ist. Zwar ist nach § 626 I BGB eine reale und nicht fiktive Zumutbarkeitsprüfung die Regel. Eine
Ausnahme hiervon ist aber in den Fällen des § 15 KSchG notwendig, weil ansonsten eine § 78 BetrVG widersprechende Benachteiligung des geschützten
Personenkreises die Folge wäre. Die Zulassung einer solchen verhaltensbedingten außerordentlichen Kündigung mit Auslauffrist für Mitglieder des Betriebsrats
würde genau die Benachteiligungsgefahr realisieren, die der Gesetzgeber durch Schaffung des § 15 KSchG ausschalten wollte (BAG, Urteil vom 17.01.2008 - 2
AZR 821/06).
Das vorübergehend in den Betriebsrat eingerückte Ersatzmitglied genießt nach Beendigung des Vertretungsfalles - nur - den nachwirkenden Kündigungsschutz
gem. § 15 I 2 KSchG; einer Zustimmung des Betriebsrats gem. § 103 BetrVG zur außerordentlichen Kündigung bedarf es nicht (BAG, Urteil vom 18.05.2006 -
6 AZR 627/05).
Steht nach Stilllegung einer Betriebsabteilung nur eine begrenzte Zahl von Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten in einer anderen Abteilung des Betriebs zur
Verfügung, genießen nach dem Sinn und Zweck von § 15 KSchG die aktiven Mandatsträger bei der Besetzung der Stellen Vorrang vor den im
Nachwirkungszeitraum sonderkündigungsgeschützten Ersatzmitgliedern (BAG, Urteil vom 02.03.2006 - 2 AZR 83/05).
Das im Interesse des Amtes bestehende Übernahmegebot des § 15 V S. 1 KSchG für Wahlvorstandsmitglieder ist ebenso wie deren besonderer
Kündigungsschutz gem. § 15 III KSchG zeitlich begrenzt auf einen Zeitraum bis zu sechs Monaten nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses. Ist auch der
nachwirkende Kündigungsschutz beendet, besteht kein besonderer Kündigungsschutz des Funktionsträgers mehr; der Arbeitgeber kann - wie jedem anderen
Arbeitnehmer - kündigen (BAG vom 13.06.1996 - 2 AZR 431/95 - AP KSchG 1969 § 15Wahlbewerber Nr. 2 = EzA KSchG § 15 n.F. Nr. 44).
Steht nach Stilllegung einer Betriebsabteilung nur eine begrenzte Zahl von Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten in einer anderen Abteilung des Betriebs zur
Verfügung, genießen nach dem Sinn und Zweck von § 15 KSchG die aktiven Mandatsträger bei der Besetzung der Stellen Vorrang vor den im
Nachwirkungszeitraum sonderkündigungsgeschützten Ersatzmitgliedern (BAG, Urteil vom 02.03.2006 - 2 AZR 83/05).
Erfolgt unter diesen Voraussetzungen einewirksame Kündigung, kann der Funktionsträger einen Schadensersatzanspruch nicht auf die frühere Verletzung der
Übernahmeverpflichtung des § 15 V S. 1 KSchG stützen (BAG, Urteil vom 14.02.2002 - 8 AZR 175/01, NZA 2002, 1027).
Kündigt der Arbeitgeber einen ehemaligen Betriebsratsmitglied nach §§ 15 I 2 KSchG, 626 BGB fristlos, hilfsweise außerordentlich unter Einhaltung einer der
ordentlichen („fiktiven") Kündigungsfrist entsprechenden Auslauffrist, so kann über die fristlose Kündigung durch Teilurteil entschieden werden. Fristlos kann
einem Betriebsratsmitglied nur gekündigt werden, wenn dem Arbeitgeber bei einem vergleichbaren Nichtbetriebsratsmitglied dessen Weiterbeschäftigung bis
zum Ablauf der einschlägigen ordentlichen Kündigungsfristunzumutbar wäre. Zum Prüfungsmaßstab bei einer außerordentlichen betriebsbedingten Kündigung
gegenüber einem (ehemaligen) Betriebsratsmitglied unter Gewährung einer der fiktiven Kündigungsfrist entsprechenden Auslauffrist (BAG, Urteil vom
27.09.2001 - 2 AZR487/00, NZA 2002, 815 Os).
Bei Kündigung wegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit gegenüber einem ehemaligen Betriebsratsmitglied ist es dem Arbeitgeber grundsätzlich
zumutbar, den Ablauf des nach wirkenden Kündigungsschutzes nach § 15 I 2 KSchG abzuwarten und sodann ordentlich zu kündigen (BAG, Urteil vom
15.03.2001 - 2 AZR 624/99, NZA-RR 2002, 20).
Wird ein Betriebsratsmitglied in einer Betriebsabteilung beschäftigt, die stillgelegt wird, so ist der Arbeitgeber verpflichtet, die Übernahme des
Betriebsratsmitglieds in eine andere Betriebsabteilung notfalls durch Freikündigen einen geeigneten Arbeitsplatzes sicherzustellen. Ob dabei die Interessen des
durch die erforderliche Freikündigung betroffenen Arbeitnehmers gegen die Interessen des Betriebsratsmitglieds und die Interessen der Belegschaft an der
Kontinuität der Besetzung des Betriebsrats abzuwägen sind, bleibt offen. Wer gegenüber dem Betriebsrat und seinen Mitgliedern so auftritt, als betreibe er
zusammen mit anderen Unternehmen einen Gemeinschaftsbetrieb, muss sich im Hinblick auf den Sonderkündigungsschutz der Betriebsratsmitglieder (§ 15
KSchG) so behandeln lassen, als bestehe ein Gemeinschaftsbetrieb (BAG, Urteil vom 18.10.2000 - 2 AZR 494/99, NJW 2001,2420).
Wird eine Betriebsabteilung stillgelegt und kann ein dort beschäftigtes Betriebsratsmitglied nach entsprechender Änderungskündigung zu im übrigen
unveränderten Bedingungen auf einem freien Arbeitsplatz in einer anderen Betriebsabteilung weiterbeschäftigt werden, so ist der Arbeitgeber grundsätzlich
nicht verpflichtet, einen örtlich näher gelegenen und deshalb das Betriebsratsmitglied weniger belastenden Arbeitsplatz frei zu kündigen (BAG, Urteil
vom28.10.1999 - 2 AZR 437/98, NZA 2000, 825).
Der Arbeitgeber kann einem Betriebsratsmitglied erst dann wirksam eine außerordentliche Kündigung aussprechen, wenn der Beschluss über die Ersetzung der
vom Betriebsratverweigerten Zustimmung rechtskräftig bzw. unanfechtbar ist, § 15 I KSchG. Eine vor diesem Zeitpunkt erklärte Kündigung ist nicht nur
schwebend unwirksam, sondern unheilbar nichtig (BAG, Urteil vom 09.07.1998 - 2 AZR 142/98 , NJW 1999, 444).
Aus der Annahme eines gemeinsam von mehreren juristischen Personen geführten Betriebs folgt noch nicht, daß diese juristische Personen sämtlich
Arbeitgeber aller im Gemeinschaftsbetrieb beschäftigten Arbeitnehmer sind (vgl. schon BAG, 5.3.1987 - 2 AZR623/85, EzA § 15 KSchG n.F. Nr. 38; LAG
Düsseldorf, Urteil vom 19.06.1998 - 11 (14) Sa1838/97, BB 1998, 2063 L).
Im Falle so genannter tariflicher Unkündbarkeit eines Betriebsratsmitglieds bedarf es für dessen(außerordentliche) betriebsbedingte Kündigung nach § 15 IV
oder § 15 V KSchG nicht derZustimmung des Betriebsrats. Die nicht erforderliche Zustimmung des Betriebsrats ist imVerfahren auf Ersetzung der fehlenden
Zustimmung des Betriebsrats nach § 103 II BetrVG auch ohne dahingehenden ausdrücklichen Antrag des Arbeitgebers in der den
Ersetzungsantragabweichenden Entscheidung - gegebenenfalls nach Hinweis gemäß § 139 ZPO - festzustellen (im Anschluß an BAG, NZA 1990, 314 = AP Nr.
72 zu § 99 BetrVG 1972). Diese Entscheidung präjudiziert auch für ein nachfolgendes Kündigungsschutzverfahren, daß es einer Zustimmung des Betriebsrats
zur Kündigung nicht bedurfte (im Anschluß an BAGE 27, 113 = NJW 1975,1752 = AP Nr. 3 zu § 103 BetrVG 1972; BAG, Urteil vom 18.09.1997 - 2 ABR
15/97, NJW1998, 2238 L).
Nach Beendigung des nachwirkenden Kündigungsschutzes kann der Arbeitgeber dem erfolglosen Wahlbewerber wieder wie jedem anderen Arbeitnehmer
kündigen. Er ist insbesondere nicht gehindert, die Kündigung auf Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers zu stützen, die dieser während der Schutzfrist
begangen hat und die erkennbar nicht im Zusammenhang mit der Wahlwerbung stehen (BAG, Urteil vom 13.06.1996 - 2 AZR 431/95,NJW 1997, 78).
Der Senat hält jedenfalls für den Fall einer außerordentlichen betriebsbedingten Änderungskündigung nicht an der Ansicht (BAGE 51, 200 = NZA 1987, 102 =
AP Nr. 10 zu §15 KSchG 1969) fest, im Rahmen der Prüfung des § 626 BGB sei auf die fiktive Kündigungsfrist abzustellen. Es verbleibt jedoch dabei, dass die
vorgesehene Änderung der Arbeitsbedingungen für den Arbeitgeber unabweisbar und dem Arbeitnehmer zumutbar sein muß (BAG, Urteil vom 21.06.1995 - 2
ABR 28/94, NZA 1995, 1157).
Die Kündigungsbeschränkungen der §§ 15 II KSchG, 47 I BPersVG/PersVG-DDR finden auch auf Kündigungen Anwendung, die gem. Art. 20 I in Verbindung
mit Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 1 Absätze 4 und 5 Einigungsvertrag ausgesprochen werden (BAG, Urteil vom 28.04.1994 - 8 AZR
209/93, NZA 1995, 168).
Beim Ausspruch einer nach § 15 IV und V KSchG zulässigen ordentlichen Kündigung ist Art.56 IX ZA-NATO-Truppenstatut i. V. mit § 70 I Soldatengesetz, §
54 I Und § 47 I BPersVG nicht entsprechend anwendbar. Der Betriebsvertretung steht insoweit nur das Mitwirkungsrecht nach § 79 BPersVG zu (BAG, Urteil
vom 30.03.1994 - 7 ABR 46/93, NZA 1994, 843).
Das Arbeitsverhältnis eines Betriebsratsmitglieds kann in aller Regel nach § 15 I 1 KSchG, §626 BGB nicht wegen häufiger krankheitsbedingter Fehlzeiten
außerordentlich gekündigtwerden. Das Arbeitsverhältnis eines Betriebsratsmitglieds kann i. a. R. nach § 15 I 1 KSchG, §626 BGB nicht wegen häufiger
krankheitsbedingter Fehlzeiten außerordentlich gekündigt werden. Der Senat hält an der ständigen Rechtsprechung fest, daß bei der Zumutbarkeitsprüfung nach
§ 15 I 1 KSchG, § 626 I BGB auf die (fiktive) Kündigungsfrist abzustellen ist, die ohne den besonderen Kündigungsschutz bei einer ordentlichen Kündigung
gelten würde (BAG, Urteil vom 18.02.1993 - 2 AZR 526/92, NJW 1994, 816).
Die Kündigung eines Betriebsratsmitglieds wegen Betriebsstilllegung nach § 15 IV ist über den Wortlaut dieser Bestimmung hinaus (teleologische Reduktion)
nur gerechtfertigt, wenn keine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit in einem anderen Betrieb des Unternehmens besteht (BAG, Urteil vom 13.08.1992 - 2 AZR
22/92, NZA 1993, 224).
Die Massenänderungskündigung ist auch gegenüber einem erfolglosen Wahlbewerber nach § 15III 2 KSchG innerhalb von sechs Monaten nach Bekanntgabe
des Wahlergebnisses unzulässig (zugleich Bestätigung der Urteile BAG, AP § 13 KSchG a. F. Nr. 18; BAGE 35, 17 = AP § 15KSchG 1969 Nr. 10), (BAG,
Urteil vom 09.04.1987 - 2 AZR 279/86, NZA 1987, 807).
Bei der Interessenabwägung im Rahmen einer außerordentlichen Kündigung nach den §§ 626BGB, 15 KSchG ist zur Ermittlung der (fiktiven) Frist zur
ordentlichen Kündigung vorläufig weiterhin die Regelung des § 622 II BGB zugrunde zu legen (BAG, Urteil vom 02.04.1987 - 2AZR 418/86, NZA 1987, 808).
Die Grundsätze über das Vorliegen eines gemeinsamen Betriebes (vgl. zuletzt Senat, NZA1986, 600 sowie BAG, NZA 1987, 131 = EzA § 4 BetrVG Nr. 5)
gelten auch für die Kündigung von Mitgliedern der Betriebsverfassungsorgane wegen Stilllegung des Betriebes oder einerBetriebsabteilung nach § 15 IV und V
KSchG (BAG, Urteil vom 05.03.1987 - 2 AZR 623/85, NZA 1988, 32).
Auch Mitglieder des Wahlvorstandes, die vor Durchführung der Betriebsratswahl ihr Amt niederlegen, erwerben vom Zeitpunkt der Amtsniederlegung an den
sechsmonatigen nachwirkenden Kündigungsschutz des § 15 III 2 KSchG (BAG, Urteil vom 09.10.1986 - 2 AZR650/85, NJW 1987, 1663).
Der nachwirkende Kündigungsschutz ehemaliger Personalratsmitglieder nach § 15 II 2 KSchG greift nicht ein, wenn ein auf Probe beschäftigter
Dienstordnungs-Angestellter eines Sozialversicherungsträgers, für dessen Dienstverhältnis nach der Dienstordnung die Vorschriften für Bundesbeamte auf
Probe gelten, wegen mangelnder Bewährung nach § 31 I Nr.2 BBG entlassen wird (BAG, Urteil vom 05.09.1986 - 7 AZR 193/85, NZA 1987, 636 L).
Die in einer nichtigen Wahl gewählten Wahlvorstandsmitglieder genießen nicht den besonderen Kündigungsschutz des § 15 III KSchG (BAG, Urteil vom
07.05.1986 - 2 AZR 349/85, NZA1986, 753).
Der Senat hält daran fest, daß eine ordentliche Änderungskündigung gegenüber einem durch §15 KSchG geschützten Arbeitnehmer auch dann unzulässig ist,
wenn der Arbeitgeber dadurch die Arbeitsbedingungen des Amtsträgers denen einer Gruppe von Arbeitnehmern anpassen will, zu der auch der Amtsträger
gehört. Ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Änderungskündigung setzt zunächst auf seiten des Kündigenden voraus, daß für ihn die Fortsetzung
derjenigen bisherigen Bedingungen unzumutbar geworden ist. Darüber hinausmüssen die neuen Bedingungen dem Gekündigten zumutbar sein (BAG, Urteil
vom 06.03.1986- 2 ABR 15/85, NZA 1987, 102).
Im Falle des Konkurses erscheint es gerechtfertigt, die Regelung des § 15 IV KSchG (Stilllegung des Betriebs) auf die Arbeitnehmer zu übertragen, denen der
Arbeitgeber aufgrund Tarifvertrags nicht ordentlich kündigen darf (BAG, Urteil vom 07.06.1984 - 2 AZR 602/82,NJW 1985, 1238).
Fehlt es bei einem aus mehreren räumlichen nah beieinander liegenden Betriebsteilenbestehenden Betriebs an der Verfolgung eines betriebsteil übergreifenden
Betriebszwecks, können auch organisatorisch abgrenzbare Teile eines Betriebsteils, sofern sie jeweils einepersonelle Einheit darstellen, über einen eigenen
Betriebszweck verfolgen, eineBetriebsabteilung i. S. § 15 V darstellen (BAG, Urteil vom 20.01.1984 - 7 AZR 443/82 , NZA1984, 38).
Besteht ein Betrieb aus mehreren räumlich nah beieinander liegenden Betriebsteilen und befinden sich in diesen Betriebsstellen organisatorisch abgrenzbare
Arbeitseinheiten, die jeweils denselben Betriebszweck verfolgen, so bilden diese Arbeitseinheiten jeweils gemeinsam eineBetriebsabteilung i. S. des § 15 V
KSchG (BAG, Urteil vom 20.01.1984 - 7 AZR 442/82, NZA1984, 38).
Ein Betriebsratsmitglied genießt den besonderen Kündigungsschutz des § 15 I Satz 1 KSchG auch dann, wenn zwar bereits vor Ausspruch der Kündigung
durch Beschluss des Arbeitsgerichts seine Nichtwählbarkeit (hier: wegen Status eines leitenden Angestellten)festgestellt worden war, diese gerichtliche
Entscheidung aber erst später rechtskräftig geworden ist (BAG, Urteil vom 29.09.1983 - 2 AZR 212/82, DB 1984, 302).
Der Sonderschutz des § 15 wird nicht umgangen, wenn ein Arbeitnehmer während der Laufzeit eines befristeten Arbeitsvertrages in den Personalrat gewählt
wird. Etwas anderes gilt jedoch für Arbeitnehmer, die zwar während der Laufzeit eines befristeten Arbeitsvertrages in den Personalrat gewählt worden sind,
aber während ihrer Amtszeit im Anschluß an die Erstbefristung erneut nur befristet weiterbeschäftigt werden (BAG, Urteil vom 17.02.1983 - 2AZR 481/81,
NJW 1983, 1927).
Vor der außerordentlichen Kündigung eines Betriebsobmanns muß der Arbeitgeber dann, wenn ein gewähltes Ersatzmitglied für den Betriebsrat fehlt, analog §
103 Abs. 2 BetrVG im Beschlussverfahren die Zustimmung des Arbeitsgerichts einholen (im Anschluß an BAGE 28,152 = DB 1976, 2164: BAGE 30,43 und
BAGE 30, 320 = DB 1979, 359), (BAG, Urteil vom 16.12.1982 - 2 AZR 76/81, DB 1983, 1049).
Um nicht tendenzbezogene und damit tendenzneutrale Leistungsstörungen handelt es sich dann, wenn bei einem Tendenzträger Leistungsmängel auftreten, die
keinen unmittelbaren Bezug zudem verfolgten Tendenzzweck haben. § 15 I 1 verbietet jedenfalls auch solche ordentlichen Kündigungen, die ein
Tendenzunternehmen gegenüber einem dem Betriebsrat angehörendenTendenzträger (hier: Solo- und Erster Hornist in einem Symphonieorchester) wegen
nichttendenzbezogener Leistungsmängel erklärt. Dadurch wird die Kunstfreiheit nicht beeinträchtigt (BAG, Urteil vom 03.11.1982 - 7 AZR 5/81, NJW 1983,
1221).
Der Betriebsstilllegung, d. h. der Einstellung der betrieblichen Arbeit unter Auflösung der Produktionsgemeinschaft für eine unabsehbare oder zumindest für
eine relativ lange Zeit, steht die kurzfristige Weiterbeschäftigung einiger weniger Arbeitnehmer mit Abwicklungs- oder Aufräumungsarbeiten nicht entgegen
(Bestätigung von BAG, NJW 1957, 1855; st. Rechtsprechung). Zur Wahrnehmung und Abwicklung seiner gesetzlichen Aufgaben behält der Betriebsrat auch
nach der Betriebsstilllegung ein sogenanntes Restmandat. Dies setzt nichtnotwendigerweise den Fortbestand der Arbeitsverhältnisse der Betriebsratsmitglieder
über den Zeitpunkt der Betriebsstilllegung voraus (BAG, Urteil vom 14.10.1982 - 2 AZR 568/80, NJW1984, 381).
Zum Umfang der Darlegungslast des Arbeitgebers im Kündigungsschutzprozess bei einer auf §15 V 2 KSchG gestützten Kündigung (BAG, Urteil vom
25.11.1981 - 7 AZR 382/79, NJW1982, 1719).
Nach § 15 ist eine ordentliche Kündigung, die gegenüber einem Mitglied des Betriebsrats oder der Personalvertretung (oder einem der sonst geschützten
Arbeitnehmer) zum Zweck der Änderung der Arbeitsbedingungen ausgesprochen wird, auch dann unzulässig, wenn gleichzeitig allen anderen Arbeitnehmern
des Betriebes oder einer Betriebsabteilung eine derartige Änderungskündigung erklärt wird. Zu den durch § 15 KSchG geschützten Arbeitnehmern gehören
auch die Mitglieder der Betriebsvertretung für deutsche Arbeitnehmer bei den alliiertenStreitkräften. Die sich aus § 15 ergebende Unzulässigkeit einer
Änderungskündigung ist bei einer Klage gegen eine nach § 2 unter Vorbehalt angenommenen Kündigung jedenfalls dann zu berücksichtigen, wenn der
Arbeitnehmer über den nach § 4 S. 2 vorgesehenen Antrag hinaus auf Feststellung klagt, daß die Änderung der Arbeitsbedingungen im Zusammenhang mit
einerbestimmten Änderungskündigung unwirksam ist (BAG, Urteil vom 29.01.1981 - 2 AZR 778/78,NJW 1982, 252).
***
Will ein Arbeitgeber einen Funktionsträger (hier: Vertrauensmann der Schwerbehinderten) unter Berufung auf § 15 V KSchG (Schließung einer Abteilung)
kündigen, muss er darlegen, dass der Betrieb aus mehreren voneinander abgrenzbaren Abteilungen besteht. Ist streitig, ob der Arbeitnehmer zuvor in die zu
schließende Abteilung versetzt worden ist, muss der Arbeitgeber die Voraussetzungen für die Rechtswirksamkeit der Versetzung darlegen (LAG Köln, Urteil
vom 26.06.2006 - 14 Sa 111/06, NZA-RR 2006, 575).
Die Betriebsabteilung i. S. des § 15 V KSchG ist abzugrenzen vom Betriebsteil. Maßgebliches Differenzierungskriterium ist die eigenständige arbeitstechnische
Zwecksetzung, die dieBetriebsabteilung charakterisiert. In einem überbetrieblichen Ausbildungszentrum stellt der einzelne Ausbildungsbereich (Gewerk) keine
Betriebsabteilung dar, da ein gemeinsamer arbeitstechnischer Zweck - die Aus- und Fortbildung der Teilnehmer und Teilnehmerinnen der Maßnahmen -
verfolgt wird. Es fehlt auch an einer organisatorischen Einheit des Bereichs, wenn Ausbilder und Arbeitsmittel bereichsübergreifend eingesetzt werden, auch
wenn dies nur im Rahmen der jeweiligen Grundausbildung erfolgt (LAG Brandenburg, Urteil vom 12.10.2001 -5 Sa 603/00, NZA-RR 2002, 520).
Beschließt ein Arbeitgeber, Betriebsabteilungen auf einen Erwerber zu übertragen und gleichzeitig die verbleibenden Abteilungen stillzulegen, so hat er gem. §
15 V KSchG geschützte Funktionsträger im Rahmen des betrieblich Möglichen in die zu übertragende Betriebsabteilung zu übernehmen mit der Folge, daß
deren Arbeitsverhältnisse auf den Erwerberübergehen. Kommt der Veräußerer der Verpflichtung zur Übernahme der Funktionsträger in die zu übertragende
Betriebsabteilung bis zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs nicht nach, geht das Arbeitsverhältnis des geschützten Funktionsträgers in erweiternder Auslegung
von § 613a BGB gleichwohl auf den Erwerber über, sofern der Funktionsträger nicht widerspricht. Im Rechtsstreit kann der Funktionsträger den Übergang des
Arbeitsverhältnisses unmittelbargegenüber dem Erwerber geltend machen. Dieser kann gem. § 15 V 2 KSchG einwenden, dass der zu schließende Betriebsteil
eine Betriebsabteilung i. S. von § 15 V KSchG darstelle und dem Veräußerer eine Übernahme des Funktionsträgers in eine der zu veräußernden Abteilungen
aus betrieblichen Gründen nicht möglich war (LAG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 16.03.1999 - 8 Sa589/98, NZA-RR 1999, 574).
Auch gegenüber einem Betriebsratsmitglied kann unter den sonst maßgeblichen Voraussetzungen eine außerordentliche Verdachtskündigung ausgesprochen
werden (LAG Berlin, Urteil vom 03.08.1998 - 9 TaBV 4/98, NZA-RR 1999, 523 L).
Ein ehemaliges Betriebsratsmitglied, das den einjährigen Nachschutz genießt, kann nicht fristlosentlassen werden, wenn es während seiner aktiven Tätigkeit
Telefongespräche aufzeichnet, demGremium Betriebsrat vorgespielt und danach gelöscht hat, die ihm während derBetriebsratssitzungen von dem Arbeitgeber
zur Behandlung von deren Inhalten und derlaufenden Sitzung übermittelt worden sind. Das ehemalige Betriebsratsmitglied konnte von derstillschweigenden
Einwilligung des Arbeitgebers für seine Handlungsweise ausgehen (LAG Hamm, Urteil vom 05.11.1997 - 3 Sa 1021/97, NZA-RR 1998, 350).
Ein in einem Kündigungsschreiben variabel gehaltener Zeitraum einer geplanten Betriebsstilllegung bis zu 5 Monaten stellt keine Stilllegungsabsicht des
Arbeitgebers und damit keinen betriebsbedingen Kündigungsgrund dar (LAG Berlin, Urteil vom 22.04.1997 - 11 Sa141/96, NZA-RR 1997, 471).
Erfolgt eine Kündigung aus Anlass einer etappenweise erfolgenden Betriebsstilllegung, so trifft den Arbeitgeber die Darlegungslast für die fehlende
Weiterbeschäftigungsmöglichkeit der Arbeitnehmerin in den verbleibenden Betriebsabteilungen (LAG München, Urteil vom18.12.1996 - 7 Sa 740/96,
NZA-RR 1997, 472).
Das Betriebsratsmitglied steht hinsichtlich der Beurteilung des wichtigen Grundes zur außerordentlichen Kündigung im Grundsatz jedem anderen
Arbeitnehmer gleich. Die Eigenschaft als Amtsträger im Sinn des § 15 KSchG darf weder zu seinen Gunsten noch zu seinen Ungunsten berücksichtigt werden
(LAG Köln, Urteil vom 28.11.1996 - 6 Sa 844/96,NZA 1997, 1166 L).
Der Entschluss des Arbeitgebers (Musikschule), seine sämtlichen Arbeitnehmer(Musikschullehrer) zu entlassen, um seine bisherigen betrieblichen Aktivitäten
künftig und auf Dauer nur noch - in arbeitsrechtlich zulässiger Weise - mit freien Mitarbeitern fortzusetzen, ist eine gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbare
Unternehmerentscheidung, die rechtlich dem Entschluss zur Betriebsstilllegung - auch i. S. von § 15 IV KSchG - gleichkommt (LAG Köln, Urteil vom
28.06.1996 - 11 (12) Sa 296/96, NZA-RR 1997, 130).
Nimmt ein (bisher freigestelltes) Betriebsratsmitglied ein auf mehrere Jahre befristetes Wahlamt als gewerkschaftlicher Landesvorsitzender an, ohne daß ihn
der Arbeitgeber von seinen arbeitsvertraglichen Pflichten freistellt, kann dieser Umstand eine außerordentliche fristloseKündigung des Arbeitgebers
rechtfertigen (LAG Berlin, Urteil vom 16.10.1995 - 9 TaBV 5/95,NZA-RR 1996, 368).
Der nachwirkende einjährige Kündigungsschutz gem. § 15 I 2 KSchG steht einem Ersatzmitglied des Betriebsrats nach Beendigung seiner Betriebsratstätigkeit
unabhängig von der Dauer seiner Amtszeit bzw. seines Einsatzes im Betriebsrat zu. Die Betriebsratstätigkeit eines Ersatzmitgliedes setzt nicht die tatsächliche
Teilnahme an einer Betriebsratssitzung voraus; ausreichend ist vielmehr bereits eine Ladung und Vorbereitung des Betreffenden zu dieser Sitzung. Schon
während dieser Phase kann das Ersatzmitglied amtsbedingt in eineKonfliktstellung zum Arbeitgeber geraten, insbesondere wenn dieser die Teilnahme and
erBetriebsratssitzung dadurch verhindert, daß er eine betriebsbedingte Unabkömmlichkeit des Ersatzmitgliedes einwendet (LAG Brandenburg, Urteil vom
09.06.1995 - 5 Sa 205/95; AuA1996, 63).
Ein deutscher Arbeitnehmer bei den alliierten Streitkräften, der Ersatzmitglied einerBetriebsvertretung ist und wegen der Verhinderung eines Vollmitglieds an
einer Sitzung der Betriebsvertretung teilgenommen hat, genießt den nachwirkenden Kündigungsschutz des § 15I Satz 2 KSchG. Im Falle der Schließung der
Dienststelle, in der das (Ersatz-)Mitglied der Betriebsvertretung beschäftigt ist, ist dem (Ersatz-)Mitglied der Betriebsvertretung ein vergleichbarer freier
Arbeitsplatz in einer anderen Dienststelle anzubieten (LAG Nürnberg, Urteil vom 10.03.1994 - 8 Sa 142/94, NZA 1995, 272 L).
Der besondere (nachwirkende) Kündigungsschutz für ein Ersatzmitglied des Betriebsrats gem.§ 15 I KSchG greift bereits dann ein, wenn der Betroffene zur
Vertretung eines verhinderten ordentlichen Betriebsratsmitglieds aufgefordert worden ist, er aber an der Betriebsratssitzung deshalb nicht teilnimmt, weil sein
Vorgesetzter ihm diese wegen "Unabkömmlichkeit" untersagt (LAG Brandenburg, Urteil vom 25.10.1993 - 5 (3) Sa 425/93, AuA 1994, 361).
Personalratsmitglieder genießen auch bei einer Kündigung nach den besonderen Bestimmungen des EinigV (Anlage I Kap. XIX Sachgeb. A Abschn. III Nr. 1
Abs. 5 und 5) den Kündigungsschutz des § 15 II KSchG (Fortführung von LAG Chemnitz vom 19.8.1992 - 2 Sa46//92 - Dresden), (LAG Sachsen, Urteil vom
14.10.1992 - 2 Sa 102/92, AuA 1993, 121).
§ 16 Neues Arbeitsverhältnis; Auflösung des alten Arbeitsverhältnisses
Stellt das Gericht die Unwirksamkeit der Kündigung einer der in § 15 Abs. 1 bis 3a genannten Personen fest, so kann diese Person, falls sie inzwischen ein
neues Arbeitsverhältnis eingegangen ist, binnen einer Woche nach Rechtskraft des Urteils durch Erklärung gegenüber dem alten Arbeitgeber die
Weiterbeschäftigung bei diesem verweigern. Im übrigen finden die Vorschriften des § 11 und des § 12 Satz 2 bis 4 entsprechende Anwendung.
§ 17 Anzeigepflicht
(1) Der Arbeitgeber ist verpflichtet, der Agentur für Arbeit Anzeige zu erstatten, bevor er
1. in Betrieben mit in der Regel mehr als 20 und weniger als 60 Arbeitnehmern mehr als 5 Arbeitnehmer,
2. in Betrieben mit in der Regel mindestens 60 und weniger als 500 Arbeitnehmern 10 vom Hundert der im Betrieb regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer
oder aber mehr als 25 Arbeitnehmer,
3. in Betrieben mit in der Regel mindestens 500 Arbeitnehmern mindestens 30 Arbeitnehmer innerhalb von 30 Kalendertagen entlässt. Den Entlassungen stehen
andere Beendigungen des Arbeitsverhältnisses gleich, die vom Arbeitgeber veranlasst werden.
(2) Beabsichtigt der Arbeitgeber, nach Absatz 1 anzeigepflichtige Entlassungen vorzunehmen, hat er dem Betriebsrat rechtzeitig die zweckdienlichen
Auskünfte zu erteilen und ihn schriftlich insbesondere zu unterrichten über
1. die Gründe für die geplanten Entlassungen,
2. die Zahl und die Berufsgruppen der zu entlassenden Arbeitnehmer,
3. die Zahl und die Berufsgruppen der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer,
4. den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen,
5. die vorgesehenen Kriterien für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer,
6. die für die Berechnungen etwaiger Abfindungen vorgesehenen Kriterien. Arbeitgeber und Betriebsrat haben insbesondere die Möglichkeiten zu beraten,
Entlassungen zu vermeiden oder einzuschränken und ihre Folgen zu mildern.
(3) Der Arbeitgeber hat gleichzeitig der Agentur für Arbeit eine Abschrift der Mitteilung an den Betriebsrat zuzuleiten; sie muss zumindest die in Absatz 2 Satz
1 Nr. 1 bis 5 vorgeschriebenen Angaben enthalten. Die Anzeige nach Absatz 1 ist schriftlich unter Beifügung der Stellungnahme des Betriebsrates zu den
Entlassungen zu erstatten. Liegt eine Stellungnahme des Betriebsrates nicht vor, so ist die Anzeige wirksam, wenn der Arbeitgeber glaubhaft macht, dass er den
Betriebsrat mindestens zwei Wochen vor Erstattung der Anzeige nach Absatz 2 Satz 1 unterrichtet hat, und er den Stand der Beratungen darlegt. Die Anzeige
muss Angaben über den Namen des Arbeitgebers, den Sitz und die Art des Betriebes enthalten, ferner die Gründe für die geplanten Entlassungen, die Zahl und
die Berufsgruppen der zu entlassenden und der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer, den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen
und die vorgesehenen Kriterien für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer. In der Anzeige sollen ferner im Einvernehmen mit dem Betriebsrat für die
Arbeitsvermittlung Angaben über Geschlecht, Alter, Beruf und Staatsangehörigkeit der zu entlassenden Arbeitnehmer gemacht werden. Der Arbeitgeber hat
dem Betriebsrat eine Abschrift der Anzeige zuzuleiten. Der Betriebsrat kann gegenüber der Agentur für Arbeit weitere Stellungnahmen abgeben. Er hat dem
Arbeitgeber eine Abschrift der Stellungnahme zuzuleiten.
(3a) Die Auskunfts-, Beratungs- und Anzeigepflichten nach den Absätzen 1 bis 3 gelten auch dann, wenn die Entscheidung über die Entlassungen von einem
den Arbeitgeber beherrschenden Unternehmen getroffen wurde. Der Arbeitgeber kann sich nicht darauf berufen, dass das für die Entlassungen verantwortliche
Unternehmen die notwendigen Auskünfte nicht übermittelt hat.
(4) Das Recht zur fristlosen Entlassung bleibt unberührt. Fristlose Entlassungen werden bei Berechnung der Mindestzahl der Entlassungen nach Absatz 1 nicht mitgerechnet.
(5) Als Arbeitnehmer im Sinne dieser Vorschrift gelten nicht
1. in Betrieben einer juristischen Person die Mitglieder des Organs, das zur gesetzlichen Vertretung der juristischen Person berufen ist,
2. in Betrieben einer Personengesamtheit die durch Gesetz, Satzung oder Gesellschaftsvertrag zur Vertretung der Personengesamtheit berufenen Personen,
Geschäftsführer, Betriebsleiter und ähnliche leitende Personen, soweit diese zur selbständigen Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt sind.
Leitsätze/Entscheidungen:
Ist vor Ausspruch einer Kündigung ein nach § 17 Abs. 2 KSchG erforderliches Konsultationsverfahren nicht durchgeführt worden, ist die Kündigung wegen
Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot iSv. § 134 BGB rechtsunwirksam (BAG, Urteil vom 21.03.2013 - 2 AZR 60/12).
***
Beabsichtigt der Arbeitgeber Massenentlassungen, hat er den Betriebsrat nach § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG schriftlich u.a. über die Gründe für die geplanten
Entlassungen zu unterrichten.Ob "schriftlich" in diesem Zusammenhang bedeutet, dass die Unterrichtung der Formvorschrift des § 126 Abs. 1 BGB genügen
muss, kann offenbleiben.Hat der Arbeitgeber die von § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG geforderten Angaben in einem nicht unterzeichneten Text dokumentiert und
diesen dem Betriebsrat zugeleitet, genügt die abschließende Stellungnahme des Betriebsrats zu den Entlassungen, um einen etwaigen Schriftformverstoß zu
heilen (BAG, Urteil vom 20.09.2012 - 6 AZR 155/11).
***
Wird einer Massenentlassungsanzeige entgegen § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG keine Stellungnahme des Betriebsrats beigefügt und sind auch die Voraussetzungen
des § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG nicht erfüllt, kann das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung des Arbeitgebers nicht aufgelöst werden.Dies gilt auch
dann, wenn die Arbeitsverwaltung einen Verwaltungsakt nach § 18 Abs. 1 oder Abs. 2 KSchG erlassen hat und dieser bestandskräftig geworden ist. Ein solcher
Bescheid entfaltet weder gegenüber dem Arbeitnehmer noch gegenüber der Arbeitsgerichtsbarkeit materielle Bestandskraft (BAG, Urteil vom 28.06.2012 - 6
AZR 780/10).
***
„... II. § 17 KSchG steht der Kündigung nicht entgegen. Das Landesarbeitsgericht hat rechtsfehlerhaft einen Verstoß gegen § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG angenommen.
1. Eine Verletzung der Konsultationspflicht gemäß § 17 Abs. 2 KSchG hat der Kläger nicht gerügt (vgl. zur Verteilung der Darlegungs- und Beweislast für das
ordnungsgemäße Verfahren nach § 17 KSchG BAG 18. Januar 2012 - 6 AZR 407/10 - Rn. 31).
2. Ein Verstoß gegen die Anzeigepflicht aus § 17 Abs. 1, Abs. 3 Satz 2 KSchG, die uneingeschränkt auch für den Insolvenzverwalter gilt (BAG 18. Januar 2012
- 6 AZR 407/10 - Rn. 29), als solche liegt nicht vor. Das Landesarbeitsgericht hat bindend festgestellt, dass der Beklagte der örtlichen Agentur für Arbeit mit
Schreiben vom 8. Oktober 2009 die Massenentlassung angezeigt hat und dieses Schreiben dort spätestens am 12. Oktober 2009 vor Erklärung der
streitbefangenen Kündigung eingegangen ist.
3. Der Beklagte hat der Anzeige auch - wie von § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG verlangt - die Stellungnahme des Betriebsrats beigefügt. Dafür genügte die
Beifügung des Interessenausgleichs vom 8. Oktober 2009, in dem der Betriebsrat unter § 4 Abs. 3 zur beabsichtigten Massenentlassung abschließend Stellung
genommen hatte.
a) Hat der Betriebsrat eine Stellungnahme zu dem Ergebnis der nach § 17 Abs. 2 KSchG mit dem Arbeitgeber geführten Beratungen abgegeben, ist diese gemäß
§ 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG der Anzeige der Massenentlassung gegenüber der örtlichen Agentur für Arbeit beizufügen. Haben Betriebsrat und Arbeitgeber einen
Interessenausgleich mit Namensliste geschlossen, ersetzt dieser gemäß § 125 Abs. 2 InsO die Stellungnahme des Betriebsrats. In einem solchen Fall genügt also
die Beifügung des Interessenausgleichs mit Namensliste den Anforderungen des § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG. Dies gilt selbst dann, wenn im Interessenausgleich
keine Bekundungen des Betriebsrats zu den Beratungen mit dem Arbeitgeber enthalten sind.
b) Ein Interessenausgleich ohne Namensliste, wie er im vorliegenden Fall vereinbart worden ist, kann zwar mangels gesetzlicher Anordnung die Stellungnahme
des Betriebsrats nach § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG nicht ersetzen. Die Stellungnahme des Betriebsrats wird nur in den Fällen des § 1 Abs. 5 Satz 4 KSchG und
des § 125 Abs. 2 InsO durch die Betriebsratsbeteiligung in anderen Zusammenhängen ersetzt (APS/Moll 4. Aufl. § 17 KSchG Rn. 112). Mit Ausnahme dieser
Fälle gibt der Betriebsrat eine Stellungnahme iSv. § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG durch die Ausübung anderer betriebsverfassungsrechtlicher oder sonstiger Rechte
nicht ab. Davon ist auch das Landesarbeitsgericht zutreffend ausgegangen. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts geht es im vorliegenden Fall
aber nicht um die Ersetzung der Stellungnahme durch einen Interessenausgleich ohne Namensliste, sondern darum, ob eine in einen Interessenausgleich ohne
Namensliste integrierte Stellungnahme des Betriebsrats den Anforderungen des § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG genügt oder ob dafür eine separate Stellungnahme
des Betriebsrats in einem eigenständigen Dokument erforderlich ist.
c) § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG verlangt keine Stellungnahme des Betriebsrats in einem eigenständigen Dokument.
aa) Aus dem Wortlaut des § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG ergibt sich allerdings nicht, welche Anforderungen an die beizufügende Stellungnahme des Betriebsrats zu
stellen sind. Dem Wort „Beifügung" lässt sich nur entnehmen, dass es sich um eine verkörperte Erklärung handeln muss, nicht jedoch, ob diese in einem
eigenständigen Dokument erfolgen muss.
bb) Aus Sinn und Zweck des § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG folgt, dass eine in einen Interessenausgleich ohne Namensliste integrierte Stellungnahme des
Betriebsrats den gesetzlichen Anforderungen genügt.
(1) Welchem Zweck die gesetzliche Anordnung, der Massenentlassungsanzeige die Stellungnahme des Betriebsrats beizufügen, dient, lässt sich nur in der
Zusammenschau mit den Zwecken der Pflicht zur Konsultation des Betriebsrats nach § 17 Abs. 2 KSchG und zur Erstattung einer Massenentlassungsanzeige
nach § 17 Abs. 1, Abs. 3 KSchG ermitteln.
(a) § 17 KSchG dient in Umsetzung der Richtlinie 98/59/EG des Rates vom 20. Juli 1998 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über
Massenentlassungen - MERL - dem Schutz der Arbeitnehmer vor den Folgen von Massenentlassungen. Hauptziel der MERL ist im Hinblick auf die
sozioökonomischen Auswirkungen von Massenentlassungen, solchen Entlassungen Konsultationen mit Arbeitnehmervertretern und die Unterrichtung der
zuständigen Behörde vorangehen zu lassen (vgl. EuGH 15. Februar 2007 - C-270/05 - [Athinaïki Chartopoiïa] Rn. 28, Slg. 2007, I-1499; 10. Dezember 2009 -
C-323/08 - [Rodríguez Mayor] Rn. 44, Slg. 2009, I-11621). Die Konsultation mit den Arbeitnehmervertretern erstreckt sich auf die Möglichkeit,
Massenentlassungen zu vermeiden oder zu beschränken, sowie auf die Möglichkeit, ihre Folgen durch soziale Begleitmaßnahmen, die insbesondere Hilfen für
eine anderweitige Verwendung oder Umschulung der entlassenen Arbeitnehmer zum Ziel haben, zu mildern (vgl. EuGH 10. Dezember 2009 - C-323/08 -
[Rodríguez Mayor] Rn. 43, aaO; 3. März 2011 - C-235/10 bis C-239/10 - [Claes] Rn. 56, NZA 2011, 337). Die Agentur für Arbeit soll die Möglichkeit haben,
rechtzeitig Maßnahmen zur Vermeidung oder wenigstens zur Verzögerung von Belastungen des Arbeitsmarkts einzuleiten und für anderweitige
Beschäftigungen der Entlassenen zu sorgen (BAG 18. Januar 2012 - 6 AZR 407/10 - Rn. 45).
(b) Ausgehend von diesen Zielen soll die von § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG verlangte Beifügung der Stellungnahme des Betriebsrats zur Anzeige gegenüber der
Agentur für Arbeit belegen, ob und welche Möglichkeiten dieser sieht, die angezeigten Kündigungen zu vermeiden. Sie soll zugleich belegen, dass soziale
Maßnahmen mit dem Betriebsrat beraten und ggf. getroffen worden sind (vgl. BAG 18. Januar 2012 - 6 AZR 407/10 - Rn. 45). Schließlich soll das
Beifügungserfordernis verhindern, dass der Arbeitgeber eine für ihn ungünstige Stellungnahme des Betriebsrats gegenüber der Agentur für Arbeit verschweigt,
um eine für ihn günstige Entscheidung der Behörde zu erwirken (vgl. APS/Moll 4. Aufl. § 17 KSchG Rn. 111).
(2) Diesen Zwecken genügt eine in den Interessenausgleich integrierte abschließende Stellungnahme des Betriebsrats, die erkennen lässt, dass sie sich auf die
angezeigten Kündigungen bezieht (vgl. Bissels jurisPR-ArbR 12/2011 Anm. 2; Grau/Sittard BB 2011, 1845, 1850; ErfK/Kiel 12. Aufl. § 17 KSchG Rn. 32;
jeweils mit Formulierungsvorschlag: Krieger/Ludwig NZA 2010, 919, 921; Mückl ArbRAktuell 2011, 238, 239 f.; Schramm/Kuhnke NZA 2011, 1071, 1073).
Das gilt umso mehr, als die Unterrichtungspflichten nach § 111 BetrVG und § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG weitgehend übereinstimmen. Die Verfahrensregelungen
der §§ 111 ff. BetrVG gewährleisten eine umfangreiche Information des Betriebsrats und ernsthafte Beratungen über Alternativlösungen iSd. MERL (vgl. BAG
18. September 2003 - 2 AZR 79/02 - zu B III 1 b der Gründe, BAGE 107, 318; 30. März 2004 - 1 AZR 7/03 - zu II 2 b aa der Gründe, BAGE 110, 122;
ausführlich Hinrichs Kündigungsschutz und Arbeitnehmerbeteiligung bei Massenentlassungen S. 166 bis 169; vgl. auch Krieger/Ludwig aaO; Mückl aaO;
Niklas/Koehler NZA 2010, 913, 915; Schramm/Kuhnke aaO). Mit seiner Unterschrift unter einen solchen Interessenausgleich dokumentiert der Betriebsrat
seine Meinung zu der anstehenden Massenentlassung abschließend und bringt zum Ausdruck, dass er das Konsultationsverfahren als abgeschlossen ansieht.
Verlangte man vom Arbeitgeber, sich für die Massenentlassungsanzeige vom Betriebsrat zusätzlich zu dessen bereits in den Interessenausgleich
aufgenommener Stellungnahme diese in einem gesonderten Schreiben wiederholen zu lassen oder die Stellungnahme aus dem Interessenausgleich
herauszukopieren und auf einem Extrablatt auszudrucken, wäre dies ein überflüssiger Formalismus. Ein größerer Erkenntniswert oder Informationsgewinn für
die Agentur für Arbeit wäre damit nicht verbunden (in diesem Sinn auch Bissels aaO).
(3) Dem lässt sich, anders als der Kläger meint, nicht entgegenhalten, dass der Betriebsrat im Interessenausgleich, der einen zweiseitigen Vertrag zwischen
Arbeitgeber und Betriebsrat darstelle, nicht die von § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG verlangte einseitige Stellungnahme abgeben könne. Beim Interessenausgleich
handelt es sich nicht um einen zweiseitigen Vertrag, sondern um eine kollektive Vereinbarung besonderer Art, deren Rechtsqualität nicht abschließend geklärt
ist (vgl. BAG 3. Mai 2006 - 1 ABR 15/05 - Rn. 27, BAGE 118, 131). In dieser Vereinbarung kann jede der Betriebsparteien einseitige Erklärungen abgeben, sei
es der Arbeitgeber zu den Gründen der Betriebsänderung, sei es der Betriebsrat in Form der Stellungnahme zu der Anhörung nach § 102 BetrVG (vgl.
APS/Koch 4. Aufl. § 102 BetrVG Rn. 117a) oder zu der Unterrichtung nach § 17 Abs. 2 KSchG.
cc) Das Argument des Landesarbeitsgerichts, dass es nicht Sache der Agentur für Arbeit sei, vom Arbeitgeber der Anzeige beigefügte, beliebige Unterlagen mit
Erklärungen der Betriebspartner wie etwa einen Interessenausgleich daraufhin zu untersuchen, ob sich hieraus im Wege der Auslegung eine Stellungnahme des
Betriebsrats iSd. § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG ableiten lasse, überzeugt nicht.
(1) Zum einen berücksichtigt das Landesarbeitsgericht nicht, dass der Beklagte sowohl in der Massenentlassungsanzeige als auch im Begleitschreiben an die
Agentur für Arbeit ausdrücklich auf die im Interessenausgleich erfolgte Stellungnahme des Betriebsrats hingewiesen und den Inhalt von § 4 des
Interessenausgleichs im Anschreiben wörtlich wiedergegeben hatte. Die Agentur für Arbeit musste deshalb keineswegs die eingereichten Unterlagen auf eine
ggf. darin enthaltene Stellungnahme des Betriebsrats untersuchen und erst recht nicht die Stellungnahme im Wege der Auslegung aus den eingereichten
Unterlagen ableiten. Sie musste lediglich § 4 des als Anlage 4 der Anzeige beigefügten Interessenausgleichs berücksichtigen. Hätte der Beklagte als Anlage 5
der Massenentlassungsanzeige eine gesonderte Stellungnahme des Betriebsrats zur beabsichtigten Massenentlassung beigefügt, wäre der Agentur für Arbeit
kein geringerer Aufwand entstanden (vgl. Bissels jurisPR-ArbR 12/2011 Anm. 2).
(2) Zum anderen gilt für die Entscheidung der Agentur für Arbeit über die Massenentlassungsanzeige nicht, wie das Landesarbeitsgericht anzunehmen scheint,
der Beibringungsgrundsatz. Vielmehr unterliegt das dabei einzuhaltende Verfahren neben den Regelungen des § 20 KSchG den allgemeinen sozialverfahrens-
und verwaltungsrechtlichen Grundsätzen, insbesondere den Bestimmungen des SGB X (vgl. APS/Moll 4. Aufl. § 20 KSchG Rn. 19). Gemäß § 20 SGB X
ermittelt die Behörde den Sachverhalt von Amts wegen. Die Agentur für Arbeit hat also von Amts wegen festzustellen, ob die formellen Voraussetzungen der
Anzeige erfüllt sind. Dazu gehört auch die Prüfung, ob der Anzeige - wie von § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG verlangt - die Stellungnahme des Betriebsrats
beigefügt ist. Bei Zweifeln muss die Agentur für Arbeit beim Arbeitgeber gemäß § 20 Abs. 3 KSchG rückfragen (vgl. Mückl ArbRAktuell 2011, 238, 240).
Entsprechend diesen gesetzlichen Anforderungen stellt die Agentur für Arbeit selbst in ihrer Praxis keine hohen Anforderungen an die Form der Stellungnahme
(vgl. Nr. 17.33 der Durchführungsanweisungen der Bundesagentur für Arbeit zum Dritten und Vierten Abschnitt des Kündigungsschutzgesetzes Stand Juli
2005 zu § 17 Abs. 3).
d) Die in § 4 des Interessenausgleichs vom 8. Oktober 2009 abgegebene Stellungnahme des Betriebsrats genügt den Anforderungen des § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG.
aa) Der Interessenausgleich vom 8. Oktober 2009 war der an die Agentur für Arbeit übersandten Massenentlassungsanzeige beigefügt. Dies hat zwar das
Landesarbeitsgericht nicht bindend iSv. § 559 Abs. 2 ZPO festgestellt. Diese Behauptung des Beklagten ist jedoch gemäß § 138 Abs. 3 ZPO unstreitig
geworden und daher der Entscheidung zugrunde zu legen.
(1) Die Anforderungen an die Substantiierungslast des Bestreitenden hängen grundsätzlich davon ab, wie substantiiert der darlegungspflichtige Gegner
vorgetragen hat. Ob und inwieweit die nicht darlegungsbelastete Partei ihren Sachvortrag substantiieren muss, lässt sich nur aus dem Wechselspiel von Vortrag
und Gegenvortrag bestimmen, wobei die Ergänzung und Aufgliederung des Sachvortrags bei hinreichendem Gegenvortrag immer zunächst Sache der
darlegungs- und beweispflichtigen Partei ist (BGH 3. Februar 1999 - VIII ZR 14/98 - zu II 2 b aa der Gründe, NJW 1999, 1404).
(2) Der Kläger hat die Beifügung des Interessenausgleichs zunächst zulässig mit Nichtwissen bestritten. Im Hinblick auf das daraufhin vom Beklagten
vorgelegte Telefaxprotokoll seines Schreibens an die Agentur für Arbeit wäre es Aufgabe des Klägers gewesen, seinen Sachvortrag insoweit zu substantiieren.
Da er dies nicht getan hat, ist die Übersendung des Interessenausgleichs an die Agentur für Arbeit unstreitig geworden.
bb) Der Betriebsrat hat im Interessenausgleich vom 8. Oktober 2009 eine eindeutige und abschließende Stellungnahme abgegeben. Der Erklärung in § 4 Abs. 3
des Interessenausgleichs, dass dem Betriebsrat die nach § 17 Abs. 2 KSchG erforderlichen Auskünfte erteilt worden seien, dieser abschließend keine
Möglichkeiten sehe, die beabsichtigten Entlassungen zu vermeiden, und das Konsultationsverfahren somit abgeschlossen sei, lassen sich drei Aussagen
entnehmen. Erstens wird zum Ausdruck gebracht, dass der Betriebsrat seine Beteiligungsrechte als gewahrt ansieht. Zweitens enthält § 4 Abs. 3 des
Interessenausgleichs eine eindeutige Meinungsäußerung des Betriebsrats zu den beabsichtigten Entlassungen (für eine Auslegung in diesem Sinn auch: Bissels
jurisPR-ArbR 12/2011 Anm. 2). Drittens wird ausdrücklich erklärt, dass es sich um eine abschließende Stellungnahme handelt. Mehr ist von einer
Stellungnahme iSd. § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG nicht zu verlangen.
4. Die zu II 3 c bb dargestellten Grundsätze zum Verständnis der MERL sind durch die angeführte jüngere Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen
Union geklärt, so dass ein erneutes Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 267 AEUV nicht erforderlich war (vgl. EuGH 6. Oktober 1982 - Rechtssache
283/81 - [C.I.L.F.I.T.] Rn. 14, Slg. 1982, 3415; 15. September 2005 - C-495/03 - [Intermodal Transports] Rn. 33, Slg. 2005, I-8151). Der Senat ist auch nicht
gehalten, dem Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 AEUV die Frage vorzulegen, ob die der Anzeige der Massenentlassung beizufügende
Stellungnahme der Arbeitnehmervertretung auch in einen Interessenausgleich ohne Namensliste integriert sein kann oder in einem separaten Dokument
enthalten sein muss. Diese Frage bedarf keiner Beantwortung durch den Gerichtshof der Europäischen Union am Maßstab des Unionsrechts. Die MERL enthält
selbst keine Regelung, in welcher Form die Stellungnahme der Arbeitnehmervertretung zu erfolgen hat. Die im vorliegenden Rechtsstreit zu beantwortende
Frage betrifft damit keine unionsrechtliche Fragestellung, sondern ausschließlich die Anwendung nationalen Rechts (vgl. BAG 18. Januar 2012 - 6 AZR 407/10
- Rn. 48; zur Vorlagepflicht letztinstanzlicher Gerichte bei der Auslegung von Unionsrecht vgl. BVerfG 7. Juni 2011 - 1 BvR 2109/09 - Rn. 18 ff., ZLR 2011,
608; 24. Oktober 2011 - 2 BvR 1969/09 - Rn. 25 ff.). ..." (BAG, Urteil vom 21.03.2012 - 6 AZR 596/10)
***
Hat der Betriebsrat bzw. sein Vorsitzender die vom Arbeitgeber angekündigte Übergabe eines Anhörungsschreibens zur Kündigung außerhalb des Betriebs
nicht abgelehnt, ist sein Stellvertreter nach § 26 Abs. 2 Satz 2 BetrVG zur Entgegennahme berechtigt, wenn das Anhörungsschreiben dem
Betriebsratsvorsitzenden mangels Anwesenheit nicht ausgehändigt werden kann. Bei einer betriebsübergreifenden Betriebsänderung ersetzt gemäß § 125 Abs. 2
InsO ein vom Insolvenzverwalter mit dem Gesamtbetriebsrat abgeschlossener Interessenausgleich mit Namensliste die Stellungnahmen der örtlichen
Betriebsräte nach § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG zu den vom Insolvenzverwalter beabsichtigten Massenentlassungen (BAG, Urteil vom 07.07.2011 - 6 AZR 248/10).
***
Kündigt ein Lizenzgeber den Lizenzvertrag, so übernimmt er mit Ablauf der Kündigungsfrist vom Lizenznehmer jedenfalls dann kein "Betriebsmittel", wenn er
während der Laufzeit der Lizenz selbst das Patentrecht zur uneingeschränkten Eigennutzung (parallel zum Lizenznehmer) ebenfalls innehatte. Grundsätzlich ist
einer Massenentlassungsanzeige nach § 17 II 1 und 2 KSchG eine Stellungnahme des Betriebsrats beizufügen. Aus § 17 III 3 KSchG ergibt sich aber, dass diese
auch nachgereicht werden kann. Erst nach Eingang der Stellungnahme des Betriebsrats ist die Anzeige bei der Bundesagentur für Arbeit vollständig. Zwischen
der Information des Betriebsrats und der vollständigen Anzeige bei der Bundesagentur für Arbeit muss die Zweiwochenfrist des § 17 III 3 KSchG eingehalten
werden. Mit der Vollständigkeit der Anzeige bei der Bundesagentur für Arbeit beginnt die Monatsfrist des § 18 I KSchG. Zwar erfüllt ein vor der "Entlassung"
abgeschlossener Interessenausgleich die Beratungspflicht nach § 17 II 2 KSchG. Weder nach nationalem Recht noch nach Art. 2 I, II der Richtlinie 98/59/EG
(Massenentlassungsrichtlinie) muss aber eine Einigung über Interessenausgleich und/oder Sozialplan vor "Durchführung der Massenentlassung" erzielt worden
sein. Dafür gibt es auch nach der Rechtsprechung des EuGH keine Anhaltspunkte (BAG, Urteil vom 21.05.2008 - 8 AZR 84/07).
Hat der Arbeitgeber eine erforderliche Massenentlassungsanzeige unter Verstoß gegen § 17 I KSchG erst nach Ausspruch der Kündigungen der Agentur für
Arbeit angezeigt, so führt dies nach dem Grundsatz des Vertrauensschutzes dann nicht zur Unwirksamkeit der Kündigungen, wenn diese vor dem Urteil des
Europäischen Gerichtshofs vom 27.1.2005 in der Rechtssache "Junk" (NJW 2005, 1099 = NZA 2005, 213) ausgesprochen worden sind. Einer Vorlage diese
Rechtsfrage an den Europäischen Gerichtshof bedarf es nicht (BAG, Urteil vom 26.07.2007 - 8 AZR 769/06).
Im Anschluss an die Entscheidung des EuGH vom 27.1.2005 (Slg. 2005, I - 885 = NZA 2005, 213-= NJW 2005, 1099 - Junk) versteht das BAG nunmehr den
Begriff der "Entlassung" im Sinne von § 17 I 1 KSchG als den Ausspruch der Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Der Grundsatz des Vertrauensschutzes
verbietet es, eine Kündigung, die vor der Entscheidung des EuGH ausgesprochen worden ist, allein deshalb als unwirksam zu qualifizieren, weil der
Arbeitgeber die Massenentlassung der Agentur für Arbeit erst nach Ausspruch der Kündigung angezeigt hatte. Es ist grundsätzlich nicht unzulässig, in einem
betrieblichen Sozialplan Abfindungsansprüche für den Fall auszuschließen, dass das Arbeitsverhältnis nach § 613a I 1 BGB auf einen Betriebs- oder
Betriebsteilerwerber übergeht oder der Mitarbeiter den Übergang des Arbeitsverhältnisses auf einen Betriebs- oder Betriebsteilerwerber - ohne
anerkennenswerten Grund - durch Widerspruch verhindert. Nach dem Sinn und Zweck eines Sozialplans können Abfindungsansprüche ausgeschlossen werden,
wenn ein Verlust des Arbeitsplatzes vermieden werden kann (BAG, Urteil vom 12.07.2007 - 2 AZR 448/05).
Unter einer Entlassung im Sinne von § 17 I KSchG ist die Erklärung der Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu verstehen. Bei Massenentlassungen, die vor
Bekanntmachung der im Anschluss an das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 27. 1. 2005 (EuGH, Slg I - 2005, 903 = NZA 2005, 213 - Junk )
geänderten Rechtsauffassung der Arbeitsverwaltung ausgesprochen wurden, konnte der Arbeitgeber auf die Rechtslage vertrauen, wie sie sich nach der
Rechtsprechung des BAG darstellte. Über die Gewährung des Vertrauensschutzes kann das BAG selbst entscheiden, ohne die Frage dem Europäischen
Gerichtshof vorzulegen. Es geht um Vertrauensschutz bei der Auslegung und Anwendung nationalen Rechts durch die nationale höchstrichterliche
Rechtsprechung und nicht um Vertrauensschutz bei der Auslegung europäischen Rechts. Die Verpflichtung des nationalen Richters, bei der Auslegung der
einschlägigen Vorschriften des innerstaatlichen Rechts den Inhalt einer Richtlinie heranzuziehen, wird durch den Grundsatz der Rechtssicherheit und das
Rückwirkungsverbot begrenzt (BAG, Urteil vom 22.03.2007 - 6 AZR 499/05).
Zum Schutz des Vertrauens in die am 23.3.2006 aufgegebene Rechtsprechung des BAG zu § 17 KSchG: Auch dann, wenn ein Arbeitgeber die
Kündigungstermine bewusst so gewählt hat, dass bei Zugrundelegung der früheren Rechtsprechung die Schwellenwerte des § 17 I 1 KSchG gerade eben nicht
erreicht wurden, genießt er Vertrauensschutz nach Maßgabe der Entscheidung des Senats vom 23.3.2006 (NZA 2006, 971 = NJW 2006, 3161 = AP KSchG
1969 § 17 Nr. 21). Wer sich innerhalb des gesetzlichen Handlungsrahmens bewegt, missbraucht in aller Regel das Gesetz nicht, sondern beachtet es (BAG,
Urteil vom 21.09.2006 - 2 AZR 760/05).
§ 17 I KSchG und Vertrauensschutz: Ende Juni 2004 konnte sich der Arbeitgeber darauf verlassen, dass bei der Prüfung, ob auf Grund Überschreitung der
Schwellenwerte eine Massenentlassungsanzeige zu erstatten ist, auf den Entlassungstermin abzustellen sei, nicht aber auf den Zeitpunkt des
Kündigungsausspruchs (BAG, Urteil vom 06.07.2006 - 2 AZR 520/05).
Ein Personalabbau kann eine Betriebsänderung iSv. § 111 Satz 3 Nr. 1 BetrVG darstellen. Maßgebend sind die Zahlen des § 17 I KSchG; in größeren Betrieben
müssen allerdings mindestens 5 % der Belegschaft betroffen sein. Bei einem stufenweisen Personalabbau ist entscheidend, ob er auf einer einheitlichen
unternehmerischen Planung beruht (BAG, Beschluss vom 28.03.2006 - 1 ABR 5/05).
Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG muss ein Arbeitgeber der Agentur für Arbeit Anzeige erstatten, bevor er innerhalb von 30 Kalendertagen eine im Gesetz näher
genannte Anzahl von Arbeitnehmern entlässt. Bisher galt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, dass die Anzeige an die
Arbeitsverwaltung rechtzeitig vor der tatsächlichen Beendigung der Arbeitsverhältnisse erfolgen musste. Sie konnte deshalb auch noch nach dem Ausspruch
der Kündigungen erfolgen. Mit Urteil vom 27. Januar 2005 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) zur Auslegung der Massenentlassungsrichtlinie 98/ 59/ EG
(MERL), die durch die §§ 17 ff. KSchG in das deutsche Arbeitsrecht umgesetzt worden ist, in der Rechtssache "Junk" entschieden, die Kündigungserklärung
des Arbeitgebers sei das Ereignis, das als "Entlassung" im Sinne der MERL gilt. Mit den sich aus dieser Entscheidung ergebenden Anpassungsproblemen für
das deutsche Massenentlassungsrecht hatte sich das Bundesarbeitsgericht erstmals näher auseinander zu setzen. Der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts ist
dem EuGH grundsätzlich gefolgt. Er hat im Entscheidungsfall die Regelung des § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG richtlinienkonform ausgelegt. Danach muss
nunmehr die Anzeige bei der Agentur für Arbeit rechtzeitig vor dem Ausspruch der Kündigungen erfolgen. Ob eine nicht rechtzeitige Anzeige zur
Unwirksamkeit der Kündigung führt oder auch weiterhin nur die Entlassung nicht vollzogen werden kann, hat der Senat dahinstehen lassen. Eine
Unwirksamkeit der Kündigung kann hier schon deshalb nicht angenommen werden, weil dem kündigenden Arbeitgeber Vertrauensschutz zu gewähren ist.
Arbeitgeber durften zumindest bis zum Bekanntwerden der zitierten Entscheidung des EuGH auf die ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und
die durchgängige Verwaltungspraxis der Agenturen für Arbeit vertrauen, die eine Anzeige vor der tatsächlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses
ausreichen ließen. Einem kündigenden Arbeitgeber können nicht rückwirkend Handlungspflichten auferlegt werden, mit denen er nicht zu rechnen brauchte und
die er nachträglich nicht mehr erfüllen kann. Der Kläger war seit 1994 bei der Schuldnerin, die 23 Arbeitnehmer beschäftigte, als Arbeiter tätig. Einen
Betriebsrat gab es im Betrieb nicht. Die Schuldnerin kündigte mit Schreiben vom 30. Juli 2004 das Arbeitsverhältnis - ebenso wie die Arbeitsverhältnisse aller
anderen Arbeitnehmer - ordentlich. Nachdem über das Vermögen der Schuldnerin am 1. August 2004 das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum
Insolvenzverwalter bestellt worden war, kündigte dieser alle Arbeitsverhältnisse erneut mit Schreiben vom 2. August 2004. Die Schuldnerin bzw. der Beklagte
zeigten die zu unterschiedlichen Zeitpunkten vorgesehenen Entlassungen der Agentur für Arbeit am 2. August bzw. 26. August 2004 an. Diese erteilte am 9.
August bzw. 10. September 2004 entsprechende Bescheide. Der Kläger hat die Kündigung ua. wegen Verstoßes gegen §§ 17, 18 KSchG für unwirksam
gehalten. Er hat die Auffassung vertreten, die Schuldnerin bzw. der Beklagte hätten die Massenentlassung bei der Arbeitsverwaltung vor dem Ausspruch der
Kündigung anzeigen müssen. Die Vorinstanzen hatten die Klage abgewiesen. Das BAG hat die Revision des Klägers zurückgewiesen (BAG, Urteil vom
23.03.2006 - 2 AZR 343/ 05).
*** (LAG)
Die Ausgliederung von Arbeitnehmern aus der Sozialauswahl ist nur möglich zur Sicherung der Personal(Alters-)struktur des ganzen Betriebs. Die Berufung
auf § 1 III 2 KSchG kann sich nur dann rechtfertigen, wenn der Schwellenwert des § 17 KSchG (bzw. die Grenzen des § 112 a BetrVG) für eine
anzeigepflichtige Massenentlassung bezogen auf den Gesamtbetrieb zumindest annähernd erreicht ist (LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 10.04.2008 - 11
Sa 80/07, ZInsO 2008, 1280).
Europarechtskonforme Auslegung von § 17 KSchG: Die Massenentlassungsanzeige hat vor Ausspruch der Kündigung zu erfolgen. Die Sperrfrist von § 18 II
KSchG hat nur noch die Wirkung einer Mindestkündigungsfrist. Keine erneute Anzeige gemäß § 18 IV KSchG erforderlich, wenn die einschlägigen tariflichen,
gesetzlichen oder einzelvertraglichen Kündigungsfristen länger sind, als die Summe bestehend aus Sperrfrist (§ 18 II KSchG) und Freifrist (§ 18 IV KSchG;
LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 12.03.2008 - 12 Sa 54/07, ZInsO 2008, 1092).
Kündigt ein Arbeitgeber, bevor er eine nach § 17 I KSchG erforderliche Anzeige bei der Agentur für Arbeit erstattet hat, ist die Kündigung unwirksam. Eine
Heilung duch eine nachträgliche Anzeige ist nicht möglich. Enthält bei einer ordentlichen Änderungskündigung das Angebot einer Änderung der
Arbeitsbedingungen bereits mit Wirkung vor Ablauf der Kündigungsfrist, ist die Kündigung nach § 1 II, § 2 KSchG sozial ungerechtfertigt (vgl. BAG vom
21.9.2006 - 2 AZR 120/06, ZIP 2007, 882 = DB 2007, 634; LAG Düsseldorf, Urteil vom 01.03.2007 - 13 Sa 1275/06).
Nach Erstattung einer Massenentlassungsanzeige gem. § 17 I S. 1 KSchG braucht mit dem Ausspruch der Kündigungen nicht bis zum Ablauf der einmonatigen
Regelsperrfrist des § 18 I Halbs. 1 KSchG abgewartet zu werden. Die Kündigungsfrist wird in diesem Fall allerdings erst mit Ablauf der Sperrfrist in Lauf
gesetzt (LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 23.02.2007 - 6 Sa 2152/06).
***
Ist die Richtlinie 98/59/EG des Rates vom 20.7.1998 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Massenentlassungen dahin auszulegen,
dass das Konsultationsverfahren i. S. des Art. 2 der Richtlinie schon dann abgeschlossen ist, wenn die unmittelbaren Verhandlungen zwischen dem Arbeitgeber
und den Arbeitnehmervertretern gescheitert sind, oder müssen, wenn der Arbeitgeber und/oder die Arbeitnehmervertreter eine im nationalen Recht vorgesehene
betriebliche Einigungsstelle anrufen, auch die Verhandlungen vor dieser Stelle abgeschlossen sein? Für den Fall, dass die zweite Alternative bejaht wird,
verlangt die Richtlinie, dass vor dem Ausspruch der Kündigungen sowohl die Verhandlungen in der Einigungsstelle über die Möglichkeit, Massenentlassungen
zu vermeiden oder zu beschränken, als auch die Verhandlungen über die Möglichkeit, ihre Folgen durch soziale Begleitmaßnahmen zu mildern, abgeschlossen
sind? Ist die Richtlinie dahin auszulegen, dass die Anzeige bei der Arbeitsbehörde nach Art. 3 der Richtlinie erst nach dem Abschluss des
Konsultationsverfahrens vorgenommen werden darf? Für den Fall, dass die Frage zu a) bejaht wird, müssen vor der Erstattung der Anzeige sowohl die
Verhandlungen über die Vermeidung oder Beschränkung der Massenentlassungen als auch die Verhandlungen über die Folgenmilderungen abgeschlossen sein?
(Vorlagebeschluss; ArbG Berlin, Beschluss vom 21.02.2006 - 79 Ca 22399/05, NZA 2006, 739).
Bei fehlender oder fehlerhafter Massenentlassungsanzeige nach §§ 17, 18 KSchG ist nur die Entlassung des betreffenden Arbeitnehmers unzulässig. Ein
Verstoß des Arbeitgebers gegen seine Pflichten aus § 17 KSchG führt nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung. Die Unwirksamkeit einer Kündigung wegen
Verstoßes des privaten Arbeitgebers gegen seine Unterrichtungspflicht nach § 17 II Satz 1 Nr. 6 KSchG und seine Beratungspflicht nach § 17 II Satz 2 KSchG
lässt sich auch nicht mit der im Hinblick auf die Richtlinie 98/59/EG erforderlichen gemeinschaftskonformen Auslegung der §§ 17, 18 KSchG begründen
(BAG, Urteil vom 18.09.2003 - 2 AZR 79/02 , NZA 2004, 375).
Liegt bei einer nach §§ 17 ff. KSchG anzeigepflichtige Massenentlassung im vorgesehenen Entlassungszeitpunkt nicht die erforderliche Zustimmung der
Arbeitsverwaltung vor, so darf der Arbeitgeber trotz privatrechtlich wirksamer Kündigung den Arbeitnehmer so lange nicht entlassen, bis die Zustimmung
erteilt ist. Ist die Zustimmung weder vor noch nach dem vorgesehenen Entlassungszeitpunkt beantragt worden, steht damit fest, dass das Arbeitsverhältnis
durch die entsprechende Kündigung nicht aufgelöst worden ist (BAG, Urteil vom 13.04.2000 - 2 AZR 215/99, NJW 2001, 94 L).
Die mit einem Aufhebungsvertrag bezweckte Entlassung ist - bei Vorliegen der Voraussetzungen einer Massenentlassung - gem. §§ 17, 18 KSchG so lange
unwirksam, als nicht eine formgerechte Massenentlassungsanzeige (§ 17 III KSchG) beim Arbeitsamt eingereicht und dessen Zustimmung eingeholt wird
(BAG, Urteil vom 11.03.1999 - 2 AZR 461/98 , NJW 1999, 3655 L).
Stimmt das Landesarbeitsamt einer nach § 17 KSchG anzeigepflichtigen Entlassung zu einem bestimmten Zeitpunkt durch bestandskräftigen Verwaltungsakt
zu und stellt damit inzident fest, daß eine wirksame Massenentlassungsanzeige vorlag, so sind die Arbeitsgerichte durch die Bestandskraft des Verwaltungsakts
gehindert, im Kündigungsschutzprozess die Entscheidung der Arbeitsverwaltung nachzuprüfen (im Anschluß an BAGE 22, 336 = NJW 1970, 2045 = AP Nr.
11 zu § 15 KSchG), (BAG, Urteil vom 24.10.1996 - 2 AZR 895/95, NJW 1997, 2131).
Ein Verstoß gegen § 17 KSchG (Unterlassen der Massenentlassungsanzeige) führt nicht zur Unwirksamkeit der in einem Aufhebungsvertrag vereinbarten
Entlassung des Arbeitnehmers (LAG Düsseldorf, Urteil vom 20.03.1996 - 12 (8) (6) Sa 1553/95, DB 1996, 2498).
Beschließt der Arbeitgeber, den Betrieb zu einem bestimmten Zeitpunkt stillzulegen, und entlässt er anschließend stufenweise Personal, stellt der im Zeitpunkt
der Beschlussfassung und nicht der spätere, verringerte Personalbestand die für die Anzeigepflicht nach § 17 I maßgebende regelmäßige Arbeitnehmerzahl dar.
Der im Zeitpunkt des Stilllegungsbeschlusses vorhandene Personalbestand bleibt auch dann für die Anzeigepflicht nach § 17 I maßgebend, wenn der
Arbeitgeber zunächst allen Arbeitnehmern zu dem vorgesehenen Stilllegungstermin kündigt und später er oder der Konkursverwalter wegen zwischenzeitlich
eingetretenem Vermögensverfalls zum selben Termin vorsorglich nochmals kündigt (BAG, Urteil vom 08.06.1989 - 2 AZR 624/88 ,NZA 1990, 224).
Im Falle einer Betriebsstilllegung kommt nur ein Rückblick auf die bisherige Belegschaftsstärke in Frage. Entscheidend ist dann, wann der Arbeitgeber noch
eine regelmäßige Betriebstätigkeit entwickelt und wieviel Arbeitnehmer er hierfür eingesetzt hat. Zur Feststellung der regelmäßigen Beschäftigtenzahl bedarf es
grundsätzlich eines Rückblicks auf die bisherige personelle Stärke des Betriebes und einer Einschätzung der künftigen Entwicklung. Bei der Ermittlung der
regelmäßigen Beschäftigtenzahl ist auf den Zeitpunkt der Entlassung, d. h. die Beendigung des Arbeitsverhältnisses, abzustellen. Maßgeblich ist jedoch nicht
die tatsächliche Beschäftigtenzahl, sondern die normale Beschäftigtenzahl des Betriebes, d. h. diejenige Personalstärke, die für den Betrieb im allgemeinen
kennzeichnend ist (BAG, Urteil vom 31.07.1986 - 2 AZR 594/85 NZA 1987, 587).
Der Massenentlassungsschutz des § 17 KSchG gilt nicht für Änderungskündigungen, die von den Arbeitnehmern unter dem Vorbehalt ihrer sozialen
Rechtfertigung angenommen sind (BAG, Urteil vom 10.03.1982 - 4 AZR 158/79 , NJW 1982, 2839).
***
Vorlagebeschluss zwecks Vorabentscheidung durch den EUGH bezüglich folgender Fragen:
1. a) Ist die Richtlinie 98/59/EG des Rates vom 20. 7. 1998 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Massenentlassungen dahin
auszulegen, dass das Konsultationsverfahren i.S. des Artikel 2 der Richtlinie schon dann abgeschlossen ist, wenn die unmittelbaren Verhandlungen zwischen
dem Arbeitgeber und den Arbeitnehmervertretern gescheitert sind, oder müssen, wenn der Arbeitgeber und/oder die Arbeitnehmervertreter eine im nationalen
Recht vorgesehene betriebliche Einigungsstelle anrufen, auch die Verhandlungen vor dieser Stelle abgeschlossen sein? b) Für den Fall, dass die zweite
Alternative bejaht wird, verlangt die Richtlinie, dass vor dem Ausspruch der Kündigungen sowohl die Verhandlungen in der Einigungsstelle über die
Möglichkeit, Massenentlassungen zu vermeiden oder zu beschränken, als auch die Verhandlungen über die Möglichkeit, ihre Folgen durch soziale
Begleitmaßnahmen zu mildern, abgeschlossen sind?
2. a) Ist die Richtlinie dahin auszulegen, dass die Anzeige bei der Arbeitsbehörde nach Artikel 3 der Richtlinie erst nach dem Abschluss des
Konsultationsverfahrens vorgenommen werden darf? b) Für den Fall, dass die Frage zu a) bejaht wird, müssen vor der Erstattung der Anzeige sowohl die
Verhandlungen über die Vermeidung oder Beschränkung der Massenentlassungen als auch die Verhandlungen über die Folgenmilderungen abgeschlossen sein?
Hinweis: Die Vorlagefragen sind auch dann relevant, wenn unter „Entlassung" i.S. der §§ 17f KSchG abweichend von der EuGH-Entscheidung vom 27.1.2005
(Rs. C-188/03 Junk/Kühnel) nicht der Ausspruch der Kündigung zu verstehen wäre (ArbG Berlin, Beschluss vom 21.02.2006 - 79 Ca 22399/05, NZA 2006, 739).
§ 18 Entlassungssperre
(1) Entlassungen, die nach § 17 anzuzeigen sind, werden vor Ablauf eines Monats nach Eingang der Anzeige bei der Agentur für Arbeit nur mit deren
Zustimmung wirksam; die Zustimmung kann auch rückwirkend bis zum Tage der Antragstellung erteilt werden.
(2) Die Agentur für Arbeit kann im Einzelfall bestimmen, daß die Entlassungen nicht vor Ablauf von längstens zwei Monaten nach Eingang der Anzeige
wirksam werden.
(3) (aufgehoben)
(4) Soweit die Entlassungen nicht innerhalb von 90 Tagen nach dem Zeitpunkt, zu dem sie nach den Absätzen 1 und 2 zulässig sind, durchgeführt werden,
bedarf es unter den Voraussetzungen des § 17 Abs. 1 einer erneuten Anzeige.
Leitsätze:
„... I. Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts kann auf der Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen nicht beurteilt werden, ob die Kündigung
vom 27. März 2009 gegen § 20 Nr. 4 Satz 1 MTV/EMTV verstößt. Die zum Kündigungszeitpunkt 55 Jahre alte und seit 17 Jahren bei der Beklagten
beschäftigte Klägerin erfüllt zwar die persönlichen Voraussetzungen des besonderen Kündigungsschutzes nach dieser Bestimmung. Der Schutz des § 20 Nr. 4
Satz 1 MTV/EMTV findet aber nach Satz 2 Halbs. 2 Spiegelstrich 2 der Bestimmung keine Anwendung, wenn die Kündigung anlässlich einer
„Betriebsänderung" erfolgt und „ein anderer zumutbarer Arbeitsplatz nicht vorhanden ist". Ob die letztgenannte Voraussetzung vorliegt, steht nicht fest.
1. Der besondere tarifliche Kündigungsschutz gilt - unter der genannten Voraussetzung - nicht „bei Betriebsänderungen".
a) Der in § 20 Nr. 4 Satz 2 Halbs. 2 Spiegelstrich 2 MTV/EMTV verwandte Begriff „Betriebsänderung" ist so zu verstehen wie in § 111 BetrVG. Gebrauchen
Tarifvertragsparteien Begriffe, die auch in Gesetzen verwendet werden und dort einen bestimmten Inhalt haben, so ist regelmäßig anzunehmen, dass sie diese
mit der entsprechenden Bedeutung angewendet wissen wollen (vgl. BAG 22. Januar 2004 - 2 AZR 111/02 - zu VI der Gründe, AP BetrVG 1972 § 112
Namensliste Nr. 1 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 11).
b) Eine Betriebsänderung iSv. § 111 Satz 3 Nr. 1 BetrVG kann in einem bloßen Personalabbau liegen. Dies zeigt die Regelung in § 112a Abs. 1 Satz 1 BetrVG.
Voraussetzung für die Annahme einer Einschränkung des ganzen Betriebs oder von wesentlichen Betriebsteilen iSv. § 111 Satz 3 Nr. 1 BetrVG ist, dass der
Personalabbau eine relevante Zahl von Arbeitnehmern erfasst. Maßgebend sind dafür die Schwellenwerte des § 17 Abs. 1 KSchG; in Betrieben mit mehr als
600 Arbeitnehmern müssen allerdings mindestens 5 vH der Belegschaft betroffen sein (BAG 31. Mai 2007 - 2 AZR 254/06 - Rn. 16, AP BetrVG 1972 § 111
Nr. 65 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 12).
Da die Beklagte gegenüber insgesamt 222 von knapp 800 Arbeitnehmern Kündigungen ausgesprochen hat, ist dieser Wert erreicht.
2. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, andere zumutbare Arbeitsplätze seien zumindest solche, auf denen mit der Klägerin vergleichbare Arbeitnehmer,
ohne dass diese ihrerseits tariflichen Sonderkündigungsschutz besäßen, weiterhin beschäftigt würden. Das überzeugt nicht. Die Annahme des
Landesarbeitsgerichts beruht auf einem unzutreffenden Verständnis der Regelung in § 20 Nr. 4 Satz 2 Halbs. 2 MTV/EMTV. Das zeigt eine die Systematik und
den Sinn und Zweck der Vorschrift in den Blick nehmende Auslegung.
a) Der Wortlaut der Bestimmung lässt kein eindeutiges Verständnis zu.
aa) Ein „anderer" zumutbarer Arbeitsplatz kann einmal jeder Arbeitsplatz sein, der bislang nicht mit dem sondergeschützten Arbeitnehmer besetzt war, den
dieser aber nach seinen Fähigkeiten einnehmen könnte und der ihm zumutbar ist. Bei einem solchen Verständnis - das dem des Landesarbeitsgerichts entspricht
- sind sämtliche mit dem Arbeitsplatz des sondergeschützten Arbeitnehmers vergleichbaren Arbeitsplätze „andere" und ohne Weiteres zumutbare Arbeitsplätze
iSv. § 20 Nr. 4 Satz 2 Halbs. 2 Spiegelstrich 2 MTV/EMTV. Bei Betriebsänderungen entfiele der Sonderkündigungsschutz deshalb allenfalls dann, wenn
zugleich die Arbeitsverhältnisse sämtlicher Inhaber vergleichbarer Arbeitsplätze - etwa im Rahmen einer Schließung ganzer Betriebsteile - gekündigt würden.
bb) Unter einem „anderen" Arbeitsplatz im Sinne der tariflichen Bestimmung kann stattdessen auch ein solcher zu verstehen sein, der mit dem des
sondergeschützten Arbeitnehmers gerade nicht vergleichbar, sondern von diesem nach tätigkeitsbezogenen Merkmalen unterschieden und in einem solchen
Sinne „anders" ist. Bei Betriebsänderungen entfiele der Sonderkündigungsschutz demnach nur dann nicht, wenn ein Arbeitsplatz gerade außerhalb des Kreises
der vergleichbaren Arbeitsplätze „vorhanden" und für den betreffenden Arbeitnehmer zumutbar ist.
cc) Besäße die (Rück-)Ausnahme vom besonderen Kündigungsschutz nach der ersten Lesart bei Betriebsänderungen einen eher kleinen Anwendungsbereich,
weil der besondere Schutz, solange eine Sozialauswahl stattzufinden hätte, nicht eingeschränkt wäre, so wäre der Anwendungsbereich der (Rück-)Ausnahme
nach der zweiten Verständnisalternative im Falle von Betriebsänderungen recht groß, weil sich der besondere Kündigungsschutz im Rahmen der Sozialauswahl
unter den vergleichbaren Arbeitnehmern eben nicht auswirkte.
b) Das Bundesarbeitsgericht hatte sich mit der hier zu beantwortenden Frage bislang nicht zu befassen. In dem seiner Entscheidung vom 22. Januar 2004 (- 2
AZR 111/02 - AP BetrVG 1972 § 112 Namensliste Nr. 1 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 11) zugrunde liegenden Fall war mit dem im Rahmen einer
Betriebsänderung gekündigten Kläger bei der Sozialauswahl kein Arbeitnehmer vergleichbar und war ein anderer zumutbarer Arbeitsplatz unstreitig nicht
vorhanden. Auf das richtige Verständnis der fraglichen Bestimmung im dargelegten Sinne kam es nicht an.
c) Systematische und teleologische Erwägungen sprechen für die Richtigkeit der zweiten Lesart von § 20 Nr. 4 Satz 2 Halbs. 2 Spiegelstrich 2 MTV/EMTV.
Bei Kündigungen im Rahmen von Betriebsänderungen entfällt der besondere Kündigungsschutz, es sei denn, ein mit dem bisherigen Arbeitsplatz nach
tätigkeitsbezogenen Merkmalen gerade nicht vergleichbarer „anderer" Arbeitsplatz ist „vorhanden" und zumutbar.
aa) Im Anschluss an die Regelung über das Entstehen des besonderen Kündigungsschutzes in Satz 1 der Vorschrift dehnt Satz 2 Halbs. 1 den Schutz auf
„Änderungskündigungen im Einzelfall zum Zwecke der Entgeltminderung" aus. Satz 2 Halbs. 2 Spiegelstrich 1 nimmt den besonderen Schutz sodann zurück
„bei allen sonstigen Änderungskündigungen". Demnach entfällt der besondere Kündigungsschutz ua. bei Änderungskündigungen zum Zwecke der
Entgeltminderung, die nicht auf einen Einzelfall beschränkt sind, sondern - etwa im Rahmen einer Sanierungsmaßnahme - die gesamte Belegschaft oder Teile
von ihr betreffen.
bb) Dies zeigt, dass die Tarifvertragsparteien im Fall von kollektiven Maßnahmen, die nicht nur einzelne Arbeitnehmer, sondern die Belegschaft als ganze oder
doch Teile der Belegschaft betreffen, die Möglichkeit einer ordentlichen Änderungskündigung auch für den Personenkreis des § 20 Nr. 4 Satz 1 MTV/EMTV
nicht ausschließen wollten.
cc) Dieser Umstand wiederum legt die Annahme nahe, dass die Tarifvertragsparteien auch bei Betriebsänderungen - die stets die ganze Belegschaft oder doch
wesentliche Teile von ihr betreffen - die Möglichkeit der ordentlichen Beendigungskündigung gegenüber dem fraglichen Personenkreis weitgehend zulassen
wollten. Wenn schon bei Änderungskündigungen im Falle kollektiv wirkender Maßnahmen nicht einzelne Arbeitnehmer allein wegen der Kriterien des § 20
Nr. 4 Satz 1 MTV/EMTV zu ihren Gunsten aus der Solidargemeinschaft herausgenommen werden sollen, so ist anzunehmen, dass dieser Grundsatz im Falle
von Beendigungskündigungen aufgrund einer Betriebsänderung gleichermaßen gelten soll. Es soll sich in diesen Fällen auch der Personenkreis des § 20 Nr. 4
Satz 1 MTV/EMTV möglichen Maßnahmen des Arbeitgebers - etwa einer Sozialauswahl - nach den für alle Arbeitnehmer geltenden Kriterien stellen müssen.
Dieses Ziel würde weitgehend verfehlt, wäre bei einer Betriebsänderung jeder vergleichbare und nicht weggefallene Arbeitsplatz ein „anderer" im Sinne der
tariflichen Vorschrift. Dann würde sich bei der Sozialauswahl der sondergeschützte Arbeitnehmer allein aufgrund seines Lebensalters von mindestens 55 Jahren
und der Dauer seiner Betriebszugehörigkeit von mindestens zehn Jahren zum Beispiel durchsetzen können gegenüber einem - objektiv durchaus vorrangig zu
schützenden - Arbeitnehmer mit einem Lebensalter von 54 Jahren, einer 20-jährigen Betriebszugehörigkeit und Unterhaltsverpflichtungen gegenüber mehreren Personen.
dd) Angesichts dieser Konsequenzen spricht schon der Umstand, dass die Tarifvertragsparteien den Fall von „Betriebsänderungen" überhaupt eigens unter den
Gründen für den Ausschluss von Sonderkündigungsschutz erwähnt haben, dafür, dass sie diesen Ausschlussgrund nicht für den Regelfall einer
Betriebsänderung - den der mit ihr verbundenen Notwendigkeit einer Sozialauswahl - zugleich wieder deutlich marginalisieren wollten. Wenn die
Tarifvertragsparteien gewollt hätten, es solle der Sonderkündigungsschutz im Falle von Betriebsänderungen nur unter der Voraussetzung ausgeschlossen sein,
dass vergleichbare Arbeitsplätze nicht mehr vorhanden sind, eine Sozialauswahl also - etwa wegen Schließung einer ganzen Betriebsabteilung - nicht
erforderlich ist, hätte es nahegelegen, dies sprachlich klar zum Ausdruck zu bringen. Es wäre zu erwarten gewesen, dass § 20 Nr. 4 Satz 2 Halbs. 2 Spiegelstrich
2 MTV/EMTV dahin formuliert worden wäre, der Ausschluss der ordentlichen Kündigung gelte nicht „bei Betriebsänderungen, wenn ein vergleichbarer oder
ein anderer zumutbarer Arbeitsplatz nicht vorhanden ist" oder „…, wenn weder ein vergleichbarer, noch ein anderer zumutbarer Arbeitsplatz vorhanden ist". Da
es einfach gewesen wäre, einen entsprechenden Willen sprachlich deutlich auszudrücken, und mit dem Fehlen bzw. Vorhandensein des Ausdrucks
„vergleichbarer Arbeitsplatz" inhaltlich so weit reichende Folgen verbunden sind, spricht der tatsächliche Text der Tarifregelung, in dem dieser Ausdruck fehlt,
dafür, dass vergleichbare Arbeitsplätze keine „anderen" Arbeitsplätze im Sinne der Bestimmung sind. Hinzu kommt, dass nach der gewählten Formulierung der
Sonderkündigungsschutz bei Betriebsänderungen entfällt, wenn ein „anderer zumutbarer" Arbeitsplatz nicht vorhanden ist. Da Arbeitsplätze, die nach
tätigkeitsbezogenen Merkmalen vergleichbar sind, stets „zumutbare" Arbeitsplätze sind, hätte es, um den vermeintlichen Willen der Tarifvertragsparteien
auszudrücken, des Zusatzes „anderer … Arbeitsplatz" nicht bedurft. Es hätte gereicht zu formulieren, dass der Ausschluss der ordentlichen Kündigung nicht
gelte, wenn ein „zumutbarer Arbeitsplatz nicht mehr vorhanden ist".
ee) Dafür, dass nach tätigkeitsbezogenen Merkmalen vergleichbare Arbeitsplätze gerade keine „anderen" im Sinne der Tarifbestimmung sind, spricht
schließlich die Erwägung, dass die Regelung andernfalls wegen Verstoßes gegen § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG, § 7 Abs. 1, Abs. 2, § 3 Abs. 1, § 1 AGG unwirksam
sein könnte. Bei einer erforderlich werdenden Sozialauswahl würde sich, wie erwähnt, der durch § 20 Nr. 4 Satz 1 MTV/EMTV geschützte Arbeitnehmer allein
aufgrund seines Lebensalters gegenüber objektiv stärker zu schützenden Belegschaftsangehörigen durchsetzen können. Dies erscheint nicht unproblematisch.
ff) Dem Landesarbeitsgericht ist einzuräumen, dass bei einem solchen Verständnis der Bestimmung dem Satzteil „…, wenn ein anderer zumutbarer
Arbeitsplatz nicht vorhanden ist" keine besonders große praktische Bedeutung zukommen wird. Gleichwohl verbleibt ihm, wie dargelegt, ein
Anwendungsbereich. Das gilt etwa dann, wenn die Anzahl der von einer Kündigung betroffenen Arbeitnehmer - einschließlich derjenigen, die die
Voraussetzungen des § 20 Nr. 4 Satz 1 MTV/EMTV erfüllen - größer ist als die Anzahl der „vorhandenen" anderen Arbeitsplätze; dann vermöchte sich der
Sonderkündigungsschutz durchzusetzen. Die Lesart des Landesarbeitsgerichts verfehlt demgegenüber im Regelfall das aus der Systematik erkennbar werdende
Ziel der Tarifregelung. Dieses besteht darin, im Falle kollektiv bedeutsamer Tatbestände, zu denen Betriebsänderungen zählen, den besonderen Schutz
einzelner Arbeitnehmer(gruppen) auszuschließen und sie innerhalb der betrieblichen Solidargemeinschaft nicht zu bevorzugen.
II. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts stellt sich nicht aus anderen Gründen als richtig dar, so dass die Revision gem. § 561 ZPO trotz der
festgestellten Rechtsverletzung zurückzuweisen wäre. Die Kündigung vom 27. März 2009 ist nicht wegen nicht ordnungsgemäßer Anhörung des Betriebsrats unwirksam.
1. Nicht nur das gänzliche Fehlen einer Anhörung, sondern auch eine fehlerhafte Anhörung des Betriebsrats führt zur Unwirksamkeit der Kündigung nach §
102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG (BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 45, AP BGB § 626 Nr. 236 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 36; 16. September 1993 - 2 AZR
267/93 - zu B II 2 b cc (1) der Gründe, BAGE 74, 185). Die Anhörung ist fehlerhaft, wenn der Arbeitgeber seine Mitteilungspflicht gegenüber dem Betriebsrat
nicht ausreichend erfüllt. Der Arbeitgeber muss dem Betriebsrat die Gründe mitteilen, die nach seiner subjektiven Sicht die Kündigung rechtfertigen und für
seinen Kündigungsentschluss maßgeblich sind. Diesen Kündigungsentschluss hat er regelmäßig unter Angabe von Tatsachen so zu beschreiben, dass der
Betriebsrat ohne zusätzliche eigene Nachforschungen die Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe prüfen kann. Teilt der Arbeitgeber dem Betriebsrat
kündigungsrechtlich erhebliche Tatsachen nicht mit, weil er auf sie die Kündigung nicht stützen will, wird die Anhörung dadurch nicht fehlerhaft. In diesem
Fall ist es dem Arbeitgeber nur verwehrt, die fraglichen Gründe im Kündigungsschutzprozess nachzuschieben. Das gilt nicht für Tatsachen, die der Arbeitgeber
dem Betriebsrat bei der Anhörung zwar nicht mitgeteilt hat, die diesem aber bekannt sind (BAG 11. Dezember 2003 - 2 AZR 536/02 - zu II 3 der Gründe mwN,
AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 65 = EzA BetrVG 2001 § 102 Nr. 5; 27. Februar 1997 - 2 AZR 302/96 - AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte
Kündigung Nr. 36 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 51). Was der Betriebsrat schon weiß, braucht ihm nicht mehr mitgeteilt zu werden
(BAG 11. Dezember 2003 - 2 AZR 536/02 - aaO).
2. Die Beklagte hat nicht gegen ihre Unterrichtungspflichten verstoßen. Zwar hat sie in ihrem Anhörungsschreiben vom 26. März 2009 den besonderen
tariflichen Kündigungsschutz der Klägerin nicht ausdrücklich erwähnt. Dem Betriebsrat war dieser Schutz aber bekannt. Er ergab sich aus den Unterlagen zum
Interessenausgleich und der Liste mit den Sozialdaten der Arbeitnehmer in der Altersgruppe der Klägerin. In dieser Liste waren das Lebensalter und die
Beschäftigungsdauer der betreffenden Beschäftigten einschließlich der Klägerin aufgeführt. Der Betriebsrat wusste ferner, dass der MTV/EMTV auf das
Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung fand und darin ein Sonderkündigungsschutz geregelt ist. Ob für die Beklagte insoweit eine entsprechende Pflicht zur
Unterrichtung nach § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG überhaupt bestand, kann deshalb dahinstehen.
III. Das angefochtene Urteil war aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht
zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO). Ein Fall von § 563 Abs. 3 ZPO liegt mangels Entscheidungsreife nicht vor.
1. Sind „andere zumutbare Arbeitsplätze" iSv. § 20 Nr. 4 Satz 2 Halbs. 2 Spiegelstrich 2 MTV/EMTV zwar, wie dargelegt, nicht diejenigen, auf denen mit der
Klägerin vergleichbare Arbeitnehmer aufgrund der durchgeführten Sozialauswahl weiterbeschäftigt werden, so steht doch nicht fest, ob es im Sinne der
zutreffenden Lesart der tariflichen Bestimmung einen anderen zumutbaren Arbeitsplatz im Betrieb oder Unternehmen der Beklagten gibt und die Kündigung
aus diesem Grund gegen § 20 Nr. 4 Satz 1 MTV/EMTV verstößt. Dazu haben die Parteien nichts vorgetragen und hat das Landesarbeitsgericht Feststellungen
nicht getroffen. Das Vorhandensein eines solchen Arbeitsplatzes ist gleichwohl nicht ausgeschlossen. Das Landesarbeitsgericht wird auf entsprechendes
Vorbringen hinzuwirken und ggf. eigene Feststellungen zu treffen haben. Der Senat sieht mangels jeglichen Vortrags von Hinweisen dazu ab, unter welchen
Voraussetzungen ein anderer Arbeitsplatz im Sinne der Tarifbestimmung „vorhanden" und „zumutbar" ist. Allerdings spricht vieles dafür, dass ein anderer
Arbeitsplatz nur „vorhanden" ist, wenn er auch frei und nicht schon besetzt ist. Es kann schwerlich angenommen werden, dass die Tarifvertragsparteien
insoweit den Anwendungsbereich von § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Buchst. b KSchG haben erweitern wollen.
2. Sollte das Landesarbeitsgericht zu dem Ergebnis gelangen, dass kein anderer zumutbarer Arbeitsplatz vorhanden war, bestand kein tariflicher
Sonderkündigungsschutz zugunsten der Klägerin. Es wird dann zu prüfen haben, ob die Kündigung vom 27. März 2009 aus dringenden betrieblichen
Erfordernissen iSv. § 1 Abs. 2, Abs. 3 KSchG sozial gerechtfertigt ist.
a) Ob sich die Beklagte für die soziale Rechtfertigung auf § 1 Abs. 5 KSchG und einen zugrunde liegenden Interessenausgleich mit Namensliste stützen kann,
was für den Prüfungsmaßstab von Bedeutung ist, wird das Landesarbeitsgericht im Einzelnen festzustellen und zu bewerten haben. Hinreichender Sachvortrag
zu den formellen Voraussetzungen eines Interessenausgleichs mit Namensliste fehlt bisher.
b) Ggf. wird das Landesarbeitsgericht sodann die Erfüllung der Auskunftspflicht der Beklagten nach § 1 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 KSchG näher aufzuklären und
zu prüfen haben. Die Klägerin rügt zu Recht, die Beklagte habe ihr nicht die Sozialdaten sämtlicher vergleichbaren Arbeitnehmer mitgeteilt; ihr seien nur die
Daten der 30 Personen aus ihrer eigenen Altersgruppe, nicht aber die aller anderen mechanischen Helfer und Helferinnen vorgelegt worden.
aa) Nach § 1 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 KSchG hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer auf Verlangen die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen
Auswahl geführt haben. Er hat unter Angabe der relevanten Auswahlkriterien und der Bewertungsmaßstäbe im Besonderen Angaben darüber zu machen,
welche Arbeitnehmer für ihn zum auswahlrelevanten Personenkreis gehört haben (BAG 24. März 1983 - 2 AZR 21/82 - zu III 2 a der Gründe, BAGE 42, 151;
SPV/Preis Rn. 1133; ErfK/Oetker § 1 KSchG Rn. 339).
bb) Diesen Anforderungen wird der Vortrag der Beklagten bisher nicht gerecht. Mit der Angabe der Sozialdaten allein der Arbeitnehmer aus der Altersgruppe
der Klägerin kann diese die Korrektheit der Sozialauswahl nicht überprüfen. Ihr ist es insbesondere nicht möglich zu erkennen, ob sämtliche mechanischen
Helfer berücksichtigt und den einzelnen Altersgruppen richtig zugeordnet wurden. Dies gilt um so mehr, als ihr auch das der Sozialauswahl zugrunde liegende
Punkteschema erst in der Revisionsbegründung mitgeteilt wurde. ..." (BAG, Urteil vom 23.02.2012 - 2 AZR 773/10)
***
„... II. Die Kündigung verstößt nicht gegen die Vorschriften über das Verfahren bei Massenentlassungen (§§ 17 ff. KSchG).
1. Der Bescheid der Bundesagentur für Arbeit vom 11. Dezember 2006 steht der Kündigung nicht entgegen. Die Revision beanstandet nicht die Auslegung, die
das Landesarbeitsgericht dem Bescheid gegeben hat. Er wollte der Beklagten zu 1. offenkundig den Ausspruch der Kündigungen unmittelbar nach Erstattung
der Anzeige (27. November 2006) und nicht etwa erst "nach Ablauf der Kündigungsfrist" gestatten. Die Arbeitsverhältnisse durften nach dem -
wohlverstandenen - Inhalt des Bescheids nach Erstattung der Anzeige gekündigt werden und frühestens mit Ablauf der verhängten Sperrfrist enden. Außerdem
mussten - selbstverständlich - die jeweils anwendbaren Kündigungsfristen gewahrt bleiben.
2. Die Kündigung verstößt nicht gegen § 18 Abs. 4 KSchG.
a) Nach dieser Vorschrift bedarf es "unter den Voraussetzungen des § 17 Abs. 1" einer erneuten Anzeige, soweit die Entlassungen nicht innerhalb von 90 Tagen
nach dem Zeitpunkt, zu dem sie nach den Absätzen 1 und 2 zulässig sind, durchgeführt werden. Gemäß der in Bezug genommenen Vorschrift des § 17 Abs. 1
KSchG ist der Arbeitgeber verpflichtet, der Agentur für Arbeit Anzeige zu erstatten, bevor er in Betrieben mit in der Regel mehr als 20 und weniger als 60
Arbeitnehmern mehr als 5 Arbeitnehmer, in Betrieben mit in der Regel mindestens 60 und weniger als 500 Arbeitnehmern 10 vom Hundert der im Betrieb
regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer oder aber mehr als 25 Arbeitnehmer und in Betrieben mit in der Regel mindestens 500 Arbeitnehmern mindestens 30
Arbeitnehmer innerhalb von 30 Kalendertagen entlässt.
Der Begriff "Entlassung" in § 17 Abs. 1 KSchG bedeutet "Kündigung" oder "Ausspruch der Kündigung" (Senat 23. März 2006 - 2 AZR 343/05 - Rn. 18,
BAGE 117, 281). Die zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses führende einseitige Willenserklärung - die Kündigung - darf demnach erst ausgesprochen
werden, nachdem der Arbeitgeber die Anzeige nach § 17 Abs. 1 KSchG bei der Agentur für Arbeit erstattet hat.
b) Welchen rechtlichen Gehalt § 18 Abs. 4 KSchG vor diesem Hintergrund hat, ist umstritten.
aa) Teilweise wird angenommen, § 18 Abs. 4 KSchG sei obsolet geworden. Die Vorschrift sei mit ihrem Verweis auf § 17 Abs. 1 KSchG nur verständlich,
wenn man, wie vor der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 27. Januar 2005 (- C-188/03 - [Junk], EuGHE 2005, 885), unter "Entlassung" iSd. §
17 Abs. 1 KSchG nicht die Kündigung, sondern die tatsächliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses verstehe. Ansonsten schreibe sie - ohne erkennbaren Sinn
- die erneute Anzeige einer bereits angezeigten Kündigung vor. Die frühere Lesart wiederum sei ausgeschlossen (vgl. ErfK/Kiel 10. Aufl. § 18 KSchG Rn. 12;
KR/Weigand 9. Aufl. § 18 KSchG Rn. 34; Kittner/Däubler/Zwanziger-Kittner/Deinert KSchR 7. Aufl. § 18 KSchG Rn. 17; MünchKommBGB/Hergenröder 5.
Aufl. § 18 KSchG Rn. 17; Bauer/Krieger/Powietzka DB 2005, 445; Dornbusch/Wolff BB 2005, 887; ebenso: Bundesagentur für Arbeit Merkblatt 5
Anzeigepflichtige Entlassungen für Arbeitgeber Stand Juli 2005 unter 6. 4)
bb) Einige Stimmen meinen, die Vorschrift müsse wie bisher angewandt werden; "Entlassung" iSd. § 18 Abs. 4 KSchG bedeute nach wie vor die tatsächliche
Beendigung des Arbeitsverhältnisses (HWK/Molkenbur 4. Aufl. § 18 KSchG Rn. 13). Das Gesetz wolle im Interesse der besseren Unterrichtung der
Bundesagentur den Arbeitgeber bei Kündigungen, die erst zu einem außerhalb der Freifrist liegenden Zeitpunkt wirksam werden, zu einer erneuten Anzeige
verpflichten (Boeddinghaus ArbuR 2007, 374). Das sei durchaus sinnvoll, weil es bei langfristig geplanten und frühzeitig angezeigten Massenentlassungen
neue Entwicklungen geben könne, die für die Arbeitsagentur von Interesse sein könnten (ähnlich v. Hoyningen-Huene/Linck KSchG 14. Aufl. § 18 KSchG Rn.
23, 24).
cc) Das Landesarbeitsgericht hat die Auffassung vertreten, der sich nach dem Wortlaut des § 18 Abs. 4 KSchG ergebende Anwendungsbereich müsse
teleologisch reduziert werden. Eine erneute Anzeige sei deshalb immer dann überflüssig, wenn der Arbeitsagentur lediglich die ihr schon bekannten Tatsachen
mitgeteilt werden könnten. Im Streitfall hätten sich zwar nach Erstattung der ersten Anzeige zwei Teilbetriebsübergänge ergeben. Dadurch habe sich aber die
Zahl der Entlassung nicht erhöht.
dd) Indes führt bereits der Wortlaut von § 18 Abs. 4 KSchG zu dem Ergebnis, dass im Streitfall keine erneute Anzeige zu erfolgen hatte. Dabei kann
offenbleiben, ob die dort gebrauchten Ausdrücke "Entlassung" und "Durchführung der Entlassung" die Kündigungserklärung meinten oder - wie früher
selbstverständlich - die tatsächliche Beendigung. Freilich weist die Wendung "Durchführung der Entlassung" eher darauf hin, es müsse die
Kündigungserklärung gemeint sein (vgl. BAG 6. November 2008 - 2 AZR 935/07 - Rn. 29, AP KSchG 1969 § 18 Nr. 4 = EzA KSchG § 18 Nr. 1). Einer
erneuten Anzeige bedarf es nach § 18 Abs. 4 KSchG schon deshalb nicht, weil die Tatbestandsvoraussetzungen der Norm nicht gegeben sind. Die erneute
Anzeige ist nach dem Gesetz nur "unter den Voraussetzungen des § 17 Abs. 1 KSchG" notwendig. Die "Voraussetzungen des § 17 Abs. 1 KSchG" wiederum
liegen hier offensichtlich nicht vor. Zu diesen Voraussetzungen gehört, dass der Arbeitgeber den Ausspruch einer Massenkündigung beabsichtigt. Nur wenn er
entsprechende Willenserklärungen abgeben will, bedarf es der Anzeige nach § 17 Abs. 1 KSchG. Daran fehlt es hier. Die Beklagte zu 1. beabsichtigte nach
Ablauf der Freifrist nicht mehr den Ausspruch von Kündigungen. Dafür bestand kein Anlass, da sie bereits gekündigt hatte. Ein anderes Verständnis der
gesetzlichen Anordnung in § 18 Abs. 4 KSchG würde den Arbeitgeber zum erneuten Ausspruch einer Kündigung zwingen, was die Bestimmung erkennbar
nicht beabsichtigt. Es käme ansonsten bei Kündigungsfristen, die länger als die Freifrist sind, zu einer unendlichen Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses.
ee) Bei diesem Normverständnis bleibt für § 18 Abs. 4 KSchG ein zum System der §§ 17 ff. KSchG gut passender Anwendungsbereich. Der Arbeitgeber muss
nämlich - nach Ablauf der Freifrist - dann eine erneute Anzeige erstatten, wenn er von der Möglichkeit des Ausspruchs der Kündigung - bis dahin - keinen
Gebrauch gemacht hat (im Ergebnis ebenso: APS/Moll 3. Aufl. § 18 KSchG Rn. 38; HaKo/Pfeiffer 3. Aufl. § 18 KSchG Rn. 19; wohl auch BeckOK/Volkening
Stand September 2009 KSchG § 18 Rn. 16; in diese Richtung weist auch BAG 6. November 2008 - 2 AZR 935/07 - Rn. 29, AP KSchG 1969 § 18 Nr. 4 = EzA
KSchG § 18 Nr. 1). Auf diese Weise werden "Vorratsanzeigen" verhindert, die dem Zweck des Gesetzes zuwiderliefen, die Agentur für Arbeit über das
tatsächliche Ausmaß der Beendigungen von Arbeitsverhältnissen ins Bild zu setzen.
III. Mit dem hilfsweise gegen die Beklagte zu 2. gerichteten "Fortsetzungs" - Antrag ist die Klage unzulässig. Die Klägerin will mit diesem Antrag erreichen,
dass ihr, falls sie mit dem gegen die Beklagte zu 1. gerichteten Feststellungsantrag unterliegt, ein Anspruch auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit der
Beklagten zu 2. zuerkannt wird. Sie will die Beklagte zu 2. also nicht unbedingt in Anspruch nehmen, sondern nur unter der Voraussetzung der Erfolglosigkeit
ihrer gegen die Beklagte zu 1. gerichteten Klage. Eine solche eventuelle subjektive Klagehäufung ist unzulässig. Hilfsanträge sind nur zulässig, wenn sie unter
einer innerprozessualen Bedingung stehen. Das ist bei einer eventuellen subjektiven Klagehäufung nicht der Fall. Es darf nicht bis zum Ende des Rechtsstreits
in der Schwebe bleiben, ob gegen einen von mehreren Beklagten überhaupt Klage erhoben wird (st. Rspr., vgl. schon RG 6. Juni 1904 - VI 456/03 - RGZ 58,
248; LG Berlin 14. November 1957 - 10 O 72/57 - NJW 1958, 833 mit Anm. Habscheid; BGH 25. September 1972 - II ZR 28/69 - LM BGB § 1914 Nr. 1 zur
eventuellen subjektiven Klagehäufung auf Klägerseite; BAG 31. März 1993 - 2 AZR 467/92 - BAGE 73, 30; 11. Dezember 1997 - 8 AZR 729/96 - BAGE 87,
303; 24. Juni 2004 - 2 AZR 215/03 - AP BGB § 613a Nr. 278 = EzA BGB 2002 § 626 Unkündbarkeit Nr. 5; 13. Juni 2007 - 7 AZR 759/06 - Rn. 30;
Müller-Glöge NZA 1999, 449). Darauf, ob der auf Leistung gerichtete Antrag auch mangels Bestimmtheit iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO unzulässig ist, kommt
es nicht mehr an. ..." (BAG, Urteil vom 23.02.2010 - 2 AZR 957/08)
***
„... III. Die Kündigung verstößt nicht gegen die Vorschriften über das Verfahren bei Massenentlassungen (§§ 17 ff. KSchG).
1. Der Bescheid der Bundesagentur für Arbeit vom 11. Dezember 2006 steht der Kündigung nicht entgegen. Die Revision beanstandet nicht die Auslegung, die
das Landesarbeitsgericht dem Bescheid gegeben hat. Er wollte der Beklagten offenkundig den Ausspruch der Kündigungen unmittelbar nach Erstattung der
Anzeige (27. November 2006) und nicht etwa erst "nach Ablauf der Kündigungsfrist" gestatten. Die Arbeitsverhältnisse durften nach dem - wohlverstandenen -
Inhalt des Bescheids nach Erstattung der Anzeige gekündigt werden und frühestens mit Ablauf der verhängten Sperrfrist enden. Außerdem mussten -
selbstverständlich - die jeweils anwendbaren Kündigungsfristen gewahrt bleiben.
2. Die Kündigung verstößt nicht gegen § 18 Abs. 4 KSchG.
a) Nach dieser Vorschrift bedarf es "unter den Voraussetzungen des § 17 Abs. 1" einer erneuten Anzeige, soweit die Entlassungen nicht innerhalb von 90 Tagen
nach dem Zeitpunkt, zu dem sie nach den Absätzen 1 und 2 zulässig sind, durchgeführt werden. Gemäß der in Bezug genommenen Vorschrift des § 17 Abs. 1
KSchG ist der Arbeitgeber verpflichtet, der Agentur für Arbeit Anzeige zu erstatten, bevor er in Betrieben mit in der Regel mehr als 20 und weniger als 60
Arbeitnehmern mehr als 5 Arbeitnehmer, in Betrieben mit in der Regel mindestens 60 und weniger als 500 Arbeitnehmern 10 vom Hundert der im Betrieb
regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer oder aber mehr als 25 Arbeitnehmer und in Betrieben mit in der Regel mindestens 500 Arbeitnehmern mindestens 30
Arbeitnehmer innerhalb von 30 Kalendertagen entlässt.
Der Begriff "Entlassung" in § 17 Abs. 1 KSchG bedeutet "Kündigung" oder "Ausspruch der Kündigung" (Senat 23. März 2006 - 2 AZR 343/05 - Rn. 18,
BAGE 117, 281). Die zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses führende einseitige Willenserklärung - nämlich die Kündigung - darf demnach erst
ausgesprochen werden, nachdem der Arbeitgeber die Anzeige nach § 17 Abs. 1 KSchG bei der Agentur für Arbeit erstattet hat.
b) Welchen rechtlichen Gehalt § 18 Abs. 4 KSchG vor diesem Hintergrund hat, ist umstritten.
aa) Teilweise wird angenommen, § 18 Abs. 4 KSchG sei obsolet geworden. Die Vorschrift sei mit ihrem Verweis auf § 17 Abs. 1 KSchG nur verständlich,
wenn man, wie vor der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 27. Januar 2005 (- C-188/03 - [Junk], EuGHE I 2005, 885), unter "Entlassung" iSd. §
17 Abs. 1 KSchG nicht die Kündigung, sondern die tatsächliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses verstehe. Ansonsten schreibe sie - ohne erkennbaren Sinn
- die erneute Anzeige einer bereits angezeigten Kündigung vor. Die frühere Lesart wiederum sei ausgeschlossen (vgl. ErfK/Kiel 10. Aufl. § 18 KSchG Rn. 12;
KR/Weigand 9. Aufl. § 18 KSchG Rn. 34; Kittner/Däubler/Zwanziger-Kittner/Deinert KSchR 7. Aufl. § 18 KSchG Rn. 17; Münch-KommBGB/Hergenröder 5.
Aufl. § 18 KSchG Rn. 17; Bauer/Krieger/Powietzka DB 2005, 445; Dornbusch/Wolff BB 2005, 887; ebenso: Bundesagentur für Arbeit Merkblatt 5
Anzeigepflichtige Entlassungen für Arbeitgeber Stand Juli 2005 unter 6. 4).
bb) Einige Stimmen meinen, die Vorschrift müsse wie bisher angewandt werden; "Entlassung" iSd. § 18 Abs. 4 KSchG bedeute nach wie vor die tatsächliche
Beendigung des Arbeitsverhältnisses (HWK/Molkenbur § 18 KSchG Rn. 13). Das Gesetz wolle im Interesse der besseren Unterrichtung der Bundesagentur den
Arbeitgeber bei Kündigungen, die erst zu einem außerhalb der Freifrist liegenden Zeitpunkt wirksam werden, zu einer erneuten Anzeige verpflichten
(Boeddinghaus ArbuR 2007, 374). Das sei durchaus sinnvoll, weil es bei langfristig geplanten und frühzeitig angezeigten Massenentlassungen neue
Entwicklungen geben könne, die für die Arbeitsagentur von Interesse sein könnten (ähnlich v. Hoyningen-Huene/Linck KSchG 14. Aufl. § 18 KSchG Rn. 23, 24).
cc) Das Landesarbeitsgericht hat die Auffassung vertreten, der sich nach dem Wortlaut des § 18 Abs. 4 KSchG ergebende Anwendungsbereich müsse
teleologisch reduziert werden. Eine erneute Anzeige sei deshalb immer dann überflüssig, wenn der Bundesagentur lediglich die ihr schon bekannten Tatsachen
mitgeteilt werden könnten. Im Streitfall hätten sich zwar nach Erstattung der ersten Anzeige zwei Teilbetriebsübergänge ergeben. Dadurch habe sich aber die
Zahl der Entlassungen nicht erhöht.
dd) Indes führt bereits der Wortlaut von § 18 Abs. 4 KSchG zu dem Ergebnis, dass im Streitfall keine erneute Anzeige zu erfolgen hatte. Dabei kann
offenbleiben, ob die dort gebrauchten Ausdrücke "Entlassung" und "Durchführung der Entlassung" die Kündigungserklärung meinen oder - wie früher
selbstverständlich - die tatsächliche Beendigung. Freilich weist die Wendung "Durchführung der Entlassung" eher darauf hin, es müsse die
Kündigungserklärung gemeint sein (vgl. BAG 6. November 2008 - 2 AZR 935/07 - Rn. 29, AP KSchG 1969 § 18 Nr. 4 = EzA KSchG § 18 Nr. 1). Einer
erneuten Anzeige bedarf es nach § 18 Abs. 4 KSchG schon deshalb nicht, weil die Tatbestandsvoraussetzungen der Norm im Übrigen nicht gegeben sind. Die
erneute Anzeige ist nach dem Gesetz nur "unter den Voraussetzungen des § 17 Abs. 1 KSchG" notwendig. Die "Voraussetzungen des § 17 Abs. 1 KSchG"
wiederum liegen hier offensichtlich nicht vor. Zu diesen gehört, dass der Arbeitgeber den Ausspruch einer Massenkündigung beabsichtigt. Nur wenn er
entsprechende Willenserklärungen abgeben will, bedarf es der Anzeige nach § 17 Abs. 1 KSchG. Daran fehlt es hier. Die Beklagte beabsichtigte nach Ablauf
der Freifrist nicht mehr den Ausspruch von Kündigungen. Dafür bestand kein Anlass, da sie bereits gekündigt hatte. Ein anderes Verständnis der gesetzlichen
Anordnung in § 18 Abs. 4 KSchG würde den Arbeitgeber zum erneuten Ausspruch einer Kündigung zwingen, was die Bestimmung erkennbar nicht
beabsichtigt. Es käme ansonsten bei Kündigungsfristen, die länger als die Freifrist sind, zu einer unendlichen Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses.
ee) Bei diesem Normverständnis bleibt für § 18 Abs. 4 KSchG ein zum System der §§ 17 ff. KSchG gut passender Anwendungsbereich. Der Arbeitgeber muss
nämlich - nach Ablauf der Freifrist - dann eine erneute Anzeige erstatten, wenn er von der Möglichkeit des Ausspruchs der Kündigung - bis dahin - keinen
Gebrauch gemacht hat (im Ergebnis ebenso: APS/Moll 3. Aufl. § 18 KSchG Rn. 38; HaKo/Pfeiffer 3. Aufl. § 18 KSchG Rn. 19; wohl auch BeckOK/Volkening
Stand September 2009 KSchG § 18 Rn. 16; ähnlich schon Senat 6. November 2008 - 2 AZR 935/07 - Rn. 29, AP KSchG 1969 § 18 Nr. 4 = EzA KSchG § 18
Nr. 1). Auf diese Weise werden "Vorratsanzeigen" verhindert, die dem Zweck des Gesetzes zuwiderliefen, die Agentur für Arbeit über das tatsächliche Ausmaß
der Beendigungen von Arbeitsverhältnissen ins Bild zu setzen. ..." (BAG, Urteil vom 23.02.2010 - 2 AZR 804/08)
***
Eine "erneute Anzeige" im Sinne von § 18 Abs. 4 KSchG ist nicht erforderlich, wenn Kündigungen nach einer ersten Anzeige vor Ablauf der Freifrist
ausgesprochen werden, die Arbeitsverhältnisse wegen langer Kündigungsfristen aber erst nach Ablauf der Freifrist enden (BAG, Urteil vom 23.02.2010 - 2
AZR 268/08).
***
Die Entlassungssperre nach § 18 I KSchG hindert weder den Ausspruch einer Kündigung nach Anzeige der Massenentlassung bei der Agentur für Arbeit
während des Laufs der Sperrfrist nach § 18 I oder II KSchG noch verlängert die Sperrfrist die gesetzlichen Kündigungsfristen. Nach allgemeiner Ansicht ist
eine beschränkte Zulassung der Revision möglich. Allerdings darf die Zulassung nicht auf einzelne rechtliche Gesichtspunkte eines unteilbaren
Streitgegenstandes beschränkt werden, sondern muss einen abtrennbaren selbständigen Teil des Gesamtstreitstoffes, über den gesondert und unabhängig von
dem restlichen Verfahrensgegenstand entschieden werden kann, zum Gegenstand haben. Eine auf die Problematik der Kündigungsfrist beschränkte
Revisionszulassung betrifft einen tatsächlich und rechtlich selbständigen und abtrennbaren Teil des Kündigungsstreits. Nach der gesetzlichen Formulierung des
§ 18 I KSchG kann eine Kündigung schon unmittelbar nach Erstattung (Eingang) der Anzeige bei der Agentur für Arbeit ausgesprochen werden. Die
Gesetzesfassung verbietet vor Ablauf der Sperrfrist den Ausspruch der Kündigung nicht, auch wenn man unter "Entlassung" im Sinne der Norm die Kündigung
versteht. Eine Kündigung kann somit nach Anzeigenerstattung erfolgen. Die betroffenen Arbeitnehmer dürfen nur nicht vor Ablauf der Monatsfrist des § 18 I
KSchG - oder im Fall des § 18 II KSchG der längstens zweimonatigen Frist - aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden. Dementsprechend werden von der
"Sperrfrist" nur solche Kündigungen unmittelbar erfasst, deren Kündigungsfrist kürzer als einen Monat (bzw. zwei Monate) sind. Der vorstehenden Auslegung
steht auch nicht die Regelung zur sog. Freifrist des § 18 IV KSchG entgegen. Ob § 18 IV KSchG nach der neuen Auffassung vom Begriff der "Entlassung"
überhaupt noch anwendbar und nicht teleologisch zu reduzieren ist, kann dahingestellt bleiben (BAG, Urteil vom 06.11.2008 - 2 AZR 935/07).
*** (LAG)
Kündigt ein Arbeitgeber, bevor er eine nach § 17 I KSchG erforderliche Anzeige bei der Agentur für Arbeit erstattet hat, ist die Kündigung unwirksam. Eine
Heilung duch eine nachträgliche Anzeige ist nicht möglich. Enthält bei einer ordentlichen Änderungskündigung das Angebot einer Änderung der
Arbeitsbedingungen bereits mit Wirkung vor Ablauf der Kündigungsfrist, ist die Kündigung nach § 1 II, § 2 KSchG sozial ungerechtfertigt (vgl. BAG vom
21.9.2006 - 2 AZR 120/06, ZIP 2007, 882 = DB 2007, 634; LAG Düsseldorf, Urteil vom 01.03.2007 - 13 Sa 1275/06).
Nach Erstattung einer Massenentlassungsanzeige gem. § 17 I S. 1 KSchG braucht mit dem Ausspruch der Kündigungen nicht bis zum Ablauf der einmonatigen
Regelsperrfrist des § 18 I Halbs. 1 KSchG abgewartet zu werden. Die Kündigungsfrist wird in diesem Fall allerdings erst mit Ablauf der Sperrfrist in Lauf
gesetzt (LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 23.02.2007 - 6 Sa 2152/06).
§ 19 Zulässigkeit von Kurzarbeit
(1) Ist der Arbeitgeber nicht in der Lage, die Arbeitnehmer bis zu dem in § 18 Abs. 1 und 2 bezeichneten Zeitpunkt voll zu beschäftigen, so kann die
Bundesagentur für Arbeit, dass der Arbeitgeber für die Zwischenzeit Kurzarbeit einführt.
(2) Der Arbeitgeber ist im Falle der Kurzarbeit berechtigt, Lohn oder Gehalt der mit verkürzter Arbeitszeit beschäftigten Arbeitnehmer entsprechend zu kürzen;
die Kürzung des Arbeitsentgelts wird jedoch erst von dem Zeitpunkt an wirksam, an dem das Arbeitsverhältnis nach den allgemeinen gesetzlichen oder den
vereinbarten Bestimmungen enden würde.
(3) Tarifvertragliche Bestimmungen über die Einführung, das Ausmass und die Bezahlung von Kurzarbeit werden durch die Absätze 1 und 2 nicht berührt.
§ 20 Entscheidungen des Arbeitsamtes
(1) Die Entscheidungen der Agentur für Arbeit nach § 18 Abs. 1 und 2 trifft deren Geschäftsführung oder ein Ausschuss (Entscheidungsträger). Die
Geschäftsführung darf nur dann entscheiden, wenn die Zahl der Entlassungen weniger als 50 beträgt.
(2) Der Ausschuss setzt sich aus dem oder der Vorsitzenden der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit oder einem von ihm oder ihr beauftragten
Angehörigen der Agentur für Arbeit als Vorsitzenden und je zwei Vertretern der Arbeitnehmer, der Arbeitgeber und der öffentlichen Körperschaften
zusammen, die von dem Verwaltungsausschuss des Arbeitsamtes benannt werden.
Er trifft seine Entscheidungen mit Stimmenmehrheit.
(3) Der Entscheidungsträger hat vor seiner Entscheidung den Arbeitgeber und den Betriebsrat anzuhören. Dem Entscheidungsträger sind, insbesondere vom
Arbeitgeber und Betriebsrat, die von ihm für die Beurteilung des Falles erforderlich gehaltenen Auskünfte zu erteilen.
(4) Der Entscheidungsträger hat sowohl das Interesse des Arbeitgebers als auch das der zu entlassenden Arbeitnehmer, das öffentliche Interesse und die Lage
des gesamten Arbeitsmarktes unter besonderer Beachtung des Wirtschaftszweiges, dem der Betrieb angehört, zu berücksichtigen.
§ 21 Entscheidungen der Hauptstelle der Bundesanstalt für Arbeit
Für Betriebe, die zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr oder des Bundesministers für das Post und Telekommunikation gehören, trifft, wenn
mehr als 500 Arbeitnehmer entlassen werden sollen, ein gemäß § 20 Abs. 1 bei der Zentrale der Bundesagentur für Arbeit zu bildender Ausschuss die
Entscheidungen nach § 18 Abs. 1 und 2. Der zuständige Bundesminister kann zwei Vertreter mit beratender Stimme in den Ausschuss entsenden. Die Anzeigen
nach § 17 sind in diesem Falle an die Zentrale der Bundesagentur zu erstatten. Im übrigen gilt § 20 Abs. 1 bis 3 entsprechend.
Leitsätze:
Die Massenentlassungsanzeige ist bei der beabsichtigten Stilllegung eines privaten Luftfahrtunternehmens nicht an die Hauptstelle der Bundesanstalt für Arbeit
(§ 21 S. 3 KSchG) zu richten, sondern an das örtlich zuständige Arbeitsamt (§§ 17, 18 KSchG), weil ein derartiges Unternehmen nicht nach § 21 S. 1 KSchG
zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr gehört (BAG, Urteil vom 04.03.1993 - 2 AZR 451/92, NJW 1993, 2889).
§ 22 Ausnahmebetriebe
(1) Auf Saisonbetriebe und Kampagne-Betriebe finden die Vorschriften dieses Abschnitts bei Entlassungen, die durch diese Eigenart der Betriebe bedingt sind,
keine Anwendung.
(2) Keine Saisonbetriebe oder Kampagne-Betriebe sind Betriebe des Baugewerbes, in denen die ganzjährige Beschäftigung nach dem Dritten Buch
Sozialgesetzbuch gefördert wird. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung Vorschriften zu erlassen, welche
Betriebe als Saisonbetriebe oder Kampagne-Betriebe im Sinne des Absatzes 1 gelten.
Leitsätze:
Nach einer zulässigen Kündigung aus witterungsbedingten Gründen besteht grundsätzlich kein Anspruch auf Wiedereinstellung. (LAG Thüringen, Urteil vom
20.03.2003 - 2 Sa 422/02, NJ 2003, 669 L).
Das Kündigungsschutzgesetz ist dann nicht anwendbar, wenn bei einem jährlich neu begründeten Arbeitsverhältnis für die Dauer von ca. 8 Monaten dem
Arbeitsverhältnis immanent ist, dass es nach Ablauf dieser Zeit endet (LAG Niedersachsen, Urteil vom 14.03.2000 - 7 Sa 1610/99, NJOZ 2001, 62).
§ 22 A Übergangsregelung
(aufgehoben)
§ 23 Geltungsbereich
(1) Die Vorschriften des Ersten und Zweiten Abschnitts gelten für Betriebe und Verwaltungen des privaten und des öffentlichen Rechts, vorbehaltlich der
Vorschriften des § 24 für die Seeschiffahrts-, Binnenschiffahrts- und Luftverkehrsbetriebe. Die Vorschriften des Ersten Abschnitts gelten mit Ausnahme der §§
4 bis 7 und des § 13 Abs. 1 Satz 1 und 2 nicht für Betriebe und Verwaltungen, in denen in der Regel fünf oder weniger Arbeitnehmer ausschließlich der zu ihrer
Berufsbildung Beschäftigten beschäftigt werden. In Betrieben und Verwaltungen, in denen in der Regel zehn oder weniger Arbeitnehmer ausschließlich der zu
ihrer Berufsbildung Beschäftigten beschäftigt werden, gelten die Vorschriften des Ersten Abschnitts mit Ausnahme der §§ 4 bis 7 und des § 13 Abs. 1 Satz 1
und 2 nicht für Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis nach dem 31. Dezember 2003 begonnen hat; diese Arbeitnehmer sind bei der Festsetzung der Zahl der
beschäftigten Arbeitnehmer nach Satz 2 bis zur Beschäftigung von in der Regel zehn Arbeitnehmern nicht zu berücksichtigen. Bei der Feststellung der Zahl der
beschäftigten Arbeitnehmer nach den Sätzen 2 und 3 sind teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von nicht mehr
als 20 Stunden mit 0,5 und nicht mehr als 30 Stunden mit 0,75 zu berücksichtigen.
(2) Die Vorschriften des Dritten Abschnitts gelten für Betriebe und Verwaltungen des privaten Rechts sowie für Betriebe, die von einer öffentlichen
Verwaltung geführt werden, soweit sie wirtschaftliche Zwecke verfolgen. Sie gelten nicht für Seeschiffe und ihre Besatzung.
Leitsätze:
Bei der Bestimmung der Betriebsgröße iSv. § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG sind im Betrieb beschäftigte Leiharbeitnehmer zu berücksichtigen, wenn ihr Einsatz auf
einem "in der Regel" vorhandenen Personalbedarf beruht (BAG, Urteil vom 24.01.2013 - 2 AZR 140/12).
***
„... II. Die Kündigung ist nicht sozialwidrig iSd. §§ 1, 2 KSchG. Der Erste Abschnitt des Kündigungsschutzgesetzes findet keine Anwendung auf die
Kündigung. Die Beklagte beschäftigte im Inland nicht mehr als fünf Arbeitnehmer iSd. § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG. Die von der Beklagten in Griechenland
beschäftigten Arbeitnehmer sind nicht mitzuzählen. Maßgeblich ist die Zahl der bei Ausspruch der Kündigung in Deutschland beschäftigten Arbeitnehmer.
1. Der Erste Abschnitt des Kündigungsschutzgesetzes ist nach § 23 Abs. 1 KSchG nur auf in Deutschland gelegene Betriebe anzuwenden, deren
Beschäftigtenzahl den erforderlichen Wert erreicht. Das entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats (26. März 2009 - 2 AZR 883/07 - Rn. 13 ff., AP
KSchG 1969 § 23 Nr. 45; 17. Januar 2008 - 2 AZR 902/06 - Rn. 21 ff., BAGE 125, 274). Die hiergegen neuerlich erhobenen Bedenken (vgl. Straube DB 2009,
1406) verkennen, dass der Senat die Anwendbarkeit deutschen Kündigungsrechts in den umstrittenen Fällen nicht verneint. Die Anwendbarkeit des
Kündigungsschutzgesetzes ist gerade Voraussetzung für die vom Senat vorgenommene Prüfung, ob ein Betrieb die nach § 23 KSchG maßgeblichen
Voraussetzungen erfüllt. Die Auffassung des Senats steht im Einklang mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben (BVerfG 12. März 2009 - 1 BvR 1250/08 -).
Die im Urteil vom 17. Januar 2008 (- 2 AZR 902/06 - aaO) angesprochenen Ausnahmekonstellationen - Überschreitung der notwendigen Beschäftigtenzahl in
Deutschland bei Steuerung dieser Beschäftigten durch einen im Ausland gelegenen Betrieb - liegen ersichtlich nicht vor.
2. Die Beklagte beschäftigte nicht mehr als fünf Arbeitnehmer iSd. § 23 Abs. 1 KSchG. Für die Berechnung der nach § 23 Abs. 1 KSchG maßgeblichen
Beschäftigtenzahl bedarf es - ausgehend vom Kündigungszeitpunkt - grundsätzlich eines Rückblicks auf die bisherige personelle Situation und einer
Einschätzung der zukünftigen Entwicklung (Senat 22. Januar 2004 - 2 AZR 237/03 - zu II 1 a der Gründe, BAGE 109, 215; 31. Januar 1991 - 2 AZR 356/90 -
zu II 2 der Gründe, AP KSchG 1969 § 23 Nr. 11 = EzA KSchG § 23 Nr. 11).
a) Es kommt auf die Beschäftigungslage an, die im Allgemeinen für den Betrieb kennzeichnend ist. Dies bedeutet, dass etwa der bloße Entschluss des
Arbeitgebers, seinen Betrieb künftig auf Dauer mit nicht mehr als fünf bzw. zehn Arbeitnehmern fortzusetzen, für sich genommen nicht zur Unterschreitung
des Schwellenwerts führt. Im Rahmen des § 23 Abs. 1 KSchG kann, wie die Revision zu Recht ausführt, kein anderer Maßstab gelten als bei den Regelungen
der §§ 17 ff. KSchG und §§ 111 ff. BetrVG. Dort ist anerkannt, dass es zur Berechnung des maßgeblichen Schwellenwerts eines Rückblicks auf die bisherige
Beschäftigtenzahl bedarf (Senat 8. Juni 1989 - 2 AZR 624/88 - zu III 3 der Gründe, AP KSchG 1969 § 17 Nr. 6 = EzA KSchG § 17 Nr. 4; BAG 16. November
2004 - 1 AZR 642/03 - zu I 1 der Gründe, AP BetrVG 1972 § 111 Nr. 58 = EzA BetrVG 2001 § 111 Nr. 2). Dabei ist - auch zur Verhinderung von
Missbräuchen und zur Vermeidung willkürlicher Ergebnisse - entscheidend, ob ein Personalabbau auf einer einheitlichen unternehmerischen Planung beruht
(BAG 28. März 2006 - 1 ABR 5/05 - Rn. 18 ff. mwN, BAGE 117, 296). Maßgebender Anknüpfungspunkt ist die unternehmerische Entscheidung, aus der sich
ergibt, wie viele Arbeitnehmer voraussichtlich insgesamt entlassen werden. Eine einheitliche Planungsentscheidung kann auch eine stufenweise Durchführung
vorsehen. Dabei kann ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen mehreren Entlassungswellen ein wesentliches Indiz für eine von Anfang an einheitliche
Planung sein. Eine spätere Entlassungswelle kann aber auch das Ergebnis einer neuen Planung sein (BAG 28. März 2006 - 1 ABR 5/05 - Rn. 19, aaO). Für § 23
KSchG ist dementsprechend die Beschäftigtenzahl im Zeitpunkt der unternehmerischen Entscheidung maßgeblich, die der Kündigung zugrunde liegt.
b) Die Anwendung dieser Grundsätze führt nicht zur Berücksichtigung der Beschäftigtenzahl, die zur Zeit des Stilllegungsbeschlusses maßgeblich war.
Grundlage der Kündigung war nicht dieser Beschluss, sondern eine neue, eigenständige Entscheidung der Beklagten aus der Zeit nach dem 10. Januar 2006.
aa) Der vorige Beschluss hatte zu einem Interessenausgleich und einem Sozialplan geführt. Nahezu alle Arbeitsverhältnisse waren beendet worden. Auch dem
Kläger war eine Beendigungskündigung ausgesprochen worden, die er jedoch mit Erfolg angegriffen hat.
bb) Bei Ausspruch der hier im Streit stehenden Kündigung hatte die Beklagte ihre Geschäftstätigkeit bereits vollständig eingestellt. Die im Februar 2006
ausgesprochene Änderungskündigung beruhte nicht mehr auf dem ursprünglichen Stilllegungskonzept, das keine Weiterbeschäftigung des Klägers vorsah. Die
Beklagte hat die nach Einstellung ihrer Geschäftstätigkeit in Deutschland vorgefundene Lage neu bewerten müssen und bewertet. Sie hat dem Umstand
Rechnung getragen, dass es für den Kläger in Deutschland keine Einsatzmöglichkeit mehr gab, ihr aber vom Arbeitsgericht im Urteil vom 10. Januar 2006
deutlich gemacht worden war, sie müsse eine ihr mögliche Weiterbeschäftigung in Griechenland prüfen. Dem ist sie nachgekommen und hat dem Kläger
mehrere Änderungsvorschläge unterbreitet.
cc) Der Umstand, dass der Stilllegungsbeschluss ein Glied in der Kausalkette war, die zur Kündigung führte, kann nicht, worauf die Auffassung der Revision
hinausliefe, eine "Verewigung" des Kündigungsschutzes bewirken. Arbeitnehmer in der Situation des Klägers sind dabei ausreichend vor Missbrauch geschützt.
Nach den og. Grundsätzen ist es dem Arbeitgeber nicht möglich, bestimmte - etwa missliebige - Mitarbeiter von Kündigungswellen zunächst auszunehmen, um
sie sodann - wenn der Schwellenwert unterschritten ist - ohne Kündigungsschutz zu entlassen.
III. Die Kündigung ist nicht nach Art. 33 der Arbeitsordnung unwirksam. Diese Vorschrift findet auf das Arbeitsverhältnis der Parteien keine Anwendung.
1. Die Parteien haben die Geltung der Arbeitsordnung nicht einzelvertraglich vereinbart.
a) Ihre Vereinbarung vom 9. Juni 1987, in der der Kläger seiner weitgehenden Gleichstellung mit deutschen Beschäftigten der Beklagten zustimmte, enthält
keine Abrede über die Geltung der Arbeitsordnung. Dass eine ausdrückliche Vereinbarung dieses Inhalts nicht getroffen wurde, hat das Landesarbeitsgericht
festgestellt, ohne dass der Kläger dem in der Revisionsbegründung entgegengetreten wäre. Soweit der Kläger rügt, das Landesarbeitsgericht habe Teile seines
Vorbringens nicht berücksichtigt, ergibt sich aus dem von ihm als übergangen angesehenen Vorbringen keine Vereinbarung des von ihm in Anspruch
genommenen Inhalts.
b) Ein Rundschreiben der Beklagten vom 18. Juni 2002 enthält lediglich die Unterrichtung über eine Änderung der Arbeitsordnung, die der Kläger zur Kenntnis
nahm. Dass darin ein Vertragsangebot gelegen hätte, macht auch die Revision nicht geltend.
c) Die übrigen vom Kläger in diesem Zusammenhang benannten Schreiben der Beklagten enthalten einseitige Erklärungen ihres Gouverneurs oder
stellvertretenden Gouverneurs, die sich zwar auf die Arbeitsordnung beziehen, von denen der Kläger selbst jedoch nicht behauptet, dass er ihnen - auch nur
stillschweigend - zugestimmt hätte. Es ging in den Schreiben darum, die nach griechischem Arbeitsrecht bestehenden Voraussetzungen für eine Beschäftigung
des Klägers in Griechenland zu schaffen, die dieser jedoch ablehnte.
2. Die Arbeitsordnung gilt nicht nach § 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG. Diese Vorschrift bezieht sich ausdrücklich nur auf Betriebsvereinbarungen iSd. § 77 Abs. 1
BetrVG. Eine solche ist die Arbeitsordnung nicht.
3. Die Arbeitsordnung gilt auch nicht nach § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG. Die Vorschrift regelt die Geltung von Tarifverträgen. Tarifverträge iSd.
Tarifvertragsgesetzes sind nur solche, die nach deutschem Recht abgeschlossen wurden. Dass die Arbeitsordnung ein derartiger Tarifvertrag wäre, macht auch
der Kläger nicht geltend. ..." (BAG, Urteil vom 08.10.2009 - 2 AZR 654/08)
***
Der in § 23 I KSchG verwendete Begriff des "Betriebs" bezeichnet in Deutschland gelegene Betriebe. Jedenfalls solche im Ausland beschäftigte Arbeitnehmer,
deren Arbeitsverhältnis nicht dem deutschen Recht unterliegen, zählen auch dann bei der Berechnung des Schwellenwertes nicht mit, wenn die ausländische
Arbeitsstätte mit einer deutschen einen Gemeinschaftsbetrieb bildet (BAG, Urteil vom 26.03.2009 - 2 AZR 883/07).
Nach § 23 I 3 Halbs. 2 KSchG findet der Erste Abschnitt des KSchG nur Anwendung, wenn im Betrieb zum Kündigungszeitpunkt entweder mehr als zehn
Arbeitnehmer oder mehr als fünf (Alt-)Arbeitnehmer beschäftigt sind, die dem Betrieb bereits am 31. 12. 2003 angehörten. Dem Gesetzgeber ist es durch Art. 3
I GG nicht verwehrt, zur Regelung bestimmter Lebenssachverhalte Stichtage einzuführen. Voraussetzung ist, dass sich die Einführung des Stichtags überhaupt
und die Wahl des Zeitpunkts am gegebenen Sachverhalt orientieren und damit sachlich vertretbar sind. Diese Voraussetzungen sind bei der in § 23 I KSchG
enthaltenen Stichtagsregelung erfüllt (BAG, Urteil vom 27.11.2008 - 2 AZR 790/07).
Der Erste Abschnitt des Kündigungsschutzgesetzes findet nach § 23 I KSchG n.F. nur Anwendung, wenn im Betrieb zum Kündigungszeitpunkt in der Regel
entweder mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt sind oder mehr als fünf "Alt-Arbeitnehmer", die bereits am 31. Dezember 2003 im Betrieb beschäftigt waren.
Ersatzeinstellungen für ausgeschiedene "Alt-Arbeitnehmer" sind für die Berechnung des abgesenkten Schwellenwerts nach § 23 I 2 KSchG unbeachtlich. Für
das Eingreifen des abgesenkten Schwellenwerts nach § 23 I 2 KSchG kommt es nicht darauf an, ob die am 31. Dezember 2003 beschäftigten
"Alt-Arbeitnehmer" zu diesem Zeitpunkt bereits die Wartezeit des § 1 I KSchG erfüllt hatten. Der Arbeitnehmer trägt die Darlegungs- und Beweislast für das
Vorliegen der in § 23 I KSchG geregelten betrieblichen Geltungsvoraussetzungen des Kündigungsschutzgesetzes. Ein Teilbetriebsübergang i.S. des § 613a
BGB, der im Rahmen von § 622 II BGB zur Zusammenrechnung von Beschäftigungszeiten führt, setzt die Wahrung der Identität der betreffenden
wirtschaftlichen Einheit voraus. Scheiden Rechtsanwälte aus einer Anwaltssozietät aus, in der sie nicht als Partner, sondern als angestellte Anwälte tätig waren,
und führen sie in einer von ihnen neu gegründeten Partnerschaftsgesellschaft die zuvor betreuten Mandate fort, ergeben sich allein daraus noch keine
hinreichenden Anknüpfungspunkte für einen Übergang einer organisatorisch abgegrenzten wirtschaftlichen Einheit i.S. des § 613a BGB (BAG, Urteil vom
23.10.2008 - 2 AZR 131/07).
Der Arbeitnehmer trägt die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der in § 23 I KSchG geregelten betrieblichen Geltungsvoraussetzungen des
Kündigungsschutzgesetzes. Das gilt auch für die am 1. Januar 2004 in Kraft getretene Neufassung des § 23 KschG (BAG, Urteil vom 26.06.2008 - 2 AZR 264/07).
§ 23 I KSchG erfasst nur Betriebe, die in der Bundesrepublik Deutschland liegen. Das Kündigungsschutzgesetz gilt - vorbehaltlich von Sonderregelungen des
Gemeinschaftsrechts - nur für Betriebe, die im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland die Voraussetzungen des § 23 I 2 KSchG erfüllen. Die gesetzgeberische
Entscheidung, für die Anwendung des Kündigungsschutzgesetzes einen Betrieb in der Bundesrepublik zu fordern, ist nicht willkürlich (BAG, Urteil vom
17.01.2008 - 2 AZR 902/06).
Bei Anwendung des abgesenkten Schwellenwertes nach § 23 I 2 KSchG werden nur diejenigen noch beim Arbeitgeber beschäftigten Arbeitnehmer
berücksichtigt, die bereits vor dem 1.1.2004 beschäftigt waren (BAG, Urteil vom 17.01.2008 - 2 AZR 512/06).
Der im Arbeitsverhältnis mit dem Betriebsveräußerer auf Grund der Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer erwachsene Kündigungsschutz geht nicht nach § 613a
I 1 BGB mit dem Arbeitsverhältnis auf den Betriebserwerber über, wenn in dessen Betrieb die Voraussetzungen des § 23 I KSchG nicht vorliegen (BAG, Urteil
vom 15.02.2007 - 8 AZR 397/06).
Der Erste Abschnitt des Kündigungsschutzgesetzes findet gemäß § 23 I KSchG nur Anwendung, wenn im Betrieb zum Kündigungszeitpunkt entweder mehr als
zehn Arbeitnehmer beschäftigt sind oder mehr als fünf (Alt-) Arbeitnehmer, die bereits am 31.12.2003 im Betrieb beschäftigt waren. Bei der Berechnung des
abgesenkten Schwellenwertes des § 23 I 2 KSchG zählen nur die (Alt-)Arbeitnehmer, die bereits am 31.12.2003 im Betrieb beschäftigt waren.
Ersatzeinstellungen für ausgeschiedene (Alt-)Arbeitnehmer werden bei der Berechnung nicht berücksichtigt (BAG, Urteil vom 21.09.2006 - 2 AZR 840/05).
Bei der Berechnung des Schwellenwerts nach § 23 I Satz 2 KSchG ist der gekündigte Arbeitnehmer auch dann mit zu berücksichtigen, wenn Kündigungsgrund
die unternehmerische Entscheidung ist, den betreffenden Arbeitsplatz nicht mehr neu zu besetzen (BAG, Urteil vom 22.01.2004 - 2 AZR 237/03, NJW 2004, 1818).
Macht der Arbeitnehmer im Kleinbetrieb geltend, der Arbeitgeber habe bei einer Auswahlentscheidung das gebotene Mindestmaß an sozialer Rücksichtnahme
außer Acht gelassen, so muss sich aus seinem Vorbringen auch ergeben, dass er mit den nicht gekündigten Arbeitnehmern auf den ersten Blick vergleichbar ist
(Bestätigung und Fortführung von BAG 21. 2. 2001 - 2 AZR 15/00 - BAGE 97, 92 = NZA 2001, 833), (BAG, Urteil vom 06.02.2003 - 2 AZR 672/01, NJW
2003, 2188).
Der Arbeitnehmer einer Konzernholding genießt, soweit kein Gemeinschaftsbetrieb zwischen der Holding und den Tochtergesellschaften besteht, regelmäßig
nur dann Kündigungsschutz, wenn die Holding ihrerseits dem Kündigungsschutzgesetz unterliegt (BAG, Urteil vom 13.06.2002 - 2 AZR 327/01, NJW 2002, 3349).
Bei der Berechnung der Betriebsgröße nach § 23 I 2 KSchG ist eine vom Hauptbetrieb weit entfernt gelegene kleinere Betriebsstätte (im Fall: Tischlerei in einer
Werft mit einem Meister und zwei weiteren Arbeitnehmern) regelmäßig dem Hauptbetrieb zuzurechnen, wenn die Kompetenzen des Meisters denen des Leiters
einer Betriebsabteilung vergleichbar sind und die wesentlichen Entscheidungen in personellen und sozialen Angelegenheiten im Hauptbetrieb getroffen werden
(BAG, Urteil vom 15.03.2001 - 2 AZR 151/00, NZA 2001, 831).
Die Wirksamkeit einer Kündigung aus Gründen in dem Verhalten des Arbeitnehmers setzt außerhalb des Anwendungsbereichs des Kündigungsschutzgesetzes
i. d. R. nicht voraus, dass dem Arbeitnehmer zuvor eine vergebliche Abmahnung erteilt wurde (BAG, Urteil vom 21.02.2001 - 2 AZR 579/99, NZA 2001, 951).
Für die Feststellung der für die Anwendbarkeit des ersten Abschnitts des Kündigungsschutzgesetzes notwendigen Arbeitnehmerzahl sind von anderen
Arbeitgebern (Unternehmen) beschäftigte Arbeitnehmer grundsätzlich nicht zu berücksichtigen; es ist verfassungsrechtlich unbedenklich, daß eine darüber
hinaus greifende Berechnung der Arbeitnehmerzahl - abgesehen von Missbrauchsfällen - nur dann in Betracht kommt, wenn aufgrund einer
Führungsvereinbarung der beteiligten Arbeitgeber (Unternehmen) eine einheitliche institutionelle Leistung hinsichtlich des Kerns der Arbeitgeberfunktionen im
sozialen und personellen Bereich besteht. Nach diesen Grundsätzen genießen die Arbeitnehmer einer Kirchengemeinde der evangelischen Kirche im Rheinland
i. d. R. keinen Kündigungsschutz nach dem ersten Abschnitt des Kündigungsschutzgesetzes, wenn die Kirchengemeinde nicht eine größere als die in § 23 I 2
KSchG genannte Zahl von Arbeitnehmern beschäftigt (BAG, Urteil vom 12.11.1998 - 2 AZR 459/97, NZA 1999, 590).
Bei der Prüfung, ob ein dringendes Erfordernis zu einer Entgeltkürzung durch Änderungskündigung besteht, ist auf die wirtschaftliche Situation des
Gesamtbetriebs, nicht eines unselbständigen Betriebsteils abzustellen (Senatsurteil vom 11.10.1989 - 2 AZR 61/89, DB 1990, S. 2024 = AP Nr. 47 zu § 1
KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung; BAG, Urteil vom 20.08.1998 - 2 AZR 84/98, NJW 1999, 1735 L).
Beschäftigt eine Verwaltung des öffentlichen Rechts mehr als fünf (seit 1.10.1996 mehr als zehn) Arbeitnehmer, sind gem. § 23 I KSchG die Vorschriften des
1. Abschnitts des Kündigungsschutzgesetzes auch dann anzuwenden, wenn in der einzelnen Dienststelle weniger Arbeitnehmer beschäftigt sind. Dies gilt auch
für Verwaltungen eines ausländischen Staates, die in Deutschland die Voraussetzungen des § 23 I KSchG erfüllen, wenn nach dem Arbeitsvertrag deutsches
Kündigungsrecht anzuwenden ist (BAG, Urteil vom 23.04.1998 - 2 AZR 489/97, NJW 1999, 743 L).
Die Voraussetzungen des § 23 I 2 KSchG (Betriebsbegriff im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes) müssen im Inland erfüllt werden; etwas anderes ergibt sich
auch nicht aus Rechtsgrundsätzen der Europäischen Union (BAG, Urteil vom 09.10.1997 - 2 AZR 64/97, EuZW 1998, 608 L).
Bei der Feststellung der regelmäßigen Beschäftigtenzahl (§ 23 I 2 KSchG) bedarf es zur Ermittlung der für den Betrieb im allgemeinen kennzeichnenden
regelmäßigen Beschäftigtenzahl - bezogen auf den Kündigungszeitpunkt - eines Rückblicks auf die bisherige personelle Situation und einer Einschätzung der
zukünftigen Entwicklung (BAG, Urteil vom 31.01.1991 - 2 AZR 356/90, NZA 1991, 562).
§ 23 I 4 gilt nicht für Arbeitnehmer, die zwar am 1. 5. 1985 in einem nach den §§ 1 bis 14 geschützten Arbeitsverhältnis standen, diesen Bestandsschutz aber
unabhängig von der durch Art. 3 Nr. 2b BeschFG 1985 erfolgten Ausklammerung der geringfügig Beschäftigten aus anderen betrieblichen Gründen verloren
haben (hier: Verringerung der Arbeitnehmerzahl durch Ausscheiden am 1. 5. 1985 vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer nach diesem Stichtag; BAG, Urteil vom
26.09.1990 - 2 AZR 176/90 , NZA 1991, 309).
Die Regelung des § 23 I 2, wonach der 1. Abschnitt des Gesetzes über den allgemeinen Kündigungsschutz nicht für Betriebe gilt, in denen in der Regel fünf
weniger Arbeitnehmer ausschließlich der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten beschäftigt werden, verstößt nicht gegen den Gleichheitssatz der Verfassung
(Art. 3 GG). Die Regelung des § 23 I 2 KSchG, wonach der 1. Abschnitt des Gesetzes über den allgemeinen Kündigungsschutz nicht für Betriebe gilt, in denen
in der Regel fünf oder weniger Arbeitnehmer ausschließlich der zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten beschäftigt werden, verstößt nicht gegen den
Gleichheitssatz der Verfassung (Art. 3 GG; BAG, Urteil vom 19.04.1990 - 2 AZR 487/89, NJW 1990, 2405).
§ 23 I 4 KSchG gilt nicht für Arbeitnehmer, die am 1. 5. 1985 noch nicht in einem nach den §§ 1 bis 14 KSchG geschützten Arbeitsverhältnis gestanden haben.
Voraussetzungen des Vorliegens eines von mehreren Unternehmen geführten gemeinsamen Betriebs (BAG, Urteil vom 18.01.1990 - 2 AZR 355/89, NZA
1990, 977).
Werden von mehreren - in einem Gebäude untergebrachten - Unternehmen im Rahmen einer gemeinsamen Arbeitsorganisation unter einer einheitlichen
Leitungsmacht arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt, liegt in der Regel ein gemeinsamer Betrieb im Sinne § 23 I 2 vor. Die Darlegungs- und Beweislast
für das Vorliegen eines von mehreren Unternehmen betriebenen gemeinsamen Betriebes trägt der Arbeitnehmer (BAG, Urteil vom 23.03.1984 - 7 AZR 515/82,
NZA 1984, 88).
Als "Lehrling' i. S. des § 23 I 2 KSchG sind zunächst Auszubildende i. S. des BBiGungsgesetzes anzusehen. Umschüler gehören jedenfalls dann zu den
"Lehrlingen' i. S. des § 23 I 2 KSchG, wenn sie im Rahmen eines mehrjährigen Vertragsverhältnisses zu einem anerkannten Ausbildungsberuf ausgebildet
werden (BAG, Urteil vom 07.09.1983 - 7 AZR 101/82, NJW 1984, 941).
Bei der Ermittlung der für die Geltung des allgemeinen Kündigungsschutzes gem. § 23 I 2 KSchG erforderlichen Beschäftigtenzahl sind alle im Betrieb
regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer ohne Rücksicht auf den zeitlichen Umfang ihrer Tätigkeit mitzuzählen (BAG, Urteil vom 09.06.1983 - 2 AZR 494/81,
NJW 1984, 82).
Zum Kündigungsschutz bei der Aufspaltung der Arbeitgeberfunktionen (hier: Hausmeister-Arbeitsvertrag; BAG, Urteil vom 09.09.1982 - 2 AZR 253/80, ZIP
1983, 486).
*** (LAG)
Für Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis vor dem 1.1.2004 begonnen hat, ist der Schwellenwert von fünf Arbeitnehmern nach § 23 I 2 KSchG maßgeblich,
sofern im Betrieb nicht ohnehin insgesamt mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt sind. Dabei können gem. § 23 I 3 letzter Halbs. KSchG stets aber nur solche
Arbeitnehmer berücksichtigt werden, deren Arbeitsverhältnis ebenfalls vor dem 1.1.2004 begründet wurde. Es stellt noch keine rechtsmissbräuchliche
Umgehung von § 23 I 2 KSchG dar, wenn der Arbeitgeber mehrere vor dem 1.1.2004 begründete befristete Arbeitsverhältnisse mit Befristungsende nach dem
1.1.2004 auslaufen lässt und stattdessen wenig später in entsprechender Anzahl Neu-Einstellungen vornimmt (LAG Köln, Urteil vom 18.01.2006 - 7 Sa 844/05,
NZA-RR 2006, 580).
Wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat, ist die sachgrundlose Befristung eines
Arbeitsverhältnisses grundsätzlich unzulässig. Ohne Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, dass das frühere Arbeitsverhältnis weniger als 6 Monate und/oder
in einem Kleinbetrieb i. S. des § 23 KSchG bestand (LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 23.04.2002 - 8 Sa 84/01, Rudolph, AuA H. 5, 58 ).
Nach der ständigen Rechtsprechung des BAG können mehrere Unternehmen einen gemeinsamen Betrieb bilden. Dies gilt für das Betriebsverfassungsrecht
(BAG, NZA 1989, 190 = AP Nr. 9 zu § 1 BetrVG 1972; BAG, NZA 1989, 804 = AP Nr. 65 zu § 99 BetrVG 1972) ebenso wie für das Kündigungsschutzgesetz
(BAG, NZA 1989, 190 = AP Nr. 9 zu § 23 KSchG 1969 m. w. Nachweisen). Auch größere räumliche Entfernungen der einzelnen Unternehmen schließen dabei
die Annahme eines Gemeinschaftsbetriebs nicht grundsätzlich aus (BAG, NZA 1990, 977 = AP Nr. 9 zu § 23 KSchG 1969 m. w. Nachweisen; BAG, RzK I 4 c
Nr. 24). Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen eines von mehreren Unternehmen geführten gemeinsamen Betriebs i. S. des § 23 I 2 KSchG trägt
der Arbeitnehmer (LAG Köln, Urteil vom 25.04.2001 - 8 (7) Sa 96/01, NZA-RR 2002, 422).
Bei einem Unternehmen mit nicht mehr als fünf Arbeitnehmern, das als herrschende Konzernmuttergesellschaft die selbstständigen, aber weisungsgebundenen
Konzerntöchter führt, handelt es sich um einen Kleinbetrieb i.S. des § 23 I 2 KSchG. Ein derartiges Unternehmen ist nicht unter den Betriebsbegriff
einzuordnen, wie er sich nach der Rechtsprechung des BVerfG (NZA 1998, 470) aus Sinn und Zweck der so genannten Kleinbetriebsklausel zu interpretieren
ist, sondern (ist) vielmehr als Teil-Einheit des größeren Gesamtunternehmens anzusehen, für die der Schutzgedanke des § 23 I 2 KSchG nicht einschlägig ist
(LAG Düsseldorf, Urteil vom 03.04.2001 - 6 Sa 114/01, NZA-RR 2001, 476).
Eine im Rahmen eines Arbeitsvertrags beschäftigte Praktikantin, die die für das Berufsziel Erzieherin erforderlich praktische Ausbildung absolviert, ist nach §
23 I 2 KSchG nicht zu berücksichtigen (LAG Köln, Urteil vom 28.09.2000 - 5 Sa 1000/00, AP H. 2/2001 § 23 KSchG 1969 Nr. 23).
Für die Zahl der regelmäßig Beschäftigten nach § 23 I 2 KSchG ist die Beschäftigungslage maßgeblich, die allgemein für den Betrieb kennzeichnend ist. Es
bedarf zur Feststellung eines Rückblicks auf die bisherige personelle Stärke des Betriebs und einer Einschätzung seiner zukünftigen Entwicklung (im Anschluss
an BAG, NZA 1991, 562 = AP Nr. 11 zu § 23 KSchG 1969). Auf den höheren Beschäftigungsstand in der Vergangenheit kommt es nicht an, wenn der Betrieb
mit verringerter Belegschaft fortgeführt werden soll (im Anschluss an LAG RhPf, NZA 1997, 315). Dabei sind die vom Arbeitgeber gleichzeitig oder zeitnah
gekündigten Arbeitnehmer der Beschäftigungszahl stets hinzuzurechnen, weil der allgemeine Kündigungsschutz andernfalls umgangen werden könnte. Nicht
zu berücksichtigen snd dagegen z. B. Arbeitnehmer, die selbst gekündigt haben oder durch Aufhebungsvertrag ausscheiden, und bei denen ein
Beurteilungszeitpunkt feststeht, dass sie nicht ersetzt werden (LAG Niedersachsen, Urteil vom 28.02.2000 - 5 Sa 2558/98, NZA-RR 2000, 474).
Zu den Voraussetzungen eines von mehreren Unternehmen unterhaltenen Gemeinschaftsbetriebes (LAG Köln, Urteil vom 21.08.1998 - 11 Sa 155/97, NZA-RR
1999, 186).
Der im Kündigungsschutzgesetz geregelte Kündigungsschutz gilt nur für die im Geltungsbereich des Grundgesetzes liegenden Betriebe. Eine
Betriebszusammenfassung im Rahmen des § 23 I 2 KSchG ist dann nicht möglich, wenn der gemeinsame Betrieb aus einem einzigen in der Bundesrepublik
Deutschland ansässigen Unternehmen, das unter die Kleinbetriebsklausel fällt, und im übrigen nur aus im Ausland gelegenen Unternehmen bestehen würde; die
Voraussetzungen des § 23 I 2 KSchG müssen im Inland erfüllt sein (wie LAG Hamm, Urteil vom 5.4.1989 - 2 (13) Sa 1280/88). Eine räumliche Trennung der
Betriebsstätten schließt zwar das Vorliegen eines gemeinsamen Betriebes nicht aus. Es müssen dann aber an die Darlegung der übrigen für einen
Gemeinschaftsbetrieb sprechenden Umstände erhöhte Anforderungen gestellt werden (LAG Köln, Urteil vom 22.11.1996 - 11 Sa 560/96, NZA-RR 1997, 429).
Zur Frage, ob bei der Berechnung der Mindest-Arbeitnehmerzahl i. S. des § 23 I S. 2 KSchG Arbeitnehmer einer ausländischen Betriebsstätte mit zu
berücksichtigen sind (LAG Düsseldorf, Urteil vom 21.05.1996 - 8 Sa 366/96, Baumann, DZWir 1997, 463).
Kündigungsschutzgesetzes vorausgesetzte Beschäftigungszahl von regelmäßig mehr als fünf Arbeitnehmern muß zum Zeitpunkt des Zuganges der Kündigung
vorliegen. Bei der Prüfung der regelmäßigen Beschäftigtenzahl ist rückblickend auf die bisherige Beschäftigungsentwicklung und vorausschauend auf die
geplante Entwicklung abzustellen (im Anschluß an BAG, EZA Nr. zu § 23 KSchG). Wenn Rückblick und Vorschau ergeben, daß der bei Zugang der
Kündigung tatsächlich gegebene Beschäftigungsstand nicht kennzeichnend für den Betrieb ist, ist aus dieser Perspektive darauf abzustellen, mit wieviel
Arbeitnehmern der Betrieb regelmäßig auch in Zukunft seine Aufgaben. erfüllen wird. Sinkt aufgrund einer planmäßigen Reduzierung der Beschäftigungsstand
auf fünf oder weniger Arbeitnehmer, genießt der zu diesem Zeitpunkt ordentlich gekündigte Arbeitnehmer keinen Kündigungsschutz. Auf den - höheren -
Beschäftigtenstand in der Vergangenheit kommt es nicht an, wenn mit der verringerten Belegschaft der Betrieb auf Dauer fortgeführt werden soll. Hängt die
Anwendung des Kündigungsschutzgesetzes davon ab, ob ein mitarbeitendes Familienmitglied zum Beschäftigtenstand zu zählen ist, hat der Kläger im
einzelnen vorzutragen, daß dieses Familienmitglied auf der Basis eines Arbeitsverhältnisses für den Betrieb tätig wird. Die Rechtsordnung stellt verschiedene
Rechtsverhältnisse zur Verfügung, in denen Dienstleistungen erbracht werden können. Ein Arbeitsverhältnis liegt nur vor, wenn in persönlicher Abhängigkeit
fremdbestimmte Leistungen erbracht werden. Dafür ist der Kläger darlegungs- und beweispflichtig (LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 16.02.1996 - 3 Sa
870/95, NZA 1997, 315).
Auch im Konkursfall bedarf es für den Abschluss befristeter Arbeitsverträge mit ehemaligen Mitarbeitern der Gemeinschuldnerin konkreter Sachgründe. Die
Konkursabwicklung als solche stellt keinen derartigen Sachgrund dar. Auch reicht der pauschale Hinweis des Konkursverwalters, er müsse bei der Abwicklung
flexibel reagieren können und außerdem möglichst masseschonend handeln, hierfür nicht aus (LAG Düsseldorf, Urteil vom 08.03.1994 - 16 Sa 163/94 , DB
1994, 1880).
Familienangehörige, die kraft Arbeitsvertrages im Betrieb mitarbeiten, sind in die Anzahl der Beschäftigten mit einzubeziehen, während dies für Aushilfskräfte
nur unter besonderen Voraussetzungen gilt. Bei der Beantwortung der Frage, wie viele Arbeitnehmer "in der Regel" in einem Betrieb beschäftigt sind (§ 34 I
KSchG), kommt es auf die Belegschaftsstärke an, mit der im Zeitpunkt der jeweiligen Prüfungsentscheidung der Betriebszweck erreicht werden kann und soll
(LAG Berlin, Urteil vom 26.06.1989 - 9 Sa 41/89, NZA 1989, 849 L).
Die vom BAG entwickelten Rechtsgrundsätze über einen einheitlichen Betrieb mehrerer Unternehmen sind im Rahmen des § 23 I 2 nicht anwendbar, wenn der
gemeinsame Betrieb aus einem einzigen in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Unternehmen mit weniger als 6 Arbeitnehmern und im übrigen nur aus
im Ausland gelegenen Unternehmen bestehen würde (LAG Hamm, Urteil vom 05.04.1989 - 2 (13) Sa 1280/88, NZA 1989, 849).
Bei der Ermittlung der Beschäftigtenzahl i. S. von § 23 I 2 KSchG ist nicht allein auf den Kündigungszeitpunkt, sondern maßgeblich auf die Zahl der im
normalen Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer (Einschätzung der zukünftigen Entwicklung) abzustellen (LAG Berlin, Urteil vom 18.06.1984 - 9 Sa 40/84, NZA
1985, 159).
§ 24 Anwendung des Gesetzes auf Betriebe der Schiffahrt und des Luftverkehrs
(1) Die Vorschriften des Ersten und Zweiten Abschnitts finden nach Maßgabe der Absätze 2 bis 5 auf Arbeitsverhältnisse der Besatzung von Seeschiffen,
Binnenschiffen und Luftfahrzeugen Anwendung. Als Betrieb im Sinne dieses Gesetzes gilt jeweils die Gesamtheit der Seeschiffe oder der Binnenschiffe eines
Schiffahrtsbetriebs oder der Luftfahrzeuge eines Luftverkehrsbetriebs.
(2) Dauert die erste Reise eines Besatzungsmitglieds im Dienste einer Reederei oder eines Luftverkehrsbetriebs länger als sechs Monate, so verlängert sich die
Sechsmonatsfrist des § 1 Abs. 1 bis drei Tage nach Beendigung dieser Reise.
(3) Die Klage nach § 4 ist binnen drei Wochen, nachdem das Besatzungsmitglied zum Sitz des Betriebes zurückgekehrt ist, zu erheben, spätestens jedoch
binnen sechs Wochen nach Zugang der Kündigung. Wird die Kündigung während der Fahrt des Schiffes oder des Luftfahrzeuges ausgesprochen, so beginnt die
sechswöchige Frist nicht vor dem Tage, an dem das Schiff oder das Luftfahrzeug einen deutschen Hafen oder Liegeplatz erreicht. An die Stelle der
Dreiwochenfrist in § 6 treten die hier in den Sätzen 1 und 2 bestimmten Fristen.
(4) Für Klagen der Kapitäne und der Besatzungsmitglieder im Sinne der §§ 2 und 3 des Seemannsgesetzes nach § 4 dieses Gesetzes tritt an die Stelle des
Arbeitsgerichts das Gericht, das für Streitigkeiten aus dem Arbeitsverhältnis dieser Personen zuständig ist. Soweit in Vorschriften des Seemannsgesetzes für die
Streitigkeiten aus dem Arbeitsverhältnis Zuständigkeiten des Seemannsamtes begründet sind, finden die Vorschriften auf Streitigkeiten über Ansprüche aus
diesem Gesetz keine Anwendung.
(5) Der Kündigungsschutz des Ersten Abschnitts gilt, abweichend von § 14, auch für den Kapitän und die übrigen als leitende Angestellte im Sinne des § 14
anzusehenden Angehörigen der Besatzung.
§ 25 Kündigung in Arbeitskämpfen
Die Vorschriften dieses Gesetzes finden keine Anwendung auf Kündigungen und Entlassungen, die lediglich als Maßnahmen in wirtschaftlichen Kämpfen
zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern vorgenommen werden.
§ 25 A Berlin-Klausel
(gegenstandslos)
§ 26 Inkrafttreten
Dieses Gesetz tritt am Tage nach seiner Verkündung in Kraft.
... BAG bearbeitet bis 31.03.2013 ...