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Fluggastrechte - Schadensersatz
© 1997 bis heute / KD Mainlaw - Rechtsanwalt Tronje Döhmer, Grünberger Straße 140 (Geb 606), 35394 Gießen Tel. 06445-92310-43 oder 0171-6205362 / Fax: 06445-92310-45 / eMail / Impressum |
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Stand: 21. Dezember 2015
Dieser Leitsatzkommentar wird demnächst wieder aktualisiert und ist urheberrechtlich geschützt. Der Kanzlei Döhmer steht das alleinige Verwertungsrecht zu.
Im Falle der Verletzung des Urheberrechtes werden Unterlassungs-, Auskunfts- und Schadensersatzansprüche geltende gemacht. Die zitierten Entscheidungen
des BGH sind unter http://www.bundesgerichtshof.de/ im Volltext ab dem 01.01.2000 abrufbar. Dennoch ist der Leitsatzkommentar zur Erleichterung der
täglichen Arbeit unverzichtbar, da die aktuellen Entscheidungen im Zusammenhang mit dem Gesetzeswortlaut gelesen werden können.
Die Auswertung der Rechtsprechung bis zum Ende des Jahres 2013 zeigt, dass der Widerstand der deutschen Gerichte gegen den von der EU vorgegebenen
Verbraucherschutz zugenommen hat. Die Anzahl der den Fluggästen gegenüber unfreundlichen Entscheidungen ... Annullierung, Verspätung,
außergewöhnliche Umstände, außergerichtliche Rechtsanwaltskosten usw. ... nahm deutlich zu. Dabei ist die Richterschaft zugunsten der großen
Fluggesellschaften ziemlich kreativ, wenn es darum geht, die Rechte der Verbraucher aus der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 vom 11.02.2004 scheibchenweise
zu beschneiden.
Bürgerliches Gesetzbuch (mit Leitsätzen und Entscheidungen)
Internetadressen - Links
Luftfahrt-Bundesamt (Das LBA ist zuständig für alle Beschwerden im Fall von Annullierung, Nichtbeförderung oder Verspätung.)
Luftverkehrsgesetz
Montrealer Übereinkommen (MÜ) (mit Leitsätzen und Entscheidungen)
SÖP Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr e.V. (Die Mitglieder dieses Vereins sind unbekannt! Vmtl. keine Alternative zur Klage!)
Verordnung (EG) Nr. 261/2004 vom 11.02.2004 (mit Leitsätzen und Entscheidungen)
Warschauer Abkommen (mit Leitsätzen und Entscheidungen)
***
Bürgerliches Gesetzbuch
§ 275 Ausschluss der Leistungspflicht
§ 276 BGB Verantwortlichkeit des Schuldners
§ 280 BGB Schadensersatz wegen Pflichtverletzung
§ 281 BGB Schadensersatz statt der Leistung
§ 307 Inhaltskontrolle
§ 308 Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit
§ 309 Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit
§ 631 Vertragstypische Pflichten beim Werkvertrag
§ 633 Sach- und Rechtsmangel
§ 651a Vertragstypische Pflichten beim Reisevertrag
§ 651f BGB Schadensersatz
§ 275 Ausschluss der Leistungspflicht
(1) Der Anspruch auf Leistung ist ausgeschlossen, soweit diese für den Schuldner oder für jedermann unmöglich ist.
(2) Der Schuldner kann die Leistung verweigern, soweit diese einen Aufwand erfordert, der unter Beachtung des Inhalts des Schuldverhältnisses und der
Gebote von Treu und Glauben in einem groben Missverhältnis zu dem Leistungsinteresse des Gläubigers steht. Bei der Bestimmung der dem Schuldner
zuzumutenden Anstrengungen ist auch zu berücksichtigen, ob der Schuldner das Leistungshindernis zu vertreten hat.
(3) Der Schuldner kann die Leistung ferner verweigern, wenn er die Leistung persönlich zu erbringen hat und sie ihm unter Abwägung des seiner Leistung
entgegenstehenden Hindernisses mit dem Leistungsinteresse des Gläubigers nicht zugemutet werden kann.
(4) Die Rechte des Gläubigers bestimmen sich nach den §§ 280, 283 bis 285, 311a und 326.
Leitsätze/Entscheidungen:
„... Der Kläger und seine Ehefrau buchten Flüge bei der beklagten Fluggesellschaft von Frankfurt Hahri nach Oslo-Torp und zurück für zusammen 155,00
EUR. Der Hinflug fand am 05.03.2004 statt; der Rückflug war für den 13.03.2004 vorgesehen.
Die Maschine, mit der der Kläger und seine Ehefrau vom Flughafen Hahn zurückfliegen sollten, landete am 13.03.2004 wegen schlechter Wetterbedingungen
nicht auf dem Flughafen Oslo-Torp sondern auf dem Flughafen Oslo-Gardermoen. Der Flug wurde von der Beklagten nicht mehr durchgeführt; ein Bustransfer
nach Gardermoen wurde ebenfalls nicht durchgeführt. Die Beklagte erstattete dem Kläger bzw. seiner Ehefrau den Ticketpreis zurück. Der Kläger und seine
Ehefrau kehrten mit einem Flug der Lufthansa nach Deutschland zurück.
Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger Ersatz von Kosten, die von der Beklagten zum Teil bestritten werden, für den Rückflug mit der Lufthansa, Hotel
und S-Bahn. Die Ehefrau des Klägers hat ihre Ansprüche an den Kläger abgetreten.
Der Kläger trägt vor, der Flugausfall sei nicht aus Sicherheitsgründen, sondern aus Zeit- und Kostendruck bei der Beklagten zurückzuführen. Im Rahmen ihrer
Fürsorgepflicht habe die Beklagte zum Beispiel einen Bustransfer von Torp nach Gardemoen durchführen müssen. Sie hätte gegebenenfalls auch den Kläger
und die weiteren Flugpassagiere später in Torp abholen können. Dies wäre zeitlich möglich gewesen, da die Vollsperrung des Flughafens Torp unstreitig nur
eine halbe Stunde angedauert habe.
Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 918,05 EUR zu zahlen: Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie trägt vor, eine Landung in Torp sei zwischen 17:00 und 17:40 Uhr nicht möglich gewesen. Wegen grundsätzlicher Sicherheitsbedenken würde kein
Bustransfer von einem zum anderen Flughafen durchgeführt werden. Die Beklagte schulde keinen Schadensersatz auf Grund Artikel 19 Warschauer
Abkommen , da der Flugausfall auf Sicherheitsgründen beruhte. Im Übrigen sei sie auch nicht verpflichtet gewesen, einen Bustransfer durchzuführen, oder eine
Maschine nach Torp zurück zu beordern.
Wegen der Einzelheiten wird auf die von den Parteien zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe: Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Schadensersatz wegen des nicht
durchgeführten Flugs am 13.03.2004. Die Beklagte ist von ihrer Leistungspflicht wegen Unmöglichkeit gemäß § 275 BGB ersatzlos freigeworden.
Die Rechtsbeziehungen der Parteien beurteilen sich im Hinblick auf den nicht durchgeführten Flug nach deutschem Recht. Artikel 19 Warschauer Abkommen
kommt vorliegend nicht zur Anwendung. In Artikel 19 Warschauer Abkommen ist zwar der Fall der Verspätung, d.h. die nicht zeitgerechte Erfüllung des
Luftbeförderungsvertrags, nicht jedoch die Nichtbeförderung geregelt. Diese beurteilt sich nach dem auf den Luftbeförderungsvertrag jeweils anwendbaren
nationalen Recht, was vorliegend das deutsche Recht ist.
Gemäß § 275 BGB ist die Beklagte von der Leistung freigeworden, da ein Fixgeschäft vorliegt. Wenn ein Linienflug zur vorgesehenen Zeit nicht durchgeführt
werden kann, so liegt das Fixgeschäft und damit Unmöglichkeit vor (OLG Frankfurt, MDR 1997, 534). Die Unmöglichkeit dieser vertraglichen Leistung hat die
Beklagte auch nicht zu vertreten. Letztlich ist zwischen den Parteien unstreitig, dass die von der Beklagten für den Rückflug vorgesehene Maschine den
Flughafen Oslo-Torp zur vorgesehenen Zeit wegen Schneefalls nicht erreichen konnte. Es handelt sich um höhere Gewalt, die außerhalb des Einflussbereiches
der Beklagten liegt.
Die Beklagte war auch nicht im Rahmen einer Fürsorgepflicht gehalten, den Kläger und seine Ehefrau per Bustransfer zu einem anderen Flughafen zu
verbringen, um anschließend den Flug zum Flughafen Hahn durchzuführen bzw. für eine Ersatzmaschine zu sorgen. Eine solche Verpflichtung der Beklagten
stünde im Widerspruch zu ihrer Leistungsfreiheit, die aus der von ihr nicht zu vertretenden Unmöglichkeit folgt. Die Fürsorgepflicht einer Fluglinie kann auch
nicht so weit gehen, dem Fluggast, der auf Grund höherer Gewalt einen Flug nicht nutzen kann, weitere Vermögensaufwendungen, die der Kläger bzw. seine
Ehefrau hatten, zu ersparen. Aus dem Umstand, dass die Beklagte bei der Rückbeförderung von Fluggästen anderer Nationalität mehr Entgegenkommen und
Bemühungen zeigte, kann der Kläger keine Rechte herleiten. ..." (AG Simmern, Urteil vom 10.06.2005, 3 C 687/04)
§ 276 BGB Verantwortlichkeit des Schuldners
(1) Der Schuldner hat Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten, wenn eine strengere oder mildere Haftung weder bestimmt noch aus dem sonstigen Inhalt des
Schuldverhältnisses, insbesondere aus der Übernahme einer Garantie oder eines Beschaffungsrisikos, zu entnehmen ist. Die Vorschriften der §§ 827 und 828
finden entsprechende Anwendung.
(2) Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt.
(3) Die Haftung wegen Vorsatzes kann dem Schuldner nicht im Voraus erlassen werden.
Leitsätze/Entscheidungen:
Die Wirksamkeit eines Änderungsvorbehaltes gem. § 308 Nr. 4 BGB setzt voraus, dass für die Änderung triftige Gründe vorliegen und die Klausel diese
soweit benennt, dass für den anderen Vertragsteil zumindest ein gewisses Maß an Kalkulierbarkeit der möglichen Leistungsänderung besteht. Eine Klausel in
den Allgemeinen Beförderungsbedingungen eines Luftfahrtunternehmens, die vorsieht, dass die Abflugzeiten aus "flugbetrieblichen Gründen" im
"angemessenen Umfang" Änderungen unterliegen, genügt dem nicht; Anschluss an BGH, Urteil vom 20. Januar 1983, VII ZR 105/81 (KG Berlin, Beschluss
vom 04.10.2012 - 23 U 47/12 zu § 308 Nr 4 BGB).
*** (LG)
Die Haftung des Luftfrachtführers für eine Erkrankung eines Passagiers, die dieser sich möglicherweise an Bord zugezogen hat, richtet sich nach nationalem
Beförderungsvertragsrecht, nicht nach dem Warschauer Abkommen. Zur Haftung des Luftfrachtführers für den durch eine Thromboembolie verursachten Tod
eines Fluggastes (LG München I, Urteil vom 07.03.2001 - 29 O 20354/00, RRa 2001, 165).
*** (AG)
Ein Fluggast ist selbsts verpflichtet, sich über die Bedingungen nicht nur des Aufenthalts in diesem Land, sondern auch hinsichtlich der Einreise in dieses zu
informieren. Dazu gehört auch die Pflicht, sich zu informieren, ob bei der Einreise ein Personalausweis genügt oder ein Reisepass vorgelegt werden muss. Der
Luftfrachtführer ist zu einer Ausweiskontrolle nicht verpflichtet. Nebenpflicht des Reisenden aus dem Luftbeförderungsvertrag ist es, dem Luftfrachtführer die
Erfüllung ihrer Hauptpflicht nicht zu erschweren (AG Stuttgart, Urteil vom 28.09.2001 - 50 C 4114/01, RRa 2002, 233).
***
Ein Fluggast ist selbst verpflichtet, sich über die Bedingungen nicht nur des Aufenthalts in diesem Land, sondern auch hinsichtlich der Einreise in dieses zu
informieren (AG Hannover, Urteil vom 12.04.2001 - 541 C 17659/00, RRa 2002, 233).
***
Einer Fluggesellschaft ist als Luftfrachtführer keine Pflichtverletzung vorzuhalten, wenn vor einer Notlandung an die Fluggäste die Aufforderung gerichtet
wird, den Schmuck abzulegen und zu verstauen. Die Sicherheit der Passagiere erfordert es, Gegenstände abzulegen, die die Gesundheit der Passagiere bei der
Notlandung gefährden könnten (AG München, Urteil vom 10.06.1999 - 241 C 33186/98, VersR 2000, 451).
***
Ein Luftfrachtführer darf die Annahme auch des verspätet am Abfertigungsschalter erschienenen Fluggastes nicht verweigern, solange die Abfertigung noch
nicht abgeschlossen ist (AG Bad Homburg, Urteil vom 26.11.1998 - 2 C 2101/98-18, RRa 1999, 114).
***
Ein Reisebüro, welches für eine Kundin einen Flug in die USA buchen soll, übernimmt, solange nichts Gegenteiliges vereinbart ist, gegenüber der Kundin
keine verschuldensunabhängige Haftung für dieser durch ein Fehlschlagen der Buchung entstehende Schäden (AG Aachen, Urteil vom 14.09.1998 - 9 C
411/97, NJW-RR 1999, 354).
§ 280 BGB Schadensersatz wegen Pflichtverletzung
(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht,
wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.
(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.
Leitsätze/Entscheidungen:
Weder das Warschauer Abkommen noch das BGB kennen pauschale Ausgleichszahlungen oder fiktive Beträge für Übernachung und nicht eingenommene
Mahlzeiten als Schadensersatz (BGH, Beschluss vom 12.07.2006 - X ZR 22/05, NJW-RR 2006, 1719).
*** (OLG)
Im Verhältnis zwischen Reiseveranstalter und Fluglinie findet das Montrealer Übereinkommen keine Anwendung. Zum Vorliegen außergewöhnlicher
Umstände nach Art. 5 Abs. 3 VO (EG) Nr. 261/2004 (OLG Frankfurt, Urteil vom 15.11.2011 - 16 U 39/11):
„... I. Die Klägerin, ein Reiseveranstaltungsunternehmen, macht gegen die beklagte Fluglinie vor dem Hintergrund von Verspätungen bei der Beförderung ihrer
Kunden sowie von verzögerter Beförderung des Gepäcks ihrer Kunden Ansprüche geltend, und zwar in der Hauptsache aus eigenem, hilfsweise aus
abgetretenem Recht.
Sämtliche Kunden waren auf einen von der Beklagten durchgeführten Flug gebucht, der sie am …. April 2009 von Frankfurt/Main nach Madrid bringen sollte
und der eine Verspätung von ca. 4,5 Stunden hatte, so dass die Reisenden ihre Anschlussflüge verpassten.
Bei sieben Kunden, die nach Panama weiterfliegen wollten, traf das Gepäck erst vier Tage später ein bzw. fehlte es in einem Fall während der gesamten Reise.
Die Kunden machen gegenüber der Klägerin reisevertragliche Minderungs- bzw. Schadensersatzansprüche geltend. Sie haben zudem ihre Ansprüche gegenüber
der Beklagten an die Klägerin abgetreten.
Die Parteien haben erstinstanzlich insbesondere darüber gestritten, ob die Klägerin bei der Beklagten Rückgriff für reisevertragliche Ansprüche nehmen kann
und ob die Beklagte für die Flugverzögerung verantwortlich ist. Die Beklagte hat insoweit behauptet, die Verspätung habe auf einer Beschädigung des
Flugzeugs beruht, die durch einen unbemerkten Rammstoß eingetreten sei.
Soweit in erster Instanz Ansprüche wegen eines verspäteten Rückflugs von San José / Costa Rica nach Madrid im Streit standen, sind diese nicht Gegenstand
der Berufung.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 244 bis 248 d.A.) Bezug genommen.
Das Landgericht hat nach Durchführung einer Beweisaufnahme zu der Ursache der Flugverzögerung durch Vernehmung eines Zeugen der Klage nur
hinsichtlich eines Teils der abgetretenen Ansprüche stattgegeben.
Der Klägerin stünden keine eigenen Rechte gegen die Beklagte zu, da sie ihre Stellung als unmittelbare Vertragspartnerin der Beklagten bzw. den Abschluss
eines Gruppenbeförderungsvertrags nicht schlüssig dargelegt habe. Sie habe aber gegen die Beklagte Ansprüche aus abgetretenem Recht ihrer Kunden aus Art.
7 der VO (EG) Nr. 261/2004. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs sei bei über 5-stündiger Verspätung ein Ausgleichsanspruch gegeben,
der hier jeweils 600,- € betrage. Einen Entlastungsbeweis habe die Beklagte nicht geführt. Daneben könne die Klägerin aus abgetretenem Recht nach Art. 19
bzw. 8 Montrealer Übereinkommen (MÜ) die durch die Verspätung entstandenen Taxi - und Mietwagenkosten der Reisenden ersetzt verlangen. Auch in
diesem Zusammenhang könne sich die Beklagte für die Verspätung nicht exkulpieren, da keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich seien, dass der Schaden an dem
Flugzeug erst über Nacht entstanden sei. Ein abgetretener Anspruch der Klägerin wegen Verspätung des Reisegepäcks ihrer Kunden bestehe nicht, da die
Klägerin keinen konkreten Schaden dargelegt habe und es außerhalb des Reisevertragsrechts insoweit keinen pauschalierten Entschädigungsanspruch gebe.
Auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Bl. 249 bis 255 d.A.) wird verwiesen.
Gegen dieses ihr am 18. Februar 2011 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit einem am 9. März 2011 eingegangenen anwaltlichen Schriftsatz Berufung
eingelegt und begründet. Die Beklagte hat gegen das ihr am 17. Februar 2011 zugestellte Urteil mit einem am 17. März 2011 eingegangenen Schriftsatz
Berufung eingelegt, die sie mit einem am 18. April 2011 (= Montag) eingegangenen Schriftsatz begründet hat.
Die Klägerin begehrt hinsichtlich des Flugs vom … April 2009 und seinen Folgen Stattgabe ihrer Klage aus eigenem Recht. Sie rügt, das Landgericht habe
übersehen, dass das Bestehen eines Vertragsverhältnisses zwischen den Parteien unstreitig sei.
Aus diesem als Werkvertrag anzusehenden Vertragsverhältnis habe sie gegenüber der Beklagten Ansprüche aus eigenem Recht. Die Abflugverspätung stelle
einen Mangel dar, der nach § 634 Nr. 4 BGB zu einem Schadensersatzanspruch führe. Zumindest sei der Schadensersatzanspruch aus Verzug begründet. Ihr sei
sämtlicher Schaden zu ersetzen, der ihr aufgrund der berechtigten Inanspruchnahme durch ihre Kunden entstehe. Dazu gehöre auch der Schaden wegen
Verzögerung der Beförderung des Reisegepäcks.
Die Klägerin beantragt,
I. die Beklagte unter Abänderung des am 07. Februar 2011 verkündeten Urteils des Landgerichts Frankfurt am Main Az.: 2-25 O 279/09, zu verurteilen, an die
Klägerin aus eigenem Recht
1. € 3.675,92 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 05. Mai 2009,
2. weitere € 338,50 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 08. Mai 2009,
3. weitere € 1.984,02 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 16. Mai 2009,
4. weitere € 192,90 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 18. Mai 2009,
5. weitere € 1.885,00 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 06. Mai 2009,
6. weitere € 192,90 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 11. Mai 2009 und
7. weitere € 404,62 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 30.05.2009 zu bezahlen;
II. hilfsweise (für den Fall des Unterliegens - ganz oder teilweise - mit Klageziffer I)
die Beklagte unter Abänderung des am 07.02.2011 verkündeten Urteils des Landgerichts Frankfurt am Main, Az.: 2-25 O 279/09, zu verurteilen, die Klägerin
aus eigenem Recht von
1. € 3.675,92 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 05. Mai 2009,
2. weitere € 338,50 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 08. Mai 2009,
3. weitere € 1.984,02 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 16. Mai 2009,
4. weitere € 192,90 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 18. Mai 2009,
5. weitere € 1.885,00 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 06. Mai 2009,
6. weitere € 192,90 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 11. Mai 2009 und
7. weitere € 404,62 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 30. Mai 2009
gegenüber ihren Reiskunden freizustellen;
III. weiter hilfsweise (für den Fall des Unterliegens - ganz oder teilweise - mit den Klageanträgen Ziffer I und II)
die Beklagte unter Abänderung des am 07.02.2011 verkündeten Urteils des Landgerichts Frankfurt am Main, Az.: 2-25 O 279/09, an die Klägerin aus
abgetretenem Recht
1. € 3.675,92,
2. weitere € 338,50,
3. weitere € 1.984,02,
4. weitere € 192,90,
5. weitere € 1.885,00,
6. weitere € 192,90,
7. weitere € 404,62,
jeweils nebst Zinsen aus den einzelnen Beträgen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Zu ihrer eigenen Berufung beantragt die Beklagte, unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung
die Klage abzuweisen. Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil, soweit die Klage abgewiesen worden ist. Da das Montrealer Übereinkommen anwendbar sei, könne die
Klägerin als vertraglicher Luftfrachtführer gegen die Beklagte als ausführenden Luftfrachtführer keine Schadenspositionen geltend machen, die auf dem
deutschen Reiserecht beruhten. Im Übrigen habe sich die Beklagte exkulpiert.
Mit ihrer eigenen Berufung rügt die Beklagte die Feststellung des Landgerichts, dass der Schaden an dem Flugzeug bereits bei der Landung vorhanden gewesen
sei. Das Landgericht habe anderslautenden Vortrag und entsprechende Beweisangebote der Beklagten nicht beachtet.
Die Klägerin weist auf ihr detailliertes Bestreiten eines angeblich unbemerkt gebliebenen Rammstoßes und auf die durchgeführte Beweisaufnahme hin und tritt
einer weiteren Beweisaufnahme entgegen. ...
II. Die Berufung der Klägerin ist zulässig und überwiegend begründet, die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg.
1. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 6.149,56 € aus §§ 280 Abs. 2, 286 Abs. 1 BGB.
a) Die Klägerin rügt zu Recht die Annahme des Landgerichts, sie habe ihre Stellung als Vertragspartnerin der Beklagten nicht substantiiert dargelegt.
Die Beklagte hat zwar in ihrer Klageerwiderung vom 19. Oktober 2009 behauptet, nicht mit der Klägerin, sondern mit deren Kunden Luftbeförderungsverträge
geschlossen zu haben. Die Beklagte hat aber den weiteren Vortrag der Klägerin, wonach zwischen den Parteien eine vertragliche Beziehung in Form eines
sogenannten Gruppenbeförderungsvertrags bestand, die Klägerin Reiseveranstalterin ist und bei der Beklagten für ihre Kunden im eigenen Namen Flüge bucht,
nicht mehr ausdrücklich bestritten. In der Berufung hat die Klägerin zudem einen Gruppenbuchungsvertrag vom 8. Mai 2008 für den streitgegenständlichen
Flug vorgelegt. Auch befinden sich für die Familie Dr. A und Herrn B Buchungsbestätigungen in der Akte, aus denen sich ergibt, dass die Klägerin ihrerseits im
Rahmen einer Pauschalreise die Durchführung eines Flugs schuldete; dies spricht ebenfalls dafür, dass sie die Flugleistung im eigenen Namen bei der Beklagten
gebucht hat. Diese ist in der Berufungsinstanz der Behauptung der Klägerin, mit ihr unmittelbar in vertraglichen Beziehungen zu stehen, auch nicht mehr
entgegen getreten.
Der Senat geht deshalb davon aus, dass die Klägerin mit der Beklagten Luftbeförderungsverträge geschlossen hat.
b) Bei einem Luftbeförderungsvertrag handelt es sich um einen Werkvertrag im Sinne der § 631 ff. BGB (ggfls. als Werkvertrag zugunsten Dritter). Die
Beklagte als Luftfrachtführerin schuldete daraus den Transport der Fluggastes und ihres Gepäcks (Führich, Reiserecht, 6. A., Rn. 954 und 957, so auch bereits
OLG Frankfurt, Urteil vom 23. August 2007, 3 U 207/06 = RRa 2008, 38).
c) Dieser Verpflichtung ist die Beklagte nicht ordnungsgemäß nachgekommen. So hatte der Flug von Frankfurt nach Madrid ca. 4,5 Stunden Verspätung, und
das Gepäck der Reisegruppe, die nach Panama reisen wollte, traf erst vier Tage später ein bzw. stand im Fall der Kundin C während der gesamten Reise nicht
zur Verfügung.
Entgegen der Annahme der Klägerin stellt die Flugverspätung allerdings keinen Mangel der geschuldeten Beförderungsleistung dar, die als solche nicht dadurch
schlechter wird, dass sie erst zu einem späteren Zeitpunkt erbracht wird; ob dem Fluggast - oder hier der Klägerin - durch die Verspätung ein Nachteil entsteht,
hängt vielmehr ganz von den persönlichen Verhältnissen ab (BGH, Urteil vom 28. Mai 2009, Xa ZR 113/08 = NJW 2009, 2743). Soweit sich im Einzelfall
durch die Verzögerung ein Schaden einstellt, ist dieser von den Regeln des Verzugs erfasst (BGH, a.a.O.). Gleiches gilt nach Auffassung des Senats für die
verspätete Beförderung des Gepäcks.
d) Mit der Verspätung des Flugs und der verzögerten Beförderung des Gepäcks ist die Beklagte in Verzug geraten, ohne dass es einer Mahnung bedurfte. Eine
Mahnung ist nach § 286 Abs. 2 Ziff. 1 BGB nicht erforderlich, wenn für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist. Einer Flugbuchung liegen
konkrete Abflugs- und Ankunftszeiten zugrunde; der Zeitpunkt für die Leistung ist fest bestimmt (Staudinger, RRa 2005, 249). Mit dem Nichteinhalten der
konkreten Zeiten ist Verzug eingetreten.
e) Ein Verzug der Beklagten ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil die rechtzeitige Leistung infolge eines Umstands unterblieben wäre, den die Beklagte nicht
zu vertreten hätte (§ 286 Abs. 4 BGB).
Hinsichtlich der verspäteten Beförderung und Auslieferung des Gepäcks fehlt es bereits an einem Vortrag der Beklagten zu den Ursachen, so dass sie sich
insoweit nicht entlastet hat. Hinsichtlich der Flugverzögerung beruft sich die Beklagte ohne Erfolg auf das Vorliegen von höherer Gewalt. Die Beklagte
behauptet insoweit, das Flugzeug sei am Abend nach der Ankunft in Frankfurt unbeschädigt auf seiner Parkposition geparkt worden. Das Flugzeug sei dann
unbemerkt im stehenden Zustand gerammt worden. Diese Beschädigung sei am Morgen kurze Zeit vor dem Abflug festgestellt worden und habe zu der
Verzögerung geführt.
Mit diesem Vortrag vermag sich die Beklagte nicht zu entlasten. Zwar steht aufgrund der von dem Landgericht durchgeführten Beweisaufnahme und des von
der Beklagten eingereichten Structure Defect Report zur Überzeugung des Senats fest, dass am Morgen des …. April 2009 vor dem geplanten Abflug eine
hühnereigroße Delle an der Außenhaut eines Flügels festgestellt wurde. Es kann jedoch offen bleiben, on dieser Schaden am Vorabend der Ankunft noch nicht
vorhanden war oder eventuell lediglich nicht entdeckt wurde, Es steht nämlich nicht fest, wie die Delle entstanden sei soll. Die Behauptung der Beklagten, diese
Delle sei dadurch entstanden, dass das Flugzeug „gerammt" worden sei, ist nicht nachvollziehbar, zumal die Klägerin unbestritten darauf hinweist, dass bei den
für Luftfahrzeugbeschädigungen zuständigen Dienststellen des Frankfurter Flughafens ein solcher Vorfall nicht gemeldet wurde. Soweit der Beklagtenvertreter
in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat unter Vorlage eines Fotos auf seinem Handy die Möglichkeit ansprach, dass das Flugzeug bei dem
Beladevorgang „gerammt" und beschädigt worden sein könnte, hätte die Beklagte für ein unsachgemäßes Vorgehen eines als Erfüllungsgehilfe beim Beladen
tätigen Mitarbeiters bzw. Unternehmens einzustehen.
f) Die Beklagte ist der Klägerin zum Ersatz des Schadens verpflichtet, den die Klägerin durch die Flugverzögerung erlitten hat. Dieser ist ein
Vermögensschaden dadurch entstanden, dass sie wegen des von der Beklagten zu vertretenden Verzugs ihrerseits - dem Grunde und der Höhe nach von der
Beklagten nicht bestrittenen - reisevertraglichen Minderungs- und Schadensersatzansprüchen (§§ 651 d, 651 f Abs. 1 BGB) ihrer Kunden ausgesetzt ist und
zusätzliche eigene Aufwendungen hatte. Im Einzelnen handelt es sich um folgende Ansprüche über insgesamt 6.149,56 €:
- 1.375,92 € (Klageantrag Ziff. 1 - Minderung des Reisepreises wegen Verspätung der Kunden Dr. D, E, Dr. F, Ehepaar C, G und Prof. Dr. H)
- 2.300,- € (Klageantrag Ziff. 1 - Minderung des Reisepreises wegen verspäteter/nicht erfolgter Gepäckbeförderung bzw. -auslieferung)
- 1.449,41 € (Klageantrag Ziff. 3 - Minderung des Reisepreises durch Familie Dr. A)
- 373,62 € (Klageantrag Ziff. 7 - Minderung des Reisepreises durch den Kunden B).
- 534,61 € (Klageantrag Ziff. 3 - eigene Kosten der Klägerin für die verzögerungsbedingte Umbuchung der Transfers bei Familie Dr. A)
- 85,- € (Klageantrag Ziff. 5 - Schadensersatz wegen Taxikosten der Familie I)
- 31,- € (Klageantrag Ziff. 7 - Schadensersatz wegen Mietwagenkosten Kunde B).
Soweit darüber hinaus die Kundin I mit Anspruchsschreiben vom 30. April 2009 (vgl. Bl. 159 ff. d.A.) von der Klägerin die Zahlung von 1.800,- € begehrt,
macht sie keine Reisepreisminderung, sondern eine Entschädigung nach der VO (EG) Nr. 261/2004 (im Folgenden: EUFlugVO) geltend. Für diese haftet die
Klägerin aber nach Art. 3 Abs. 5 EUFlugVO nicht, da sie nicht das ausführende Luftfahrtunternehmen war.
g) Soweit sich die Klägerin den oben dargelegten Ansprüchen ihrer Kunden ausgesetzt sieht, diese aber noch nicht erfüllt hat, kann sie dennoch von der
Beklagten Zahlung - und nicht nur Befreiung von ihren Verbindlichkeiten - verlangen. Verweigert der Schuldner jeden Schadensersatz ernsthaft und endgültig,
wandelt sich der Freistellungsanspruch in einen Zahlungsanspruch um, wenn der Geschädigte Geldersatz fordert (vgl. nur BGH, Urteil vom 13. Januar 2004, XI
ZR 355/02 = MDR 2004, 520). Die Beklagte hat die Behauptung der Klägerin, bereits außergerichtlich jede Einstandspflicht abgelehnt zu haben, nicht
bestritten, so dass sich der Freistellungsanspruch der Klägerin nach § 250 S. 2 BGB in einen Schadensersatzanspruch umgewandelt hat, ohne dass es einer
Fristsetzung zur Herstellung - d.h. Haftungsfreistellung - bedurft hätte.
h) Der Klägerin ist nicht deshalb die Geltendmachung des Schadensersatzes verwehrt, weil die Ansprüche ihrer Kunden ihr gegenüber verjährt wären.
Abgesehen davon, dass die insoweit beweisbelastete Beklagte dem gegen eine Verjährung der Ansprüche sprechenden Vorbringen der Klägerin im Schriftsatz
vom 23. September 2011 nicht entgegen getreten ist, könnte sich die Klägerin ihrerseits nach Treu und Glauben ihren Kunden gegenüber nicht auf Verjährung
berufen, nachdem sie sich ihnen gegenüber verpflichtet hat, bei einem Erfolg der Klage die Ansprüche zu befriedigen.
i) Schließlich stehen der Geltendmachung der Ansprüche die Vorschriften des Montréaler Übereinkommens (MÜ) nicht entgegen; dieses findet nämlich
entgegen der Auffassung der Beklagten im Rechtsverhältnis der Parteien untereinander keine Anwendung.
aa) Das MÜ regelt die Haftung des Luftfrachtführers (u.a.) auf Schadensersatz bei Schäden (Personen-, Gepäck- und Verspätungsschäden) des Fluggastes (vgl.
Führich, a.a.O. Rn. 922). Seine Regelungen sind nur im Verhältnis von Fluggästen zum Luftfrachtführer, nicht aber im Verhältnis zwischen Luftfrachtführer
und Reiseveranstalter anwendbar (Führich, a.a.O., Rn. 957, OLG Frankfurt, a.a.O.). Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die Klägerin als „vertraglicher
Luftfrachtführer" und die Beklagte als „ausführender Luftfrachtführer" im Sinne von Art. 39 MÜ anzusehen sind. In diesem Fall haften zwar beide
Luftfrachtführer nach Art. 40 MÜ dem Fluggast gegenüber (gesamtschuldnerisch) aus dem Übereinkommen, wobei Art. 44 MÜ regelt, dass der Geschädigte
keinen höheren Schadensersatz erhalten kann als den Betrag, den er nach dem MÜ von dem am höchsten haftenden Ersatzpflichtigen verlangen kann
(Reuschle, MÜ, Art. 45 Rn. 1). Dies betrifft aber nicht das Innenverhältnis zwischen den beteiligten Luftfrachtführern zueinander. Art. 48 bestimmt
ausdrücklich, dass das Kapitel V (Art. 39 bis 47 - Luftbeförderung durch einen anderen als den vertraglichen Luftfrachtführer) nicht die Rechte und Pflichten
der Luftfrachtführer untereinander einschließlich der Rechte auf Rückgriff oder Schadensersatz berührt. Das MÜ regelt nur die Rechtsbeziehungen zwischen
den beiden Luftfrachtführern im Außenverhältnis zu den Reisenden; das Innenverhältnis zwischen den Luftfrachtführern wird dem anwendbaren Recht
überlassen (Reuschle, Art. 48 Rn. 1 und 3; vgl. auch OLG Frankfurt, a.a.O.). Da die Parteien insoweit über einen Werkvertrag miteinander verbunden sind,
stehen der Klägerin gegen die Beklagte auch (werk-) vertragliche Ersatzansprüche zu.
bb) Die Haftung der Beklagten gegenüber der Klägerin ist auch nicht deshalb auf eine Haftung nach dem MÜ beschränkt, weil die Reisenden auch gegenüber
der Klägerin nur Ansprüche nach dem MÜ geltend machen könnten. Nach Art. 29 MÜ kann zwar bei der Beförderung von Reisenden und Reisegepäck ein
Anspruch auf Schadensersatz - aus welchem Rechtsgrund auch immer - nur unter den Voraussetzungen und mit den Beschränkungen geltend gemacht werden,
die das MÜ vorsieht. Dies betrifft jedoch nur Schadensersatzansprüche, nicht aber Ansprüche, die auf eine andere Rechtsfolge als Schadensersatz gerichtet sind
(Führich, a.a.O., Rn. 947). Daraus folgt vorliegend zum einen, dass die Kunden der Klägerin ihr gegenüber aufgrund des MÜ nicht gehindert sind, (nicht auf
Schadensersatz gerichtete) Minderungsansprüche geltend zu machen (vgl. ausdrücklich zu Minderungsansprüchen wegen Transport des Gepäcks Führich,
a.a.O. Rn. 314 k); zum anderen stehen den Kunden der Klägerin dieser gegenüber im Hinblick auf die durch die Verspätung entstandenen Schäden (Taxikosten,
Mietwagenkosten) auch Schadensersatzansprüche nach Art. 19 S. 1 MÜ zu, für die die Klägerin Regress bei der Beklagten nehmen kann.
2. Die Klägerin hat gegen die Beklagte weiterhin aus abgetretenem Recht der Kundin I und ihrer Kinder einen Anspruch auf Zahlung von 1.800,- € aus Art. 7
Abs. 1 S. 1 a EUFlugVO i.V.m. § 398 BGB.
Das Landgericht hat zutreffend dargelegt, dass nach der von dem Bundesgerichtshof (Urteil vom 18. Februar 2010, Xa ZR 95/06 = NJW 2010, 2281)
übernommenen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urteil vom 19.11.2009, C - 402/07, C - 432/07 = NJW 20010, 43) der in Art. 7 EUFlugVO
vorgesehene Ausgleichsanspruch auch dann besteht, wenn der Fluggast wegen des verspäteten Fluges sein Endziel nicht früher als drei Stunden nach der
ursprünglichen Ankunftszeit erreicht, wobei ein Kürzung dieses Anspruchs nach Art. 7 Abs. 2 EUFlugVO ausscheidet, wenn sich die Flugbeförderung bei einer
Strecke von über 3.500 km um mehr als vier Stunden verspätet. Diese Voraussetzungen sind erfüllt, da die Kundin I mit ihren Kindern wegen der Verzögerung
des Flugs von Frankfurt nach Madrid ihr Ziel erst mit einer Verspätung von 43 Stunden erreichte; der Kundin steht demnach gegenüber der Beklagten ein
Ausgleichsanspruch in Höhe von 3 x 600,- € = 1.800,- € zu, den sie an die Klägerin abgetreten hat.
Der Ausgleichsanspruch ist auch nicht entsprechend Art. 5 Abs. 3 EUFlugVO ausgeschlossen, da die Verspätung nicht auf außergewöhnliche Umstände im
Sinne dieser Vorschrift zurück geht.
Nach dieser Vorschrift ist das ausführende Luftfahrtunternehmen nicht verpflichtet, Ausgleichszahlungen zu leisten, wenn es nachweisen kann, dass die
Annullierung auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen
worden wären.
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urteil vom 222. Dezember 2008, C 549/07 = NJW 2009, 347) und des Bundesgerichtshofs (Urteil
vom 12. November 2009, Xa ZR 76/07 = NJW 2010, 1070) dürfen die entschuldigenden Vorkommnisse nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit der
betroffenen Fluggesellschaft sein und aufgrund ihrer Natur oder Ursache von ihr tatsächlich nicht beherrschbar sein. Technische Defekte können nur dann als
außergewöhnliche Umstände angesehen werden, wenn sie beispielsweise auf versteckten Fabrikationsfehlern, Sabotageakten oder terroristischen Angriffen
beruhen. Vorliegend lag zwar eine Beschädigung der Außenhaut eines Flügels des Flugzeugs vor; diese ist jedoch weder durch einen Sabotageakt oder
terroristischen Angriff entstanden noch beruhte sie auf einem versteckten Fabrikationsfehler. Zwar ist die Ursache unklar; da aber beispielsweise auch eine
Beschädigung beim Beladen in Betracht kommt, hat die Beklagte bereits nicht nachgewiesen, dass sich die Beschädigung nicht hätte verhindern lassen.
3. Da die Beklagte aufgrund der Anspruchsschreiben der Klägerin vom 21. April 2009, 8. Mai 2009 und 18. Mai 2009 in Verzug geraten ist, hat sie nach §§ 280
Abs. 2, 286, 288 Abs. 2 BGB auch Verzugszinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu zahlen (Klageanträge Ziff. 1, 3 und 7).
Hinsichtlich der Familie I (Klageantrag Ziff. 5) wurde die Beklagte erstmalig mit anwaltlichem Schreiben vom 11. Mai 2009 gemahnt. Allerdings hatte die
Klägerin zu diesem Zeitpunkt lediglich einen eigenen Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte in Höhe von 85,- € (Taxikosten), so dass nur insoweit
Verzugszinsen - und zwar auch erst nach Ablauf der in dem Mahnschreiben genannten Zahlungsfrist bis zum 25. Mai 2009 - zuerkannt werden können. Zinsen
für den abgetretenen Ausgleichsanspruch können erst ab Rechtshängigkeit der abgetretenen Ansprüche (12. Dezember 2009) geltend gemacht werden, und
insoweit auch nur zu 5 % über dem Basiszinssatz, da die Zedentin Verbraucherin ist.
4. Aufgrund des Zahlungsverzugs hat die Beklagte nach §§ 280 Abs. 2, 286 BGB auch die von der Klägerin aufgewandten außergerichtlichen
Rechtsanwaltskosten zu erstatten (Klageantrag Ziff. 2 und 4) mit Ausnahme der für das anwaltliche Mahnschreiben betreffend die Ansprüche I entstandenen Kosten.
Insoweit wurden zum einen nicht bestehende eigene Ansprüche der Klägerin in Höhe von 1.800,- € geltend gemacht; zum anderen ist nicht ersichtlich, dass die
Klägerin den Schadensersatzanspruch in Höhe von 85,- € vor Einschaltung des Rechtsanwalts bereits angemahnt hatte und sich die Beklagte insoweit in Verzug
befand.
Der Zeitpunkt, ab dem jeweils Verzugszinsen auf die Rechtsanwaltsgebühren zu zahlen sind, war entsprechend der in den anwaltlichen Mahnschreiben
angegebenen Zahlungsziele festzusetzen.
Nach alledem hat die Berufung der Klägerin überwiegend Erfolg, während die Berufung der Beklagten zurückzuweisen war. ..."
*** (LG)
Bei der Buchung hat ein Reisevermittler eine erhöhte Pflicht, Erkundigungen über ein Luftfahrtunternehmen einzuholen, wenn Anhaltspunkte auf eine
bevorstehende Insolvenz hindeuten. Nach einer Buchung haftet das vermittelnde Reisebüro nur dann, wenn es von den Flug verhindernden Umständen
Kenntnis erlangt bzw. Kenntnis hätte erlangen können und sich dieser Kenntnis grob fahrlässig verschlossen hat. Dabei sind die Information durch das
Luftfahrtunternehmen über das Computerreservierungssystem maßgeblich. Es besteht keine Verpflichtung von vermittelnden Reisebüros, Fachzeitschriften
innerhalb einer bestimmten Zeitspanne zu lesen (LG Ellwangen, Urteil vom 17.11.2005 - 4 O 192/04, RRa 2006, 124).
*** (AG)
Keine Erstattung von vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten im Fall von Flugverspätungen (AG Charlottenburg, Urteil vom 17.01.2014 - 234 C 237/13).
***
Die zulässige Klage ist jedoch hinsichtlich der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von insgesamt 120,67 € unbegründet. Die Kläger haben gegen
die Beklagte gemäß §§ 280 Abs. 1, 249 BGB i.V.m. Art. 14 EG-VO 261/2004 keinen Anspruch auf Schadensersatz wegen der behaupteten
Informationspflichtverletzung gemäß Art. 14 EG-VO 261/2004. Zwar bestimmt Artikel 14 EG-VO 261/2004, dass das ausführende Luftfahrtunternehmen
sicherstellen soll, dass Fluggäste über ihre Rechte bei Annullierung oder Verspätung von mindestens 2 Stunden informiert werden sollen. Im vorliegenden Fall
ist jedoch bereits nicht ersichtlich, dass der geltend gemachte Schaden in einem kausalen Zusammenhang mit der klägerseits behaupteten
Informationspflichtverletzung steht. Die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs aufgrund einer Informationspflichtverletzung setzt einen
Kausalzusammenhang zwischen der Pflichtverletzung und dem Schaden voraus, den grundsätzlich der Gläubiger darzulegen und zu beweisen hat (Palandt,
BGB, 72. Aufl., § 280, Rn. 34, 38). Es kann vorliegend dahinstehen, ob die Kläger überhaupt durch die Beklagte ordnungsgemäß informiert wurden oder nicht,
da es bereits an der Darlegung der erforderlichen Kausalität fehlt. Vorliegend zeigt die Tatsache, dass die Kläger ihren Bevollmächtigten zwecks rechtlicher
Beratung hinsichtlich des streitgegenständlichen Sachverhalts aufsuchte, dass sie bereits Kenntnis von einem möglichen Ausgleichsanspruch hatten und sich
eine möglicherweise unterlassene Information der Kläger durch die Beklagte auf die Entstehung des geltend gemachten Schadens durch Inanspruchnahme des
Klägervertreters, nicht ursächlich auswirkte. Denn die Entstehung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten wäre nur dann ursächlich auf eine unterlassene
Information über die Rechte auf der EG-VO 261/2004 zurückzuführen, wenn bei ordnungsgemäßer Information die Inanspruchnahme des Klägervertreters
unterblieben wäre.
Da im vorliegenden Fall ausschließlich eine pauschalierte Ausgleichszahlung nach der EG-VO 261/2004 geltend gemacht wurde und gerade kein anderweitiger
Schaden vorgetragen wurde, erfolgte die Kontaktaufnahme der Kläger mit ihrem Rechtsanwalt gezielt hinsichtlich eines solchen pauschalierten
Ausgleichsanspruchs nach der EG-VO 261/2004. Mehr als die Kenntnis der generell bestehenden Möglichkeit eines Ausgleichsanspruchs nach der EG-VO
261/2004 hätte jedoch auch die ordnungsgemäße Information durch die Beklagte nicht vermittelt, weil die geschuldete Information insoweit keinen Bezug zu
dem konkreten Einzelfall aufweisen muss. Dass eine anwaltliche Beratung sowie die vorgerichtliche Geltendmachung des Anspruchs bei einer
ordnungsgemäßen Belehrung über die bereits bekannte generelle Möglichkeit eines Ausgleichsanspruchs vorliegend unterblieben wäre und damit die
vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten nicht angefallen wären, wenn die Kläger die Information über die generelle Möglichkeit vom Bestehen eines
Ausgleichsanspruchs von der Beklagten erhalten hätten, haben die Kläger indes selbst nicht behauptet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Dabei war die Nebenforderung in Höhe von 120,67 € bei der Berechnung der Kostenquote mit zu
berücksichtigen, da der diesbezügliche Anspruch mehr als 10 % des fiktiven Streitwertes (Hauptforderung und Kosten) beträgt (vgl. Zöller, ZPO, 29. Aufl., §
92 Rn. 11, m.w.N.). ..." (AG Frankfurt, Urteil vom 27.12.2013 - 29 C 2730/13 (85))
***
„... Die Parteien streiten um Ansprüche nach der EG-VO 261/04. Die Beklagte ist ein Luftfahrtunternehmen. Die Hauptforderung hat die Beklagte anerkannt, so
dass ausschließlich die vorgerichtlichen Rechtsberatungskosten in Höhe von 83,54 Euro in Streit stehen. ...
1. Der Zahlungsanspruch (Entschädigungsleistung) in Höhe von 400,00 Euro nebst Zinsen resultiert aus dem Anerkenntnis.
2. Ein weitergehender Anspruch besteht nicht. Ein Anspruch auf Zahlung bzw. Freistellung hinsichtlich der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten besteht nicht.
a) Ein Anspruch aus §§ 280 Abs. 2, 286 Abs. 1 BGB besteht nicht, denn bei Entstehung der vorgerichtlichen Kosten (erstes Schreiben vom 17.04.2013) lag
noch kein Verzug vor, so dass es sich nicht um einen kausalen Schaden handelt. Insoweit kommt es auf eine spätere Zahlungsverweigerung der Beklagten nicht an.
b) Ein Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten besteht auch nicht aus § 280 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 14 Abs. 2 EG-VO 261/04.
Es kann sogar dahingestellt bleiben, ob im konkreten Fall die Beklagte ausreichend über die Fluggastrecht entsprechend Art. 14 Abs. 2 EG-VO 261/04
informiert hat oder nicht, denn eine unterstellte Nichtaufklärung über die Fluggastrechte hätte maximal als kausalen Schaden zur Folge, dass der Kläger eine
anwaltliche Beratung in Anspruch genommen hätte. Hierfür wäre allerdings nur eine Beratungsgebühr nach § 34 Abs. 1, Satz 1 und 2 RVG angefallen, diese ist
aber gerade nicht streitgegenständlich.
Im Übrigen dürften Fluggäste aufgrund der vielfältigen Medienberichterstattung über die sog. Fluggastverordnung und den Aushängen an den Flughäfen
hinreichend über ihre Recht informiert sein, so dass ein Informationsdefizit der Beklagten keine Auswirkungen hat.
c) Andere Anspruchsgrundlagen kommen nicht in Betracht. ..." (AG Düsseldorf, Urteil vom 13.11.2013 - 51 C 10439/13)
***
„... Den Klägern steht der geltend gemachte Schadensersatzanspruch gemäß § 280 Abs. 1 BGB iVm. Art. 9 Satz 1 lit. a, lit. b der Verordnung (EG) NR.
261/2004 (im folgenden VO) zu.
Art. 9 VO findet im konkreten Fall gemäß Art. 5 Abs. 1 lit. b VO Anwendung, da der Flug von Miami nach Paris am 16.04.2010 aufgrund einer Störung des
Flugverkehrs durch einen Vulkanausbruch in Island annulliert wurde.
Gemäß Art. 9 VO hatte die Beklagte Betreuungsleistungen unentgeltlich den Klägern anzubieten, insbesondere für eine Verpflegung und eine
Hotelunterbringung zu sorgen. Dies ist unstrittig durch die Beklagte nicht erfolgt. Die Beklagte hat damit ihre Verpflichtung zur Erbringung von
Betreuungsleistungen gemäß Art. 9 VO verletzt und hat daher gemäß § 280 BGB Schadensersatz zu leisten, so auch AG Simmern, Urteil vom 20.04.2007, Az.
3 C 8688/06 sowie AG Rüsselsheim, Urteil vom 11.01.2011, Az. 3 C 1698/10.
Die Verpflichtung zur Erbringung von Betreuungsleistungen ist auch nicht aufgrund außergewöhnlicher Umstände entfallen. Die Sperrung des Luftraums
aufgrund des Vulkanausbruchs und der damit verbundenen Vulkanasche im Luftraum sind zwar außergewöhnliche Umstände im Sinne des Art. 5 Abs. 3 VO.
Aus Art. 5 Abs. 3 VO ergibt sich jedoch eindeutig, dass "außergewöhnliche Umstände" bei einer Annullierung die Fluggesellschaften lediglich von
Ausgleichzahlungen gemäß Art. 7 VO befreien, nicht aber von den in Art. 5 Abs. 1 VO aufgeführten Unterstützungsleistungen nach Art. 9 VO. Hierzu stellt
zwar die Begründungserwägung Nr. (14) in der Verordnung eine Abweichung dar, in der es heißt, dass "wie nach den Übereinkommen von Montreal die
Verpflichtungen für Luftfahrtunternehmen in den Fällen beschränkt oder ausgeschlossen sind, in denen ein Vorkommnis auf außergewöhnliche Umstände
zurückgeht(...)". Diese Erwägungen sind jedoch im Hinblick auf den eindeutigen Wortlaut des Art. 5 VO unbeachtlich. Insoweit hat der EuGH in seinem Urteil
vom 10.01.2006, RS C-344/04, NJW 2006, S. 351, 357 Rn. 76 bereits entschieden, dass die Begründungserwägungen eines Gemeinschaftsrechtsaktes zwar
dessen Inhalt präzisieren können, es aber nicht erlauben, von den Regelungen des Rechtsaktes abzuweichen.
In der gleichen Entscheidung hat der EuGH entschieden, dass die Regelung, dass die Fluggesellschaften Unterstützungs- und Betreuungsleistungen für die
Fluggäste zu leisten haben, als standardisierte sofortige Maßnahme nicht zu den Maßnahmen gehören, die das Montrealer Übereinkommen festlegt. Die
Regelung der Verordnung tritt somit neben die Regelungen des Übereinkommens von Montreal. Soweit sich die Beklagte auf die Entlastungsmöglichkeit nach
Art. 19 des Montrealer Übereinkommens (im folgenden MÜ) beruft, findet diese Vorschrift somit keine Anwendung. Art. 19 MÜ findet nur Anwendung auf
die individualisierte Wiedergutmachung und regelt nicht die standardisierte Wiedergutmachung nach der Fluggastrechteverordnung, vgl. EuGH, aaO, S. 357
Rn. 73 sowie BGH, NJW 2010, S. 1526.
Das Gericht hat keinen Anlass, den Rechtsstreit im Hinblick auf das Vorabentscheidungsersuchen des Dublin Metropolitan District Court vom 10.01.2011, Az.
C-12/11, an den EuGH bis zu dessen Entscheidung auszusetzen.
Nach Auffassung des Gerichts gibt es keinen Zweifel daran, dass die Fluggesellschaften nach Art. 9 VO in jedem Fall zur Erbringung von Betreuungsleistungen
verpflichtet sind. Es bestehen keine Zweifel, wie Art. 9 VO auszulegen ist. Auch hat das Gericht keine Zweifel an der Gültigkeit der Vorschrift.
Ein über außergewöhnlichen Umstand iSd der Verordnung (EG) 261/2004 hinausgehendes Ereignis ist in dem Vulkanausbruch nicht zu sehen. Die Verordnung
nennt in ihrem Erwägungsgrund Nr. (14) als außergewöhnliche Umstände gerade mit der Durchführung eines Fluges nicht zu vereinbaren Wetterbedingungen.
Dies war hier mit der Vulkanasche der Fall. Es ist daher nicht ersichtlich, weshalb im vorliegenden Fall ein über außergewöhnliche Umstände hinausgehende
Ereignis vorliegen soll. Der klare Wortlaut der Verordnung ergibt, dass die Fluggesellschaften auch bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände zur Erbringung
von Betreuungsleistungen verpflichtet sind. Diese Regelung hat der EuGH in seinem Urteil vom 10.01.2006 (aaO) geprüft und für gültig befunden.
Insbesondere hat der EuGH klargestellt, dass die Fluggastrechteverordnung neben den Regelungen des Montrealer Übereinkommens steht, nicht
diskriminierend ist und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht. Der EuGH, der sich in seinem Urteil ausführlich mit der Verpflichtung der
Fluggesellschaften zur Erbringung von Betreuungsleistungen auch im Fall des Vorliegens von außergewöhnlichen Umständen auseinandergesetzt hat, konnte
keine Ungültigkeit der Vorschriften erkennen. Dementsprechend geht auch das erkennende Gericht von einer Gültigkeit der Verordnung aus.
Eine Aussetzung bis zur Entscheidung des Vorabentscheidungsersuchens ist daher nicht veranlasst.
Nach Art. 9 Abs. 1 lit. b VO hatte die Beklagte den Klägern unentgeltlich eine Hotelunterbringung anzubieten. Nachdem dies nicht geschehen ist, haben die
Kläger gemäß § 280 BGB einen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe der verauslagten Hotelkosten. Es liegen keine Anhaltspunkte vor, dass es sich hierbei
um nicht erstattungsfähige Luxusaufwendungen handelt.
Ebenfalls haben die Kläger gemäß Art. 9 Abs. 1 lit. a VO einen Anspruch auf ein unentgeltliches Angebot von Mahlzeiten und Erfrischungen. Die Kläger haben
daher Anspruch auf Schadensersatz der verauslagten Kosten hierfür in Höhe von 50,07 €. Soweit die Beklagte einwendet, dass es sich hierbei um "sowieso"
Kosten handelt, ist dieser Einwand unbegründet. Aufwendungen für Mahlzeiten und Erfrischung stellen zwar generell ersparten Eigenaufwendungen dar.
Dessen ungeachtet wollte der Verordnungsgeber diese jedoch dennoch ersetzt sehen. Im Übrigen ist auch zu bedenken, dass eine Verpflegung an einem
fremden Ort in der Regel teurer ist als zu Hause.
Es ergibt sich folgende Schadensberechnung:
Airporthotel: 83,80 €
BestWestern Hotel 387,11 €
Verpflegung 50,07 €
gesamt 520,98 €
gezahlt 184,00 €
Rest 336,98 €
Das Gericht war gemäß § 308 ZPO an den Klageantrag in Höhe von 327,98 € gebunden.
Ebenfalls unter Schadensersatzgesichtspunkten sind den Kläger die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 102,82 € zuzusprechen. Diesbezüglich
wird auf die zutreffende Berechnung in der Klageschrift Bezug genommen.
Die Schadensersatzforderung ist aus Verzugsgesichtspunkten gemäß §§ 286, 288 Abs. 1 BGB mit 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.08.2010 zu
verzinsen. Nach alledem war der Klage vollumfänglich stattzugeben. ..." (AG Nürnberg, Urteil vom 14.09.2011 - 18 C 6053/11)
***
„... Die Klägerin buchte für sich, ihren Ehemann und ihren Sohn einen Flug der Beklagten der Strecke Lübeck - Stockholm. Der Hinflug sollte am 29.09.2006
um 16:40 h stattfinden, der Rückflug am 03.10.2006. Für den Beförderungsvertrag galten die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten. Darin ist unter
der Überschrift "Ausweispapiere" u.a. Folgendes bestimmt:
"Alle Fluggäste müssen für alle Flüge bei der Abfertigung einen gültigen Lichtbildausweis vorlegen. Als Lichtbildausweis (...) wird ausschließlich Folgendes akzeptiert:
- Ein gültiger Reisepass
- Ein gültiger Personalausweis (...)
- Ein gültiger Führerschein mit Lichtbild kann nur für Reisen auf Inlandsflügen in Großbritannien und Italien sowie auf Strecken zwischen Großbritannien und
Irland verwendet werden"
Für den weiteren Inhalt der Klausel wird auf Bl. 40 d.A. verwiesen. Die Klägerin vergaß bei dem Hinflug ihren Personalausweis und Reisepass. Die Beklagte
verweigerte deshalb die Beförderung der Klägerin. Sie war auch nicht bereit, die Klägerin mit einem von der Bundespolizei auszustellenden
Ersatzreisedokument zu befördern. Die Klägerin flog daher am selben Tag mit einem anderen Unternehmen von Hamburg nach Stockholm. Der Rückflug
erfolgte mit der Beklagten. Die Klägerin forderte die Beklagte mit Schreiben ihrer Bevollmächtigten vom 20.12.2006 erfolglos zur Zahlung bis 05.01.2006 auf.
Die Klägerin behauptet, die am 29.09.2006 um 15:15 h auf dem Flughafen Lübeck diensthabenden Beamten der Bundespolizei seien bereit gewesen, der
Klägerin auf Grundlage ihres Führerscheins mit Foto einen deutschen Ersatzausweis auszustellen. Ihr seien 6,- EUR zusätzliche Beförderungskosten innerhalb
Deutschlands entstanden In Stockholm seien 440 SEK (entspr. 48,65 EUR) zusätzliche Transportkosten entstanden.
Die Klägerin ist der Ansicht, sie hätte mit dem Ersatzdokument in Schweden einreisen können. Die Klägerin beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 746,42 EUR nebst 5%- Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 6.1.2007 zu zahlen;
2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 62,26 EUR nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen;
3. festzustellen, dass die Beklagte der Klägerin am 29.09.2006 vertragswidrig die Beförderung auf der Strecke Lübeck-Stockholm verweigert hat.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Entscheidungsgründe: I. Die Klage ist zulässig.
1. Das Amtsgericht Lübeck ist gem. Art. 5 Nr. 1a EuGVO örtlich zuständig. Nach dieser Vorschrift kann eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet
eines Mitgliedsstaats hat, in einem anderen Mitgliedsstaat verklagt werden, wenn ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des
Verfahrens bilden, vor dem Gericht des Ortes, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre. Gem. Art. 60 Abs. 1 EuGVO haben
Gesellschaften und juristische Personen für die Anwendung der Verordnung ihren Wohnsitz an dem Ort, an dem sich entweder ihr satzungsmäßiger Sitz, ihre
Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung befindet. Hier hat die Beklagte ihren Hauptsitz in Irland. Der Anspruch der Klägerin auf Beförderung von
Lübeck nach Stockholm am 29.09.2006 wäre jedoch in Lübeck zu erfüllen gewesen. Anknüpfungspunkt für die Bestimmung der Zuständigkeit ist dabei die
Verpflichtung, welche den Gegenstand der Klage bildet (Zöller-Geimer, Anhang I, Art. 5 EuGVO). Gegenstand der Klage bildet die Verpflichtung der
Beklagten, die Klägerin von Lübeck nach Stockholm zu befördern. Diese wäre in Lübeck zu erfüllen gewesen bzw. hätte - was ausreichend ist - ihren
Ausgangspunkt in Lübeck genommen.
2. Der Zwischenfeststellungsantrag - Antrag zu 3.) ist zulässig. Die Voraussetzungen des § 256 Abs. 2 ZPO sind erfüllt. Es ist ein Urteilsverfahren über die
Hauptklage in einer Tatsacheninstanz noch hinsichtlich des Anspruchsgrundes anhängig. Das Rechtsverhältnis, dessen Feststellung die Klägerin begehrt, ist
zwischen den Parteien im Rahmen des Hauptanspruches streitig. Das Bestehen oder Nichtbestehen dieses Rechtsverhältnisses, das heißt, die Frage, ob die
Beklagte die Beförderung der Klägerin vertragswidrig abgelehnt hat, ist für die Entscheidung in der Hauptsache vorgreiflich. Im Falle einer Entscheidung über
den geltend gemachten Hauptanspruch erwachsen die präjudiziellen Rechtsverhältnisse nicht in Rechtskraft. Das Urteil über die Hauptsache regelt die
Rechtsbeziehungen der Parteien nicht bereits erschöpfend. Stets zulässig ist dabei die Feststellungsklage, wenn mit der Hauptklage mehrere selbstständige
Ansprüche aus demselben Rechtsverhältnis verfolgt werden (Zöller-Greger, § 256 ZPO, RdNr. 4). Dies ist hier der Fall. Mit der Klage werden mehrere
selbstständige Ansprüche aus demselben Rechtsverhältnis, nämlich dem Beförderungsvertrag und seiner behaupteten Verletzung, geltend gemacht. Dies ist zum
einen der Schadensersatzanspruch wegen zusätzlicher Transportkosten, darüber hinaus der Anspruch auf Ersatz außergerichtlicher Anwaltskosten.
II. Die Klage ist begründet. Die Beklagte kann von der Klägerin die Zahlung von 746,42 EUR sowie 62,26 EUR, jeweils nebst Zinsen, verlangen.
1. Der Anspruch auf Zahlung von 746, 42 EUR beruht auf den §§ 280 Abs. 1 , 281 Abs. 1 , Abs. 2 BGB .
a) Auf das Rechtsverhältnis der Parteien ist deutsches Recht anzuwenden. Dies folgt aus Art. 28 , 27 EGBGB . Die Parteien haben keine Rechtswahl gem. Art.
27 EGBGB getroffen. Nach Art. 28 Abs. 1 EGBGB unterliegt dann der Vertrag dem Recht des Staates, mit dem er die engste Verbindung aufweist. Dies ist hier
Deutschland. Dabei greift die Vermutung des Art. 28 Abs. 2 EGBGB nicht. Nach Anwendung dieser Vorschrift wäre irisches Recht anzuwenden, da die
Beklagte eine Niederlassung in Deutschland nicht besitzt. Gem. Art. 28 Abs. 5 EGBGB gilt jedoch die Vermutung des Abs. 2 nicht, wenn sich aus der
Gesamtheit der Umstände ergibt, dass der Vertrag engere Verbindungen mit einem anderen Staat aufweist. So liegt der Fall hier. Der zwischen den Parteien
bestehende Beförderungsvertrag weist die engsten Verbindungen zu Deutschland auf. Die Beklagte operiert von Deutschland aus und bietet internationale Flüge
von und nach Deutschland an. Die Klägerin, die deutsche Staatsangehörige ist, hat auf der deutschsprachigen Internetseite der Beklagten einen Flug von
Deutschland nach Schweden und zurück gebucht.
b) Zu den Voraussetzungen der §§ 280 Abs. 1 , 281 Abs. 1 , Abs. 2 BGB gehört, dass ein Schuldverhältnis vorliegt, das die Beklagte schuldhaft eine Pflicht aus
diesem Schuldverhältnis verletzt hat, dass der Beklagten von der Klägerin erfolglos eine Frist zur Erbringung der Leistung gesetzt wurde, oder eine Fristsetzung
entbehrlich war, sowie, dass ein Schaden entstanden ist.
c) Diese Voraussetzungen sind erfüllt:
aa) Zwischen den Parteien bestand ein Schuldverhältnis, nämlich ein Beförderungsvertrag.
bb) Die Beklagte hat eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis verletzt. Aufgrund des Beförderungsvertrages bestand die Pflicht der Beklagten, die Klägerin am
29.09.2006 von Lübeck nach Stockholm zu befördern. Dies ist pflichtwidrig unterblieben. Dabei kann sich die Beklagte nicht auf ihre allgemeinen
Geschäftsbedingungen berufen, wonach bei der Abfertigung ein gültiger Reisepass oder ein gültiger Personalausweis vorzulegen ist. Die allgemeinen
Geschäftsbedingungen der Beklagten, die Vertragsbestandteil geworden sind, sind in Bezug auf die Regelungen über Ausweispapiere unwirksam, soweit sie
eine Beförderung von Passagieren mit einem amtlichen deutschen Ersatzpersonaldokument ausschließen, obwohl eine Einreise im Zielland mit einem solchen
Dokument möglich ist. Der Ausschluss dieser Möglichkeit stellt eine unangemessene Benachteiligung gem. § 307 Abs. 1 BGB dar.
Die streitige Klausel unterliegt der Inhaltskontrolle gem. § 307 BGB . Gem. § 307 Abs. 3 Satz 1 sind kontrollfähig Bestimmungen in AGB, durch die von
Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. So liegt der Fall hier. Die Regelung der allgemeinen
Geschäftsbedingungen über Ausweispapiere ergänzen die zwischen den Parteien getroffenen Regelungen zum Beförderungsbetrag.
Die Unwirksamkeit der Klausel, soweit sie eine Beförderung mit amtlichen deutschen Ersatzdokumenten ausschließt, beruht auf § 307 Abs. 1 BGB . Nach
dieser Norm sind Bestimmungen in allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von
Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. So liegt der Fall hier. Die Unwirksamkeit steht aufgrund einer Abwägung der wechselseitigen Interessen fest.
Eine formularmäßige Vertragsbestimmung ist unangemessen, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf
Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen
Ausgleich zuzugestehen ( BGH, Urteil vom 01.02.2005, Az. X ZR 10/04 , NJW 2005, 1774,1775). Dabei sind die Interessen der Vertragspartner zu ermitteln
und gegeneinander abzuwägen. Unangemessen wäre eine Regelung dann nicht, wenn die Benachteiligung des Vertragspartners durch höherrangige oder
zumindest gleichwertige Interessen des Verwenders gerechtfertigt sind (BGH ebenda). Die Interessen der Klägerin an der Beförderung mit einem amtlichen
Ersatzdokument sind hier höher zu bewerten als die Interessen der Beklagten, eine Identifizierung der Vertragspartner mit gültigem Reisepass oder gültigem
Personalausweis vorzunehmen.
(1) Dies folgt daraus, dass mit der Vorlage eines Lichtbildausweises die Beklagte zwei Interessen verfolgt. Dies ist zum einen die Identifizierung der
Vertragspartner, da die Beklagte überprüfen können muss, ob die im Internet als Vertragspartner angegebene Person mit derjenigen Person identisch ist, die
unter dem Namen des Vertragspartners bzw. der Vertragspartnerin befördert werden möchte. Ein weiteres Interesse an der Vorlage gültiger Personaldokumente
bsteht darin, dass die Beklagte verpflichtet wäre, Passagiere auf eigene Kosten zurückzubefördern, wenn diese nicht die Einreisevoraussetzungen des Ziellandes
erfüllen und dies bei einer Kontrolle durch die Beklagte hätte festgestellt werden können.
(2) Diesen Interessen der Beklagten kann zumindest bei Flügen von Deutschland aus zu Zielen innerhalb der europäischen Union auch durch amtliche deutsche
Ersatzdokumente, etwa einen durch die Bundespolizei ausgestellten Ersatzausweis, Rechnung getragen werden.
(a) Die Identifizierung der Passagiere erfolgt durch einen Vergleich des Namens und der weiteren angegebenen persönlichen Daten mit dem vorgelegten
Dokument, das heißt, den im Dokument enthaltenen Angaben und dem dortigen Passbild. Es ist nicht ersichtlich, dass eine Identifizierung erschwert wird,
wenn etwa ein Passagier, wie die Klägerin, einen von der deutschen Bundespolizei ausgestellten Ersatzausweis vorlegt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die
Bundespolizei ein solches Ersatzdokument nur ausstellt, wenn die für die Bundespolizei handelnde Beamten von der Identität der Person überzeugt sind. Dies
wird einem Passagier im Regelfall nur gelingen, wenn er ein anderes Lichtbilddokument als einen gültigen Reisepass oder gültigen Personalausweis vorlegen
kann, etwa einen abgelaufenen Reisepass oder Personalausweis oder einen - ebenfalls mit Lichtbild versehenen - deutschen Führerschein. Darüber hinaus
besteht die Möglichkeit, die Gültigkeit eines von der Bundespolizei auszustellenden Ersatzausweises an die Vorlage etwa des abgelaufenen Passes, des
abgelaufenen Ausweises oder des Führerscheines zu knüpfen. Deshalb kommt es für die Entscheidung hier auch nicht darauf an, ob ein solcher Ersatzausweis
selbst noch ein Lichtbild enthält, sofern nur sichergestellt ist, dass er nur Gültigkeit in Verbindung mit einem mit Lichtbild versehenen Personaldokument
entfaltet. Vorliegend hätte die Bundespolizei am Flughafen Lübeck der Klägerin einen solchen Ersatzausweis ausgestellt. Die Klägerin verfügte über ihren
deutschen Führerschein und ein weiteres Lichtbild. Dies ergibt sich aus der glaubhaften und irrtumsfreien Aussage des Zeugen Lettmann.
(b) Die Beklagte ist zur Identifizierung ihrer Vertragspartner auch nicht auf die Vorlage eines Ausweises oder Reisepasses angewiesen. Dies folgt schon aus den
allgemeinen Geschäftsbedingungen selbst, die unter anderem für Inlandsflüge in Italien und Großbritannien die Vorlage eines gültigen Führerscheines mit
Lichtbild ausreichen lassen. Dies bezieht sich aufgrund der eindeutigen Formulierung der allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht nur auf britische und
italienische Staatsangehörige, sondern auf alle Reisenden auf Inlandsflügen in diesen Staaten. Dabei stellt zumindest Italien auch Personalausweise aus. Es ist
nicht ersichtlich, weshalb die Identifizierung von Vertragspartnern für die Beklagte in Italien mit Führerscheinen möglich ist, während es in Deutschland nicht
möglich sein soll.
(c) Dem Interesse der Beklagten, keine Rückbeförderung auf eigene Kosten von Personen vornehmen zu müssen, die für die Einreise in das Zielland keine
ausreichenden Dokumente haben, lässt sich - zumindest für Flüge von Deutschland nach Schweden - auch durch einen amtlichen deutschen Ersatzausweis
Rechnung tragen. Die Einreise nach Schweden kann nicht nur mit Reisepass und Personalausweis, sondern auch mit vorläufigem Reisepass und vorläufigem
Personalausweis erfolgen. Es ist nicht ersichtlich, dass ein deutscher Ersatzausweis, der entweder selbst mit einem Lichtbild versehen ist oder nur in
Verbindung mit einem amtlichen Lichtbilddokument Geltung hat, zur Einreise nach Schweden nicht geeignet ist. Dies ergibt sich aus den Angaben des
auswärtigen Amtes zur Einreise nach Schweden (http://www.auswaertiges-amt.de/diplo/de/Laenderinformationen/Schweden/Sicherheitshinweise.html.t5).
(d) Dem Interesse der Beklagten an der Vorlage eines gültigen Reisepasses oder gültigen Personalausweises steht das Interesse von Passagieren gegenüber, mit
einem amtlichen deutschen Ersatzdokument befördert zu werden. Dieses Interesse an der Beförderung ist aufgrund der vorgenannten Umstände höher zu
bewerten als das Interesse der Beklagten an der Vorlage eines gültigen Reisepasses oder gültigen Personalausweises.
cc) Die Beklagte hat die Pflichtverletzung zu vertreten. Gem. § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB hat sich der Schuldner zu entlasten. Dies ist der Beklagten nicht
gelungen. Entlastende Umstände hat sie nicht vorgetragen.
dd) Eine Fristsetzung der Klägerin gegenüber der Beklagten mit der Aufforderung, die Leistung zu erbringen, war gem. § 281 Abs. 2 BGB entbehrlich. Die
Beklagte hat ernsthaft und endgültig die Beförderung der Klägerin verweigert.
ee) Der Klägerin ist ein Schaden von 746,42 EUR entstanden.
(1) Ein Betrag von 691,77 EUR entfällt auf den Preis für das Flugticket Hamburg -Stockholm. Das einfache Bestreiten des Betrages durch die Beklagte ist
insoweit nicht ausreichend. Die Beklagte verfügt als Luftfahrtunternehmen aus eigener Kenntnis über ausreichend Informationen zu Flügen am 29.09.2006. Sie
hätte daher konkrete Alternativen angeben müssen. Dabei hilft es auch nicht weiter, auf günstigere Flüge, als die Klägerin ihn wahrgenommen hat, zu
verweisen. Zum einen kann von möglicherweise günstigeren Flügen auf der Strecke Hamburg-London nicht auf ebenso günstige Flüge von Hamburg nach
Stockholm geschlossen werden. Zum anderen fehlen Angaben der Beklagten, die sie aus eigener Kenntnis mitteilen könnte, ob entsprechende, unbekannt
gebliebene, günstigere Angebote für die Klägerin überhaupt verfügbar waren.
(2) Weitere 54,65 EUR entfallen auf zusätzliche Transportkosten in Stockholm und von Lübeck nach Hamburg. Das Gericht schätzt aufgrund der konkreten
Angaben und der genauen Berechnung der Klägerin den Schaden insoweit in dieser Höhe. Es ist lebensnahe und daher glaubhaft, dass die Klägerin am
29.09.2006 mit dem Taxi zu ihrem Hotel in Stockholm fahren musste. Unstreitig geblieben ist auch, dass der Flug, mit dem die Klägerin nach Stockholm flog,
zu einem anderen Flughafen ging, als der Flug der Beklagten. Aus diesem Grunde konnte die Klägerin das günstigere Busticket nicht in Anspruch nehmen.
Gleichfalls zutreffend ist die Berechnung der zusätzlichen Transportkosten in Deutschland. Auch hier hat die Klägerin zutreffend ersparte Parkgebühren abgezogen.
ff) Die Pflichtverletzung ist kausal für den Schaden gewesen. Hätte die Beklagte die Klägerin befördert, hätte die Klägerin weder einen Flug von Hamburg nach
Stockholm, noch zusätzliche Transportmöglichkeiten in Stockholm und Deutschland in Anspruch nehmen müssen.
2. Auf die Hauptforderung von 746,42 EUR stehen der Klägerin gem. §§ 280 Abs. 2 , 286 , 288 Abs. 1 BGB Zinsen seit dem 06.01.2007 zu. Die Beklagte ist
erfolglos aufgefordert worden, bis zum 05.01.2007 Schadensersatz zu leisten.
3. Die Klägerin kann darüber hinaus von der Beklagten die Zahlung von weiteren 62,26 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz
seit dem 10.04.2007 verlangen. Grundlage des Anspruches sind die §§ 280 , 281 , 249 , 291 BGB in Verbindung mit den Regelungen des RVG . Die
außergerichtlichen Anwaltskosten der Klägerin sind ersatzfähiger Schaden. Sie sind aufgrund der schuldhaften Pflichtverletzung der Beklagten entstanden.
Auch die Höhe der geltend gemachten Rechtsanwaltsgebühr ist nicht zu beanstanden. Sie entspricht den Regelungen des RVG . Der Zinsanspruch beruht auf §
291 BGB.
4. Die Klägerin kann auch die begehrte Zwischenfeststellung verlangen. Die Beklagte hat - was sich aus den Ausführungen unter II.), 1.), c), bb) der Gründe
ergibt - die Klägerin pflichtwidrig, das heißt, vertragswidrig, nicht am 29.09.2006 von Lübeck nach Stockholm befördert. ..." (AG Lübeck, Urteil vom
13.09.2007, 28 C 331/07)
***
Ein Luftfahrtunternehmen darf einem Fluggast nicht die Rückflug-Beförderung verweigern, weil er den Hinflug nicht angetreten hat (AG Köln, Urteil vom
13.12.2006 - 119 C 353/06, RRa 2007, 90).
***
Der Luftbeförderungsvertrag ist ein absolutes Fixgeschäft, so dass bei einer erheblichen Verschiebung der Flugzeiten Unmöglichkeit eintritt und ein
Schadensersatzanspruch des Fluggastes dem Grunde nach besteht. Eine siebeneinhalbstündige Flugvorverlegung ist eine erhebliche Verschiebung, die der
Fluggast nicht hinzunehmen braucht. Eine unterlassene Rückbestätigung ist nicht kausal für einen durch eine erhebliche Flugvorverlegung entstandenen
Schaden (hier: Kosten einer Ersatzbeförderung), denn es ist nicht die Funktion der Rückbestätigung, dem Luftbeförderer eine erhebliche Verschiebung der
Flugzeiten zu ermöglichen (AG Düsseldorf, Urteil vom 15.11.2004 - 28 C 14629/04, RRa 2005, 135).
§ 281 BGB Schadensersatz statt der Leistung wegen nicht oder nicht wie geschuldet erbrachter Leistung
(1) Soweit der Schuldner die fällige Leistung nicht oder nicht wie geschuldet erbringt, kann der Gläubiger unter den Voraussetzungen des § 280 Abs. 1
Schadensersatz statt der Leistung verlangen, wenn er dem Schuldner erfolglos eine angemessene Frist zur Leistung oder Nacherfüllung bestimmt hat. Hat der
Schuldner eine Teilleistung bewirkt, so kann der Gläubiger Schadensersatz statt der ganzen Leistung nur verlangen, wenn er an der Teilleistung kein Interesse
hat. Hat der Schuldner die Leistung nicht wie geschuldet bewirkt, so kann der Gläubiger Schadensersatz statt der ganzen Leistung nicht verlangen, wenn die
Pflichtverletzung unerheblich ist.
(2) Die Fristsetzung ist entbehrlich, wenn der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert oder wenn besondere Umstände vorliegen, die unter
Abwägung der beiderseitigen Interessen die sofortige Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs rechtfertigen.
(3) Kommt nach der Art der Pflichtverletzung eine Fristsetzung nicht in Betracht, so tritt an deren Stelle eine Abmahnung.
(4) Der Anspruch auf die Leistung ist ausgeschlossen, sobald der Gläubiger statt der Leistung Schadensersatz verlangt hat.
(5) Verlangt der Gläubiger Schadensersatz statt der ganzen Leistung, so ist der Schuldner zur Rückforderung des Geleisteten nach den §§ 346 bis 348 berechtigt.
Leitsätze/Entscheidungen:
„... Die Klägerin buchte für sich, ihren Ehemann und ihren Sohn einen Flug der Beklagten der Strecke Lübeck - Stockholm. Der Hinflug sollte am 29.09.2006
um 16:40 h stattfinden, der Rückflug am 03.10.2006. Für den Beförderungsvertrag galten die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten. Darin ist unter
der Überschrift "Ausweispapiere" u.a. Folgendes bestimmt:
"Alle Fluggäste müssen für alle Flüge bei der Abfertigung einen gültigen Lichtbildausweis vorlegen. Als Lichtbildausweis (...) wird ausschließlich Folgendes akzeptiert:
- Ein gültiger Reisepass
- Ein gültiger Personalausweis (...)
- Ein gültiger Führerschein mit Lichtbild kann nur für Reisen auf Inlandsflügen in Großbritannien und Italien sowie auf Strecken zwischen Großbritannien und
Irland verwendet werden"
Für den weiteren Inhalt der Klausel wird auf Bl. 40 d.A. verwiesen. Die Klägerin vergaß bei dem Hinflug ihren Personalausweis und Reisepass. Die Beklagte
verweigerte deshalb die Beförderung der Klägerin. Sie war auch nicht bereit, die Klägerin mit einem von der Bundespolizei auszustellenden
Ersatzreisedokument zu befördern. Die Klägerin flog daher am selben Tag mit einem anderen Unternehmen von Hamburg nach Stockholm. Der Rückflug
erfolgte mit der Beklagten. Die Klägerin forderte die Beklagte mit Schreiben ihrer Bevollmächtigten vom 20.12.2006 erfolglos zur Zahlung bis 05.01.2006 auf.
Die Klägerin behauptet, die am 29.09.2006 um 15:15 h auf dem Flughafen Lübeck diensthabenden Beamten der Bundespolizei seien bereit gewesen, der
Klägerin auf Grundlage ihres Führerscheins mit Foto einen deutschen Ersatzausweis auszustellen. Ihr seien 6,- EUR zusätzliche Beförderungskosten innerhalb
Deutschlands entstanden In Stockholm seien 440 SEK (entspr. 48,65 EUR) zusätzliche Transportkosten entstanden.
Die Klägerin ist der Ansicht, sie hätte mit dem Ersatzdokument in Schweden einreisen können. Die Klägerin beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 746,42 EUR nebst 5%- Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 6.1.2007 zu zahlen;
2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 62,26 EUR nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen;
3. festzustellen, dass die Beklagte der Klägerin am 29.09.2006 vertragswidrig die Beförderung auf der Strecke Lübeck-Stockholm verweigert hat.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Entscheidungsgründe: I. Die Klage ist zulässig.
1. Das Amtsgericht Lübeck ist gem. Art. 5 Nr. 1a EuGVO örtlich zuständig. Nach dieser Vorschrift kann eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet
eines Mitgliedsstaats hat, in einem anderen Mitgliedsstaat verklagt werden, wenn ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des
Verfahrens bilden, vor dem Gericht des Ortes, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre. Gem. Art. 60 Abs. 1 EuGVO haben
Gesellschaften und juristische Personen für die Anwendung der Verordnung ihren Wohnsitz an dem Ort, an dem sich entweder ihr satzungsmäßiger Sitz, ihre
Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung befindet. Hier hat die Beklagte ihren Hauptsitz in Irland. Der Anspruch der Klägerin auf Beförderung von
Lübeck nach Stockholm am 29.09.2006 wäre jedoch in Lübeck zu erfüllen gewesen. Anknüpfungspunkt für die Bestimmung der Zuständigkeit ist dabei die
Verpflichtung, welche den Gegenstand der Klage bildet (Zöller-Geimer, Anhang I, Art. 5 EuGVO). Gegenstand der Klage bildet die Verpflichtung der
Beklagten, die Klägerin von Lübeck nach Stockholm zu befördern. Diese wäre in Lübeck zu erfüllen gewesen bzw. hätte - was ausreichend ist - ihren
Ausgangspunkt in Lübeck genommen.
2. Der Zwischenfeststellungsantrag - Antrag zu 3.) ist zulässig. Die Voraussetzungen des § 256 Abs. 2 ZPO sind erfüllt. Es ist ein Urteilsverfahren über die
Hauptklage in einer Tatsacheninstanz noch hinsichtlich des Anspruchsgrundes anhängig. Das Rechtsverhältnis, dessen Feststellung die Klägerin begehrt, ist
zwischen den Parteien im Rahmen des Hauptanspruches streitig. Das Bestehen oder Nichtbestehen dieses Rechtsverhältnisses, das heißt, die Frage, ob die
Beklagte die Beförderung der Klägerin vertragswidrig abgelehnt hat, ist für die Entscheidung in der Hauptsache vorgreiflich. Im Falle einer Entscheidung über
den geltend gemachten Hauptanspruch erwachsen die präjudiziellen Rechtsverhältnisse nicht in Rechtskraft. Das Urteil über die Hauptsache regelt die
Rechtsbeziehungen der Parteien nicht bereits erschöpfend. Stets zulässig ist dabei die Feststellungsklage, wenn mit der Hauptklage mehrere selbstständige
Ansprüche aus demselben Rechtsverhältnis verfolgt werden (Zöller-Greger, § 256 ZPO, RdNr. 4). Dies ist hier der Fall. Mit der Klage werden mehrere
selbstständige Ansprüche aus demselben Rechtsverhältnis, nämlich dem Beförderungsvertrag und seiner behaupteten Verletzung, geltend gemacht. Dies ist zum
einen der Schadensersatzanspruch wegen zusätzlicher Transportkosten, darüber hinaus der Anspruch auf Ersatz außergerichtlicher Anwaltskosten.
II. Die Klage ist begründet. Die Beklagte kann von der Klägerin die Zahlung von 746,42 EUR sowie 62,26 EUR, jeweils nebst Zinsen, verlangen.
1. Der Anspruch auf Zahlung von 746, 42 EUR beruht auf den §§ 280 Abs. 1 , 281 Abs. 1 , Abs. 2 BGB .
a) Auf das Rechtsverhältnis der Parteien ist deutsches Recht anzuwenden. Dies folgt aus Art. 28 , 27 EGBGB . Die Parteien haben keine Rechtswahl gem. Art.
27 EGBGB getroffen. Nach Art. 28 Abs. 1 EGBGB unterliegt dann der Vertrag dem Recht des Staates, mit dem er die engste Verbindung aufweist. Dies ist hier
Deutschland. Dabei greift die Vermutung des Art. 28 Abs. 2 EGBGB nicht. Nach Anwendung dieser Vorschrift wäre irisches Recht anzuwenden, da die
Beklagte eine Niederlassung in Deutschland nicht besitzt. Gem. Art. 28 Abs. 5 EGBGB gilt jedoch die Vermutung des Abs. 2 nicht, wenn sich aus der
Gesamtheit der Umstände ergibt, dass der Vertrag engere Verbindungen mit einem anderen Staat aufweist. So liegt der Fall hier. Der zwischen den Parteien
bestehende Beförderungsvertrag weist die engsten Verbindungen zu Deutschland auf. Die Beklagte operiert von Deutschland aus und bietet internationale Flüge
von und nach Deutschland an. Die Klägerin, die deutsche Staatsangehörige ist, hat auf der deutschsprachigen Internetseite der Beklagten einen Flug von
Deutschland nach Schweden und zurück gebucht.
b) Zu den Voraussetzungen der §§ 280 Abs. 1 , 281 Abs. 1 , Abs. 2 BGB gehört, dass ein Schuldverhältnis vorliegt, das die Beklagte schuldhaft eine Pflicht aus
diesem Schuldverhältnis verletzt hat, dass der Beklagten von der Klägerin erfolglos eine Frist zur Erbringung der Leistung gesetzt wurde, oder eine Fristsetzung
entbehrlich war, sowie, dass ein Schaden entstanden ist.
c) Diese Voraussetzungen sind erfüllt:
aa) Zwischen den Parteien bestand ein Schuldverhältnis, nämlich ein Beförderungsvertrag.
bb) Die Beklagte hat eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis verletzt. Aufgrund des Beförderungsvertrages bestand die Pflicht der Beklagten, die Klägerin am
29.09.2006 von Lübeck nach Stockholm zu befördern. Dies ist pflichtwidrig unterblieben. Dabei kann sich die Beklagte nicht auf ihre allgemeinen
Geschäftsbedingungen berufen, wonach bei der Abfertigung ein gültiger Reisepass oder ein gültiger Personalausweis vorzulegen ist. Die allgemeinen
Geschäftsbedingungen der Beklagten, die Vertragsbestandteil geworden sind, sind in Bezug auf die Regelungen über Ausweispapiere unwirksam, soweit sie
eine Beförderung von Passagieren mit einem amtlichen deutschen Ersatzpersonaldokument ausschließen, obwohl eine Einreise im Zielland mit einem solchen
Dokument möglich ist. Der Ausschluss dieser Möglichkeit stellt eine unangemessene Benachteiligung gem. § 307 Abs. 1 BGB dar.
Die streitige Klausel unterliegt der Inhaltskontrolle gem. § 307 BGB . Gem. § 307 Abs. 3 Satz 1 sind kontrollfähig Bestimmungen in AGB, durch die von
Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. So liegt der Fall hier. Die Regelung der allgemeinen
Geschäftsbedingungen über Ausweispapiere ergänzen die zwischen den Parteien getroffenen Regelungen zum Beförderungsbetrag.
Die Unwirksamkeit der Klausel, soweit sie eine Beförderung mit amtlichen deutschen Ersatzdokumenten ausschließt, beruht auf § 307 Abs. 1 BGB . Nach
dieser Norm sind Bestimmungen in allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von
Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. So liegt der Fall hier. Die Unwirksamkeit steht aufgrund einer Abwägung der wechselseitigen Interessen fest.
Eine formularmäßige Vertragsbestimmung ist unangemessen, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf
Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen
Ausgleich zuzugestehen ( BGH, Urteil vom 01.02.2005, Az. X ZR 10/04 , NJW 2005, 1774,1775). Dabei sind die Interessen der Vertragspartner zu ermitteln
und gegeneinander abzuwägen. Unangemessen wäre eine Regelung dann nicht, wenn die Benachteiligung des Vertragspartners durch höherrangige oder
zumindest gleichwertige Interessen des Verwenders gerechtfertigt sind (BGH ebenda). Die Interessen der Klägerin an der Beförderung mit einem amtlichen
Ersatzdokument sind hier höher zu bewerten als die Interessen der Beklagten, eine Identifizierung der Vertragspartner mit gültigem Reisepass oder gültigem
Personalausweis vorzunehmen.
(1) Dies folgt daraus, dass mit der Vorlage eines Lichtbildausweises die Beklagte zwei Interessen verfolgt. Dies ist zum einen die Identifizierung der
Vertragspartner, da die Beklagte überprüfen können muss, ob die im Internet als Vertragspartner angegebene Person mit derjenigen Person identisch ist, die
unter dem Namen des Vertragspartners bzw. der Vertragspartnerin befördert werden möchte. Ein weiteres Interesse an der Vorlage gültiger Personaldokumente
bsteht darin, dass die Beklagte verpflichtet wäre, Passagiere auf eigene Kosten zurückzubefördern, wenn diese nicht die Einreisevoraussetzungen des Ziellandes
erfüllen und dies bei einer Kontrolle durch die Beklagte hätte festgestellt werden können.
(2) Diesen Interessen der Beklagten kann zumindest bei Flügen von Deutschland aus zu Zielen innerhalb der europäischen Union auch durch amtliche deutsche
Ersatzdokumente, etwa einen durch die Bundespolizei ausgestellten Ersatzausweis, Rechnung getragen werden.
(a) Die Identifizierung der Passagiere erfolgt durch einen Vergleich des Namens und der weiteren angegebenen persönlichen Daten mit dem vorgelegten
Dokument, das heißt, den im Dokument enthaltenen Angaben und dem dortigen Passbild. Es ist nicht ersichtlich, dass eine Identifizierung erschwert wird,
wenn etwa ein Passagier, wie die Klägerin, einen von der deutschen Bundespolizei ausgestellten Ersatzausweis vorlegt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die
Bundespolizei ein solches Ersatzdokument nur ausstellt, wenn die für die Bundespolizei handelnde Beamten von der Identität der Person überzeugt sind. Dies
wird einem Passagier im Regelfall nur gelingen, wenn er ein anderes Lichtbilddokument als einen gültigen Reisepass oder gültigen Personalausweis vorlegen
kann, etwa einen abgelaufenen Reisepass oder Personalausweis oder einen - ebenfalls mit Lichtbild versehenen - deutschen Führerschein. Darüber hinaus
besteht die Möglichkeit, die Gültigkeit eines von der Bundespolizei auszustellenden Ersatzausweises an die Vorlage etwa des abgelaufenen Passes, des
abgelaufenen Ausweises oder des Führerscheines zu knüpfen. Deshalb kommt es für die Entscheidung hier auch nicht darauf an, ob ein solcher Ersatzausweis
selbst noch ein Lichtbild enthält, sofern nur sichergestellt ist, dass er nur Gültigkeit in Verbindung mit einem mit Lichtbild versehenen Personaldokument
entfaltet. Vorliegend hätte die Bundespolizei am Flughafen Lübeck der Klägerin einen solchen Ersatzausweis ausgestellt. Die Klägerin verfügte über ihren
deutschen Führerschein und ein weiteres Lichtbild. Dies ergibt sich aus der glaubhaften und irrtumsfreien Aussage des Zeugen Lettmann.
(b) Die Beklagte ist zur Identifizierung ihrer Vertragspartner auch nicht auf die Vorlage eines Ausweises oder Reisepasses angewiesen. Dies folgt schon aus den
allgemeinen Geschäftsbedingungen selbst, die unter anderem für Inlandsflüge in Italien und Großbritannien die Vorlage eines gültigen Führerscheines mit
Lichtbild ausreichen lassen. Dies bezieht sich aufgrund der eindeutigen Formulierung der allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht nur auf britische und
italienische Staatsangehörige, sondern auf alle Reisenden auf Inlandsflügen in diesen Staaten. Dabei stellt zumindest Italien auch Personalausweise aus. Es ist
nicht ersichtlich, weshalb die Identifizierung von Vertragspartnern für die Beklagte in Italien mit Führerscheinen möglich ist, während es in Deutschland nicht
möglich sein soll.
(c) Dem Interesse der Beklagten, keine Rückbeförderung auf eigene Kosten von Personen vornehmen zu müssen, die für die Einreise in das Zielland keine
ausreichenden Dokumente haben, lässt sich - zumindest für Flüge von Deutschland nach Schweden - auch durch einen amtlichen deutschen Ersatzausweis
Rechnung tragen. Die Einreise nach Schweden kann nicht nur mit Reisepass und Personalausweis, sondern auch mit vorläufigem Reisepass und vorläufigem
Personalausweis erfolgen. Es ist nicht ersichtlich, dass ein deutscher Ersatzausweis, der entweder selbst mit einem Lichtbild versehen ist oder nur in
Verbindung mit einem amtlichen Lichtbilddokument Geltung hat, zur Einreise nach Schweden nicht geeignet ist. Dies ergibt sich aus den Angaben des
auswärtigen Amtes zur Einreise nach Schweden (http://www.auswaertiges-amt.de/diplo/de/Laenderinformationen/Schweden/Sicherheitshinweise.html.t5).
(d) Dem Interesse der Beklagten an der Vorlage eines gültigen Reisepasses oder gültigen Personalausweises steht das Interesse von Passagieren gegenüber, mit
einem amtlichen deutschen Ersatzdokument befördert zu werden. Dieses Interesse an der Beförderung ist aufgrund der vorgenannten Umstände höher zu
bewerten als das Interesse der Beklagten an der Vorlage eines gültigen Reisepasses oder gültigen Personalausweises.
cc) Die Beklagte hat die Pflichtverletzung zu vertreten. Gem. § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB hat sich der Schuldner zu entlasten. Dies ist der Beklagten nicht
gelungen. Entlastende Umstände hat sie nicht vorgetragen.
dd) Eine Fristsetzung der Klägerin gegenüber der Beklagten mit der Aufforderung, die Leistung zu erbringen, war gem. § 281 Abs. 2 BGB entbehrlich. Die
Beklagte hat ernsthaft und endgültig die Beförderung der Klägerin verweigert.
ee) Der Klägerin ist ein Schaden von 746,42 EUR entstanden.
(1) Ein Betrag von 691,77 EUR entfällt auf den Preis für das Flugticket Hamburg -Stockholm. Das einfache Bestreiten des Betrages durch die Beklagte ist
insoweit nicht ausreichend. Die Beklagte verfügt als Luftfahrtunternehmen aus eigener Kenntnis über ausreichend Informationen zu Flügen am 29.09.2006. Sie
hätte daher konkrete Alternativen angeben müssen. Dabei hilft es auch nicht weiter, auf günstigere Flüge, als die Klägerin ihn wahrgenommen hat, zu
verweisen. Zum einen kann von möglicherweise günstigeren Flügen auf der Strecke Hamburg-London nicht auf ebenso günstige Flüge von Hamburg nach
Stockholm geschlossen werden. Zum anderen fehlen Angaben der Beklagten, die sie aus eigener Kenntnis mitteilen könnte, ob entsprechende, unbekannt
gebliebene, günstigere Angebote für die Klägerin überhaupt verfügbar waren.
(2) Weitere 54,65 EUR entfallen auf zusätzliche Transportkosten in Stockholm und von Lübeck nach Hamburg. Das Gericht schätzt aufgrund der konkreten
Angaben und der genauen Berechnung der Klägerin den Schaden insoweit in dieser Höhe. Es ist lebensnahe und daher glaubhaft, dass die Klägerin am
29.09.2006 mit dem Taxi zu ihrem Hotel in Stockholm fahren musste. Unstreitig geblieben ist auch, dass der Flug, mit dem die Klägerin nach Stockholm flog,
zu einem anderen Flughafen ging, als der Flug der Beklagten. Aus diesem Grunde konnte die Klägerin das günstigere Busticket nicht in Anspruch nehmen.
Gleichfalls zutreffend ist die Berechnung der zusätzlichen Transportkosten in Deutschland. Auch hier hat die Klägerin zutreffend ersparte Parkgebühren abgezogen.
ff) Die Pflichtverletzung ist kausal für den Schaden gewesen. Hätte die Beklagte die Klägerin befördert, hätte die Klägerin weder einen Flug von Hamburg nach
Stockholm, noch zusätzliche Transportmöglichkeiten in Stockholm und Deutschland in Anspruch nehmen müssen.
2. Auf die Hauptforderung von 746,42 EUR stehen der Klägerin gem. §§ 280 Abs. 2 , 286 , 288 Abs. 1 BGB Zinsen seit dem 06.01.2007 zu. Die Beklagte ist
erfolglos aufgefordert worden, bis zum 05.01.2007 Schadensersatz zu leisten.
3. Die Klägerin kann darüber hinaus von der Beklagten die Zahlung von weiteren 62,26 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz
seit dem 10.04.2007 verlangen. Grundlage des Anspruches sind die §§ 280 , 281 , 249 , 291 BGB in Verbindung mit den Regelungen des RVG . Die
außergerichtlichen Anwaltskosten der Klägerin sind ersatzfähiger Schaden. Sie sind aufgrund der schuldhaften Pflichtverletzung der Beklagten entstanden.
Auch die Höhe der geltend gemachten Rechtsanwaltsgebühr ist nicht zu beanstanden. Sie entspricht den Regelungen des RVG . Der Zinsanspruch beruht auf §
291 BGB.
4. Die Klägerin kann auch die begehrte Zwischenfeststellung verlangen. Die Beklagte hat - was sich aus den Ausführungen unter II.), 1.), c), bb) der Gründe
ergibt - die Klägerin pflichtwidrig, das heißt, vertragswidrig, nicht am 29.09.2006 von Lübeck nach Stockholm befördert. ..." (AG Lübeck, Urteil vom
13.09.2007, 28 C 331/07)
***
Bucht ein Reisender eine Flugreise für sich und seine Ehefrau, ist er auch aktivlegitimiert, den Anspruch seiner Ehefrau auf Ausgleichszahlung geltend zu
machen (zu V 261/04 Art. 7). Erbringt das ausführende Luftfahrtunternehmen keine Betreuungsleistungen, obwohl es dazu verpflichtet wäre, hat der Fluggast
einen Anspruch auf Schadensersatz (§ 281 ff. BGB; AG Simmern, Urteil vom 20.04.2007, RRa 2008, 51).
***
§ 307 Inhaltskontrolle
(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und
Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.
(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung
1. mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder
2. wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.
(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften
abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1
unwirksam sein.
Leitsätze/Entscheidungen:
Die Luftbeförderung gehört bei einer Flugreise zu der vom Reiseveranstalter zu erbringenden Hauptleistung. Der Reisevertrag muss die Frage regeln, wann sie
erbracht werden soll. Der Zeitpunkt der Abreise kann im Reisevertrag nicht nur als nach Tag und Uhrzeit bezeichneter Zeitpunkt vereinbart, sondern auch zum
Gegenstand eines Leistungsbestimmungsrechts des Reiseveranstalters gemacht werden, das es diesem erlaubt, die genaue Leistungszeit innerhalb eines
vereinbarten Rahmens festzulegen. Ein solches Bestimmungsrecht kann auch durch die Vereinbarung einer als voraussichtlich bezeichneten Abreisezeit
eingeräumt werden. Liegt dem Reisevertrag eine vom Reiseveranstalter genannte voraussichtliche Abreisezeit (hier: Abflugzeit) zugrunde, ist diese jedenfalls
annähernd einzuhalten. Die Klauseln in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Reiseveranstalters
"Die endgültige Festlegung der Flugzeiten obliegt dem Veranstalter mit den Reiseunterlagen."
und
"Informationen über Flugzeiten durch Reisebüros sind unverbindlich."
benachteiligen den Reisenden entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen und sind unwirksam (BGH, Urteil vom 10.12.2013 - X ZR 24/13).
*** (OLG)
„... I. Der Kläger macht gegen die Beklagte einen Anspruch auf Unterlassung der Verwendung von zwei Klauseln in Luftbeförderungsverträgen nach dem
UKlaG sowie einen Zahlungsanspruch geltend.
Gemäß § 540 Nr. 1 ZPO wird auf die tatsächlichen Feststellungen im Tatbestand des landgerichtlichen Urteils vom 29.03.2012 Bezug genommen.
Das Landgericht hat im vorgenannten Urteil der Klage im Wesentlichen stattgegeben. Lediglich den Vorbehalt in der Klausel 9 a 2, das planmäßige
Abfertigungsterminal zu ändern, hat es unbeanstandet gelassen und insoweit die Klage abgewiesen.
Wegen der Begründung des Landgerichts im Einzelnen wird auf die Entscheidungsgründe des Urteils vom 29.03.2012 Bezug genommen.
Gegen dieses ihr am 05.04.2012 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit einem am Montag, dem 07.05.2012 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt, die
sie nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 05.08.2012 mit einem am Montag, dem 06.08.2012, eingegangenen Schriftsatz begründet hat.
Zur Begründung ihres Rechtsmittels führt die Beklagte aus, sie sei nicht passivlegitimiert. Sie habe ihren Sitz in O1 und nicht in einer Niederlassung in O2. Sie
unterhalte in Deutschland auch keine Niederlassung. Der Telemediendienst, über den die Beklagte Luftbeförderungsverträge schließe, habe ihren Sitz ebenfalls
in O1. Auf den Rechtsstreit sei englisches Recht anwendbar. Im Impressum der Website werde darauf hingewiesen, dass Betreiber der Website die Beklagte mit
Sitz in England sei. Unter der Rubrik ‚Rechtliche Informationen' seien die für die Nutzung der Webseiten maßgeblichen Bestimmungen zusammengefasst. In
den Nutzungsbedingungen sei als anzuwendendes Recht das englische Recht vereinbart. Da diese Bedingungen für die gesamte Nutzung der Website und somit
auch für die Buchung der Flüge unter Einbeziehung der allgemeinen Beförderungsbedingungen gelten würden, sei auch für die Luftbeförderungsverträge eine
Rechtswahl getroffen. Auch die Klausel 3 c 2 sei wirksam. Das Landgericht gehe zu Unrecht davon aus, dass bei der Berechnung des anwendbaren Tarifs nach
den ABB der Beklagten nicht auf den Zeitpunkt der ursprünglichen Buchung abgestellt werde. Dieser ergebe sich schon aus Ziff. 3 c 1 der ABB, wonach der
Flugschein nur für die Beförderung gelte, die darauf angegeben sei, zum Abflugzeitpunkt vom Abflugort über jegliche planmäßige Zwischenlandeorte bis zum
endgültigen Reiseziel. Auch die Klausel Ziff. 9 a 2 sei wirksam. Das Landgericht lasse offen, was ein ‚triftiger' Grund sei, der nach Auffassung des Gerichts zu
einer Änderung der Flugzeit nach Aushändigung des Flugscheins berechtigen würde. Der Begriff sei auch nicht legal definiert. Es könne zahlreiche Gründe
geben, die unabhängig von höherer Gewalt eine Flugplanänderung erzwingen. Die Beklagte habe ein starkes Eigeninteresse, die geplanten Flugzeiten
einzuhalten. Die Erstattung des Flugpreises reiche als Kompensation entgegen der Ansicht des Landgerichts aus. Dem Fluggast werde auch die Entschädigung
nach der VO (EG) Nr. 261/2004 nicht vorenthalten. Die Beklagte weise die Passagiere sogar ausdrücklich auf diese Rechte schriftlich hin. Verspätungen und
Annullierungen führten außerdem nicht immer zu Ausgleichsansprüchen.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 29.03.2012 - Az. 24 O 177/11 - aufzuheben und die Klage abzuweisen. Der Kläger
beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Er meint, die Beklagte sei passivlegitimiert. Ausweislich des Impressums des von ihr betriebenen Telemediendienstes
verfüge die Beklagte über eine zustellfähige Adresse in O2. Allerdings sei Sir A nicht Mitglied des Vorstandes. Das Passivrubrum könne entsprechend
berichtigt werden. Die Parteien hätten keine Rechtswahlvereinbarung getroffen. Eine solche gelte allenfalls für die Websitenutzungsbedingungen. Diese wiesen
allerdings daraufhin, dass für die Fluggastbeförderungen eigene Bestimmungen gelten, welche keine Vereinbarung englischen Rechts enthalten. Die Regelung
von Ziff. 3 c 2 der ABB sei auch unter Einbeziehung von 3 c 1 der ABB unwirksam, da sich aus beiden Regelegungen nicht ergebe, dass der
nachzuberechnende Gesamtpreis auf der Basis des ursprünglichen Buchungsdatums zu erfolgen hat. Im Gegenteil: Aus Nummer 3 c 2 ABB ergebe sich, dass
der ursprüngliche Flugschein nicht mehr gelte, die Bezugnahme auf 3 c 1 somit obsolet sei. Auch die Regelung über die Flugzeitänderung sei unwirksam. Nach
der kundenfeindlichsten Auslegung der Klausel handele es sich um eine Leistungsänderung im Sinne von § 308 Nr. 4 BGB. Der Klausel fehle jegliche
Konkretisierung, unter welchen Umständen der Vertragspartner mit einer Änderung rechnen müsse, und damit jeglicher Anhaltspunkt für die vom Gesetz
geforderte Interessenabwägung.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II. Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.
Ihr Rechtsmittel ist aber in der Sache unbegründet. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Landgericht der Klage im Wesentlichen stattgegeben und
die Beklagte zur Unterlassung der Verwendung der beiden Klauseln 3 c 2 und 9 a 2 verurteilt.
Zutreffend hat das Landgericht seine internationale Zuständigkeit bejaht und diese in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des EuGH begründet. Auf die
diesbezüglichen Ausführungen des Landgerichts in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils wird Bezug genommen. Diese Ausführungen decken
sich mit den Darlegungen des Senats in dem dem vorliegenden Rechtsstreits vorausgegangenen Verfahren 16 U 76/08 sowie den Ausführungen des
Bundesgerichtshofs in dem auf das vorgenannte Senatsurteil ergangenen Urteil vom 29.04.2010 (Xa ZR 5/09), in welchem die internationale Zuständigkeit
ebenfalls bejaht worden ist. In zweiter Instanz wird die internationale Zuständigkeit des Senats auch nicht mehr gerügt.
Die Beklagte ist auch passivlegitimiert. Sie verwendet bei der Buchung einer Reise die streitgegenständlichen Bedingungen. Die Beklagte betreibt auch die
Website für die Internetbuchung von Flügen unter Einbeziehung dieser Bedingungen. Dass die Beklagte ihren Hauptsitz in O1 hat und von dort die Webseite
betreibt, ist unerheblich. Für die Frage, ob die Beklagte die richtige Prozesspartei ist, spielt der Sitz keine Rolle. Deshalb kommt es für die Passivlegitimation
auch nicht darauf an, ob die Beklagte eine Niederlassung in Deutschland hat.
Dies könnte allenfalls für die örtliche Zuständigkeit eine Rolle spielen. Aber auch dies ist nicht der Fall - wie der Senat in dem Rechtsstreit 16 U 76/08, der
ebenfalls zwischen den Parteien geführt wurde, entschieden hat -, denn entscheidend für die Zuständigkeit bei unerlaubten Handlungen ist, ob ein Verstoß
gegen die Rechtsordnung in Deutschland droht. Dies ist der Fall, da sich die deutschsprachige Website der Beklagten auch an Verbraucher in Deutschland
richtet und damit auch in O2. Im Übrigen wäre nach § 513 Abs. 2 ZPO die örtliche Zuständigkeit in zweiter Instanz ohnehin nicht mehr zu prüfen.
Der Senat hat lediglich das Rubrum hinsichtlich des Vorstandsmitglieds A berichtigt, da dieser nicht Vorstandsmitglied der Beklagten ist.
Entgegen der Ansicht der Beklagten ist im vorliegenden Fall englisches Recht nicht anzuwenden, sondern deutsches Recht. Dies folgt - wie der
Bundesgerichtshof in seiner Revisionsentscheidung gegenüber dem vorgenannten Senatsurteil ausgeführt hat, aus Art. 4 Abs. 1 der VO (EG) Nr. 864/2007 vom
11.07.2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (ROM-II-VO). Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch bezieht sich
auf eine unerlaubte Handlung im Sinne dieser Verordnung. Da er nur noch gegen die Verwendung der angegriffenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen auf
nach dem 17.09.2009 geschlossenen Verträgen gerichtet ist, ist er auch für die Vergangenheit ausschließlich nach der gem. Art. 32 am 11.01.2009 in Kraft
getretenen Verordnung zu beurteilen.
Anzuknüpfen ist demnach an das Recht des Staates, in dem der Schaden eintritt (Art. 4 Abs. 1 Rom-II-VO) oder wahrscheinlich eintritt (Art. 2 Abs.2 und 3 b
Rom-II-VO). Dies ist der Ort, an dem die von der Rechtsordnung missbilligten Allgemeinen Geschäftsbedingungen wahrscheinlich verwendet werden, an dem
also die von der Rechtsordnung geschützten kollektiven Interessen der Verbraucher beeinträchtigt sein sollen. Dies ist, soweit die Beförderungsbedingungen
gegenüber in Deutschland ansässigen Verbrauchern verwendet werden, die Bundesrepublik Deutschland.
Damit richtet sich der Unterlassungsanspruch nach den §§ 1, 3 Abs. 1 Nr. 1 UKlaG.
Auch die Wirksamkeit von Klauseln richtet sich nach deutschem Recht. Nach Art. 5 Abs. 2 S. 1 Rom-I-VO ist für Personenbeförderungsverträge das Recht des
Staates maßgeblich, in dem die zu befördernde Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, sofern sich in diesem Staat auch der Abgangsort oder der
Bestimmungsort befindet. Da Streitgegenstand nur noch die Verwendung der beanstandeten Klausel in nach dem 17.12.2009 geschlossenen Verträgen ist, die
mit Verbrauchern geschlossen werden, die ihren Wohnsitz in Deutschland haben und in denen ein Abflugort in Deutschland vereinbart wird, ist folglich die
Wirksamkeit der beanstandeten Klausel nach deutschem Recht zu beurteilen.
Entgegen der Ansicht der Beklagten wird in den ABB der Beklagten keine Vereinbarung englischen Rechts getroffen. Zutreffend weist das Landgericht darauf
hin, dass die Vereinbarung englischen Rechts sich nur auf die Nutzung der Website bezieht, nicht aber Inhalt des Beförderungsvertrages wird. Ausweislich des
von der Beklagten vorgelegten Websiteausdrucks über die ‚Rechtlichen Informationen' beziehen sich die Website-Nutzungsbedingungen, die auf das englische
Recht verweisen, auf die Nutzung der Website. Der Kläger hat außerdem dargelegt, dass die ‚Website-Nutzungsbedingungen' der Beklagten ausdrücklich den
Hinweis enthalten, dass für die Fluggastbeförderung eigene Bedingungen gelten. Damit sind die ‚Website-Nutzungsbedingungen' und somit englisches Recht
gerade nicht Inhalt des Beförderungsvertrages geworden.
Der Unterlassungsanspruch bzgl. der Klausel 3 c 2 ergibt sich aus § 1 i. V. m. § 3 Abs. 1 Nr. 2 UKlaG. Zutreffend hat das Landgericht dargelegt, dass es sich
bei dieser Klausel nicht um bloße Leistungsbeschreibungen handelt, die der AGB-Kontrolle entzogen sind, sondern um eine Allgemeine Geschäftsbedingung,
die von gesetzlichen Regelungen abweicht. Auch dies deckt sich mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in seinem oben genannten Urteil vom
12.04.2010. Dies wird auch in der Berufungsinstanz nicht mehr angegriffen. Der Bundesgerichtshof hat - wie das Landgericht zu Recht ausgeführt hat - ein
berechtigtes Interesse der Fluggesellschaft anerkannt, ihre Preise entsprechend der jeweiligen Marktsituation zu gestalten und den besten erzielbaren Preis
fordern zu können. Dem Interesse des Luftverkehrsunternehmens, ein ‚Unterlaufen' ihres Tarifsystems zu verhindern, steht allerdings das Interesse der
Verbraucher entgegen, bei nachträglicher Änderung ihrer Planung oder bei Eintritt sonstiger Umstände, die sie an der Inanspruchnahme der Teilleistung hindern
oder das Interesse daran entfallen lassen, nicht den gesamten Leistungsanspruch gegen die Beklagte zu verlieren. Nach dieser Rechtsprechung wäre eine
Bestimmung ausreichend, wonach bei Nichtinanspruchnahme einer Teilleistung für die verbleibenden Teilleistungen dasjenige Entgelt zu zahlen ist, das zum
Zeitpunkt der Buchung für diese Teilleistung verlangt worden ist, wenn dieses Entgelt höher ist als das tatsächlich vereinbarte.
Gerade diesen Anforderungen des Bundesgerichtshofes und des Senats genügt die Klausel 3 c 2 nicht. Aus dieser Klausel ergibt sich nicht, welcher Preis von
den Verbrauchern zu zahlen ist. Insbesondere lässt sich der Formulierung nicht klar entnehmen, dass das Entgelt zu zahlen ist, welches zum Zeitpunkt der
Buchung für den Weitertransport, also in der Regel für den Direktflug, verlangt wird.
Wenn die Beklagte meint, aus der Klausel 3 c 1 ergebe sich, dass dies der Fall ist, so überzeugt dies nicht. Diese Regelung weist nur daraufhin, dass nach dem
ursprünglich geschlossenen Vertrag für eine bestimmte Strecke ein bestimmter Tarif zugrunde liegt. Dieser Gutschein ist aber ausweislich Ziff. 3 c 2 ABB nicht
mehr gültig, falls nicht sämtliche Coupons in der vorgesehen Reihenfolge abgeflogen werden, so dass auch der zur Zeit der ursprünglichen Buchung geltende
Tarif für die geänderte Beförderungsleistung nicht zu Grunde gelegt wird. Zumindest wird nicht klar, dass der zur Zeit der Buchung geltende Tarif berechnet wird.
Im Übrigen hat der Beklagtenvertreter vorgerichtlich sogar explizit die Ansicht vertreten, es sei der im Zeitpunkt der Umbuchung maßgebliche Tarif zu
berücksichtigen. In seinem Schreiben vom 26.04.2011 an den Kläger heißt es wörtlich:
‚Insoweit ist die Klausel unserer Mandantin unmissverständlich, da sie auf den Zeitpunkt der Bekanntgabe der geänderten Flugroute unter Hinweis auf die
öffentlich gemachten und insoweit in allen Buchungsmaschinen aller Reiseunternehmen hinterlegten Tarife abstellt.'.
Die Klausel verstößt damit gegen § 307 Abs. 1 BGB.
Auch die Klausel 9 a 2 der ABB der Beklagten ist unwirksam. Sie verstößt gegen § 308 Nr. 4 BGB. Danach ist in Allgemeinen Geschäftsbedingungen
unwirksam die Vereinbarung eines Rechts des Verwenders, die versprochene Leistung zu ändern oder von ihr abzuweichen, wenn nicht die Vereinbarung der
Änderung oder Abweichung unter Berücksichtigung der Interessen des Verwenders für den anderen Teil zumutbar ist.
Zutreffend geht das Landgericht davon aus, dass diese Vorschrift auch dann anwendbar ist, wenn der Änderungsvorbehalt den Zeitpunkt der Leistung betrifft
(so auch Palandt-Grüneberg, BGB 72. Aufl. § 308 Rz. 24). Die Zumutbarkeit der Veränderung der Leistung ist vom Verwender der Geschäftsbedingung
darzulegen und zu beweisen (BGH NJW 2008, 300). Überzeugend weist das Landgericht darauf hin, dass dieser Klausel jegliche Konkretisierung fehlt. Eine
solche Konkretisierung ist aber erforderlich (H. Schmidt in Ulmer/Brandner/Hensel, AGB-Recht, 11. Aufl. Teil 2 (26) Rn 6 m. w. N). Der bloße Vorbehalt
zumutbarer Änderungen ohne weitere Konkretisierungen reicht nicht aus (so auch LG Hannover, Urteil v. 13.03.2012, 18 O 79/11 m. w. N.). Im vorliegenden
Fall wird noch nicht einmal auf zumutbare Änderungen abgehoben, sondern nur auf erforderliche Änderungen. Was erforderlich ist, wird in keiner Weise näher
ausgeführt. Insbesondere wird nicht dargelegt, worauf die Erforderlichkeit beruht und in welchem Rahmen sie den Kunden zumutbar ist. Nicht alle
notwendigen Flugzeitänderungen sind auch zumutbar. Die Zumutbarkeit hängt z. B. von dem Umfang der Zeitverschiebung ab, ob es um wenige Stunden oder
Tage geht, ob die Flugzeit nach vorne oder nach hinten verschoben wird, ob die Verschiebung in die Nachtstunden erfolgt, ob die Beklagte Einfluss auf die
Umstände, die die Flugzeitveränderung notwendig machen, hat etc.. Derartige Konkretisierungen fehlen ebenso wie Zumutbarkeitskriterien, so dass es beim
Regelfall bleibt, dass die Klausel unwirksam ist.
Auch dem Zahlungsanspruch hat das Landgericht zu Recht stattgegeben. Dieser ergibt sich aus § 5 UKlaG i. V. m. § 12 UWG. Auf die diesbezüglichen
zutreffenden Ausführungen des Landgerichts wird Bezug genommen.
Da das Rechtsmittel der Beklagten erfolglos war, hat sie gem. § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer
einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordert. Die wesentlichen Rechtsfragen wurden bereits im Urteil des
Bundesgerichtshofs vom 12.04.2010 geklärt.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 3 ZPO und entspricht der nicht beanstandeten Streitwertfestsetzung erster Instanz. ..." (OLG Frankfurt, Urteil vom 28.
Februar 2013 - 16 U 86/12)
***
§ 308 Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit
In Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist insbesondere unwirksam
1. (Annahme- und Leistungsfrist)
eine Bestimmung, durch die sich der Verwender unangemessen lange oder nicht hinreichend bestimmte Fristen für die Annahme oder Ablehnung eines
Angebots oder die Erbringung einer Leistung vorbehält; ausgenommen hiervon ist der Vorbehalt, erst nach Ablauf der Widerrufs- oder Rückgabefrist nach §
355 Abs. 1 bis 3 und § 356 zu leisten;
2. (Nachfrist)
eine Bestimmung, durch die sich der Verwender für die von ihm zu bewirkende Leistung abweichend von Rechtsvorschriften eine unangemessen lange oder
nicht hinreichend bestimmte Nachfrist vorbehält;
3. (Rücktrittsvorbehalt)
die Vereinbarung eines Rechts des Verwenders, sich ohne sachlich gerechtfertigten und im Vertrag angegebenen Grund von seiner Leistungspflicht zu lösen;
dies gilt nicht für Dauerschuldverhältnisse;
4. (Änderungsvorbehalt)
die Vereinbarung eines Rechts des Verwenders, die versprochene Leistung zu ändern oder von ihr abzuweichen, wenn nicht die Vereinbarung der Änderung
oder Abweichung unter Berücksichtigung der Interessen des Verwenders für den anderen Vertragsteil zumutbar ist;
5. (Fingierte Erklärungen)
eine Bestimmung, wonach eine Erklärung des Vertragspartners des Verwenders bei Vornahme oder Unterlassung einer bestimmten Handlung als von ihm
abgegeben oder nicht abgegeben gilt, es sei denn, dass
a) dem Vertragspartner eine angemessene Frist zur Abgabe einer ausdrücklichen Erklärung eingeräumt ist und
b) der Verwender sich verpflichtet, den Vertragspartner bei Beginn der Frist auf die vorgesehene Bedeutung seines Verhaltens besonders hinzuweisen;
6. (Fiktion des Zugangs)
eine Bestimmung, die vorsieht, dass eine Erklärung des Verwenders von besonderer Bedeutung dem anderen Vertragsteil als zugegangen gilt;
7. (Abwicklung von Verträgen)
eine Bestimmung, nach der der Verwender für den Fall, dass eine Vertragspartei vom Vertrag zurücktritt oder den Vertrag kündigt,
a) eine unangemessen hohe Vergütung für die Nutzung oder den Gebrauch einer Sache oder eines Rechts oder für erbrachte Leistungen oder
b) einen unangemessen hohen Ersatz von Aufwendungen verlangen kann;
8. (Nichtverfügbarkeit der Leistung)
die nach Nummer 3 zulässige Vereinbarung eines Vorbehalts des Verwenders, sich von der Verpflichtung zur Erfüllung des Vertrags bei Nichtverfügbarkeit der
Leistung zu lösen, wenn sich der Verwender nicht verpflichtet,
a) den Vertragspartner unverzüglich über die Nichtverfügbarkeit zu informieren und
b) Gegenleistungen des Vertragspartners unverzüglich zu erstatten.
Leitsätze/Entscheidungen:
Die Luftbeförderung gehört bei einer Flugreise zu der vom Reiseveranstalter zu erbringenden Hauptleistung. Der Reisevertrag muss die Frage regeln, wann sie
erbracht werden soll. Der Zeitpunkt der Abreise kann im Reisevertrag nicht nur als nach Tag und Uhrzeit bezeichneter Zeitpunkt vereinbart, sondern auch zum
Gegenstand eines Leistungsbestimmungsrechts des Reiseveranstalters gemacht werden, das es diesem erlaubt, die genaue Leistungszeit innerhalb eines
vereinbarten Rahmens festzulegen. Ein solches Bestimmungsrecht kann auch durch die Vereinbarung einer als voraussichtlich bezeichneten Abreisezeit
eingeräumt werden. Liegt dem Reisevertrag eine vom Reiseveranstalter genannte voraussichtliche Abreisezeit (hier: Abflugzeit) zugrunde, ist diese jedenfalls
annähernd einzuhalten. Die Klauseln in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Reiseveranstalters
"Die endgültige Festlegung der Flugzeiten obliegt dem Veranstalter mit den Reiseunterlagen."
und
"Informationen über Flugzeiten durch Reisebüros sind unverbindlich."
benachteiligen den Reisenden entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen und sind unwirksam (BGH, Urteil vom 10.12.2013 - X ZR 24/13).
*** (OLG)
„... I. Der Kläger macht gegen die Beklagte einen Anspruch auf Unterlassung der Verwendung von zwei Klauseln in Luftbeförderungsverträgen nach dem
UKlaG sowie einen Zahlungsanspruch geltend.
Gemäß § 540 Nr. 1 ZPO wird auf die tatsächlichen Feststellungen im Tatbestand des landgerichtlichen Urteils vom 29.03.2012 Bezug genommen.
Das Landgericht hat im vorgenannten Urteil der Klage im Wesentlichen stattgegeben. Lediglich den Vorbehalt in der Klausel 9 a 2, das planmäßige
Abfertigungsterminal zu ändern, hat es unbeanstandet gelassen und insoweit die Klage abgewiesen.
Wegen der Begründung des Landgerichts im Einzelnen wird auf die Entscheidungsgründe des Urteils vom 29.03.2012 Bezug genommen.
Gegen dieses ihr am 05.04.2012 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit einem am Montag, dem 07.05.2012 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt, die
sie nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 05.08.2012 mit einem am Montag, dem 06.08.2012, eingegangenen Schriftsatz begründet hat.
Zur Begründung ihres Rechtsmittels führt die Beklagte aus, sie sei nicht passivlegitimiert. Sie habe ihren Sitz in O1 und nicht in einer Niederlassung in O2. Sie
unterhalte in Deutschland auch keine Niederlassung. Der Telemediendienst, über den die Beklagte Luftbeförderungsverträge schließe, habe ihren Sitz ebenfalls
in O1. Auf den Rechtsstreit sei englisches Recht anwendbar. Im Impressum der Website werde darauf hingewiesen, dass Betreiber der Website die Beklagte mit
Sitz in England sei. Unter der Rubrik ‚Rechtliche Informationen' seien die für die Nutzung der Webseiten maßgeblichen Bestimmungen zusammengefasst. In
den Nutzungsbedingungen sei als anzuwendendes Recht das englische Recht vereinbart. Da diese Bedingungen für die gesamte Nutzung der Website und somit
auch für die Buchung der Flüge unter Einbeziehung der allgemeinen Beförderungsbedingungen gelten würden, sei auch für die Luftbeförderungsverträge eine
Rechtswahl getroffen. Auch die Klausel 3 c 2 sei wirksam. Das Landgericht gehe zu Unrecht davon aus, dass bei der Berechnung des anwendbaren Tarifs nach
den ABB der Beklagten nicht auf den Zeitpunkt der ursprünglichen Buchung abgestellt werde. Dieser ergebe sich schon aus Ziff. 3 c 1 der ABB, wonach der
Flugschein nur für die Beförderung gelte, die darauf angegeben sei, zum Abflugzeitpunkt vom Abflugort über jegliche planmäßige Zwischenlandeorte bis zum
endgültigen Reiseziel. Auch die Klausel Ziff. 9 a 2 sei wirksam. Das Landgericht lasse offen, was ein ‚triftiger' Grund sei, der nach Auffassung des Gerichts zu
einer Änderung der Flugzeit nach Aushändigung des Flugscheins berechtigen würde. Der Begriff sei auch nicht legal definiert. Es könne zahlreiche Gründe
geben, die unabhängig von höherer Gewalt eine Flugplanänderung erzwingen. Die Beklagte habe ein starkes Eigeninteresse, die geplanten Flugzeiten
einzuhalten. Die Erstattung des Flugpreises reiche als Kompensation entgegen der Ansicht des Landgerichts aus. Dem Fluggast werde auch die Entschädigung
nach der VO (EG) Nr. 261/2004 nicht vorenthalten. Die Beklagte weise die Passagiere sogar ausdrücklich auf diese Rechte schriftlich hin. Verspätungen und
Annullierungen führten außerdem nicht immer zu Ausgleichsansprüchen.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 29.03.2012 - Az. 24 O 177/11 - aufzuheben und die Klage abzuweisen. Der Kläger
beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Er meint, die Beklagte sei passivlegitimiert. Ausweislich des Impressums des von ihr betriebenen Telemediendienstes
verfüge die Beklagte über eine zustellfähige Adresse in O2. Allerdings sei Sir A nicht Mitglied des Vorstandes. Das Passivrubrum könne entsprechend
berichtigt werden. Die Parteien hätten keine Rechtswahlvereinbarung getroffen. Eine solche gelte allenfalls für die Websitenutzungsbedingungen. Diese wiesen
allerdings daraufhin, dass für die Fluggastbeförderungen eigene Bestimmungen gelten, welche keine Vereinbarung englischen Rechts enthalten. Die Regelung
von Ziff. 3 c 2 der ABB sei auch unter Einbeziehung von 3 c 1 der ABB unwirksam, da sich aus beiden Regelegungen nicht ergebe, dass der
nachzuberechnende Gesamtpreis auf der Basis des ursprünglichen Buchungsdatums zu erfolgen hat. Im Gegenteil: Aus Nummer 3 c 2 ABB ergebe sich, dass
der ursprüngliche Flugschein nicht mehr gelte, die Bezugnahme auf 3 c 1 somit obsolet sei. Auch die Regelung über die Flugzeitänderung sei unwirksam. Nach
der kundenfeindlichsten Auslegung der Klausel handele es sich um eine Leistungsänderung im Sinne von § 308 Nr. 4 BGB. Der Klausel fehle jegliche
Konkretisierung, unter welchen Umständen der Vertragspartner mit einer Änderung rechnen müsse, und damit jeglicher Anhaltspunkt für die vom Gesetz
geforderte Interessenabwägung.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II. Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.
Ihr Rechtsmittel ist aber in der Sache unbegründet. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Landgericht der Klage im Wesentlichen stattgegeben und
die Beklagte zur Unterlassung der Verwendung der beiden Klauseln 3 c 2 und 9 a 2 verurteilt.
Zutreffend hat das Landgericht seine internationale Zuständigkeit bejaht und diese in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des EuGH begründet. Auf die
diesbezüglichen Ausführungen des Landgerichts in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils wird Bezug genommen. Diese Ausführungen decken
sich mit den Darlegungen des Senats in dem dem vorliegenden Rechtsstreits vorausgegangenen Verfahren 16 U 76/08 sowie den Ausführungen des
Bundesgerichtshofs in dem auf das vorgenannte Senatsurteil ergangenen Urteil vom 29.04.2010 (Xa ZR 5/09), in welchem die internationale Zuständigkeit
ebenfalls bejaht worden ist. In zweiter Instanz wird die internationale Zuständigkeit des Senats auch nicht mehr gerügt.
Die Beklagte ist auch passivlegitimiert. Sie verwendet bei der Buchung einer Reise die streitgegenständlichen Bedingungen. Die Beklagte betreibt auch die
Website für die Internetbuchung von Flügen unter Einbeziehung dieser Bedingungen. Dass die Beklagte ihren Hauptsitz in O1 hat und von dort die Webseite
betreibt, ist unerheblich. Für die Frage, ob die Beklagte die richtige Prozesspartei ist, spielt der Sitz keine Rolle. Deshalb kommt es für die Passivlegitimation
auch nicht darauf an, ob die Beklagte eine Niederlassung in Deutschland hat.
Dies könnte allenfalls für die örtliche Zuständigkeit eine Rolle spielen. Aber auch dies ist nicht der Fall - wie der Senat in dem Rechtsstreit 16 U 76/08, der
ebenfalls zwischen den Parteien geführt wurde, entschieden hat -, denn entscheidend für die Zuständigkeit bei unerlaubten Handlungen ist, ob ein Verstoß
gegen die Rechtsordnung in Deutschland droht. Dies ist der Fall, da sich die deutschsprachige Website der Beklagten auch an Verbraucher in Deutschland
richtet und damit auch in O2. Im Übrigen wäre nach § 513 Abs. 2 ZPO die örtliche Zuständigkeit in zweiter Instanz ohnehin nicht mehr zu prüfen.
Der Senat hat lediglich das Rubrum hinsichtlich des Vorstandsmitglieds A berichtigt, da dieser nicht Vorstandsmitglied der Beklagten ist.
Entgegen der Ansicht der Beklagten ist im vorliegenden Fall englisches Recht nicht anzuwenden, sondern deutsches Recht. Dies folgt - wie der
Bundesgerichtshof in seiner Revisionsentscheidung gegenüber dem vorgenannten Senatsurteil ausgeführt hat, aus Art. 4 Abs. 1 der VO (EG) Nr. 864/2007 vom
11.07.2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (ROM-II-VO). Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch bezieht sich
auf eine unerlaubte Handlung im Sinne dieser Verordnung. Da er nur noch gegen die Verwendung der angegriffenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen auf
nach dem 17.09.2009 geschlossenen Verträgen gerichtet ist, ist er auch für die Vergangenheit ausschließlich nach der gem. Art. 32 am 11.01.2009 in Kraft
getretenen Verordnung zu beurteilen.
Anzuknüpfen ist demnach an das Recht des Staates, in dem der Schaden eintritt (Art. 4 Abs. 1 Rom-II-VO) oder wahrscheinlich eintritt (Art. 2 Abs.2 und 3 b
Rom-II-VO). Dies ist der Ort, an dem die von der Rechtsordnung missbilligten Allgemeinen Geschäftsbedingungen wahrscheinlich verwendet werden, an dem
also die von der Rechtsordnung geschützten kollektiven Interessen der Verbraucher beeinträchtigt sein sollen. Dies ist, soweit die Beförderungsbedingungen
gegenüber in Deutschland ansässigen Verbrauchern verwendet werden, die Bundesrepublik Deutschland.
Damit richtet sich der Unterlassungsanspruch nach den §§ 1, 3 Abs. 1 Nr. 1 UKlaG.
Auch die Wirksamkeit von Klauseln richtet sich nach deutschem Recht. Nach Art. 5 Abs. 2 S. 1 Rom-I-VO ist für Personenbeförderungsverträge das Recht des
Staates maßgeblich, in dem die zu befördernde Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, sofern sich in diesem Staat auch der Abgangsort oder der
Bestimmungsort befindet. Da Streitgegenstand nur noch die Verwendung der beanstandeten Klausel in nach dem 17.12.2009 geschlossenen Verträgen ist, die
mit Verbrauchern geschlossen werden, die ihren Wohnsitz in Deutschland haben und in denen ein Abflugort in Deutschland vereinbart wird, ist folglich die
Wirksamkeit der beanstandeten Klausel nach deutschem Recht zu beurteilen.
Entgegen der Ansicht der Beklagten wird in den ABB der Beklagten keine Vereinbarung englischen Rechts getroffen. Zutreffend weist das Landgericht darauf
hin, dass die Vereinbarung englischen Rechts sich nur auf die Nutzung der Website bezieht, nicht aber Inhalt des Beförderungsvertrages wird. Ausweislich des
von der Beklagten vorgelegten Websiteausdrucks über die ‚Rechtlichen Informationen' beziehen sich die Website-Nutzungsbedingungen, die auf das englische
Recht verweisen, auf die Nutzung der Website. Der Kläger hat außerdem dargelegt, dass die ‚Website-Nutzungsbedingungen' der Beklagten ausdrücklich den
Hinweis enthalten, dass für die Fluggastbeförderung eigene Bedingungen gelten. Damit sind die ‚Website-Nutzungsbedingungen' und somit englisches Recht
gerade nicht Inhalt des Beförderungsvertrages geworden.
Der Unterlassungsanspruch bzgl. der Klausel 3 c 2 ergibt sich aus § 1 i. V. m. § 3 Abs. 1 Nr. 2 UKlaG. Zutreffend hat das Landgericht dargelegt, dass es sich
bei dieser Klausel nicht um bloße Leistungsbeschreibungen handelt, die der AGB-Kontrolle entzogen sind, sondern um eine Allgemeine Geschäftsbedingung,
die von gesetzlichen Regelungen abweicht. Auch dies deckt sich mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in seinem oben genannten Urteil vom
12.04.2010. Dies wird auch in der Berufungsinstanz nicht mehr angegriffen. Der Bundesgerichtshof hat - wie das Landgericht zu Recht ausgeführt hat - ein
berechtigtes Interesse der Fluggesellschaft anerkannt, ihre Preise entsprechend der jeweiligen Marktsituation zu gestalten und den besten erzielbaren Preis
fordern zu können. Dem Interesse des Luftverkehrsunternehmens, ein ‚Unterlaufen' ihres Tarifsystems zu verhindern, steht allerdings das Interesse der
Verbraucher entgegen, bei nachträglicher Änderung ihrer Planung oder bei Eintritt sonstiger Umstände, die sie an der Inanspruchnahme der Teilleistung hindern
oder das Interesse daran entfallen lassen, nicht den gesamten Leistungsanspruch gegen die Beklagte zu verlieren. Nach dieser Rechtsprechung wäre eine
Bestimmung ausreichend, wonach bei Nichtinanspruchnahme einer Teilleistung für die verbleibenden Teilleistungen dasjenige Entgelt zu zahlen ist, das zum
Zeitpunkt der Buchung für diese Teilleistung verlangt worden ist, wenn dieses Entgelt höher ist als das tatsächlich vereinbarte.
Gerade diesen Anforderungen des Bundesgerichtshofes und des Senats genügt die Klausel 3 c 2 nicht. Aus dieser Klausel ergibt sich nicht, welcher Preis von
den Verbrauchern zu zahlen ist. Insbesondere lässt sich der Formulierung nicht klar entnehmen, dass das Entgelt zu zahlen ist, welches zum Zeitpunkt der
Buchung für den Weitertransport, also in der Regel für den Direktflug, verlangt wird.
Wenn die Beklagte meint, aus der Klausel 3 c 1 ergebe sich, dass dies der Fall ist, so überzeugt dies nicht. Diese Regelung weist nur daraufhin, dass nach dem
ursprünglich geschlossenen Vertrag für eine bestimmte Strecke ein bestimmter Tarif zugrunde liegt. Dieser Gutschein ist aber ausweislich Ziff. 3 c 2 ABB nicht
mehr gültig, falls nicht sämtliche Coupons in der vorgesehen Reihenfolge abgeflogen werden, so dass auch der zur Zeit der ursprünglichen Buchung geltende
Tarif für die geänderte Beförderungsleistung nicht zu Grunde gelegt wird. Zumindest wird nicht klar, dass der zur Zeit der Buchung geltende Tarif berechnet wird.
Im Übrigen hat der Beklagtenvertreter vorgerichtlich sogar explizit die Ansicht vertreten, es sei der im Zeitpunkt der Umbuchung maßgebliche Tarif zu
berücksichtigen. In seinem Schreiben vom 26.04.2011 an den Kläger heißt es wörtlich:
‚Insoweit ist die Klausel unserer Mandantin unmissverständlich, da sie auf den Zeitpunkt der Bekanntgabe der geänderten Flugroute unter Hinweis auf die
öffentlich gemachten und insoweit in allen Buchungsmaschinen aller Reiseunternehmen hinterlegten Tarife abstellt.'.
Die Klausel verstößt damit gegen § 307 Abs. 1 BGB.
Auch die Klausel 9 a 2 der ABB der Beklagten ist unwirksam. Sie verstößt gegen § 308 Nr. 4 BGB. Danach ist in Allgemeinen Geschäftsbedingungen
unwirksam die Vereinbarung eines Rechts des Verwenders, die versprochene Leistung zu ändern oder von ihr abzuweichen, wenn nicht die Vereinbarung der
Änderung oder Abweichung unter Berücksichtigung der Interessen des Verwenders für den anderen Teil zumutbar ist.
Zutreffend geht das Landgericht davon aus, dass diese Vorschrift auch dann anwendbar ist, wenn der Änderungsvorbehalt den Zeitpunkt der Leistung betrifft
(so auch Palandt-Grüneberg, BGB 72. Aufl. § 308 Rz. 24). Die Zumutbarkeit der Veränderung der Leistung ist vom Verwender der Geschäftsbedingung
darzulegen und zu beweisen (BGH NJW 2008, 300). Überzeugend weist das Landgericht darauf hin, dass dieser Klausel jegliche Konkretisierung fehlt. Eine
solche Konkretisierung ist aber erforderlich (H. Schmidt in Ulmer/Brandner/Hensel, AGB-Recht, 11. Aufl. Teil 2 (26) Rn 6 m. w. N). Der bloße Vorbehalt
zumutbarer Änderungen ohne weitere Konkretisierungen reicht nicht aus (so auch LG Hannover, Urteil v. 13.03.2012, 18 O 79/11 m. w. N.). Im vorliegenden
Fall wird noch nicht einmal auf zumutbare Änderungen abgehoben, sondern nur auf erforderliche Änderungen. Was erforderlich ist, wird in keiner Weise näher
ausgeführt. Insbesondere wird nicht dargelegt, worauf die Erforderlichkeit beruht und in welchem Rahmen sie den Kunden zumutbar ist. Nicht alle
notwendigen Flugzeitänderungen sind auch zumutbar. Die Zumutbarkeit hängt z. B. von dem Umfang der Zeitverschiebung ab, ob es um wenige Stunden oder
Tage geht, ob die Flugzeit nach vorne oder nach hinten verschoben wird, ob die Verschiebung in die Nachtstunden erfolgt, ob die Beklagte Einfluss auf die
Umstände, die die Flugzeitveränderung notwendig machen, hat etc.. Derartige Konkretisierungen fehlen ebenso wie Zumutbarkeitskriterien, so dass es beim
Regelfall bleibt, dass die Klausel unwirksam ist.
Auch dem Zahlungsanspruch hat das Landgericht zu Recht stattgegeben. Dieser ergibt sich aus § 5 UKlaG i. V. m. § 12 UWG. Auf die diesbezüglichen
zutreffenden Ausführungen des Landgerichts wird Bezug genommen.
Da das Rechtsmittel der Beklagten erfolglos war, hat sie gem. § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer
einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordert. Die wesentlichen Rechtsfragen wurden bereits im Urteil des
Bundesgerichtshofs vom 12.04.2010 geklärt.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 3 ZPO und entspricht der nicht beanstandeten Streitwertfestsetzung erster Instanz. ..." (OLG Frankfurt, Urteil vom 28.
Februar 2013 - 16 U 86/12)
***
§ 309 Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit
Auch soweit eine Abweichung von den gesetzlichen Vorschriften zulässig ist, ist in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam
1. (Kurzfristige Preiserhöhungen)
eine Bestimmung, welche die Erhöhung des Entgelts für Waren oder Leistungen vorsieht, die innerhalb von vier Monaten nach Vertragsschluss geliefert oder
erbracht werden sollen; dies gilt nicht bei Waren oder Leistungen, die im Rahmen von Dauerschuldverhältnissen geliefert oder erbracht werden;
2. (Leistungsverweigerungsrechte)
eine Bestimmung, durch die
a) das Leistungsverweigerungsrecht, das dem Vertragspartner des Verwenders nach § 320 zusteht, ausgeschlossen oder eingeschränkt wird oder
b) ein dem Vertragspartner des Verwenders zustehendes Zurückbehaltungsrecht, soweit es auf demselben Vertragsverhältnis beruht, ausgeschlossen oder
eingeschränkt, insbesondere von der Anerkennung von Mängeln durch den Verwender abhängig gemacht wird;
3. (Aufrechnungsverbot)
eine Bestimmung, durch die dem Vertragspartner des Verwenders die Befugnis genommen wird, mit einer unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten
Forderung aufzurechnen;
4. (Mahnung, Fristsetzung)
eine Bestimmung, durch die der Verwender von der gesetzlichen Obliegenheit freigestellt wird, den anderen Vertragsteil zu mahnen oder ihm eine Frist für die
Leistung oder Nacherfüllung zu setzen;
5. (Pauschalierung von Schadensersatzansprüchen)
die Vereinbarung eines pauschalierten Anspruchs des Verwenders auf Schadensersatz oder Ersatz einer Wertminderung, wenn
a) die Pauschale den in den geregelten Fällen nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden Schaden oder die gewöhnlich eintretende Wertminderung
übersteigt oder
b) dem anderen Vertragsteil nicht ausdrücklich der Nachweis gestattet wird, ein Schaden oder eine Wertminderung sei überhaupt nicht entstanden oder
wesentlich niedriger als die Pauschale;
6. (Vertragsstrafe)
eine Bestimmung, durch die dem Verwender für den Fall der Nichtabnahme oder verspäteten Abnahme der Leistung, des Zahlungsverzugs oder für den Fall,
dass der andere Vertragsteil sich vom Vertrag löst, Zahlung einer Vertragsstrafe versprochen wird;
7. (Haftungsausschluss bei Verletzung von Leben, Körper, Gesundheit und bei grobem Verschulden)
a) (Verletzung von Leben, Körper, Gesundheit)
ein Ausschluss oder eine Begrenzung der Haftung für Schäden aus der Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit, die auf einer fahrlässigen
Pflichtverletzung des Verwenders oder einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Pflichtverletzung eines gesetzlichen Vertreters oder Erfüllungsgehilfen des
Verwenders beruhen;
b) (Grobes Verschulden)
ein Ausschluss oder eine Begrenzung der Haftung für sonstige Schäden, die auf einer grob fahrlässigen Pflichtverletzung des Verwenders oder auf einer
vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Pflichtverletzung eines gesetzlichen Vertreters oder Erfüllungsgehilfen des Verwenders beruhen;
die Buchstaben a und b gelten nicht für Haftungsbeschränkungen in den nach Maßgabe des Personenbeförderungsgesetzes genehmigten
Beförderungsbedingungen und Tarifvorschriften der Straßenbahnen, Obusse und Kraftfahrzeuge im Linienverkehr, soweit sie nicht zum Nachteil des Fahrgasts
von der Verordnung über die Allgemeinen Beförderungsbedingungen für den Straßenbahn- und Obusverkehr sowie den Linienverkehr mit Kraftfahrzeugen
vom 27. Februar 1970 abweichen; Buchstabe b gilt nicht für Haftungsbeschränkungen für staatlich genehmigte Lotterie- oder Ausspielverträge;
8. (Sonstige Haftungsausschlüsse bei Pflichtverletzung)
a) (Ausschluss des Rechts, sich vom Vertrag zu lösen)
eine Bestimmung, die bei einer vom Verwender zu vertretenden, nicht in einem Mangel der Kaufsache oder des Werkes bestehenden Pflichtverletzung das
Recht des anderen Vertragsteils, sich vom Vertrag zu lösen, ausschließt oder einschränkt; dies gilt nicht für die in der Nummer 7 bezeichneten
Beförderungsbedingungen und Tarifvorschriften unter den dort genannten Voraussetzungen;
b) (Mängel)
eine Bestimmung, durch die bei Verträgen über Lieferungen neu hergestellter Sachen und über Werkleistungen
aa) (Ausschluss und Verweisung auf Dritte)
die Ansprüche gegen den Verwender wegen eines Mangels insgesamt oder bezüglich einzelner Teile ausgeschlossen, auf die Einräumung von Ansprüchen
gegen Dritte beschränkt oder von der vorherigen gerichtlichen Inanspruchnahme Dritter abhängig gemacht werden;
bb) (Beschränkung auf Nacherfüllung)
die Ansprüche gegen den Verwender insgesamt oder bezüglich einzelner Teile auf ein Recht auf Nacherfüllung beschränkt werden, sofern dem anderen
Vertragsteil nicht ausdrücklich das Recht vorbehalten wird, bei Fehlschlagen der Nacherfüllung zu mindern oder, wenn nicht eine Bauleistung Gegenstand der
Mängelhaftung ist, nach seiner Wahl vom Vertrag zurückzutreten;
cc) (Aufwendungen bei Nacherfüllung)
die Verpflichtung des Verwenders ausgeschlossen oder beschränkt wird, die zum Zwecke der Nacherfüllung erforderlichen Aufwendungen, insbesondere
Transport-, Wege-, Arbeits- und Materialkosten, zu tragen;
dd) (Vorenthalten der Nacherfüllung)
der Verwender die Nacherfüllung von der vorherigen Zahlung des vollständigen Entgelts oder eines unter Berücksichtigung des Mangels unverhältnismäßig
hohen Teils des Entgelts abhängig macht;
ee) (Ausschlussfrist für Mängelanzeige)
der Verwender dem anderen Vertragsteil für die Anzeige nicht offensichtlicher Mängel eine Ausschlussfrist setzt, die kürzer ist als die nach dem
Doppelbuchstaben ff zulässige Frist;
ff) (Erleichterung der Verjährung)
die Verjährung von Ansprüchen gegen den Verwender wegen eines Mangels in den Fällen des § 438 Abs. 1 Nr. 2 und des § 634a Abs. 1 Nr. 2 erleichtert oder in den sonstigen Fällen eine weniger als ein Jahr betragende Verjährungsfrist ab dem gesetzlichen Verjährungsbeginn erreicht wird;
9. (Laufzeit bei Dauerschuldverhältnissen)
bei einem Vertragsverhältnis, das die regelmäßige Lieferung von Waren oder die regelmäßige Erbringung von Dienst- oder Werkleistungen durch den Verwender zum Gegenstand hat,
a) eine den anderen Vertragsteil länger als zwei Jahre bindende Laufzeit des Vertrags,
b) eine den anderen Vertragsteil bindende stillschweigende Verlängerung des Vertragsverhältnisses um jeweils mehr als ein Jahr oder
c) zu Lasten des anderen Vertragsteils eine längere Kündigungsfrist als drei Monate vor Ablauf der zunächst vorgesehenen oder stillschweigend verlängerten Vertragsdauer;
dies gilt nicht für Verträge über die Lieferung als zusammengehörig verkaufter Sachen, für Versicherungsverträge sowie für Verträge zwischen den Inhabern
urheberrechtlicher Rechte und Ansprüche und Verwertungsgesellschaften im Sinne des Gesetzes über die Wahrnehmung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten;
10. (Wechsel des Vertragspartners)
eine Bestimmung, wonach bei Kauf-, Darlehens-, Dienst- oder Werkverträgen ein Dritter anstelle des Verwenders in die sich aus dem Vertrag ergebenden
Rechte und Pflichten eintritt oder eintreten kann, es sei denn, in der Bestimmung wird
a) der Dritte namentlich bezeichnet oder
b) dem anderen Vertragsteil das Recht eingeräumt, sich vom Vertrag zu lösen;
11. (Haftung des Abschlussvertreters)
eine Bestimmung, durch die der Verwender einem Vertreter, der den Vertrag für den anderen Vertragsteil abschließt,
a) ohne hierauf gerichtete ausdrückliche und gesonderte Erklärung eine eigene Haftung oder Einstandspflicht oder
b) im Falle vollmachtsloser Vertretung eine über § 179 hinausgehende Haftung
auferlegt;
12. (Beweislast)
eine Bestimmung, durch die der Verwender die Beweislast zum Nachteil des anderen Vertragsteils ändert, insbesondere indem er
a) diesem die Beweislast für Umstände auferlegt, die im Verantwortungsbereich des Verwenders liegen, oder
b) den anderen Vertragsteil bestimmte Tatsachen bestätigen lässt;
Buchstabe b gilt nicht für Empfangsbekenntnisse, die gesondert unterschrieben oder mit einer gesonderten qualifizierten elektronischen Signatur versehen sind;
13. (Form von Anzeigen und Erklärungen)
eine Bestimmung, durch die Anzeigen oder Erklärungen, die dem Verwender oder einem Dritten gegenüber abzugeben sind, an eine strengere Form als die
Schriftform oder an besondere Zugangserfordernisse gebunden werden.
Leitsätze/Entscheidungen:
„... Dem Kläger steht gemäß Artikel 7 Abs. 1 Ziffer c) in Verb. mit Art. 5 Abs. 1 lit. c) (analog) der Verordnung (EG) 261/2004 des Europäischen Parlaments
und des Rates vom 11. Februar 2004 eine Ausgleichszahlung von 600,- Euro zu. Mit einer Verspätung des Fluges am 16. August 2009 von Berlin nach Nairobi
von mehr als fünf Stunden schon am Abflugort liegt nach inzwischen gefestigter Rechtsprechung des EuGH eine der Annulierung gleichzustellende erhebliche
Verspätung vor (vgl. EuGH NJW 2010, 43 ff.; NJW 2013, 671 ff.), die eine entsprechende Ausgleichszahlung auslöst.
Die Ansprüche des Klägers sind nicht verjährt. Das Rechtsverhältnis der Parteien beurteilt sich nach deutschem Recht, weil die Parteien sich durch ihre
ausschließliche Bezugnahme auf deutsches Recht jedenfalls konkludent auf dessen ausschließliche Anwendung geeinigt haben. Danach beträgt die
Verjährungsfrist gemäß §§ 195,199 BGB drei Jahre. Mit Erhebung der Leistungsklage durch den Kläger innerhalb der Verjährungsfrist ist die Verjährung
gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB gehemmt.
Den Ansprüchen des Klägers steht auch nicht die in Art. XVI Abs. 2 der allgemeinen Beförderungsbedingungen der Beklagten enthaltene Klageausschlussfrist
von zwei Jahren entgegen. Denn diese Klausel verstößt gegen § 309 Nr. 7 BGB und ist unwirksam. Nach § 309 Nr. 7 lit. a) und b) BGB darf in Allgemeinen
Geschäftsbedingungen die Verschuldenshaftung für Schäden aus der Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit nicht, für sonstige Schäden nur
für den Fall einfacher Fahrlässigkeit ausgeschlossen oder begrenzt werden. Eine Begrenzung der Haftung in diesem Sinn ist auch die zeitliche Begrenzung der
Durchsetzbarkeit entsprechender Schadensersatzansprüche durch Abkürzung der gesetzlichen Verjährungsfristen (BGH NJW 2009, 1486 m. w. N.). Da die in
Art. XVI Abs. 2 der Allgemeinen Beförderungsbedingungen der Beklagten enthaltene Klageausschlussfrist ausdrücklich für sämtliche Ansprüche -
einschließlich Entschädigungs- und Ausgleichsansprüche - gegen den Luftfrachtführer gelten soll, verstößt die Klausel gegen § 309 Nr. 7 lit. a) und b) BGB,
weil diese inhaltlich unbegrenzte Haftungsbeschränkung auch vorsätzliche oder grob fahrlässige Pflichtverletzungen umfasst. Verstößt eine
Formularbestimmung gegen ein Klauselverbot, so kann sie nur unter der Voraussetzung teilweise aufrechterhalten bleiben, dass sie sich nach ihrem Wortlaut
aus sich heraus verständlich und sinnvoll in einen inhaltlich zulässigen und einen unzulässigen Regelungsteil trennen läßt (BGH, a. a. O.; Palandt/Grüneberg,
BGB, 72. Aufl., § 306 Rdnr. 6 lit. f.). Dies ist hier nicht möglich, weil es sich bei der von der Beklagten verwendeten Klausel um eine einheitliche, sämtliche
denkbare Ansprüche einbeziehende Regelung handelt, in der gerade nicht zwischen verschiedenen Verschuldensformen differenziert wird. Um zu einer
inhaltlich zulässigen Regelung zu gelangen, müsste die Kammer die Klageausschlussfrist um eine Ausnahmeregelung für die in § 309 Nr. 7 BGB genannten
Haftungsfälle ergänzen. Dies käme allerdings einer geltungserhaltenden Reduktion gleich, die nach ständiger Rechtssprechung des BGH nicht in Betracht
kommt (vg. BGH NJW 2007, 674; NJW 2009, 1486 ff.). ..." (LG Berlin, Urteil vom 11.06.2013 - 83 S 1/13)
***
§ 631 Vertragstypische Pflichten beim Werkvertrag
(1) Durch den Werkvertrag wird der Unternehmer zur Herstellung des versprochenen Werkes, der Besteller zur Entrichtung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.
(2) Gegenstand des Werkvertrags kann sowohl die Herstellung oder Veränderung einer Sache als auch ein anderer durch Arbeit oder Dienstleistung
herbeizuführender Erfolg sein.
Leitsätze/Entscheidungen:
Der Inhalt eines unter Einsatz elektronischer Kommunikationsmittel über ein automatisiertes Buchungs- oder Bestellsystem an ein Unternehmen gerichteten
Angebots und einer korrespondierenden Willenserklärung des Unternehmens ist nicht danach zu bestimmen, wie das automatisierte System das Angebot
voraussichtlich deuten und verarbeiten wird. Maßgeblich ist vielmehr, wie der menschliche Adressat die jeweilige Erklärung nach Treu und Glauben und der
Verkehrssitte verstehen darf. Gibt ein Flugreisender in die über das Internet zur Verfügung gestellte Buchungsmaske eines Luftverkehrsunternehmens, die den
Hinweis enthält, dass eine Namensänderung nach erfolgter Buchung nicht mehr möglich sei und der angegebene Name mit dem Namen im Ausweis
übereinstimmen müsse, in die Felder für Vor- und Zunamen des Fluggastes jeweils "noch unbekannt" ein, kommt ein Beförderungsvertrag regelmäßig weder
durch die Buchungsbestätigung noch durch die Einziehung des Flugpreises zustande (BGH, Urteil vom 16.10.2012 - X ZR 37/12 zu §§ 130, 133, 145, 146, 154,
157, 312g BGB).
***
Der Flugbeförderungsvertrag ist regelmäßig nicht auf ein absolutes Fixgeschäft gerichtet. Die Verspätung eines Flugs begründet regelmäßig keinen Sachmangel
der Beförderungsleistung (BGH, Urteil vom 28.05.2009 - Xa ZR 113/08).
***
§ 633 Sach- und Rechtsmangel
(1) Der Unternehmer hat dem Besteller das Werk frei von Sach- und Rechtsmängeln zu verschaffen.
(2) Das Werk ist frei von Sachmängeln, wenn es die vereinbarte Beschaffenheit hat. Soweit die Beschaffenheit nicht vereinbart ist, ist das Werk frei von Sachmängeln,
1. wenn es sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte, sonst
2. für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Werken der gleichen Art üblich ist und die der Besteller nach der Art des
Werks erwarten kann.
Einem Sachmangel steht es gleich, wenn der Unternehmer ein anderes als das bestellte Werk oder das Werk in zu geringer Menge herstellt.
(3) Das Werk ist frei von Rechtsmängeln, wenn Dritte in Bezug auf das Werk keine oder nur die im Vertrag übernommenen Rechte gegen den Besteller geltend
machen können.
Leitsätze/Entscheidungen:
Sachmangel der Beförderungsleistung (BGH, Urteil vom 28.05.2009 - Xa ZR 113/08 zu BGB §§ 631 II, 633 II):
„... Der Kl. buchte bei der Bekl. für sich, seine Ehefrau und seine beiden Kinder einen Flug von Frankfurt a.M. nach Phoenix (Arizona) über Washington D.C.
und zurück. Der Flug von Washington D.C. nach Phoenix sollte nicht von der Bekl., sondern von United Airlines durchgeführt werden. Der Hinflug wurde für
den 7. 10. 2006 um 13.25 Uhr von Frankfurt a.M. mit Ankunft in Washington D.C. um 16.40 Uhr Ortszeit bestätigt. Tatsächlich erfolgte der Abflug erst gegen
17 Uhr, so dass der Kl. und seine Familie den Anschlussflug nicht erreichten. Die Reisenden verbrachten die Nacht auf Kosten der Bekl. in einem Hotel. Der
Weiterflug nach Phoenix startete am 8. 10. 2006 um 7 Uhr. Die Reisenden erreichten Phoenix ca. 14,5 Stunden später als geplant; ihr Gepäck kam auf dem
Flug nach Phoenix abhanden und konnte ihnen erst mit viertägiger Verspätung ausgeliefert werden. Die Ehefrau und die Kinder des Kl. haben diesem ihre
Ansprüche abgetreten. Der Kl. verlangt eine Ausgleichszahlung gem. Art. 7 I lit. c i.V. mit Art. 4 III der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Parlaments und des
Rates über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder
großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/1991 vom 11. 2. 2004 (ABlEU Nr. L 46 v. 17. 2. 2004, S. 1; im Folgenden:
VO) in Höhe von viermal 600 Euro sowie 416,65 Euro als Minderung des Flugpreises und die Erstattung von Anwaltskosten in Höhe von 446,13 Euro. Die
Anwaltskosten sind für die Geltendmachung der vorgenannten Ansprüche sowie von Ersatzansprüchen wegen des Gepäckverlustes und Erstattung von
Taxikosten in Washington über einen Betrag von zusammen 1246,30 Euro entstanden; den letztgenannten Betrag hat die Bekl. ausgeglichen. Das AG hat die
Klage abgewiesen. Die Berufung ist ohne Erfolg geblieben. Die vom BerGer. zugelassene Revision hatte ebenfalls keinen Erfolg. ...
I. Das BerGer. hat angenommen, dem Kl. stehe ein Anspruch auf Ausgleichszahlung gem. Art. 4 III i.V. mit Art. 7 I lit. c VO nicht zu. Hinsichtlich des
Teilflugs von Washington nach Phoenix liege keine Nichtbeförderung i.S. des Art. 4 VO vor. Diese setze die Weigerung voraus, Fluggäste zu befördern,
obwohl sie sich unter den in Art. 3 II VO genannten Bedingungen am Flugsteig eingefunden haben. Die rein faktische Nichtweiterbeförderung wegen
Verspätung des Zubringerflugs reiche nicht aus. Dem Kl. stehe auch kein Anspruch aus §§ 634 Nr. 3, 638 BGB wegen Minderung des Flugpreises zu. Bei dem
Flugbeförderungsvertrag handele sich nicht um ein absolutes Fixgeschäft. Auch durch die verspätete Leistung werde der Vertragszweck noch erreicht. Die
Flugbeförderung sei auch nicht mangelhaft i.S. von § 633 II 1 BGB, wenn sie verspätet erfolge. Die verspätete Leistung führe vielmehr zu Ansprüchen aus §§
286, 280 BGB sowie aus der Verordnung; ein unangemessener Nachteil für den Fluggast entstehe hierdurch nicht. Dem Kl. stünden schließlich keine
Ansprüche auf Zahlung der von ihm begehrten vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten zu. Er habe weder dargelegt, dass sich die Bekl. in Verzug
befunden habe, noch, dass die Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts erforderlich gewesen sei. Dies sei in einfach gelagerten Fällen nur dann anzunehmen,
wenn der Geschädigte geschäftlich ungewandt sei oder die Schadensregulierung verzögert werde; diese Voraussetzungen habe der Kl. nicht dargelegt.
II. Dies hält den Angriffen der Revision stand:
1. Das BerGer. hat zu Recht einen Anspruch der Reisenden aus Art. 4 III VO verneint.
a) Auf den Flug von Washington nach Phoenix ist die Verordnung nicht anwendbar. Nach Art. 3 I gilt die Verordnung für Fluggäste, die entweder einen Flug
auf einem Flughafen im Gebiet eines Mitgliedstaats antreten, oder - sofern ausführendes Luftfahrtunternehmen ein Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft ist -
für Fluggäste, die von einem Flughafen in einem Drittstaat einen Flug zu einem Flughafen in einem Mitgliedstaat antreten. Da es sich bei dem Flug von
Washington nach Phoenix um einen inneramerikanischen Flug mit einem amerikanischen Luftfahrtunternehmen gehandelt hat, liegen diese Voraussetzungen
nicht vor. Daran ändert es auch nichts, dass der Kl. und seine Familie eine Flugreise von Frankfurt a.M. nach Phoenix gebucht haben. Denn der Flug im Sinne
der Verordnung ist nicht mit der Flugreise gleichzusetzen, die die Fluggäste unternehmen (EuGH, NJW 2008, 2697 = RRa 2008, 237 Rdnr. 32 - Emirates
Airlines/Schenkel). Flug ist vielmehr, wie auch Art. 2 lit. h der Verordnung zeigt, auch bei einem einheitlichen Beförderungsvertrag die einzelne „Einheit" an
der Luftbeförderung, die von einem Luftfahrtunternehmen durchgeführt wird, das die entsprechende Flugroute festlegt (EuGH, NJW 2008, 2697 Rdnr. 40).
Dass der Fluggast eine einheitliche Buchung vornimmt, wirkt sich hierauf nicht aus (EuGH, NJW 2008, 2697 Rdnr. 51).
b) Der Anspruch aus Art. 4 III VO richtet sich zudem gegen das ausführende Luftfahrtunternehmen. Dies ist nach Art. 2 lit. b VO das Luftfahrtunternehmen,
das im Rahmen eines Vertrags mit einem Fluggast oder im Namen einer anderen Person, die mit dem betreffenden Fluggast in einer Vertragsbeziehung steht,
einen Flug durchführt oder durchzuführen beabsichtigt. Luftfahrtunternehmen in diesem Sinne war für den Flug von Washington nach Phoenix nicht die Bekl.,
sondern United Airlines. Denn nach der Legaldefinition des Art. 2 lit. b VO ist allein entscheidend, welches Luftfahrtunternehmen den Flug tatsächlich
durchführt, nicht hingegen, mit welchem Luftfahrtunternehmen der Vertrag über die Flugreise geschlossen worden ist.
c) Schließlich hat der Senat entschieden, dass einem Fluggast, der einen Flug wegen eines verspäteten Zubringerflugs nicht erreicht, kein Anspruch auf eine
Ausgleichsleistung nach Art. 4 III, Art. 7 VO zusteht, und zwar auch dann nicht, wenn beide Flüge gemeinsam gebucht sind und von demselben
Luftfahrtunternehmen durchgeführt werden (Senat, NJW 2009, 2740).
2. Das BerGer. hat weiter zu Recht einen Anspruch des Kl. auf Minderung des Flugpreises verneint.
a) Bei dem Flugbeförderungsvertrag handelt es sich entgegen der Auffassung der Revision (ebenso OLG Düsseldorf, NJW-RR 1997, 930 = NZV 1997, 354;
OLG Frankfurt a.M., NJW-RR 1997, 1136; AG Bad Homburg, NJW-RR 2001, 989 = RRa 2001, 13; AG Düsseldorf, RRa 1997, 183; AG Simmern, RRa 2005,
279; Tonner, in: Gebauer/Wiedmann, Zivilrecht unter europäischem Einfluss, Kap. 13a Rdnr. 61) in der Regel nicht um ein absolutes Fixgeschäft, bei dem sich
die Ansprüche des Fluggastes nach §§ 275, 283, 326 BGB richten. Beim absoluten Fixgeschäft begründet die Nichteinhaltung der Leistungszeit Unmöglichkeit
der Leistung (BGHZ 60, 14 [16] = NJW 1973, 318). Die Qualifikation eines Rechtsgeschäfts als absolutes Fixgeschäft erfordert daher, dass der
Leistungszeitpunkt nach Sinn und Zweck des Vertrags und nach der Interessenlage der Parteien so wesentlich ist, dass eine verspätete Leistung keine Erfüllung
mehr darstellt. Diese Voraussetzung trifft auf die verspätet durchgeführte Beförderungsleistung jedoch nicht zu. Das Interesse des Fluggastes, sein Ziel
möglichst schnell zu erreichen, entfällt bei einer Verspätung des Flugs regelmäßig nicht. Der Vertragszweck kann vielmehr auch durch eine verspätete
Beförderung noch erreicht werden. Der Wegfall der primären Leistungspflicht des Luftfahrtunternehmens nach § 275 I BGB, der bedeutete, dass der Fluggast
seinen Anspruch auf Beförderung jedenfalls bei einer mehr als nur geringfügigen Verspätung verlöre, entspricht mithin regelmäßig nicht der Interessenlage des
Gläubigers (so auch Staudinger, RRa 2005, 249 [251]; Führich, Sonderbeil. MDR 7/2007, S. 8). Dies gilt auch, wenn die verspätete Beförderung dazu führt,
dass der Anschlussflug nicht mehr erreicht wird. Auch in diesem Fall besteht die Interessenlage des Gläubigers regelmäßig darin, gleichwohl so schnell wie
möglich an das Reiseziel befördert zu werden. Dieser Beurteilung steht es nicht entgegen, dass der BGH einen Luftbeförderungsvertrag in einem besonders
gelagerten Einzelfall als Fixgeschäft qualifiziert hat (BGH, NJW 1979, 495).
Auch im Streitfall ist nichts dafür ersichtlich, dass der zwischen den Parteien geschlossene Beförderungsvertrag ausnahmsweise als absolutes Fixgeschäft
gewollt gewesen wäre, bei dem bei einer Verspätung des Erstflugs die Beförderungsverpflichtung der Bekl. wegfallen sollte.
b) Die Flugverspätung stellt auch keinen Mangel der Beförderungsleistung dar.
Allerdings wird in der amts- und landgerichtlichen Rechtsprechung (LG Frankfurt a.M., NJW-RR 1993, 1270 [1271]; AG Frankfurt a.M., NJW-RR 1996, 238;
AG Bad Homburg, RRa 2002, 88; AG Rüsselsheim, RRa 2006, 136) und in der Literatur (Führich, ReiseR, 5. Aufl. ,Rdnr. 1059; Sonderbeil. MDR 7/2007, S.
11; Schmid, RRa 2005, 151 [156]; Wagner, RRa 2004, 102 [105]) die Flugverspätung häufig als Mangel der Beförderungsleistung qualifiziert. Sofern hierfür
überhaupt eine Begründung gegeben wird, wird sie darin gesehen, dass die Einhaltung der Pünktlichkeit eines Flugs zu den wesentlichen Leistungspflichten des
Luftfahrtunternehmens gehöre und den Luftbeförderungsvertrag geradezu präge (Führich, Sonderbeil. MDR 7/2007, S. 11).
Damit kann jedoch die Annahme eines Werkmangels nicht begründet werden. Bei jeder Werkleistung, die nicht zu dem geschuldeten Zeitpunkt erbracht wird,
verletzt der Werkunternehmer seine vertragliche Leistungspflicht. Dies ändert jedoch nichts daran, dass der Verzug des Werkunternehmers nicht ohne Weiteres
einen Mangel des schließlich erstellten Werks begründet, sondern vom Gesetz eigenständig geregelt ist. Für eine verspätete Leistungserbringung hat der
Schuldner nach den Regeln der §§ 286, 280 BGB einzustehen. Diese eigenständige Regelung schließt zwar nicht aus, dass für die Eignung des Werks zum
üblichen oder vereinbarten Gebrauch auch der Leistungszeitpunkt eine Rolle spielen kann (in diesem Sinne Staudinger/Peters, BGB, Neubearb. 2003, § 633
Rdnr. 175). Ein Mangel setzt jedoch voraus, dass das Werk selbst infolge der Zeitverzögerung nicht die geschuldete Beschaffenheit aufweist.
Bei einer Flugreise oder einer sonstigen Beförderungsleistung ist dies regelmäßig nicht der Fall (ebenso Staudinger, RRa 2005, 249 [255]). Die
Beförderungsleistung wird nicht dadurch schlechter, dass sie erst zu einem späteren Zeitpunkt erbracht wird. Ob dem Fluggast durch eine Verspätung ein
Nachteil entsteht und welcher Art dieser ist, hängt vielmehr ganz von seinen persönlichen Verhältnissen ab. Ihm kann ein Geschäft entgehen; für ihn kann die
Verspätung eine bloße Unbequemlichkeit darstellen; sie kann ihm sogar willkommen sein, etwa weil er selbst verspätet am Flughafen erscheint. Dies macht
deutlich, dass es einen objektiven Minderwert einer verspäteten Beförderungsleistung nicht geben kann. Er lässt sich auch nicht aus den Dispositionen des
Fluggastes ableiten, weil diese weder Bestandteil des Beförderungsvertrags noch auch nur dessen Geschäftsgrundlage sind. Anderes gilt auch nicht deshalb,
weil der verspätete Zubringerflug das Erreichen des Anschlussflugs verhindert hat. Auch damit wird nicht die Beförderungsleistung schlechter, vielmehr kann
sich im Einzelfall durch die Verzögerung ein Schaden einstellen, den das Gesetz durch die Regeln über den Verzug erfasst.
3. Dem Kl. steht schließlich auch kein Anspruch auf Ersatz der vorgerichtlich entstandenen Anwaltskosten zu. Hinsichtlich der vorstehenden Hauptansprüche
folgt dies bereits daraus, dass diese nicht begründet sind. Hinsichtlich der übrigen, von der Bekl. ausgeglichenen Ansprüche hat das BerGer. rechtsfehlerfrei die
Notwendigkeit der Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe verneint. ..."
***
Der Flugbeförderungsvertrag ist regelmäßig nicht auf ein absolutes Fixgeschäft gerichtet. Die Verspätung eines Flugs begründet regelmäßig keinen Sachmangel
der Beförderungsleistung (BGH, Urteil vom 28.05.2009 - Xa ZR 113/08).
***
§ 651a Vertragstypische Pflichten beim Reisevertrag
(1) Durch den Reisevertrag wird der Reiseveranstalter verpflichtet, dem Reisenden eine Gesamtheit von Reiseleistungen (Reise) zu erbringen. Der Reisende ist
verpflichtet, dem Reiseveranstalter den vereinbarten Reisepreis zu zahlen.
(2) Die Erklärung, nur Verträge mit den Personen zu vermitteln, welche die einzelnen Reiseleistungen ausführen sollen (Leistungsträger), bleibt
unberücksichtigt, wenn nach den sonstigen Umständen der Anschein begründet wird, dass der Erklärende vertraglich vorgesehene Reiseleistungen in eigener
Verantwortung erbringt.
(3) Der Reiseveranstalter hat dem Reisenden bei oder unverzüglich nach Vertragsschluss eine Urkunde über den Reisevertrag (Reisebestätigung) zur Verfügung
zu stellen. Die Reisebestätigung und ein Prospekt, den der Reiseveranstalter zur Verfügung stellt, müssen die in der Rechtsverordnung nach Artikel 238 des
Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche bestimmten Angaben enthalten.
(4) Der Reiseveranstalter kann den Reisepreis nur erhöhen, wenn dies mit genauen Angaben zur Berechnung des neuen Preises im Vertrag vorgesehen ist und
damit einer Erhöhung der Beförderungskosten, der Abgaben für bestimmte Leistungen, wie Hafen- oder Flughafengebühren, oder einer Änderung der für die
betreffende Reise geltenden Wechselkurse Rechnung getragen wird. Eine Preiserhöhung, die ab dem 20. Tage vor dem vereinbarten Abreisetermin verlangt
wird, ist unwirksam. § 309 Nr. 1 bleibt unberührt.
(5) Der Reiseveranstalter hat eine Änderung des Reisepreises nach Absatz 4, eine zulässige Änderung einer wesentlichen Reiseleistung oder eine zulässige
Absage der Reise dem Reisenden unverzüglich nach Kenntnis von dem Änderungs- oder Absagegrund zu erklären. Im Falle einer Erhöhung des Reisepreises
um mehr als fünf vom Hundert oder einer erheblichen Änderung einer wesentlichen Reiseleistung kann der Reisende vom Vertrag zurücktreten. Er kann
stattdessen, ebenso wie bei einer Absage der Reise durch den Reiseveranstalter, die Teilnahme an einer mindestens gleichwertigen anderen Reise verlangen,
wenn der Reiseveranstalter in der Lage ist, eine solche Reise ohne Mehrpreis für den Reisenden aus seinem Angebot anzubieten. Der Reisende hat diese Rechte
unverzüglich nach der Erklärung durch den Reiseveranstalter diesem gegenüber geltend zu machen.
Leitsätze/Entscheidungen:
Die Luftbeförderung gehört bei einer Flugreise zu der vom Reiseveranstalter zu erbringenden Hauptleistung. Der Reisevertrag muss die Frage regeln, wann sie
erbracht werden soll. Der Zeitpunkt der Abreise kann im Reisevertrag nicht nur als nach Tag und Uhrzeit bezeichneter Zeitpunkt vereinbart, sondern auch zum
Gegenstand eines Leistungsbestimmungsrechts des Reiseveranstalters gemacht werden, das es diesem erlaubt, die genaue Leistungszeit innerhalb eines
vereinbarten Rahmens festzulegen. Ein solches Bestimmungsrecht kann auch durch die Vereinbarung einer als voraussichtlich bezeichneten Abreisezeit
eingeräumt werden. Liegt dem Reisevertrag eine vom Reiseveranstalter genannte voraussichtliche Abreisezeit (hier: Abflugzeit) zugrunde, ist diese jedenfalls
annähernd einzuhalten. Die Klauseln in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Reiseveranstalters
"Die endgültige Festlegung der Flugzeiten obliegt dem Veranstalter mit den Reiseunterlagen."
und
"Informationen über Flugzeiten durch Reisebüros sind unverbindlich."
benachteiligen den Reisenden entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen und sind unwirksam (BGH, Urteil vom 10.12.2013 - X ZR 24/13).
***
§ 651f BGB Schadensersatz
(1) Der Reisende kann unbeschadet der Minderung oder der Kündigung Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen, es sei denn, der Mangel der Reise
beruht auf einem Umstand, den der Reiseveranstalter nicht zu vertreten hat.
(2) Wird die Reise vereitelt oder erheblich beeinträchtigt, so kann der Reisende auch wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit eine angemessene
Entschädigung in Geld verlangen.
Leitsätze/Entscheidungen:
Ein Reiseveranstalter, dessen Reisendem von der Fluggesellschaft der vorgesehene Rückflug wegen Platzmangels versagt wird, und dessen Reisender auf
Veranlassung eines Angestellten der Fluggesellschaft im Dauerlauf durch die Abflughalle einen bevorstehenden Flug bei einer anderen Gesellschaft zu
erreichen versucht, haftet für die Folgen eines Sturzes des Reisenden bei diesem Dauerlauf (BGH, Urteil vom 11.01.2005 - X ZR 163/02, NJW 2005, 1420).
*** (OLG)
„... Ziff. 2.1 S. 4 der Teilnahmebedingungen, nach der Meilen nicht übertragbar sind, bewirkt eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners
gemäß § 307 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 BGB.
Sobald der Programmteilnehmer die für einen Eintausch in ein Prämiendokument erforderliche Anzahl an Meilen gesammelt hat, fehlt es aus den Gründen, die
in Bezug auf das Verbot der Veräußerung und sonstigen Weitergabe von Prämiendokumenten oben angeführt worden sind (vgl. B BB I 1 e bb), an einem
anerkennenswerten schutzwürdigen Interesse der Beklagten an der Unübertragbarkeit der prämienreifen Meilen, während der Kunde hierdurch in seinen
berechtigten Interessen - wenn auch in dem oben aufgezeigten begrenzten Umfang - beeinträchtigt wird.
Anders liegt es lediglich in der Zeit vor dem Einsammeln der erforderlichen Meilenzahl. Hier erfordert und rechtfertigt die angestrebte Kundenbindung an sich
ein Übertragungsverbot. Der dem Kunden wirtschaftlich günstige Mengenrabatt muss von ihm erst noch durch Abschluss weiterer Beförderungsverträge mit
der Beklagten erwirtschaftet werden. Dürfte der Kunde seine Meilen vor dem Einsammeln der erforderlichen Meilenzahl (entgeltlich) übertragen, müsste er
nicht die vorausgesetzte Mindestleistung der Beklagten in Anspruch nehmen, um Rabatt und wertmäßige Rückvergütung zum Teil wirtschaftlich realisieren zu können.
Dieser von der Beklagten auf S. 6 f. des Schriftsatzes vom 13.5.2013 zu Recht hervorgehobene Gesichtspunkt der - nicht erwünschten - Nutzbarkeit von Meilen
vor Prämienreife, der berechtigte Interessen der Beklagten entgegen stehen und die von ihr daher in Allgemeinen Geschäftsbedingungen grundsätzlich untersagt
werden kann, verhilft der Rechtsverteidigung der Beklagten im vorliegenden Rechtsstreit jedoch nicht zum Erfolg. Aufgrund des Verbots der
geltungserhaltenden Reduktion ist der Senat gehindert, die Klausel mit dem noch zulässigen Inhalt aufrechtzuerhalten. ..." (OLG Köln, Urteil vom 12.06.2013 -
5 U 46/12)
***
Der Reiseveranstalter haftet dem Reisenden, dem er wegen Überbuchung des Flugzeuges den vertraglich geschuldeten Rückflug nicht gewähren kann, für den
bei einem Sturz erlittenen Schaden, den der Reisende aus ungeklärter Ursache beim Durchqueren des Flughafens mit Gepäck unter Führung eines Mitarbeiters
der Fluggesellschaft bei dem Versuch erleidet, ein anderes startbereites Flugzeug noch zu erreichen, mit dem er noch am gleichen Tage in die Nähe des
vertraglichen Zielflughafens gelangen kann. Die Beschaffung eines Ersatzfluges für den überbuchten Flug stellt eine Maßnahme der Beseitigung eines
Reisemangels dar, während derer der Veranstalter - ähnlich den so genannten "Herausforderungsfällen" - für Schäden, die der Reisende erleidet, haftet, wenn
nicht der Reisende seinerseits ungewöhnlich (überzogen/unangemessen) auf das Haftungsereignis reagiert. Auf die Frage, ob der Reiseveranstalter in seinen
AGB wirksam eine Geltendmachung von Ansprüchen gegenüber dem Reisebüro ausgeschlossen hat, kommt es nicht an, wenn die beim Reisebüro geltend
gemachten Ansprüche jedenfalls innerhalb der Monatsfrist des § 651g BGB beim Veranstalter eingegangen sind. Erklärt der Reisende, er sei "nicht bereit, das
Verhalten auf sich beruhen zu lassen", ist darin eine Anmeldung von Gewährleistungsansprüchen zu sehen (OLG Celle, Urteil vom 16.05.2002 - 11 U 221/01,
RRa 2002, 162).
*** (LG)
„... Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00
EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu unterlassen, in Tarifverzeichnissen und anderen Allgemeinen
Geschäftsbedingungen zum Abschluss von Luftfahrtpersonenbeförderungsverträgen mit Verbrauchern bezüglich der Erstattung von Steuern und Gebühren für
Tickets nachfolgende oder inhaltsgleiche Klausel zu verwenden oder sich bei der Abwicklung von Verträgen auf solche Klauseln zu berufen:
‚Bei Erstattungen kann ein Bearbeitungsentgelt erhoben werden.' ...
Die streitgegenständliche Klausel, wonach von der Beklagten bei Erstattungen ein Bearbeitungsentgelt erhoben werden kann, ist bei verbraucherfeindlichster
Auslegung unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen der Flugkunden wegen unangemessener Benachteiligung gemäß §§ 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1
BGB unwirksam.
Entgegen der Ansicht der Beklagten liegt keine Individualvereinbarung im Sinne von § 305 Abs. 1 S. 3 BGB vor. Dies ist grundsätzlich nur dann der Fall, wenn
es zu einem wirklichen Aushandeln gekommen ist, wobei Aushandeln mehr bedeutet als bloßes Verhandeln (Palandt-Grüneberg, BGB, 72. Aufl. 2013, § 305
Rn. 20). Von einem Aushandeln in diesem Sinne kann nur dann gesprochen werden, wenn der Verwender zunächst den in seinen AGB enthaltenen
"gesetzesfremden Kerngehalt", also die den wesentlichen Inhalt der gesetzlichen Regelung ändernden oder ergänzenden Bestimmungen, inhaltlich ernsthaft zur
Disposition stellt und dem Verhandlungspartner Gestaltungsfreiheit zur Wahrung eigener Interessen einräumt mit zumindest der realen Möglichkeit, die
inhaltliche Ausgestaltung der Vertragsbedingungen zu beeinflussen. Er muss sich also deutlich und ernsthaft zur gewünschten Änderung einzelner Klauseln
bereit erklären (vgl. BGH, NJW 2000, 1110). Der Verbraucher hat im vorliegenden Fall lediglich die Möglichkeit, zwischen verschiedenen Tarifen der
Beklagten zu wählen. Die einzelnen Bestimmungen der jeweiligen Tarife sind jedoch für den Verbraucher gerade nicht aushandelbar.
Es handelt sich bei der streitgegenständlichen Klausel entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht um eine der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 3 S. 1
BGB entzogene Bestimmung über den Preis einer vertraglichen Leistung.
Der Inhaltskontrolle entzogen sind Abreden, die ihrer Art nach nicht der Regelung durch Gesetz oder andere Rechtsvorschriften unterliegen, sondern von den
Vertragspartnern festgelegt werden müssen. Damit scheiden als Prüfungsgegenstand unter anderem Abreden aus, die Art und Umfang der vertraglichen
Hauptleistungspflichten unmittelbar regeln. Der privatrechtlich geltende Grundsatz der Vertragsfreiheit umfasst das Recht der Parteien, den Preis für eine Ware
oder Dienstleistung frei bestimmen zu können. Preisvereinbarungen für Hauptleistungen stellen deshalb im nicht preisregulierten Markt weder eine
Abweichung noch eine Ergänzung von Rechtsvorschriften dar und unterliegen deshalb grundsätzlich nicht der Inhaltskontrolle (vgl. BGH, NJW 2010, 150 m.w.N.).
Bestimmungen, die kein Entgelt für auf rechtsgeschäftlicher Grundlage erbrachte Sonderleistungen vorsehen, sondern Aufwendungen für die Erfüllung
gesetzlich begründeter eigener Pflichten des Verwenders auf den Kunden abwälzen, stellen kontrollfähige Abweichungen von Rechtsvorschriften dar (vgl.
BGH, NJW 2009, 3570). Um eine solche Bestimmung handelt es sich hier. Die Bearbeitungsentgelt-Regelung enthält keine der Inhaltskontrolle entzogene
Preisvereinbarung für eine auf rechtsgeschäftlicher Grundlage erbrachte Sonderleistung, sondern legt ein Entgelt fest, obwohl eine Leistung für den Fluggast
nicht erbracht wird. Da der Begriff der Leistung nicht zur Disposition des AGB-Verwenders steht, unterliegen Abreden, die sich zwar mittelbar auf den Preis
auswirken, an deren Stelle aber bei Fehlen einer wirksamen vertraglichen Regelung dispositives Gesetzesrecht treten kann, der Inhaltskontrolle (vgl.
Palandt-Grüneberg, a. a. O., § 307 Rn. 47 m.w.N.). Um eine solche Abrede handelt es sich bei der streitgegenständlichen Bearbeitungsentgeltregelung, weil ein
Anspruch der Beklagten gegen den Kunden auf Vergütung dieser Tätigkeit im Gesetz nicht vorgesehen ist. Die Beklagte hat mit der streitgegenständlichen
Klausel nicht den Preis für die von ihr geschuldete Leistung festgelegt, sondern unternimmt den Versuch, das ihren Kunden gesetzlich zustehende jederzeitige
Kündigungsrecht (§ 649 BGB) zu entwerten.
Die streitgegenständliche Bearbeitungsentgeltregelung ist nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam, da sie mit wesentlichen Grundgedanken der abweichenden
gesetzlichen Regelung nicht zu vereinbaren ist (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB) und den betroffenen Kunden deshalb in unangemessener Weise benachteiligt. Zu den
wesentlichen Grundgedanken des dispositiven Rechts gehört, dass jeder Rechtsunterworfene seine gesetzlichen Verpflichtungen zu erfüllen hat, ohne dafür ein
besonderes Entgelt verlangen zu können (vgl. LG Berlin, Urteil vom 29.11.2011 - 15 O 395/10, zitiert nach juris, Rn. 43). Die Erstattung von Steuern und
Gebühren entspricht der gesetzlichen Vorgabe nach § 649 S. 1 und 2 BGB. Soweit die Beklagte die Auffassung vertritt, der Kunde habe durch die Wahl des
günstigen Tarifs ohne Stornierungsmöglichkeit auf sein Recht zur Kündigung aus § 649 S. 1 BGB verzichtet, kann dem nicht gefolgt werden. Denn der Kunde
kann den Flug bei einem derartigen Tarif nach wie vor stornieren bzw. nicht antreten, auch wenn er den bereits gezahlten Flugpreis nicht zurückerhält. Das
Bearbeitungsentgelt ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Vorteilsanrechnung gerechtfertigt. Es entspricht zwar dem Grundgedanken der gesetzlichen
Regelung, dass bei der Berechnung der Vorteile, die der Schuldner sich nach § 326 Abs. 2 BGB auf die Gegenleistung anrechnen lassen muss, auch ein mit der
Abwicklung verbundener Zusatzaufwand zu berücksichtigen ist. Vorliegend entsteht der Zusatzaufwand aber allein dadurch, dass die Beklagte entgegen § 641
BGB von ihren Kunden die Zahlung der Vergütung inklusive Steuern und Gebühren in Vorleistung verlangt. Diese Abweichung von der gesetzlichen Regelung
zum Nachteil des Kunden ist zwar zulässig, kann aber nicht dazu führen, dass die Beklagte dem Kunden auch noch die daraus resultierenden Kosten einer
Rückabwicklung auferlegt. Die Nachteile einer Vorleistungsklausel müssen durch ausgleichende Maßnahmen zu Gunsten des vorleistungspflichtigen
Verbrauchers erleichtert werden, wenn den berechtigten Interessen des Klauselverwenders letztlich der Vorzug gegeben werden soll (vgl. BGH, NJW 1987, S.
1931, 1933). Hätte der Kunde die Vergütung erst im Nachhinein zu zahlen, wäre eine mit zusätzlichen Kosten der Beklagten verbundene Rückabwicklung nicht
erforderlich, die Beklagte könnte dem Kunden von vorn herein nur die reinen Flugkosten ohne die nicht angefallenen Steuern und Gebühren in Rechnung
stellen (vgl. LG Köln, Urteil vom 28.10.2010 - 31 O 76/10, zitiert nach juris, Rn. 55). Soweit die Beklagte dem entgegenhält, dass der Aufwand nicht lediglich
wegen der Vorleistungspflicht des Kunden entstehe, da selbst bei Bezahlung des Tickets bei Flugantritt oder später der identische bzw. sogar ein höherer
Abwicklungsaufwand entstehe, ist dies nicht verständlich. Denn in diesem Falle würde von dem Kunden bei Stornierung oder Nichtantritt des Fluges gar nichts
bezahlt werden, so dass eine Rückabwicklung im Hinblick auf Steuern und Gebühren gerade nicht erforderlich wäre.
Die Wiederholungsgefahr hinsichtlich der Klausel-Verwendung als ungeschriebene materielle Anspruchsvoraussetzung liegt vor. Sie ergibt sich bereits daraus,
dass die Beklagte die Wirksamkeit der Klausel noch im Prozess verteidigt, diese fortgesetzt verwendet und keine strafbewehrte Unterlassungserklärung
abgegeben hat (vgl. Palandt-Bassenge, a.a.O., § 1 UKlaG Rn. 8).
Der Kläger kann von der Beklagten zudem Ersatz der mit dem Antrag zu 2.) geltend gemachten Abmahnkosten verlangen, §§ 5 UKlaG, 12 Abs. 1 S. 2 UWG.
Ein Erstattungsanspruch besteht, soweit die vorgerichtliche Abmahnung berechtigt ist. Dies ist vorliegend wegen Unwirksamkeit der streitgegenständlichen
Klausel nach §§ 307 ff. BGB der Fall. Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 288 Abs. 1, 291 BGB, jedoch nur in Höhe von 5 Prozentpunkten. Die Beklagte
beruft sich insoweit zutreffend darauf, dass § 288 Abs. 2 BGB nur für Entgeltforderungen gelte. Entgeltforderungen sind auf Zahlung eines Entgelts als
Gegenleistung für die Lieferung von Gütern oder die Erbringung von Dienstleistungen gerichtet (Palandt-Grüneberg, a. a. O., § 288 Rn. 8 mit Verweis auf §
286 Rn. 27).
Der mit dem Feststellungsantrag begehrte Anspruch auf Verzinsung der verauslagten Gerichtskosten für die Zeit ab Überweisung des Betrages auf das Konto
der Gerichtskasse bis zum Eingang des Kostenfestsetzungsantrages bei Gericht steht dem Kläger nicht zu. Nach dem ausdrücklichen Wortlaut der
Spezialregelung des § 104 Abs. 1 S. 2 ZPO sind Gerichtskosten ab dem Zeitpunkt des Eingangs des Kostenfestsetzungsantrages zu verzinsen; daraus folgt im
Umkehrschluss, dass eine Verzinsung ab dem Zeitpunkt der Einzahlung des Vorschusses - auch auf materiell-rechtlicher Grundlage - ausscheidet (vgl. AG
Dieburg, Urteil vom 05.01.2012 - 20 C 1531/11, zitiert nach juris). Im Übrigen sind die Voraussetzungen eines in materiell-rechtlicher Hinsicht allein in
Betracht kommenden Erstattungsanspruchs aus §§ 286, 288 Abs. 1 BGB nicht erfüllt. Auf die abstrakte Regelung in § 288 Abs. 1 S. 2 BGB kann zur
Schadensbemessung nicht zurückgegriffen werden, wenn - wie hier - Verzugszinsen nicht auf die verzugsauslösende Schuld, sondern für die zur gerichtlichen
Durchsetzung des Anspruchs getätigten Geldaufwendungen begehrt werden; in einem solchen Fall kann der Schaden allenfalls in einer konkreten Aufwendung
von Zinsen oder in dem Verlust einer Zinsanlagemöglichkeit für den als Gerichtskosten eingezahlten Geldbetrag liegen (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom
10.07.2012 - 8 U 66/11, zitiert nach juris). Entsprechender Vortrag des Klägers fehlt. Soweit der Kläger sich auf § 9 UWG beruft, ist diese Vorschrift im
UKlaG-Verfahren nicht anwendbar. § 5 UKlaG bestimmt ausdrücklich, dass lediglich einzelne Absätze von § 12 UWG anzuwenden sind.
Der mit dem Antrag zu 4.) geltend gemachte Veröffentlichungsanspruch ergibt sich aus § 7 UKlaG. Danach kann dem Kläger bei Klagestattgabe auf Antrag die
Befugnis zugesprochen werden, die Urteilsformel mit der Bezeichnung des verurteilten Beklagten auf dessen Kosten im Bundesanzeiger, im Übrigen auf eigene
Kosten bekannt zu machen. Teilweises Obsiegen reicht aus (Köhler/Bornkamm-Köhler, UWG, 31. Aufl. 2013, § 7 UKlaG, Rn. 4). Die
Veröffentlichungsbefugnis steht daher im Ermessen des Gerichts. Sie kommt vor allem in Betracht, wenn der Verwender der AGB selbst einen größeren
Kundenkreis hat, der von dem Urteil berührt sein könnte, oder wenn andere Verwender gleicher AGB oder andere Anwender verbraucherschutzwidriger
Praktiken gewarnt werden sollen (Köhler/Bornkamm-Köhler, a. a. O., § 7 UKlaG, Rn. 7). Diese Voraussetzungen liegen hier vor. ..." (LG Köln, Urteil vom
05.06.2013 - 26 O 481/12).
*** (AG)
„... Der in Bremen wohnhafte Kläger verlangt von der in Irland ansässigen Beklagten Ausgleichszahlung wegen Flugverspätung.
Der Kläger buchte bei der Beklagten via Internet den Flug Nr. FR 3655 von Girona nach Bremen für den 31.07.2010. Die planmäßige Abflugszeit war mit
19:45 Uhr (Bl. 5 d. A.) und die Ankunftszeit mit 22:00 Uhr angegeben. Der Kläger fand sich rechtzeitig am Abfertigungsschalter ein. Der Abflug in Girona
erfolgte am 01.08.2010 um 6:00 Uhr, die Ankunft in Bremen um 8:15 Uhr. Der Klägervertreter forderte gegenüber der Beklagten am 15.02.2013 ergebnislos
die Zahlung von 329,83 € bis spätestens zum 01.03.2013. In den Beförderungsbedingungen der Beklagten, die der Kläger durch Anklicken des
Opt-In-Kästchens bei Buchung bestätige, finden sich u. a. folgende Klauseln (Bl. 23 f, 42 d. A.):
‚Klagefristen
Gerichtliche Klagen auf Schadensersatz müssen innerhalb von zwei Jahren, beginnend mit dem Tag der Ankunft des Flugzeugs oder dem Tag, an dem das
Flugszeug hätte ankommen sollen, erhoben werden.'
‚15.2 Klagefristen
Anspruch auf Schadensersatz kann nur binnen einer Frist von zwei Jahren geltend gemacht werden, gerechnet vom Tage der Ankunft des Flugzeugs oder von
dem Tage, an dem das Flugzeug hätte ankommen müssen, oder vom Tage, an welchem die Beförderung abgebrochen worden ist. Die Berechnung der Frist
bestimmt sich nach de Recht des angerufenen Gerichts.'
‚Anwendbares Recht und Gerichtsstand
Ihr Beförderungsvertrag mit R…, darunter R…'s allgemeine Reise- und Geschäftsbedingungen sowie allgemeine Beförderungsbedingungen, untersteht dem
irischen Recht. Alle Streitigkeiten, die aus dem oder im Zusammenhang mit diesem Vertrag entstehen, unterliegen der Zuständigkeit irischer Gerichte.'
Der Kläger ist der Ansicht, dass die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten nicht Vertragsbestandteil geworden seien; es gelte deutsches Recht. ...
Sie erhebt die Einrede der Verjährung. Die Verjährungsfrist sei nach irischem Recht rechtswirksam auf 2 Jahre abbedungen worden. Die Klageschrift ist der
Beklagten am 08.08.2013 zugestellt worden. ...
1. Das Amtsgericht Bremen ist als Erfüllungsort des streitgegenständlichen Beförderungsvertrags international zuständig (EuGH NJW 2009, 2801).
2.. Die Voraussetzungen für das Vorliegen eines Ausgleichszahlungsanspruchs nach Art. 5 Abs. 1 lit c, 7 Abs. 1 Satz 1 lit. a Fluggastrechte-VO (Verordnung
EG Nr. 261/2004 vom 11.02.2004) sind gegeben. Der gebuchte Flug erreichte den Ankunftsflughafen mit einer Verspätung von mehr als drei Stunden; dieser
Umstand steht der Annullierung des Fluges nach gefestigter Rechtsprechung gleich (zuletzt: EuGH - große Kammer - NJW 2013, 671). Außergewöhnliche
Umstände wurden nicht geltend gemacht.
3. Der Anspruch ist nicht verjährt.
3.1 Nach Deutschen Recht verjähren Ausgleichszahlungsansprüche im Sinne der Fluggastrechteverordnung in 3 Jahren, beginnend mit dem Schluss des Jahres,
in dem der Anspruch entstanden ist (BGH NJW 2010, 1526). Der Anspruch ist am 01.08.2010 entstanden. Gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB begann die
dreijährige Frist nach § 195 BGB also am 01.01.2011 (0:00 Uhr) zu laufen. Die Klage wurde vor Ablauf von drei Jahren am 08.08.2013 rechtshängig gemacht.
Seitdem ist die Verjährung gehemmt (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB).
3.2 Die Parteien haben eine zweijährige Verjährungsfrist für Ausgleichszahlungsansprüche nicht rechtswirksam vereinbart.
(1 ) Denn die auf Schadensersatz abstellenden Klauseln der Beklagten erfassen bei kundenfreundlichster Auslegung keine Ausgleichszahlungsansprüche im
Sinne der Fluggastrechteverordnung; andernfalls verstießen sie nach Deutschem Recht gegen § 309 Nr. 7 BGB (ausführlich hierzu: AG Bremen NJW 2013,
705; a.A. Amtsgericht Geldern, Urteil vom 28.06.2011, 17 C 252/10, n.v. unter Bezugnahme auf § 651g BGB und ohne Erörterung des § 309 BGB).
Deutsches Recht ist vorliegend anwendbar (Art. 5 Abs. 2 Satz 1 Rom I Verordnung EG Nr. 593/2008). Denn der Kläger hat seinen Wohnsitz in Deutschland;
die Beförderung betraf den in Deutschland befindlichen Flughafen Bremen. Die Rom I Verordnung ist einschlägig, weil die Beförderung nach dem 17.12.2009 erfolgte.
(2) Die Geltung des Deutschen Rechts ist nicht abbedungen worden. Denn die Rechtswahlklausel der Beklagten ist nach Ansicht des Gerichts mangels
hinreichender Transparenz unwirksam; Irisches Recht findet mithin keine Anwendung:
Zwar ist zu konstatieren, dass im Fall der Flugbeförderung ein Luftfahrtunternehmen auch mit Verbrauchern Rechtswahlvereinbarungen treffen darf (Art. 3
Satz 1, 6 Abs. 4b Rom I Verordnung).
Art. 11 Abs. 4 Satz 2 der Rom I Verordnung bestimmt jedoch, dass für die Form von Verträgen, die in den Anwendungsbereich des Art. 6 fallen, das Recht des
Staates maßgeblich ist, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (hier: Deutschland). Bei einem Verbrauchervertrag ist die Formgültigkeit
des Vertrags zum Schutz des Verbrauchers als strukturell unterlegener Partei ausschließlich nach dem Recht an dessen gewöhnlichen Aufenthaltsort zu
beurteilen; bei der Beachtung der „Form" ist insbesondere die europäische Klauselrichtlinie zu beachten (explizit: Palandt, 71. A., Art. 11 Rom I VO, Rn. 15).
Art. 11 Abs. 4 Rom I VO betrifft also nicht nur Verträge, für die nach dem Recht des Aufenthaltsorts eine besondere (notarielle, schriftliche oder textliche)
Form vorgeschrieben ist; erfasst wird auch die besondere Form des mittels einbezogener Geschäftsbedingungen geschlossenen Formularvertrags. Diesbezüglich
existieren im Deutschen Recht zum Schutze des Verbrauchers Sonderreglungen (§§ 305 ff. BGB).
Auf Rechtswahlklauseln findet das Schriftformerfordernis nach Art. 23 EuGVVO keine (analoge) Anwendung, da die Vorschrift ausschließlich auf
Gerichtsstandsvereinbarungen abstellt.
Gegenüber Verbrauchern verwendete Rechtswahlklauseln eines Luftfahrtunternehmens können im Einzelfall somit rechtswirksam sein (vgl. KG Berlin, CR
2013, 599 für irische Fluggesellschaft bei deutschsprachigem Internetangebot). Die Bestimmung eines vom Recht des Aufenthaltsorts abweichenden Rechts
muss jedoch hinreichend deutlich in den Beförderungsvertrag einbezogen werden; gemäß Art 3 Abs.1 Rom l-VO muss diese Rechtswahl ausdrücklich erfolgen
oder sich eindeutig aus dem Bestimmungen oder aus den Umständen des Falles ergeben; ob die Voraussetzungen des Art. 3 Abs. 1 Rom l-VO vorliegen oder
nicht, beurteilt sich nach der lex fori, anders als das Zustandekommen und die Wirksamkeit der Rechtswahlvereinbarung im übrigen. Damit ist für die Frage, ob
die Rechtswahl ausdrücklich und eindeutig erfolgte, für die Auslegung auf die Sicht des durchschnittlichen Verbrauchers abzustellen (LG München, RRa 2012,
53 für Fluggesellschaft und Vereinbarung außereuropäischen Rechts).
Außerdem gilt die EU Klausel-Richtlinie 93 EG/13/EWG trotz Verabschiedung der Richtlinie 2011/83/EU fort. Zwar ordnet Art. 3 Abs. 3 lit k der Richtlinie
2011/83/EU vom 25.10.2011 an, dass die Bestimmungen der Richtlinie mit Ausnahme der Bestimmungen zu Art. 8 Abs. 2 und Art, 19, 22 auf Verträge über
die Beförderung von Personen keine Anwendung findet. Eine vergleichbare Vorschrift findet sich indessen in der EU Klausel-Richtlinie 93 EG/13/EWG auch
in der aktuellen Fassung nicht.
Die Rechtswahlklausel (Satz 1) ist demnach nicht hinreichend transparent. Vorliegend gilt primär die - innerhalb ihres Regelungsbereichs - unabdingbare
Fluggastrechteverordnung. Zwar enthält diese Verordnung keine Regelungen zur Verjährung. Entgegen Art. 15 der Verordnung könnte die
streitgegenständliche Rechtswahlklausel dem unbefangenen Leser jedoch suggerieren, dass sich auch die Ansprüche des Verbrauchers im Fall der
Flugannullierung oder erheblichen Verspätung am irischen Recht orientierten. Gleiches gilt bezüglich der - hier nicht einschlägigen - Ansprüche nach dem
Montrealer Übereinkommen, obgleich die aus dem MÜ folgenden Ansprüche ebenfalls nicht abdingbar sind (vgl. Art. 26 MÜ). Zwar kann das für anwendbar
erklärte nationale irische Recht das höherrangige Europäische Recht niemals begrenzen. Dieser Umstand ist einem juristischen Laien jedoch nicht bewusst. Bei
der AGB Kontrolle gilt daher die kundenfeindlichste Auslegung (vgl. Palandt, 71. A., § 305c, Rn. 18). Hiernach ist die Klausel kundenfeindlich so zu lesen,
dass sich alle Ansprüche, auch solche im Zusammenhang mit dem Beförderungsvertrag (vgl. S. 2 der Klausel) wie etwa Sekundäransprüche wegen Nicht- oder
Schlechtbeförderung, ausschließlich am Irischen Recht orientieren sollen.
Die Verwenderin hätte nach Ansicht des Gerichts klarstellen müssen, hinsichtlich welcher formularvertraglich regelbarer Rechtsbereiche das Irische Recht
Anwendung finden soll.
Dass an anderer Stelle (unter Flugannullierungen und Flugplanänderungen) auf die EG Verordnung 261/2004 Bezug genommen wird, ist nicht ausreichend.
Denn es wird dort gerade negativ formuliert: „R… bietet keine finanzielle Entschädigung gemäß Art. 7 …". Dem juristischen Laien erschließt sich also nicht
ohne Weiteres, dass unabhängig vom irischen Recht bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen Ausgleichszahlungsansprüche gemäß dem unmittelbar
anwendbaren Europäischen Recht zwingend bestehen und diese nur ausnahmsweise, bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände, entfallen.
Aktuell im Internet abrufbar ist folgende Klauselgestaltung der Beklagten:
2.2 ENTGEGENSTEHENDES RECHT
2.2.1 Diese Allgemeinen Beförderungsbedingungen gelten insoweit, als sie nicht zu dem anwendbaren Recht im Widerspruch stehen. In einem solchen Fall
genießen die gesetzlichen Bestimmungen Vorrang.
2.4 RECHTSWAHL UND GERICHTSSTAND
Sofern das Übereinkommen oder einschlägige Gesetze nichts anderes vorsehen, unterliegen Ihr Beförderungsvertrag, diese Beförderungsbestimmungen und
unsere Regelungen dem Irischen Recht …
Die streitgegenständliche - kategorisch formulierte - Klausel wird also offenbar nicht mehr verwendet; ob die aktuelle Klausel als Salvatorische Klausel
unzulässig ist (vgl. Palandt, 71. A., § 306, Rn. 11), kann im hiesigen Rechtsstreit dahinstehen.
Die Gerichtsstandsvereinbarung (Satz 2 der Klausel) ist unwirksam. Zum einem bleibt offen, welches Gericht in Irland zuständig und Adressat etwaiger Klagen
gegen die Beklagte wäre; es wurde gerade nicht bestimmt, dass ein bestimmtes Gericht am Sitz der Beklagten (in D…) sachlich und örtlich zuständig sei. Zum
anderen erfüllt die praktizierte Click wrapping Methode (Häkchensetzen im Zuge der Internetbuchung) nicht das Formerfordernis nach Art. 23 EuGVVO (AG
Geldern NJW-RR 2011, 1503).
Die Rechtswahlklausel (Satz 1) ist jedenfalls im Zusammenspiel mit der unwirksamen Gerichtsstandsklausel nach Satz 2 als nicht klar und verständlich im
Sinne des Art. 5 Satz 1 VO EG 91/13/EWG zu bewerten (vgl. Palandt, 71. A., § 307, Rn. 13: Summierungseffekt). Denn dem (Deutschen) Verbraucher wird zu
verstehen gegeben, dass er seine Ansprüche vor irgendeinem (nicht bestimmbaren) Gericht in Irland geltend machen müsse („Zuständigkeit irischer Gerichte")
und dieses nur nach Maßgabe des (unbekannten) irischen Rechts geschehen dürfe.
Jedenfalls bleibt zu konstatieren, dass Fluggesellschaften durch Rechtswahlklauseln den effektiven Rechtsschutz des Verbrauchers de facto beschränken und
offenbar auf den „Abschreckungseffekt" spekulieren, den die Wahl eines dem Verbraucher unbekannten Rechts typischerweise mit sich bringt (So: Mankowski,
IHR 2008, 133, 140 f. zur Rom I Verordnung, Beförderungsvertrag). Teilweise wird daher vertreten, dass die unionsrechtliche Vorgabe gebiete, dem
Verbraucher grundsätzlich denjenigen Schutz zu gewähren, der ihm durch seine Heimatrechtsordnung als Mindestschutz gewährt wird (Faber, MMR 2013, 594).
Der EUGH hat unlängst entschieden, dass die Ansprüche auf Ausgleichszahlung nicht entsprechend der zweijährigen Ausschlussfrist nach dem Montrealer
Übereinkommen verjähren, sondern entsprechend den Vorschriften des nationalen Rechts der jeweiligen Mitgliedsländer; die nationalen Verfahrensmodalitäten
müssen jedoch die Äquivalenz- und Effektivitätsgrundsätze wahren (EuGH v. 22.11.2012, C 139/11, RRa 2013, 17, JURIS: Ziff. 26, 25). Die o.g. Klauseln der
Beklagten sind jedoch darauf angelegt, die hinsichtlich der Ausgleichszahlungsansprüche an sich einschlägige dreijährige Verjährungsfrist nach Deutschem
Recht auf zwei Jahre zu begrenzen und also den von der Fluggastrechteverordnung intendierten effektiven Verbraucherschutz im Ergebnis auszuhöhlen. Dies
ist nach Ansicht des Gerichts nicht zulässig.
Dahinstehen kann daher, ob eine zu Ausgleichsansprüchen nach der Fluggastrechteverordnung führende Flugverspätung (außervertragliches Schuldverhältnis)
als Pflichtverletzung des Beförderungsvertrags (p.F.V.) eine unerlaubte Handlung im Sinne der Art. 4 Rom II Verordnung EG Nr. 864/2007 darstellt und eine
Rechtswahlvereinbarung vor Eintritt des schadensbegründenden Ereignisses daher per se unzulässig ist (Art. 14 Abs. 1 lit. a Rom II VO; vgl. Palandt, 71. A.,
Art. 4 Rom II, Rn. 3: sämtliche Haftungstatbestände, vgl. auch Art. 12 Rom II VO: c.i.c.). ..." (AG Bremen, Urteil vom 05.12.2013 - 9 C 337/13)
***
Ein Reiseveranstalter haftet für das Verschulden des eingesetzten Luftfahrtunternehmens und seines Personals, wenn dieses, nachdem der Fluggast am
Eincheckschalter mitgeteilt hat, dass ihm noch ein Koffer fehlt, der ihm aber in Kürze nachgebracht werde, nicht das rechtzeitige Einchecken des Fluggastes
veranlasst, sondern den Fluggast in der Sicherheit wiegt, er werde das Flugzeug noch rechtzeitig erreichen, ihm aber nach der Abfertigung der Zustieg am
Bordinggate verweigert wird (AG Rostock, Urteil vom 06.09.2013 - 47 C 303/12 - , juris-Orientierungssatz).
***
Ein Reiseveranstalter, bei dem lediglich der Hotelaufenthalt und nicht der Flug gebucht wurde, haftet nicht für Kosten, die dadurch entstanden sind, dass auf
einem Hotelaushang des Veranstalters eine Flugzeit mit einer angeblich geänderten Abflugszeit angegeben wurde und der dazu befragte Reiseleiter erklärte, die
geänderte Abflugzeit sei zutreffend (AG Bad Homburg, Urteil vom 18.06.2003 - 2 C 186/03, NJW-RR 2003, 1361).
***
Luftverkehrsgesetz
§ 44 Anwendungsbereich
§ 45 Haftung für Personenschäden
§ 46 Haftung bei verspäteter Personenbeförderung
§ 47 Haftung für Gepäckschäden
§ 48 Haftung auf Grund sonstigen Rechts
§ 48a Luftbeförderung durch mehrere Luftfrachtführer
§ 48b Haftung des vertraglichen und des ausführenden Luftfrachtführers
§ 49 Anzuwendende Vorschriften
§ 49a Ausschlussfrist
§ 49b Umrechnung von Rechnungseinheiten
§ 49c Unabdingbarkeit
§ 50 Obligatorische Haftpflichtversicherung
§ 51 Subsidiarität der Versicherung des vertraglichen Luftfrachtführers
§ 44 Anwendungsbereich
Für die Haftung auf Schadensersatz wegen der Tötung, der Körperverletzung oder der Gesundheitsbeschädigung eines Fluggastes durch einen Unfall, wegen
der verspäteten Beförderung eines Fluggastes oder wegen der Zerstörung, der Beschädigung, des Verlustes oder der verspäteten Beförderung seines
Reisegepäcks bei einer aus Vertrag geschuldeten Luftbeförderung sowie für die Versicherung zur Deckung dieser Haftung gelten die Vorschriften dieses
Unterabschnitts, soweit
1. das Abkommen vom 12. Oktober 1929 zur Vereinheitlichung von Regeln über die Beförderung im internationalen Luftverkehr (Erstes Abkommen zur
Vereinheitlichung des Luftprivatrechts) (RGBl. 1933 II S. 1039) (Warschauer Abkommen) und das Gesetz zur Durchführung des Ersten Abkommens zur
Vereinheitlichung des Luftprivatrechts in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 96-2, veröffentlichten bereinigten Fassung,
2. das Protokoll vom 28. September 1955 zur Änderung des Abkommens zur Vereinheitlichung von Regeln über die Beförderung im internationalen
Luftverkehr (BGBl. 1958 II S. 292),
3. das Zusatzabkommen vom 18. September 1961 zum Warschauer Abkommen zur Vereinheitlichung von Regeln über die von einem anderen als dem
vertraglichen Luftfrachtführer ausgeführte Beförderung im internationalen Luftverkehr (BGBl. 1963 II S. 1160),
4. das Übereinkommen vom 28. Mai 1999 zur Vereinheitlichung bestimmter Vorschriften über die Beförderung im internationalen Luftverkehr (BGBl. 2004 II
S. 458) (Montrealer Übereinkommen) und das Montrealer-Übereinkommen-Durchführungsgesetz vom 6. April 2004 (BGBl. I S. 550, 1027),
5. die Verordnung (EWG) Nr. 2407/92 des Rates vom 23. Juli 1992 über die Erteilung von Betriebsgenehmigungen an Luftfahrtunternehmen (ABl. EG Nr. L
240 S. 1), in der jeweils geltenden Fassung,
6. die Verordnung (EG) Nr. 2027/97 des Rates vom 9. Oktober 1997 über die Haftung von Luftfahrtunternehmen bei Unfällen (ABl. EG Nr. L 285 S. 1),
geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 889/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Mai 2002 (ABl. EG Nr. L 140 S. 2), in der jeweils
geltenden Fassung, und
7. die Verordnung (EG) Nr. 785/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 über Versicherungsanforderungen an
Luftfahrtunternehmen und Luftfahrzeugbetreiber (ABl. EU Nr. L 138 S. 1), in der jeweils geltenden Fassung,
nicht anwendbar sind oder keine Regelung enthalten.
Leitsätze/Entscheidungen:
Verwendet ein Luftfrachtführer, der eine Betriebsgenehmigung eines Mitgliedsstaats der Europäischen Gemeinschaft besitzt, in seinen Allgemeinen
Beförderungsbedingungen folgende Klauseln: "Im aufzugebenden Gepäck des Fluggastes dürfen zerbrechliche oder verderbliche Gegenstände, Computer oder
sonstige elektronische Geräte, Geld, Juwelen, Edelmetalle, Wertpapiere, Effekten und andere Wertsachen und ferner Geschäftspapiere und Muster nicht
enthalten sein; der Luftfrachtführer darf die Beförderung als aufzugebendes Gepäck verweigern. Der Luftfrachtführer haftet für Schäden an zerbrechlichen oder
verderblichen Gegenständen (Computern oder sonstigen elektronischen Geräten), Schmuck, Silbersachen, Geld, Wertpapieren, Sicherheiten oder anderen
Wertsachen, Geschäftspapieren oder Mustern, Reisepässen oder Personalausweisen, welche im aufgegebenen Gepäck des Fluggastes enthalten sind,
gleichgültig, ob mit oder ohne Wissen des Luftfrachtführers, nur, wenn er diese grob fahrlässig oder vorsätzlich verursacht hat; die Vorschriften des
(Warschauer) Abkommens bleiben unberührt.", so werden die Vertragspartner entgegen den Geboten von Treu und Glauben auf unangemessene Weise
benachteiligt. Ob eine isolierte Klausel, die es dem Luftfrachtführer erlaubt, den Inhalt des aufzugebenden Gepäcks des Fluggastes (wie vorliegend in Klausel
Nr. 1) zu beschränken, der Inhaltskontrolle standhält, bleibt offen (BGH, Urteil vom 05.12.2006 - X ZR 165/03, NJW 2007, 997 zu BGB § 307, LuftVG § 44,
MÜ Art. 17 II).
***
Die Gefährdungshaftung nach den Vorschriften des Luftverkehrsgesetzes greift nicht zu Gunsten des Geschädigten ein, der am Betrieb des Luftfahrzeugs selbst
beteiligt war. Derjenige, der sich für die technische Seite der Luftfahrt und damit auch für die gefahrenbegründenden Abläufe des Luftverkehrs interessiert,
diese Technik und diese Gefahren kennenlernen will und vor allem deshalb an einem zum Schadensereignis führenden Flug teilnimmt, kommen nicht die
Haftungserleichterungen des Luftverkehrsgesetzes zu. Ein Beförderungsvertrag liegt nicht vor, wenn ein Flug zum Zwecke der Ausübung des Flugsports
angetreten wurde (BGH, Urteil vom 15.03.2005 - VI ZR 356/03).
*** (OLG)
Fluggast ist, in Abgrenzung zum fliegenden Personal, wer nicht das Luftfahrzeug verantwortlich zu führen oder den verantwortlichen Luftfahrzeugführer dabei
zu unterstützen bzw. sonstige Dienste im Flugzeug zu verrichten hat. Fluggast eines zweisitzigen Ultraleichtflugzeugs ist auch derjenige, der während des
Fluges die Lenkung betätigt hat, wenn der Pilot als eigentlicher Flugzeughalter und -führer, der als Einziger über eine Berechtigung verfügt, ein solches
Flugzeug zu führen, verantwortlich bleibt (OLG Celle, Urteil vom 13.11.2003 - 14 U 48/03).
***
Wenn eines der Luftfahrzeuge deutlich höher fliegt als das andere, hat das höher fliegende auszuweichen. Zur Vermeidung eines Unfalles durfte der Pilot
deshalb seinen Flug nicht einfach wie geplant bis zur Landung fortsetzen. Solange er das andere Flugzeug nicht sah, musste er zumindest damit rechnen, dass es
sich in gefährlicher Nähe zu seinem eigenen Flugzeug befinden könnte, da jedem Pilot bekannt ist, dass die Sichtmöglichkeiten in derartigen Flugzeugen stark
eingeschränkt sind (OLG Brandenburg, Urteil vom 30.01.2001 - 2 U 162/96, VRS Bd. 101, 345).
§ 45 Haftung für Personenschäden
(1) Wird ein Fluggast durch einen Unfall an Bord eines Luftfahrzeugs oder beim Ein- oder Aussteigen getötet, körperlich verletzt oder gesundheitlich
geschädigt, ist der Luftfrachtführer verpflichtet, den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 haftet der Luftfrachtführer für jeden Fluggast nur bis zu einem Betrag von 100.000 Rechnungseinheiten, wenn
1. der Schaden nicht durch sein rechtswidriges und schuldhaftes Handeln oder Unterlassen oder das rechtswidrige und schuldhafte Handeln oder Unterlassen
seiner Leute verursacht wurde oder
2. der Schaden ausschließlich durch das rechtswidrige und schuldhafte Handeln oder Unterlassen eines Dritten verursacht wurde.
Der Höchstbetrag nach Satz 1 gilt auch für den Kapitalwert einer als Schadensersatz zu leistenden Rente.
(3) Übersteigen in den Fällen des Absatzes 1 die Entschädigungen, die mehreren Ersatzberechtigten wegen der Tötung, Körperverletzung oder
Gesundheitsbeschädigung eines Fluggastes zu leisten sind, insgesamt den Betrag von 100.000 Rechnungseinheiten und ist eine weitergehende Haftung des
Luftfrachtführers nach Absatz 2 ausgeschlossen, so verringern sich die einzelnen Entschädigungen in dem Verhältnis, in welchem ihr Gesamtbetrag zu diesem
Betrag steht.
Hinweis:
Für Personenschäden haft die Fluggesellschaft in Höhe des nachgewiesenen Schadens. Bis zu einem Betrag in Höhe von ca. € 116.000,00 kommt es auf die
Frage des Verschuldens nicht an.
§ 46 Haftung bei verspäteter Personenbeförderung
(1) Wird ein Fluggast verspätet befördert, ist der Luftfrachtführer verpflichtet, den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Die Haftung ist ausgeschlossen,
wenn der Luftfrachtführer und seine Leute alle zumutbaren Maßnahmen zur Vermeidung des Schadens getroffen haben oder solche Maßnahmen nicht treffen konnten.
(2) Im Falle des Absatzes 1 Satz 1 haftet der Luftfrachtführer für jeden Fluggast nur bis zu einem Betrag von 4.150 Rechnungseinheiten. Dies gilt nicht, wenn
der Schaden vom Luftfrachtführer oder seinen Leuten in Ausführung ihrer Verrichtungen vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht wurde.
§ 47 Haftung für Gepäckschäden
(1) Wird aufgegebenes Reisegepäck, das sich an Bord eines Luftfahrzeugs oder sonst in der Obhut des Luftfrachtführers befindet, zerstört oder beschädigt oder
geht es verloren, ist der Luftfrachtführer verpflichtet, den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Die Haftung ist ausgeschlossen, wenn der Schaden durch
die Eigenart des Reisegepäcks oder einen ihm innewohnenden Mangel verursacht wurde.
(2) Wird aufgegebenes Reisegepäck, das sich an Bord eines Luftfahrzeugs oder sonst in der Obhut des Luftfrachtführers befindet, verspätet befördert, ist der
Luftfrachtführer verpflichtet, den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Die Haftung ist ausgeschlossen, wenn der Luftfrachtführer und seine Leute alle
zumutbaren Maßnahmen zur Vermeidung des Schadens getroffen haben oder solche Maßnahmen nicht treffen konnten.
(3) Werden nicht aufgegebenes Reisegepäck oder andere Sachen, die der Fluggast an sich trägt oder mit sich führt, zerstört oder beschädigt oder gehen sie
verloren, ist der Luftfrachtführer verpflichtet, den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen, wenn der Schaden von dem Luftfrachtführer oder seinen Leuten
schuldhaft verursacht wurde. Werden sie verspätet befördert, gilt Absatz 2 entsprechend.
(4) In den Fällen der Absätze 1 bis 3 haftet der Luftfrachtführer für jeden Fluggast nur bis zu einem Betrag von 1.000 Rechnungseinheiten. Satz 1 gilt für
aufgegebenes Reisegepäck nicht, wenn der Fluggast bei der Übergabe an den Luftfrachtführer den Betrag des Interesses an der Ablieferung am Bestimmungsort
angegeben und das für die Haftung für dieses Interesse verlangte Entgelt gezahlt hat. In diesem Fall haftet der Luftfrachtführer bis zur Höhe des angegebenen
Betrages, es sei denn, dass dieser höher als das tatsächliche Interesse ist.
(5) Absatz 4 gilt nicht, wenn der Schaden vom Luftfrachtführer oder seinen Leuten in Ausführung ihrer Verrichtungen vorsätzlich oder grob fahrlässig
verursacht wurde.
(6) Ist aufgegebenes Reisegepäck beschädigt oder verspätet befördert worden, können Ansprüche nach Absatz 1 oder 2 nur geltend gemacht werden, wenn der
Fluggast dem Luftfrachtführer den Schaden unverzüglich nach seiner Entdeckung, bei der Beschädigung von Reisegepäck spätestens binnen sieben Tagen nach
der Annahme, bei der verspäteten Beförderung von Reisegepäck spätestens binnen 21 Tagen, nachdem das Reisegepäck dem Fluggast zur Verfügung gestellt
worden ist, schriftlich anzeigt. Dies gilt nicht, wenn der Luftfrachtführer arglistig gehandelt hat. Für die Einhaltung der Frist ist die Übergabe der Anzeige oder
ihre Absendung maßgeblich. Nimmt der Fluggast aufgegebenes Reisegepäck vorbehaltlos an, so begründet dies die Vermutung, dass es unbeschädigt
abgeliefert worden ist.
(7) Ist aufgegebenes Reisegepäck verloren gegangen, können Ansprüche nach Absatz 1 nur geltend gemacht werden, wenn der Luftfrachtführer den Verlust
anerkannt hat oder 21 Tage seit dem Tag vergangen sind, an dem das Reisegepäck hätte eintreffen sollen.
Hinweise:
Die Fluggesellschaften sind verpflichtet, Gepäckschäden, die durch Zerstörung, Beschädigung oder Verlust entstehen, bis zu einer Höhe von ca. € 1.160 zu ersetzen.
Leitsätze/Entscheidungen:
Die Gefährdungshaftung nach den Vorschriften des Luftverkehrsgesetzes greift nicht zu Gunsten des Geschädigten ein, der am Betrieb des Luftfahrzeugs selbst
beteiligt war. Derjenige, der sich für die technische Seite der Luftfahrt und damit auch für die gefahrenbegründenden Abläufe des Luftverkehrs interessiert,
diese Technik und diese Gefahren kennenlernen will und vor allem deshalb an einem zum Schadensereignis führenden Flug teilnimmt, kommen nicht die
Haftungserleichterungen des Luftverkehrsgesetzes zu. Ein Beförderungsvertrag liegt nicht vor, wenn ein Flug zum Zwecke der Ausübung des Flugsports
angetreten wurde (BGH, Urteil vom 15.03.2005 - VI ZR 356/03).
§ 48 Haftung auf Grund sonstigen Rechts
(1) Ein Anspruch auf Schadensersatz, auf welchem Rechtsgrund er auch beruht, kann gegen den Luftfrachtführer nur unter den Voraussetzungen und
Beschränkungen geltend gemacht werden, die in diesem Unterabschnitt vorgesehen sind.
(2) Die gesetzlichen Vorschriften, nach denen andere Personen für den Schaden haften, bleiben unberührt. Haben die Leute des Luftfrachtführers in Ausführung
ihrer Verrichtungen gehandelt, können sie sich jedoch auf die Voraussetzungen und Beschränkungen dieses Unterabschnitts berufen.
(3) Soweit die in diesem Unterabschnitt bestimmten Beträge die Haftung des Luftfrachtführers und seiner Leute begrenzen, darf der Gesamtbetrag, der von
ihnen als Schadensersatz zu leisten ist, diese Beträge nicht überschreiten.
§ 48a Luftbeförderung durch mehrere Luftfrachtführer
(1) Wird die Luftbeförderung nacheinander durch mehrere Luftfrachtführer ausgeführt und wird dabei ein Fluggast getötet, körperlich verletzt, gesundheitlich
geschädigt oder verspätet befördert, ist nur der Luftfrachtführer zum Schadensersatz verpflichtet, der die Luftbeförderung ausgeführt hat, in deren Verlauf der
Unfall oder die Verspätung eingetreten ist. Dies gilt nicht, wenn der erste Luftfrachtführer die Haftung für die gesamte Luftbeförderung übernommen hat.
(2) Wird bei einer Luftbeförderung nach Absatz 1 Reisegepäck zerstört oder beschädigt, geht es verloren oder wird es verspätet befördert, sind der erste, der
letzte und derjenige Luftfrachtführer zum Schadensersatz verpflichtet, der die Luftbeförderung ausgeführt hat, in deren Verlauf die Zerstörung, die
Beschädigung, der Verlust erfolgt oder die Verspätung eingetreten ist. Diese Luftfrachtführer haften als Gesamtschuldner.
§ 48b Haftung des vertraglichen und des ausführenden Luftfrachtführers
(1) Wer eine Luftbeförderung, zu der sich ein anderer verpflichtet hat, mit dessen Einverständnis ausführt (ausführender Luftfrachtführer), haftet neben dem
anderen (vertraglicher Luftfrachtführer) nach den Vorschriften dieses Unterabschnitts. Das Vorliegen des Einverständnisses wird vermutet. Der vertragliche und
der ausführende Luftfrachtführer haften als Gesamtschuldner.
(2) Führt der ausführende Luftfrachtführer die Luftbeförderung nur auf einer Teilstrecke aus, haftet er nur für Schäden, die auf dieser Teilstrecke entstehen.
(3) Die Handlungen und Unterlassungen des ausführenden Luftfrachtführers und seiner in Ausführung ihrer Verrichtungen handelnden Leute gelten als solche
des vertraglichen Luftfrachtführers. Die Handlungen und Unterlassungen des vertraglichen Luftfrachtführers und seiner in Ausführung ihrer Verrichtungen
handelnden Leute gelten als solche des ausführenden Luftfrachtführers, soweit sie sich auf die von ihm ausgeführte Luftbeförderung beziehen. Er haftet für
diese Handlungen und Unterlassungen in jedem Fall nur bis zu den Beträgen der §§ 45 bis 47. 4Eine Vereinbarung über die Übernahme von Verpflichtungen,
die in den Vorschriften dieses Unterabschnitts nicht vorgesehen sind, ein Verzicht auf die in diesen Vorschriften begründeten Rechte sowie Erklärungen eines
Interesses nach § 47 Abs. 4 Satz 2 wirken nicht gegen den ausführenden Luftfrachtführer, es sei denn, dass er zugestimmt hat.
(4) Die Schadensanzeige nach § 47 Abs. 6 kann sowohl gegenüber dem vertraglichen als auch gegenüber dem ausführenden Luftfrachtführer mit Wirkung
gegen den jeweils anderen erklärt werden.
(5) Soweit der ausführende Luftfrachtführer die Luftbeförderung vorgenommen hat, gilt wegen der Haftung der Leute des vertraglichen und des ausführenden
Luftfrachtführers § 48 Abs. 2 entsprechend; maßgeblich sind dabei die Voraussetzungen und Beschränkungen, die für den Luftfrachtführer gelten, zu dessen
Leuten sie gehören.
(6) Für die Beträge, die der vertragliche Luftfrachtführer und seine Leute sowie der ausführende Luftfrachtführer und seine Leute als Schadensersatz zu leisten
haben, gilt § 48 Abs. 3 entsprechend. Der Gesamtbetrag, der von ihnen als Schadensersatz zu leisten ist, darf den höchsten Betrag nicht überschreiten, den einer
von ihnen zu leisten verpflichtet ist. Jeder von ihnen haftet jedoch nur bis zu dem für ihn geltenden Höchstbetrag.
§ 49 Anzuwendende Vorschriften
Für die Haftung nach diesem Unterabschnitt sind im Übrigen die Vorschriften der §§ 34 bis 36 und 38 anzuwenden.
§ 49a Ausschlussfrist
Die Klage auf Schadensersatz kann nur binnen einer Ausschlussfrist von zwei Jahren erhoben werden. Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Luftfahrzeug
am Bestimmungsort angekommen ist, an dem es hätte ankommen sollen oder an dem die Luftbeförderung abgebrochen worden ist.
§ 49b Umrechnung von Rechnungseinheiten
Die in den §§ 45 bis 47 genannte Rechnungseinheit ist das Sonderziehungsrecht des Internationalen Währungsfonds. Der Betrag wird in Euro nach dem Wert
des Euro gegenüber dem Sonderziehungsrecht zum Zeitpunkt der Zahlung oder, wenn der Anspruch Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens ist, zum
Zeitpunkt der die Tatsacheninstanz abschließenden Entscheidung umgerechnet. Der Wert des Euro gegenüber dem Sonderziehungsrecht wird nach der
Berechnungsmethode ermittelt, die der Internationale Währungsfonds an dem betreffenden Tag für seine Operationen und Transaktionen anwendet.
§ 49c Unabdingbarkeit
(1) Im Falle einer entgeltlichen oder geschäftsmäßigen Luftbeförderung darf die Haftung des Luftfrachtführers nach den Vorschriften dieses Unterabschnitts im
Voraus durch Vereinbarung weder ausgeschlossen noch beschränkt werden.
(2) Eine Vereinbarung, die der Vorschrift des Absatzes 1 zuwider getroffen wird, ist nichtig. Ihre Nichtigkeit hat nicht die Nichtigkeit des gesamten Vertrages
zur Folge.
§ 50 Obligatorische Haftpflichtversicherung
(1) Der Luftfrachtführer ist verpflichtet, zur Deckung seiner Haftung auf Schadensersatz wegen der in § 44 genannten Schäden während der von ihm
geschuldeten oder der von ihm für den vertraglichen Luftfrachtführer ausgeführten Luftbeförderung eine Haftpflichtversicherung in einer durch
Rechtsverordnung zu bestimmenden Höhe zu unterhalten. Satz 1 gilt nicht, wenn die Bundesrepublik Deutschland Luftfrachtführer ist. 3Ist ein Land
Luftfrachtführer, gilt Satz 1 nur für Luftbeförderungen, auf die das Montrealer Übereinkommen anwendbar ist.
(2) Für die Haftpflichtversicherung gelten die Vorschriften für die Pflichtversicherung des Versicherungsvertragsgesetzes. § 114 des
Versicherungsvertragsgesetzes gilt nicht.
§ 51 Subsidiarität der Versicherung des vertraglichen Luftfrachtführers
Führt ein ausführender Luftfrachtführer eine Luftbeförderung für einen vertraglichen Luftfrachtführer aus, besteht eine Pflicht zur Unterhaltung einer
Haftpflichtversicherung für den vertraglichen Luftfrachtführer nur, soweit
1. der ausführende Luftfrachtführer keine Haftpflichtversicherung bei einem in Deutschland zum Geschäftsbetrieb befugten Versicherer unterhält, die den
Anforderungen der jeweils anwendbaren Vorschriften des § 50 oder des Artikels 4 Abs. 1 in Verbindung mit Artikel 6 Abs. 1 und 2 der Verordnung (EG) Nr.
785/2004 entspricht, oder
2. seine Haftung über die Haftung des ausführenden Luftfrachtführers hinausgeht.
***
Montrealer Übereinkommen (MÜ)
Das Montrealer Übereinkommen regelt die Haftung von Fluggesellschaften bei Schäden, die durch Verspätung entstehen. Außerdem gibt es Ansprüche bei
Personen- und . Die Haftung geht über die Mindestansprüche der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 hinaus.
Im Verhältnis zwischen Reiseveranstalter und Fluglinie findet das Montrealer Übereinkommen keine Anwendung (OLG Frankfurt, Urteil vom 15.11.2011 - 16
U 39/11).
Art. 17 MontÜbk - Tod und Körperverletzung von Reisenden - Beschädigung von Reisegepäck
Art. 20 MontÜbk - Haftungsbefreiung
Art. 22 MontÜbk - Haftungshöchstbeträge bei Verspätung sowie für Reisegepäck und Güter
Art. 33 MontÜbk Gerichtsstand
Art. 35 MontÜbk Ausschlussfrist
Art. 17 MontÜbk Tod und Körperverletzung von Reisenden - Beschädigung von Reisegepäck
(1) Der Luftfrachtführer hat den Schaden zu ersetzen, der dadurch entsteht, dass ein Reisender getötet oder körperlich verletzt wird, jedoch nur, wenn sich der
Unfall, durch den der Tod oder die Körperverletzung verursacht wurde, an Bord des Luftfahrzeugs oder beim Ein- oder Aussteigen ereignet hat.
(2) Der Luftfrachtführer hat den Schaden zu ersetzen, der durch Zerstörung, Verlust oder Beschädigung von aufgegebenem Reisegepäck entsteht, jedoch nur,
wenn das Ereignis, durch das die Zerstörung, der Verlust oder die Beschädigung verursacht wurde, an Bord des Luftfahrzeugs oder während eines Zeitraums
eingetreten ist, in dem sich das aufgegebene Reisegepäck in der Obhut des Luftfrachtführers befand. Der Luftfrachtführer haftet jedoch nicht, wenn und soweit
der Schaden auf die Eigenart des Reisegepäcks oder einen ihm innewohnenden Mangel zurückzuführen ist. Bei nicht aufgegebenem Reisegepäck,
einschließlich persönlicher Gegenstände, haftet der Luftfrachtführer, wenn der Schaden auf sein Verschulden oder das Verschulden seiner Leute
zurückzuführen ist.
(3) Hat der Luftfrachtführer den Verlust des aufgegebenen Reisegepäcks anerkannt oder ist das aufgegebene Reisegepäck nach Ablauf von einundzwanzig
Tagen seit dem Tag, an dem es hätte eintreffen sollen, nicht eingetroffen, so kann der Reisende die Rechte aus dem Beförderungsvertrag gegen den
Luftfrachtführer geltend machen.
(4) Vorbehaltlich entgegenstehender Bestimmungen bezeichnet in diesem Übereinkommen der Begriff "Reisegepäck" sowohl aufgegebenes als auch nicht
aufgegebenes Reisegepäck.
Hinweise:
Die Fluggesellschaften sind verpflichtet, Gepäckschäden, die durch Zerstörung, Beschädigung oder Verlust entstehen, bis zu einer Höhe von ca. € 1.160 zu ersetzen.
*** (BGH)
Die Berechtigung für einen Anspruch aus Art. 17 Abs. 2 Satz 1 MÜ kann nicht an die Dokumentation der Gepäckaufgabe durch einen Gepäckschein geknüpft
werden. Entscheidend ist allein, dass der Reisende tatsächlich Gepäck in die Obhut des Luftfrachtführers gegeben hat. Dies kann auch in der Weise
geschehen, dass das Gepäck von einem anderen Mitreisenden in einem seiner Gepäckstücke mit aufgegeben wird (BGH, Urteil vom 15.03.2011 - X ZR 99/10
zu MÜ Art. 17 Abs. 2, Art. 3 Abs. 3, Art. 22 Abs. 2).
*** (LG)
„... Die Klägerin hat erstinstanzlich Verurteilung der Beklagten aus abgeleitetem Recht unter Beruf auf Art. 17 Abs. 2 des Montrealer Abkommens (MÜ) i.V.m.
§ 86 VVG wegen eines abhanden gekommenen Koffers ihres Versicherungsnehmers, des Zeugen L, begehrt. Nach klägerseitiger Rücknahme eines
Antrages zu vorgerichtlichen Kosten hat das Amtsgericht zunächst im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 01.12.2011 Versäumnisurteil gegen die
Beklagte erlassen und nach zulässigerweise erhobenem Einspruch der Beklagten mit Urteil vom 09.02.2012 das Versäumnisurteil vom 01.12.2011
aufrechterhalten. Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird nach Maßgabe des § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen.
Mit ihrer Berufung begehrt die Beklagte unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils und Aufhebung des Versäumnisurteils vom 01.12.2011 die Abweisung
der Klage.
In zweiter Instanz streiten die Parteien weiter um die bereits in erster Instanz maßgeblichen Rechtsfragen, wobei die Beklagte den Inhalt des verlorenen Koffers
sowie den Wert der enthaltenen Gegenstände nicht weiter bestreitet.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen
sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 05.02.2013 Bezug genommen.
Die verfahrensrechtlich bedenkenfreie Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch zu, der sich aus Art. 17 Abs.
2 S. 1 MÜ i.V.m. 86 VVG ergibt.
Diesem Anspruch stehen weder die Regelungen in Art. 17 Abs. 2 bzw. 20 MÜ, noch die Allgemeinen Beförderungsbedingungen (ABB) der Beklagten, hier
15.3.5 ABB, entgegen.
Ein Ausschluss des Anspruches ergibt sich zunächst nicht aus Art. 17 Abs. 2 MÜ. Die Beklagte geht fehl in ihrer Ansicht, dass ohne ihr Wissen und entgegen
ihrer ABB im aufgegebenen Gepäck beförderte Gegenstände nicht in ihre ‚Obhut' i.S.d. Art. 17 Abs. 2 MÜ gelangt seien.
Diese Auslegung des Begriffes der Obhut ist schon deshalb abzulehnen, weil die Frage einer Inobhutnahme bzw. des Befindlichseins eines Gegenstandes in der
Obhut des Luftfrachtführers unabhängig davon zu beurteilen sein muss, ob der Luftfrachtführer Kenntnis davon hat, was sich genau in einem aufgegebenen
Gepäckstück befindet oder nicht. Die Ansicht der Beklagten würde nämlich dazu führen, dass entweder der Luftfrachtführer nur einen Teil des aufgegebenen
Gepäckstückes in Obhut hätte, im Fall hier etwa den Koffer selbst, fünf Hemden, eine Jeans usw., jedoch nicht den Rechner und das Fernglas oder die Beklagte
den ganzen Koffer wegen Beinhaltens bestimmter, ihm nicht bekannter Gegenstände nicht in Obhut genommen hat. Eine solche Auslegung des Begriffes
‚Obhut' ist fernliegend. Ihr stünde im Übrigen aber auch entgegen, dass in diesem Fall Luftfrachtführer bei einem solchen Verständnis über entsprechende
Formulierung von Allgemeinen Geschäfts- bzw. Beförderungsbedingungen das (gemäß Art. 26 MÜ zwingende) Haftungsregime des MÜ umgehen könnten, in
dem sie in ihren AGB/ABB die Mitnahme bestimmter Kategorien von Gegenständen untersagten. Dem Umstand, dass ein Luftfrachtführer in Unkenntnis über
den genauen, ggfs. gefahrerhöhenden Inhalt eines zu befördernden Gepäckstückes ist, trägt vielmehr allein Art. 20 MÜ Rechnung.
Aber auch nach dieser Regelung des Art. 20 MÜ ist eine Haftung der Beklagten nicht ausgeschlossen.
Zunächst scheitert der diesbezügliche Beruf der Beklagten darauf, dass die Mitnahme von in Art. 8.4 bzw. 15.3.5 (b) ABB bezeichneten Gegenständen
untersagt gewesen sei und daher eine ‚unrechtmäßige Handlung' des Versicherungsnehmers der Klägerin i.S.d. Art. 20 MÜ gegeben sei. Denn eine
‚unrechtmäßige Handlung' i.S.d. Art. 20 MÜ des grundsätzlich Schadensersatzberechtigten kann nicht schon in jedwedem Verstoß gegen AGB/ABB des
Luftfrachtführers gesehen werden, weil es dieser ansonsten wiederum in der Hand hätte, durch eine etwa Art. 8.4 und 15.3.5 (b) ABB vergleichbare Regelung
eine Obliegenheitspflichtverletzung zu konstruieren und auf diese Weise das zwingende Recht des Art. 17 Abs. 2 MÜ auszuhebeln.
Aber auch im Übrigen scheitert ein Beruf auf Art. 20 MÜ, weil ein schadenskausales Mitverschulden des Versicherungsnehmers der Klägerin seitens der
Beklagten nicht ausreichend vorgetragen worden ist.
Dies gilt zunächst für den Vortrag des Risikos von Beschädigungen durch Kälte, Feuchte oder Stöße, da sich ein solches Risiko nicht verwirklicht hat.
Aber auch die Ausführungen zur Unterschlagungs- bzw. Diebstahlsproblematik sind unzureichend. Denn für eine Kürzung oder einen Ausschluss eines
klägerseitigen Anspruches wäre zunächst Voraussetzung, dass feststände bzw. zunächst überhaupt vorgetragen wäre, dass der Koffer gestohlen wurde (die
durch das AG Baden-Baden, Urteil vom 28.07.1999, 6 C 58/98, angestellten Plausibilitätserwägungen können diesbezüglich nicht als ausreichend angesehen
werden - die Entscheidungen OLG Frankfurt, Beschluss vom 25.06.2012, Az.: 16 U 66/12 m.w.N. und AG Charlottenburg, Urteile vom 08.09.2009, Az.: 216 C
141/09, und 09.09.2009, Az.: 207 C 242/09 gehen in vergleichbaren Sachverhalten auf diese Frage nicht ein). Denn einen Diebstahl oder eine Unterschlagung
konkret des streitgegenständlichen Koffers hat die Beklagte erstinstanzlich nicht behauptet. Vielmehr hat sie sich auf allgemeine Ausführungen beschränkt, dass
der Grund für die Verschollenheit von Gepäckstücken allgemein entweder in einem Diebstahl oder einer Unterschlagung oder auch darin liegen könnte, dass
ein nicht identifiziertes Gepäckstück in einem Fundlager irgendwo in der Welt ‚verstaubt'. Erst in zweiter Instanz erfolgt konkret bezogen auf das
streitgegenständliche Gepäckstück der Vortrag, dass letztlich offenbleiben könne, was Ursache für die Verschollenheit des Koffers sei, da er entweder gestohlen
oder unterschlagen wurde oder als Fundsache in einem Lager eines Luftfahrtunternehmens ruhe. Abgesehen jedoch davon, dass dieser Vortrag mit Blick auf §
531 Abs. 2 ZPO nicht mehr berücksichtigungsfähig ist, ist dieser auch als nicht erheblich anzusehen. Denn trotz näherer Ausführungen der Beklagten hierzu ist
nicht erkennbar, aufgrund welcher Umstände sie einen anderen Grund als Diebstahl bzw. Unterschlagung des Koffers oder dessen Lagern in einem Fundbüro
als Grund für die Unauffindbarkeit des Koffers ausschließen kann. Etwa wäre auch eine mutwillige Zerstörung oder eine mutwillige oder versehentliche
Entsorgung des Koffers denkbar. Ihr Vortrag stellt damit bzw. in Ansehung dessen, dass sie keinerlei Kenntnis über das Schicksal des Koffers hat, eine bloße
Mutmaßung dar, die keine erhebliche Behauptung eines bestimmten Sachverhaltes stützen kann.
Ein im Rahmen des Art. 20 MÜ beachtliches Verschulden des Versicherungsnehmers der Klägerin kann - jenseits des auch hier zu berücksichtigenden
Umstandes eines nicht erheblichen Vortrages zum Schicksal des Koffers - weiterhin nicht darin gesehen werden, dass dieser unvollständige Angaben zu Inhalt
und daher inzident auch zum Gewicht des verlorenen Koffers gemacht hat. Zum einen trägt die Beklagte selbst das Gewicht des Koffers vor. Ihr war dieses also
zur Gepäckrecherche bekannt und kann daher für den Verlust des Koffers nicht kausal geworden sein. Zum Anderen ist aber auch - ohne entsprechenden
Hinweis auf die Wichtigkeit solcherlei Angaben für die Gepäckrecherche (und nicht nur für die Ermittlung der Schadenshöhe), wie es hier nicht erfolgt ist -
keine Pflichtverletzung des Versicherungsnehmers der Klägerin darin ersehbar, dass dieser bei der Angabe des verlorenen Gutes nicht auch ‚die letzte
Unterhose' (Zitat Kläger) angegeben hat. Für den Versicherungsnehmer war aus dem Text des Vordruckes (vgl. Bl. 15 d.A.) in keiner Weise ersichtlich, dass
Informationen zu Gegenständen geringen Wertes im Rahmen der Kofferfahndung benutzt würden bzw. aus der Angabe von Gegenständen in seinem Koffer auf
das Gewicht des Koffers geschätzt würde und dieser Schätzwert ins Suchsystem eingespeist werden würde. Ohne eindeutigen Hinweis hierauf im ‚baggage
inventory form' ist deshalb ein Mitverschulden des Versicherungsnehmers der Klägerin nicht herleitbar. Im Übrigen ist der Vortrag der Beklagten zur Kausalität
der Nichtangabe von Unterwäsche etc. für die Koffersuche (jenseits der Gewichtsproblematik) unzureichend.
Auch aus dem Umstand, dass der Versicherungsnehmer der Klägerin keinen Adresszettel an seinem Koffer angebracht hatte, folgt - wiederum zusätzlich zum
Umstand eines nicht erheblichen Vortrages zum Schicksal des Koffers - kein Ausschluss bzw. keine Kürzung des Anspruches der Klägerin. Die Beklagte hat es
nämlich im Rahmen ihrer Ausführungen zu Pflichten des Fluggastes und Mehrfachredundanzen von Identifizierungsmarken unterlassen zu behaupten, dass der
‚baggage tag' tatsächlich auch vom Koffer des Versicherungsnehmers abgerissen oder abgefallen war und es daher für das Wiederauffinden des Koffers auf
einen zusätzlichen Adresszettel am Koffer angekommen sei bzw. der Koffer gerade aufgrund des fehlenden zusätzlichen Namensschildchens unauffindbar
geblieben sei. Dies wäre ihr im Übrigen aber auch hier gar nicht möglich gewesen, weil das Behaupten des Verlustes des ‚baggage tag' in Ansehung dessen,
dass die Beklagte keinerlei Informationen zu dieser Frage besitzt, wiederum als bloße Mutmaßung und nicht als erhebliche Behauptung eines bestimmten
Sachverhaltes anzusehen wäre.
Der klägerseitige Anspruch scheitert schließlich auch nicht an den beklagtenseitig verwendeten ABB. Dabei käme hier überhaupt nur der Beruf auf Buchstabe
(b) des Art. 15.3.5 ABB infrage, denn Buchstabe (a) stellt eine Wiederholung der Regelung in Art. 17 Abs. 2 MÜ dar und Buchstabe (c) betrifft nicht den Fall
eines Gepäckdiebstahles (es gälten jedoch ansonsten die folgenden Erwägungen auch für 15.3.5 Buchstabe (c) ABB, dessen Wirksamkeit im Übrigen auch
deswegen infrage zu stellen ist, als dass hier entgegen Art. 20, 26 MÜ eine verschuldensunabhängige Gefährdungshaftung für den Fluggast bestimmt wird.).
Ungeachtet der Tatsache, dass nach dem insoweit klaren Wortlaut des Art. 15.3.5 (b) ABB nur die Haftung für die dort bezeichneten Kataloggegenstände (hier:
Laptop, Fernglas (und Fotoapparat)) ausgeschlossen ist, aber nicht auch die Haftung für Koffer und übrigen Kofferinhalt, ist die Bestimmung des Art 15.3.5 (b)
ABB (auch in Ansehung der Existenz von IATA-Listen zu ‚Handgepäck-Gegenständen') als nach § 307 Abs. 1 und 2 BGB unwirksam anzusehen. Denn diese
Vertragsbedingung verstößt auch unter Berücksichtigung von Art. 20 MÜ gegen das zwingende Recht der Art. 17 Abs. 2, 20, 26 MÜ. Denn in Art. 15.3.5. (b)
ABB wird - unabhängig von der konkreten Eigenschaft bzw. des Wertes aufgegebenen Gutes, das unter die in Art. 15.3.5 (b) ABB bzw. in Art. 8.4 ABB fällt -
eine Haftung der Beklagten ausgeschlossen. Es würde demnach eine Haftung für jegliche unterfallende Gegenstände völlig unabhängig vom Wert der Sache
entfallen. Auch die Aufgabe wertarmer und transportunempfindlicher Gegenstände wie etwa Medikamente, ältere, quasi wertlose Rechner oder erkennbar
billiger Modeschmuck, führte nach dieser Bestimmung zu einem Ausschluss der Gefährdungshaftung. Weiterhin ist auch zu berücksichtigen, dass Art. 20 MÜ
ein Kausalerfordernis enthält, was Art. 15.3.5 (b) ABB nicht wiedergibt. Insoweit steht die Sicht der Kammer in Übereinstimmung mit derjenigen des OLG
Köln (Urteil vom 11.04.2003, Az.: 6 U 206/02, vorgehend zu BGH, Urteil vom 05.12.22006, X ZR 165/03), in der dieses ausführt:
‚Denn es mag zwar richtig sein, dass im Einzelfall wie z.B. in den vom Landgericht Köln (ZLW 1988, 265 ff.) und vom Amtsgericht Baden-Baden (RRa 1999,
216 f.) entschiedenen Sachverhalten ein Verschulden des Fluggastes derart überwiegen kann, dass die ansonsten grundsätzlich gegebene Haftung des
Luftfrachtführers nach § 254 Abs. 1 BGB gänzlich ausgeschlossen sein kann. Das hängt jedoch von der konkreten Gewichtung der Verursachungs- und
Verschuldensbeiträge ab, während die Beklagte in ihrem Beförderungsbedingungen in strukturell unterschiedlicher Form den generellen Ausschluss der
Haftung für leichte Fahrlässigkeit ohne Rücksicht auf die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles erreichen möchte. Das benachteiligt den Fluggast
unangemessen, weil Fallkonstellationen denkbar sind, in denen die Abwägung nach § 254 Abs. 1 BGB zu einer Schadensverteilung auf beide Parteien und nicht
zum Haftungsausschluss eines Schadensverursachers führen muss. So kann es im Einzelfall insbesondere einen Unterschied machen, ob der Fluggast Sachen
wie etwa Schmuck, Kunstgegenstände oder Bargeld in das aufzugebende Gepäck packt, die namentlich wegen des Diebstahls- oder des Beschädigungsrisikos
für jedermann erkennbar nicht im aufzugebenden Reisegepäck, sondern im Handgepäck mit sich zu führen sind, oder ob es sich um dem Regelungsbereich der
Beförderungsbedingung unterfallende elektronische Gegenstände wie z.B. ein Mobiltelefon, ein elektronischer Reisewecker oder ein Diktiergerät handelt, deren
Aufgabe als Reisegepäck nicht von vorneherein und zwingend ein besonders nachlässiges Verhalten des Fluggastes indiziert.' ..." (LG Köln, Urteil vom 12.
März 2013 - 11 S 250/12)
***
Art. 20 MontÜbk - Haftungsbefreiung
Weist der Luftfrachtführer nach, dass die Person, die den Schadenersatzanspruch erhebt, oder ihr Rechtsvorgänger den Schaden durch eine unrechtmäßige
Handlung oder Unterlassung, sei es auch nur fahrlässig, verursacht oder dazu beigetragen hat, so ist der Luftfrachtführer ganz oder teilweise von seiner Haftung
gegenüber dieser Person insoweit befreit, als diese Handlung oder Unterlassung den Schaden verursacht oder dazu beigetragen hat. Verlangt eine andere Person
als der Reisende wegen dessen Tod oder Körperverletzung Schadenersatz, so ist der Luftfrachtführer ganz oder teilweise von seiner Haftung insoweit befreit,
als er nachweist, dass eine unrechtmäßige Handlung oder Unterlassung des Reisen den, sei es auch nur fahrlässig, den Schaden verursacht oder dazu
beigetragen hat. Dieser Artikel gilt für all Haftungsbestimmungen in diesem Übereinkommen einschließlich Artikel 21 Absatz 1.
Leitsätze/Entscheidungen:
„... Die Klägerin hat erstinstanzlich Verurteilung der Beklagten aus abgeleitetem Recht unter Beruf auf Art. 17 Abs. 2 des Montrealer Abkommens (MÜ) i.V.m.
§ 86 VVG wegen eines abhanden gekommenen Koffers ihres Versicherungsnehmers, des Zeugen L, begehrt. Nach klägerseitiger Rücknahme eines
Antrages zu vorgerichtlichen Kosten hat das Amtsgericht zunächst im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 01.12.2011 Versäumnisurteil gegen die
Beklagte erlassen und nach zulässigerweise erhobenem Einspruch der Beklagten mit Urteil vom 09.02.2012 das Versäumnisurteil vom 01.12.2011
aufrechterhalten. Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird nach Maßgabe des § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen.
Mit ihrer Berufung begehrt die Beklagte unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils und Aufhebung des Versäumnisurteils vom 01.12.2011 die Abweisung
der Klage.
In zweiter Instanz streiten die Parteien weiter um die bereits in erster Instanz maßgeblichen Rechtsfragen, wobei die Beklagte den Inhalt des verlorenen Koffers
sowie den Wert der enthaltenen Gegenstände nicht weiter bestreitet.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen
sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 05.02.2013 Bezug genommen.
Die verfahrensrechtlich bedenkenfreie Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch zu, der sich aus Art. 17 Abs.
2 S. 1 MÜ i.V.m. 86 VVG ergibt.
Diesem Anspruch stehen weder die Regelungen in Art. 17 Abs. 2 bzw. 20 MÜ, noch die Allgemeinen Beförderungsbedingungen (ABB) der Beklagten, hier
15.3.5 ABB, entgegen.
Ein Ausschluss des Anspruches ergibt sich zunächst nicht aus Art. 17 Abs. 2 MÜ. Die Beklagte geht fehl in ihrer Ansicht, dass ohne ihr Wissen und entgegen
ihrer ABB im aufgegebenen Gepäck beförderte Gegenstände nicht in ihre ‚Obhut' i.S.d. Art. 17 Abs. 2 MÜ gelangt seien.
Diese Auslegung des Begriffes der Obhut ist schon deshalb abzulehnen, weil die Frage einer Inobhutnahme bzw. des Befindlichseins eines Gegenstandes in der
Obhut des Luftfrachtführers unabhängig davon zu beurteilen sein muss, ob der Luftfrachtführer Kenntnis davon hat, was sich genau in einem aufgegebenen
Gepäckstück befindet oder nicht. Die Ansicht der Beklagten würde nämlich dazu führen, dass entweder der Luftfrachtführer nur einen Teil des aufgegebenen
Gepäckstückes in Obhut hätte, im Fall hier etwa den Koffer selbst, fünf Hemden, eine Jeans usw., jedoch nicht den Rechner und das Fernglas oder die Beklagte
den ganzen Koffer wegen Beinhaltens bestimmter, ihm nicht bekannter Gegenstände nicht in Obhut genommen hat. Eine solche Auslegung des Begriffes
‚Obhut' ist fernliegend. Ihr stünde im Übrigen aber auch entgegen, dass in diesem Fall Luftfrachtführer bei einem solchen Verständnis über entsprechende
Formulierung von Allgemeinen Geschäfts- bzw. Beförderungsbedingungen das (gemäß Art. 26 MÜ zwingende) Haftungsregime des MÜ umgehen könnten, in
dem sie in ihren AGB/ABB die Mitnahme bestimmter Kategorien von Gegenständen untersagten. Dem Umstand, dass ein Luftfrachtführer in Unkenntnis über
den genauen, ggfs. gefahrerhöhenden Inhalt eines zu befördernden Gepäckstückes ist, trägt vielmehr allein Art. 20 MÜ Rechnung.
Aber auch nach dieser Regelung des Art. 20 MÜ ist eine Haftung der Beklagten nicht ausgeschlossen.
Zunächst scheitert der diesbezügliche Beruf der Beklagten darauf, dass die Mitnahme von in Art. 8.4 bzw. 15.3.5 (b) ABB bezeichneten Gegenständen
untersagt gewesen sei und daher eine ‚unrechtmäßige Handlung' des Versicherungsnehmers der Klägerin i.S.d. Art. 20 MÜ gegeben sei. Denn eine
‚unrechtmäßige Handlung' i.S.d. Art. 20 MÜ des grundsätzlich Schadensersatzberechtigten kann nicht schon in jedwedem Verstoß gegen AGB/ABB des
Luftfrachtführers gesehen werden, weil es dieser ansonsten wiederum in der Hand hätte, durch eine etwa Art. 8.4 und 15.3.5 (b) ABB vergleichbare Regelung
eine Obliegenheitspflichtverletzung zu konstruieren und auf diese Weise das zwingende Recht des Art. 17 Abs. 2 MÜ auszuhebeln.
Aber auch im Übrigen scheitert ein Beruf auf Art. 20 MÜ, weil ein schadenskausales Mitverschulden des Versicherungsnehmers der Klägerin seitens der
Beklagten nicht ausreichend vorgetragen worden ist.
Dies gilt zunächst für den Vortrag des Risikos von Beschädigungen durch Kälte, Feuchte oder Stöße, da sich ein solches Risiko nicht verwirklicht hat.
Aber auch die Ausführungen zur Unterschlagungs- bzw. Diebstahlsproblematik sind unzureichend. Denn für eine Kürzung oder einen Ausschluss eines
klägerseitigen Anspruches wäre zunächst Voraussetzung, dass feststände bzw. zunächst überhaupt vorgetragen wäre, dass der Koffer gestohlen wurde (die
durch das AG Baden-Baden, Urteil vom 28.07.1999, 6 C 58/98, angestellten Plausibilitätserwägungen können diesbezüglich nicht als ausreichend angesehen
werden - die Entscheidungen OLG Frankfurt, Beschluss vom 25.06.2012, Az.: 16 U 66/12 m.w.N. und AG Charlottenburg, Urteile vom 08.09.2009, Az.: 216 C
141/09, und 09.09.2009, Az.: 207 C 242/09 gehen in vergleichbaren Sachverhalten auf diese Frage nicht ein). Denn einen Diebstahl oder eine Unterschlagung
konkret des streitgegenständlichen Koffers hat die Beklagte erstinstanzlich nicht behauptet. Vielmehr hat sie sich auf allgemeine Ausführungen beschränkt, dass
der Grund für die Verschollenheit von Gepäckstücken allgemein entweder in einem Diebstahl oder einer Unterschlagung oder auch darin liegen könnte, dass
ein nicht identifiziertes Gepäckstück in einem Fundlager irgendwo in der Welt ‚verstaubt'. Erst in zweiter Instanz erfolgt konkret bezogen auf das
streitgegenständliche Gepäckstück der Vortrag, dass letztlich offenbleiben könne, was Ursache für die Verschollenheit des Koffers sei, da er entweder gestohlen
oder unterschlagen wurde oder als Fundsache in einem Lager eines Luftfahrtunternehmens ruhe. Abgesehen jedoch davon, dass dieser Vortrag mit Blick auf §
531 Abs. 2 ZPO nicht mehr berücksichtigungsfähig ist, ist dieser auch als nicht erheblich anzusehen. Denn trotz näherer Ausführungen der Beklagten hierzu ist
nicht erkennbar, aufgrund welcher Umstände sie einen anderen Grund als Diebstahl bzw. Unterschlagung des Koffers oder dessen Lagern in einem Fundbüro
als Grund für die Unauffindbarkeit des Koffers ausschließen kann. Etwa wäre auch eine mutwillige Zerstörung oder eine mutwillige oder versehentliche
Entsorgung des Koffers denkbar. Ihr Vortrag stellt damit bzw. in Ansehung dessen, dass sie keinerlei Kenntnis über das Schicksal des Koffers hat, eine bloße
Mutmaßung dar, die keine erhebliche Behauptung eines bestimmten Sachverhaltes stützen kann.
Ein im Rahmen des Art. 20 MÜ beachtliches Verschulden des Versicherungsnehmers der Klägerin kann - jenseits des auch hier zu berücksichtigenden
Umstandes eines nicht erheblichen Vortrages zum Schicksal des Koffers - weiterhin nicht darin gesehen werden, dass dieser unvollständige Angaben zu Inhalt
und daher inzident auch zum Gewicht des verlorenen Koffers gemacht hat. Zum einen trägt die Beklagte selbst das Gewicht des Koffers vor. Ihr war dieses also
zur Gepäckrecherche bekannt und kann daher für den Verlust des Koffers nicht kausal geworden sein. Zum Anderen ist aber auch - ohne entsprechenden
Hinweis auf die Wichtigkeit solcherlei Angaben für die Gepäckrecherche (und nicht nur für die Ermittlung der Schadenshöhe), wie es hier nicht erfolgt ist -
keine Pflichtverletzung des Versicherungsnehmers der Klägerin darin ersehbar, dass dieser bei der Angabe des verlorenen Gutes nicht auch ‚die letzte
Unterhose' (Zitat Kläger) angegeben hat. Für den Versicherungsnehmer war aus dem Text des Vordruckes (vgl. Bl. 15 d.A.) in keiner Weise ersichtlich, dass
Informationen zu Gegenständen geringen Wertes im Rahmen der Kofferfahndung benutzt würden bzw. aus der Angabe von Gegenständen in seinem Koffer auf
das Gewicht des Koffers geschätzt würde und dieser Schätzwert ins Suchsystem eingespeist werden würde. Ohne eindeutigen Hinweis hierauf im ‚baggage
inventory form' ist deshalb ein Mitverschulden des Versicherungsnehmers der Klägerin nicht herleitbar. Im Übrigen ist der Vortrag der Beklagten zur Kausalität
der Nichtangabe von Unterwäsche etc. für die Koffersuche (jenseits der Gewichtsproblematik) unzureichend.
Auch aus dem Umstand, dass der Versicherungsnehmer der Klägerin keinen Adresszettel an seinem Koffer angebracht hatte, folgt - wiederum zusätzlich zum
Umstand eines nicht erheblichen Vortrages zum Schicksal des Koffers - kein Ausschluss bzw. keine Kürzung des Anspruches der Klägerin. Die Beklagte hat es
nämlich im Rahmen ihrer Ausführungen zu Pflichten des Fluggastes und Mehrfachredundanzen von Identifizierungsmarken unterlassen zu behaupten, dass der
‚baggage tag' tatsächlich auch vom Koffer des Versicherungsnehmers abgerissen oder abgefallen war und es daher für das Wiederauffinden des Koffers auf
einen zusätzlichen Adresszettel am Koffer angekommen sei bzw. der Koffer gerade aufgrund des fehlenden zusätzlichen Namensschildchens unauffindbar
geblieben sei. Dies wäre ihr im Übrigen aber auch hier gar nicht möglich gewesen, weil das Behaupten des Verlustes des ‚baggage tag' in Ansehung dessen,
dass die Beklagte keinerlei Informationen zu dieser Frage besitzt, wiederum als bloße Mutmaßung und nicht als erhebliche Behauptung eines bestimmten
Sachverhaltes anzusehen wäre.
Der klägerseitige Anspruch scheitert schließlich auch nicht an den beklagtenseitig verwendeten ABB. Dabei käme hier überhaupt nur der Beruf auf Buchstabe
(b) des Art. 15.3.5 ABB infrage, denn Buchstabe (a) stellt eine Wiederholung der Regelung in Art. 17 Abs. 2 MÜ dar und Buchstabe (c) betrifft nicht den Fall
eines Gepäckdiebstahles (es gälten jedoch ansonsten die folgenden Erwägungen auch für 15.3.5 Buchstabe (c) ABB, dessen Wirksamkeit im Übrigen auch
deswegen infrage zu stellen ist, als dass hier entgegen Art. 20, 26 MÜ eine verschuldensunabhängige Gefährdungshaftung für den Fluggast bestimmt wird.).
Ungeachtet der Tatsache, dass nach dem insoweit klaren Wortlaut des Art. 15.3.5 (b) ABB nur die Haftung für die dort bezeichneten Kataloggegenstände (hier:
Laptop, Fernglas (und Fotoapparat)) ausgeschlossen ist, aber nicht auch die Haftung für Koffer und übrigen Kofferinhalt, ist die Bestimmung des Art 15.3.5 (b)
ABB (auch in Ansehung der Existenz von IATA-Listen zu ‚Handgepäck-Gegenständen') als nach § 307 Abs. 1 und 2 BGB unwirksam anzusehen. Denn diese
Vertragsbedingung verstößt auch unter Berücksichtigung von Art. 20 MÜ gegen das zwingende Recht der Art. 17 Abs. 2, 20, 26 MÜ. Denn in Art. 15.3.5. (b)
ABB wird - unabhängig von der konkreten Eigenschaft bzw. des Wertes aufgegebenen Gutes, das unter die in Art. 15.3.5 (b) ABB bzw. in Art. 8.4 ABB fällt -
eine Haftung der Beklagten ausgeschlossen. Es würde demnach eine Haftung für jegliche unterfallende Gegenstände völlig unabhängig vom Wert der Sache
entfallen. Auch die Aufgabe wertarmer und transportunempfindlicher Gegenstände wie etwa Medikamente, ältere, quasi wertlose Rechner oder erkennbar
billiger Modeschmuck, führte nach dieser Bestimmung zu einem Ausschluss der Gefährdungshaftung. Weiterhin ist auch zu berücksichtigen, dass Art. 20 MÜ
ein Kausalerfordernis enthält, was Art. 15.3.5 (b) ABB nicht wiedergibt. Insoweit steht die Sicht der Kammer in Übereinstimmung mit derjenigen des OLG
Köln (Urteil vom 11.04.2003, Az.: 6 U 206/02, vorgehend zu BGH, Urteil vom 05.12.22006, X ZR 165/03), in der dieses ausführt:
‚Denn es mag zwar richtig sein, dass im Einzelfall wie z.B. in den vom Landgericht Köln (ZLW 1988, 265 ff.) und vom Amtsgericht Baden-Baden (RRa 1999,
216 f.) entschiedenen Sachverhalten ein Verschulden des Fluggastes derart überwiegen kann, dass die ansonsten grundsätzlich gegebene Haftung des
Luftfrachtführers nach § 254 Abs. 1 BGB gänzlich ausgeschlossen sein kann. Das hängt jedoch von der konkreten Gewichtung der Verursachungs- und
Verschuldensbeiträge ab, während die Beklagte in ihrem Beförderungsbedingungen in strukturell unterschiedlicher Form den generellen Ausschluss der
Haftung für leichte Fahrlässigkeit ohne Rücksicht auf die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles erreichen möchte. Das benachteiligt den Fluggast
unangemessen, weil Fallkonstellationen denkbar sind, in denen die Abwägung nach § 254 Abs. 1 BGB zu einer Schadensverteilung auf beide Parteien und nicht
zum Haftungsausschluss eines Schadensverursachers führen muss. So kann es im Einzelfall insbesondere einen Unterschied machen, ob der Fluggast Sachen
wie etwa Schmuck, Kunstgegenstände oder Bargeld in das aufzugebende Gepäck packt, die namentlich wegen des Diebstahls- oder des Beschädigungsrisikos
für jedermann erkennbar nicht im aufzugebenden Reisegepäck, sondern im Handgepäck mit sich zu führen sind, oder ob es sich um dem Regelungsbereich der
Beförderungsbedingung unterfallende elektronische Gegenstände wie z.B. ein Mobiltelefon, ein elektronischer Reisewecker oder ein Diktiergerät handelt, deren
Aufgabe als Reisegepäck nicht von vorneherein und zwingend ein besonders nachlässiges Verhalten des Fluggastes indiziert.' ..." (LG Köln, Urteil vom 12.
März 2013 - 11 S 250/12)
Art. 22 MontÜbk - Haftungshöchstbeträge bei Verspätung sowie für Reisegepäck und Güter
(1) Für Verspätungsschäden im Sinne des Artikels 19 haftet der Luftfrachtführer bei der Beförderung von Personen nur bis zu einem Betrag von 4.150
Sonderziehungsrechten je Reisenden.
(2) Bei der Beförderung von Reisegepäck haftet der Luftfrachtführer für Zerstörung, Verlust, Beschädigung oder Verspätung nur bis zu einem Betrag von 1.000
Sonderziehungsrechten je Reisenden; diese Beschränkung gilt nicht, wenn der Reisende bei der Übergabe des aufgegebenen Reisegepäcks an den
Luftfrachtführer das Interesse an der Ablieferung am Bestimmungsort betragsmäßig angegeben und den verlangten Zuschlag entrichtet hat. In diesem Fall hat
der Luftfrachtführer bis zur Höhe des angegebenen Betrags Ersatz zu leisten, sofern er nicht nachweist, dass dieser höher ist als das tatsächliche Interesse des
Reisenden an der Ablieferung am Bestimmungsort.
(3) Bei der Beförderung von Gütern haftet der Luftfrachtführer für Zerstörung, Verlust, Beschädigung oder Verspätung nur bis zu einem Betrag von 17
Sonderziehungsrechten für das Kilogramm; diese Beschränkung gilt nicht, wenn der Absender bei der Übergabe des Frachtstücks an den Luftfrachtführer das
Interesse an der Ablieferung am Bestimmungsort betragsmäßig angegeben und den verlangten Zuschlag entrichtet hat. In diesem Fall hat der Luftfrachtführer
bis zur Höhe des angegebenen Betrags Ersatz zu leisten, sofern er nicht nachweist, dass dieser höher ist als das tatsächliche Interesse des Absenders an der
Ablieferung am Bestimmungsort.
(4) Im Fall der Zerstörung, des Verlusts, der Beschädigung oder der Verspätung eines Teiles der Güter oder irgendeines darin enthaltenen Gegenstands ist für
die Feststellung, bis zu welchem Betrag der Luftfrachtführer haftet, nur das Gesamtgewicht der betroffenen Frachtstücke maßgebend. Beeinträchtigt jedoch die
Zerstörung, der Verlust, die Beschädigung oder die Verspätung eines Teiles der Güter oder eines darin enthaltenen Gegenstands den Wert anderer Frachtstücke,
die in demselben Luftfrachtbrief oder derselben Empfangsbestätigung oder, wenn diese nicht ausgestellt wurden, in den anderen Aufzeichnungen im Sinne des
Artikels 4 Absatz 2 aufgeführt sind, so ist das Gesamtgewicht dieser Frachtstücke für die Feststellung, bis zu welchem Betrag der Luftfrachtführer haftet, maßgebend.
(5) Die Absätze 1 und 2 finden keine Anwendung, wenn nachgewiesen wird, dass der Schaden durch eine Handlung oder Unterlassung des Luftfrachtführers
oder seiner Leute verursacht worden ist, die entweder in der Absicht, Schaden herbeizuführen, oder leichtfertig und in dem Bewusstsein begangen wurde, dass
wahrscheinlich ein Schaden eintreten wird; im Fall einer Handlung oder Unterlassung der Leute ist außerdem nachzuweisen, dass diese in Ausführung ihrer
Verrichtungen gehandelt haben.
(6) Die in Artikel 21 und in diesem Artikel festgesetzten Haftungsbeschränkungen hindern das Gericht nicht, zusätzlich nach seinem Recht einen Betrag
zuzusprechen, der ganz oder teilweise den vom Kläger aufgewendeten Gerichtskosten und sonstigen Ausgaben für den Rechtsstreit, einschließlich Zinsen,
entspricht. Dies gilt nicht, wenn der zugesprochene Schadensersatz, ohne Berücksichtigung der Gerichtskosten und der sonstigen Ausgaben für den
Rechtsstreit, den Betrag nicht übersteigt, den der Luftfrachtführer dem Kläger schriftlich innerhalb einer Frist von sechs Monaten seit dem Ereignis, das den
Schaden verursacht hat, oder, falls die Klage nach Ablauf dieser Frist erhoben worden ist, vor ihrer Erhebung angeboten hat.
Leitsätze/Entscheidungen:
Art. 22 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 3 des am 28. Mai 1999 in Montreal geschlossenen Übereinkommens zur Vereinheitlichung bestimmter
Vorschriften über die Beförderung im internationalen Luftverkehr, das von der Europäischen Gemeinschaft am 9. Dezember 1999 unterzeichnet und mit
Beschluss 2001/539/EG des Rates vom 5. April 2001 in ihrem Namen genehmigt wurde, ist dahin auszulegen, dass der Anspruch auf Entschädigung und die
Haftungsbegrenzung des Luftfrachtführers bei Verlust von Reisegepäck auch für den Reisenden gelten, der diese Entschädigung für den Verlust eines
Gepäckstücks fordert, das von einem Mitreisenden aufgegeben wurde, sofern dieses verloren gegangene Gepäckstück tatsächlich Gegenstände des
Reisenden enthielt (EuGH, Urteil vom 22.11.2012 - C-410/11).
***
Der Begriff „Schaden", der Art. 22 II des am 28. 5. 1999 in Montreal geschlossenen Übereinkommens zur Vereinheitlichung bestimmter Vorschriften über die
Beförderung im internationalen Luftverkehr zu Grunde liegt, mit dem der von Luftfahrtunternehmen für Schäden, die insbesondere durch den Verlust von
Reisegepäck eintreten, zu zahlende Haftungshöchstbetrag festgelegt wird, ist dahin auszulegen, dass er sowohl materielle als auch immaterielle Schäden
umfasst (EuGH, Urteil vom 06.05.2010 - C-63/09 Axel Walz/Clickair, SA).
*** (OLG)
Eine Fluggesellschaft, die einen Fluggast wegen der von ihm ausgehenden massiven Geruchsbelästigung vom Flug ausschließt, so dass er die Reise erst am
Folgetag antreten kann, haftet nach dem Übereinkommen von Montreal auf Schadensersatz, denn diese Geruchsbelästigung kann schon beim Einschecken nicht
verborgen geblieben sein, so dass für den Fluggast, der in diesem Zeitpunkt noch sein Gepäck zur Verfügung hatte, Gelegenheit bestand, dem
Beförderungshindernis abzuhelfen. Ein Schadensersatzanspruch wegen eines vertanen Urlaubstags kann gegen eine nur als Luftfrachtführer tätige
Fluggesellschaft nicht geltend gemacht werden. Ein freiberuflich Tätiger kann seinen Verdienstausfallschaden nur mit der anhand des Betriebsergebnisses
konkret festzustellenden Gewinnminderung begründen, wobei diese Zahlen dem Gericht zugänglich gemacht werden müssen (OLG Düsseldorf, Urteil vom
31.01.2007 - 18 U 110/06, NJW-RR 2007, 854).
***
Die Regelungen des Montrealer Übereinkommens sind nur im Verhältnis von Fluggästen zum Luftfrachtführer, nicht im Verhältnis zwischen Luftfrachtführer
und Reiseveranstalter anwendbar (LG Frankfurt, Urteil vom 21.07.2006 - 2/19 O 349/05, RRa 2008, 34).
***
Art. 33 MontÜbk Gerichtsstand
Die Klage auf Schadenersatz muss im Hoheitsgebiet eines der Vertragsstaaten erhoben werden, und zwar nach Wahl des Klägers entweder bei dem Gericht des
Ortes, an dem sich der Wohnsitz des Luftfrachtführers, seine Hauptniederlassung oder seine Geschäftsstelle befindet, durch die der Vertrag geschlossen worden
ist, oder bei dem Gericht des Bestimmungsorts.
Die Klage auf Ersatz des Schadens, der durch Tod oder Körperverletzung eines Reisenden entstanden ist, kann bei einem der in Absatz 1 genannten Gerichte
oder im Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats erhoben werden, in dem der Reisende im Zeitpunkt des Unfalls seinen ständigen Wohnsitz hatte und in das oder aus
dem der Luftfrachtführer Reisende im Luftverkehr gewerbsmässig befördert, und zwar entweder mit seinen eigenen Luftfahrzeugen oder aufgrund einer
geschäftlichen Vereinbarung mit Luftfahrzeugen eines anderen Luftfrachtführers, und in dem der Luftfrachtführer sein Gewerbe von Geschäftsräumen aus
betreibt, deren Mieter oder Eigentümer er selbst oder ein anderer Luftfrachtführer ist, mit dem er eine geschäftliche Vereinbarung geschlossen hat.
Im Sinne des Absatzes 2 bedeutet
a) «geschäftliche Vereinbarung» einen Vertrag zwischen Luftfrachtführern über die Erbringung gemeinsamer Beförderungsdienstleistungen für Reisende im
Luftverkehr mit Ausnahme eines Agenturvertrags,
b) «ständiger Wohnsitz» den Hauptwohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt des Reisenden im Zeitpunkt des Unfalls. Die Staatsangehörigkeit des Reisenden ist
in dieser Hinsicht nicht entscheidend.
Das Verfahren richtet sich nach dem Recht des angerufenen Gerichts.
Leitsätze/Entscheidungen:
Art. 5 Nr. 1 lit. b zweiter Gedankenstrich der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. 12. 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die
Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ist dahin auszulegen, dass im Fall einer Beförderung von Personen im
Luftverkehr von einem Mitgliedstaat in einen anderen Mitgliedstaat auf der Grundlage eines mit einer einzigen Luftfahrtgesellschaft, dem ausführenden
Luftfahrtunternehmen, geschlossenen Vertrags für eine auf diesen Beförderungsvertrag und die Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments
und des Rates vom 11. 2. 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und
bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 gestützte Klage auf Ausgleichszahlungen nach
Wahl des Kl. das Gericht des Ortes des Abflugs oder das des Ortes der Ankunft des Flugzeugs entsprechend der Vereinbarung dieser Orte in dem Vertrag
zuständig ist (EuGH, Urteil vom 09.7.2009 - C-204/08 zu Verordnung (EG) Nr. 44/2001 Art. 5 Nr. 1 lit. b zweiter Gedankenstrich; Verordnung (EG) Nr.
261/2004 Art. 5 I lit. c, 7 I lit. a; Übereinkommen von Montreal Art. 33 I, NJW 2009, 2801 ff).
Art. 35 MontÜbk Ausschlussfrist
1. Die Klage auf Schadenersatz kann nur binnen einer Ausschlussfrist von zwei Jahren erhoben werden; die Frist beginnt mit dem Tag, an dem das
Luftfahrzeug am Bestimmungsort angekommen ist oder an dem es hätte ankommen sollen oder an dem die Beförderung abgebrochen worden ist.
2. Die Berechnung der Frist richtet sich nach dem Recht des angerufenen Gerichts.
Leitsätze/Entscheidungen:
Auf Ansprüche auf Ausgleichszahlungen nach der Fluggastrechteverordnung ist die Ausschlussfrist des Art. 35 I des Montrealer Übereinkommens weder
unmittelbar noch entsprechend anzuwenden. Solche Ansprüche unterliegen, wenn deutsches Sachrecht anwendbar ist, der Regelverjährung nach § 195 BGB
(BGH, Urteil vom 10.12.2009 - Xa ZR 61/09).
*** (AG)
Die Artikel 35 des Montrealer Übereinkommens entsprechende Allgemeine Geschäftsbedingung eines Luftfahrtunternehmens "Das Recht auf Schadensersatz
erlischt, wenn nicht innerhalb von zwei Jahren, gerechnet vom Tage der Ankunft am Bestimmungsort oder vom Tage, an dem das Flugzeug planmäßig hätte
ankommen sollen, oder vom Tage, an dem die Beförderung abgebrochen wurde, Klage eingereicht wird. Das Verfahren zur Berechnung der Frist bestimmt sich
nach dem Recht des angerufenen Gerichts." verstößt nach Deutschem Recht bei kundenfeindlichster Auslegung gegen § 309 Nr. 7 BGB und ist hinsichtlich der
behaupteten Erfassung von Ausgleichszahlungsansprüchen insofern unwirksam. Ein Ausgleichszahlungsanspruch wegen erheblicher Flugverspätung setzt nicht
zwingend voraus, dass der Fluggast mit dem gebuchten (verspäteten) Flug tatsächlich befördert wurde (AG Bremen, Urteil vom 22.11.2012 - 9 C 270/12).
***
Verordnung (EG) Nr. 261/2004 vom 11.02.2004
Die EU-Verordnung regelt die Mindestansprüche wegen Nichtförderung, Annullierung und Verspätung von Flügen.
Artikel 1 Gegenstand
Artikel 2 Begriffsbestimmungen
Artikel 3 Anwendungsbereich
Artikel 4 Nichtbeförderung
Artikel 5 Annullierung
Artikel 6 Verspätung
Artikel 7 Ausgleichsanspruch
Artikel 8 Anspruch auf Erstattung oder anderweitige Beförderung
Artikel 9 Anspruch auf Betreuungsleistungen
Artikel 10 Höherstufung und Herabstufung
Artikel 11 Personen mit eingeschränkter Mobilität oder mit besonderen Bedürfnissen
Artikel 12 Weiter gehender Schadensersatz
Artikel 13 Regressansprüche
Artikel 14 Verpflichtung zur Information der Fluggäste über ihre Rechte
Artikel 15 Ausschluss der Rechtsbeschränkung
Artikel 16 Verstöße
Artikel 17 Bericht
Artikel 18 Aufhebung
Artikel 19 Inkrafttreten
Erklärung der Kommission
***
Artikel 1 Gegenstand
(1) Durch diese Verordnung werden unter den in ihr genannten Bedingungen Mindestrechte für Fluggäste in folgenden Fällen festgelegt:
a) Nichtbeförderung gegen ihren Willen,
b) Annullierung des Flugs,
c) Verspätung des Flugs.
(2) Die Anwendung dieser Verordnung auf den Flughafen Gibraltar erfolgt unbeschadet der Rechtsstandpunkte des Königreichs Spanien und des Vereinigten
Königreichs in der strittigen Frage der Souveränität über das Gebiet, auf dem sich der Flugplatz befindet.
(3) Die Anwendung dieser Verordnung auf den Flughafen Gibraltar wird bis zum Wirksamwerden der Regelung ausgesetzt, die in der Gemeinsamen Erklärung
der Minister für auswärtige Angelegenheiten des Königreichs Spanien und des Vereinigten Königreichs vom 2. Dezember 1987 enthalten ist. Die Regierungen
des Königreichs Spanien und des Vereinigten Königreichs unterrichten den Rat über den Zeitpunkt des Wirksamwerdens.
Artikel 2 Begriffsbestimmungen
Im Sinne dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck
a) "Luftfahrtunternehmen" ein Lufttransportunternehmen mit einer gültigen Betriebsgenehmigung;
b) "ausführendes Luftfahrtunternehmen" ein Luftfahrtunternehmen, das im Rahmen eines Vertrags mit einem Fluggast oder im Namen einer anderen -
juristischen oder natürlichen - Person, die mit dem betreffenden Fluggast in einer Vertragsbeziehung steht, einen Flug durchführt oder durchzuführen beabsichtigt;
c) "Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft" ein Luftfahrtunternehmen mit einer gültigen Betriebsgenehmigung, die von einem Mitgliedstaat gemäß der
Verordnung (EWG) Nr. 2407/92 des Rates vom 23. Juli 1992 über die Erteilung von Betriebsgenehmigungen an Luftfahrtunternehmen(5) erteilt wurde;
d) "Reiseunternehmen" einen Veranstalter im Sinne von Artikel 2 Nummer 2 der Richtlinie 90/314/EWG des Rates vom 13. Juni 1990 über Pauschalreisen(6),
mit Ausnahme von Luftfahrtunternehmen;
e) "Pauschalreise" die in Artikel 2 Nummer 1 der Richtlinie 90/314/EWG definierten Leistungen;
f) "Flugschein" ein gültiges, einen Anspruch auf Beförderungsleistung begründendes Dokument oder eine gleichwertige papierlose, auch elektronisch
ausgestellte Berechtigung, das bzw. die von dem Luftfahrtunternehmen oder dessen zugelassenem Vermittler ausgegeben oder genehmigt wurde;
g) "Buchung" den Umstand, dass der Fluggast über einen Flugschein oder einen anderen Beleg verfügt, aus dem hervorgeht, dass die Buchung von dem
Luftfahrtunternehmen oder dem Reiseunternehmen akzeptiert und registriert wurde;
h) "Endziel" den Zielort auf dem am Abfertigungsschalter vorgelegten Flugschein bzw. bei direkten Anschlussflügen den Zielort des letzten Fluges; verfügbare
alternative Anschlussflüge bleiben unberücksichtigt, wenn die planmäßige Ankunftszeit eingehalten wird;
i) "Person mit eingeschränkter Mobilität" eine Person, deren Mobilität bei der Benutzung von Beförderungsmitteln aufgrund einer körperlichen Behinderung
(sensorischer oder motorischer Art, dauerhaft oder vorübergehend), einer geistigen Beeinträchtigung, ihres Alters oder aufgrund anderer Behinderungen
eingeschränkt ist und deren Zustand besondere Unterstützung und eine Anpassung der allen Fluggästen bereitgestellten Dienstleistungen an die Bedürfnisse
dieser Person erfordert;
j) "Nichtbeförderung" die Weigerung, Fluggäste zu befördern, obwohl sie sich unter den in Artikel 3 Absatz 2 genannten Bedingungen am Flugsteig
eingefunden haben, sofern keine vertretbaren Gründe für die Nichtbeförderung gegeben sind, z. B. im Zusammenhang mit der Gesundheit oder der allgemeinen
oder betrieblichen Sicherheit oder unzureichenden Reiseunterlagen;
k) "Freiwilliger" eine Person, die sich unter den in Artikel 3 Absatz 2 genannten Bedingungen am Flugsteig eingefunden hat und dem Aufruf des
Luftfahrtunternehmens nachkommt, gegen eine entsprechende Gegenleistung von ihrer Buchung zurückzutreten;
l) "Annullierung" die Nichtdurchführung eines geplanten Fluges, für den zumindest ein Platz reserviert war.
Leitsätze/Entscheidungen:
Der Begriff „Nichtbeförderung" im Sinne der Art. 2 Buchst. j und 4 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.
Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung
oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 ist dahin auszulegen, dass er sich nicht nur auf die
Nichtbeförderung wegen Überbuchung bezieht, sondern auch auf die Nichtbeförderung aus anderen Gründen wie z. B. betrieblichen Gründen. Art. 2 Buchst. j
und Art. 4 Abs. 3 der Verordnung Nr. 261/2004 sind dahin auszulegen, dass das Eintreten „außergewöhnlicher Umstände", die ein Luftfahrtunternehmen dazu
veranlassen, Flüge umzuorganisieren, nachdem diese Umstände vorgelegen haben, weder die „Nichtbeförderung" auf einem dieser nachfolgenden Flüge
rechtfertigen noch das betreffende Luftfahrtunternehmen von seiner Ausgleichsverpflichtung nach Art. 4 Abs. 3 der Verordnung Nr. 261/2004 gegenüber dem
Fluggast befreien kann, dem es die Beförderung auf einem dieser Flüge verweigert, die durchgeführt werden, nachdem die genannten Umstände vorgelegen
haben (EuGH, Urteil vom 04.10.2012 - C-22/11).
***
Art. 2 Buchst. j der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für
Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur
Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 2 der Verordnung Nr. 261/2004 ist so auszulegen, dass der Begriff
„Nichtbeförderung" auch den Fall erfasst, dass ein Luftfahrtunternehmen im Rahmen eines einheitlichen Beförderungsvertrags, der mehrere Buchungen auf
unmittelbar aufeinanderfolgenden und gleichzeitig abgefertigten Flügen umfasst, bestimmten Fluggästen die Beförderung verweigert, weil es auf dem ersten in
ihrer Buchung ausgewiesenen Flug zu einer von diesem Unternehmen zu vertretenden Verspätung gekommen ist und das Unternehmen irrig angenommen hat,
die Fluggäste würden den zweiten Flug nicht rechtzeitig erreichen ( EuGH, vom 04.10.2012 - C-321/11).
***
Der in Art. 2 Buchst. l der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung
für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur
Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 definierte Begriff "Annullierung" ist dahin auszulegen, dass er in einer Situation wie der des
Ausgangsverfahrens nicht ausschließlich den Fall betrifft, dass das betreffende Flugzeug überhaupt nicht startet, sondern auch den Fall umfasst, dass dieses
Flugzeug gestartet ist, aber anschließend, aus welchen Gründen auch immer, zum Ausgangsflughafen zurückkehren musste, und die Fluggäste auf andere Flüge
umgebucht wurden. Der Begriff "weiter gehender Schadensersatz" in Art. 12 der Verordnung Nr. 261/2004 ist dahin auszulegen, dass er es dem nationalen
Gericht ermöglicht, unter den Voraussetzungen des Übereinkommens zur Vereinheitlichung bestimmter Vorschriften über die Beförderung im internationalen
Luftverkehr oder des nationalen Rechts Ersatz für den wegen der Nichterfüllung des Luftbeförderungsvertrags entstandenen Schaden, einschließlich des
immateriellen Schadens, zu gewähren. Hingegen kann der Begriff "weiter gehender Schadensersatz" dem nationalen Gericht nicht als Rechtsgrundlage dafür
dienen, ein Luftfahrtunternehmen zu verurteilen, den Fluggästen, deren Flug verspätet war oder annulliert wurde, die Kosten zu erstatten, die ihnen durch die
Verletzung der diesem Unternehmen nach den Art. 8 und 9 der Verordnung obliegenden Unterstützungs- und Betreuungspflichten entstanden sind (EuGH,
Urteil vom 13.10.2011 - C-83/10 zu Verordnung (EG) Nr. 261/2004 Art. 2 lit. l, 8, 9, 12).
***
Art. 2 lit. l sowie die Art. 5 und 6 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. 2. 2004 über eine gemeinsame
Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen
und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 sind dahin auszulegen, dass ein verspäteter Flug unabhängig von der - auch erheblichen - Dauer der
Verspätung nicht als annulliert angesehen werden kann, wenn er entsprechend der ursprünglichen Flugplanung des Luftfahrtunternehmens durchgeführt wird.
Die Art. 5, 6 und 7 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 sind dahin auszulegen, dass die Fluggäste verspäteter Flüge im Hinblick auf die Anwendung des
Ausgleichsanspruchs den Fluggästen annullierter Flüge gleichgestellt werden können und somit den in Art. 7 dieser Verordnung vorgesehenen
Ausgleichsanspruch geltend machen können, wenn sie wegen eines verspäteten Flugs einen Zeitverlust von drei Stunden oder mehr erleiden, d.h., wenn sie ihr
Endziel nicht früher als drei Stunden nach der von dem Luftfahrtunternehmen ursprünglich geplanten Ankunftszeit erreichen. Eine solche Verspätung führt
allerdings dann nicht zu einem Ausgleichsanspruch zu Gunsten der Fluggäste, wenn das Luftfahrtunternehmen nachweisen kann, dass die große Verspätung auf
außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären, also
auf Umstände, die von dem Luftfahrtunternehmen tatsächlich nicht zu beherrschen sind. Art. 5 III der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 ist dahin auszulegen, dass
ein bei einem Flugzeug aufgetretenes technisches Problem, das zur Annullierung oder Verspätung eines Flugs führt, nicht unter den Begriff „außergewöhnliche
Umstände" im Sinne dieser Bestimmung fällt, es sei denn, das Problem geht auf Vorkommnisse zurück, die auf Grund ihrer Natur oder Ursache nicht Teil der
normalen Ausübung der Tätigkeit des betroffenen Luftfahrtunternehmens sind und von ihm tatsächlich nicht zu beherrschen sind (EuGH, Urteil vom
19.11.2009 - C-402/07, C-432/07 - Christopher Sturgeon u.a./Condor Flugdienst-GmbH und Stefan Böck u.a./Air France SA).
*** (BGH)
Ein Luftverkehrsunternehmen ist grundsätzlich auch dann zu einer Ausgleichszahlung wegen Nichtbeförderung verpflichtet, wenn es dem Fluggast, der über
eine bestätigte Buchung für einen Flug verfügt, die Beförderung auf dem gebuchten Flug verweigert, bevor sich der Fluggast zur vorgesehenen Zeit zur
Abfertigung für den gebuchten Flug einfinden kann. Ist die Luftbeförderung Bestandteil einer Reise, kann sich die bestätigte Buchung auch aus einem von dem
Reiseveranstalter hierüber ausgestellten Beleg ergeben. Eine vorweggenommene Beförderungsverweigerung kann darin liegen, dass der Fluggast ohne seine
Zustimmung von dem geplanten und tatsächlich durchgeführten auf einen anderen Flug umgebucht und von dem Luftverkehrsunternehmen oder durch eine
diesem zuzurechnende Mitteilung des Reiseveranstalters entsprechend unterrichtet wird (BGH, Urteil vom 17.03.2015 - X ZR 34/14).
***
Eine Weigerung, den Fluggast zu befördern, kann grundsätzlich nur dann angenommen werden, wenn sie diesem gegenüber auch zum Ausdruck gebracht wird
(BGH, Beschluss vom 16.04.2013 - X ZR 83/12).
***
Wird der Reisende mit seinem Reisegepäck bereits am Abflugort des Zubringerfluges auch für den Anschlussflug abgefertigt, setzt eine Ausgleichszahlung
wegen Nichtbeförderung auf dem Anschlussflug weder eine erneute Abfertigung am Umsteigeflughafen noch eine Ankunft 45 Minuten vor dem Abflug des
Anschlussfluges voraus. Die Teilnahme an einem Anschlussflug kann grundsätzlich nicht deshalb verweigert werden, weil das Reisegepäck vom Zubringerflug
nicht in das Flugzeug des Anschlussfluges verladen werden konnte. Die Nichterfüllung der Pflicht gemäß Art. 9 FluggastrechteVO zur Bereitstellung einer
Hotelunterbringung sowie von Mahlzeiten und Getränken für die Zeit bis zur Teilnahme an einem Ersatzflug führt mit dem Verfehlen der Leistungszeit ohne
Weiteres zu einer dauerhaften Unmöglichkeit im Sinne eines absoluten Fixgeschäftes (BGH, Urteil vom 28.08.2012 - X ZR 128/11).
***
Im Falle des Code-Sharing ist nur dasjenige Luftfahrtunternehmen, das den Flug tatsächlich durchführt, ausführendes Luftfahrtunternehmen i.S. des Art. 2 lit. b
Fluggastrechteverordnung und damit im Falle der Annullierung des Flugs zu Unterstützungsleistungen und Ausgleichsleistungen verpflichtet (BGH, Urteil vom
26.11.2009 - Xa ZR 132/08).
***
Ansprüche auf Ausgleichszahlungen gemäß Art. 7 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates über eine gemeinsame
Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen
(kurz: Verordnung) können nicht gegen den Reiseveranstalter, sondern nur gegen das ausführende Luftfahrtunternehmen geltend gemacht werden, das
gegebenenfalls nach Art. 13 der Verordnung Regress nehmen kann. Dass nur das ausführende Luftfahrtunternehmen zur Ausgleichszahlung gemäß Art. 7
verpflichtet ist, ergibt sich zunächst aus dem Wortlaut der Verordnung. Denn Art. 4 Abs. 3 und Art. 5 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung bestimmen
ausdrücklich, dass im Fall der Nichtbeförderung oder Annullierung eines Flugs das ausführende Luftfahrtunternehmen neben Unterstützungsleistungen auch
Ausgleichsleistungen gemäß Art. 7 zu erbringen hat. Reiseunternehmen nennt die Verordnung in diesem Zusammenhang nicht. Nach der Legaldefinition des
Art. 2 Buchst. b der Verordnung ist "ausführendes Luftfahrtunternehmen" ein Luftfahrtunternehmen, das im Rahmen eines Vertrages mit einem Fluggast oder
im Namen einer anderen - juristischen oder natürlichen - Person, die mit dem betreffenden Fluggast in einer Vertragsbeziehung steht, einen Flug durchführt
oder durchzuführen beabsichtigt. Demgegenüber bezeichnet die Verordnung gemäß Art. 2 Buchst. d mit "Reiseunternehmen" einen Veranstalter i.S. von Art. 2
Nr. 2 der Richtlinie 90/314/EWG des Rates vom 13. Juni 1990 über Pauschalreisen mit Ausnahme von Luftfahrtunternehmen. Nach der Legaldefinition der
Verordnung sind mithin Pauschalreiseveranstalter gerade keine ausführenden Luftfahrtunternehmen; vielmehr unterscheidet die Verordnung in Art. 2
ausdrücklich zwischen ausführenden Luftfahrtunternehmen und Reiseunternehmen und legt im folgenden nur den ausführenden Luftfahrtunternehmen die
Verpflichtung zu Ausgleichszahlungen auf. Dass Anspruchsgegner nur das ausführende Luftfahrtunternehmen ist, ergibt sich nicht zuletzt auch aus dem
Schutzzweck der Verordnung, wie er in den Erwägungsgründen beschrieben ist. Danach soll ein hohes Schutzniveau für Fluggäste sichergestellt und den
Erfordernissen des Verbraucherschutzes in vollem Umfang Rechnung getragen werden. Die Verordnung ersetzt die Verordnung (EWG) 295/91 des Rates vom
4. Februar 1991 über eine gemeinsame Regelung für ein System von Ausgleichsleistungen bei Nichtbeförderung im Linienflugverkehr, die bereits Ansprüche
gegen Luftfahrtunternehmen regelte, jedoch noch nicht Annullierungen und Verspätungen umfasste. Mit der Neuregelung beabsichtigte der Verordnungsgeber,
die vorhandenen Schutzstandards zu erhöhen und die Geschäftstätigkeit der Luftfahrtunternehmen zu harmonisieren (Erwägungsgrund 4). Auch sollte der
Schutz der Fluggäste auf den Bedarfsflugverkehr einschließlich der Flüge bei Pauschalreisen erweitert werden (Erwägungsgrund 5). Durch die Neuregelung
sollte also der Anwendungsbereich der Verordnung gegenüber der Vorgängerverordnung erweitert werden, nicht aber der Kreis der Anspruchsgegner (BGH,
Beschluss vom 11.03.2008 - X ZR 49/07).
***
Dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften werden zur Auslegung von Artt. 2 lit. l, 5 Abs. 1 lit. c der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des
Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im
Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 (ABl. L 46, S. 1)
folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Ist bei der Auslegung des Begriffs "Annullierung" entscheidend darauf abzustellen, ob die ursprüngliche Flugplanung aufgegeben wird, so dass eine
Verzögerung unabhängig von ihrer Dauer keine Annullierung darstellt, wenn die Fluggesellschaft die Planung des ursprünglichen Fluges nicht aufgibt?
2. Falls die Frage zu 1 verneint wird: Unter welchen Umständen ist eine Verzögerung des geplanten Fluges nicht mehr als Verspätung, sondern als
Annullierung zu behandeln? Hängt die Beantwortung dieser Frage von der Dauer der Verspätung ab? (BGH, Beschluss vom 17.07.2007 - X ZR 95/06).
*** (AG)
Die VO (EG) Nr. 261/ 2004 findet auch Anwendung, wenn zwar der Vertragsschluss des Beförderungsvertrages vor Inkrafttreten dieser Verordnung erfolgte,
die Nichtbeförderung (hier ersatzweise Beförderung) jedoch erfolgte, nachdem die Verordnung in Kraft getreten war. Die Begriffsbestimmung einer
"Nichtbeförderung" im Sinne von Art. 2 lit. j der VO liegt auch dann vor, wenn eine ersatzweise Beförderung durch ein anderes Fluggerät erfolgt und dabei die
Verspätungstoleranzgrenzen des Art. 6 dieser Verordnung überschritten sind. Technische Defekte des zur ersatzweisen Beförderung herangezogenen
Fluggerätes vermögen den Luftfrachtführer dann nicht zu entlasten, wenn dieser auf Grund einer disponierten Entscheidung Passagiere auf dieses (defekte)
Fluggerät umbucht und die daraufhin erfolgende Verspätung auf technischen Defekten beruht (AG Düsseldorf, Urteil vom 20.01.2006 - 41 C 12316/05,
NJW-RR 2006, 1561).
Artikel 3 Anwendungsbereich
(1) Diese Verordnung gilt
a) für Fluggäste, die auf Flughäfen im Gebiet eines Mitgliedstaats, das den Bestimmungen des Vertrags unterliegt, einen Flug antreten;
b) sofern das ausführende Luftfahrtunternehmen ein Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft ist, für Fluggäste, die von einem Flughafen in einem Drittstaat
einen Flug zu einem Flughafen im Gebiet eines Mitgliedstaats, das den Bestimmungen des Vertrags unterliegt, antreten, es sei denn, sie haben in diesem
Drittstaat Gegen- oder Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen erhalten.
(2) Absatz 1 gilt unter der Bedingung, dass die Fluggäste
a) über eine bestätigte Buchung für den betreffenden Flug verfügen und - außer im Fall einer Annullierung gemäß Artikel 5 - sich
- wie vorgegeben und zu der zuvor schriftlich (einschließlich auf elektronischem Wege) von dem Luftfahrtunternehmen, dem Reiseunternehmen oder einem
zugelassenen Reisevermittler angegebenen Zeit zur Abfertigung einfinden
oder, falls keine Zeit angegeben wurde,
- spätestens 45 Minuten vor der veröffentlichten Abflugzeit zur Abfertigung einfinden oder
b) von einem Luftfahrtunternehmen oder Reiseunternehmen von einem Flug, für den sie eine Buchung besassen, auf einen anderen Flug verlegt wurden,
ungeachtet des Grundes hierfür.
(3) Diese Verordnung gilt nicht für Fluggäste, die kostenlos oder zu einem reduzierten Tarif reisen, der für die Öffentlichkeit nicht unmittelbar oder mittelbar
verfügbar ist. Sie gilt jedoch für Fluggäste mit Flugscheinen, die im Rahmen eines Kundenbindungsprogramms oder anderer Werbeprogramme von einem
Luftfahrtunternehmen oder Reiseunternehmen ausgegeben wurden.
(4) Diese Verordnung gilt nur für Fluggäste, die von Motorluftfahrzeugen mit festen Tragflächen befördert werden.
(5) Diese Verordnung gilt für alle ausführenden Luftfahrtunternehmen, die Beförderungen für Fluggäste im Sinne der Absätze 1 und 2 erbringen. Erfüllt ein
ausführendes Luftfahrtunternehmen, das in keiner Vertragsbeziehung mit dem Fluggast steht, Verpflichtungen im Rahmen dieser Verordnung, so wird davon
ausgegangen, dass es im Namen der Person handelt, die in einer Vertragsbeziehung mit dem betreffenden Fluggast steht.
(6) Diese Verordnung lässt die aufgrund der Richtlinie 90/314/EWG bestehenden Fluggastrechte unberührt. Diese Verordnung gilt nicht für Fälle, in denen eine
Pauschalreise aus anderen Gründen als der Annullierung des Fluges annulliert wird.
Leitsätze/Entscheidungen:
Art. 2 Buchst. j der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für
Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur
Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 2 der Verordnung Nr. 261/2004 ist so auszulegen, dass der Begriff
„Nichtbeförderung" auch den Fall erfasst, dass ein Luftfahrtunternehmen im Rahmen eines einheitlichen Beförderungsvertrags, der mehrere Buchungen auf
unmittelbar aufeinanderfolgenden und gleichzeitig abgefertigten Flügen umfasst, bestimmten Fluggästen die Beförderung verweigert, weil es auf dem ersten in
ihrer Buchung ausgewiesenen Flug zu einer von diesem Unternehmen zu vertretenden Verspätung gekommen ist und das Unternehmen irrig angenommen hat,
die Fluggäste würden den zweiten Flug nicht rechtzeitig erreichen (EuGH, vom 04.10.2012 - C-321/11).
***
Fluggäste auf einem Rückflug von einem Drittland in einen Mitgliedstaat sind selbst dann, wenn Hin- und Rückflug gleichzeitig gebucht wurden, keine
"Fluggäste, die auf Flughäfen im Gebiet eines Mitgliedstaats ... einen Flug antreten", im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 261/2004 und
fallen somit nicht in den persönlichen Anwendungsbereich der Verordnung, wenn das den betreffenden Flug ausführende Luftfahrtunternehmen kein solches
der Gemeinschaft ist (Schlussanträge der Generalanwältin Eleanor Sharpston vom 6. März 2008 im EuGH-Verfahren C 173/07).
*** (BGH)
Ein Luftverkehrsunternehmen ist grundsätzlich auch dann zu einer Ausgleichszahlung wegen Nichtbeförderung verpflichtet, wenn es dem Fluggast, der über
eine bestätigte Buchung für einen Flug verfügt, die Beförderung auf dem gebuchten Flug verweigert, bevor sich der Fluggast zur vorgesehenen Zeit zur
Abfertigung für den gebuchten Flug einfinden kann. Ist die Luftbeförderung Bestandteil einer Reise, kann sich die bestätigte Buchung auch aus einem von dem
Reiseveranstalter hierüber ausgestellten Beleg ergeben. Eine vorweggenommene Beförderungsverweigerung kann darin liegen, dass der Fluggast ohne seine
Zustimmung von dem geplanten und tatsächlich durchgeführten auf einen anderen Flug umgebucht und von dem Luftverkehrsunternehmen oder durch eine
diesem zuzurechnende Mitteilung des Reiseveranstalters entsprechend unterrichtet wird (BGH, Urteil vom 17.03.2015 - X ZR 34/14).
***
Den Fluggästen eines verspäteten, nach Art. 3 Abs. 1 in den Anwendungsbereich der Fluggastrechteverordnung fallenden Flugs steht ein Ausgleichsanspruch
nach Art. 7 zu, soweit sie infolge der Verspätung ihr individuelles Endziel mit einer Verspätung von mindestens drei Stunden erreichen. Dies gilt auch,
wenn die verspätete Ankunft am Endziel darauf beruht, dass infolge der Flugverspätung ein selbst nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung fallender
oder selbst nicht verspäteter Anschlussflug verpasst wird (BGH, Urteil vom 07.05.2013 - X ZR 127/11):
„... 1. Die Fluggastrechteverordnung ist anwendbar, da die Reisenden auf einem Flughafen in Deutschland einen Flug, nämlich den ersten gebuchten Flug von
Berlin nach Madrid, angetreten haben (Art. 3 Abs. 1 Buchst. a FluggastrechteVO).
2. Der verspätete Abflug dieses Flugs hat dazu geführt, dass die Reisenden ihr Endziel San José erst einen Tag nach der geplanten Ankunft erreicht haben. Dies
begründet auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen den mit der Klage geltend gemachten Ausgleichsanspruch nach Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Buchst. c Satz
2 FluggastrechteVO; die Voraussetzungen des Art. 7 Abs. 2 Buchst. c FluggastrechteVO für eine Kürzung des Ausgleichsanspruchs liegen nicht vor.
a) Wie der Unionsgerichtshof in der Rechtssache C-402/07 (Urteil vom 19. November 2009, NJW 2010, 43 = RRa 2009, 282 - Sturgeon/Condor) auf die
Vorlage des Bundesgerichtshofs entschieden und die Große Kammer mit Urteil vom 23. Oktober 2012 (C581/10 - Nelson/Lufthansa) bestätigt hat, können
nicht nur die Fluggäste annullierter Flüge, sondern auch die Fluggäste verspäteter Flüge den in Art. 7 der Verordnung vorgesehenen Anspruch auf Ausgleich
geltend machen, wenn sie infolge der Verspätung einen Zeitverlust von drei Stunden oder mehr erleiden, weil sie ihr Endziel nicht früher als drei Stunden nach
der von dem Luftverkehrsunternehmen ursprünglich geplanten Ankunftszeit erreichen. Auf eine weitere Vorlage des Senats hat der Unionsgerichtshof mit
Urteil vom 26. Februar 2013 (C-11/11 - Air France/Folkerts) ferner entschieden, dass dieser Anspruch nicht voraussetzt, dass die verspätete Erreichung des
Endziels darauf beruht, dass sich der Abflug des verspäteten Flugs um die in Art. 6 Abs. 1 Buchst. a bis c FluggastrechteVO genannten Zeiten verzögert hat. Es
genügt daher, dass der verspätete Abflug in Berlin dafür ursächlich war, dass die Reisenden den Anschlussflug von Madrid nach San José nicht mehr erreichen
konnten und infolgedessen ihr Endziel erst mit eintägiger Verspätung erreicht haben.
b) Entgegen der Auffassung der Revision beruht dieses Ergebnis nicht darauf, dass die Flugreise von Berlin nach San José als ein einziger Flug anzusehen wäre.
Flug im Sinne der Verordnung ist vielmehr, wie der Bundesgerichtshof im Einzelnen begründet hat, der Luftbeförderungsvorgang, mit dem ein
Luftverkehrsunternehmen die Gesamtheit der Fluggäste dieses Luftbeförderungsvorgangs auf einer von ihm angebotenen und zur Buchung zur Verfügung
gestellten Flugroute von dem Startflughafen zum Landeflughafen befördert (BGH, Urteil vom 13. November 2012 - X ZR 12/12, NJW 2013, 682 = RRa 2013,
19; Urteil vom 28. Mai 2009 - Xa ZR 113/08, NJW 2009, 2743). Der Flug von Berlin nach Madrid ist mithin im Ausgangspunkt von dem (Anschluss-)Flug von
Madrid nach San José zu unterscheiden. Hiervon geht auch das Urteil des Unionsgerichtshofs vom 23. Februar 2013 aus (s. nur Rn. 16, 18).
Die Selbständigkeit der Flüge ändert indessen nichts daran, dass nach Art. 7 Abs. 1 Satz 2 FluggastrechteVO für die Beurteilung der Frage, ob die Verspätung
den für eine Ausgleichszahlung vorausgesetzten Umfang erreicht hat und in welcher Höhe hierfür ein Ausgleich zu erbringen ist, nicht das Ziel des einzelnen
Flugs, sondern der letzte Zielort oder (gleichbedeutend) das Endziel (Art. 2 Buchst. h FluggastrechteVO) maßgeblich ist, an dem der Fluggast infolge der
Verspätung später als zur planmäßigen Ankunftszeit ankommt. Hiermit trägt die Verordnung dem Umstand Rechnung, dass die Annullierung oder Verspätung
eines Flugs die einzelnen Fluggäste unterschiedlich stark beeinträchtigen kann, je nachdem, wie sie sich auf die Erreichung des individuellen Endziels ihrer
Flugreise auswirkt (BGH, Urteil vom 13. November 2012, aaO Rn. 15)
c) Den von der Klägerin geltend gemachten Ausgleichsansprüchen steht es auch nicht entgegen, dass der Anschlussflug von Madrid nach San José, dem
Endziel der Flugreise, selbst nicht verspätet war.
Zwar hat der Unionsgerichtshof in seinem Urteil vom 23. Februar 2013 gemeint, dass die Fluggastrechteverordnung ‚zwei unterschiedliche Fälle der
Verspätung eines Flugs' betreffe (aaO Rn. 28) und aus der Definition des Endziels gefolgert, dass es im Fall eines Fluges mit Anschlussflügen für die Zwecke
der in Art. 7 FluggastrechteVO vorgesehenen Ausgleichszahlung allein auf die Verspätung ankomme, die gegenüber der planmäßigen Ankunftszeit am Endziel,
d. h. dem Zielort des letzten Fluges des betreffenden Fluggasts, festgestellt werde (aaO Rn. 35). Er hat demgemäß in seiner Antwort auf die Vorlagefrage
ausgeführt, dass die Zahlung nicht vom Vorliegen einer Verspätung beim Abflug und somit nicht von der Einhaltung der in Art. 6 FluggastrechteVO
aufgeführten Voraussetzungen abhänge. Dies bedeutet jedoch nur, dass eine Abflugverspätung und insbesondere eine Abflugverspätung, die das in Art. 6
bezeichnete Ausmaß überschreitet, nicht notwendige Voraussetzung des Ausgleichsanspruchs ist, und darf nicht dahin missverstanden werden, dass die
Abflugverspätung den Ausgleichsanspruch nicht begründen könnte, wenn der Anschlussflug zum Endziel für sich genommen nicht in den Anwendungsbereich
der Verordnung fällt oder selbst nicht mit Verspätung ausgeführt worden ist. Vielmehr hat der Gerichtshof seine Rechtsprechung zum Ausgleichsanspruch bei
Verspätung gerade für den Fall des infolge einer solchen Verspätung verpassten Anschlussflugs weiterentwickelt. Das Urteil vom 23. Februar 2013 ändert
mithin nichts daran, dass Fluggäste, die auf einem Flughafen auf dem Gebiet eines Mitgliedstaats der Union einen Flug antreten, eine Ausgleichszahlung
beanspruchen können, wenn der verspätete Abflug dieses Flugs zur Folge hat, dass das Endziel mit einer Verspätung von mindestens drei Stunden erreicht
wird. Der gleiche Anspruch besteht, wenn der Flug zwar pünktlich abgeht, aber - etwa wegen einer außerplanmäßigen Zwischenlandung - gleichwohl
unpünktlich ankommt und dies wiederum dazu führt, dass das Endziel mit einer Verspätung von mindestens drei Stunden erreicht wird; auch dann liegt nach
dem Urteil Air France/Folkerts ein verspäteter (Erst-)Flug vor. Hingegen kann eine Störung, die erst bei einem Anschlussflug auftritt, für den die Verordnung
nach Art. 3 Abs. 1 nicht gilt, einen Ausgleichsanspruch auch dann nicht begründen, wenn sie dazu führt, dass das Endziel mit erheblicher Verspätung erreicht
wird (BGH, Urteil vom 13. November 2012, aaO Rn. 17).
3. Der Einwand der Revisionsbeklagten, die Auslegung der Fluggastrechteverordnung durch die Rechtsprechung des Unionsgerichtshofs sei von den der
Europäischen Union zugewiesenen Kompetenzen nicht mehr gedeckt und deshalb von Verfassungs wegen nicht zu befolgen, führt zu keiner anderen Beurteilung.
a) Zunächst stellt sich im Streitfall nicht die Frage nach den Grenzen der Zuständigkeit der Europäischen Union, die hinsichtlich der Fluggastrechteverordnung
und der in ihr geregelten Rechte und Pflichten der Luftverkehrsunternehmen und der Fluggäste außer Zweifel steht. Es ist auch nicht zweifelhaft, dass das
Unionsrecht einen Ausgleichsanspruch für den Fall einer großen Verspätung vorsehen kann, so dass nicht in Betracht kommt, dass der Unionsgerichtshof durch
die entsprechende Auslegung der Fluggastrechteverordnung in der Union nicht übertragene Kompetenzen der Mitgliedstaaten eingegriffen haben könnte.
b) Der Senat könnte daher die Fluggastrechteverordnung nicht anders auslegen, ohne dem Unionsgerichtshof die Frage der Vereinbarkeit seiner Rechtsprechung
mit dem Primärrecht der Europäischen Union vorzulegen. Hierzu besteht jedoch keine Veranlassung.
In ihrem Urteil vom 23. Oktober 2012 (C-581/10 - Nelson/Lufthansa) hat die Große Kammer des Gerichtshofs die Gleichstellung der durch große
Verspätungen betroffenen Passagiere mit den Passagieren annullierter Flüge nochmals ausführlich begründet. Sie hat insbesondere darauf hingewiesen, dass
Art. 5 Abs. 1 Buchst. c Nr. iii der Verordnung dem Luftverkehrsunternehmen einen gewissen Spielraum einräume, dem Fluggast eines spät annullierten Fluges
eine anderweitige Beförderung anbieten zu können, ohne ihm einen Ausgleich zahlen zu müssen. Auch wenn das Luftverkehrsunternehmen die ihm
eingeräumten Möglichkeiten in vollem Umfang nutze, dürfe jedoch die Gesamtdauer der angebotenen anderweitigen Beförderung die planmäßige Dauer des
annullierten Fluges nicht um drei Stunden oder mehr übersteigen; bei Überschreitung dieser Grenze seien dem Fluggast zwingend Ausgleichszahlungen zu
leisten. Dagegen räume keine Bestimmung der Fluggastrechteverordnung ausdrücklich den Fluggästen verspäteter Flüge einen solchen Anspruch auf eine
Ausgleichsleistung ein, auch wenn sie ihr Endziel erst drei Stunden nach der geplanten Ankunftszeit und noch später erreichten. Der (primärrechtliche)
Grundsatz der Gleichbehandlung verlange indessen, dass vergleichbare Sachverhalte nicht unterschiedlich und unterschiedliche Sachverhalte nicht
gleichbehandelt werden, sofern eine solche Behandlung nicht - wie hier nicht - objektiv gerechtfertigt sei (aaO Rn. 31-33).
Aus der - allerdings nicht maßgeblichen - Sicht des deutschen Rechts handelt es sich hierbei um eine durch das Primärrecht zusätzlich gestützte Analogie. Der
Bundesgerichtshof hat es in seinem Vorlagebeschluss im Fall ‚Sturgeon' für möglich gehalten, dass eine erhebliche Verzögerung des Abflugs als Annullierung
des Flugs anzusehen sein könne und den Ausgleichsanspruch wegen Annullierung auslöse, da eine nicht erkennbar vom Verordnungsgeber gewollte
Schutzlücke aufträte, wenn auch eine erhebliche, im Vorlagefall mehr als 24 Stunden betragende Verspätung keinen Ausgleichsanspruch auslöse und es die
Luftverkehrsunternehmen jedenfalls in gewissem Umfang in der Hand hätten, die Rechtsfolgen einer Annullierung durch - in der Dauer nicht begrenzte -
Verschiebungen der Abflugzeit zu umgehen (BGH, Beschluss vom 17. Juli 2007 - X ZR 95/06, NJW 2007, 3437 Rn. 18 ff.). Diesem Ansatz ist der
Unionsgerichtshof nicht gefolgt, weil die Verordnung eine zeitliche Grenze für Verspätungen nicht bestimmt hat, hat aber gleichwohl die Rechtsfolgen einer
Annullierung in angepasster Form für anwendbar erklärt. Diese methodische Differenz ist nicht geeignet, den Vorwurf einer Missachtung der Bindung des
Richters an das Gesetz zu begründen. Vielmehr hat sich der Unionsgerichtshof der richterlichen Aufgabe gestellt, diejenige Lücke zu füllen, die der
Verordnungstext dadurch gelassen hat, dass er einerseits auch für erheblich verspätete Flüge keinen Ausgleichsanspruch vorsieht und andererseits kein
objektives, dem Einfluss des betroffenen Luftverkehrsunternehmens entzogenes Kriterium dafür formuliert, wann eine Verspätung unter Berücksichtigung des
Schutzzwecks der Verordnung wie oder als eine Annullierung angesehen werden muss. Dementsprechend sieht nunmehr auch der Vorschlag der Kommission
vom 13. März 2013 für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rats zur Änderung der Fluggastrechteverordnung (COM (2013) 130 final) vor,
für große Verspätungen in Art. 6 Abs. 2 und für verpasste Anschlussflüge in einem neuen Art. 6a zeitliche Grenzen für die verzögerte Ankunft am Endziel zu
bestimmen, jenseits deren ein Ausgleichsanspruch nach Art. 7 FluggastrechteVO bestehen soll.
Vor diesem Hintergrund ist es nur folgerichtig, wenn der Unionsgerichtshof in seinem Urteil vom 26. Februar 2013 (C-11/11 - Air France/Folkerts) bei
verspäteten Flügen für den Ausgleichsanspruch nur die verspätete Ankunft in den Blick nimmt. Mit der Schaffung eines von der Verordnung nicht
vorgesehenen Tatbestands der Ankunftsverspätung hat dies nichts zu tun. Vielmehr entspricht es dem Regelungskonzept der Fluggastrechteverordnung, dass es
bei einem erheblich verspäteten Flug für die am Abflugort zu erbringenden Unterstützungsleistungen nach den Art. 8 und 9 auf die Abflugzeit, beim
Ausgleichsanspruch aber - nicht anders als bei der Annullierung - auf die für das Maß der Beeinträchtigung maßgebliche Ankunftszeit ankommt. ..."
***
Dem Gerichtshof der Europäischen Union wird gemäß Art. 267 AEUV folgende Frage zur Auslegung des Unionsrechts vorgelegt: Ist das Abkommen zwischen
der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft über den Luftverkehr vom 21. Juni 1999 in der Fassung des Beschlusses Nr.
2/2010 des Luftverkehrsausschusses Gemeinschaft/Schweiz vom 26. November 2010 dahin auszulegen, dass die Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des
Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im
Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 entsprechend
ihrem Art. 3 Abs. 1 Buchst. a auch für Fluggäste gilt, die auf Flughäfen in der Schweiz einen Flug in einen Drittstaat antreten?(BGH, EuGH-Vorlage vom
09.04.2013 - X ZR 105/12):
„... Die Klägerin buchte bei der Beklagten, einem Luftverkehrsunternehmen mit Sitz in der Schweiz, für den 3. Februar 2011 einen Flug von Frankfurt am
Main nach Zürich (Flugnummer … ) und einen direkten Anschlussflug von Zürich nach Yaundé in Kamerun mit einem Zwischenstopp in Duala (Flugnummer
… ). Der Flug von Frankfurt am Main nach Zürich erfolgte planmäßig. Der Abflug des Anschlussflugs in Zürich verzögerte sich um 6 Stunden und 10
Minuten. Dieser Flug endete tatsächlich in Duala. Die Klägerin wurde sodann mit dem Bus von Duala nach Yaundé befördert und erreichte dieses Ziel am
Abend des Folgetags mit einer Verspätung von mehr als 20 Stunden.
Die Klägerin macht wegen der Verspätung eine Ausgleichszahlung in Höhe von 600 € geltend. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen; die Berufung ist
ohne Erfolg geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Klageforderung weiter. ..."
***
Wird der Reisende mit seinem Reisegepäck bereits am Abflugort des Zubringerfluges auch für den Anschlussflug abgefertigt, setzt eine Ausgleichszahlung
wegen Nichtbeförderung auf dem Anschlussflug weder eine erneute Abfertigung am Umsteigeflughafen noch eine Ankunft 45 Minuten vor dem Abflug des
Anschlussfluges voraus. Die Teilnahme an einem Anschlussflug kann grundsätzlich nicht deshalb verweigert werden, weil das Reisegepäck vom Zubringerflug
nicht in das Flugzeug des Anschlussfluges verladen werden konnte. Die Nichterfüllung der Pflicht gemäß Art. 9 FluggastrechteVO zur Bereitstellung einer
Hotelunterbringung sowie von Mahlzeiten und Getränken für die Zeit bis zur Teilnahme an einem Ersatzflug führt mit dem Verfehlen der Leistungszeit ohne
Weiteres zu einer dauerhaften Unmöglichkeit im Sinne eines absoluten Fixgeschäftes (BGH, Urteil vom 28.08.2012 - X ZR 128/11).
***
Besteht eine Flugreise aus zwei oder mehr Flügen, die jeweils von einer Fluggesellschaft unter einer bestimmten Flugnummer für eine bestimmte Route
angeboten werden, ist die Anwendbarkeit der Fluggastrechteverordnung für jeden Flug gesondert zu prüfen. Dies gilt auch dann, wenn die Flüge von
derselben Fluggesellschaft durchgeführt werden und als Anschlussverbindung gemeinsam gebucht werden können (Bestätigung von BGH, Urteil vom
28. Mai 2009, Xa ZR 113/08, NJW 2009, 2743; BGH, Urteil vom 13.11.2012 - X ZR 12/12).
*** (LG)
„... Die Beklagte hat sich auf den Standpunkt gestellt, die Verordnung sei bereits nicht anwendbar. Nach § 3 Abs. 1b) VO gelte diese im Falle eines
Flugantritts auf dem Gebiet eines Nichtmitgliedstaats nur dann, wenn es sich bei dem ausführenden Unternehmen um ein Luftfahrtunternehmen der
Gemeinschaft handele und der Fluggast an dem in dem Drittstaat gelegenen Abflugort weder Gegenleistungen, noch Ausgleichs- oder Unterstützungsleistungen
erhalten habe. Letztere Leistung hätten die Kläger jedoch erhalten. Hierzu hat die Beklagte behauptet, die Kläger seien auf ihre Kosten in einem Hotel
untergebracht worden und hätten Verpflegung sowie Getränke erhalten.
Weiter hat die Beklagte die Auffassung vertreten, die Kläger könnten sich jedenfalls nicht auf Art. 7 VO berufen, da diese Vorschrift eine Ausgleichsleistung
nur im Falle der Annullierung, nicht aber bei Verspätung vorsehe. Eine Ausgleichsleistung sei dem deutschen Recht fremd, die Vorschrift sei daher restriktiv
auszulegen. Die Entstehungsgeschichte und die Motive des Verordnungsgebers widersprächen der Auffassung der Kläger.
Soweit der EuGH in seinem Urteil vom 19.11.2009 (AZ C-402/07 und C-432/07) die Auffassung vertreten habe, dass die Fluggäste verspäteter Flüge im
Hinblick auf die Anwendung des Ausgleichsanspruchs den Fluggästen annullierter Flüge gleichgestellt werden können, sei diese Rechtsprechung
unbeachtlich, da sie einer Rechtsgrundlage entbehre. Von den vom BGH formulierten Fragen im Vorlagebeschluss vom 10.07.2007 (AZ X ZR 95/06) sei
die Entscheidung nämlich nicht gedeckt. Ebenso wenig habe die Entscheidung der Beantwortung der vom Handelsgericht Wien gestellten Fragen im Verfahren
C-432/07 gedient. Der EuGH habe daher außerhalb seiner Kompetenzen entschieden und so gegen die europarechtliche Gewaltenteilung verstoßen. Nicht
berücksichtigt habe der EuGH zudem, dass die von ihm vorgenommene Auslegung mit den Regelungen des Montrealer Übereinkommens (MÜ) kollidiere.
Soweit sich der BGH in seiner Entscheidung vom 18.02.2010 der Rechtsprechung des EuGH angeschlossen habe, ergebe sich hieraus nichts anderes, da sich
der BGH „blind" und ohne eigene Erwägungen auf die Entscheidung des EuGH gestützt habe. Jedenfalls habe die Entscheidung des EuGH keine
Bindungswirkung für das vorliegende Verfahren.
Selbst bei Annahme der Anwendbarkeit des Art. 7 VO bei großer Verspätung sei sie, die Beklagte, exkulpiert. Die Verzögerung habe auf außergewöhnlichen
Umständen im Sinne von Art. 5 Abs. 3 der VO beruht.
Hierzu hat die Beklagte behauptet, das für den Flug von Z. nach Köln/Bonn vorgesehene Flugzeug habe zunächst um 19.15 Uhr von Köln/Bonn nach Z. fliegen
sollen. Als es um 20.12 Uhr nach bereits geringfügig verspätetem Eintreffen in Köln/Bonn die Parkposition habe verlassen wollen, habe das System einen
Fehler in der Höhenruder-Steuerung angezeigt, weswegen der Start habe abgebrochen werden müssen. Zur Beseitigung des Defekts habe das gesamte Bauteil
ausgetauscht werden müssen, so dass das Flugzeug erst am Folgetag um 7.15 Uhr einsatzbereit gewesen sei. Statt des vorgesehenen Flugzeugs sei daher um
22.19 Uhr ein anderes Flugzeug nach Z. gestartet, das um 23.48 Uhr hätte landen sollen. Aufgrund von Gewitterzellen sei eine Landung in Z. jedoch erst um
0.15 Uhr des folgenden Morgens erfolgt. Wegen Überschreitung der Flugzeiten der Crew habe dann kein sofortiger Rückflug erfolgen können, der Start sei
demnach erst - wie von den Klägern vorgetragen - um 8.36 Uhr erfolgt. Sämtliche Flugzeuge der Beklagten seien regelmäßig und ordnungsgemäß gewartet worden.
Selbst wenn das Gericht Ausgleichsansprüche bejahe, müsse eine Vorlage an den EuGH erfolgen, da es nach Art. 267 Abs. 3 EU-Arbeitsweisevertrag (AEUV)
einem letztinstanzlichen Gericht verwehrt sei, Zweifelsfragen in der Auslegung des Gemeinschaftsrechts, von deren Beantwortung die Entscheidung abhänge,
selbst zu entscheiden.
Das Amtsgericht hat der Klage im beantragten Umfang mit Ausnahme der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten stattgegeben und die Berufung zugelassen.
Es hat ausgeführt, die Verordnung sei gem. Art. 3 Abs. 1 b) VO anwendbar. Die Kläger hätten in Kroatien allenfalls Betreuungsleistungen, nicht aber Gegen-,
Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen erhalten.
Art. 7 VO sei nicht nur bei Annullierung sondern auch bei großer Verspätung anwendbar, da eine solche in ihren Auswirkungen einer Annullierung
gleichkomme. Einer Vorlage an den EuGH bedürfe es nicht, da dieser bereits eine dahingehende Auslegung vorgenommen habe.
Die Zuerkennung von Ausgleichsleistungen sei nicht gemäß Artikel 29 des Montrealer Übereinkommens ausgeschlossen, da es sich bei derartigen
Zahlungen nicht um Schadensersatz im Sinne des Übereinkommens handele.
Die Beklagte sei nicht gem. Art. 5 Abs. 3 VO exkulpiert, da keine außergewöhnlichen Umstände im Sinne dieser Vorschrift vorgebracht seien.
Auch diesbezüglich komme eine Vorlage an den EuGH nicht in Betracht, da dieser die dahingehenden Auslegungsfragen bereits mit Urteil vom 22.12.2008
(NJW 2009, 347) entschieden habe.
Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Sie wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag. Ihren Vortrag hinsichtlich der Gegen-,
Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen im Sinne von Art. 3 Abs. 1b) VO modifiziert sie dahingehend, dass die Kläger Verpflegung und Getränke sowie
Gutscheine im Wert von 20,- € pro Person erhalten hätten. Bezüglich der von ihr angenommenen Europarechtswidrigkeit der Rechtsprechung des EuGH zur
Anwendbarkeit des Art. 7 VO auf Fälle erheblicher Verspätung verweist sie auf ihren erstinstanzlichen Vortrag und vertieft ihre Argumentation. Das Gericht
habe hinsichtlich der Unvereinbarkeit der EuGH-Rechtsprechung mit Art. 29 des Montrealer Übereinkommens ohne weitere Argumentation auf die
Entscheidung des BGH (MDR 2010, 614) verwiesen. Der von ihr vorgetragene technische Defekt führe dazu, dass die Vorschrift des Art. 5 Abs. 3 VO
anwendbar sei. Vollkommen unberücksichtigt lasse das Gericht, dass die durch den technischen Defekt bedingte Verspätung unter 3 Stunden geblieben wäre,
wenn nicht Wetterbedingungen zu einer weiteren Verzögerung geführt hätten. ...
II. ...
Den Klägern steht jeweils ein Ausgleichsanspruch in Höhe von 250,- € gem. Art. 4 Abs. 3 i.V.m. Art. 7 Abs. 1b) VO EG 261/2004 (Fluggastrechte-VO) zu.
Die Berufung dringt nicht damit durch, dass die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit der VO nicht vorliegen. Gem. Art. 3 Abs. 1b) VO gilt die Verordnung,
sofern das ausführende Luftfahrtunternehmen ein Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft ist, für Fluggäste, die von einem Flughafen in einem Drittstaat einen
Flug zu einem Flughafen im Gebiet eines Mitgliedstaats, das den Bestimmungen des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union unterliegt,
antreten. So liegt der Fall hier. Die Beklagte ist ein deutsches Luftfahrtunternehmen, die Beförderung sollte von dem Flughafen eines Drittstaats (Z) nach
Deutschland, Flughafen Köln/Bonn erfolgen. Es liegt auch keine Ausnahme im Sinne von § 3 Abs. 1b) VO insofern vor, dass die Kläger in dem Drittstaat
Gegen- oder Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen erhalten hätten. Zwar sollen die Kläger nach dem Vortrag der Beklagten Getränke und Verpflegung
sowie Gutscheine im Wert von jeweils 20,- € erhalten haben. „Ausgleichsleistungen" wurden ihnen damit jedoch nicht gewährt. Der Begriff Ausgleichsleistung
ist im Sinne von Art. 7 der VO zu verstehen, d.h. es muss eine Ausgleichszahlung erfolgt sein. Hier sollen nach dem Vortrag der Beklagten aber nur Leistungen
gewährt worden sein, die im Wesentlichen Hunger und Durst befriedigen sollten, also Unterstützungsleistungen waren. Durch die behauptete Überlassung von
Gutscheinen wurden die darüber hinausgehenden Beeinträchtigungen durch die 11stündige Verspätung und den Verbleib über Nacht weder kompensiert, noch
erfolgte eine Zahlung. Ein solcher Gutschein - dessen Inhalt die Beklagte nicht näher darlegt - ist nicht mit einer Zahlung zu Ausgleichszwecken gleichzustellen.
Soweit sich die Berufung darauf stützt, dass die Fluggastrechte-VO gem. Art. 5 Abs. 1c) i.V.m. Art. 7 Abs. 1 b) einen Ausgleichsanspruch nur im Falle der
Annullierung eines Flugs, nicht aber bei großer Verspätung vorsehe, vermag dem die Kammer nicht zu folgen.
Die Kammer schließt sich insoweit der Rechtsprechung des BGH an, der Ausgleichsleistungen gem. Art. 7 der VO nicht nur bei Annullierung von Flügen,
sondern auch in den Fällen gewährt, wenn der Fluggast wegen des verspäteten Flugs sein Endziel nicht früher als drei Stunden nach der ursprünglich geplanten
Ankunftszeit erreicht (BGH, NJW 2010, 2281). Diese Rechtsprechung fußt auf der Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 19.11.2009, AZ C-402/07, NJW
2010, 43). Die Art. 5, 6 und 7 der VO sind danach dahingehend auszulegen, dass die Fluggäste verspäteter Flüge im Hinblick auf die Anwendung des
Ausgleichsanspruchs den Fluggästen annullierter Flüge gleichgestellt werden können und somit den in Art. 7 dieser Verordnung vorgesehenen
Ausgleichsanspruch geltend machen können, wenn sie wegen eines verspäteten Flugs einen Zeitverlust von drei Stunden oder mehr erleiden. Der EuGH hat
diesbezüglich ausgeführt, bei der Auslegung einer Vorschrift des Gemeinschaftsrechts sei nicht nur ihr Wortlaut zu berücksichtigen, sondern auch ihr
Zusammenhang und ihre Ziele, die mit der Regelung, zu der sie gehöre, verfolgt werden. Der verfügende Teil eines Gemeinschaftsrechtsakts sei untrennbar mit
seiner Begründung verbunden und erforderlichenfalls unter Berücksichtigung der Gründe auszulegen, die zu seinem Erlass geführt hätten. Angesichts des Ziels
der Verordnung, den Schutz der Fluggäste dadurch zu verstärken, dass ihnen Ausgleich für bei der Beförderung im Luftverkehr entstandene Schäden geleistet
wird, seien die von dieser Verordnung erfassten Sachverhalte insbesondere anhand der Art und der Bedeutung der verschiedenen Unannehmlichkeiten und
Schäden, die den betroffenen Fluggästen entstünden, zu vergleichen. Die Situation von Fluggästen verspäteter Flüge mit der von Fluggästen annullierter Flüge
sei zu vergleichen, da unter anderem der Schaden ausgeglichen werden solle, der in einem Zeitverlust der betroffenen Fluggäste bestehe.
Dieser Rechtsprechung schließt sich die Kammer insbesondere im Hinblick auf die der Verordnung vorangestellten Erwägungen an, wonach durch die
Fluggastrechte-VO ein hohes Schutzniveau für Fluggäste erreicht werden soll. Zudem sind die Grenzen zwischen einer Annullierung des vorgesehenen Fluges
und einer großen Verspätung fließend. Eine Kompetenzüberschreitung des EuGH vermag die Kammer nicht zu erkennen. Entgegen der Ansicht der Beklagten
hat der EuGH innerhalb der Vorlagefragen des BGH (Vorlagebeschluss vom 17.07.2007, NJW 2007, 3437) entschieden, da eine eingehende
Auseinandersetzung mit den Vorlagefragen und deren Auslegung erfolgt ist.
Ein Verstoß gegen Art. 29 des Montrealer Übereinkommens kann nicht angenommen werden. Denn wie der BGH zutreffend entschieden hat (NJW 2010,
1526) sind Ausgleichzahlungen gem. Art. 7 VO keine Schadensersatzansprüche im Sinne von Art. 35 Abs. 1 des Montrealer Übereinkommens. Ansprüche auf
eine pauschale und einheitliche Ausgleichszahlung gem. Art. 7 VO bestehen nämlich unabhängig von einem individuellen Schadensersatzanspruch.
Keinen Erfolg hat die Berufung mit der Argumentation, die Beklagte habe nachgewiesen, dass die Verspätung auf außergewöhnliche Umstände zurückgehe, die
sich dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären.
Nach der Rechtsprechung des BGH (NJW 2010, 1070; NJW 2010, 2281) können unerwartete Flugsicherheitsmängel nur dann als außergewöhnlich i.S. von
Art. 5 Abs. 3 VO qualifiziert werden, wenn sie ein Vorkommnis betreffen, das nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des betroffenen
Luftfahrtunternehmens ist und auf Grund seiner Natur oder Ursache von ihm tatsächlich nicht zu beherrschen ist. Daraus ergibt sich, dass technische Defekte,
wie sie beim Betrieb eines Flugzeugs typischerweise auftreten, grundsätzlich keine außergewöhnlichen Umstände begründen, und zwar auch dann nicht, wenn
das Luftfahrtunternehmen alle vorgeschriebenen oder sonst bei Beachtung der erforderlichen Sorgfalt gebotenen Wartungsarbeiten frist- und ordnungsgemäß
ausgeführt hat. Solche Defekte sind Teil der normalen Tätigkeit des betroffenen Luftfahrtunternehmens. Der BGH führt weiter aus (NJW 2010, 1070), dass ein
technisches Problem nur dann als außergewöhnlicher Umstand angesehen werden kann, wenn es beispielsweise auf versteckten Fabrikationsfehlern,
Sabotageakten oder terroristischen Angriffen beruht.
Hierfür fehlt es an Vortrag, auf die von der Beklagten vorgetragenen Wartungsarbeiten kommt es nicht an.
Die Rechtsprechung des BGH steht im Einklang mit der Rechtsprechung des EuGH, der entschieden hat, Art. 5 Abs. 3 VO sei dahin auszulegen, dass ein bei
einem Flugzeug aufgetretenes technisches Problem nicht unter den Begriff „außergewöhnliche Umstände" falle, es sei denn, das Problem gehe auf
Vorkommnisse zurück, die auf Grund ihrer Natur oder Ursache nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des betroffenen Luftfahrtunternehmens seien
und von ihm tatsächlich nicht beherrschen seien. Allein der Umstand, dass ein Luftfahrtunternehmen die gesetzlich vorgeschriebenen Mindesterfordernisse an
Wartungsarbeiten an einem Flugzeug durchgeführt hat, reiche nicht für den Nachweis, dass dieses Unternehmen „alle zumutbaren Maßnahmen" im Sinne von
Art. 5 Abs. 3 ergriffen habe (EuGH, EuZW 2009, 111 = NJW 2009, 347).
Soweit sich die Beklagte darauf beruft, ein außergewöhnlicher Umstand sei daraus herzuleiten, dass aufgrund von Gewitterzellen von der unmittelbaren
Flugroute habe abgewichen werden müssen, ist zunächst folgendes zu berücksichtigen: Nicht der streitgegenständliche Flug wurde durch ein Gewitter
verzögert, sondern betroffen war ein vorheriger Flug des Flugzeugs, das für den streitgegenständlichen Flug eingesetzt werden sollte. Wenn ein
Flugunternehmen gleich im Anschluss an einen Flug das Flugzeug für einen weiteren Flug einsetzen will, ist es bei den Planungen gehalten, ausreichende
Zeitpuffer vorzusehen. Bei den Planungen ist zu berücksichtigen, dass die Crew wegen Flugdienstzeitüberschreitung möglicherweise nicht mehr für den
anschließenden Flug eingesetzt werden kann. Entsprechende Vorkehrungen hat die Beklagten nicht vorgetragen. Die Verspätung aufgrund der Gewitterzellen
betrug zudem nur 27 Minuten, so dass hieraus keine ca. elfstündige Verspätung gerechtfertigt sein kann. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass Gewitterzellen
zu den Vorkommnissen zählen, die bei Flügen häufig auftreten, was ebenfalls gegen die Annahme eines „außergewöhnlichen Umstands" spricht.
Es besteht nach Auffassung der Kammer kein Anlass für eine eigene Vorlage an den Europäischen Gerichtshof gem. Art. 267 AEUV. Wenn nämlich die
sichere Überzeugung besteht, dass auch andere Gerichte der Mitgliedsstaaten keine andere Auslegung vornehmen würden, ist eine Vorlage nicht einmal durch
das letztinstanzlich entscheidende Gericht erforderlich (siehe BGH NJW 2009, 2740 Rn 17). Soweit die Berufungsklägerin meint, eine Vorlage an den EuGH
habe unter dem Gesichtspunkt zu erfolgen, dass der EuGH kompetenzüberschreitend und europarechtswidrig entschieden habe, ist eine Vorlage nicht von Art.
267 EU-Arbeitsweisevertrag gedeckt, da hierdurch allein Auslegungsfragen geklärt werden sollen. Auslegung ist die Ermittlung des Inhalts einer Vorschrift mit
Blick auf einen bestimmten Sachverhalt (Kotzur in Geiger/Khan/Kotzur, Kommentar zum EUV/ AEUV, 5. Aufl., Art. 267 Rn 7). Hinsichtlich der
Anwendbarkeit des Art. 7 der VO sowie hinsichtlich der Auslegung des Art. 5 Abs. der VO bei technischen Problemen hat der EuGH die Vorlagefragen jedoch
bereits erschöpfend entschieden (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 14.07.2006, 2 BvR 264/06, BVerfG, Beschluss vom 25.02.2010, NJW 2010,
1368). Die Vorlagefragen sind eindeutig beantwortet, wenngleich sich der EuGH auch nicht mit allen von der Beklagten nunmehr angeführten Argumenten
befasst haben mag.
Eine Aussetzung des Verfahrens, bis der Europäische Gerichtshof gem. Art. 1 Abs. 3 AEUV über das Vorabentscheidungsersuchen des Landgerichts Köln zu
AZ 10 S 224/10 entschieden hat, kommt nicht in Betracht. Vorgreiflichkeit ist dann anzunehmen, wenn im anderen Verfahren über ein Rechtsverhältnis
entschieden wird, dessen Bestehen für den vorliegenden Rechtsstreit präjudizielle Bedeutung hat. Der EuGH entscheidet zum einen nicht über das Bestehen
eines Rechtsverhältnisses, sondern über die Auslegung einer Norm. Zum anderen ist die Entscheidung nur für das vorlegende Gericht bindend (Kommentar
Geiger/Khan/Kotzur, EUV/AEUV, Art. 267 Rn 37). Schließlich ist zu berücksichtigen, dass der EuGH hinsichtlich der Gleichstellung von Annullierung und
großer Verspätung bereits erschöpfend entschieden hat, so dass aufgrund der Vorlage nach Einschätzung der Kammer nicht mit einer anderweitigen
Entscheidung zu rechnen ist. ...
Die Zulassung der Revision ist gem. § 543 Abs. 2 Nr. 1 und 2 ZPO zur Fortbildung des Rechts erforderlich; zudem hat die Sache auch grundsätzliche
Bedeutung. Insbesondere sind die Auslegungsfragen bezüglich Art. 3 Abs. 1 b), der VO bisher noch nicht höchstrichterlich geklärt. ..." (LG Köln, Urteil vom
21.09.2011 - 13 S 132/11)
***
„... 1. Soweit das Amtsgericht sich bezüglich der fraglichen Verordnung (EG) Nr. 261/2004 über die gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und
Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen (nachfolgend: VO) mit
ausführlicher Begründung bereits im Ausgangspunkt gegen die Gleichsetzung von Annullierung und großer Verspätung nach der Rechtsprechung des EuGH
(NJW 2010, 43) wendet, bedürfen seine Ausführungen keiner Entscheidung (ebenfalls kritisch aber z.B. Giesberts/Kleve, NZV 2010, 273).
2. Denn das angefochtene Urteil erweist sich selbst auf der Grundlage der Rechtsprechung des EuGH zur Auslegung der VO als richtig: Der Kläger zeigt die
Voraussetzungen der Anwendbarkeit der VO auf den in Rede stehenden konkreten Sachverhalt nicht auf.
a) Die tatsächlichen Voraussetzungen des Art. 3 Abs. 1 lit. b) i.V.m. Art. 2 lit. c) der VO sind von dem insoweit darlegungs- und beweisbelasteten Kläger nicht
dargetan: Die Beklagte müsste dann nämlich ein ‚Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft' darstellen und hierfür eine gültige Betriebsgenehmigung i.S.d.
Verordnung über die Erteilung von Betriebsgenehmigungen an Luftfahrtunternehmen aufweisen. Die Beklagte hat erstinstanzlich im Termin bestritten, dass
sie über eine solche gültige Betriebsgenehmigung verfüge. Hierzu hat der Kläger sodann weder näher vorgetragen noch Beweis angetreten. Er hat keinen
Schriftsatznachlass beantragt und selbst in der Berufung hierzu nicht weiter vorgetragen und Beweis angetreten. Mithin kann die Anwendbarkeit der VO aus
ihrem Art. 3 Abs. 1 lit. b) nicht hergeleitet werden.
Entgegen der Ansicht der Berufung greifen hinsichtlich dieses Bestreitens auch keinesfalls die Präklusionsvorschriften. Zum einen kann das im Rechtszug
übergeordnete Gericht ohnehin nicht von sich aus eine von der Vorinstanz - wie hier - nicht ausgesprochene Zurückweisung verspäteten Vorbringens
vornehmen. Zum anderen wäre eine Zurückweisung des in der ersten mündlichen Verhandlung erfolgten Vorbringens nach §§ 296 Abs. 2, 282 Abs. 1 ZPO
auch unzulässig gewesen, weil der Vortrag hier nicht nur auf Nachfrage des Gerichts erfolgte, sondern Vortrag im ersten Verhandlungstermin auch ohnehin
stets rechtzeitig i.S.d. § 282 Abs. 1 ZPO ist (BGH, NJW 1992, 1965; NJW-RR 2005, 1007; Beschl. v. 20.12.2006, Az. IV ZR 64/04, bei Juris [in ZfS 2008, 163
insoweit nicht abgedr.]). Schließlich wäre Voraussetzung jeder Zurückweisung, dass die Berücksichtigung des Vortrags die Entscheidung des Rechtsstreits
überhaupt verzögern würde. Da die Klägerseite für ihren Vortrag keinen Beweis angetreten hatte, war die bislang schlüssige Klage aufgrund des erheblichen
Vorbringens des Beklagten nunmehr abweisungsreif. Die Erledigung des Rechtsstreits verzögert sich dann nicht.
b) Die Anwendbarkeit der VO folgt auch nicht aus ihrem Art. 3 Abs. 1 lit. a). Es liegt hier nämlich kein Flug vor, der auf einem Flughafen in einem
Mitgliedstaat der EU angetreten worden wäre. Vielmehr wurde der Flug unstreitig in der Türkei (Istanbul) angetreten. Die Rechtsansicht der Berufung, es sei
aufgrund der Einheitlichkeit des Buchungsvorgangs zu einem Gesamtpreis von einem in Deutschland angetretenen Flug auszugehen, geht fehl. Der EuGH hat
bereits entschieden (NJW 2008, 2697, Rn. 40), dass es sich bei einem Flug ‚um einen Luftbeförderungsvorgang handelt, der (.) in gewisser Weise eine ‚Einheit'
dieser Beförderung darstellt, die von einem Luftfahrtunternehmen durchgeführt wird, das die entsprechende Flugroute festlegt'. Hin- und Rückreise können
daher nicht als ein und derselbe Flug angesehen werden, und zwar auch dann nicht, wenn die Buchung gemeinsam erfolgte (ebenda, Rn. 47). Genau so liegt es
hier. Entgegen der Ansicht der Berufung ergibt sich aus einem einheitlichen Preis für beide Beförderungen nichts anderes. Der genannten Entscheidung des
EuGH ist klar zu entnehmen, dass jeweils auf den einzelnen Luftbeförderungsvorgang abzustellen ist (ebenso EuGH, EuZW 2011, 526). Von einem
einheitlichen Luftbeförderungsvorgang kann bei einem mehrere Tage nach dem Hinflug nach Istanbul stattfindenden Rückflug ersichtlich keine Rede mehr
sein. Ebensowenig wie die VO zu ihrer Anwendung auf alle Flüge einen einheitlichen Buchungsvorgang ausreichen lässt, kann ein Gesamtpreis allein die
Anwendung begründen. Insofern ist auch keine Revisionszulassung oder eine Vorlage an den EuGH geboten. Die Auslegung der VO ist hinsichtlich des
Tatbestandsmerkmals ‚Flug' - insbesondere angesichts der hierzu bereits ergangenen Entscheidungen des EuGH - unzweifelhaft und klar, so dass für einen
vernünftigen Zweifel keinerlei Raum bleibt (acte clair). Gegenteilige Stimmen in Rechtsprechung oder Literatur zeigt der Parteivortrag auch nicht auf.
c) An dieser Beurteilung vermögen auch die Ausführungen im Schriftsatz vom 22.08.2011 nichts zu ändern.
Die Berufung verkennt weiterhin, dass die Kammer nicht befugt ist, nachträglich erstinstanzliches Vorbringen als verspätet zurückweisen, welches das
Amtsgericht zuvor nicht ausdrücklich zurückgewiesen hat (vgl. etwa BGH, NJW 1980, 343; NJW 2006, 1657). So liegt es hier. Das Amtsgericht hat die Frage
der Anwendbarkeit der VO offen gelassen und insoweit über die Frage der Verspätung im Urteil nicht positiv entscheiden, auch wenn es dies im
Verhandlungstermin erwogen haben mag. Im Übrigen wäre der Beklagtenvortrag aus den vorstehend genannten Gründen auch nicht verspätet gewesen; er
erfolgte im ersten Verhandlungstermin und beruhte zudem auf einer ausdrücklichen Nachfrage der Amtsrichterin, die insofern ersichtlich Bedarf für eine
Hinweiserteilung gesehen hatte. Dies hat die Kammer durchaus berücksichtigt; die Berufung missversteht insoweit die Formulierung des Hinweisbeschlusses.
Vortrag der durch einen für erforderlich erachteten Hinweis veranlasst wird, kann erst recht nicht verspätet sein. Die Berufung verkennt weiter, dass allein die
Notwendigkeit eines Schriftsatznachlasses für sich genommen gerade keine Verzögerung bedeutet (vgl. BVerfG, NJW 1989, 705 m. w. N.). Irrig ist sie weiter
die Ansicht, der Kläger müsse eine negative Tatsache beweisen und können diesen Beweis nie führen. Es hätte dem Kläger oblegen, das Vorliegen einer
gültigen Betriebsgenehmigung i.S.d. Verordnung über die Erteilung von Betriebsgenehmigungen an Luftfahrtunternehmen positiv zu beweisen. Dies ist weder
eine negative Tatsache noch ist dieser Beweis nicht zu führen. Auch auf die entsprechenden Hinweise der Kammer erfolgte indes weiterhin keinerlei Beweisantritt.
Dass und warum die Kammer bei der Auslegung des Begriffs ‚Flug' nicht von der Rechtsprechung des EuGH abweicht, sondern ihr gerade folgt, wurde bereits
im Einzelnen dargelegt.
II. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 ZPO), und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer
einheitlichen Rechtsprechung erfordern keine Entscheidung des Berufungsgerichts (§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 ZPO), so dass die Berufung durch einstimmigen
Beschluss zurückgewiesen werden konnte (§ 522 Abs. 2 S. 3 ZPO). ..." (LG Köln, Beschluss vom 23.08.2011 - 13 S 94/11)
*** (AG)
„... Der Klägerin steht ein Anspruch in Höhe von 500,00 € gemäß Art. 4 Abs. 3 i.V.m. Art. 5 Abs. 1 c) und Art. 7 Abs. 1 a) VO (EG) 261/2004 (nachfolgend:
VO), § 398 BGB gegen die Beklagte zu.
Sowohl die Klägerin als auch ihr Ehemann besitzen gegen die Beklagte einen Ausgleichsanspruch in Höhe von jeweils 250,00 €. Der Ehemann der Klägerin hat
dieser seinen Anspruch gemäß § 398 BGB wirksam abgetreten. Die von ihr behauptete Abtretung hat die Klägerin durch Vorlage der schriftlichen
Abtretungserklärung (Bl. 177 d. A.) nachgewiesen.
Die VO (EG) Nr. 261/2004 ist vorliegend gemäß Art. 3 Abs. 1 b) VO anwendbar. Danach findet die Verordnung Anwendung, wenn es sich bei dem
ausführenden Unternehmen um ein Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft handelt und die Fluggäste einen Flug von einem Flughafen in einem Drittstaat zu
einem Flughafen im Gebiet eines Mitgliedstaates, das den Bestimmungen des Vertrages unterliegt, antreten, es sei denn, sie haben in diesem Drittstaat Gegen-
oder Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen erhalten. Bei der Beklagten handelt es sich um ein Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft und die Fluggäste
haben einen Flug von einem Drittstaat (Split - Kroatien) zu einem Flughafen im Gebiet eines Mitgliedstaates (Hamburg - Deutschland) angetreten. Entgegen
der Ansicht der Beklagten ist die Anwendbarkeit der Verordnung nicht deswegen ausgeschlossen, weil die Klägerin und ihr Ehemann von der Beklagten
Unterstützungsleistungen im Sinne des Art. 9 der VO in Form von Gutscheinen für Verpflegung und Getränke erhalten haben. Es trifft nicht zu, dass die VO
nur dann anwendbar ist, wenn die Fluggäste an dem in einem Drittstaat gelegenen Abflugort weder Gegenleistungen, noch Ausgleichs- oder
Unterstützungsleistungen erhalten haben. Nach Art. 3 Abs. 1 b) gilt die VO nur dann nicht, wenn die Fluggäste in einem Drittstaat Gegen- oder Ausgleichs- und
(die Hervorhebung erfolgte durch das Gericht) Unterstützungsleistungen erhalten haben. Allein der Erhalt von Leistungen nach Art. 9 der VO führt hingegen
nicht zur Unanwendbarkeit der VO. Die Ansicht der Beklagten, dass die Geltung der Verordnung bereits dann ausgeschlossen sei, wenn der Fluggast an dem
außerhalb der EU gelegenen Abflugort überhaupt irgendwelche Gegen-, Unterstützungs- oder Ausgleichsleistungen erhalten hat, widerspricht dem Wortlaut des
Art. 3 Abs. 1 b) der VO. Bei den Leistungen nach Art. 9 der VO handelt es sich um Mindestleistungen, die von einem Luftfahrtunternehmen angeboten werden
müssen, um eine angemessene Betreuung der Fluggäste zu gewährleisten, während sie auf den späteren Flug warten. Fluggesellschaften schulden diese
Leistungen auch dann, wenn "außergewöhnliche Umstände" vorliegen. Betreuungsleistungen und Ausgleichszahlungen verfolgen unterschiedliche Zwecke.
Während Betreuungsleistungen darauf abzielen, Schäden, die dadurch entstehen, dass unvorbereitete Fluggäste länger als geplant auf den verspäteten Flug
warten müssen, sofort und unmittelbar am Abflugort zu beheben, sollen Ausgleichsansprüche Schäden kompensieren, die in einem Zeitverlust der betroffenen
Fluggäste bestehen und die angesichts ihres irreversiblen Charakters nur mit einer Ausgleichszahlung ersetzt werden können. Ein Nebeneinanderstehen der
Ausgleichszahlungen und Unterstützungsleistungen ergibt sich auch aus dem 12. Erwägungsgrund der VO, wonach Luftunternehmen den Fluggästen einen
Ausgleich leisten und eine angemessene Betreuung anbieten sollen. Aufgrund dessen sieht sich das Gericht nicht - wie von der Beklagten beantragt - veranlasst,
das Verfahren auszusetzen und dem Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung hinsichtlich der Frage vorzulegen, ob Art. 3 Abs. 1 b) VO dahingehend
auszulegen ist, dass die VO für Fluggäste, die von einem Flughafen in einem Drittstaat einen Flug zu einem Flughafen im Gebiet eines Mitgliedstaats antreten,
nur dann nicht gilt, wenn die Fluggäste in diesem Drittstaat genau diejenigen Gegen- oder Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen erhalten haben, die ihnen
im Falle der Geltung der VO nach den Bestimmungen der VO zustehen würden. Vorliegend haben die Klägerin und ihr Ehemann unstreitig nur
Unterstützungsleistungen nach Art. 9 VO und keine weitergehenden Leistungen erhalten, so dass die von der Beklagten aufgeworfene Frage für den
vorliegenden Rechtsstreit unerheblich ist.
Unstreitig mussten die Klägerin und ihr mitreisender Ehemann mehr als vier Stunden warten, bis der Rückflug von Split nach Hamburg von der Beklagten
durchgeführt wurde. Das Gericht vermag der Ansicht der Beklagten, die VO sehe einen Ausgleichsanspruch nur im Falle der Annullierung eines Fluges - nicht
jedoch bei einer Verspätung - vor, nicht zu folgen. Das Gericht schließt sich der insoweit eindeutigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen
Gemeinschaft und des Bundesgerichtshofs an, welche Ausgleichsleistungen gem. Art. 7 der VO nicht nur bei Annullierungen von Flügen, sondern auch in den
Fällen bejaht, in denen der Fluggast wegen des verspäteten Fluges sein Endziel nicht früher als drei Stunden nach der ursprünglich geplanten Ankunftszeit
erreicht (EuGH, Urt. v. 19.11.2009, Az.: C-402/07 und C-432/07; BGH, Urt. v. 18.02.2010, Az.: Xa ZR 95/06, jeweils zitiert nach juris). Zwar ergibt sich aus
dem Wortlaut der VO nicht unmittelbar, dass den Fluggästen verspäteter Flüge ein solcher Anspruch zusteht. Jedoch sind bei der Auslegung einer Vorschrift
des Gemeinschaftsrechts nicht nur ihr Wortlaut, sondern auch ihr Zusammenhang und die Ziele zu berücksichtigen, die mit der Regelung, zu der sie gehört,
verfolgt werden. Die Situation der Fluggäste verspäteter Flüge unterscheidet sich kaum von derjenigen der Fluggäste annullierter Flüge. Implizit wird dies
durch das Ziel der VO bestätigt. Denn aus den ersten vier Erwägungsgründen, insbesondere dem zweiten, der VO ergibt sich, dass diese darauf abzielt, ein
hohes Schutzniveau für Fluggäste unabhängig davon sicherzustellen, ob sie von einer Nichtbeförderung, einer Annullierung oder einer Verspätung eines Fluges
betroffen sind, da sie alle von gleichen Ärgernissen und großen Unannehmlichkeiten betroffen sind (EuGH, a.a.O.). Ausgangspunkt der Gleichbehandlung von
Annullierungen und Verspätungen ist die vergleichbare Lage der Fluggäste und der ähnliche Schaden in Form eines Zeitverlustes. Aufgrund dessen ist auch die
von dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaft vorgenommene Analogie nicht rechtswidrig. Demzufolge stehen den Fluggästen, deren Flug annulliert
wurde, und denjenigen, die von der Verspätung eines Fluges betroffen sind, im Hinblick auf die Anwendung des in Art. 7 der VO vorgesehenen
Ausgleichsanspruchs gleiche Rechte zu.
Eine Kompetenzüberschreitung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaft vermag das Gericht nicht zu erkennen. Dieser hat innerhalb der Vorlagefrage
des Bundesgerichtshofs gemäß Vorlagebeschluss vom 17.07.2007 (NJW 2007, 3437) entschieden. Die Vorlagefrage des Bundesgerichtshofs war ihrem
Wortlaut nach auf die Auslegung des Begriffs der Annullierung gerichtet, sie zielte im Ergebnis erkennbar auf die Klärung ab, ob und wann eine zeitliche
Verzögerung zu einer Entschädigung führt. Dies wird aus den Gründen zu Ziffer III 1 des Vorlagebeschlusses deutlich (LG Köln, Urt. v. 19.10.2011, Az.: 9 S 171/11).
Auch ist die VO mit der nunmehrigen Auslegung nicht wegen mangelnder Rechtssicherheit unwirksam. Vielmehr hat das Urteil des Gerichtshofs der
Europäischen Gemeinschaft vom 19.11.2009 für Klarheit gesorgt. Dieser hat sehr wohl erkannt, dass sich aus dem Wortlaut der VO kein unmittelbarer
Anspruch von Fluggästen verspäteter Flüge auf Ausgleichsleistungen gemäß Art. 7 der VO entnehmen lässt. Er hat sich ausführlich damit auseinandergesetzt,
inwieweit der VO der Wille des Gemeinschaftsgesetzgebers zu Ausgleichsleistungen im Falle von Verspätungen zu entnehmen ist. Unter anderem hat er auf die
Erwägungsgründe, den angestrebten Schutz der Fluggäste, den Grundsatz der Gleichbehandlung, den Zweck der VO und ihre Funktion als Ausgleich der
Interessen der Fluggäste und derjenigen der Luftfahrtunternehmen Bezug genommen (LG Landshut, Urt. v. 18.12.2009, Az.: 12 S 1250/09, zitiert nach juris).
Zu der von der Beklagten angeregten erneuten Vorlage der Sache an den Gerichtshof der Europäischen Union sieht das Gericht keine Veranlassung. Der
Bundesgerichtshof hat dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaft die Streitsache zur Vorabentscheidung vorgelegt, weil er es nicht für zweifelsfrei
gehalten hat, dass den Fluggästen eines verspäteten Fluges, wie er im Streitfall vorliegt, nach der VO kein Anspruch auf Ausgleichszahlungen zusteht. Diese
Unklarheit hinsichtlich der Auslegung des Gemeinschaftsrechts ist durch das Urteil des Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaft vom 19.11.2009 beseitigt
worden. Der vorliegende Rechtsstreit wirft keine relevanten neuen Auslegungsfragen auf, die das Gericht nicht ohne erneute Vorlage beantworten könnte.
Aus diesem Grund war der Rechtsstreit entgegen der Ansicht der Beklagten auch nicht gemäß § 148 ZPO wegen Vorgreiflichkeit im Hinblick auf das von ihr
zitierte Vorabentscheidungsersuchen des Amtsgerichts Köln vom 04.10.2010 - Az. 142 C 535/08 - beim Europäischen Gerichtshof auszusetzen. Denn eine
Verfahrensaussetzung gemäß § 148 ZPO steht grundsätzlich im Ermessen des Gerichts. Eine Ermessensreduzierung auf Null mit der Folge einer
Aussetzungspflicht kommt nur dann in Betracht, wenn das Gericht eine Vorabentscheidung des EuGH nach Art. 234 Abs. 2 EGV für notwendig hält; ist dies
nicht der Fall, weil das nationale Gericht keine Zweifel an der Richtigkeit der Auslegung des EG-Rechts hat, entfällt sowohl eine Vorlagepflicht als auch die
Pflicht zur Aussetzung des Verfahrens bis zur Entscheidung über ein bereits anhängiges Vorabentscheidungsersuchen (vgl. BGH, NJW-RR 2004, 497).
Die VO ist auch mit dem Montrealer Übereinkommen (im Folgenden MÜ) vereinbar und verstößt nicht gegen Art. 29 des MÜ, denn ein Ausgleichsanspruch
nach Art. 7 der VO ist generell nicht als Schadensersatzanspruch im Sinne der Art. 19, 29 MÜ anzusehen (BGH, Urt. v. 10.12.2009, Az.: Xa ZR 61/09, zitiert
nach juris). Diese Bestimmungen legen die Voraussetzungen fest, unter denen Fluggäste, die einen Schaden aufgrund einer Verspätung geltend machen, von
den Luftfahrtunternehmen Schadensersatz verlangen können. Nach Art. 29 S. 1 MÜ kann ein Schadensersatz, auf welchem Grund er auch beruht, sei es dem
MÜ, einem Vertrag, einer unerlaubten Handlung oder einem sonstigen Rechtsgrund nur unter den Voraussetzungen und Beeinträchtigungen geltend gemacht
werden, die in dem MÜ vorgesehen sind. Nach Art. 29 S. 2 MÜ ist bei einer Klage jeder eine Strafe einschließende, verschärfte oder sonstige nicht
kompensatorische Schadensersatz ausgeschlossen. Art. 29 S. 1 MÜ betrifft nur Ansprüche für solche Schäden, deren Ersatz in den Art. 17 ff. MÜ geregelt ist.
Ansprüche auf eine pauschale und einheitliche Ausgleichszahlung nach Art. 7 Abs. 1 VO wegen der Annullierung oder Verspätung eines Fluges gehören nicht
hierzu. Sie bestehen unabhängig von einem individuellen Schadensersatzanspruch. Insoweit gelten für Ausgleichszahlungen nach der VO und für
Schadensersatzansprüche im Sinne des MÜ unterschiedliche Regelungsrahmen. Aus der bisherigen Rechtsprechung ergibt sich, dass die VO zwar die
Schutzvorschriften des MÜ ergänzt, jedoch beide Regelungswerke kein einheitliches Luftverkehrsrecht bilden, sondern mit unterschiedlich geregelten
Ansprüchen nebeneinander stehen. Daher kann das MÜ dem Gemeinschaftsgesetzgeber nicht verwehren, im Rahmen der Befugnisse der Gemeinschaft auf dem
Gebiet des Verkehrs und des Verbraucherschutzes festzulegen, unter welchen Voraussetzungen der mit den erwähnten Unannehmlichkeiten verbundene
Schaden wieder gutzumachen ist (EuGH, Urt. v. 10.01.2006, Az.: C-344/04, zitiert nach juris). Das Gericht sieht sich nicht veranlasst, die Sache dem
Gerichtshof der Europäischen Union hinsichtlich der Frage der Vereinbarkeit der VO mit dem MÜ vorzulegen, da der Bundesgerichtshof diese in seinem Urteil
vom 10.12.2009 (Az.: Xa ZR 61/09) bereits bejaht hat.
Die Beklagte kann sich vorliegend auch nicht mit Erfolg auf Art. 5 Abs. 3 der VO berufen. Eine Verspätung führt gemäß Art. 5 Abs. 3 VO dann nicht zu einem
Ausgleichsanspruch zugunsten der Fluggäste, wenn das Luftfahrtunternehmen nachweisen kann, dass die Verspätung auf außergewöhnliche Umstände
zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären. Der Ausnahmetatbestand des Art. 5
Abs. 3 der VO ist eng auszulegen. Ein bei einem Flugzeug auftretendes technisches Problem, das eine ersatzpflichtige Verspätung eines Fluges zur Folge hat,
fällt nicht unter dem Begriff "außergewöhnliche Umstände" im Sinne dieser Bestimmung, es sein denn, das Problem geht auf Vorkommnisse zurück, die
aufgrund ihrer Natur oder Ursache nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des betroffenen Luftfahrtunternehmens sind und von ihm tatsächlich nicht
zu beherrschen sind. Daraus ergibt sich, dass technische Defekte, wie sie beim Betrieb eines Flugzeugs typischerweise auftreten, grundsätzlich keine
außergewöhnlichen Umstände begründen, und zwar auch dann nicht, wenn das Luftfahrtunternehmen alle vorgeschriebenen oder sonst bei Beachtung der
erforderlichen Sorgfalt gebotenen Wartungsarbeiten frist- und ordnungsgemäß ausgeführt hat. Als außergewöhnlicher Umstand kann ein technisches Problem
nur dann angesehen werden, wenn es seine Ursache in einem der in Erwägungsgrund 14 der Verordnung genannten Umstände hat, beispielsweise also auf
versteckten Fabrikationsfehlern, Sabotageakten oder terroristischen Angriffen beruht (EuGH, Urt. v. 22.12.2008, Az.: C-549/07; BGH, Urt. v. 12.11.2009, Az.:
Xa ZR 76/07, jeweils zitiert nach juris). Aus dem Vorbringen der Beklagten ergibt sich kein Anhaltspunkt dafür, dass der technische Defekt, der im Streitfall
zur Verspätung des Fluges geführt hat, auf einem außergewöhnlichen Umstand im vorstehend genannten Sinne beruht. Vorliegend hat die Beklagte
vorgetragen, dass die Ursache für die Flugverspätung eine plötzlich durch einen Dritten rechtswidrig verursachte Verstopfung der Bordtoilette gewesen sei. Ein
solcher - auch plötzlich auftretender - Defekt, gehört jedoch zu denjenigen Ereignissen, die beim Betrieb eines Luftfahrtunternehmens typischerweise auftreten
können. Sie sind deshalb Teil des betrieblichen Alltags, auch wenn die Flugzeuge regelmäßig gewartet worden sind.
Etwas anderes gilt auch dann nicht, wenn der vorliegende Defekt aus einer vorschriftswidrigen Handlung Dritter resultiert. Bordtoiletten sind dazu bestimmt,
von den mitreisenden Passagieren während des Fluges benutzt zu werden. Unerheblich ist, ob den Fluggästen durch deutlich sichtbare Hinweise in Text und
Zeichen untersagt wird, sperrige Gegenstände in die Bordtoilette zu werfen, und es der Beklagten möglich gewesen wäre, einen Defekt wie den vorliegenden zu
vermeiden. Entscheidend ist allein, dass eine Fluggesellschaft mit einem derartigen Fehlverhalten Dritter rechnen muss. Es liegt mithin - unabhängig davon, ob
die Beklagte alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen hatte, um die Verspätung zu vermeiden - kein unberechenbarer und somit außergewöhnlicher Umstand im
Sinne des Art. 5 Abs. 3 der VO vor.
Entgegen der Auffassung der Beklagten findet die Ausschlussfrist des Art. 35 MÜ vorliegend keine Anwendung. Die dort geregelte Ausschlussfrist gilt für
Schadensersatzansprüche nach Art. 17ff. MÜ. Ausgleichsansprüche nach Art. 7 Abs. 1 der VO stellen jedoch keine Schadensersatzansprüche im Sinne des MÜ
dar (BGH, Urt. v. 10.12.2009, Xa ZR 61/09, zitiert nach juris). Die Ansprüche auf Ausgleichszahlung nach Art. 7 der VO unterliegen der regelmäßigen
Verjährung nach den §§ 194ff. BGB. Danach sind die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche nicht verjährt. Die Verjährungsfrist begann gemäß § 199
Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres 2008, da die Ansprüche in diesem Jahr entstanden sind. Die dreijährige Verjährungsfrist des § 195 BGB war im
Zeitpunkt der Klageerhebung mithin noch nicht abgelaufen. ..." (AG Köln, Urteil vom 09.12.2011 - 145 C 15/11)
Artikel 4 Nichtbeförderung
(1) Ist für ein ausführendes Luftfahrtunternehmen nach vernünftigem Ermessen absehbar, dass Fluggästen die Beförderung zu verweigern ist, so versucht es
zunächst, Fluggäste gegen eine entsprechende Gegenleistung unter Bedingungen, die zwischen dem betreffenden Fluggast und dem ausführenden
Luftfahrtunternehmen zu vereinbaren sind, zum freiwilligen Verzicht auf ihre Buchungen zu bewegen. Die Freiwilligen sind gemäß Artikel 8 zu unterstützen,
wobei die Unterstützungsleistungen zusätzlich zu dem in diesem Absatz genannten Ausgleich zu gewähren sind.
(2) Finden sich nicht genügend Freiwillige, um die Beförderung der verbleibenden Fluggäste mit Buchungen mit dem betreffenden Flug zu ermöglichen, so
kann das ausführende Luftfahrtunternehmen Fluggästen gegen ihren Willen die Beförderung verweigern.
(3) Wird Fluggästen gegen ihren Willen die Beförderung verweigert, so erbringt das ausführende Luftfahrtunternehmen diesen unverzüglich die
Ausgleichsleistungen gemäß Artikel 7 und die Unterstützungsleistungen gemäß den Artikeln 8 und 9.
Leitsätze/Entscheidungen:
Der Begriff „Nichtbeförderung" im Sinne der Art. 2 Buchst. j und 4 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.
Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung
oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 ist dahin auszulegen, dass er sich nicht nur auf die
Nichtbeförderung wegen Überbuchung bezieht, sondern auch auf die Nichtbeförderung aus anderen Gründen wie z. B. betrieblichen Gründen. Art. 2 Buchst. j
und Art. 4 Abs. 3 der Verordnung Nr. 261/2004 sind dahin auszulegen, dass das Eintreten „außergewöhnlicher Umstände", die ein Luftfahrtunternehmen dazu
veranlassen, Flüge umzuorganisieren, nachdem diese Umstände vorgelegen haben, weder die „Nichtbeförderung" auf einem dieser nachfolgenden Flüge
rechtfertigen noch das betreffende Luftfahrtunternehmen von seiner Ausgleichsverpflichtung nach Art. 4 Abs. 3 der Verordnung Nr. 261/2004 gegenüber dem
Fluggast befreien kann, dem es die Beförderung auf einem dieser Flüge verweigert, die durchgeführt werden, nachdem die genannten Umstände vorgelegen
haben (EuGH, Urteil vom 04.10.2012 - C-22/11).
***
Art. 2 Buchst. j der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für
Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur
Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 2 der Verordnung Nr. 261/2004 ist so auszulegen, dass der Begriff
„Nichtbeförderung" auch den Fall erfasst, dass ein Luftfahrtunternehmen im Rahmen eines einheitlichen Beförderungsvertrags, der mehrere Buchungen auf
unmittelbar aufeinanderfolgenden und gleichzeitig abgefertigten Flügen umfasst, bestimmten Fluggästen die Beförderung verweigert, weil es auf dem ersten in
ihrer Buchung ausgewiesenen Flug zu einer von diesem Unternehmen zu vertretenden Verspätung gekommen ist und das Unternehmen irrig angenommen hat,
die Fluggäste würden den zweiten Flug nicht rechtzeitig erreichen ( EuGH, vom 04.10.2012 - C-321/11).
*** (BGH)
Kehrt der Fluggast, der wegen eines verspäteten Flugs einen gebuchten Anschlussflug verpasst hat und mit einem ihm angebotenen Ersatzflug sein Endziel
nicht früher als drei Stunden nach der vorgesehenen Ankunftszeit erreichen kann, zum ersten Abflugort zurück, steht ihm gleichwohl ein Ausgleichsanspruch
wegen erheblicher Verspätung zu. Die Verspätung eines Flugs geht regelmäßig auf außergewöhnliche Umstände zurück, wenn sie darauf beruht, dass das
pünktlich gestartete Flugzeug am Ankunftsflughafen keine Landeerlaubnis erhält (BGH, Urteil vom 13.11.2013 - X ZR 115/12).
***
„... I. Das Berufungsgericht hat Ansprüche der Kläger auf Ausgleichszahlung für begründet gehalten und seine Entscheidung wie folgt begründet: Den Klägern
stünden gemäß § 4 Abs. 3 FluggastrechteVO wegen Nichtbeförderung Ansprüche auf Ausgleichszahlungen nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. c FluggastrechteVO zu.
Die Kläger hätten über eine Buchung für die Flugreise von Miami über Madrid nach Düsseldorf verfügt. Da sie auch bereits Bordkarten für den Flug von
Madrid nach Düsseldorf erhalten hätten, habe die Beklagte, indem sie gleichwohl das Flugzeug in Madrid habe starten lassen, ohne auf das Eintreffen der
Kläger zu warten, diesen den Einstieg verweigert.
II. Dies hält der Nachprüfung nicht stand. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht angenommen, den Klägern stehe ein Anspruch wegen Nichtbeförderung (Art. 4
Abs. 3 FluggastrechteVO) zu. Eine Nichtbeförderung liegt nach Art. 2 Buchst. j FluggastrechteVO vor, wenn das Luftfahrtunternehmen sich weigert, Fluggäste
zu befördern, obwohl sie sich unter den in Art. 3 Abs. 2 FluggastrechteVO genannten Bedingungen am Flugsteig eingefunden haben. Der Ausgleichsanspruch
nach dieser Vorschrift setzt mithin voraus, dass dem am Flugsteig erschienenen Fluggast der Einstieg ("Boarding") gegen seinen Willen verweigert worden ist
(BGH, Urteil vom 30. April 2009 Xa ZR 78/08, RRa 2009, 239 = NJW 2009, 2740 Rn. 7; Beschluss vom 9. Dezember 2010 Xa ZR 80/10, RRa 2011, 84 Rn.
11). Diese Voraussetzung liegt nicht vor. Die Kläger sind wenngleich ohne ihr Verschulden vor Abflug des vorgesehenen Anschlussflugs nicht am Flugsteig
erschienen. Eine Verweigerung der Beförderung scheidet damit aus.
III. Das Berufungsurteil ist im Ergebnis gleichwohl zutreffend, da die Klageforderung unter dem Gesichtspunkt der Verspätung begründet ist. Den Fluggästen
eines verspäteten, wie im Streitfall nach Art. 3 Abs. 1 in den Anwendungsbereich der Flugastrechteverordnung fallenden Flugs steht ein Ausgleichsanspruch
nach Art. 7 zu, soweit sie wie die Kläger infolge der Flugverspätung ihr individuelles Endziel mit einer Verspätung von mindestens drei Stunden erreichen.
Dies gilt auch, wenn die verspätete Ankunft am Endziel darauf beruht, dass infolge der Flugverspätung ein selbst nicht verspäteter Anschlussflug verpasst wird
(BGH, Urteil vom 7. Mai 2013 X ZR 127/11, NJW-RR 2013, 1065 im Anschluss an EuGH, Urteil vom 19. November 2009 C-402/07, NJW 2010, 43 = RRa
2009, 282 Sturgeon/Condor; Urteil vom 23. Oktober 2012 C581/10 Nelson/; Urteil vom 26. Februar 2013 C11/11 Air France/Folkerts). Bedenken gegen diese
Auslegung der Fluggastrechteverordnung ergeben sich weder aus dem Primärrecht der Europäischen Union noch aus dem Grundgesetz (BGH, aaO Rn. 14 ff.).
..." (BGH, Urteil vom 17.09.2013 - X ZR 123/10)
***
Eine Weigerung, den Fluggast zu befördern, kann grundsätzlich nur dann angenommen werden, wenn sie diesem gegenüber auch zum Ausdruck gebracht wird
(BGH, Beschluss vom 16.04.2013 - X ZR 83/12).
***
Wird der Reisende mit seinem Reisegepäck bereits am Abflugort des Zubringerfluges auch für den Anschlussflug abgefertigt, setzt eine Ausgleichszahlung
wegen Nichtbeförderung auf dem Anschlussflug weder eine erneute Abfertigung am Umsteigeflughafen noch eine Ankunft 45 Minuten vor dem Abflug des
Anschlussfluges voraus. Die Teilnahme an einem Anschlussflug kann grundsätzlich nicht deshalb verweigert werden, weil das Reisegepäck vom Zubringerflug
nicht in das Flugzeug des Anschlussfluges verladen werden konnte. Die Nichterfüllung der Pflicht gemäß Art. 9 FluggastrechteVO zur Bereitstellung einer
Hotelunterbringung sowie von Mahlzeiten und Getränken für die Zeit bis zur Teilnahme an einem Ersatzflug führt mit dem Verfehlen der Leistungszeit ohne
Weiteres zu einer dauerhaften Unmöglichkeit im Sinne eines absoluten Fixgeschäftes (BGH, Urteil vom 28.08.2012 - X ZR 128/11).
***
Der Flugbeförderungsvertrag ist regelmäßig nicht auf ein absolutes Fixgeschäft gerichtet. Die Verspätung eines Flugs begründet regelmäßig keinen
Sachmangel der Beförderungsleistung (BGH, Urteil vom 28.05.2009 - Xa ZR 113/08 zu BGB §§ 631 II, 633 II):
„... Der Kl. buchte bei der Bekl. für sich, seine Ehefrau und seine beiden Kinder einen Flug von Frankfurt a.M. nach Phoenix (Arizona) über Washington D.C.
und zurück. Der Flug von Washington D.C. nach Phoenix sollte nicht von der Bekl., sondern von United Airlines durchgeführt werden. Der Hinflug wurde für
den 7. 10. 2006 um 13.25 Uhr von Frankfurt a.M. mit Ankunft in Washington D.C. um 16.40 Uhr Ortszeit bestätigt. Tatsächlich erfolgte der Abflug erst gegen
17 Uhr, so dass der Kl. und seine Familie den Anschlussflug nicht erreichten. Die Reisenden verbrachten die Nacht auf Kosten der Bekl. in einem Hotel. Der
Weiterflug nach Phoenix startete am 8. 10. 2006 um 7 Uhr. Die Reisenden erreichten Phoenix ca. 14,5 Stunden später als geplant; ihr Gepäck kam auf dem
Flug nach Phoenix abhanden und konnte ihnen erst mit viertägiger Verspätung ausgeliefert werden. Die Ehefrau und die Kinder des Kl. haben diesem ihre
Ansprüche abgetreten. Der Kl. verlangt eine Ausgleichszahlung gem. Art. 7 I lit. c i.V. mit Art. 4 III der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Parlaments und des
Rates über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder
großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/1991 vom 11. 2. 2004 (ABlEU Nr. L 46 v. 17. 2. 2004, S. 1; im Folgenden:
VO) in Höhe von viermal 600 Euro sowie 416,65 Euro als Minderung des Flugpreises und die Erstattung von Anwaltskosten in Höhe von 446,13 Euro. Die
Anwaltskosten sind für die Geltendmachung der vorgenannten Ansprüche sowie von Ersatzansprüchen wegen des Gepäckverlustes und Erstattung von
Taxikosten in Washington über einen Betrag von zusammen 1246,30 Euro entstanden; den letztgenannten Betrag hat die Bekl. ausgeglichen. Das AG hat die
Klage abgewiesen. Die Berufung ist ohne Erfolg geblieben. Die vom BerGer. zugelassene Revision hatte ebenfalls keinen Erfolg. ...
I. Das BerGer. hat angenommen, dem Kl. stehe ein Anspruch auf Ausgleichszahlung gem. Art. 4 III i.V. mit Art. 7 I lit. c VO nicht zu. Hinsichtlich des
Teilflugs von Washington nach Phoenix liege keine Nichtbeförderung i.S. des Art. 4 VO vor. Diese setze die Weigerung voraus, Fluggäste zu befördern,
obwohl sie sich unter den in Art. 3 II VO genannten Bedingungen am Flugsteig eingefunden haben. Die rein faktische Nichtweiterbeförderung wegen
Verspätung des Zubringerflugs reiche nicht aus. Dem Kl. stehe auch kein Anspruch aus §§ 634 Nr. 3, 638 BGB wegen Minderung des Flugpreises zu. Bei dem
Flugbeförderungsvertrag handele sich nicht um ein absolutes Fixgeschäft. Auch durch die verspätete Leistung werde der Vertragszweck noch erreicht. Die
Flugbeförderung sei auch nicht mangelhaft i.S. von § 633 II 1 BGB, wenn sie verspätet erfolge. Die verspätete Leistung führe vielmehr zu Ansprüchen aus §§
286, 280 BGB sowie aus der Verordnung; ein unangemessener Nachteil für den Fluggast entstehe hierdurch nicht. Dem Kl. stünden schließlich keine
Ansprüche auf Zahlung der von ihm begehrten vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten zu. Er habe weder dargelegt, dass sich die Bekl. in Verzug
befunden habe, noch, dass die Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts erforderlich gewesen sei. Dies sei in einfach gelagerten Fällen nur dann anzunehmen,
wenn der Geschädigte geschäftlich ungewandt sei oder die Schadensregulierung verzögert werde; diese Voraussetzungen habe der Kl. nicht dargelegt.
II. Dies hält den Angriffen der Revision stand:
1. Das BerGer. hat zu Recht einen Anspruch der Reisenden aus Art. 4 III VO verneint.
a) Auf den Flug von Washington nach Phoenix ist die Verordnung nicht anwendbar. Nach Art. 3 I gilt die Verordnung für Fluggäste, die entweder einen Flug
auf einem Flughafen im Gebiet eines Mitgliedstaats antreten, oder - sofern ausführendes Luftfahrtunternehmen ein Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft ist -
für Fluggäste, die von einem Flughafen in einem Drittstaat einen Flug zu einem Flughafen in einem Mitgliedstaat antreten. Da es sich bei dem Flug von
Washington nach Phoenix um einen inneramerikanischen Flug mit einem amerikanischen Luftfahrtunternehmen gehandelt hat, liegen diese Voraussetzungen
nicht vor. Daran ändert es auch nichts, dass der Kl. und seine Familie eine Flugreise von Frankfurt a.M. nach Phoenix gebucht haben. Denn der Flug im Sinne
der Verordnung ist nicht mit der Flugreise gleichzusetzen, die die Fluggäste unternehmen (EuGH, NJW 2008, 2697 = RRa 2008, 237 Rdnr. 32 - Emirates
Airlines/Schenkel). Flug ist vielmehr, wie auch Art. 2 lit. h der Verordnung zeigt, auch bei einem einheitlichen Beförderungsvertrag die einzelne „Einheit" an
der Luftbeförderung, die von einem Luftfahrtunternehmen durchgeführt wird, das die entsprechende Flugroute festlegt (EuGH, NJW 2008, 2697 Rdnr. 40).
Dass der Fluggast eine einheitliche Buchung vornimmt, wirkt sich hierauf nicht aus (EuGH, NJW 2008, 2697 Rdnr. 51).
b) Der Anspruch aus Art. 4 III VO richtet sich zudem gegen das ausführende Luftfahrtunternehmen. Dies ist nach Art. 2 lit. b VO das Luftfahrtunternehmen,
das im Rahmen eines Vertrags mit einem Fluggast oder im Namen einer anderen Person, die mit dem betreffenden Fluggast in einer Vertragsbeziehung steht,
einen Flug durchführt oder durchzuführen beabsichtigt. Luftfahrtunternehmen in diesem Sinne war für den Flug von Washington nach Phoenix nicht die Bekl.,
sondern United Airlines. Denn nach der Legaldefinition des Art. 2 lit. b VO ist allein entscheidend, welches Luftfahrtunternehmen den Flug tatsächlich
durchführt, nicht hingegen, mit welchem Luftfahrtunternehmen der Vertrag über die Flugreise geschlossen worden ist.
c) Schließlich hat der Senat entschieden, dass einem Fluggast, der einen Flug wegen eines verspäteten Zubringerflugs nicht erreicht, kein Anspruch auf eine
Ausgleichsleistung nach Art. 4 III, Art. 7 VO zusteht, und zwar auch dann nicht, wenn beide Flüge gemeinsam gebucht sind und von demselben
Luftfahrtunternehmen durchgeführt werden (Senat, NJW 2009, 2740).
2. Das BerGer. hat weiter zu Recht einen Anspruch des Kl. auf Minderung des Flugpreises verneint.
a) Bei dem Flugbeförderungsvertrag handelt es sich entgegen der Auffassung der Revision (ebenso OLG Düsseldorf, NJW-RR 1997, 930 = NZV 1997, 354;
OLG Frankfurt a.M., NJW-RR 1997, 1136; AG Bad Homburg, NJW-RR 2001, 989 = RRa 2001, 13; AG Düsseldorf, RRa 1997, 183; AG Simmern, RRa 2005,
279; Tonner, in: Gebauer/Wiedmann, Zivilrecht unter europäischem Einfluss, Kap. 13a Rdnr. 61) in der Regel nicht um ein absolutes Fixgeschäft, bei dem sich
die Ansprüche des Fluggastes nach §§ 275, 283, 326 BGB richten. Beim absoluten Fixgeschäft begründet die Nichteinhaltung der Leistungszeit Unmöglichkeit
der Leistung (BGHZ 60, 14 [16] = NJW 1973, 318). Die Qualifikation eines Rechtsgeschäfts als absolutes Fixgeschäft erfordert daher, dass der
Leistungszeitpunkt nach Sinn und Zweck des Vertrags und nach der Interessenlage der Parteien so wesentlich ist, dass eine verspätete Leistung keine Erfüllung
mehr darstellt. Diese Voraussetzung trifft auf die verspätet durchgeführte Beförderungsleistung jedoch nicht zu. Das Interesse des Fluggastes, sein Ziel
möglichst schnell zu erreichen, entfällt bei einer Verspätung des Flugs regelmäßig nicht. Der Vertragszweck kann vielmehr auch durch eine verspätete
Beförderung noch erreicht werden. Der Wegfall der primären Leistungspflicht des Luftfahrtunternehmens nach § 275 I BGB, der bedeutete, dass der Fluggast
seinen Anspruch auf Beförderung jedenfalls bei einer mehr als nur geringfügigen Verspätung verlöre, entspricht mithin regelmäßig nicht der Interessenlage des
Gläubigers (so auch Staudinger, RRa 2005, 249 [251]; Führich, Sonderbeil. MDR 7/2007, S. 8). Dies gilt auch, wenn die verspätete Beförderung dazu führt,
dass der Anschlussflug nicht mehr erreicht wird. Auch in diesem Fall besteht die Interessenlage des Gläubigers regelmäßig darin, gleichwohl so schnell wie
möglich an das Reiseziel befördert zu werden. Dieser Beurteilung steht es nicht entgegen, dass der BGH einen Luftbeförderungsvertrag in einem besonders
gelagerten Einzelfall als Fixgeschäft qualifiziert hat (BGH, NJW 1979, 495).
Auch im Streitfall ist nichts dafür ersichtlich, dass der zwischen den Parteien geschlossene Beförderungsvertrag ausnahmsweise als absolutes Fixgeschäft
gewollt gewesen wäre, bei dem bei einer Verspätung des Erstflugs die Beförderungsverpflichtung der Bekl. wegfallen sollte.
b) Die Flugverspätung stellt auch keinen Mangel der Beförderungsleistung dar.
Allerdings wird in der amts- und landgerichtlichen Rechtsprechung (LG Frankfurt a.M., NJW-RR 1993, 1270 [1271]; AG Frankfurt a.M., NJW-RR 1996, 238;
AG Bad Homburg, RRa 2002, 88; AG Rüsselsheim, RRa 2006, 136) und in der Literatur (Führich, ReiseR, 5. Aufl. ,Rdnr. 1059; Sonderbeil. MDR 7/2007, S.
11; Schmid, RRa 2005, 151 [156]; Wagner, RRa 2004, 102 [105]) die Flugverspätung häufig als Mangel der Beförderungsleistung qualifiziert. Sofern hierfür
überhaupt eine Begründung gegeben wird, wird sie darin gesehen, dass die Einhaltung der Pünktlichkeit eines Flugs zu den wesentlichen Leistungspflichten des
Luftfahrtunternehmens gehöre und den Luftbeförderungsvertrag geradezu präge (Führich, Sonderbeil. MDR 7/2007, S. 11).
Damit kann jedoch die Annahme eines Werkmangels nicht begründet werden. Bei jeder Werkleistung, die nicht zu dem geschuldeten Zeitpunkt erbracht wird,
verletzt der Werkunternehmer seine vertragliche Leistungspflicht. Dies ändert jedoch nichts daran, dass der Verzug des Werkunternehmers nicht ohne Weiteres
einen Mangel des schließlich erstellten Werks begründet, sondern vom Gesetz eigenständig geregelt ist. Für eine verspätete Leistungserbringung hat der
Schuldner nach den Regeln der §§ 286, 280 BGB einzustehen. Diese eigenständige Regelung schließt zwar nicht aus, dass für die Eignung des Werks zum
üblichen oder vereinbarten Gebrauch auch der Leistungszeitpunkt eine Rolle spielen kann (in diesem Sinne Staudinger/Peters, BGB, Neubearb. 2003, § 633
Rdnr. 175). Ein Mangel setzt jedoch voraus, dass das Werk selbst infolge der Zeitverzögerung nicht die geschuldete Beschaffenheit aufweist.
Bei einer Flugreise oder einer sonstigen Beförderungsleistung ist dies regelmäßig nicht der Fall (ebenso Staudinger, RRa 2005, 249 [255]). Die
Beförderungsleistung wird nicht dadurch schlechter, dass sie erst zu einem späteren Zeitpunkt erbracht wird. Ob dem Fluggast durch eine Verspätung ein
Nachteil entsteht und welcher Art dieser ist, hängt vielmehr ganz von seinen persönlichen Verhältnissen ab. Ihm kann ein Geschäft entgehen; für ihn kann die
Verspätung eine bloße Unbequemlichkeit darstellen; sie kann ihm sogar willkommen sein, etwa weil er selbst verspätet am Flughafen erscheint. Dies macht
deutlich, dass es einen objektiven Minderwert einer verspäteten Beförderungsleistung nicht geben kann. Er lässt sich auch nicht aus den Dispositionen des
Fluggastes ableiten, weil diese weder Bestandteil des Beförderungsvertrags noch auch nur dessen Geschäftsgrundlage sind. Anderes gilt auch nicht deshalb,
weil der verspätete Zubringerflug das Erreichen des Anschlussflugs verhindert hat. Auch damit wird nicht die Beförderungsleistung schlechter, vielmehr kann
sich im Einzelfall durch die Verzögerung ein Schaden einstellen, den das Gesetz durch die Regeln über den Verzug erfasst.
3. Dem Kl. steht schließlich auch kein Anspruch auf Ersatz der vorgerichtlich entstandenen Anwaltskosten zu. Hinsichtlich der vorstehenden Hauptansprüche
folgt dies bereits daraus, dass diese nicht begründet sind. Hinsichtlich der übrigen, von der Bekl. ausgeglichenen Ansprüche hat das BerGer. rechtsfehlerfrei die
Notwendigkeit der Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe verneint. ..."
***
Verlassen die Fluggäste noch vor dem Start das Flugzeug, weil die Instrumente einen Druckverlust in der Hydraulik anzeigen, und treten sie ihre Reise nach
Umbuchung in einem anderen Flugzeug an, während das zunächst vorgesehene Flugzeug den Flug nach etwa fünfeinhalb Stunden ohne Passagiere durchführt,
dann kann darin entweder eine Annullierung oder auch eine Verspätung des vorgesehenen Flugs liegen, wobei im Fall der Verspätung die Umbuchung als
ein Kulanzangebot der Fluggesellschaft für Fluggäste in Terminnöten anzusehen ist. Entscheidend ist insoweit der Inhalt der Mitteilung an die Fluggäste nach
Feststellung des Defekts. Müssen alle Passagiere das Flugzeug verlassen, wird ihnen das Gepäck zurückgegeben und werden sie mit neuen Bordkarten unter
einer anderen Flugnummer mit einem Flugzeug einer anderen Fluggesellschaft befördert, dann folgt daraus nicht zwingend ein Annullierung des gebuchten
Flugs, da das gebuchte Flugunternehmen ein Flugzeug einer anderen Gesellschaft gechartert haben kann (BGH, Urteil vom 14.10.2008 - X ZR 15/08 zu
Verordnung (EG) Nr. 261/2004 Art. 4, 5, NJW 2009, 358 ff).
***
Ansprüche auf Ausgleichszahlungen gemäß Art. 7 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates über eine gemeinsame
Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen
(kurz: Verordnung) können nicht gegen den Reiseveranstalter, sondern nur gegen das ausführende Luftfahrtunternehmen geltend gemacht werden, das
gegebenenfalls nach Art. 13 der Verordnung Regress nehmen kann. Dass nur das ausführende Luftfahrtunternehmen zur Ausgleichszahlung gemäß Art. 7
verpflichtet ist, ergibt sich zunächst aus dem Wortlaut der Verordnung. Denn Art. 4 Abs. 3 und Art. 5 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung bestimmen
ausdrücklich, dass im Fall der Nichtbeförderung oder Annullierung eines Flugs das ausführende Luftfahrtunternehmen neben Unterstützungsleistungen auch
Ausgleichsleistungen gemäß Art. 7 zu erbringen hat. Reiseunternehmen nennt die Verordnung in diesem Zusammenhang nicht. Nach der Legaldefinition des
Art. 2 Buchst. b der Verordnung ist "ausführendes Luftfahrtunternehmen" ein Luftfahrtunternehmen, das im Rahmen eines Vertrages mit einem Fluggast oder
im Namen einer anderen - juristischen oder natürlichen - Person, die mit dem betreffenden Fluggast in einer Vertragsbeziehung steht, einen Flug durchführt
oder durchzuführen beabsichtigt. Demgegenüber bezeichnet die Verordnung gemäß Art. 2 Buchst. d mit "Reiseunternehmen" einen Veranstalter i.S. von Art. 2
Nr. 2 der Richtlinie 90/314/EWG des Rates vom 13. Juni 1990 über Pauschalreisen mit Ausnahme von Luftfahrtunternehmen. Nach der Legaldefinition der
Verordnung sind mithin Pauschalreiseveranstalter gerade keine ausführenden Luftfahrtunternehmen; vielmehr unterscheidet die Verordnung in Art. 2
ausdrücklich zwischen ausführenden Luftfahrtunternehmen und Reiseunternehmen und legt im folgenden nur den ausführenden Luftfahrtunternehmen die
Verpflichtung zu Ausgleichszahlungen auf. Dass Anspruchsgegner nur das ausführende Luftfahrtunternehmen ist, ergibt sich nicht zuletzt auch aus dem
Schutzzweck der Verordnung, wie er in den Erwägungsgründen beschrieben ist. Danach soll ein hohes Schutzniveau für Fluggäste sichergestellt und den
Erfordernissen des Verbraucherschutzes in vollem Umfang Rechnung getragen werden. Die Verordnung ersetzt die Verordnung (EWG) 295/91 des Rates vom
4. Februar 1991 über eine gemeinsame Regelung für ein System von Ausgleichsleistungen bei Nichtbeförderung im Linienflugverkehr, die bereits Ansprüche
gegen Luftfahrtunternehmen regelte, jedoch noch nicht Annullierungen und Verspätungen umfasste. Mit der Neuregelung beabsichtigte der Verordnungsgeber,
die vorhandenen Schutzstandards zu erhöhen und die Geschäftstätigkeit der Luftfahrtunternehmen zu harmonisieren (Erwägungsgrund 4). Auch sollte der
Schutz der Fluggäste auf den Bedarfsflugverkehr einschließlich der Flüge bei Pauschalreisen erweitert werden (Erwägungsgrund 5). Durch die Neuregelung
sollte also der Anwendungsbereich der Verordnung gegenüber der Vorgängerverordnung erweitert werden, nicht aber der Kreis der Anspruchsgegner (BGH,
Beschluss vom 11.03.2008 - X ZR 49/07).
*** (OLG)
Zur Frage, ob ein Ausgleichsanspruch wegen Nichtbeförderung gem. Art. 4 Abs. 3 i.V.m. Art. 7 Verordnung (EG) 261/2004 voraussetzt, dass es dem
Reisenden, auch wenn er bereits vor dem Zubringerflug die Boardingkarten für den Weiterflug erhalten hat, möglich gewesen wäre, sich mit seinem
Gepäckstück spätestens 45 Minuten vor der veröffentlichten Abflugszeit des Weiterfluges zur Abfertigung einzufinden (OLG Frankfurt, Urteil vom 08.09.2011
- 16 U 220/10):
„... I. Der Kläger nimmt die beklagte A-gesellschaft aus eigenem und aus abgetretenem Recht seiner acht Mitreisenden auf eine Ausgleichszahlung i.H.v.
jeweils 600 € nach Art. 4 Abs. 3, Art. 7 der Verordnung (EG) 261/2004 (im Folgenden: Verordnung) sowie auf Schadensersatz in Anspruch.
Der Kläger und seine Mitreisenden, die ihm ihre Ansprüche abtraten, buchten über das Reisebüro B GmbH & Co. KG eine Pauschalreise ab O1 via O2 nach
O3; die Flüge sollte die Beklagte durchführen. Den Reisenden wurden bereits in O1 die Bordkarten für den Anschlussflug von O2 nach O3 ausgehändigt. Die
Ankunft des Zubringerfluges ... in O2 war am ... 2009 für 11.15 Uhr vorgesehen, erfolgte aber erst um 11.35 Uhr. Die Abflugzeit des Weiterfluges ... war 12.05
Uhr; die Ankunft war für 17.10 Uhr vorgesehen. Obwohl die Reisenden noch innerhalb der Boardingtime am Gate erschienen, wurde ihnen die Mitnahme mit
der Begründung verweigert, dass ein "Security"-Problem vorliege, weil das Gepäck noch nicht von dem Flugzeug aus O1 in das Flugzeug nach O3 verladen
worden sei. Erst am Folgetag gegen 14.00 Uhr konnten die Reisenden mit C, einem Tochterunternehmen der Beklagten, nach O3 weiterfliegen.
Gegenstand der Klage sind:
- Hotelkosten für die Übernachtung in O2 1.338,24 €
- Verpflegungskosten 112,86 €
- Getränkekosten während des Weiterfluges, die während des verpassten Fluges nicht angefallen wären 18 €
- Kosten für Hygieneartikel und Wäsche angesichts der kofferlosen Übernachtung 95,03 €
- 9 × 600 € Ausgleichsansprüche wegen Nichtbeförderung gem. Art. 4 Abs. 3 i.V.m. Art. 7 Abs. 1c der Verordnung 5.400 €
Hinsichtlich weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird gem. § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 72, 73 d.A.)
Bezug genommen.
Das LG hat die auf Zahlung i.H.v. 6.964,13 € nebst Zinsen sowie Erstattung außergerichtlicher Anwaltskosten i.H.v. 603,93 € gerichtete Klage abgewiesen. Zur
Begründung hat das LG im Wesentlichen ausgeführt, dass die Beklagte mit der Nichtbeförderung der Reisenden keine Pflichtverletzung begangen habe, weil
diese zu spät zur Abfertigung erschienen seien; auch wenn die Reisenden ihre Flugtickets und Boardingpässe bereits in O1 auch für den Weiterflug von O2
erhalten hätten, sei entscheidend, dass ihr Gepäck noch nicht zur Weiterbeförderung bereit gewesen, aus Sicherheitsgründen aber eine getrennte Beförderung
von Passagier und Gepäck nicht zugelassen sei. Gegen eine Überbuchung spreche auch, dass auf dem Weiterflug noch zehn Plätze frei geblieben seien.
Überdies fehle es an der Voraussetzung des Ausgleichsanspruchs, dass sich der Fluggast 45 Minuten vor dem planmäßigen Abflug zur Abfertigung eingefunden
habe, weil zwischen der vorgesehen Ankunft des Zubringerfluges und dem Weiterflug von Anfang an nur 50 Minuten eingeplant waren.
Hinsichtlich weiterer Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Bl. 73, 74 d.A.) verwiesen.
Gegen das ihm am 15.11.2010 zugestellte Urteil hat der Kläger mit einer am 15.12.2010 bei Gericht eingegangenen Schrift Berufung eingelegt, die nach
entsprechender Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist mit einer am 15.2.2011 bei Gericht eingegangenen Schrift begründet worden ist. Der Kläger rügt
unzutreffende Tatsachenfeststellungen und Rechtsfehler.
Zum Einen ist er der Ansicht, das LG habe verkannt, dass kein Sicherheitsrisiko für die Beförderung des Klägers und seiner Mitreisenden bestanden habe, da
die separate Beförderung von Passagieren und Koffern möglich sei. Zum Anderen ist der Kläger der Meinung, dass die Beklagte zur Entlastung des von ihm
erhobenen Vorwurfs der Überbuchung hätte vortragen müssen, dass die zehn freien Sitzplätze für ihn und seine Mitreisenden bestimmt gewesen seien, zumal er
ja auch vorgetragen und unter Beweis gestellt habe, dass weiteren Fluggästen die Mitnahme im Flugzeug verweigert worden sei; diesem Vortrag hätte das LG
nachgehen müssen.
Der Kläger beantragt, unter Abänderung des Urteils des LG Frankfurt/M. vom 11.11.2010 - 2/20 O 405/09 - die Beklagte zu verurteilen, an ihn 6.964,13 € nebst
Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1.4.2009 sowie nicht anrechnungsfähige Gebühren i.H.v. 603,93 € zu zahlen. Die Beklagte
beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Sie hält die Berufung für unzulässig, da sich der Kläger in seiner
Berufungsbegründung nicht mit der Hauptargumentation des LG auseinandergesetzt habe, in der geringen Transferzeit liege der Grund für die
Nichtbeförderung. Im Übrigen bestreitet sie die Notwendigkeit der Aufwendungen für die Übernachtung in O2 und den Eintritt der Schäden.
Hinsichtlich weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst
Anlagen Bezug genommen.
II. Die Berufung ist zulässig, da sie Gründe für die Rechtsverletzung gem. § 520 Abs. 3 Nr. 2 ZPO nennt. In der Sache hat die Berufung jedoch keinen Erfolg.
Zu Recht hat das LG die Klage abgewiesen.
1. Nach Auffassung des Senats scheidet ein Ausgleichsanspruch des Klägers und seiner Mitreisenden nach Art. 4 Abs. 3 i.V.m. Art. 7 der Verordnung aus, da
es an den Voraussetzungen einer "Nichtbeförderung" fehlt.
"Nichtbeförderung" bedeutet gem. Art. 2j der Verordnung die Weigerung, Fluggäste zu befördern, obwohl sie sich unter den in Art. 3 Abs. 2 genannten
Bedingungen am Flugsteig eingefunden haben, sofern keine vertretbaren Gründe für die Nichtbeförderung gegeben sind, z.B. im Zusammenhang mit der
Gesundheit oder der allgemeinen oder betrieblichen Sicherheit oder unzureichenden Reiseunterlagen.
Art. 3 Abs. 2a der Verordnung verlangt, dass die Fluggäste sich wie vorgegeben und zu der zuvor schriftlich angegebenen Zeit zur Abfertigung einfinden oder,
falls keine Zeit angegeben wurde, spätestens 45 Minuten vor der veröffentlichten Abflugzeit zur Abfertigung einfinden.
Der Kläger und seine Mitreisenden haben sich nicht spätestens 45 Minuten vor der veröffentlichten Abflugzeit zur Abfertigung eingefunden.
Dass sie sich rechtzeitig während der Boardingtime am Gate eingefunden haben, reicht nicht, da die Reisenden über Gepäck verfügten, dass noch nicht in die
Maschine für den Weiterflug verbracht werden konnte. Unerheblich ist, dass den Reisenden bereits die Boardingkarten in O1 ausgehändigt worden sind.
Hierbei handelt es sich um einen reinen Service der Beklagten, der nicht zugleich das Beförderungsrisiko auf die Fluggesellschaft verlegt. Der Service, dass
sich die Reisenden bei einem Zubringer- und Anschlussflug nicht um ihr Gepäck kümmern müssen, bedeutet nicht, dass sie unter erleichterten Voraussetzungen
Ansprüche nach der Fluggastrechte-Verordnung herleiten können. Vielmehr müssen sie sich so behandeln lassen, als wäre ihnen das Gepäck bei Ankunft des
Zubringerfluges ausgehändigt worden. Nur wenn dann die "45 Minuten vor Abflugzeit" einzuhalten gewesen wären, sie also 45 Minuten vorher zum
Einchecken mit Koffer bereit stehen konnten, sind die Voraussetzungen einer Nichtbeförderung gegeben. Im vorliegenden Fall war dies aber unmöglich. Selbst
bei planmäßiger Ankunft des Zubringerfluges standen nur 50 Minuten bis zur Abflugzeit des Anschlussfluges zur Verfügung, so dass die 45 Minuten des Art. 3
Abs. 2a der Verordnung nicht einzuhalten gewesen sind.
Eine andere Wertung ergibt sich auch nicht auf Grund der Entscheidung des BGH vom 30.4.2009 (Xa ZR 78/08, MDR 2009, 1033 = zitiert nach juris Rz. 19),
dass - entsprechend der Entscheidung des OLG Hamburg (RRa 2008, 139) - eine Verweigerung des Einstiegs vorliegen kann, wenn Reisenden, die bereits über
Bordkarten verfügen, der Zugang zum Anschlussflug verweigert wurde, weil sie von den Luftverkehrsunternehmen im Hinblick auf ihren verspäteten
Zubringerflug bereits ohne ihre Kenntnis auf einen anderen Anschlussflug umgebucht worden waren. Darüber verhält sich der Sachvortrag im vorliegenden
Verfahren aber nicht. Von einer Umbuchung als Grund für die Einstiegsverweigerung ist keine Rede. Deshalb kommt es allein darauf an, ob sich die Passagiere
rechtzeitig zum Weiterflug einfanden, was angesichts der Zeitumstände nicht möglich war.
Im Übrigen fehlt es nach Auffassung des Senats auch nicht an einem vertretbaren Grund für eine angebliche Nichtbeförderung. Auch wenn die Beförderung von
Passagieren ohne Koffer möglich ist, soll die Trennung von Passagieren und Koffern im Flugbetrieb die Ausnahme bleiben und ist daher nicht als üblich
anzusehen, da herrenlose Koffer ein Sicherheitsproblem darstellen und grundsätzlich zu vermeiden sind. Das Kriterium der allgemeinen oder betrieblichen
Sicherheit als vertretbarer Grund für die Nichtbeförderung ist daher gegeben.
Ohne Erfolg trägt der Kläger weiter vor, dass zwar zehn Sitzplätze in der Maschine frei gewesen sein mögen, die Beklagte aber nicht vorgetragen habe, dass
diese genau für den Kläger und seine Mitreisenden vorgesehen gewesen seien. Entscheidend ist vielmehr, dass in dem Moment, als die Flugzeugtüren
schlossen, weniger Plätze frei gewesen sein müssten, als der Kläger und seine Mitreisenden gebraucht haben. Ohne Erfolg macht der Kläger schließlich auch
geltend, dass weiteren Fluggästen die Mitnahme im Flugzeug verweigert worden sei. Ob Fluggästen die Mitnahme im Flugzeug verweigert wurde, kann
dahingestellt bleiben, da es entscheidend darauf ankäme, aus welchen Gründen deren angebliche Zurückweisung erfolgte. Da das ebenfalls vertretbare Gründe
gewesen sein können, wäre dies kein Beweis für die behauptete Überbuchung.
2. Was die Ansprüche auf Ersatz der Hotelkosten, Verpflegungsaufwendungen und Kosten für die Anschaffung einiger Hygieneartikel für die erforderlich
gewordene Übernachtung anbetrifft, so können diese nicht über Art. 9 der Verordnung abgerechnet werden, weil die Voraussetzungen des Art. 4 Abs. 3 der
Verordnung aus den genannten Gründen nicht erfüllt sind. Zu den Betreuungsleistungen i.S.d. Art. 9 der Verordnung war die Beklagte mangels
"Nichtbeförderung" nicht verpflichtet, so dass ihre Nichterbringung keine Pflichtwidrigkeit darstellt und keinen Schadensersatzanspruch auslöst.
Ein Anspruch aus Art. 19 des Montrealer Übereinkommens kommt ebenfalls nicht in Betracht, weil die Verspätung des Zubringerfluges nur 20 Minuten betrug.
Hierfür müsste die Verspätung mindestens 3 Stunden betragen haben (vgl. Führich, Reiserecht, 6. Aufl., Rz. 1101). 20 Minuten sind hingegen noch ein objektiv
angemessener Zeitraum, welchen ein vernünftiger Fluggast in seine Überlegungen einbeziehen muss.
Vertragliche Schadensersatzansprüche des Klägers scheiden ebenfalls aus, weil es sich bei den Flügen um Elemente einer Pauschalreise handelte, bei denen der
Luftfrachtführer nicht Vertragspartner der Reisenden ist, sondern des Veranstalters.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 S. 2, 709 S. 2 ZPO.
Die Revision war gem. § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen, weil die Rechtsache grundsätzliche Bedeutung hat. Grundsätzliche Bedeutung hat die Frage, ob ein
Ausgleichsanspruch wegen Nichtbeförderung gem. Art. 4 Abs. 3 i.V.m. Art. 7 der Verordnung voraussetzt, dass es dem Reisenden, auch wenn er bereits vor
dem Zubringerflug die Boardingkarten für den Weiterflug erhalten hat, möglich gewesen wäre, sich mit seinem Gepäckstück spätestens 45 Minuten vor der
veröffentlichten Abflugzeit des Weiterfluges zur Abfertigung einzufinden. ..."
*** (LG)
Notlandung des Vorfluges wegen Brandgeruch in der Kabine nach Turbulenzen infolge einer Gewitterfront ist außergewöhnlicher Umstand im Sinne von
Art. 5 Abs. 3 der EG-VO Nr. 261/2004. Keine Verpflichtung der Fluggesellschaft, auf allen Flughäfen vorsorglich Ersatzmaschinen bereit zu halten (LG
Darmstadt, Urteil vom 06.11.2013 - 7 S 208/12).
*** (AG)
„... Die Klägerin hat einen Anspruch gemäß Art. 4 Abs. 3, 7 Abs. 1 lit b) der Verordnung EG Nr. 261/2004 auf eine Ausgleichszahlung in Höhe von 400,00 Euro.
Die Beklagte hat den ursprünglich für die Klägerin gebuchten Flug unstreitig wie vorgesehen durchgeführt. Nach Ansicht des Gerichts stellt die von der
Reiseveranstalterin veranlasste Umbuchung der Klägerin auf einen anderen Flug eine Beförderungsverweigerung im Sinne von Art. 4 Abs. 3 der Verordnung
hinsichtlich des ursprünglichen Rückflugs dar, die die Beklagte als ausführendes Luftfahrtunternehmen zu einer Ausgleichszahlung gemäß Art. 7 der
Verordnung verpflichtet.
Eine Umbuchung, die wie hier gegen den ausdrücklichen Willen des Fluggastes am Vortag des Reisetags erfolgt, stellt nach Ansicht des Gerichts eine
Nichtbeförderung im Sinne des Art. 4 Abs. 3 der Verordnung dar (vgl. AG Bremen, RRa 2011, 207; AG Rüsselsheim RRa 2006, 92; offengelassen von BGH
NJW 2009, 285). Dem Vorbringen der Klägerin, dass ihr eine Umbuchung erst am Vortag mitgeteilt wurde, ist die Beklagte nicht erheblich entgegengetreten,
jedenfalls für eine Kenntnis zu einem früheren Zeitpunkt beweisfällig.
Der Umstand, dass die Beklagte die Umbuchung nicht selbst vorgenommen oder veranlasst hat, steht einer Haftung der Beklagten nach Art. 4 Abs. 3 der
Verordnung vorliegend nicht entgegen. Eine Haftung des ausführenden Luftfahrtunternehmen ergibt sich auch, wenn ein Reiseveranstalter, der den Flug für den
Fluggast bei dem Luftfahrtunternehmen gebucht hat, eine Umbuchung vornimmt (wie hier LG Düsseldorf RRa 2008, 45; a.A. LG Darmstadt RRa 2006, 228;
offengelassen von BGH NJW 2009, 285).
Das AG Bremen, Urteil vom 14.12.2010, Az. 18 C 73/10 führt dazu aus:
‚a) Für diese Ansicht spricht bereits der deutsche Wortlaut des Art. 4 Abs. 3 der Verordnung, der unbestimmt im passiv formuliert ist "wird Fluggästen ... die
Beförderung verweigert" und nicht explizit verlangt, dass das ausführende Luftfahrtunternehmen die Beförderung verweigert. Auch der englische Wortlaut der
Verordnung spricht für diese Auslegung. Selbst wenn man berücksichtigt, dass der spanische und französische Wortlaut des Art. 4 Abs. 3 nicht passiv
formuliert ist (vgl. Wiedergabe des spanischen und französischen Wortlauts bei BGH NJW 2009, 285), spricht dies nicht entscheidend gegen die hier vertretene
Ansicht.
b) Für die Bestimmung der Reichweite des Art 4 Abs. 3 der Verordnung ist eine Auslegung geboten, die nach der Rechtsprechung des EuGH nicht nur den
Wortlaut einer Vorschrift berücksichtigt, sondern auch ihren Zusammenhang und die mit der Regelung verfolgen Ziele, wie sie sich insbesondere aus den
Erwägungsgründen ergeben (EuGH NJW 2010, 43). Das Gemeinschaftsrecht ist zudem im Sinne einer Wahrung der praktischen Wirksamkeit des
Gemeinschaftsrechts, hier der Verordnung, auszulegen. Bei der gebotenen Auslegung ist außerdem zu berücksichtigen, dass die Vorschriften der Verordnung,
mit denen den Fluggästen Ansprüche eingeräumt werden, einschließlich derjenigen, die einen Ausgleichsanspruch vorsehen, weit auszulegen sind (vgl. EuGH
NJW 2010, 43 m.w.N.).
Eine Auslegung des Art. 4 Abs. 3 der Verordnung nach diesen Maßgaben führt zu dem Ergebnis, dass das ausführende Luftfahrtunternehmen auch dann bei
einer Nichtbeförderung Ausgleich zu leisten hat, wenn es die Nichtbeförderung nicht selbst veranlasst hat, sondern diese durch ein mit dem
Luftfahrtunternehmen in Vertragsbeziehungen stehenden Reiseunternehmen vorgenommen wurde.
aa) Der Verordnungsgeber hat bei Erlass der Verordnung durchaus erkannt, dass das ausführende Luftfahrtunternehmen nach den Vorschriften der Verordnung
gegenüber Fluggästen auch dann zur Ausgleichszahlung verpflichtet sein kann, wenn die Verantwortung bei einem Reiseveranstalter liegt. Dies zeigt die
Existenz des Art. 13 der Verordnung, der explizit Regressansprüche des Luftfahrtunternehmens gegenüber einem Reiseunternehmen unberührt lässt (vgl. auch
Erwägungsgrund 8 der Verordnung). Dennoch hat der Verordnungsgeber ausweislich des Erwägungsgrundes 7 der Verordnung den Grundsatz aufgestellt, dass
die durch die Verordnung begründeten Verpflichtungen dem ausführenden Luftfahrtunternehmen obliegen. Der Verordnung lässt sich daher der Grundsatz
entnehmen, dass gegenüber den Fluggästen das ausführende Luftfahrtunternehmen auch dann verpflichtet sein soll, wenn vom Reiseunternehmen die
Nichtbeförderung zu verantworten ist.
bb) Dass dies als Grundsatz gewollt ist, lässt sich auch aus dem Verlauf des legislativen Verfahrens entnehmen. Der ursprüngliche Vorschlag der Kommission
für die Verordnung sah im Artikel 5 Abs. 3 noch folgenden Wortlaut vor: "Falls Fluggästen die Beförderung verweigert wird, muss das Luftfahrt- oder
Reiseunternehmen diesen unverzüglich die Ausgleichsleistungen gemäß Artikel 7 und die Betreuungsleistungen gemäß Artikel 8 und 9 erbringen" (vgl.
Kommissionsvorschlag KOM (2001) 784 vom 21.12.2001, ABl. EG C 103 vom 30.04.2002, S. 225). Erst durch die Stellungnahme des Rates der EU wurde
diese Regelung dahingehend geändert, dass nur noch das Luftfahrtunternehmen verpflichtet ist, die Ausgleichs- und Betreuungsleistungen zu erbringen (vgl.
Stellungnahme des Rates 2001/0305 (COD) vom 11.03.2003). Diese Änderung wurde damit begründet, dass das ausführende Luftfahrtunternehmen aufgrund
seiner Präsenz am Flughafen in der Regel am besten geeignet ist, die Verpflichtungen nach der Verordnung zu erfüllen. Außerdem könne das ausführende
Luftfahrtunternehmen Regress nehmen, insbesondere der Regress gegenüber dem Reiseunternehmen sei nicht durch die Verordnung ausgeschlossen (vgl.
Stellungnahme des Rates, a.a.O).
cc) Dem dargestellten Grundsatz der Verordnung und der Vorgabe, die anspruchsbegründenden Vorschriften der Verordnung weit auszulegen, wird eine
Auslegung des Art. 4 Abs. 3 der Verordnung am besten gerecht, die eine Verpflichtung des ausführenden Luftfahrtunternehmens unabhängig davon annimmt,
ob das Luftfahrtunternehmen oder der mit diesem vertraglich verbundenen Reiseveranstalter die Umbuchung veranlasst hat.
dd) Diese Auslegung wahrt auch die praktische Wirksamkeit der Verordnung. Denn für den Fluggast wird oftmals überhaupt nicht erkennbar sein, wer die
konkrete Ursache für eine Flugumbuchung tatsächlich gesetzt hat. Müsste er dies ggf. während der Reise vor der Geltendmachung der Unterstützungsleistungen
gemäß Art. 4 Abs. 3, Art. 9 der Verordnung aufklären, wäre der Fluggast an einer effektiven Wahrnehmung seiner Rechte gehindert und das ausweislich des
Erwägungsgrundes 4 der Verordnung angestrebte hohe Schutzniveau für Fluggäste könnte nicht erreicht werden. Daher ist ein Anspruch gegen das ausführende
Luftfahrtunternehmen aus Art. 4 Abs. 3 der Verordnung unabhängig davon anzunehmen, ob dieses oder der Reiseveranstalter, mit dem das
Luftfahrtunternehmen eine vertragliche Beziehung hat, die Ursache für eine Nichtbeförderung gesetzt hat.
ee) Die hier befürwortete Auslegung führt zudem zu der gemeinschaftsrechtlich und grundgesetzlich gebotenen Gleichbehandlung vergleichbarer Fälle. Denn
für die Unannehmlichkeiten des Fluggastes ist es unbedeutend, ob eine Umbuchung durch den Reiseveranstalter oder das ausführende Luftfahrtunternehmen
veranlasst wurde. Daher ist es geboten, ihm auch in beiden Fällen die Rechte aus Art. 4 Abs. 3 gegenüber dem Luftfahrtunternehmen zu gewähren.'
Dieser Auffassung, die im Übrigen mit der Berufungsinstanz des hiesigen Gerichtes übereinstimmt, schließt sich das Gericht an. ..." (AG Düsseldorf, Urteil
vom 10.10.2013 - 23 C 6252/13)
***
„... Den Klägern steht jeweils ein Anspruch in Höhe von 250,00 € gemäß Art. 4 Abs. 3 i.V.m. Art. 5 Abs. 1 c) und Art. 7 Abs. 1 a) VO (EG) 261/2004
(nachfolgend: VO) gegen die Beklagte zu.
Die Kläger sind - worauf hingewiesen wurde - auch anspruchsberechtigt. Soweit die Beklagte bestreitet, dass die Kläger entgegen Art. 3 Abs. 2 lit. a) VO
rechtzeitig zum Flug erschienen sind und rechtzeitig eingecheckt haben, so wäre insoweit ein substantiierter Vortrag der Beklagten erforderlich gewesen. Das
bloße Bestreiten genügt vorliegend nicht, da es der Beklagten - anders als den Klägern - ohne weiteres möglich ist, festzustellen, wann die Kläger eingecheckt
haben und ihr Vortrag jedweden Anhaltspunkt für eine Verspätung der Kläger vermissen lässt. Ungeachtet dessen wäre es der Beklagten nach Treu und
Glauben (§ 242 BGB) verwehrt, sich auf eine Verspätung der Kläger zu berufen, wenn sie selbst - wie vorliegend geschehen - den Flug mit enormer Verspätung
durchführt (so auch AG Köln, Urt. v. 16.02.2012, Az. 130 C 286/11).
Unstreitig mussten die Kläger mehr als drei Stunden warten, bis der Flug von Köln/Bonn nach Palma de Mallorca von der Beklagten durchgeführt wurde. Die
Ankunft erfolgte nicht wie geplant um 15.40 Uhr, sondern erst um 19.00 Uhr. Das Gericht vermag der Ansicht der Beklagten, die VO sehe einen
Ausgleichsanspruch nur im Falle der Annullierung eines Fluges - nicht jedoch bei einer Verspätung - vor, nicht zu folgen. Das Gericht schließt sich der insoweit
eindeutigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaft und des Bundesgerichtshofs an, welche Ausgleichsleistungen gem. Art. 7 der VO
nicht nur bei Annullierungen von Flügen, sondern auch in den Fällen bejaht, in denen der Fluggast wegen des verspäteten Fluges sein Endziel nicht früher als
drei Stunden nach der ursprünglich geplanten Ankunftszeit erreicht (EuGH, Urt. v. 19.11.2009, Az.: C-402/07 und C-432/07; BGH, Urt. v. 18.02.2010, Az.: Xa
ZR 95/06, jeweils zitiert nach juris). Zwar ergibt sich aus dem Wortlaut der VO nicht unmittelbar, dass den Fluggästen verspäteter Flüge ein solcher Anspruch
zusteht. Jedoch sind bei der Auslegung einer Vorschrift des Gemeinschaftsrechts nicht nur ihr Wortlaut, sondern auch ihr Zusammenhang und die Ziele zu
berücksichtigen, die mit der Regelung, zu der sie gehört, verfolgt werden. Die Situation der Fluggäste verspäteter Flüge unterscheidet sich kaum von derjenigen
der Fluggäste annullierter Flüge. Implizit wird dies durch das Ziel der VO bestätigt. Denn aus den ersten vier Erwägungsgründen, insbesondere dem zweiten,
der VO ergibt sich, dass diese darauf abzielt, ein hohes Schutzniveau für Fluggäste unabhängig davon sicherzustellen, ob sie von einer Nichtbeförderung, einer
Annullierung oder einer Verspätung eines Fluges betroffen sind, da sie alle von gleichen Ärgernissen und großen Unannehmlichkeiten betroffen sind (EuGH,
a.a.O.). Ausgangspunkt der Gleichbehandlung von Annullierungen und Verspätungen ist die vergleichbare Lage der Fluggäste und der ähnliche Schaden in
Form eines Zeitverlustes. Aufgrund dessen ist auch die von dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaft vorgenommene Analogie nicht rechtswidrig.
Demzufolge stehen den Fluggästen, deren Flug annulliert wurde, und denjenigen, die von der Verspätung eines Fluges betroffen sind, im Hinblick auf die
Anwendung des in Art. 7 der VO vorgesehenen Ausgleichsanspruchs gleiche Rechte zu.
Eine Kompetenzüberschreitung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaft vermag das Gericht nicht zu erkennen. Dieser hat innerhalb der Vorlagefrage
des Bundesgerichtshofs gemäß Vorlagebeschluss vom 17.07.2007 (NJW 2007, 3437) entschieden. Die Vorlagefrage des Bundesgerichtshofs war ihrem
Wortlaut nach auf die Auslegung des Begriffs der Annullierung gerichtet, sie zielte im Ergebnis erkennbar auf die Klärung ab, ob und wann eine zeitliche
Verzögerung zu einer Entschädigung führt. Dies wird aus den Gründen zu Ziffer III 1 des Vorlagebeschlusses deutlich (LG Köln, Urt. v. 19.10.2011, Az.: 9 S 171/11).
Auch ist die VO mit der nunmehrigen Auslegung nicht wegen mangelnder Rechtssicherheit unwirksam. Vielmehr hat das Urteil des Gerichtshofs der
Europäischen Gemeinschaft vom 19.11.2009 für Klarheit gesorgt. Dieser hat sehr wohl erkannt, dass sich aus dem Wortlaut der VO kein unmittelbarer
Anspruch von Fluggästen verspäteter Flüge auf Ausgleichsleistungen gemäß Art. 7 der VO entnehmen lässt. Er hat sich ausführlich damit auseinandergesetzt,
inwieweit der VO der Wille des Gemeinschaftsgesetzgebers zu Ausgleichsleistungen im Falle von Verspätungen zu entnehmen ist. Unter anderem hat er auf die
Erwägungsgründe, den angestrebten Schutz der Fluggäste, den Grundsatz der Gleichbehandlung, den Zweck der VO und ihre Funktion als Ausgleich der
Interessen der Fluggäste und derjenigen der Luftfahrtunternehmen Bezug genommen (LG Landshut, Urt. v. 18.12.2009, Az.: 12 S 1250/09, zitiert nach juris).
Zu der von der Beklagten angeregten erneuten Vorlage der Sache an den Gerichtshof der Europäischen Union sieht das Gericht keine Veranlassung. Der
Bundesgerichtshof hat dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaft die Streitsache zur Vorabentscheidung vorgelegt, weil er es nicht für zweifelsfrei
gehalten hat, dass den Fluggästen eines verspäteten Fluges, wie er im Streitfall vorliegt, nach der VO kein Anspruch auf Ausgleichszahlungen zusteht. Diese
Unklarheit hinsichtlich der Auslegung des Gemeinschaftsrechts ist durch das Urteil des Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaft vom 19.11.2009 beseitigt
worden. Der vorliegende Rechtsstreit wirft keine relevanten neuen Auslegungsfragen auf, die das Gericht nicht ohne erneute Vorlage beantworten könnte.
Aus diesem Grund war der Rechtsstreit entgegen der Ansicht der Beklagten auch nicht gemäß § 148 ZPO wegen Vorgreiflichkeit im Hinblick auf das von ihr
zitierte Vorabentscheidungsersuchen des Amtsgerichts Köln vom 04.10.2010 - Az. 142 C 535/08 - beim Europäischen Gerichtshof auszusetzen. Denn eine
Verfahrensaussetzung gemäß § 148 ZPO steht grundsätzlich im Ermessen des Gerichts. Eine Ermessensreduzierung auf Null mit der Folge einer
Aussetzungspflicht kommt nur dann in Betracht, wenn das Gericht eine Vorabentscheidung des EuGH nach Art. 234 Abs. 2 EGV für notwendig hält; ist dies
nicht der Fall, weil das nationale Gericht keine Zweifel an der Richtigkeit der Auslegung des EG-Rechts hat, entfällt sowohl eine Vorlagepflicht als auch die
Pflicht zur Aussetzung des Verfahrens bis zur Entscheidung über ein bereits anhängiges Vorabentscheidungsersuchen (vgl. BGH, NJW-RR 2004, 497).
Die VO ist auch mit dem Montrealer Übereinkommen (im Folgenden MÜ) vereinbar und verstößt nicht gegen Art. 29 des MÜ, denn ein Ausgleichsanspruch
nach Art. 7 der VO ist generell nicht als Schadensersatzanspruch im Sinne der Art. 19, 29 MÜ anzusehen (BGH, Urt. v. 10.12.2009, Az.: Xa ZR 61/09, zitiert
nach juris). Diese Bestimmungen legen die Voraussetzungen fest, unter denen Fluggäste, die einen Schaden aufgrund einer Verspätung geltend machen, von
den Luftfahrtunternehmen Schadensersatz verlangen können. Nach Art. 29 S. 1 MÜ kann ein Schadensersatz, auf welchem Grund er auch beruht, sei es dem
MÜ, einem Vertrag, einer unerlaubten Handlung oder einem sonstigen Rechtsgrund nur unter den Voraussetzungen und Beeinträchtigungen geltend gemacht
werden, die in dem MÜ vorgesehen sind. Nach Art. 29 S. 2 MÜ ist bei einer Klage jeder eine Strafe einschließende, verschärfte oder sonstige nicht
kompensatorische Schadensersatz ausgeschlossen. Art. 29 S. 1 MÜ betrifft nur Ansprüche für solche Schäden, deren Ersatz in den Art. 17 ff. MÜ geregelt ist.
Ansprüche auf eine pauschale und einheitliche Ausgleichszahlung nach Art. 7 Abs. 1 VO wegen der Annullierung oder Verspätung eines Fluges gehören nicht
hierzu. Sie bestehen unabhängig von einem individuellen Schadensersatzanspruch. Insoweit gelten für Ausgleichszahlungen nach der VO und für
Schadensersatzansprüche im Sinne des MÜ unterschiedliche Regelungsrahmen. Aus der bisherigen Rechtsprechung ergibt sich, dass die VO zwar die
Schutzvorschriften des MÜ ergänzt, jedoch beide Regelungswerke kein einheitliches Luftverkehrsrecht bilden, sondern mit unterschiedlich geregelten
Ansprüchen nebeneinander stehen. Daher kann das MÜ dem Gemeinschaftsgesetzgeber nicht verwehren, im Rahmen der Befugnisse der Gemeinschaft auf dem
Gebiet des Verkehrs und des Verbraucherschutzes festzulegen, unter welchen Voraussetzungen der mit den erwähnten Unannehmlichkeiten verbundene
Schaden wieder gutzumachen ist (EuGH, Urt. v. 10.01.2006, Az.: C-344/04, zitiert nach juris). Das Gericht sieht sich nicht veranlasst, die Sache dem
Gerichtshof der Europäischen Union hinsichtlich der Frage der Vereinbarkeit der VO mit dem MÜ vorzulegen, da der Bundesgerichtshof diese in seinem Urteil
vom 10.12.2009 (Az.: Xa ZR 61/09) bereits bejaht hat.
Die Beklagte kann sich vorliegend auch nicht mit Erfolg auf Art. 5 Abs. 3 der VO berufen. Eine Verspätung führt gemäß Art. 5 Abs. 3 VO dann nicht zu einem
Ausgleichsanspruch zugunsten der Fluggäste, wenn das Luftfahrtunternehmen nachweisen kann, dass die Verspätung auf außergewöhnliche Umstände
zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären. Der Ausnahmetatbestand des Art. 5
Abs. 3 der VO ist eng auszulegen. Ein bei einem Flugzeug auftretendes technisches Problem, das eine ersatzpflichtige Verspätung eines Fluges zur Folge hat,
fällt nicht unter dem Begriff "außergewöhnliche Umstände" im Sinne dieser Bestimmung, es sein denn, das Problem geht auf Vorkommnisse zurück, die
aufgrund ihrer Natur oder Ursache nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des betroffenen Luftfahrtunternehmens sind und von ihm tatsächlich nicht
zu beherrschen sind. Daraus ergibt sich, dass technische Defekte, wie sie beim Betrieb eines Flugzeugs typischerweise auftreten, grundsätzlich keine
außergewöhnlichen Umstände begründen, und zwar auch dann nicht, wenn das Luftfahrtunternehmen alle vorgeschriebenen oder sonst bei Beachtung der
erforderlichen Sorgfalt gebotenen Wartungsarbeiten frist- und ordnungsgemäß ausgeführt hat. Als außergewöhnlicher Umstand kann ein technisches Problem
nur dann angesehen werden, wenn es seine Ursache in einem der in Erwägungsgrund 14 der Verordnung genannten Umstände hat, beispielsweise also auf
versteckten Fabrikationsfehlern, Sabotageakten oder terroristischen Angriffen beruht (EuGH, Urt. v. 22.12.2008, Az.: C-549/07; BGH, Urt. v. 12.11.2009, Az.:
Xa ZR 76/07, jeweils zitiert nach juris).
Die Beklagte hat vorliegend nichts dazu vorgetragen, dass der technische Defekt, der im Streitfall zur Verspätung des Fluges geführt hat, auf einem
außergewöhnlichen Umstand im vorstehend genannten Sinne beruht.
Ein Anspruch auf Freistellung hinsichtlich der geltend gemachten außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 102,82 € besteht hingegen nicht.
Den Klägern steht kein materieller Kostenerstattungsanspruch gegen die Beklagte zu. Insbesondere ergibt sich ein solcher Anspruch nicht aus §§ 280 Abs. 1, 2,
286 BGB unter dem Gesichtspunkt des Verzugs. Denn zum Zeitpunkt des Tätigwerdens der Prozessbevollmächtigten der Kläger befand sich die Beklagte nicht
bereits in Verzug. Zwar haben die Kläger die Beklagte mit Schreiben vom 06.06.2011 zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 600,00 € aufgefordert. Dies
ist jedoch ohne eine Fristsetzung erfolgt. Dem Schreiben vom 29.08.2011 kann eine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung der Beklagten nach §
286 Abs. 2 Nr. 3 BGB nicht entnommen werden. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Kläger ihren geltend gemachten Schadensersatz in Höhe von
600,00 € nicht substantiiert dargelegt haben. So ist nicht ersichtlich, für wen wie viel Schadensersatz aufgrund welcher Umstände verlangt wurde. Auch wenn
es sich bei den Klägern um juristische Laien handeln mag, muss dem Anspruchsgegner klar ersichtlich sein, wofür Schadensersatz geltend gemacht wird, zumal
mit der vorliegenden Klage kein Schadensersatz, sondern Ausgleichsansprüche, die gerade keinen Schaden voraussetzen, geltend gemacht werden. Dem
Schreiben der Beklagten vom 29.08.2011 kann nicht entnommen werden, dass sie die nunmehr klageweise geltend gemachte Ausgleichszahlung von jeweils
250,00 € abgelehnt hat. Sie hat vielmehr angeboten, nach Vorlage entsprechender Belege zu prüfen, ob sie zusätzliche Verpflegungskosten erstattet. Wenn die
Kläger 600,00 € Schadensersatz verlangen, ohne zu spezifizieren wofür welcher Betrag verlangt wird, kann in dem Schreiben der Beklagten, keine endgültige
Erfüllungsverweigerung für den nunmehr klageweise geltend gemachten Ausgleichsanspruch, der eben kein Schadensersatzanspruch ist, gesehen werden. Auch
ist es nicht Aufgabe der Beklagten, die Kläger über den Unterschied zwischen Schadensersatz- und Ausgleichsansprüchen nach der VO aufzuklären.
Der nachfolgende Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten der Kläger vom 21.09.2011 enthält zwar die verzugsbegründende Mahnung, da die Beklagte in
diesem Schreiben unter Fristsetzung zur Leistung aufgefordert wurde. Die Kosten dieser verzugsbegründenden Mahnung sind jedoch kein kausaler
Verzugsschaden und aus diesem Grunde von der Beklagten nicht zu ersetzen.
Der geltend gemachte Zinsanspruch folgt aus §§ 288 Abs. 1, 286 BGB. Durch das Schreiben der Prozessbevollmächtigten der Kläger vom 21.09.2011 befand
sich die Beklagte seit dem 06.10.2011 in Verzug. Zinsen werden jedoch erst seit dem 07.10.2011 geltend gemacht.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Zwar wirkt sich der geltend gemachte Freistellungsanspruch nicht streitwerterhöhend aus, da
es sich hierbei um eine Nebenforderung handelt, allerdings ist dieser - ausgehend von einem fiktiven Streitwert, der sich aus der Hauptforderung, sämtlichen
Nebenforderungen und den geltend gemachten Zinsen zusammensetzt - nicht verhältnismäßig geringfügig i.S.d. § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.
Die Berufung war nicht zuzulassen, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer
einheitlichen Rechtsprechung dies erfordern, § 511 Abs. 4 Nr. 1 ZPO. Nach Ansicht des Gerichts ist die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen
Gemeinschaft und des Bundesgerichtshofs zu den maßgeblichen Rechtsfragen eindeutig. ..." (AG Köln, Urteil vom 24.02.2012 - 145 C 263/11)
***
Über den Wortlaut der Fluggastrechte-VO hinaus ist auch in ein völlig unannehmbares Beförderungsangebot einer Fluggesellschaft eine
Beförderungsverweigerung. Ein Beförderungsangebot ist nur in krassen Ausnahmefällen völlig unannehmbar. Ein Beförderungsangebot an ein minderjähriges
Kind ist grundsätzlich völlig unannehmbar, wenn dessen Eltern die Beförderung verweigert wird. Dies gilt jedoch nicht, wenn nicht beiden, sondern nur einem
Elternteil die Beförderung verweigert wird (AG Geldern, Urteil vom 03.08.2011 4 C 628/10):
„... 1.) Das Amtsgericht Geldern ist gemäß Art. 5 Nr. 1 lit. b) Spiegelstrich 2 EuGVVO international zuständig, weil der Ankunftsflughafen des
streitgegenständlichen Fluges, der Flughafen A…, im Bezirk des angerufenen Gerichts belegen ist (vgl. EuGH NJW 2009, 2801).
2.) Die Rechtskraft des Urteils des Amtsgerichts Geldern vom 27.04.2010, Az.: 17 C 385/09 steht der Zulässigkeit der Klage nicht entgegen. Die vorliegend
geltend gemachten Ansprüche waren in jenem Rechtsstreit nicht streitgegenständlich. Der Vater der Kläger hat nur seinen eigenen und den ihm von der Mutter
der Kläger abgetretenen Ausgleichsanspruch geltend gemacht, nicht hingegen Ausgleichsansprüche der Kläger.
II. ... 1.) Die Kläger haben keinen Anspruch auf Zahlung von jeweils 250,- € gemäß Art. 4 Abs. 3 i.V.m. Art. 7 Abs. 1 S. 1 lit. a) FluggastrechteVO gegen die Beklagte.
a) Zwar sind die Kläger ‚Fluggäste' im Sinne der FluggastrechteVO, auch wenn sie nicht Vertragspartner der Beklagten waren, da ihr Vater den
Luftbeförderungsvertrag mit dieser im eigenen Namen geschlossen hat. Fluggast im Sinne der FluggastrechteVO ist jedoch die tatsächlich zu befördernde
Person, ohne dass es darauf ankommt, ob dieser selbst Vertragspartner der Fluggesellschaft oder der Vertrag von einem Dritten zu seinen Gunsten geschlossen
worden ist (BGH, Urt. v. 30.04.2009 - Xa ZR 79/08 - Juris-Rn. 13 = ZLW 2010, 96; Schmid RRa 2010, 136, 137; a.A. AG Emden RRa 2010, 135, 136). Die
Beklagte hat den Klägern die Beförderung aber nicht verweigert. Sie war unstreitig bereit, sowohl die Kläger, als auch beide Elternteile der Kläger zu befördern.
Die Beklagte hat sich lediglich geweigert, einen Koffer des Vaters der Kläger mitzunehmen. Es kann folglich dahinstehen, ob sich die Kläger rechtzeitig am
Flugsteig eingefunden hatten.
b) Zwar dürfte eine Beförderungsverweigerung im Sinne von Art. 4 Abs. 3 i.V.m. Art. 2 lit. j) FluggastrechteVO über den Wortlaut der Vorschrift hinaus nicht
nur dann vorliegen, wenn sich die Fluggesellschaft ohne triftigen Grund ausdrücklich weigert, die Person des Fluggastes zu befördern, sondern auch dann, wenn
sie die Beförderung nur unter so unzumutbaren Bedingungen anbietet, dass das Angebot einer Beförderungsverweigerung gleichsteht. Diese erweiternde
Auslegung dient dazu, Umgehungen der FluggastrechteVO zu vermeiden und ist daher auf krasse Ausnahmefälle begrenzt. Das Beförderungsangebot ist
keinesfalls allein deswegen als unzumutbar anzusehen, weil es den Vereinbarungen des Luftbeförderungsvertrages nicht vollumfänglich entspricht.
c) Es kann dahinstehen, ob ein völlig unzumutbares Angebot auf Beförderung vorliegt, wenn die Fluggesellschaft zwar bereit ist, den Fluggast mitzunehmen,
nicht aber sein Gepäck oder Teile seines Gepäcks. Die Beklagte hat sich nicht geweigert, das Gepäck der Kläger mitzunehmen. Sie hat sich geweigert einen
Koffer des Vaters der Kläger mitzunehmen.
d) Das Beförderungsangebot der Beklagten an die Kläger war nicht völlig unzumutbar. Zwar ist es einem minderjährigen Kind grundsätzlich völlig
unzumutbar, das Beförderungsangebot einer Fluggesellschaft anzunehmen, wenn diese seiner erwachsenen Begleitperson die Beförderung gemäß Art. 4 Abs. 3
i.V.m. Art. 2 lit. j) FluggastrechteVO verweigert. Es kann nicht verlangt werden, dass Minderjährige eine Flugreise ohne die notwendige elterliche Aufsicht
antreten müssen. Die minderjährigen Kläger hätten den Flug in Begleitung ihrer Mutter antreten können. Das Beförderungsangebot an Minderjährige ist
jedenfalls dann nicht unzumutbar, wenn die Begleitung durch einen Elternteil weiterhin gewährleistet ist. Demgemäß kann dahinstehen, ob die Beklagte dem
Vater der Kläger die Beförderung verweigert bzw. nur unter völlig unzumutbaren Bedingungen angeboten hat, weil sie dessen Koffer nicht mitnehmen wollte.
Der Mutter der Kläger hat sie die Beförderung nicht verweigert und auch nicht nur unter völlig unzumutbaren Bedingungen angeboten. Der Mutter der Kläger
war zumutbar, gemeinsam mit ihren Kindern ohne ihren Mann zu fliegen.
e) Es kann dahinstehen, ob aus der gemeinsamen Buchung des Vaters für die gesamte Familie ein vertraglicher Anspruch bestand, gemeinsam ‚als Familie'
befördert zu werden. Es kann ebenfalls dahinstehen, ob die Kläger einen solchen geltend machen könnten, obgleich sie selbst nicht Vertragspartner der
Beklagten sind. Allein die Verletzung einer vertraglichen Verpflichtung aus dem Luftbeförderungsvertrag führt nicht automatisch dazu, dass ein
Beförderungsangebot als so unzumutbar anzusehen wäre, dass es einer Beförderungsverweigerung gleichsteht. Die FluggastrechteVO ist auch anwendbar, wenn
zwischen ausführender Fluggesellschaft und Fluggast gar keine Vertragsbeziehung besteht (vgl. BGH, Urt. v. 30.04.2009 - Xa ZR 79/08 - Juris-Rn. 13 = ZLW
2010, 96), so dass vertragliche Verpflichtungen und Unzumutbarkeit im Sinne der FluggastrechteVO nicht als deckungsgleich angesehen werden können. ..."
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Trifft ein Fluggast bei einem aus zwei Flugabschnitten bestehenden Flug wegen Verspätung auf dem ersten Flugabschnitt später als 45 Minuten vor der
Abflugszeit des Anschlussflugs zum Einchecken ein und wird deshalb statt in der gebuchten Executive/First Class in der Economy Class befördert, dann steht
ihm kein Anspruch auf Herabsetzung des Flugpreises zu. Bei einem aus mehreren Flugabschnitten bestehenden Flug ist die Anwendbarkeit der Verordnung
(EG) Nr. 261/04 nicht nur für die Abfertigung am ersten Flughafen, sondern auch beim Umsteigevorgang am Ort der Zwischenlandung erneut zu prüfen.
Kommt ein Reisender wegen Verspätung des Zubringerfluges nicht rechtzeitig zum Abfertigungsschalter für den Anschlussflug, ist das von dem
Luftfahrtunternehmen zu vertreten, das den Zubringerflug durchgeführt hat. Von diesem kann deshalb der Fluggast auch im Wege des Schadensersatzes
Zahlung der Tarifdifferenz verlangen, wenn er auf dem Anschlussflug nicht mehr in der gebuchten, sondern nur noch in einer niedrigeren Beförderungsklasse
befördert werden kann (AG Frankfurt a.M., Urteil vom 21.12.2007 - 32 C 1003/07 zu V 261/04 Art. 3 II).
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In den Fällen, in denen bei einem aus mehreren Abschnitten bestehenden Flug ein Flugabschnitt so verspätet durchgeführt wird, dass der Fluggast den
Anschlussflug verpasst und erst Stunden später auf einem anderen Flug weiterbefördert wird, sind die Vorschriften über die Nichtbeförderung der VO (EG) Nr.
261/ 2004 ebenfalls an-zuwenden. Zur Frage der Rechtzeitigkeit der Schadensmeldung nach Art. 31 II des Montrealer Übereinkommens. Eine unverzügliche
Schadensanzeige ist nach dem Montrealer Übereinkommen im Fall einer Beschädigung von Gepäckstücken geboten. Bei der Verspätung der Luftbeförderung
von Reisegepäck ist ein Schaden binnen 21 Tagen nach Auslieferung des Gepäcks anzuzeigen. Das Flugunternehmen ist aber sofort mündlich zu unterrichten,
wenn das Gepäck bei Flugbeendigung nicht ausgehändigt werden kann. Bei einem Transatlantikflug ist wegen einer Verspätung um 11 Stunden der Flugpreis
um 5 % zu mindern. Hierbei ist zu berücksichtigen, ob nach der Verordnung (EG) Nr. 261/ 2004 ein Anspruch auf eine Ausgleichszahlung besteht (AG
Bremen, Urteil vom 08.05.2007 - 4 C 7/07, NJOZ 2007, 3510).
Artikel 5 Annullierung
(1) Bei Annullierung eines Fluges werden den betroffenen Fluggästen
a) vom ausführenden Luftfahrtunternehmen Unterstützungsleistungen gemäß Artikel 8 angeboten,
b) vom ausführenden Luftfahrtunternehmen Unterstützungsleistungen gemäß Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe a) und Absatz 2 angeboten und im Fall einer
anderweitigen Beförderung, wenn die nach vernünftigem Ermessen zu erwartende Abflugzeit des neuen Fluges erst am Tag nach der planmäßigen Abflugzeit
des annullierten Fluges liegt, Unterstützungsleistungen gemäß Artikel 9 Absatz 1 Buchstaben b) und c) angeboten und
c) vom ausführenden Luftfahrtunternehmen ein Anspruch auf Ausgleichsleistungen gemäß Artikel 7 eingeräumt, es sei denn,
i) sie werden über die Annullierung mindestens zwei Wochen vor der planmäßigen Abflugzeit unterrichtet, oder
ii) sie werden über die Annullierung in einem Zeitraum zwischen zwei Wochen und sieben Tagen vor der planmäßigen Abflugzeit unterrichtet und erhalten ein
Angebot zur anderweitigen Beförderung, das es ihnen ermöglicht, nicht mehr als zwei Stunden vor der planmäßigen Abflugzeit abzufliegen und ihr Endziel
höchstens vier Stunden nach der planmäßigen Ankunftszeit zu erreichen, oder
iii) sie werden über die Annullierung weniger als sieben Tage vor der planmäßigen Abflugzeit unterrichtet und erhalten ein Angebot zur anderweitigen
Beförderung, das es ihnen ermöglicht, nicht mehr als eine Stunde vor der planmäßigen Abflugzeit abzufliegen und ihr Endziel höchstens zwei Stunden nach der
planmäßigen Ankunftszeit zu erreichen.
(2) Wenn die Fluggäste über die Annullierung unterrichtet werden, erhalten sie Angaben zu einer möglichen anderweitigen Beförderung.
(3) Ein ausführendes Luftfahrtunternehmen ist nicht verpflichtet, Ausgleichszahlungen gemäß Artikel 7 zu leisten, wenn es nachweisen kann, dass die
Annullierung auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen
worden wären.
(4) Die Beweislast dafür, ob und wann der Fluggast über die Annullierung des Fluges unterrichtet wurde, trägt das ausführende Luftfahrtunternehmen.
Hinweise:
Es besteht ein Anspruch auf Ausgleichszahlungen, wenn Fluggäste wegen Überbuchung oder einer kurzfristigen Streichung eines Fluges nicht befördert
werden. Die Höhe des Anspruchs hängt von der Flugstrecke und der Verspätung der Ankunft ab (€ 125,00 bis € 600,00). Betreuungsleistungen müssen wie bei
der Verspätung (siehe dort) erbracht werden.
Wichtig ist das nachfolgende Urteil des EuGH. Danach besteht die Ansprüche auch bei Streichung von Flügen aufgrund technischer Defekte.
Leitsätze/Entscheidungen:
Art. 5 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für
Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur
Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 ist dahin auszulegen, dass ein technisches Problem wie das im Ausgangsverfahren in Rede stehende, das
unerwartet auftrat, das nicht auf eine fehlerhafte Wartung zurückzuführen und auch nicht während einer regulären Wartung festgestellt worden ist,
nicht unter den Begriff „außergewöhnliche Umstände" im Sinne dieser Vorschrift fällt (EuGH, Urteil vom 17.09.2015 - C-257/14).
***
Art. 5 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs-
und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der
Verordnung (EWG) Nr. 295/91 ist dahin auszulegen, dass Umstände wie die Schließung eines Teils des europäischen Luftraums nach dem Ausbruch des
Vulkans Eyjafjallajökull „außergewöhnliche Umstände" im Sinne dieser Verordnung darstellen, die die Luftfahrtunternehmen nicht von ihrer
Betreuungspflicht gemäß den Art. 5 Abs. 1 Buchst. b und 9 der Verordnung entbinden. Die Art. 5 Abs. 1 Buchst. b und 9 der Verordnung Nr. 261/2004 sind
dahin auszulegen, dass im Fall der Annullierung eines Fluges wegen „außergewöhnlicher Umstände" von einer Dauer, wie sie im Ausgangsverfahren
gegeben ist, der in diesen Bestimmungen vorgesehenen Pflicht zur Betreuung der Fluggäste nachzukommen ist, ohne dass dies die Gültigkeit dieser
Bestimmungen berührt. Ein Fluggast kann jedoch als Entschädigung dafür, dass das Luftfahrtunternehmen seiner Betreuungspflicht nach den Art. 5 Abs. 1
Buchst. b und 9 der Verordnung Nr. 261/2004 nicht nachgekommen ist, nur solche Beträge erstattet bekommen, die sich in Anbetracht der dem jeweiligen Fall
eigenen Umstände als notwendig, angemessen und zumutbar erweisen, um den Ausfall der Betreuung des Fluggasts durch das Luftfahrtunternehmen
auszugleichen, was zu beurteilen Sache des nationalen Gerichts ist (EuGH, Urteil vom 31.01.2013 - C-12/11).
***
„... 1. Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung und die Beurteilung der Gültigkeit der Art. 5 Abs. 1 Buchst. b und 9 der Verordnung (EG) Nr.
261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für
Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 (ABl.
L 46, S. 1).
2. Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Frau McDonagh und der Ryanair Ltd (im Folgenden: Ryanair) wegen der Weigerung Letzterer, Frau
McDonagh gegenüber nach dem Ausbruch des isländischen Vulkans Eyjafjallajökull, der zur Annullierung ihres Fluges und in größerem Maßstab zur
Schließung eines Teils des europäischen Luftraums führte, die in Art. 5 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 261/2004 vorgesehenen Betreuungsleistungen zu
erbringen. ...
18. Der Rat der Europäischen Union macht im Wesentlichen geltend, die Fragen seien unzulässig, weil sie für das Ausgangsverfahren insoweit nicht
entscheidungserheblich seien, als sich Fluggäste bei einer Annullierung des Fluges unabhängig von deren Grund vor einem nationalen Gericht nicht darauf
berufen könnten, dass ein Luftfahrtunternehmen seiner in den Art. 5 Abs. 1 Buchst. b und 9 der Verordnung Nr. 261/2004 vorgesehenen Betreuungspflicht
nicht nachgekommen sei, um von diesem eine Entschädigung zu erlangen.
19. Dazu ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 5 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 261/2004 bei Annullierung eines Fluges den betroffenen Fluggästen
vom Luftfahrunternehmen unter den in dieser Bestimmung genannten Voraussetzungen die in Art. 9 dieser Verordnung vorgesehene Übernahme der Kosten für
Mahlzeiten, Unterbringung und Kommunikation anzubieten ist.
20. Der Gerichtshof hatte bereits Gelegenheit, klarzustellen, dass ein Fluggast, wenn ein Luftfahrtunternehmen gegen seine Verpflichtungen aus besagtem Art.
9 verstößt, berechtigt ist, einen Ausgleichsanspruch auf der Grundlage der in den genannten Bestimmungen genannten Kriterien geltend zu machen (vgl. in
diesem Sinne Urteil vom 13. Oktober 2011, Sousa Rodríguez u. a., C-83/10, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 44), wobei eine
solche Forderung nicht so zu verstehen ist, dass damit Schadensersatz verlangt wird, der als individualisierte Wiedergutmachung einen durch die Annullierung
des betreffenden Fluges entstandenen Schaden unter den u. a. in Art. 22 des Übereinkommens von Montreal vorgesehenen Voraussetzungen ausgleichen soll
(vgl. in diesem Sinne Urteil Sousa Rodríguez u. a., Randnr. 38).
21. Mit einer Forderung wie derjenigen, um die es im Ausgangsverfahren geht, soll nämlich vom Luftfahrtunternehmen die Erfüllung seiner aus den Art. 5 Abs.
1 Buchst. b und 9 der Verordnung Nr. 261/2004 folgenden Betreuungspflicht durch gleichwertigen Ersatz erlangt werden, wobei darauf hingewiesen sei, dass
diese Pflicht auf einer der Regelung des Übereinkommens von Montreal vorgelagerten Stufe angesiedelt ist (vgl. Urteile vom 22. Dezember 2008,
Wallentin-Hermann, C-549/07, Slg. 2008, I-11061, Randnr. 32, und vom 23. Oktober 2012, Nelson u. a., C-581/10 und C-629/10, noch nicht in der amtlichen
Sammlung veröffentlicht, Randnr. 57).
22. Der in diesem Zusammenhang vom Rat hervorgehobene Umstand, dass jeder Mitgliedstaat eine für die Durchsetzung der Verordnung Nr. 261/2004
zuständige Stelle benennen muss, die gegebenenfalls die notwendigen Maßnahmen ergreift, um sicherzustellen, dass die Fluggastrechte gewahrt werden, und
die gemäß Art. 16 dieser Verordnung von jedem Fluggast mit einer Beschwerde wegen eines Verstoßes gegen diese Verordnung befasst werden kann, kann das
Recht eines Fluggasts auf eine solche Erstattung nicht in Frage stellen.
23. Dieser Artikel kann nämlich nicht so ausgelegt werden, dass er allein den mit der Durchführung der Verordnung Nr. 261/2004 betrauten nationalen Stellen
die Ahndung vorbehält, wenn die Luftfahrtunternehmen ihrer in den Art. 5 Abs. 1 Buchst. b und 9 dieser Verordnung geregelten Betreuungspflicht nicht nachkommen.
24. Demzufolge kann sich ein Fluggast vor einem nationalen Gericht darauf berufen, dass ein Luftfahrtunternehmen seiner in den Art. 5 Abs. 1 Buchst. b und 9
der Verordnung Nr. 261/2004 vorgesehenen Betreuungspflicht nicht nachgekommen ist, um von dem Unternehmen die Kosten ersetzt zu bekommen, die es
nach diesen Bestimmungen hätte übernehmen müssen.
25. Da die Fragen somit entscheidungserheblich sind, ist das Vorabentscheidungsersuchen also zulässig.
Zur Beantwortung der Fragen
Zur ersten Frage
26. Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 5 der Verordnung Nr. 261/2004 dahin auszulegen ist, dass
Umstände wie die Schließung eines Teils des europäischen Luftraums nach dem Ausbruch des Vulkans Eyjafjallajökull „außergewöhnliche Umstände" im
Sinne dieser Verordnung darstellen, die die Luftfahrtunternehmen nicht von ihrer Betreuungspflicht gemäß den Art. 5 Abs. 1 Buchst. b und 9 der Verordnung
Nr. 261/2004 entbinden, oder ob sie im Gegenteil wegen ihrer besonderen Tragweite über diesen Begriff hinausgehen und die Luftfahrtunternehmen deshalb
von dieser Pflicht freigestellt sind.
27. Vorangestellt sei, dass der Begriff der außergewöhnlichen Umstände nicht zu denjenigen zählt, die in Art. 2 der Verordnung Nr. 261/2004 oder in anderen
Bestimmungen dieser Verordnung definiert sind, obschon eine nicht abschließende Liste solcher Umstände aus den Erwägungsgründen 14 und 15 der
Verordnung hervorgeht.
28. Nach ständiger Rechtsprechung sind insoweit Bedeutung und Tragweite von Begriffen, die das Unionsrecht nicht definiert, entsprechend ihrem Sinn nach
dem gewöhnlichen Sprachgebrauch und unter Berücksichtigung des Zusammenhangs, in dem sie verwendet werden, und der Ziele, die mit der Regelung, zu der
sie gehören, verfolgt werden, zu bestimmen (Urteil Wallentin-Hermann, Randnr. 17).
29. Nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch stellt die Wendung „außergewöhnliche Umstände" wörtlich auf Umstände „abseits des Gewöhnlichen" ab. Im
Zusammenhang mit dem Luftverkehr bezeichnet sie ein Vorkommnis, das der normalen Ausübung der Tätigkeit des betroffenen Luftfahrtunternehmens nicht
innewohnt und aufgrund seiner Natur oder Ursache von ihm tatsächlich nicht zu beherrschen ist (Urteil Wallentin-Hermann, Randnr. 23). Mit anderen Worten
werden davon, wie vom Generalanwalt in Nr. 34 seiner Schlussanträge ausgeführt, alle Umstände erfasst, die das Luftfahrtunternehmen nicht kontrollieren
kann, welcher Natur und Schwere sie auch sein mögen.
30. Die Verordnung Nr. 261/2004 enthält keinen Hinweis darauf, dass über die in ihrem Art. 5 Abs. 3 genannten „außergewöhnlichen Umstände" hinaus eine
gesonderte Kategorie von „besonders außergewöhnlichen" Vorkommnissen anerkannt würde, aufgrund deren die Luftfahrtunternehmen von allen ihren
Verpflichtungen einschließlich derjenigen nach Art. 9 dieser Verordnung freigestellt würden.
31. Was sodann den Zusammenhang und die Ziele anbelangt, die mit Art. 5 der Verordnung Nr. 261/2004 verfolgt werden, der die Pflichten der
Luftfahrtunternehmen bei Annullierung eines Fluges festlegt, ist zum einen darauf hinzuweisen, dass Abs. 3 dieser Vorschrift bei außergewöhnlichen
Umständen nur die Ausgleichspflicht der Luftfahrtunternehmen nach Art. 7 dieser Verordnung entfallen lässt. Der Unionsgesetzgeber hat somit die
Verpflichtung der Luftfahrtunternehmen zu Betreuungsleistungen gemäß Art. 9 der Verordnung unabhängig davon für erforderlich gehalten, welches
Vorkommnis zur Annullierung des Fluges geführt hat. Zum anderen geht aus den Erwägungsgründen 1 und 2 der Verordnung Nr. 261/2004 klar hervor, dass
diese ein hohes Schutzniveau für Fluggäste sicherstellen soll und den Erfordernissen des Verbraucherschutzes im Allgemeinen Rechnung trägt, da die
Annullierung eines Fluges den Fluggästen große Unannehmlichkeiten verursacht (Urteile Wallentin-Hermann, Randnr. 18, sowie Nelson u. a., Randnr. 72).
32. Eine Auslegung, nach der Umstände, wie sie im Ausgangsverfahren in Rede stehen, insbesondere wegen ihrer Ursache und Tragweite aus dem begrifflichen
Rahmen der außergewöhnlichen Umstände im Sinne der Verordnung Nr. 261/2004 fielen, liefe aber nicht nur der Bedeutung dieser Wendung im gewöhnlichen
Sprachgebrauch, sondern auch den Zielen dieser Verordnung zuwider.
33. Eine solche Auslegung hätte nämlich zur Folge, dass die Luftfahrtunternehmen gegenüber Fluggästen, die infolge einer Flugannullierung nur in begrenztem
Maße Unannehmlichkeiten ausgesetzt sind, die Betreuungsleistungen nach Art. 9 der Verordnung Nr. 261/2004 erbringen müssten, während diese Betreuung
Fluggästen wie der Klägerin des Ausgangsverfahrens vorenthalten bliebe, die sich insoweit in einer besonders prekären Lage befinden, als sie gezwungen sind,
mehrere Tage an einem Flughafen zu verweilen.
34. Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 5 der Verordnung Nr. 261/2004 dahin auszulegen ist, dass Umstände wie die Schließung eines
Teils des europäischen Luftraums nach dem Ausbruch des Vulkans Eyjafjallajökull „außergewöhnliche Umstände" im Sinne dieser Verordnung darstellen, die
die Luftfahrtunternehmen nicht von ihrer Betreuungspflicht gemäß den Art. 5 Abs. 1 Buchst. b und 9 der Verordnung entbinden.
35. Aus der Antwort auf die erste Frage ergibt sich, dass die zweite und die dritte Frage nicht beantwortet zu werden brauchen.
Zur vierten und zur fünften Frage
36. Mit seinen zusammen zu prüfenden Fragen 4 und 5 möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob die Art. 5 Abs. 1 Buchst. b und 9 der
Verordnung Nr. 261/2004 dahin auszulegen sind, dass im Fall der Annullierung eines Fluges wegen „außergewöhnlicher Umstände" wie derjenigen, die im
Ausgangsverfahren in Rede stehen, die in diesen Bestimmungen vorgesehene Pflicht zur Betreuung der Fluggäste zeitlich oder finanziell begrenzt ist, und ob,
falls dies nicht der Fall ist, die so ausgelegten Bestimmungen in Anbetracht des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, des Diskriminierungsverbots, des
Grundsatzes eines „gerechten Interessenausgleichs", auf den das Übereinkommen von Montreal abstellt, und der Art. 16 und 17 der Grundrechtscharta ungültig sind.
37. Dazu ist festzustellen, dass der Unionsgesetzgeber für den Fall der Annullierung des Fluges aufgrund des Auftretens „außergewöhnlicher Umstände" die in
Art. 5 Abs. 1 der Verordnung Nr. 261/2004 vorgesehenen Pflichten der Luftfahrtunternehmen modifizieren wollte.
38. So ist das Luftfahrtunternehmen nach dem 15. Erwägungsgrund und Art. 5 Abs. 3 dieser Verordnung abweichend von deren Art. 5 Abs. 1 von der nach Art.
7 der Verordnung bestehenden Ausgleichspflicht gegenüber den Fluggästen befreit, wenn es nachweisen kann, dass die Annullierung auf außergewöhnliche
Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären, also auf Umstände, die
von dem Luftfahrtunternehmen tatsächlich nicht zu beherrschen sind (Urteil Nelson u. a., Randnr. 39).
39. Der Gerichtshof hat insoweit darauf hingewiesen, dass das Luftfahrtunternehmen unter solchen Umständen nur von seiner Ausgleichspflicht nach Art. 7 der
Verordnung Nr. 261/2004 entbunden ist und dass demzufolge seine Betreuungspflicht nach Art. 9 dieser Verordnung bestehen bleibt (vgl. in diesem Sinne
Urteil vom 12. Mai 2011, Egli-tis und Ratnieks, C-294/10, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnrn. 23 und 24).
40. Außerdem ergibt sich aus dem Wortlaut der Verordnung Nr. 261/2004 keinerlei Begrenzung, ob zeitlich oder finanziell, der Pflicht zur Betreuung der
Fluggäste bei außergewöhnlichen Umständen wie denjenigen, um die es im Ausgangsverfahren geht.
41. Art. 9 der Verordnung Nr. 261/2004 lässt sich nämlich entnehmen, dass dem Luftfahrtunternehmen alle Betreuungspflichten gegenüber den Fluggästen,
deren Flug annulliert worden ist, zur Gänze während des gesamten Zeitraums obliegen, in dem die betroffenen Fluggäste auf ihre anderweitige Beförderung
warten müssen. In diesem Sinne geht aus Abs. 1 Buchst. b dieser Vorschrift klar hervor, dass das Luftfahrtunternehmen eine Hotelunterbringung unentgeltlich
anzubieten hat, solange sie „notwendig" ist.
42. Hinzu kommt, dass jede andere Auslegung, mit der anerkannt würde, dass die Pflicht des Luftfahrtunternehmens zur Betreuung der Fluggäste, deren Flug
annulliert wurde, Grenzen, ob zeitlicher oder finanzieller Art, kennt, die mit der Verordnung Nr. 261/2004 verfolgten und oben in Randnr. 31 in Erinnerung
gerufenen Ziele insoweit in Frage stellen würde, als die Fluggäste jenseits dieser Grenzen überhaupt nicht betreut würden und so sich selbst überlassen wären.
Wie aber der Generalanwalt in Nr. 52 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, erweist sich die Betreuung solcher Fluggäste beim Eintritt außergewöhnlicher
Umstände, die lange anhalten, als besonders wichtig und muss gerade bei einer besonders langen Wartezeit infolge der Annullierung eines Fluges sichergestellt
werden, dass dem Fluggast, dessen Flug annulliert wurde, während der gesamten Wartezeit der Zugang zu den allernötigsten Erzeugnissen und
Dienstleistungen möglich ist.
43. Folglich kann der Verordnung Nr. 261/2004 entgegen der Auffassung von Ryanair nicht entnommen werden, dass unter Umständen wie den im
Ausgangsverfahren in Rede stehenden die in den Art. 5 und 9 dieser Verordnung vorgesehene Pflicht zur Betreuung der Fluggäste zeitlich oder finanziell
begrenzt werden muss.
44. Es muss jedoch gesichert sein, dass diese Auslegung nicht dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und dem Grundsatz eines „gerechten Interessenausgleichs",
auf den das Übereinkommen von Montreal abstellt, sowie dem Diskriminierungsverbot und den Art. 16 und 17 der Grundrechtscharta zuwiderläuft. Nach
einem allgemeinen Auslegungsgrundsatz ist nämlich ein Unionsrechtsakt so weit wie möglich in einer Weise, die seine Gültigkeit nicht in Frage stellt, und im
Einklang mit dem gesamten Primärrecht auszulegen (Urteil vom 16. September 2010, Chatzi, C-149/10, Slg. 2010, I-8489, Randnr. 43).
45. Was erstens den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof bereits in seinem Urteil vom 10. Januar 2006, IATA
und ELFAA (C-344/04, Slg. 2006, I-403), die Gelegenheit hatte, in den Randnrn. 78 bis 92 festzustellen, dass die Art. 5 bis 7 der Verordnung Nr. 261/2004
nicht wegen eines Verstoßes gegen diesen Grundsatz ungültig sind.
46. Es ist aber durch nichts, auch nicht durch das Fehlen einer zeitlichen oder finanziellen Begrenzung der Betreuungspflicht, unter Umständen wie denen des
Ausgangsverfahrens gerechtfertigt, die vom Gerichtshof in jenem Urteil getroffene Feststellung der Gültigkeit in Frage zu stellen.
47. Daran kann auch der von Ryanair geltend gemachte Umstand nichts ändern, dass die Betreuungspflicht, wie sie in Art. 9 der Verordnung Nr. 261/2004
geregelt ist, unbestreitbare finanzielle Folgen für die Luftfahrtunternehmen hat, da diese Folgen gemessen an dem Ziel eines hohen Schutzniveaus für die
Fluggäste nicht als unverhältnismäßig angesehen werden können.
48. Die Bedeutung, die dem Ziel des Schutzes der Verbraucher und somit auch der Fluggäste zukommt, kann nämlich negative wirtschaftliche Folgen selbst
beträchtlichen Ausmaßes für bestimmte Wirtschaftsteilnehmer rechtfertigen (Urteil Nelson u. a., Randnr. 81 und die dort angeführte Rechtsprechung).
49. Im Übrigen müssten, wie der Generalanwalt in den Nrn. 58 und 60 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, die Luftfahrtunternehmen als umsichtige
Unternehmer die Kosten, die mit der gegebenenfalls anfallenden Erfüllung ihrer Betreuungspflicht verbunden sind, voraussehen und können außerdem die
durch diese Pflicht verursachten Kosten auf die Flugpreise umlegen.
50. Daraus folgt, dass die Art. 5 Abs. 1 Buchst. b und 9 der Verordnung Nr. 261/2004 nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen.
51. Gleichwohl kann ein Fluggast als Entschädigung dafür, dass das Luftfahrtunternehmen seiner Betreuungspflicht nach den Art. 5 Abs. 1 Buchst. b und 9 der
Verordnung Nr. 261/2004 nicht nachgekommen ist, nur solche Beträge erstattet bekommen, die sich in Anbetracht der dem jeweiligen Fall eigenen Umstände
als notwendig, angemessen und zumutbar erweisen, um den Ausfall der Betreuung des Fluggasts durch das Luftfahrtunternehmen auszugleichen, was zu
beurteilen Sache des nationalen Gerichts ist.
52. Was zweitens den Grundsatz eines „gerechten Interessenausgleichs" anbelangt, auf den der letzte Absatz der Präambel des Übereinkommens von Montreal
Bezug nimmt, genügt der Hinweis, dass die in der Verordnung Nr. 261/2004 vorgesehenen standardisierten und sofortigen Wiedergutmachungsmaßnahmen,
darunter die Pflicht zur Betreuung der Fluggäste, deren Flug annulliert worden ist, nicht zu den Maßnahmen gehören, für die das Übereinkommen von Montreal
die Durchführungsvoraussetzungen festlegt (vgl. in diesem Sinne Urteil Wallentin-Hermann, Randnr. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung).
53. Die Gültigkeit der genannten Bestimmungen ist deshalb nicht anhand des Grundsatzes eines „gerechten Interessenausgleichs" zu beurteilen, der in diesem
Übereinkommen in Bezug genommen wird.
54. Was drittens den allgemeinen Grundsatz der Nichtdiskriminierung oder der Gleichbehandlung betrifft, macht Ryanair geltend, die nach den Art. 5 Abs. 1
Buchst. b und 9 der Verordnung Nr. 261/2004 in einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens vorgesehene Betreuungspflicht erlege den
Luftfahrtunternehmen Verpflichtungen auf, die für die anderen, in den Verordnungen (EG) Nr. 1371/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23.
Oktober 2007 über die Rechte und Pflichten der Fahrgäste im Eisenbahnverkehr (ABl. L 315, S. 14), (EU) Nr. 1177/2010 des Europäischen Parlaments und des
Rates vom 24. November 2010 über die Fahrgastrechte im See- und Binnenschiffsverkehr und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 (ABl. L 334,
S. 1) und (EU) Nr. 181/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 2011 über die Fahrgastrechte im Kraftomnibusverkehr und zur
Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 (ABl. L 55, S. 1) geregelten Beförderungsformen beim Vorliegen von Umständen, die denen des
Ausgangsverfahrens glichen, nicht gälten, obwohl sich die Flug- oder Fahrgäste, die aufgrund einer weitreichenden und länger anhaltenden Unterbrechung des
Verkehrs festsäßen, unabhängig von der Art ihrer Beförderung in der gleichen Lage befänden.
55. Insoweit ist darauf zu verweisen, dass der Gerichtshof in den Randnrn. 93 bis 99 des Urteils IATA und ELFAA bereits festgestellt hat, dass die Art. 5 bis 7
der Verordnung Nr. 261/2004 nicht gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung verstoßen.
56. Die jeweilige Lage der Unternehmen, die in den verschiedenen Verkehrssektoren tätig sind, ist nämlich nicht miteinander vergleichbar, da die einzelnen
Beförderungsformen unter Berücksichtigung ihrer Funktionsweise, ihrer Zugänglichkeit und der Aufteilung ihrer Netze hinsichtlich der Bedingungen ihrer
Benutzung nicht austauschbar sind (Urteil IATA und ELFAA, Randnr. 96).
57. Unter diesen Umständen war der Unionsgesetzgeber berechtigt, Vorschriften aufzustellen, die ein unterschiedliches Verbraucherschutzniveau vorsehen, je
nachdem, welcher Verkehrssektor betroffen ist.
58. Die Art. 5 Abs. 1 Buchst. b und 9 der Verordnung Nr. 261/2004 verstoßen somit nicht gegen das Diskriminierungsverbot.
59. Was viertens die Art. 16 und 17 der Grundrechtscharta anbelangt, die die unternehmerische Freiheit und das Eigentumsrecht verbürgen, bringt Ryanair vor,
die Pflicht zur Betreuung der Fluggäste, die den Luftfahrtunternehmen unter Umständen wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden auferlegt werde,
entziehe den Unternehmen einen Teil der Früchte ihrer Arbeit und der von ihnen getätigten Investitionen.
60. Dazu ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die unternehmerische Freiheit und das Eigentumsrecht nicht absolut gewährleistet werden, sondern im
Zusammenhang mit ihrer gesellschaftlichen Funktion zu sehen sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. September 2012, Deutsches Weintor, C-544/10, noch
nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 54 und die dort angeführte Rechtsprechung).
61. Ferner lässt Art. 52 Abs. 1 der Grundrechtscharta Einschränkungen der Ausübung der in der Grundrechtscharta verankerten Rechte zu, sofern diese
Einschränkungen gesetzlich vorgesehen sind, den Wesensgehalt dieser Rechte und Freiheiten achten und unter Wahrung des Grundsatzes der
Verhältnismäßigkeit erforderlich sind und den von der Union anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des Schutzes der
Rechte und Freiheiten anderer tatsächlich entsprechen.
62. Bei dieser Beurteilung ist schließlich, wenn sich mehrere durch die Unionsrechtsordnung geschützte Rechte gegenüber stehen, darauf zu achten, dass die
Erfordernisse des Schutzes dieser verschiedenen Rechte miteinander in Einklang gebracht werden müssen und dass ein angemessenes Gleichgewicht zwischen
ihnen besteht (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 29. Januar 2008, Promusicae, C-275/06, Slg. 2008, I-271, Randnrn. 65 und 66, und Deutsches Weintor,
Randnr. 47).
63. Hier nimmt das vorlegende Gericht auf die Art. 16 und 17 der Grundrechtscharta Bezug. Es ist jedoch auch deren Art. 38 zu berücksichtigen, der wie Art.
169 AEUV darauf abzielt, dass in der Politik der Union ein hohes Niveau des Schutzes der Verbraucher, zu denen die Fluggäste gehören, gewährleistet ist. Der
Schutz dieser Fluggäste gehört nämlich, wie oben in Randnr. 31 ausgeführt, zu den grundlegenden Zielen der Verordnung Nr. 261/2004.
64. Aus den vorstehenden Randnrn. 45 bis 49, die Ausführungen zum Verhältnismäßigkeitsgrundsatz enthalten, ergibt sich aber, dass die Art. 5 Abs. 1 Buchst.
b und 9 der Verordnung Nr. 261/2004, wie sie oben in Randnr. 43 ausgelegt worden sind, dem Erfordernis entsprechen, die einzelnen betroffenen Grundrechte
miteinander in Einklang zu bringen und ein angemessenes Gleichgewicht zwischen ihnen herzustellen.
65. Die genannten Bestimmungen verstoßen daher nicht gegen die Art. 16 und 17 der Grundrechtscharta.
66. Demnach ist auf die Fragen 4 und 5 zu antworten, dass die Art. 5 Abs. 1 Buchst. b und 9 der Verordnung Nr. 261/2004 dahin auszulegen sind, dass im Fall
der Annullierung eines Fluges wegen „außergewöhnlicher Umstände" von einer Dauer, wie sie im Ausgangsverfahren gegeben ist, der in diesen Bestimmungen
vorgesehenen Pflicht zur Betreuung der Fluggäste nachzukommen ist, ohne dass dies die Gültigkeit dieser Bestimmungen berührt.
Ein Fluggast kann jedoch als Entschädigung dafür, dass das Luftfahrtunternehmen seiner Betreuungspflicht nach den Art. 5 Abs. 1 Buchst. b und 9 der
Verordnung Nr. 261/2004 nicht nachgekommen ist, nur solche Beträge erstattet bekommen, die sich in Anbetracht der dem jeweiligen Fall eigenen Umstände
als notwendig, angemessen und zumutbar erweisen, um den Ausfall der Betreuung des Fluggasts durch das Luftfahrtunternehmen auszugleichen, was zu
beurteilen Sache des nationalen Gerichts ist.
Kosten
67. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die
Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Tenor
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt:
1. Art. 5 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für
Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur
Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 ist dahin auszulegen, dass Umstände wie die Schließung eines Teils des europäischen Luftraums nach dem
Ausbruch des Vulkans Eyjafjallajökull „außergewöhnliche Umstände" im Sinne dieser Verordnung darstellen, die die Luftfahrtunternehmen nicht von
ihrer Betreuungspflicht gemäß den Art. 5 Abs. 1 Buchst. b und 9 der Verordnung entbinden.
2. Die Art. 5 Abs. 1 Buchst. b und 9 der Verordnung Nr. 261/2004 sind dahin auszulegen, dass im Fall der Annullierung eines Fluges wegen
„außergewöhnlicher Umstände" von einer Dauer, wie sie im Ausgangsverfahren gegeben ist, der in diesen Bestimmungen vorgesehenen Pflicht zur
Betreuung der Fluggäste nachzukommen ist, ohne dass dies die Gültigkeit dieser Bestimmungen berührt.
Ein Fluggast kann jedoch als Entschädigung dafür, dass das Luftfahrtunternehmen seiner Betreuungspflicht nach den Art. 5 Abs. 1 Buchst. b und 9
der Verordnung Nr. 261/2004 nicht nachgekommen ist, nur solche Beträge erstattet bekommen, die sich in Anbetracht der dem jeweiligen Fall
eigenen Umstände als notwendig, angemessen und zumutbar erweisen, um den Ausfall der Betreuung des Fluggasts durch das Luftfahrtunternehmen
auszugleichen, was zu beurteilen Sache des nationalen Gerichts ist. ..." (EuGH, Vorabentscheidung vom 31.01.2013 - C-12/11)
***
Die Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und
Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der
Verordnung (EWG) Nr. 295/91 ist dahin auszulegen, dass sich die Frist, innerhalb deren Klagen auf Zahlung der in den Art. 5 und 7 dieser Verordnung
vorgesehenen Ausgleichsleistung erhoben werden müssen, nach den Vorschriften der einzelnen Mitgliedstaaten über die Klageverjährung bestimmt
(EuGH, Urteil vom 22.11.2012 - C-139/11).
***
Die Art. 5 bis 7 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für
Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur
Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 sind dahin auszulegen, dass den Fluggästen verspäteter Flüge ein Ausgleichsanspruch nach dieser Verordnung
zusteht, wenn sie aufgrund dieser Flüge einen Zeitverlust von drei Stunden oder mehr erleiden, d. h., wenn sie ihr Endziel nicht früher als drei Stunden nach
der vom Luftfahrtunternehmen ursprünglich geplanten Ankunftszeit erreichen. Eine solche Verspätung begründet jedoch dann keinen
Ausgleichsanspruch der Fluggäste, wenn das Luftfahrtunternehmen nachweisen kann, dass die große Verspätung auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht,
die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären, also auf Umstände, die von dem
Luftfahrtunternehmen tatsächlich nicht zu beherrschen sind. Die Prüfung der Vorlagefragen hat nichts ergeben, was die Gültigkeit der Art. 5 bis 7 der
Verordnung Nr. 261/2004 berühren könnte ( EuGH, Urteil vom 23.10.2012 - C-581/10 und C-629/10, C-581/10, C-629/10).
***
Art. 5 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für
Ausgleichs - und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur
Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 ist dahin auszulegen, dass das Luftfahrtunternehmen, da es alle zumutbaren Maßnahmen zu ergreifen hat, um
außergewöhnliche Umstände zu vermeiden, die mit dem etwaigen Eintritt außergewöhnlicher Umstände verbundene Möglichkeit von Verspätungen bei der
Flugplanung angemessen berücksichtigen muss. Es muss daher eine gewisse Zeitreserve vorsehen, um den Flug insgesamt möglichst bald nach dem Wegfall
der außergewöhnlichen Umstände durchführen zu können. Dagegen kann die genannte Bestimmung nicht dahin ausgelegt werden, dass im Rahmen der
zumutbaren Maßnahmen eine Pflicht besteht, allgemein und undifferenziert eine Mindest-Zeitreserve einzuplanen, die für sämtliche Luftfahrtunternehmen
unterschiedslos in allen Situationen des Eintritts außergewöhnlicher Umstände gilt. Bei der Beurteilung der Fähigkeit des Luftfahrtunternehmens, den geplanten
Flug insgesamt unter den neuen Bedingungen aufgrund des Eintritts dieser Umstände durchzuführen, ist darauf zu achten, dass der Umfang der geforderten
Zeitreserve das Luftfahrtunternehmen nicht zu Opfern veranlasst, die angesichts seiner Kapazitäten zum jeweiligen Zeitpunkt nicht tragbar sind. Art. 6 Abs. 1
der Verordnung Nr. 261/2004 kommt bei dieser Beurteilung nicht zur Anwendung (EuGH, Urteil vom 12.05.2011 - C-294/10).
***
Art. 2 lit. l sowie die Art. 5 und 6 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. 2. 2004 über eine gemeinsame
Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen
und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 sind dahin auszulegen, dass ein verspäteter Flug unabhängig von der - auch erheblichen - Dauer der
Verspätung nicht als annulliert angesehen werden kann, wenn er entsprechend der ursprünglichen Flugplanung des Luftfahrtunternehmens durchgeführt wird.
Die Art. 5, 6 und 7 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 sind dahin auszulegen, dass die Fluggäste verspäteter Flüge im Hinblick auf die Anwendung des
Ausgleichsanspruchs den Fluggästen annullierter Flüge gleichgestellt werden können und somit den in Art. 7 dieser Verordnung vorgesehenen
Ausgleichsanspruch geltend machen können, wenn sie wegen eines verspäteten Flugs einen Zeitverlust von drei Stunden oder mehr erleiden, d.h., wenn sie ihr
Endziel nicht früher als drei Stunden nach der von dem Luftfahrtunternehmen ursprünglich geplanten Ankunftszeit erreichen. Eine solche Verspätung führt
allerdings dann nicht zu einem Ausgleichsanspruch zu Gunsten der Fluggäste, wenn das Luftfahrtunternehmen nachweisen kann, dass die große Verspätung auf
außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären, also
auf Umstände, die von dem Luftfahrtunternehmen tatsächlich nicht zu beherrschen sind. Art. 5 III der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 ist dahin auszulegen, dass
ein bei einem Flugzeug aufgetretenes technisches Problem, das zur Annullierung oder Verspätung eines Flugs führt, nicht unter den Begriff „außergewöhnliche
Umstände" im Sinne dieser Bestimmung fällt, es sei denn, das Problem geht auf Vorkommnisse zurück, die auf Grund ihrer Natur oder Ursache nicht Teil der
normalen Ausübung der Tätigkeit des betroffenen Luftfahrtunternehmens sind und von ihm tatsächlich nicht zu beherrschen sind (EuGH, Urteil vom
19.11.2009 - C-402/07, C-432/07 - Christopher Sturgeon u.a./Condor Flugdienst-GmbH und Stefan Böck u.a./Air France SA).
***
Art. 5 Nr. 1 lit. b zweiter Gedankenstrich der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. 12. 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die
Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ist dahin auszulegen, dass im Fall einer Beförderung von Personen im
Luftverkehr von einem Mitgliedstaat in einen anderen Mitgliedstaat auf der Grundlage eines mit einer einzigen Luftfahrtgesellschaft, dem ausführenden
Luftfahrtunternehmen, geschlossenen Vertrags für eine auf diesen Beförderungsvertrag und die Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments
und des Rates vom 11. 2. 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und
bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 gestützte Klage auf Ausgleichszahlungen nach
Wahl des Kl. das Gericht des Ortes des Abflugs oder das des Ortes der Ankunft des Flugzeugs entsprechend der Vereinbarung dieser Orte in dem Vertrag
zuständig ist (EuGH, Urteil vom 09.7.2009 - C-204/08 zu Verordnung (EG) Nr. 44/2001 Art. 5 Nr. 1 lit. b zweiter Gedankenstrich; Verordnung (EG) Nr.
261/2004 Art. 5 I lit. c, 7 I lit. a; Übereinkommen von Montreal Art. 33 I, NJW 2009, 2801 ff).
***
Art. 5 III der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. 2. 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und
Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der
Verordnung (EWG) Nr. 295/91 ist dahin auszulegen, dass ein bei einem Flugzeug aufgetretenes technisches Problem, das zur Annullierung eines Flugs
führt, nicht unter den Begriff „außergewöhnliche Umstände" im Sinne dieser Bestimmung fällt, es sei denn, das Problem geht auf Vorkommnisse
zurück, die auf Grund ihrer Natur oder Ursache nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des betroffenen Luftfahrtunternehmens sind und
von ihm tatsächlich nicht zu beherrschen sind. Das am 28. 5. 1999 in Montreal geschlossene Übereinkommen zur Vereinheitlichung bestimmter
Vorschriften über die Beförderung im internationalen Luftverkehr ist für die Auslegung der Befreiungsgründe nach Art. 5 III der Verordnung (EG) Nr.
261/2004 nicht ausschlaggebend. Die Häufigkeit der bei einem Luftfahrtunternehmen festgestellten technischen Probleme ist als solche kein Umstand, anhand
dessen sich auf das Vorliegen oder Fehlen „außergewöhnlicher Umstände" i.S. von Art. 5 III der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 schließen ließe. Allein der
Umstand, dass ein Luftfahrtunternehmen die gesetzlich vorgeschriebenen Mindesterfordernisse an Wartungsarbeiten an einem Flugzeug durchgeführt hat, reicht
nicht für den Nachweis, dass dieses Unternehmen „alle zumutbaren Maßnahmen" i.S. von Art. 5 III der Verordnung (EG) Nr. 261/ 2004 ergriffen hat, und
somit für seine Befreiung von der Verpflichtung zur Ausgleichszahlung gem. Art. 5 I lit. c und Art. 7 I dieser Verordnung aus (EuGH, Urteil vom 22.12.2008 -
C-549/07 - Wallentin-Herman/Alitalia - Linee Aeree Italiana SpA, NJW 2009, 347 ff).
***
„ ... Fragen 1, 2 und 3
Ein Luftfahrtunternehmen kann sich nur dann auf Art. 5 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 berufen, um der Verpflichtung zur Leistung von
Ausgleichszahlungen nach wegen technischer Probleme erfolgter Außerbetriebsetzung eines Luftfahrzeugs zu entgehen, wenn sowohl die Außerbetriebsetzung
als auch die Nichtverfügbarkeit eines Ersatzflugzeugs auf Umstände zurückgehen, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren
Maßnahmen ergriffen worden wären; diese Maßnahmen umfassen hinsichtlich der Außerbetriebsetzung die korrekte und rechtzeitige Einhaltung des für ein
Luftfahrzeug geltenden Instandhaltungs- und Wartungsprogramms und, sobald Anzeichen auf das technische Problem hindeuten, alle in Anbetracht der
Umstände zumutbaren Schritte zur Lösung des Problems ohne Außerbetriebsetzung des Luftfahrzeugs; hinsichtlich der Nichtverfügbarkeit eines
Ersatzflugzeugs umfassen sie angesichts bisheriger Erfahrungen angemessene Vorkehrungen für Ersatzflugzeuge; außergewöhnlich im Sinne des üblichen
Sprachgebrauchs sind; hinsichtlich der Außerbetriebsetzung können hierunter solche technischen Probleme fallen, die ihrer Art nach weder typischerweise von
Zeit zu Zeit bei sämtlichen Luftfahrzeugen und/oder einem bestimmten Luftfahrzeugtyp auftreten noch bekanntermaßen das fragliche Luftfahrzeug zuvor
beeinträchtigt haben; hinsichtlich der Nichtverfügbarkeit eines Ersatzflugzeugs fallen hierunter Umstände, die für ein Luftfahrtunternehmen unvorhersehbar
waren, das angesichts bisheriger Erfahrungen zumutbare Vorkehrungen für Ersatzflugzeuge getroffen hat.
Frage 4
Es ist Sache des nationalen Gerichts, die Zulässigkeit und den Beweiswert der Unterlagen und jedes weiteren vom Luftfahrtunternehmen im Einklang mit den
nationalen Beweisvorschriften vorgelegten Beweismittels zu würdigen, vorausgesetzt, dass bei Anwendung dieser Vorschriften der Äquivalenz- und der
Effektivitätsgrundsatz beachtet werden. Das nationale Gericht sollte auch entscheiden, ob die Beweise für den Nachweis ausreichen, dass die in Art. 5 Abs. 3
der Verordnung Nr. 261/2004 aufgestellten Voraussetzungen erfüllt sind (Schlussanträge der Generalanwältin Eleanor Sharpston vom 27. September 2007 im
EuGH-Verfahren - C 396/06).
*** (BGH)
Beeinträchtigen außergewöhnliche Umstände (hier: ein Fluglotsenstreik) die Einhaltung des Flugplans eines Luftverkehrsunternehmens, kommt es für die
Beurteilung der Frage, ob die Annullierung oder große Verspätung eines Flugs darauf zurückgeht, nicht darauf an, ob der Flug von den Umständen unmittelbar
betroffen ist oder die Umstände an demselben Tag bei einem der vorangehenden Flüge des für den annullierten oder verspäteten Flugs vorgesehenen Flugzeugs
eingetreten sind. Welche Maßnahmen einem Luftverkehrsunternehmen zuzumuten sind, um zu vermeiden, dass außergewöhnliche Umstände zu einer großen
Verspätung eines Fluges führen oder Anlass zu seiner Annullierung geben, bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalls; die Zumutbarkeit ist
situationsabhängig zu beurteilen. Die Fluggastrechteverordnung begründet keine Verpflichtung der Luftverkehrsunternehmen, ohne konkreten Anlass
Vorkehrungen wie etwa das Vorhalten von Ersatzflugzeugen zu treffen, um den Folgen außergewöhnlicher Umstände begegnen zu können. Die Umbuchung
von Fluggästen auf andere Flüge ist keine Maßnahme, um eine Annullierung oder eine große Verspätung zu vermeiden, sondern eine zusätzliche Möglichkeit,
eine Ausgleichszahlung abzuwenden, obwohl eine Annullierung oder große Verspätung eingetreten ist. Dies gilt auch dann, wenn es im Einzelfall möglich
gewesen wäre, alle Fluggäste eines annullierten oder verspäteten Flugs auf einen anderen Flug umzubuchen (BGH, Urteil vom 12.06.2014 - X ZR 121/13)
***
Ein durch Vogelschlag verursachter Turbinenschaden, der den Abbruch eines Starts erzwingt oder den erneuten Einsatz eines beim Landeanflug beschädigten
Flugzeugs hindert, begründet außergewöhnliche Umstände im Sinne des Art. 5 Abs. 3 der Fluggastrechteverordnung. Das Luftfahrtunternehmen wird von der
Verpflichtung zu einer Ausgleichszahlung nur dann frei, wenn es eine Annullierung oder erhebliche Verspätung des Flugs infolge des Schadens nicht
verhindern kann. Dazu hat das Luftfahrtunternehmen darzutun, dass es auf Störungen seines Flugplans, die als Folge eines außergewöhnlichen Ereignisses oder
aus anderen Gründen, insbesondere wegen auftretender technischer Defekte, eintreten können, angemessen vorbereitet ist und die im Personenluftverkehr
üblichen Vorkehrungen getroffen hat, um auf solche Störungen reagieren und die Annullierung oder erhebliche Verspätung eines hiervon betroffenen Flugs
wenn möglich vermeiden zu können (BGH, Urteil vom 24.09.2013 - X ZR 160/12).
***
„... Die Kläger verlangen Ausgleichszahlungen nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. b, Art. 5 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen
Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der
Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 (ABl. EU L 46 vom 17.
Februar 2004, S. 1 ff.; nachfolgend: Verordnung). Sie buchten bei der Beklagten eine Pauschalreise, die Flüge von Hannover nach Fuerteventura und zurück
umfasste. Der Rückflug sollte am 10. Mai 2011 um 19.05 Uhr stattfinden. Während des Startvorgangs gerieten Vögel ins Triebwerk, so dass der Start
abgebrochen werden musste. Die Kläger wurden am Tag darauf von einer anderen Fluggesellschaft nach Gran Canaria geflogen, von dort aus nach Hamburg
und schließlich mit dem Bus nach Hannover befördert, wo sie etwa 24 Stunden später als geplant ankamen. ...
1. Zutreffend ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen, dass den Klägern nach Art. 5 Abs. 3 der Verordnung wegen Annullierung des von ihnen
gebuchten Flugs von Fuerteventura nach Hannover ein Anspruch auf eine Ausgleichszahlung nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. b, Art. 5 Abs. 1 Buchst. c der
Verordnung zusteht, wenn sich die Beklagte nicht auf außergewöhnliche Umstände im Sinne des Art. 5 Abs. 3 der Verordnung berufen kann, die diesen
Anspruch ausschließen.
Der Flug der Kläger von Fuerteventura nach Hannover wurde annulliert. Nach Art. 2 Buchst. l der Verordnung bezeichnet der Ausdruck "Annullierung" die
Nichtdurchführung eines geplanten Flugs, für den zumindest ein Platz reserviert war. Eine Annullierung ist auch dann anzunehmen, wenn das Flugzeug zwar
gestartet ist, aber anschließend, aus welchen Gründen auch immer, zum Ausgangsflughafen zurückkehren muss und die Fluggäste auf andere Flüge umgebucht
werden (EuGH, Urteil vom 13. Oktober 2011 C83/10, NJW 2011, 3776 = RRa 2011, 282 Rodríguez u.a./Air France Rn. 25 bis 35). Dies trifft hier zu. Der
gestartete Rückflug von Fuerteventura nach Hannover musste abgebrochen werden und die Kläger wurden auf den Flug einer anderen Gesellschaft umgebucht.
2. Das Berufungsgericht hat auch zutreffend angenommen, dass ein durch Vogelschlag verursachter Turbinenschaden, der den Abbruch eines Starts erzwingt
oder den erneuten Einsatz des beim Landeanflug beschädigten Flugzeugs hindert, außergewöhnliche Umstände im Sinne des Art. 5 Abs. 3 der Verordnung begründet.
a) Der Begriff der außergewöhnlichen Umstände, der weder in Art. 2 noch in sonstigen Vorschriften der Verordnung definiert ist, bedeutet nach seinem
Wortlaut, dass die gegebenenfalls zu einem Wegfall der Ausgleichspflicht führenden Umstände außergewöhnlich sind, d.h. nicht dem gewöhnlichen Lauf der
Dinge entsprechen, sondern außerhalb dessen liegen, was üblicherweise mit dem Ablauf der Personenbeförderung im Luftverkehr verbunden ist oder verbunden
sein kann. Es sollen Ereignisse erfasst werden, die nicht zum Luftverkehr gehören, sondern als jedenfalls in der Regel von außen kommende besondere
Umstände seine ordnungs- und plangemäße Durchführung beeinträchtigen oder unmöglich machen können. Umstände, die im Zusammenhang mit einem den
Luftverkehr störenden Vorfall wie einem technischen Defekt auftreten, können nur dann als außergewöhnlich im Sinne von Art. 5 Abs. 3 der Verordnung
qualifiziert werden, wenn sie auf ein Vorkommnis zurückgehen, das wie die in Erwägungsgrund 14 der Verordnung aufgezählten nicht Teil der normalen
Ausübung der Tätigkeit des betroffenen Luftfahrtunternehmens und aufgrund seiner Natur oder Ursache von diesem tatsächlich nicht zu beherrschen ist (EuGH,
Urteil vom 22. Dezember 2008 C549/07, NJW 2009, 347 = RRa 2009, 35 Rn. 23 Wallentin-Hermann/; Urteil vom 19. November 2009 C-402/07, NJW 2010,
43 = RRa 2009, 282 Sturgeon u.a./Condor; Urteil vom 31. Januar 2013 C-12/11, NJW 2013, 921 = RRa 2013, 81 - McDonagh/Ryanair). Der
Bundesgerichtshof hat hieraus abgeleitet, dass technische Defekte, wie sie beim Betrieb eines Flugzeugs typischerweise auftreten, grundsätzlich keine
außergewöhnlichen Umstände begründen, und zwar auch dann nicht, wenn das Luftverkehrsunternehmen alle vorgeschriebenen oder sonst gebotenen
Wartungsarbeiten frist- und ordnungsgemäß ausgeführt hat. Solche Defekte sind Teil der normalen Tätigkeit des betroffenen Luftverkehrsunternehmens (BGH,
Urteil vom 12. November 2009 X ZR 76/07, NJW 2010, 1070 = RRa 2010, 34 Rn. 23; Urteil vom 21. August 2012 X ZR 138/11, BGHZ 194, 258 Rn. 16).
Die Prüfung, ob ein technisches Problem auf ein Vorkommnis zurückzuführen ist, das nicht Teil der normalen Ausführung der Tätigkeit des betroffenen
Luftverkehrsunternehmens und von ihm tatsächlich nicht zu beherrschen ist, obliegt dem nationalen Richter (EuGH - Wallentin-Hermann/Alitalia Rn. 27); sie
ist grundsätzlich Aufgabe des Tatrichters (BGHZ 194, 258 Rn. 17).
b) Zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass ein Vogelschlag, der wie im Streitfall zum Abbruch des Starts führt, in diesem Sinne
außergewöhnliche Umstände begründet.
aa) Vogelschlag ist ein Ereignis, das von außen auf den Flugverkehr einwirkt und dessen Ablauf beeinflusst. Er tritt wie ein Naturereignis beliebig auf, wie z.B.
die in Erwägungsgrund 14 der Verordnung angeführten, mit der Durchführung des betreffenden Flugs nicht zu vereinbarenden Wetterbedingungen, und ist von
dem Luftfahrtunternehmen nicht vorhersehbar und innerhalb der betrieblichen Sphäre des Unternehmens von diesem auch nicht beherrschbar, weil das
Luftfahrtunternehmen weder den Vogelflug beeinflussen noch verhindern kann, dass beim Start oder Landeanflug in die Nähe des Flugzeugs geratende Vögel
durch den Turbinensog angesaugt werden und Schäden an der Turbine verursachen können.
bb) Die Rüge der Revision, das Problem eines möglichen Vogelschlags sei für das Luftfahrtunternehmen beherrschbar, weil Maßnahmen zur Verhinderung
erhöhten Vogelaufkommens im Bereich des Flughafens und somit zur Vermeidung eines Vogelschlags getroffen werden könnten, greift nicht durch. Das
Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass Vogelvergrämungsmaßnahmen auf dem Flughafen und in seiner Umgebung nicht im Einfluss- und
Verantwortungsbereich des Luftfahrtunternehmens liegen.
Zu der normalen Durchführung des Flugbetriebs, die von den außergewöhnliche Umstände begründenden Ereignissen abzugrenzen ist, die es kennzeichnet,
dass sie entweder objektiv überhaupt nicht oder aber jedenfalls nicht durch das Luftfahrtunternehmen zu beherrschen sind, gehört nicht die Durchführung von
Vogelvergrämungsmaßnahmen auf dem Gebiet eines jeden angeflogenen Flughafens. Solche Maßnahmen betreffen nicht den einzelnen Flug eines
Luftfahrtunternehmens und auch nicht den sicheren Zu- oder Abgang des Passagiers zum und von dem gebuchten Flug, sondern die Sicherheit der Flughäfen
und Flugwege und damit die Sicherheit des allgemeinen Luftverkehrs. Sie fallen deshalb grundsätzlich nicht in den Verantwortungsbereich des einzelnen
Luftfahrtunternehmens, sondern obliegen gegebenenfalls dem Flughafenbetreiber, der nicht anders als bei anderen Einrichtungen des Flughafens die
Notwendigkeit entsprechender Maßnahmen zu beurteilen und gegebenenfalls die geeigneten und wirksamen Mittel auszuwählen hat.
cc) Unerheblich ist auch, dass das Berufungsgericht zur Häufigkeit von Triebwerksschäden durch Vogelschlag keine Feststellungen getroffen hat. Die
Verordnung trifft weder in Art. 5 Abs. 3 noch in den korrespondierenden Erwägungsgründen 14 und 15 eine Aussage darüber, ob die Einordnung eines
Ereignisses als außergewöhnlich von der Häufigkeit seines Auftretens in der täglichen Praxis des Flugverkehrs abhängt. Gegen die Annahme einer solchen
Abhängigkeit spricht Erwägungsgrund 14, der widrige Witterungsbedingungen, die der Durchführung eines Flugs entgegenstehen, als außergewöhnliche
Umstände qualifiziert. Solche Witterungsbedingungen können bei entsprechender Wetterlage auch öfter innerhalb kurzer Zeiträume auftreten; sie verlieren
dadurch nicht ihren Charakter als außergewöhnliches Ereignis. Der Umstand, dass Beschädigungen an Flugzeugen durch Vogelschlag gelegentlich vorkommen,
ändert deshalb nichts an dessen Einordnung als außergewöhnliches Ereignis.
3. Durch seine Feststellungen nicht in vollem Umfang getragen wird jedoch die Annahme des Berufungsgerichts, die Annullierung des von den Klägern
gebuchten Flugs sei durch den Vogelschlag verursacht worden.
a) Im Streitfall hat der Vogelschlag während des Startvorgangs zu einer Beschädigung des Triebwerks und folglich zu einem technischen Defekt geführt, der
einen Abbruch des Starts und eine Reparatur des Schadens vor dem erneuten Start erforderlich machte. Die Annullierung oder Verspätung des Flugs ging
mithin auf einen außergewöhnlichen Umstand zurück.
b) Das Berufungsgericht hat jedoch nicht geprüft, ob die Beklagte alle zumutbaren Maßnahmen im Sinne des Art. 5 Abs. 3 der Verordnung ergriffen hat, um die
Annullierung des von den Klägern gebuchten Flugs wenn möglich zu vermeiden.
aa) Welche Maßnahmen einem ausführenden Luftfahrtunternehmen zuzumuten sind, um zu vermeiden, dass außergewöhnliche Umstände zu einer erheblichen
Verspätung eines Flugs führen oder Anlass zu seiner Annullierung geben, bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalls. Das Luftfahrtunternehmen hat
darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, dass sich die Annullierung oder erhebliche Verspätung jedenfalls nicht durch der Situation angepasste Maßnahmen
hätte vermeiden lassen, d.h. solche, die zu dem Zeitpunkt, zu dem die außergewöhnlichen Umstände auftreten, für das betroffene Luftfahrtunternehmen
insbesondere in persönlicher, technischer und wirtschaftlicher Hinsicht tragbar sind (EuGH Wallentin-Hermann/Alitalia Rn. 40, 42; Urteil vom 12. Mai 2011
C-294/10, NJW 2011, 2865 = RRa 2011, 125 Egli-tis und Ratnieks/Air Baltic Rn. 29). Der Gerichtshof der Europäischen Union geht dabei von einem flexiblen
und vom Einzelfall abhängigen Begriff der zumutbaren Maßnahme aus. Es ist Sache des nationalen Gerichts zu beurteilen, ob im Einzelfall angenommen
werden kann, dass das Luftfahrtunternehmen die der Situation angemessenen Maßnahmen getroffen hat (EuGH - Egli-tis und Ratnieks/Air Baltic Rn. 30); auch
hierzu ist in erster Linie der Tatrichter berufen.
Danach hat das Luftfahrtunternehmen darzutun, dass es auf Störungen seines Flugplans, die als Folge eines außergewöhnlichen Ereignisses oder aus anderen
Gründen, insbesondere wegen auftretender technischer Defekte, eintreten können, angemessen vorbereitet ist und die im Personenluftverkehr üblichen
Vorkehrungen getroffen hat, um auf solche Störungen reagieren und die Annullierung oder erhebliche Verspätung eines hiervon betroffenen Flugs wenn
möglich vermeiden zu können.
bb) Das Berufungsgericht hat keine Feststellungen dazu getroffen, ob die Beklagte die Annullierung durch die Nutzung der von ihr getroffenen oder im
Personenluftverkehr üblicher Vorkehrungen gegen die Folgen von Störungen des Flugbetriebs hätte vermeiden können. Seine allgemeine Bemerkung, das von
den Klägern für notwendig gehaltene Vorhalten von Ersatzflugzeugen sei für ein Luftfahrtunternehmen aus wirtschaftlichen Gründen unzumutbar, reicht nicht
aus. ..." (BGH, Urteil vom 24.09.2013 - X ZR 129/12)
***
Besteht eine Flugreise aus zwei oder mehr Flügen, die jeweils von einer Fluggesellschaft unter einer bestimmten Flugnummer für eine bestimmte Route
angeboten werden, ist die Anwendbarkeit der Fluggastrechteverordnung für jeden Flug gesondert zu prüfen. Dies gilt auch dann, wenn die Flüge von
derselben Fluggesellschaft durchgeführt werden und als Anschlussverbindung gemeinsam gebucht werden können (Bestätigung von BGH, Urteil vom
28. Mai 2009, Xa ZR 113/08, NJW 2009, 2743; BGH, Urteil vom 13.11.2012 - X ZR 12/12).
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Ruft eine Gewerkschaft im Rahmen einer Tarifauseinandersetzung die Piloten eines Luftverkehrsunternehmens zur Arbeitsniederlegung auf, kann dies
außergewöhnliche Umstände im Sinne des Art. 5 Abs. 3 der Fluggastrechtsverordnung zur Folge haben. Das Luftverkehrsunternehmen ist in diesem Fall davon
befreit, Ausgleichszahlungen für die Annullierung derjenigen Flüge zu leisten, die es absagt, um den Flugplan an die zu erwartenden Auswirkungen des
Streikaufrufs anzupassen (BGH, Urteil vom 21.08.2012 - X ZR 138/11).
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Im Gerichtsstand der Niederlassung können nur Ansprüche aus Rechtsgeschäften geltend gemacht werden, die zumindest mit Rücksicht auf die
Geschäftstätigkeit der Niederlassung abgeschlossen wurden oder als deren Folge erscheinen. Soll ein Ausgleichsanspruch nach der Fluggastrechteverordnung
der Europäischen Union gegen das Luftverkehrsunternehmen geltend gemacht werden, mit dem der Fluggast den Beförderungsvertrag geschlossen hat, ist
unabhängig vom Vertragsstatut Erfüllungsort i.S.d. § 29 ZPO sowohl der Ort des vertragsgemäßen Abflugs als auch der Ort der vertragsgemäßen Ankunft des
Flugzeugs (BGH, Urteil vom 18.01.2011 - X ZR 71/10 zu ZPO §§ 21, 29 Abs. 1; EuGVVO Art. 5 Nr. 1 Buchst. b).
***
Bei einer großen Verspätung im Sinne des Art. 6 Abs. 1 FluggastrechteVO steht dem Fluggast wie bei einer Annullierung des Flugs ein Anspruch auf eine
Ausgleichszahlung nach Art. 7 zu, sofern er sein Endziel nicht früher als drei Stunden nach der geplanten Ankunftszeit erreicht und die große Verspätung nicht
auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn von dem Luftfahrtunternehmen alle zumutbaren
Maß-nahmen ergriffen worden wären (im Anschluss an EuGH RRa 2009, 282 = NJW 2010, 43 - Sturgeon/Condor; BGH, Urteil vom 18.02.2010 - Xa ZR
95/06 zu FluggastrechteVO Art. 6 Abs. 1, Art. 7 Abs. 1, Art. 5 Abs. 3).
***
Im Falle des Code-Sharing ist nur dasjenige Luftfahrtunternehmen, das den Flug tatsächlich durchführt, ausführendes Luftfahrtunternehmen i.S. des Art. 2 lit. b
Fluggastrechteverordnung und damit im Falle der Annullierung des Flugs zu Unterstützungsleistungen und Ausgleichsleistungen verpflichtet (BGH, Urteil vom
26.11.2009 - Xa ZR 132/08).
***
Technische Defekte, wie sie beim Betrieb eines Flugzeugs gelegentlich auftreten können, begründen für sich gesehen keine außergewöhnlichen Umstände, die
das Luftfahrtunternehmen von der Verpflichtung befreien können, bei einer aufgrund des Defekts erforderlichen Annullierung des Flugs die nach Art. 7 der
Verordnung (EG) Nr. 261/2004 vorgesehene Ausgleichszahlung zu leisten. Dies gilt auch dann, wenn das Luftfahrtunternehmen alle vorgeschriebenen oder
sonst bei Beachtung der erforderlichen Sorgfalt gebotenen Wartungsarbeiten frist- und ordnungsgemäß ausgeführt hat (BGH, Urteil vom 12.11.2009 - Xa ZR
76/07 zu FluggastrechteVO Art. 5 Abs. 3).
***
Dem EuGH werden zur Auslegung von Art. 5 III der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. 2. 2004 über eine
gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung
von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 (ABlEG Nr. L 46, S. 1) folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Kann ein technischer Defekt, auf den eine Annullierung zurückgeht, ein außergewöhnlicher Umstand i.S. des Art. 5 III sein?
2. Falls ja: Schließt der Begriff des außergewöhnlichen Umstands als technischen Defekt auch solche Mängel ein, die die Lufttüchtigkeit des Flugzeugs oder die
sichere Durchführung des Flugs beeinträchtigen?
3. Hätte das ausführende Luftfahrtunternehmen alle zumutbaren Maßnahmen getroffen, wenn es das für das betroffene Flugzeug geltende Wartungs- und
Instandhaltungsprogramm des Herstellers sowie Sicherheitsnormen und Auflagen der zuständigen Behörden oder Hersteller eingehalten hat oder sich der Fehler
auch dann nicht hätte vermeiden lassen, wenn es dieses Programm oder die Anweisung eingehalten bzw. beachtet hätte?
4. Falls Frage 3 bejaht wird: Ist dies ausreichend, um das Luftfahrtunternehmen von der Verpflichtung zur Leistung von Ausgleichszahlungen zu befreien oder
ist weitergehend der Nachweis zu verlangen, dass auch die Annullierung, das heißt die Außerbetriebsetzung des betroffenen Flugzeugs und die Streichung des
Flugs wegen Fehlens einer Ersatzmaschine bei Ergreifen aller zumutbaren Maßnahmen nicht vermieden worden wäre? (BGH, Vorlagebeschluss vom
14.10.2008 - X ZR 35/08 zu Verordnung (EG) Nr. 261/2004 Art. 5 I lit.c, III, Art. 7 I 1 lit.a)
***
Verlassen die Fluggäste noch vor dem Start das Flugzeug, weil die Instrumente einen Druckverlust in der Hydraulik anzeigen, und treten sie ihre Reise nach
Umbuchung in einem anderen Flugzeug an, während das zunächst vorgesehene Flugzeug den Flug nach etwa fünfeinhalb Stunden ohne Passagiere durchführt,
dann kann darin entweder eine Annullierung oder auch eine Verspätung des vorgesehenen Flugs liegen, wobei im Fall der Verspätung die Umbuchung als
ein Kulanzangebot der Fluggesellschaft für Fluggäste in Terminnöten anzusehen ist. Entscheidend ist insoweit der Inhalt der Mitteilung an die Fluggäste nach
Feststellung des Defekts. Müssen alle Passagiere das Flugzeug verlassen, wird ihnen das Gepäck zurückgegeben und werden sie mit neuen Bordkarten unter
einer anderen Flugnummer mit einem Flugzeug einer anderen Fluggesellschaft befördert, dann folgt daraus nicht zwingend ein Annullierung des gebuchten
Flugs, da das gebuchte Flugunternehmen ein Flugzeug einer anderen Gesellschaft gechartert haben kann (BGH, Urteil vom 14.10.2008 - X ZR 15/08 zu
Verordnung (EG) Nr. 261/2004 Art. 4, 5, NJW 2009, 358 ff).
***
Ansprüche auf Ausgleichszahlungen gemäß Art. 7 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates über eine gemeinsame
Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen
(kurz: Verordnung) können nicht gegen den Reiseveranstalter, sondern nur gegen das ausführende Luftfahrtunternehmen geltend gemacht werden, das
gegebenenfalls nach Art. 13 der Verordnung Regress nehmen kann. Dass nur das ausführende Luftfahrtunternehmen zur Ausgleichszahlung gemäß Art. 7
verpflichtet ist, ergibt sich zunächst aus dem Wortlaut der Verordnung. Denn Art. 4 Abs. 3 und Art. 5 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung bestimmen
ausdrücklich, dass im Fall der Nichtbeförderung oder Annullierung eines Flugs das ausführende Luftfahrtunternehmen neben Unterstützungsleistungen auch
Ausgleichsleistungen gemäß Art. 7 zu erbringen hat. Reiseunternehmen nennt die Verordnung in diesem Zusammenhang nicht. Nach der Legaldefinition des
Art. 2 Buchst. b der Verordnung ist "ausführendes Luftfahrtunternehmen" ein Luftfahrtunternehmen, das im Rahmen eines Vertrages mit einem Fluggast oder
im Namen einer anderen - juristischen oder natürlichen - Person, die mit dem betreffenden Fluggast in einer Vertragsbeziehung steht, einen Flug durchführt
oder durchzuführen beabsichtigt. Demgegenüber bezeichnet die Verordnung gemäß Art. 2 Buchst. d mit "Reiseunternehmen" einen Veranstalter i.S. von Art. 2
Nr. 2 der Richtlinie 90/314/EWG des Rates vom 13. Juni 1990 über Pauschalreisen mit Ausnahme von Luftfahrtunternehmen. Nach der Legaldefinition der
Verordnung sind mithin Pauschalreiseveranstalter gerade keine ausführenden Luftfahrtunternehmen; vielmehr unterscheidet die Verordnung in Art. 2
ausdrücklich zwischen ausführenden Luftfahrtunternehmen und Reiseunternehmen und legt im folgenden nur den ausführenden Luftfahrtunternehmen die
Verpflichtung zu Ausgleichszahlungen auf. Dass Anspruchsgegner nur das ausführende Luftfahrtunternehmen ist, ergibt sich nicht zuletzt auch aus dem
Schutzzweck der Verordnung, wie er in den Erwägungsgründen beschrieben ist. Danach soll ein hohes Schutzniveau für Fluggäste sichergestellt und den
Erfordernissen des Verbraucherschutzes in vollem Umfang Rechnung getragen werden. Die Verordnung ersetzt die Verordnung (EWG) 295/91 des Rates vom
4. Februar 1991 über eine gemeinsame Regelung für ein System von Ausgleichsleistungen bei Nichtbeförderung im Linienflugverkehr, die bereits Ansprüche
gegen Luftfahrtunternehmen regelte, jedoch noch nicht Annullierungen und Verspätungen umfasste. Mit der Neuregelung beabsichtigte der Verordnungsgeber,
die vorhandenen Schutzstandards zu erhöhen und die Geschäftstätigkeit der Luftfahrtunternehmen zu harmonisieren (Erwägungsgrund 4). Auch sollte der
Schutz der Fluggäste auf den Bedarfsflugverkehr einschließlich der Flüge bei Pauschalreisen erweitert werden (Erwägungsgrund 5). Durch die Neuregelung
sollte also der Anwendungsbereich der Verordnung gegenüber der Vorgängerverordnung erweitert werden, nicht aber der Kreis der Anspruchsgegner (BGH,
Beschluss vom 11.03.2008 - X ZR 49/07).
***
Dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften werden zur Auslegung von Artt. 2 lit. l, 5 Abs. 1 lit. c der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des
Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im
Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 (ABl. L 46, S. 1)
folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Ist bei der Auslegung des Begriffs "Annullierung" entscheidend darauf abzustellen, ob die ursprüngliche Flugplanung aufgegeben wird, so dass eine
Verzögerung unabhängig von ihrer Dauer keine Annullierung darstellt, wenn die Fluggesellschaft die Planung des ursprünglichen Fluges nicht aufgibt?
2. Falls die Frage zu 1 verneint wird: Unter welchen Umständen ist eine Verzögerung des geplanten Fluges nicht mehr als Verspätung, sondern als
Annullierung zu behandeln? Hängt die Beantwortung dieser Frage von der Dauer der Verspätung ab? (BGH, Beschluss vom 17.07.2007 - X ZR 95/06).
*** (OLG)
„... I. Die Parteien streiten um Ausgleichsansprüche nach Artikel 7 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlamentes und des Rates
vom 11.02.2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei
Annullierung oder großer Verspätung von Flügen (im Folgenden: die Verordnung) wegen der Annullierung eines vom Kläger für den 10.12.2010 für 24
Passagiere gebuchten Fluges von Berlin nach Rom. ...
Das Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung von 6.000,00 € nebst Zinsen und zur Zahlung vorgerichtlicher Anwaltskosten in Höhe von 603,93 € nebst Zinsen
verurteilt und ausgesprochen, dass die Klage im Übrigen abgewiesen werde. Der Kläger habe einen Anspruch auf Entschädigung in Höhe von 250,00 € je
Fluggast aus Art. 7 Abs. 1 b, 5 Abs. 1 c der Verordnung. Der von der Beklagten als Ursache für die Annullierung behauptete Mangel an Enteisungsmitteln sei
kein den Anspruch ausschließender „außergewöhnlicher Umstand" im Sinne des Art. 5 Abs. 3 der Verordnung, denn die Beschaffung von Enteisungsmitteln sei
ein von der Beklagten beherrschbarer Vorgang gewesen. Ein Anspruch auf Ersatz der vom Kläger im Einzelnen dargelegten Schäden bestehe daneben nicht, da
der Fluggast nur entweder den pauschalen oder den konkreten Ausgleich beanspruchen könne. ...
II. Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 517, 519, 520 ZPO).
Soweit die Beklagte die Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils beantragt, war dies im Lichte der Berufungsbegründung als Antrag auf Abänderung zu
verstehen, weil die Beklagte nichts vorträgt, was eine Aufhebung nach § 538 Abs. 2 Satz 1 ZPO rechtfertigen würde, und auch die Zurückverweisung nicht beantragt.
A. Hinsichtlich der Verurteilung zur Zahlung vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten ist die Berufung begründet, weil diese Verurteilung erstinstanzlich nicht
mehr beantragt war.
B. Hinsichtlich der Verurteilung zur Zahlung einer pauschalen Entschädigung in Höhe von 6.000,00 € ist die Berufung unbegründet. Das Landgericht hat dem
Kläger im Ergebnis zu Recht einen Anspruch auf Ausgleichszahlung aus Artikel 7 Abs. 1 Buchst. a) i. V. m. Artikel 5 Abs. 1 Buchst. c) der Verordnung i. V.
m. § 398 BGB zugesprochen. Nach diesen Vorschriften hat der Fluggast im Fall der Annullierung eines Fluges bei Flügen über eine Entfernung von 1.500 km
oder weniger einen Anspruch auf Ausgleichszahlungen in Höhe von 250,00 €, wenn nicht eine der Ausnahmeregelungen aus Artikel 5 Abs. 1 c) oder Abs. 3 der
Verordnung gilt.
Die Beklagte hat keine Tatsachen vorgetragen, auf deren Grundlage sie gemäß Art. 5 Abs. 3 oder Abs. 1 c) iii) der Verordnung von ihrer Verpflichtung zum
Schadensersatz aus Artikel 7 der Verordnung befreit wäre.
1) Artikel 5 Abs. 3 der Verordnung
Nach Artikel 5 Abs. 3 der VO ist ‚ein ausführendes Luftfahrtunternehmen […] nicht verpflichtet, Ausgleichszahlungen gemäß Artikel 7 zu leisten, wenn es
nachweisen kann, dass
[1)] die Annullierung auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich
[2)] auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären'.
Darlegungs- und beweisbelastet für diese Ausnahme ist schon nach dem Wortlaut der Vorschrift („wenn es nachweisen kann") die Beklagte. Die Beklagte hat
nicht dargelegt, dass die Annullierung des streitgegenständlichen Fluges auf „außergewöhnliche Umstände" im Sinne der Vorschrift zurückging.
a) Außergewöhnliche Umstände
Nach der vom Landgericht zutreffend zitierten Rechtsprechung des EuGH können Umstände im Zusammenhang mit der Annullierung eines Fluges nur dann als
„außergewöhnlich" im Sinne von Art. 5 Abs. 3 der Verordnung qualifiziert werden, wenn sie ein Vorkommnis betreffen, das
a) nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des betroffenen Luftfahrtunternehmens ist und
b) aufgrund seiner Natur oder Ursache von ihm tatsächlich nicht zu beherrschen ist
(vgl. EuGH Urteil vom 22.12.2008, Az. C 549-07 - Wallenthin-Herman/Alitalia - Rdnr. 23; BGH Urteil vom 12.11.2009, Az. Xa ZR 76/07, zitiert nach Juris,
dort Rdnr. 13).
aa) Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des betroffenen Luftfahrtunternehmens
Der EuGH hat technische Probleme, die der Betrieb technologisch komplexer Flugzeuge unausweichlich mit sich bringe, nicht als „außergewöhnliche
Umstände" in diesem Sinne angesehen (EuGH a. a. O. Rdnr. 24 f.). Die Behebung eines technischen Problems, das auf eine fehlerhafte Wartung
zurückzuführen sei oder sich bei einer Wartung zeige, sei Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des Luftfahrtunternehmens. Technische Probleme könnten
dann zu solchen außergewöhnlichen Umständen gerechnet werden, wenn sie auf Vorkommnisse zurückzuführen seien, die nicht Teil der normalen Ausübung
der Tätigkeit des betroffenen Luftfahrtunternehmens seien und von ihm tatsächlich nicht beherrscht werden können (EuGH a. a. O., Rdnr. 26), wie etwa
Sabotage oder Terroranschläge.
Nach diesen Maßstäben ist das Urteil des Landgerichts in der Hauptsache im Ergebnis nicht zu beanstanden. Es stellt keinen „außergewöhnlichen Umstand" im
Sinne des Art. 5 Abs. 3 der Verordnung dar, dass die Flugzeuge der Beklagten mangels Enteisungsmittels nicht enteist werden konnten, wie sie behauptet. Nach
dem eigenen unbestrittenen Vortrag der Beklagten müssen Flugzeuge bei winterlichen Wetterbedingungen vor dem Start auf Anordnung des Piloten enteist
werden. Damit zählt die Enteisung vor Flügen unter winterlichen Wetterbedingungen zu den zu erwartenden technischen Voraussetzungen für den Start wie
etwa die Betankung mit Kraftstoff. So wie ein technischer Fehler, der sich auch bei ordnungsgemäßer Wartung nicht vermeiden lässt, stellt sich ein Mangel an
Betriebsstoffen wie Enteisungsmittel, der sich auch bei angemessener Bevorratung nicht vermeiden lässt, als Teil der normalen Tätigkeit eines
Luftfahrtunternehmens dar. So wie ein Luftfahrtunternehmen sicherstellen muss, dass das von ihm für einen Flug eingesetzte Flugzeug frei von technischen
Mängeln ist, die die Flugtauglichkeit beeinträchtigen, muss es dafür sorgen, dass die für den Flug erforderlichen Betriebsstoffe bereitstehen.
Die Beklagte kann sich hier auch nicht darauf berufen, dass die Enteisung im konkreten Fall nicht Teil ihrer eigenen Tätigkeit gewesen sei, weil die Enteisung
am Flughafen … allein durch die G… GmbH & Co KG im Auftrag der Flughafengesellschaft durchgeführt worden sei. Nach dem Zweck der Verordnung, die
Fluggastrechte zu stärken (vgl. den 1. und 4. Erwägungsgrund), kann es keine Rolle spielen, dass die Beschaffung und Bereitstellung des Enteisungsmittels an
dem betroffenen Flughafen einem Dritten oblag, wie die Beklagte behauptet. Aus dem 7. Erwägungsgrund der Verordnung ergibt sich, dass das
Luftfahrtunternehmen nicht einmal dann von seinen durch die Verordnung geschaffenen Verpflichtungen frei werden soll, wenn es das Flugzeug samt
Besatzung mietet. Wenn sich das Luftfahrtunternehmen aber beispielsweise nicht haftungsbefreiend darauf berufen kann, dass das gemietete Flugzeug einen
von dem Vermieter zu verantwortenden Defekt aufwies, dann kann es erst recht nicht von der Haftung befreit sein, wenn ein beauftragter Dritter für den Flug
notwendige Leistungen nicht erbracht hat. Für dieses Verständnis spricht auch, dass bei der Auslegung des Begriffs „außergewöhnliche Umstände" der
Grundsatz zu beachten ist, dass Ausnahmen von Bestimmungen, die Fluggästen Rechte gewähren, eng auszulegen sind (vgl. EuGH, a. a. O. Rdnr. 20 und Urteil
vom 04.10.2012, Az. C-22/11 - Lassooy/ Finnair Oyi - Rdnr. 38).
Es kann deshalb hier dahinstehen, ob die Enteisung am Flughafen … ausschließlich durch die von der Flughafengesellschaft beauftragte G… GmbH & Co KG
durchgeführt wurde und die Beklagte daher keinen direkten Einfluss auf deren Tätigkeit hatte, wie sie behauptet. Auf die Beeinflussbarkeit der Enteisung durch
die Beklagte kommt es nach der Definition des EuGH nur an, wenn die Enteisung nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit eines Luftfahrtunternehmens ist.
Das bis zum Tag der Verkündung des vorliegenden Urteils nicht veröffentlichte Urteil des BGH vom 26.09.2013, Az. X ZR 160/12, zwingt nach dem Inhalt der
dazu herausgegebenen Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs Nr. 155/2013 nicht zu einer abweichenden Bewertung. Laut der Pressemitteilung soll der BGH
entschieden haben, dass eine Beschädigung des Triebwerks durch Vogelschlag beim Landeanflug einen außergewöhnlichen Umstand darstelle. Vogelschlag
wirke von außen auf den Flugverkehr ein, sei für das Luftverkehrsunternehmen nicht vorhersehbar und auch nicht beherrschbar. Etwa mögliche
Vogelvergrämungsmaßnahmen fielen nicht in den Verantwortungsbereich des Luftverkehrsunternehmens, sondern des Flughafenbetreibers.
Der Fall des Vogelschlags erscheint nicht vergleichbar mit dem vorliegenden. Vogelschlag ist ein Vorkommnis, das von außen in den Flugbetrieb eingreift und
nicht zu seiner ordnungsgemäßen Durchführung zählt. Maßnahmen zur Vermeidung von Vogelschlag können nicht bezogen auf einen konkreten Flug getroffen
werden, weil nicht absehbar ist, wo Vögel die Flugbahn eines bestimmten Flugzeuges kreuzen. Vogelvergrämungsmaßnahmen, die Vögel vom Gebiet eines
Flughafens fernhalten, zählen ihrer Natur nach nicht zu dem Betrieb der Flugzeuge, die den Flughafen ansteuern, sondern zu dem Betrieb des Flughafens. Im
Gegensatz dazu gehört die Enteisung zur vorhersehbar notwendigen Vorbereitung eines Fluges unter winterlichen Bedingungen.
bb) Fehlende Beherrschbarkeit
Selbst wenn man der Ansicht wäre, dass es sich bei dem Mangel an Enteisungsmittel um ein Vorkommnis handelte, das nicht zur normalen Tätigkeit einer
Fluggesellschaft zählt, läge kein außergewöhnliches Ereignis im Sinne des Art. 5 Abs. 3 der Verordnung vor. Nach der Definition des EuGH wäre hierfür
nämlich zusätzlich erforderlich, dass der Mangel an Enteisungsmitteln aufgrund seiner Natur oder Ursache von der Beklagten tatsächlich nicht zu beherrschen
war (vgl. EuGH, Urteil vom 22.12.2008, Az. C 549-07 - Wallenthin-Herman/ - Rdnr. 23). Auch dies ergibt sich aus dem Vortrag der Beklagten nicht. Auf der
Grundlage der zitierten Rechtsprechung ist für die Frage, ob ein Vorkommnis seiner Natur oder Ursache nach tatsächlich zu beherrschen ist, ein
generalisierender Maßstab anzulegen. Dementsprechend hat der EuGH (a. a. O.) technische Mängel, die sich trotz der vorgeschriebenen turnusmäßigen
Wartung zeigen, nicht als außergewöhnlich betrachtet, obwohl sie - bezogen auf den Einzelfall - als tatsächlich nicht vermeidbar angesehen werden müssten.
Ein Mangel an Betriebsstoffen, die für einen Flug benötigt werden, ist nach dem vorstehend beschriebenen generalisierenden Maßstab seiner Natur nach
tatsächlich beherrschbar, denn er lässt sich im Regelfall durch eine rechtzeitige Beschaffung und Vorratshaltung in ausreichender Menge vermeiden. Ein im
Einzelfall auftretender Lieferengpass lässt einen Mangel an Enteisungsmittel daher nicht seiner Natur nach als unbeherrschbar erscheinen.
Der Mangel an Enteisungsmittel war auch nicht aufgrund seiner Ursache nicht beherrschbar. Auch wenn die Ursachen des Mangels im konkreten Fall eine
durch die Wetterlage begründete stark erhöhte Nachfrage nach Enteisungsmittel und gleichzeitige Lieferschwierigkeiten waren, wie die Beklagte behauptet, so
waren zwar diese Ursachen als solche nicht beeinflussbar. Bei der gebotenen engen Auslegung des Ausnahmetatbestandes kann allerdings nicht schon dann ein
nicht beherrschbares Vorkommnis angenommen werden, wenn seine Ursache als solche nicht beeinflussbar ist. Anderenfalls wäre jedes durch Wetter
verursachtes Vorkommnis als nicht beherrschbar anzusehen. Damit wäre Frost als nicht beherrschbares Flughindernis einzustufen, obwohl er durch Enteisung
ohne weiteres bewältigt werden kann. Entscheidend erscheint vor diesem Hintergrund vielmehr, ob die Wirkung einer bestimmten Ursache beherrschbar ist,
wobei für die Feststellung der Beherrschbarkeit nicht auf den konkreten Fall abzustellen, sondern ein generalisierender Maßstab anzulegen ist. In diesem Sinne
waren die Wirkungen der behaupteten erhöhten Nachfrage und Lieferschwierigkeiten beherrschbar, denn ihnen hätte im Vorhinein durch die Einlagerung
entsprechend großer Vorräte an Enteisungsmittel begegnet werden können.
Gegen die hier vertretene Auffassung spricht auch nicht, dass die Unterhaltung von Vorräten an Enteisungsmitteln, die auch bei Lieferschwierigkeiten jede
denkbare Nachfrage abdecken können, zusätzliche Kosten für die Dienstleister und in der Folge für die Luftfahrtunternehmen verursachen würde. Nach der
Rechtsprechung des EuGH kann nämlich die Bedeutung, die dem Ziel des Schutzes der Verbraucher und somit auch der Fluggäste zukommt, negative
wirtschaftliche Folgen selbst beträchtlichen Ausmaßes für bestimmte Wirtschaftsteilnehmer rechtfertigen (vgl. EuGH, Urteil vom 23.10.2012, Az. C-581/10
und C-629/10 - Nelson u. a./ Deutsche Lufthansa und The Queen/Civil Aviation Authority - Rdnr. 81 m. w. N.).
Auch hier kann sich die Beklagte nicht darauf berufen, dass der Mangel für sie deshalb tatsächlich nicht beherrschbar gewesen sei, weil sie aufgrund der
organisatorischen Verhältnisse am Flughafen … die Enteisung nicht selbst habe vornehmen können. Käme es für die Frage der Beherrschbarkeit darauf an, ob
das Luftfahrtunternehmen an dem konkreten Flughafen für die Bereitstellung notwendiger Betriebsstoffe eigene Versorgungseinrichtungen unterhält oder auf
Dienstleistungen Dritter angewiesen ist, dann wären die Ausgleichsansprüche des Fluggastes nach Artikel 7 der Verordnung davon abhängig, ob er eine
Fluggesellschaft nutzt, die selbst in Versorgungsanlagen investiert hat und weiter davon, dass sich diese Versorgungsanlagen gerade an dem genutzten
Flughafen befinden. Im Ergebnis wären die Fluggesellschaften, die in eine eigene Infrastruktur investiert haben, bei deren Versagen gegenüber den Fluggästen
ausgleichspflichtig, während die Fluggesellschaften, die sich auf Dienstleistungen Dritter verlassen, von der Ausgleichspflicht befreit wären. Dieses Ergebnis
widerspräche der Zielrichtung der Verordnung, den Fluggästen im Fall der Annullierung ihres Fluges wirkungsvolle Rechte zu sichern.
Dem lässt sich nicht entgegenhalten, dass die Luftfahrtunternehmen damit unbegrenzt für jede Dienstleistung Dritter hafteten. Ihre Haftung ist durch das
Erfordernis, dass es sich um ein Vorkommnis im Zusammenhang mit ihrem normalen Betrieb handeln muss, begrenzt. Danach haften sie nicht, wenn die
Dienstleistung Dritter ihrer Natur nach nicht zum normalen Betrieb eines Luftfahrtunternehmens zählt, sondern zum Beispiel zum Betrieb des Flughafens, wie
etwa die Vergrämung von Vögeln, die Reinigung der Start- und Landebahn oder die Befeuerung. Auch steht es ihnen frei, im Fall der Schlechtleistung durch
den Dienstleister von jenem Schadensersatz zu verlangen.
b) Vermeidbarkeit
Auf die Frage, ob sich der Mangel an Enteisungsmittel auch dann nicht hätte vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären im
Sinne des Artikel 5 Abs. 3 der Verordnung, kommt es nach dem Vorstehenden nicht an, weil sich der Mangel an Enteisungsmittel bereits nicht als
außergewöhnlicher Umstand darstellt.
2) Artikel 5 Abs. 1 c) iii) der Verordnung
Der Anspruch aus Artikel 7 der Verordnung ist auch nicht durch Artikel 5 Abs. 1 c) iii) der Verordnung ausgeschlossen.
Nach Artikel 5 Abs. 1 c) iii) der Verordnung besteht dann kein Ausgleichsanspruch, wenn ein Fluggast - wie hier - weniger als sieben Tage vor der
planmäßigen Abflugzeit von der Annullierung unterrichtet wurde und der Fluggast ein Angebot zur anderweitigen Beförderung erhält, das es ihm ermöglicht,
nicht mehr als eine Stunde vor der planmäßigen Abflugzeit abzufliegen und sein Endziel höchstens zwei Stunden nach der planmäßigen Abflugzeit zu
erreichen. Die insoweit darlegungs- und beweisbelastete Beklagte hat nicht vorgetragen, dass sie dem Kläger eine anderweitige Beförderung innerhalb dieses
Zeitrahmens angeboten hat. Vielmehr will sie ihm nur die kostenlose Umbuchung „zum frühestmöglichen Zeitpunkt" angeboten haben. Nach ihrem eigenen
Vortrag waren am 10. Dezember 2010 keine Plätze auf einem Flug der Beklagten mehr verfügbar. Dazu, Plätze in Flügen anderer Luftfahrtunternehmen
anzubieten, hält sie sich nicht verpflichtet und hat deshalb auch kein entsprechendes Angebot vorgetragen.
III. Über den hilfsweise geltend gemachten Anspruch auf Ersatz des konkret berechneten Schadens aus §§ 280 Abs. 1, 281, 631 BGB bzw. §§ 280 Abs. 1, 281,
283, 275, 631 BGB war nicht zu entscheiden, da dem Antrag in der Hauptsache stattgegeben wurde.
IV. Der Kläger hat gegen die Beklagte aufgrund des Anwaltsschreibens vom 10.01.2011 (Anlage K 6) einen Anspruch auf Verzugszinsen auf die
Hauptforderung aus § 288 Abs. 1 i. V. m. § 286 Abs. 1 Satz 1 BGB. Der Klageantrag war dahingehend auszulegen, dass der Kläger nicht eine einmalige
Zinszahlung, sondern Zinsen in Höhe von jährlich fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz begehrt, denn er hat sich in der Klagebegründung auf den
gesetzlichen Zinsanspruch bezogen.
Die Kostenentscheidung erster Instanz war aufrecht zu erhalten, obwohl die Verurteilung zur Zahlung der Rechtsverfolgungskosten abgeändert wurde, denn die
Klägerin hat in Höhe von etwa der Hälfte des ursprünglich geltend gemachten Betrages von 11.979,14 € obsiegt. Die Rechtsverfolgungskosten stellen sich als
Nebenforderung dar, die den für die Quotelung maßgeblichen Streitwert nicht berührt.
Die Kostenentscheidung zweiter Instanz beruht auf §§ 91, 92 Abs. 2 ZPO. Danach waren die Kosten im vorliegenden Fall ganz der Beklagten aufzuerlegen,
weil sie hinsichtlich der Hauptforderung in vollem Umfang unterliegt.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 709 Satz 2, 711 Satz 1 und 2 ZPO.
Die Revision war zuzulassen. Die Frage, ob ein Mangel an für einen Flug notwendigen Betriebsstoffen, die von Dritten im Auftrag des Flughafenbetreibers
bereitzustellen und anzuwenden sind, einen „außergewöhnlichen Umstand" im Sinne von Art. 5 Abs. 3 der Verordnung darstellt, ist eine Rechtsfrage von
grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO, die in dieser Form bisher nicht höchstrichterlich geklärt ist. ..." (OLG Brandenburg,
Urteil vom 19.11.2013 - 2 U 3/13)
***
Art. 5 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für
Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen
(Fluggastrechte-VO), der die Voraussetzungen festlegt, unter denen das ausführende Luftfahrtunternehmen von der Zahlung von Ausgleichsleistungen befreit
wird, ist als Ausnahme vom Grundsatz, dass ein Fluggast bei Annullierung seines Fluges Anspruch auf Ausgleichsleistungen hat, eng auszulegen. Ein Streik ist
für sich genommen kein außergewöhnlicher Umstand i.S.v. Art. 5 Abs. 3 Fluggastrechte-VO. Er kann aber ein Vorkommnis sein, das etwa im Zusammenhalt
mit seinem Verlauf, seiner Reichweite „nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des betroffenen Luftfahrtunternehmens ist" und somit
„außergewöhnliche Umstände" begründen. Keinesfalls kann man mit der bloßen Abgrenzung, ob betriebsinterner oder externer Streikt, dazu kommen, dass
„außergewöhnliche Umstände" im Sinne der Verordnung vorliegen oder nicht. Vorkommnisse, die nicht Teil der Ausübung der Tätigkeit des
Luftfahrtunternehmens sind, sind nur dann als außergewöhnlich zu betrachten, sofern sie „aufgrund ihrer Natur oder Ursache von ihm tatsächlich nicht zu
beherrschen sind". Da nach Art. 5 Abs. 3 Fluggastrechte-VO nur solche außergewöhnlichen Umstände das Luftfahrtunternehmen von seiner Leistungspflicht
befreien, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären, obliegt es demjenigen, der sich darauf
berufen möchte, den Nachweis zu führen, dass sie sich jedenfalls nicht durch der Situation angepasste Maßnahmen hätten vermeiden lassen, d. h. durch solche,
die zu dem Zeitpunkt, zu dem die entsprechenden außergewöhnlichen Umstände auftraten, für das betroffene Luftfahrtunternehmen insbesondere in technischer
und wirtschaftlicher Hinsicht tragbar sind (Handelsgericht Wien, Urteil vom 28.08.2013 - 1 R 266/12g - juris-Orientierungssätze).
***
Ungünstige Wetterbedingungen können bei einer Flugannullierung nur dann als außergewöhnliche Umstände im Sinne von Art. 5 Abs. 3 EGV 261/2004
anerkannt werden, wenn das Luftfahrtunternehmen darlegt, dass trotz der ungünstigen Wetterbedingungen eine Annullierung mit zumutbaren Maßnahmen nicht
zu vermeiden war. Zumutbare Maßnahmen können beispielsweise die Benutzung eines nahe gelegenen Ersatzflughafens oder gegebenenfalls das Warten auf
günstigere Wetterbedingungen sein (Oberster Gerichtshof Wien, Urteil vom 03. Juli 2013 - 7 Ob 65/13d juris-Orientierungssatz).
***
Im Verhältnis zwischen Reiseveranstalter und Fluglinie findet das Montrealer Übereinkommen keine Anwendung. Zum Vorliegen außergewöhnlicher
Umstände nach Art. 5 Abs. 3 VO (EG) Nr. 261/2004 (OLG Frankfurt, Urteil vom 15.11.2011 - 16 U 39/11):
„... I. Die Klägerin, ein Reiseveranstaltungsunternehmen, macht gegen die beklagte Fluglinie vor dem Hintergrund von Verspätungen bei der Beförderung ihrer
Kunden sowie von verzögerter Beförderung des Gepäcks ihrer Kunden Ansprüche geltend, und zwar in der Hauptsache aus eigenem, hilfsweise aus
abgetretenem Recht.
Sämtliche Kunden waren auf einen von der Beklagten durchgeführten Flug gebucht, der sie am …. April 2009 von Frankfurt/Main nach Madrid bringen sollte
und der eine Verspätung von ca. 4,5 Stunden hatte, so dass die Reisenden ihre Anschlussflüge verpassten.
Bei sieben Kunden, die nach Panama weiterfliegen wollten, traf das Gepäck erst vier Tage später ein bzw. fehlte es in einem Fall während der gesamten Reise.
Die Kunden machen gegenüber der Klägerin reisevertragliche Minderungs- bzw. Schadensersatzansprüche geltend. Sie haben zudem ihre Ansprüche gegenüber
der Beklagten an die Klägerin abgetreten.
Die Parteien haben erstinstanzlich insbesondere darüber gestritten, ob die Klägerin bei der Beklagten Rückgriff für reisevertragliche Ansprüche nehmen kann
und ob die Beklagte für die Flugverzögerung verantwortlich ist. Die Beklagte hat insoweit behauptet, die Verspätung habe auf einer Beschädigung des
Flugzeugs beruht, die durch einen unbemerkten Rammstoß eingetreten sei.
Soweit in erster Instanz Ansprüche wegen eines verspäteten Rückflugs von San José / Costa Rica nach Madrid im Streit standen, sind diese nicht Gegenstand
der Berufung.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 244 bis 248 d.A.) Bezug genommen.
Das Landgericht hat nach Durchführung einer Beweisaufnahme zu der Ursache der Flugverzögerung durch Vernehmung eines Zeugen der Klage nur
hinsichtlich eines Teils der abgetretenen Ansprüche stattgegeben.
Der Klägerin stünden keine eigenen Rechte gegen die Beklagte zu, da sie ihre Stellung als unmittelbare Vertragspartnerin der Beklagten bzw. den Abschluss
eines Gruppenbeförderungsvertrags nicht schlüssig dargelegt habe. Sie habe aber gegen die Beklagte Ansprüche aus abgetretenem Recht ihrer Kunden aus Art.
7 der VO (EG) Nr. 261/2004. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs sei bei über 5-stündiger Verspätung ein Ausgleichsanspruch gegeben,
der hier jeweils 600,- € betrage. Einen Entlastungsbeweis habe die Beklagte nicht geführt. Daneben könne die Klägerin aus abgetretenem Recht nach Art. 19
bzw. 8 Montrealer Übereinkommen (MÜ) die durch die Verspätung entstandenen Taxi - und Mietwagenkosten der Reisenden ersetzt verlangen. Auch in
diesem Zusammenhang könne sich die Beklagte für die Verspätung nicht exkulpieren, da keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich seien, dass der Schaden an dem
Flugzeug erst über Nacht entstanden sei. Ein abgetretener Anspruch der Klägerin wegen Verspätung des Reisegepäcks ihrer Kunden bestehe nicht, da die
Klägerin keinen konkreten Schaden dargelegt habe und es außerhalb des Reisevertragsrechts insoweit keinen pauschalierten Entschädigungsanspruch gebe.
Auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Bl. 249 bis 255 d.A.) wird verwiesen.
Gegen dieses ihr am 18. Februar 2011 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit einem am 9. März 2011 eingegangenen anwaltlichen Schriftsatz Berufung
eingelegt und begründet. Die Beklagte hat gegen das ihr am 17. Februar 2011 zugestellte Urteil mit einem am 17. März 2011 eingegangenen Schriftsatz
Berufung eingelegt, die sie mit einem am 18. April 2011 (= Montag) eingegangenen Schriftsatz begründet hat.
Die Klägerin begehrt hinsichtlich des Flugs vom … April 2009 und seinen Folgen Stattgabe ihrer Klage aus eigenem Recht. Sie rügt, das Landgericht habe
übersehen, dass das Bestehen eines Vertragsverhältnisses zwischen den Parteien unstreitig sei.
Aus diesem als Werkvertrag anzusehenden Vertragsverhältnis habe sie gegenüber der Beklagten Ansprüche aus eigenem Recht. Die Abflugverspätung stelle
einen Mangel dar, der nach § 634 Nr. 4 BGB zu einem Schadensersatzanspruch führe. Zumindest sei der Schadensersatzanspruch aus Verzug begründet. Ihr sei
sämtlicher Schaden zu ersetzen, der ihr aufgrund der berechtigten Inanspruchnahme durch ihre Kunden entstehe. Dazu gehöre auch der Schaden wegen
Verzögerung der Beförderung des Reisegepäcks.
Die Klägerin beantragt,
I. die Beklagte unter Abänderung des am 07. Februar 2011 verkündeten Urteils des Landgerichts Frankfurt am Main Az.: 2-25 O 279/09, zu verurteilen, an die
Klägerin aus eigenem Recht
1. € 3.675,92 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 05. Mai 2009,
2. weitere € 338,50 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 08. Mai 2009,
3. weitere € 1.984,02 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 16. Mai 2009,
4. weitere € 192,90 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 18. Mai 2009,
5. weitere € 1.885,00 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 06. Mai 2009,
6. weitere € 192,90 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 11. Mai 2009 und
7. weitere € 404,62 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 30.05.2009 zu bezahlen;
II. hilfsweise (für den Fall des Unterliegens - ganz oder teilweise - mit Klageziffer I)
die Beklagte unter Abänderung des am 07.02.2011 verkündeten Urteils des Landgerichts Frankfurt am Main, Az.: 2-25 O 279/09, zu verurteilen, die Klägerin
aus eigenem Recht von
1. € 3.675,92 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 05. Mai 2009,
2. weitere € 338,50 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 08. Mai 2009,
3. weitere € 1.984,02 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 16. Mai 2009,
4. weitere € 192,90 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 18. Mai 2009,
5. weitere € 1.885,00 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 06. Mai 2009,
6. weitere € 192,90 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 11. Mai 2009 und
7. weitere € 404,62 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 30. Mai 2009
gegenüber ihren Reiskunden freizustellen;
III. weiter hilfsweise (für den Fall des Unterliegens - ganz oder teilweise - mit den Klageanträgen Ziffer I und II)
die Beklagte unter Abänderung des am 07.02.2011 verkündeten Urteils des Landgerichts Frankfurt am Main, Az.: 2-25 O 279/09, an die Klägerin aus
abgetretenem Recht
1. € 3.675,92,
2. weitere € 338,50,
3. weitere € 1.984,02,
4. weitere € 192,90,
5. weitere € 1.885,00,
6. weitere € 192,90,
7. weitere € 404,62,
jeweils nebst Zinsen aus den einzelnen Beträgen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Zu ihrer eigenen Berufung beantragt die Beklagte, unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung
die Klage abzuweisen. Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil, soweit die Klage abgewiesen worden ist. Da das Montrealer Übereinkommen anwendbar sei, könne die
Klägerin als vertraglicher Luftfrachtführer gegen die Beklagte als ausführenden Luftfrachtführer keine Schadenspositionen geltend machen, die auf dem
deutschen Reiserecht beruhten. Im Übrigen habe sich die Beklagte exkulpiert.
Mit ihrer eigenen Berufung rügt die Beklagte die Feststellung des Landgerichts, dass der Schaden an dem Flugzeug bereits bei der Landung vorhanden gewesen
sei. Das Landgericht habe anderslautenden Vortrag und entsprechende Beweisangebote der Beklagten nicht beachtet.
Die Klägerin weist auf ihr detailliertes Bestreiten eines angeblich unbemerkt gebliebenen Rammstoßes und auf die durchgeführte Beweisaufnahme hin und tritt
einer weiteren Beweisaufnahme entgegen. ...
II. Die Berufung der Klägerin ist zulässig und überwiegend begründet, die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg.
1. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 6.149,56 € aus §§ 280 Abs. 2, 286 Abs. 1 BGB.
a) Die Klägerin rügt zu Recht die Annahme des Landgerichts, sie habe ihre Stellung als Vertragspartnerin der Beklagten nicht substantiiert dargelegt.
Die Beklagte hat zwar in ihrer Klageerwiderung vom 19. Oktober 2009 behauptet, nicht mit der Klägerin, sondern mit deren Kunden Luftbeförderungsverträge
geschlossen zu haben. Die Beklagte hat aber den weiteren Vortrag der Klägerin, wonach zwischen den Parteien eine vertragliche Beziehung in Form eines
sogenannten Gruppenbeförderungsvertrags bestand, die Klägerin Reiseveranstalterin ist und bei der Beklagten für ihre Kunden im eigenen Namen Flüge bucht,
nicht mehr ausdrücklich bestritten. In der Berufung hat die Klägerin zudem einen Gruppenbuchungsvertrag vom 8. Mai 2008 für den streitgegenständlichen
Flug vorgelegt. Auch befinden sich für die Familie Dr. A und Herrn B Buchungsbestätigungen in der Akte, aus denen sich ergibt, dass die Klägerin ihrerseits im
Rahmen einer Pauschalreise die Durchführung eines Flugs schuldete; dies spricht ebenfalls dafür, dass sie die Flugleistung im eigenen Namen bei der Beklagten
gebucht hat. Diese ist in der Berufungsinstanz der Behauptung der Klägerin, mit ihr unmittelbar in vertraglichen Beziehungen zu stehen, auch nicht mehr
entgegen getreten.
Der Senat geht deshalb davon aus, dass die Klägerin mit der Beklagten Luftbeförderungsverträge geschlossen hat.
b) Bei einem Luftbeförderungsvertrag handelt es sich um einen Werkvertrag im Sinne der § 631 ff. BGB (ggfls. als Werkvertrag zugunsten Dritter). Die
Beklagte als Luftfrachtführerin schuldete daraus den Transport der Fluggastes und ihres Gepäcks (Führich, Reiserecht, 6. A., Rn. 954 und 957, so auch bereits
OLG Frankfurt, Urteil vom 23. August 2007, 3 U 207/06 = RRa 2008, 38).
c) Dieser Verpflichtung ist die Beklagte nicht ordnungsgemäß nachgekommen. So hatte der Flug von Frankfurt nach Madrid ca. 4,5 Stunden Verspätung, und
das Gepäck der Reisegruppe, die nach Panama reisen wollte, traf erst vier Tage später ein bzw. stand im Fall der Kundin C während der gesamten Reise nicht
zur Verfügung.
Entgegen der Annahme der Klägerin stellt die Flugverspätung allerdings keinen Mangel der geschuldeten Beförderungsleistung dar, die als solche nicht dadurch
schlechter wird, dass sie erst zu einem späteren Zeitpunkt erbracht wird; ob dem Fluggast - oder hier der Klägerin - durch die Verspätung ein Nachteil entsteht,
hängt vielmehr ganz von den persönlichen Verhältnissen ab (BGH, Urteil vom 28. Mai 2009, Xa ZR 113/08 = NJW 2009, 2743). Soweit sich im Einzelfall
durch die Verzögerung ein Schaden einstellt, ist dieser von den Regeln des Verzugs erfasst (BGH, a.a.O.). Gleiches gilt nach Auffassung des Senats für die
verspätete Beförderung des Gepäcks.
d) Mit der Verspätung des Flugs und der verzögerten Beförderung des Gepäcks ist die Beklagte in Verzug geraten, ohne dass es einer Mahnung bedurfte. Eine
Mahnung ist nach § 286 Abs. 2 Ziff. 1 BGB nicht erforderlich, wenn für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist. Einer Flugbuchung liegen
konkrete Abflugs- und Ankunftszeiten zugrunde; der Zeitpunkt für die Leistung ist fest bestimmt (Staudinger, RRa 2005, 249). Mit dem Nichteinhalten der
konkreten Zeiten ist Verzug eingetreten.
e) Ein Verzug der Beklagten ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil die rechtzeitige Leistung infolge eines Umstands unterblieben wäre, den die Beklagte nicht
zu vertreten hätte (§ 286 Abs. 4 BGB).
Hinsichtlich der verspäteten Beförderung und Auslieferung des Gepäcks fehlt es bereits an einem Vortrag der Beklagten zu den Ursachen, so dass sie sich
insoweit nicht entlastet hat. Hinsichtlich der Flugverzögerung beruft sich die Beklagte ohne Erfolg auf das Vorliegen von höherer Gewalt. Die Beklagte
behauptet insoweit, das Flugzeug sei am Abend nach der Ankunft in Frankfurt unbeschädigt auf seiner Parkposition geparkt worden. Das Flugzeug sei dann
unbemerkt im stehenden Zustand gerammt worden. Diese Beschädigung sei am Morgen kurze Zeit vor dem Abflug festgestellt worden und habe zu der
Verzögerung geführt.
Mit diesem Vortrag vermag sich die Beklagte nicht zu entlasten. Zwar steht aufgrund der von dem Landgericht durchgeführten Beweisaufnahme und des von
der Beklagten eingereichten Structure Defect Report zur Überzeugung des Senats fest, dass am Morgen des …. April 2009 vor dem geplanten Abflug eine
hühnereigroße Delle an der Außenhaut eines Flügels festgestellt wurde. Es kann jedoch offen bleiben, on dieser Schaden am Vorabend der Ankunft noch nicht
vorhanden war oder eventuell lediglich nicht entdeckt wurde, Es steht nämlich nicht fest, wie die Delle entstanden sei soll. Die Behauptung der Beklagten, diese
Delle sei dadurch entstanden, dass das Flugzeug „gerammt" worden sei, ist nicht nachvollziehbar, zumal die Klägerin unbestritten darauf hinweist, dass bei den
für Luftfahrzeugbeschädigungen zuständigen Dienststellen des Frankfurter Flughafens ein solcher Vorfall nicht gemeldet wurde. Soweit der Beklagtenvertreter
in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat unter Vorlage eines Fotos auf seinem Handy die Möglichkeit ansprach, dass das Flugzeug bei dem
Beladevorgang „gerammt" und beschädigt worden sein könnte, hätte die Beklagte für ein unsachgemäßes Vorgehen eines als Erfüllungsgehilfe beim Beladen
tätigen Mitarbeiters bzw. Unternehmens einzustehen.
f) Die Beklagte ist der Klägerin zum Ersatz des Schadens verpflichtet, den die Klägerin durch die Flugverzögerung erlitten hat. Dieser ist ein
Vermögensschaden dadurch entstanden, dass sie wegen des von der Beklagten zu vertretenden Verzugs ihrerseits - dem Grunde und der Höhe nach von der
Beklagten nicht bestrittenen - reisevertraglichen Minderungs- und Schadensersatzansprüchen (§§ 651 d, 651 f Abs. 1 BGB) ihrer Kunden ausgesetzt ist und
zusätzliche eigene Aufwendungen hatte. Im Einzelnen handelt es sich um folgende Ansprüche über insgesamt 6.149,56 €:
- 1.375,92 € (Klageantrag Ziff. 1 - Minderung des Reisepreises wegen Verspätung der Kunden Dr. D, E, Dr. F, Ehepaar C, G und Prof. Dr. H)
- 2.300,- € (Klageantrag Ziff. 1 - Minderung des Reisepreises wegen verspäteter/nicht erfolgter Gepäckbeförderung bzw. -auslieferung)
- 1.449,41 € (Klageantrag Ziff. 3 - Minderung des Reisepreises durch Familie Dr. A)
- 373,62 € (Klageantrag Ziff. 7 - Minderung des Reisepreises durch den Kunden B).
- 534,61 € (Klageantrag Ziff. 3 - eigene Kosten der Klägerin für die verzögerungsbedingte Umbuchung der Transfers bei Familie Dr. A)
- 85,- € (Klageantrag Ziff. 5 - Schadensersatz wegen Taxikosten der Familie I)
- 31,- € (Klageantrag Ziff. 7 - Schadensersatz wegen Mietwagenkosten Kunde B).
Soweit darüber hinaus die Kundin I mit Anspruchsschreiben vom 30. April 2009 (vgl. Bl. 159 ff. d.A.) von der Klägerin die Zahlung von 1.800,- € begehrt,
macht sie keine Reisepreisminderung, sondern eine Entschädigung nach der VO (EG) Nr. 261/2004 (im Folgenden: EUFlugVO) geltend. Für diese haftet die
Klägerin aber nach Art. 3 Abs. 5 EUFlugVO nicht, da sie nicht das ausführende Luftfahrtunternehmen war.
g) Soweit sich die Klägerin den oben dargelegten Ansprüchen ihrer Kunden ausgesetzt sieht, diese aber noch nicht erfüllt hat, kann sie dennoch von der
Beklagten Zahlung - und nicht nur Befreiung von ihren Verbindlichkeiten - verlangen. Verweigert der Schuldner jeden Schadensersatz ernsthaft und endgültig,
wandelt sich der Freistellungsanspruch in einen Zahlungsanspruch um, wenn der Geschädigte Geldersatz fordert (vgl. nur BGH, Urteil vom 13. Januar 2004, XI
ZR 355/02 = MDR 2004, 520). Die Beklagte hat die Behauptung der Klägerin, bereits außergerichtlich jede Einstandspflicht abgelehnt zu haben, nicht
bestritten, so dass sich der Freistellungsanspruch der Klägerin nach § 250 S. 2 BGB in einen Schadensersatzanspruch umgewandelt hat, ohne dass es einer
Fristsetzung zur Herstellung - d.h. Haftungsfreistellung - bedurft hätte.
h) Der Klägerin ist nicht deshalb die Geltendmachung des Schadensersatzes verwehrt, weil die Ansprüche ihrer Kunden ihr gegenüber verjährt wären.
Abgesehen davon, dass die insoweit beweisbelastete Beklagte dem gegen eine Verjährung der Ansprüche sprechenden Vorbringen der Klägerin im Schriftsatz
vom 23. September 2011 nicht entgegen getreten ist, könnte sich die Klägerin ihrerseits nach Treu und Glauben ihren Kunden gegenüber nicht auf Verjährung
berufen, nachdem sie sich ihnen gegenüber verpflichtet hat, bei einem Erfolg der Klage die Ansprüche zu befriedigen.
i) Schließlich stehen der Geltendmachung der Ansprüche die Vorschriften des Montréaler Übereinkommens (MÜ) nicht entgegen; dieses findet nämlich
entgegen der Auffassung der Beklagten im Rechtsverhältnis der Parteien untereinander keine Anwendung.
aa) Das MÜ regelt die Haftung des Luftfrachtführers (u.a.) auf Schadensersatz bei Schäden (Personen-, Gepäck- und Verspätungsschäden) des Fluggastes (vgl.
Führich, a.a.O. Rn. 922). Seine Regelungen sind nur im Verhältnis von Fluggästen zum Luftfrachtführer, nicht aber im Verhältnis zwischen Luftfrachtführer
und Reiseveranstalter anwendbar (Führich, a.a.O., Rn. 957, OLG Frankfurt, a.a.O.). Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die Klägerin als „vertraglicher
Luftfrachtführer" und die Beklagte als „ausführender Luftfrachtführer" im Sinne von Art. 39 MÜ anzusehen sind. In diesem Fall haften zwar beide
Luftfrachtführer nach Art. 40 MÜ dem Fluggast gegenüber (gesamtschuldnerisch) aus dem Übereinkommen, wobei Art. 44 MÜ regelt, dass der Geschädigte
keinen höheren Schadensersatz erhalten kann als den Betrag, den er nach dem MÜ von dem am höchsten haftenden Ersatzpflichtigen verlangen kann
(Reuschle, MÜ, Art. 45 Rn. 1). Dies betrifft aber nicht das Innenverhältnis zwischen den beteiligten Luftfrachtführern zueinander. Art. 48 bestimmt
ausdrücklich, dass das Kapitel V (Art. 39 bis 47 - Luftbeförderung durch einen anderen als den vertraglichen Luftfrachtführer) nicht die Rechte und Pflichten
der Luftfrachtführer untereinander einschließlich der Rechte auf Rückgriff oder Schadensersatz berührt. Das MÜ regelt nur die Rechtsbeziehungen zwischen
den beiden Luftfrachtführern im Außenverhältnis zu den Reisenden; das Innenverhältnis zwischen den Luftfrachtführern wird dem anwendbaren Recht
überlassen (Reuschle, Art. 48 Rn. 1 und 3; vgl. auch OLG Frankfurt, a.a.O.). Da die Parteien insoweit über einen Werkvertrag miteinander verbunden sind,
stehen der Klägerin gegen die Beklagte auch (werk-) vertragliche Ersatzansprüche zu.
bb) Die Haftung der Beklagten gegenüber der Klägerin ist auch nicht deshalb auf eine Haftung nach dem MÜ beschränkt, weil die Reisenden auch gegenüber
der Klägerin nur Ansprüche nach dem MÜ geltend machen könnten. Nach Art. 29 MÜ kann zwar bei der Beförderung von Reisenden und Reisegepäck ein
Anspruch auf Schadensersatz - aus welchem Rechtsgrund auch immer - nur unter den Voraussetzungen und mit den Beschränkungen geltend gemacht werden,
die das MÜ vorsieht. Dies betrifft jedoch nur Schadensersatzansprüche, nicht aber Ansprüche, die auf eine andere Rechtsfolge als Schadensersatz gerichtet sind
(Führich, a.a.O., Rn. 947). Daraus folgt vorliegend zum einen, dass die Kunden der Klägerin ihr gegenüber aufgrund des MÜ nicht gehindert sind, (nicht auf
Schadensersatz gerichtete) Minderungsansprüche geltend zu machen (vgl. ausdrücklich zu Minderungsansprüchen wegen Transport des Gepäcks Führich,
a.a.O. Rn. 314 k); zum anderen stehen den Kunden der Klägerin dieser gegenüber im Hinblick auf die durch die Verspätung entstandenen Schäden (Taxikosten,
Mietwagenkosten) auch Schadensersatzansprüche nach Art. 19 S. 1 MÜ zu, für die die Klägerin Regress bei der Beklagten nehmen kann.
2. Die Klägerin hat gegen die Beklagte weiterhin aus abgetretenem Recht der Kundin I und ihrer Kinder einen Anspruch auf Zahlung von 1.800,- € aus Art. 7
Abs. 1 S. 1 a EUFlugVO i.V.m. § 398 BGB.
Das Landgericht hat zutreffend dargelegt, dass nach der von dem Bundesgerichtshof (Urteil vom 18. Februar 2010, Xa ZR 95/06 = NJW 2010, 2281)
übernommenen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urteil vom 19.11.2009, C - 402/07, C - 432/07 = NJW 20010, 43) der in Art. 7 EUFlugVO
vorgesehene Ausgleichsanspruch auch dann besteht, wenn der Fluggast wegen des verspäteten Fluges sein Endziel nicht früher als drei Stunden nach der
ursprünglichen Ankunftszeit erreicht, wobei ein Kürzung dieses Anspruchs nach Art. 7 Abs. 2 EUFlugVO ausscheidet, wenn sich die Flugbeförderung bei einer
Strecke von über 3.500 km um mehr als vier Stunden verspätet. Diese Voraussetzungen sind erfüllt, da die Kundin I mit ihren Kindern wegen der Verzögerung
des Flugs von Frankfurt nach Madrid ihr Ziel erst mit einer Verspätung von 43 Stunden erreichte; der Kundin steht demnach gegenüber der Beklagten ein
Ausgleichsanspruch in Höhe von 3 x 600,- € = 1.800,- € zu, den sie an die Klägerin abgetreten hat.
Der Ausgleichsanspruch ist auch nicht entsprechend Art. 5 Abs. 3 EUFlugVO ausgeschlossen, da die Verspätung nicht auf außergewöhnliche Umstände im
Sinne dieser Vorschrift zurück geht.
Nach dieser Vorschrift ist das ausführende Luftfahrtunternehmen nicht verpflichtet, Ausgleichszahlungen zu leisten, wenn es nachweisen kann, dass die
Annullierung auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen
worden wären.
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urteil vom 222. Dezember 2008, C 549/07 = NJW 2009, 347) und des Bundesgerichtshofs (Urteil
vom 12. November 2009, Xa ZR 76/07 = NJW 2010, 1070) dürfen die entschuldigenden Vorkommnisse nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit der
betroffenen Fluggesellschaft sein und aufgrund ihrer Natur oder Ursache von ihr tatsächlich nicht beherrschbar sein. Technische Defekte können nur dann als
außergewöhnliche Umstände angesehen werden, wenn sie beispielsweise auf versteckten Fabrikationsfehlern, Sabotageakten oder terroristischen Angriffen
beruhen. Vorliegend lag zwar eine Beschädigung der Außenhaut eines Flügels des Flugzeugs vor; diese ist jedoch weder durch einen Sabotageakt oder
terroristischen Angriff entstanden noch beruhte sie auf einem versteckten Fabrikationsfehler. Zwar ist die Ursache unklar; da aber beispielsweise auch eine
Beschädigung beim Beladen in Betracht kommt, hat die Beklagte bereits nicht nachgewiesen, dass sich die Beschädigung nicht hätte verhindern lassen.
3. Da die Beklagte aufgrund der Anspruchsschreiben der Klägerin vom 21. April 2009, 8. Mai 2009 und 18. Mai 2009 in Verzug geraten ist, hat sie nach §§ 280
Abs. 2, 286, 288 Abs. 2 BGB auch Verzugszinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu zahlen (Klageanträge Ziff. 1, 3 und 7).
Hinsichtlich der Familie I (Klageantrag Ziff. 5) wurde die Beklagte erstmalig mit anwaltlichem Schreiben vom 11. Mai 2009 gemahnt. Allerdings hatte die
Klägerin zu diesem Zeitpunkt lediglich einen eigenen Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte in Höhe von 85,- € (Taxikosten), so dass nur insoweit
Verzugszinsen - und zwar auch erst nach Ablauf der in dem Mahnschreiben genannten Zahlungsfrist bis zum 25. Mai 2009 - zuerkannt werden können. Zinsen
für den abgetretenen Ausgleichsanspruch können erst ab Rechtshängigkeit der abgetretenen Ansprüche (12. Dezember 2009) geltend gemacht werden, und
insoweit auch nur zu 5 % über dem Basiszinssatz, da die Zedentin Verbraucherin ist.
4. Aufgrund des Zahlungsverzugs hat die Beklagte nach §§ 280 Abs. 2, 286 BGB auch die von der Klägerin aufgewandten außergerichtlichen
Rechtsanwaltskosten zu erstatten (Klageantrag Ziff. 2 und 4) mit Ausnahme der für das anwaltliche Mahnschreiben betreffend die Ansprüche I entstandenen Kosten.
Insoweit wurden zum einen nicht bestehende eigene Ansprüche der Klägerin in Höhe von 1.800,- € geltend gemacht; zum anderen ist nicht ersichtlich, dass die
Klägerin den Schadensersatzanspruch in Höhe von 85,- € vor Einschaltung des Rechtsanwalts bereits angemahnt hatte und sich die Beklagte insoweit in Verzug
befand.
Der Zeitpunkt, ab dem jeweils Verzugszinsen auf die Rechtsanwaltsgebühren zu zahlen sind, war entsprechend der in den anwaltlichen Mahnschreiben
angegebenen Zahlungsziele festzusetzen.
Nach alledem hat die Berufung der Klägerin überwiegend Erfolg, während die Berufung der Beklagten zurückzuweisen war. ..."
***
Ein Anspruch des Fluggastes auf Zahlung eines Ausgleichbetrages in entsprechender Anwendung von Art 7 Abs. 1 FluggastrechteVO wegen Verspätung eines
Fluges kommt nur in Betracht, wenn die Verspätung mehr als drei Stunden betragen hat. Wenn der Fluggast infolge der Verspätung einen Anschlussflug
verpasst hat, kann im Hinblick auf das Überschreiten der genannten Erheblichkeitsgrenze auf den Zeitpunkt der Ankunft am Zielort des Anschlussfluges
abzustellen sein. Beträgt die Verspätung danach mehr als drei Stunden, kann der Fluggast eine Ausgleichzahlung allerdings nur dann beanspruchen, wenn er
den Anschlussflug bei demselben Luftfahrtunternehmen ("ausführendes Unternehmen" gem. Art. 2b) FluggastrechteVO) gebucht hatte (OLG Köln, Beschluss
vom 14.07.2011 - 17 U 25/11 zu BGB §§ 823, 254; FluggastrechteVO Art. 5, 6, 7 Abs. 1).
***
Ein Anspruch des Fluggastes auf Zahlung eines Ausgleichbetrages in entsprechender Anwendung von Art 7 Abs. 1 FluggastrechteVO wegen Verspätung eines
Fluges kommt nur in Betracht, wenn die Verspätung mehr als drei Stunden betragen hat. Wenn der Fluggast infolge der Verspätung einen Anschlussflug
verpasst hat, kann im Hinblick auf das Überschreiten der genannten Erheblichkeitsgrenze auf den Zeitpunkt der Ankunft am Zielort des Anschlussfluges
abzustellen sein. Beträgt die Verspätung danach mehr als drei Stunden, kann der Fluggast eine Ausgleichzahlung allerdings nur dann beanspruchen, wenn er
den Anschlussflug bei demselben Luftfahrtunternehmen ("ausführendes Unternehmen" gem. Art. 2b) FluggastrechteVO) gebucht hatte (OLG Köln, Beschluss
vom 14.07.2011 - 17 U 25/11 zu BGB §§ 823, 254; FluggastrechteVO Art. 5, 6, 7 Abs. 1):
„... I. Der Kläger macht aus eigenem sowie aus abgetretenem Recht seiner Mitreisenden H. und T. Schmerzensgeldansprüche sowie Ansprüche auf
Schadensersatz wegen Verspätung eines Fluges geltend. Der Kläger hatte bei der ehemaligen Mitbeklagten, der U. D. GmbH, gegen die das Verfahren
abgetrennt worden ist, über Weihnachten 2007 eine Pauschalreise nach N. gebucht. Der Hinflug sollte am 18.12.2007 von Hamburg über G. nach N. erfolgen,
wobei der Flug I.-G. von der Beklagten ausgeführt wurde. Der Anschlussflug G.-N. sollte mit der E. GmbH erfolgen. Wegen einer eineinhalbstündigen
Verspätung des Hinfluges haben der Kläger und seine beiden Begleiterinnen den Anschlussflug nach N. verpasst und sind erst am Folgetag (über B.) mit
L-Airlines über O. nach N. geflogen.
Der Kläger behauptet, er sei während des Zwischenaufenthaltes in G. von Bediensteten der Beklagten nicht vertragsgerecht beraten und versorgt worden. U.a.
habe er - infolge der Hetze auf dem Flughafen völlig durchgeschwitzt - bei Minustemperaturen ca. eine halbe Stunde vor dem Flughafengebäude auf den
Shuttle-Bus warten müssen. Deswegen und wegen der nicht auszuschaltenden Klimaanlage auf dem Weiterflug nach L. habe er eine Lungenentzündung
erlitten, wodurch er im Urlaub bettlägerig gewesen sei. Weiter behauptet er, dass er und seine Begleiterinnen aufgrund des Verlustes des Gepäcks für die
Anschaffung von Ersatzkleidung und Hygieneartikel 637,89 € aufgewendet hätten. Zudem stehe ihm wegen der Verspätung des Gepäcks ein
Schadensersatzanspruch i.H.v. 150 € zu. Schließlich macht er auf der Grundlage Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates
vom 11.2.2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Falle der Nichtbeförderung und bei
Annullierung oder großer Verspätung von Flügen (im Folgenden: Fluggastrechteverordnung) einen Anspruch auf Zahlung eines Ausgleichsbetrages i.H.v. 600
€/Person (= 1.800 €) geltend.
Das LG hat die Klage durch Urteil vom 16.2.2011, auf das wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes Bezug genommen
wird, insgesamt abgewiesen. Hinsichtlich des Schmerzensgeldanspruches hat es offengelassen, ob der Beklagten ein Verschulden anzulasten sei. Jedenfalls
habe der Kläger in erheblichem Maße diejenige Sorgfalt außer Acht gelassen, die ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Vermeidung eigenen Schadens
aufzuwenden pflegt. Aus diesem Grunde sei ein eventueller Schmerzensgeldanspruch jedenfalls gem. § 254 BGB ausgeschlossen. Ansprüche des Klägers auf
Schadensersatz auf der Grundlage des Montrealer Übereinkommens (MÜK) hat die Kammer aus rechtlichen Gründen ebenso wie die begehrte
Ausgleichszahlung abgelehnt.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er seine erstinstanzlichen Zahlungsansprüche in vollem Umfang weiter verfolgt. Er
rügt Rechtsverletzungen der angefochtenen Entscheidung und hegt Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der Tatsachenfeststellung. So habe das LG
nicht berücksichtigt, dass er und seine Begleiterinnen sich entsprechend der Anweisung des Piloten der Beklagten bzw. der Mitarbeiter verhalten hätten. Daher
sei große Eile geboten gewesen, um den Anschlussflug im G. Flughafen zu erreichen. Entgegen der Auffassung des LG sei es sehr wohl veranlasst gewesen,
außerhalb des Flughafengebäudes auf den Shuttle-Bus zu warten, denn die Haltestelle sei vom Inneren des Gebäudes nicht zu sehen gewesen. Insoweit habe das
LG einen entsprechenden Beweisantritt übergangen. Auch sei es ihm nicht möglich gewesen, während des fünfstündigen Hotelaufenthalts vor Antritt des
Anschlussfluges nach N. seine Kleidungsstücke im Hotelzimmer zu trocknen. In rechtlicher Hinsicht ist der Kläger der Auffassung, dass eine Entschädigung
nach der Fluggastrechteverordnung auch dann zu leisten sei, wenn er aufgrund der Verspätung des Zubringerfluges auf eine andere Maschine umgebucht
werden musste.
Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.
II. Die Berufung des Klägers hat nach dem gegebenen Sachstand keine Aussicht auf Erfolg. Da die zugrunde liegende Rechtssache keine grundsätzliche
Bedeutung hat und eine Entscheidung durch Urteil auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich
ist, soll über die Berufung gem. § 522 Abs. 2 ZPO durch Beschluss entschieden werden.
1. Zutreffend hat das LG zunächst Schadensersatzansprüche des Klägers auf der Grundlage von Art. 17 bzw. in 19 des Übereinkommens zur Vereinheitlichung
bestimmter Vorschriften über die Beförderung im internationalen Luftverkehr (Montrealer Abkommen) abgewiesen. Die Ausführungen des LG im
angefochtenen Urteil halten der Überprüfung durch den Senat stand. Sie werden im Übrigen vom Kläger mit der Berufung auch nicht angegriffen.
2. Der Senat folgt der Auffassung des LG im Ergebnis auch, als es den vom Kläger geltend gemachten Schmerzensgeldanspruch abgewiesen hat. Dabei kann
dahinstehen, ob der Kläger tatsächlich die von ihm behauptete Lungenentzündung erlitten und diese Erkrankung auf die Umstände der Hinreise zurückzuführen
sind. Die Beklagte haftet jedenfalls deswegen nicht, weil die vom Kläger behaupteten Folgen für sich und seine Begleiterinnen jedenfalls nicht als adäquate
Folge einer möglichen Pflichtverletzung der Beklagten anzusehen sind. Der Senat teilt insoweit die Auffassung des LG G. in den im Parallelverfahren des
Klägers gegen die Firma U. D. GmbH geführten Rechtsstreit. Im Urteil vom 3.11.2010 wird ausgeführt:
"Um einer Ausuferung von Schadensersatzverpflichtungen zu vermeiden, ist nach ständiger Rechtsprechung eine adäquate Verursachung erforderlich und der
eingetretene Schaden muss vom Schutzzweck der vertraglichen Verpflichtungen der Beklagten erfasst sein. Adäquat ist eine Bedingung nur dann, wenn das
Ereignis im Allgemeinen und nicht nur unter besonders eigenartigen unwahrscheinlichen und nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge außer Betracht zu
lassenden Umständen geeignet ist, einen Erfolg der fraglichen Art herbeizuführen. Diese Adäquanz fehlt, wenn der Kläger und seine Begleiterinnen in
ungewöhnlicher und unsachgemäßer Weise in den Geschehensablauf eingegriffen haben."
Diese Begründung, die auch auf die vorliegend der Beklagten vorgeworfenen Pflichtverletzungen zutrifft, macht sich der Senat zu Eigen. Das LG hat zu Recht
ausgeführt, dass für den Kläger kein Anlass zur Eile oder gar zur Hetze mehr bestand, nachdem ihm am Informationsschalter am Flughafen G. mitgeteilt
worden war, dass der Anschlussflieger bereits gestartet war. Das räumt er in der Berufungsbegründung selbst ein. Soweit er geltend macht, sein Verhalten sei
Folge einer Anweisung des Piloten des von der Beklagten durchgeführten Fluges gewesen. Danach sei Eile geboten gewesen, um den Anschlussflug noch zu
erreichen, handelt es sich um - von der Beklagten bestrittenen - neuen Vortrag im Berufungsrechtszug, welcher gem. § 531 Abs. 2 ZPO keine Berücksichtigung
finden kann. In der Klageschrift hat der Kläger dies anders dargestellt, nämlich, dass er auf dem Hinflug die Information erhalten habe, die Langstreckenflüge
würden warten und die Passagiere zu ihren jeweiligen Flügen geleitet.
Ungeachtet dessen hegt der Senat auch in tatsächlicher Hinsicht erhebliche Bedenken, dass der Kläger und seine Begleiterinnen ihre Kleidung bis zum
Erreichen des Informationsschalters am Flughafen in einem Maße durchgeschwitzt haben wollen, dass dieser Zustand noch Stunden später oder gar am
nächsten Tag angehalten hat. Dies erscheint schlichtweg nicht lebensnah. Der Vortrag des Klägers wird auch nicht dadurch nachvollziehbarer, dass insgesamt
12 Kilogramm an Spirituosen (d.h. für jede Person 4 Kilogramm) transportiert werden mussten. Für das weitere Verhalten der Reisenden muss die Beklagte
jedenfalls nach schadensadäquaten Grundsätzen nicht einstehen. Die behaupteten gesundheitlichen Folgen liegen im Eigenverantwortungsbereich des Klägers
sowie seiner Mitreisenden und unterliegen daher dem allgemeinen Lebensrisiko.
3. Dem Kläger stehen schließlich auch keine Ansprüche auf Ausgleichszahlungen auf der Grundlage von Art. 7 Abs. 1c) der Fluggastrechteverordnung zu.
Art. 6 der Fluggastrechteverordnung, in dem die Folgen von Verspätungen geregelt werden, nimmt zunächst nicht ausdrücklich Bezug auf die in Art. 7
geregelten Ausgleichsansprüche. Nach dem Wortlaut der Verordnung sind Ausgleichszahlungen vielmehr nur in den Fällen der Nichtbeförderung (Art. 4) und
der Annullierung von Flügen (Art. 5) zu leisten. Insoweit hat der BGH entschieden, dass hinsichtlich eines versäumten Anschlussfluges ein Fall der
Nichtbeförderung i.S.v. Art. 4 Abs. 3 der Verordnung nicht gegeben ist und der Fluggast demzufolge im Falle des Verpassens des Anschlussfluges infolge des
verspäteten Zubringerfluges eine Ausgleichszahlung nicht beanspruchen kann (BGH v. 30.4.2009 - Xa ZR 78/08, MDR 2009, 1033 = NJW 2009, 2740). In
einem weiteren Fall hat der BGH entschieden, dass der Anschlussflug nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung fällt (BGH v. 28.5.2009 - Xa ZR
113/08, MDR 2009, 972 = NJW 2009, 2743). Da im Falle des Klägers und seiner Mitreisenden weder eine Nichtbeförderung noch eine Annullierung vorliegen,
stehen ihm daher auf der Grundlage der Art. 4 und 5 i.V.m. Art 7 der Fluggastrechteverordnung keine Ansprüche auf eine Ausgleichszahlung zu.
Allerdings sollen nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in den Fällen Sturgeon./. Condor Flugdienst GmbH (C-402/07) und
Böck/Lepuschitz./. Air France SA (C-432/07) vom 19.11.2009 (EuGH v. 19.11.2009 - Rs. C-420/07, Rs. C-432/07, NJW 2010, 43 ff.) die Art. 5, 6 und 7 der
Fluggastrechtsverordnung dahin auszulegen sein, dass die Fluggäste verspäteter Flüge im Hinblick auf die Anwendung des Ausgleichsanspruchs den Fluggästen
annullierter Flüge gleichgestellt werden und somit den in Art. 7 vorgesehenen Ausgleichsanspruch geltend machen können, sofern sie wegen eines verspäteten
Fluges einen Zeitverlust von 3 Stunden oder mehr erleiden. Zur Begründung weist der EuGH u.a. darauf hin, dass die Fluggastrechteverordnung darauf abziele,
Schäden zu standardisieren und sofort zu beheben. Sofern der Schaden in einem Zeitverlust bestehe, der angesichts seines irreversiblen Charakters nur mit einer
Ausgleichszahlung ersetzt werden könne, seien Fluggäste die von der Verspätung eines Fluges betroffen seien, nicht anders zu behandeln, als solche, deren Flug
annulliert worden sei. Wenn diese Fluggäste gegenüber denjenigen annullierter Flüge schlechter gestellt würden, sei dies nicht vertretbar.
Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung kommt für den Kläger und seine Mitreisenden ein Anspruch auf Zahlung eines Ausgleichsbetrages aber deshalb nicht
in Betracht, weil die Verspätung des von der Beklagten durchgeführten Fluges nicht zu einer Zeitverzögerung von mehr als 3 Stunden geführt hat. Insoweit ist
unstreitig, dass der Zubringerflug von I. nach G. in der Ankunftszeit lediglich eine Verspätung von 1 ½ Stunden hatte. Dieser Zeitraum liegt unterhalb der vom
EuGH festgesetzten Erheblichkeitsgrenze. Dass der Kläger gleichwohl seinen planmäßig erfolgten Anschlussflug verpasst hat und im Ergebnis mit seiner
17-stündigen Verspätung in N. angekommen ist, führt zu keiner anderen Beurteilung. Die Ausgleichszahlung gem. Art. 7 der Fluggastrechteverordnung ist
(nur) vom "ausführenden Luftfahrtunternehmen" zu leisten. Dies ergibt sich aus den Verweisungen in den Art. 5 und 6. Nach der Legaldefinition in Art. 2b)
Fluggastrechteverordnung ist "ausführendes Luftfahrtunternehmen" aber ein solches, das im Rahmen eines Vertrages mit dem Fluggast oder im Namen einer
anderen - juristischen oder natürlichen - Person, die mit dem betreffenden Fluggast in einer Vertragsbeziehung steht, eine Flug durchführt oder durchzuführen
beabsichtigt. Für den Weiterflug nach N. war die Beklagte indes nicht verantwortlich, denn dieser Flug wurde (im Auftrag der U. D. GmbH) von der E. GmbH durchgeführt.
Die vom Kläger zitierte Entscheidung des BGH vom 14.10.2010 (BGH v. 14.10.2010 - Xa ZR 15/10, NJW-RR 2011, 355 ff.) steht diesem Ergebnis nicht
entgegen. Der BGH hat entschieden, dass bei der Frage der Bemessung des Ausgleichsanspruches gem. Art. 7 Fluggastrechteverordnung für die Annullierung
eines Fluges nicht allein auf den Zielort des annullierten Fluges abzustellen ist. Allerdings hatte der Kläger des Ausgangsverfahrens - anders als im vorliegend
zu entscheidenden Fall - sowohl den Hinflug als auch den Anschlussflug bei demselben Unternehmen gebucht. ..."
***
Wird ein Linienflug aufgrund außergewöhnlicher Umstände (hier: Nebel) annulliert und verzögert sich die Rückkehr des Fluggastes aus dem Ausland deshalb
um zwei Tage, hat der Fluggast in der Zwischenzeit Anspruch auf Betreuungsleistungen, es sei denn die Annullierung ist auf außergewöhnlich Umstände
zurückzuführen (OLG Koblenz, Urteil vom 11.01.2008 - 10 U 385/07).
*** (LG)
Nachtflugverbot als außergewöhnlicher Umstand im Sinne von Art. 5 Abs. 3 der EG-VO Nr. 261/2004, wenn die von der Fluggesellschaft zu vertretende
vorherige Verspätung bei der Abfertigung nur wenige Minuten beträgt und für das Flugzeug auf dem Weg zur Startbahn erfolglos eine Ausnahmegenehmigung
beantragt wurde (LG Darmstadt, Urteil vom 18.12.2013 - 7 S 90/13).
***
„... II. Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden zur Auslegung der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom
11.02.2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung
oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 - ABl. L 46 vom 17.02.2004, S. 1-8 - folgende Fragen zur
Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Ist Art. 5 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.02.2004 über eine gemeinsame Regelung für
Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur
Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 dahingehend auszulegen, dass ein außergewöhnlicher Umstand, der die Verspätung eines Fluges bewirkt, auch
für einen weiteren, anschließenden Flug einen außergewöhnlichen Umstand im Sinne der Vorschrift darstellt, wenn die eine Verspätung hervorrufende Wirkung
des außergewöhnlichen Umstands lediglich aufgrund der Betriebsorganisation des Luftfahrtunternehmens sich auf den späteren Flug auswirkt?
2. Ist Art. 5 Abs. 3 der VO(EG) 261/2004 dahingehend auszulegen, dass sich der Begriff der Vermeidbarkeit nicht auf die außergewöhnlichen Umstände als
solche, sondern auf die durch sie bewirkte Verspätung oder Annullierung des Flugs bezieht?
3. Ist Art. 5 Abs. 3 der VO(EG) 261/2004 dahingehend auszulegen, dass es Luftfahrtunternehmen, die ihre Flüge in einem sogenannten Umlaufsystem
durchführen, zumutbar ist, eine Mindestzeitreserve zwischen den Flügen einzukalkulieren, deren Umfang der in Art. 6 Abs. 1 lit. a-c VO(EG) 261/2004
festgelegten Zeitspannen entspricht?
4. Ist Art. 5 Abs. 3 der VO(EG) 261/2004 dahingehend auszulegen, dass es Luftfahrtunternehmen, die ihre Flüge in einem sogenannten Umlaufsystem
durchführen, zumutbar ist, Passagiere, deren Flug aufgrund eines außergewöhnlichen Ereignisses bereits erheblich verspätet ist, nicht oder später zu befördern,
um eine Verspätung von Folgeflügen zu vermeiden? ..." (LG Hannover, EuGH-Vorlage vom 29.11.2013 - 14 S 50/13)
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„... Wie der EuGH in der Rechtssache C-402/07 (Urteil vom 19. November 2009, NJW 2010, 43 = RRa 2009, 282 - Sturgeon/Condor) auf die Vorlage des
Bundesgerichtshofs entschieden und die Große Kammer des EuGH mit Urteil vom 23. Oktober 2012 (C581/10 - Nelson/Lufthansa) bestätigt hat, können nicht
nur die Fluggäste annullierter Flüge, sondern auch die Fluggäste verspäteter Flüge den in Art. 7 der Verordnung vorgesehenen Anspruch auf Ausgleich geltend
machen, wenn sie infolge der Verspätung einen Zeitverlust von drei Stunden oder mehr erleiden, weil sie ihr Endziel nicht früher als drei Stunden nach der von
dem Luftverkehrsunternehmen ursprünglich geplanten Ankunftszeit erreichen.
Wie der EuGH in seiner Entscheidung vom 26.2.2013 (Az. C-11/11- Folkerts/Air France) zudem entschieden hat, kommt es für einen Ausgleichsanspruch
gemäß Art. 5, 7 EU-VO 261/2004 nicht auf eine Abflugverspätung an (Rn. 33). Vielmehr ist allein maßgebend, ob der Fluggast den Zielort mit einer
Verzögerung von mehr als 3 Stunden erreicht. Dies gilt nach der genannten Entscheidung auch dann, wenn die Verzögerung der Ankunft darauf
zurückzuführen ist, dass der Fluggast wegen einer Verzögerung des ersten Fluges einen geplanten Anschlussflug verpasst (Rn. 35.).
Auf der Grundlage dieser Auslegung der EU-VO 261/2004 durch den EuGH schuldet die Beklagte eine Ausgleichsleistung, weil die Kläger das Endziel in
Frankfurt am Main erst mit einer Verzögerung von ca. 4 ½ Stunden erreicht haben.
Nach der zugrunde liegenden Buchung sollte die Beklagte die Kläger am 12.8.2011 mit dem Flug x1 von Lissabon nach Madrid und mit dem Flug X2 von
Madrid nach Frankfurt am Main befördern. Der Flug von Lissabon nach Frankfurt am Main sollte in Madrid um 14.50 Uhr landen. Der Weiterflug nach
Frankfurt am Main sollte um 15.50 Uhr starten. Allerdings landete der Flug von Lissabon in Madrid erst um 15.40 Uhr, weshalb die Kläger den Flug nach
Frankfurt am Main nicht mehr erreichen konnten. Statt um 18.30 Uhr erreichten sie Frankfurt am Main mit einem anderen Flug der Beklagten (X 2) erst um
23.00 Uhr.
Aufgrund der Entfernung zwischen Lissabon und Frankfurt am Main von über 1.500 km steht den Klägern gemäß Art 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EG)
261/2004 eine Ausgleichsleistung von jeweils 400,00 € zu. ...
Zwar kann nach der Entscheidung des EuGH vom 31.1.2013 (Az. C-12/11 - McDonagh/Ryanair) ein Fluggast als Entschädigung dafür, dass das
Luftfahrtunternehmen seiner Betreuungspflicht nach den Art 5 Abs. 1 Buchst. b und 9 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 nicht nachgekommen ist, solche
Beträge erstattet bekommen, die sich in Anbetracht der dem jeweiligen Fall eigenen Umstände als notwendig, angemessen und zumutbar erweisen, um den
Ausfall der Betreuung des Fluggastes durch das Luftfahrtunternehmen auszugleichen.
Allerdings ist dem Vortrag der Kläger nicht in einer konkreten und für das Gericht nachvollziehbaren Weise zu entnehmen, dass solche Kosten in der Person
der jeweiligen Kläger angefallen sind. Insofern ist nicht nachvollziehbar, dass alle Kläger in gleicher Weise telefonieren mussten. Insbesondere für die
minderjährigen Kläger zu 3. und zu 4. ist es wenig plausibel, dass diese eigene Telefonate geführt haben. Ferner ist nicht vorgetragen, welche einzelnen
Verpflegungsleistungen die Kläger während der Wartezeit in Madrid selbst bezahlt haben. Selbst wenn Raum für eine Schadensschätzung gemäß § 287 ZPO
eröffnet wäre, so bedarf es konkreter Anhaltspunkte dafür, dass tatsächlich Getränke und Mahlzeiten erworben wurden. Solche Einzelheiten tragen die Kläger
indes nicht vor.
Da kein konkreter Schaden dargelegt wird, kann die Frage, ob auf einen solchen Schadensersatzanspruch gemäß Art 12 Abs. 1 S. 2 der Verordnung (EG)
261/2004 die Ausgleichsleistung anzurechnen ist, dahingestellt bleiben. ..." (LG Frankfurt, Urteil vom 26.07.2013 - 2/24 S 47/12)
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Vogelschlag ist außergewöhnlicher Umstand im Sinne von Art. 5 Abs. 3 der EG-VO Nr. 261/2004; zu den Erfordernissen im Zusammenhang mit dem
Einsatz eines Ersatzflugzeuges; keine Verpflichtung der Fluggesellschaft zum Chartern eines fremden Flugzeuges samt Crew, um eine zeitnahe
Ersatzbeförderung der für die defekte Maschine gebuchten Passagiere durchzuführen (LG Darmstadt, Urteil vom 24.07.2013 - 7 S 242/12).
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Fluggesellschaft schuldet Hotel-Unterbringungskosten im angemessenen Umfang auch bei Annullierung oder Verspätung infolge einer Luftraumsperrung
wegen Vulkanasche-Wolke (LG Darmstadt, Urteil vom 03.07.2013 - 7 S 238/11):
„... Auf Grund der vom Amtsgericht rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen und des weiteren Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz ist die Klage
im nunmehr tenorierten Umfang begründet. Die Beklagte schuldet dem Kläger gemäß Art. 9 der EG-VO 261/2004 die Kosten der Unterkunft in Mauritius im
hier geltend gemachten Umfang bis zu dem dann nach Freigabe des Luftraums erfolgten Rückflug des Klägers und seiner Mitreisenden. Nachdem die Kammer
das vorliegende Verfahren mit Beschluss vom 23.05.2012 wegen dieser Problematik und der Vorgreiflichkeit der damals noch ausstehenden Entscheidung des
Europäischen Gerichtshofs zunächst ausgesetzt hatte, hat der EuGH diese Frage mit Urteil vom 31.01.2013 (C-12/11) entschieden. Danach ist das ausführende
Luftfahrtunternehmen auch bei der hier fraglichen Luftraumsperrung infolge Vulkanausbruchs, die als außergewöhnlicher Umstand im Sinne von Art. 5
Abs. 3 der Fluggastrechteverordnung anzusehen ist und deshalb von einer Ausgleichsleistung nach Art. 7 dieser EG-VO befreit, nicht von der sich aus Art. 5
Abs. 1 b und Art. 9 der Verordnung ergebenden Betreuungspflicht entbunden, wobei als Entschädigung dafür, daß das Luftfahrtunternehmen dieser
Pflicht nicht nachgekommen ist, unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur solche Beträge erstattet werden können, „die sich in Anbetracht der
dem jeweiligen Fall eigenen Umstände als notwendig, angemessen und zumutbar erweisen, um den Ausfall der Betreuung des Fluggastes durch das
Luftfahrtunternehmen auszugleichen" (Tz. 51 dieses EuGH-Urteils). Hierbei sei die Betreuung der Fluggäste gerade bei lange anhaltenden Wartezeiten
besonders wichtig, die sich hieraus ergebenden finanziellen Folgen für das Unternehmen seien angesichts des mit der Verordnung verfolgten Zwecks, ein hohes
Schutzniveau für die Fluggäste zu erreichen, nicht als unverhältnismäßig anzusehen.
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sind die hier vom Kläger geltend gemachten Unterbringungskosten nicht zu beanstanden. Er ist während der
Wartezeit bis zum Rückflug in dem im Rahmen der Pauschalreise gebuchten Hotel geblieben. Es handelte sich deshalb um die angemessenen Kosten, um den
Ausfall der Betreuung im konkreten Einzelfall auszugleichen. Die im Entwurf einer Neufassung der Fluggastrechteverordnung vorgesehene Begrenzung solcher
Kosten auf 100,-- € pro Tag mag angesichts der vergleichbaren Regelungen in anderen Verkehrsbereichen und auch zur Begrenzung des Haftungsrisikos der
Airlines sinnvoll erscheinen, zum Zeitpunkt der hier streitgegenständlichen Vorgänge und auch der vorliegenden Entscheidung gelten diese erst zur Diskussion
gestellten Regelungen aber noch nicht. Der Kläger hat zudem vorliegend offenbar nicht die gesamten Unterbringungskosten seit dem Flugausfall vom
18.04.2010 geltend gemacht, sondern ausweislich der vorgelegten Hotelrechnung nur diejenigen ab dem 20.04.2010 bis zum tatsächlichen Rückflugtag am 25.04.2010.
Die weitergehende Berufung ist unbegründet. Dem Kläger stehen insbesondere gegenüber der Beklagten, die zwar vertraglicher und ausführender
Luftfrachtführer war, aber nicht Reiseveranstalter im Sinne von §§ 651 a ff BGB, keine weiteren Rückgewähransprüche über den bereits vom Amtsgericht
ausgeurteilten Betrag zu. Wie bereits in der mündlichen Verhandlung vom 18.04.2012 erörtert wurde, handelt es sich bei dem nach Erstattung durch die
Beklagte gegenüber dem Veranstalter noch offenstehenden Betrag von 63,-- € offenbar um Provision des Veranstalters und/oder Vermittlers, die die Beklagte
dem Kläger nicht schuldet. Deshalb und wegen der konkreten vertraglichen Gestaltung ist auch bezüglich der von der Beklagten an den Reiseveranstalter
gezahlten 836,-- € keine Erledigung der Hauptsache gemäß § 91 a ZPO im vorliegenden Rechtsstreit eingetreten, weil die Klage insoweit von Anfang an
unbegründet war.
Der Zinsanspruch des Klägers in der gesetzlichen Höhe ergibt sich wie beantragt ab Rechtshängigkeit aus § 291 BGB. Schon vor Beauftragung seines
Prozeßbevollmächtigten hat der Kläger selbst seine Ansprüche gegenüber der Beklagten mit E-Mail vom 05.05.2010 und dann nochmals mit Schreiben vom
10.06.2010 geltend gemacht, worauf die Beklagte unter dem 29.07.2010 die Ansprüche zurückgewiesen hat. Der als Verzugsschaden deshalb ebenfalls
begründete Freistellungsanspruch bezüglich der vorgerichtlichen Anwaltskosten bemißt sich durch die in Höhe von 1.369,54 € begründete Gesamtforderung
nach den Vorgaben des RVG einschl. Auslagenpauschale und MWSt. entsprechend auf 186,24 €. ..."
***
„... Die Beklagte hat sich auf den Standpunkt gestellt, die Verordnung sei bereits nicht anwendbar. Nach § 3 Abs. 1b) VO gelte diese im Falle eines
Flugantritts auf dem Gebiet eines Nichtmitgliedstaats nur dann, wenn es sich bei dem ausführenden Unternehmen um ein Luftfahrtunternehmen der
Gemeinschaft handele und der Fluggast an dem in dem Drittstaat gelegenen Abflugort weder Gegenleistungen, noch Ausgleichs- oder Unterstützungsleistungen
erhalten habe. Letztere Leistung hätten die Kläger jedoch erhalten. Hierzu hat die Beklagte behauptet, die Kläger seien auf ihre Kosten in einem Hotel
untergebracht worden und hätten Verpflegung sowie Getränke erhalten.
Weiter hat die Beklagte die Auffassung vertreten, die Kläger könnten sich jedenfalls nicht auf Art. 7 VO berufen, da diese Vorschrift eine Ausgleichsleistung
nur im Falle der Annullierung, nicht aber bei Verspätung vorsehe. Eine Ausgleichsleistung sei dem deutschen Recht fremd, die Vorschrift sei daher restriktiv
auszulegen. Die Entstehungsgeschichte und die Motive des Verordnungsgebers widersprächen der Auffassung der Kläger.
Soweit der EuGH in seinem Urteil vom 19.11.2009 (AZ C-402/07 und C-432/07) die Auffassung vertreten habe, dass die Fluggäste verspäteter Flüge im
Hinblick auf die Anwendung des Ausgleichsanspruchs den Fluggästen annullierter Flüge gleichgestellt werden können, sei diese Rechtsprechung
unbeachtlich, da sie einer Rechtsgrundlage entbehre. Von den vom BGH formulierten Fragen im Vorlagebeschluss vom 10.07.2007 (AZ X ZR 95/06) sei
die Entscheidung nämlich nicht gedeckt. Ebenso wenig habe die Entscheidung der Beantwortung der vom Handelsgericht Wien gestellten Fragen im Verfahren
C-432/07 gedient. Der EuGH habe daher außerhalb seiner Kompetenzen entschieden und so gegen die europarechtliche Gewaltenteilung verstoßen. Nicht
berücksichtigt habe der EuGH zudem, dass die von ihm vorgenommene Auslegung mit den Regelungen des Montrealer Übereinkommens (MÜ) kollidiere.
Soweit sich der BGH in seiner Entscheidung vom 18.02.2010 der Rechtsprechung des EuGH angeschlossen habe, ergebe sich hieraus nichts anderes, da sich
der BGH „blind" und ohne eigene Erwägungen auf die Entscheidung des EuGH gestützt habe. Jedenfalls habe die Entscheidung des EuGH keine
Bindungswirkung für das vorliegende Verfahren.
Selbst bei Annahme der Anwendbarkeit des Art. 7 VO bei großer Verspätung sei sie, die Beklagte, exkulpiert. Die Verzögerung habe auf außergewöhnlichen
Umständen im Sinne von Art. 5 Abs. 3 der VO beruht.
Hierzu hat die Beklagte behauptet, das für den Flug von Z. nach Köln/Bonn vorgesehene Flugzeug habe zunächst um 19.15 Uhr von Köln/Bonn nach Z. fliegen
sollen. Als es um 20.12 Uhr nach bereits geringfügig verspätetem Eintreffen in Köln/Bonn die Parkposition habe verlassen wollen, habe das System einen
Fehler in der Höhenruder-Steuerung angezeigt, weswegen der Start habe abgebrochen werden müssen. Zur Beseitigung des Defekts habe das gesamte Bauteil
ausgetauscht werden müssen, so dass das Flugzeug erst am Folgetag um 7.15 Uhr einsatzbereit gewesen sei. Statt des vorgesehenen Flugzeugs sei daher um
22.19 Uhr ein anderes Flugzeug nach Z. gestartet, das um 23.48 Uhr hätte landen sollen. Aufgrund von Gewitterzellen sei eine Landung in Z. jedoch erst um
0.15 Uhr des folgenden Morgens erfolgt. Wegen Überschreitung der Flugzeiten der Crew habe dann kein sofortiger Rückflug erfolgen können, der Start sei
demnach erst - wie von den Klägern vorgetragen - um 8.36 Uhr erfolgt. Sämtliche Flugzeuge der Beklagten seien regelmäßig und ordnungsgemäß gewartet worden.
Selbst wenn das Gericht Ausgleichsansprüche bejahe, müsse eine Vorlage an den EuGH erfolgen, da es nach Art. 267 Abs. 3 EU-Arbeitsweisevertrag (AEUV)
einem letztinstanzlichen Gericht verwehrt sei, Zweifelsfragen in der Auslegung des Gemeinschaftsrechts, von deren Beantwortung die Entscheidung abhänge,
selbst zu entscheiden.
Das Amtsgericht hat der Klage im beantragten Umfang mit Ausnahme der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten stattgegeben und die Berufung zugelassen.
Es hat ausgeführt, die Verordnung sei gem. Art. 3 Abs. 1 b) VO anwendbar. Die Kläger hätten in Kroatien allenfalls Betreuungsleistungen, nicht aber Gegen-,
Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen erhalten.
Art. 7 VO sei nicht nur bei Annullierung sondern auch bei großer Verspätung anwendbar, da eine solche in ihren Auswirkungen einer Annullierung
gleichkomme. Einer Vorlage an den EuGH bedürfe es nicht, da dieser bereits eine dahingehende Auslegung vorgenommen habe.
Die Zuerkennung von Ausgleichsleistungen sei nicht gemäß Artikel 29 des Montrealer Übereinkommens ausgeschlossen, da es sich bei derartigen
Zahlungen nicht um Schadensersatz im Sinne des Übereinkommens handele.
Die Beklagte sei nicht gem. Art. 5 Abs. 3 VO exkulpiert, da keine außergewöhnlichen Umstände im Sinne dieser Vorschrift vorgebracht seien.
Auch diesbezüglich komme eine Vorlage an den EuGH nicht in Betracht, da dieser die dahingehenden Auslegungsfragen bereits mit Urteil vom 22.12.2008
(NJW 2009, 347) entschieden habe.
Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Sie wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag. Ihren Vortrag hinsichtlich der Gegen-,
Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen im Sinne von Art. 3 Abs. 1b) VO modifiziert sie dahingehend, dass die Kläger Verpflegung und Getränke sowie
Gutscheine im Wert von 20,- € pro Person erhalten hätten. Bezüglich der von ihr angenommenen Europarechtswidrigkeit der Rechtsprechung des EuGH zur
Anwendbarkeit des Art. 7 VO auf Fälle erheblicher Verspätung verweist sie auf ihren erstinstanzlichen Vortrag und vertieft ihre Argumentation. Das Gericht
habe hinsichtlich der Unvereinbarkeit der EuGH-Rechtsprechung mit Art. 29 des Montrealer Übereinkommens ohne weitere Argumentation auf die
Entscheidung des BGH (MDR 2010, 614) verwiesen. Der von ihr vorgetragene technische Defekt führe dazu, dass die Vorschrift des Art. 5 Abs. 3 VO
anwendbar sei. Vollkommen unberücksichtigt lasse das Gericht, dass die durch den technischen Defekt bedingte Verspätung unter 3 Stunden geblieben wäre,
wenn nicht Wetterbedingungen zu einer weiteren Verzögerung geführt hätten. ...
II. ...
Den Klägern steht jeweils ein Ausgleichsanspruch in Höhe von 250,- € gem. Art. 4 Abs. 3 i.V.m. Art. 7 Abs. 1b) VO EG 261/2004 (Fluggastrechte-VO) zu.
Die Berufung dringt nicht damit durch, dass die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit der VO nicht vorliegen. Gem. Art. 3 Abs. 1b) VO gilt die Verordnung,
sofern das ausführende Luftfahrtunternehmen ein Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft ist, für Fluggäste, die von einem Flughafen in einem Drittstaat einen
Flug zu einem Flughafen im Gebiet eines Mitgliedstaats, das den Bestimmungen des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union unterliegt,
antreten. So liegt der Fall hier. Die Beklagte ist ein deutsches Luftfahrtunternehmen, die Beförderung sollte von dem Flughafen eines Drittstaats (Z) nach
Deutschland, Flughafen Köln/Bonn erfolgen. Es liegt auch keine Ausnahme im Sinne von § 3 Abs. 1b) VO insofern vor, dass die Kläger in dem Drittstaat
Gegen- oder Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen erhalten hätten. Zwar sollen die Kläger nach dem Vortrag der Beklagten Getränke und Verpflegung
sowie Gutscheine im Wert von jeweils 20,- € erhalten haben. „Ausgleichsleistungen" wurden ihnen damit jedoch nicht gewährt. Der Begriff Ausgleichsleistung
ist im Sinne von Art. 7 der VO zu verstehen, d.h. es muss eine Ausgleichszahlung erfolgt sein. Hier sollen nach dem Vortrag der Beklagten aber nur Leistungen
gewährt worden sein, die im Wesentlichen Hunger und Durst befriedigen sollten, also Unterstützungsleistungen waren. Durch die behauptete Überlassung von
Gutscheinen wurden die darüber hinausgehenden Beeinträchtigungen durch die 11stündige Verspätung und den Verbleib über Nacht weder kompensiert, noch
erfolgte eine Zahlung. Ein solcher Gutschein - dessen Inhalt die Beklagte nicht näher darlegt - ist nicht mit einer Zahlung zu Ausgleichszwecken gleichzustellen.
Soweit sich die Berufung darauf stützt, dass die Fluggastrechte-VO gem. Art. 5 Abs. 1c) i.V.m. Art. 7 Abs. 1 b) einen Ausgleichsanspruch nur im Falle der
Annullierung eines Flugs, nicht aber bei großer Verspätung vorsehe, vermag dem die Kammer nicht zu folgen.
Die Kammer schließt sich insoweit der Rechtsprechung des BGH an, der Ausgleichsleistungen gem. Art. 7 der VO nicht nur bei Annullierung von Flügen,
sondern auch in den Fällen gewährt, wenn der Fluggast wegen des verspäteten Flugs sein Endziel nicht früher als drei Stunden nach der ursprünglich geplanten
Ankunftszeit erreicht (BGH, NJW 2010, 2281). Diese Rechtsprechung fußt auf der Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 19.11.2009, AZ C-402/07, NJW
2010, 43). Die Art. 5, 6 und 7 der VO sind danach dahingehend auszulegen, dass die Fluggäste verspäteter Flüge im Hinblick auf die Anwendung des
Ausgleichsanspruchs den Fluggästen annullierter Flüge gleichgestellt werden können und somit den in Art. 7 dieser Verordnung vorgesehenen
Ausgleichsanspruch geltend machen können, wenn sie wegen eines verspäteten Flugs einen Zeitverlust von drei Stunden oder mehr erleiden. Der EuGH hat
diesbezüglich ausgeführt, bei der Auslegung einer Vorschrift des Gemeinschaftsrechts sei nicht nur ihr Wortlaut zu berücksichtigen, sondern auch ihr
Zusammenhang und ihre Ziele, die mit der Regelung, zu der sie gehöre, verfolgt werden. Der verfügende Teil eines Gemeinschaftsrechtsakts sei untrennbar mit
seiner Begründung verbunden und erforderlichenfalls unter Berücksichtigung der Gründe auszulegen, die zu seinem Erlass geführt hätten. Angesichts des Ziels
der Verordnung, den Schutz der Fluggäste dadurch zu verstärken, dass ihnen Ausgleich für bei der Beförderung im Luftverkehr entstandene Schäden geleistet
wird, seien die von dieser Verordnung erfassten Sachverhalte insbesondere anhand der Art und der Bedeutung der verschiedenen Unannehmlichkeiten und
Schäden, die den betroffenen Fluggästen entstünden, zu vergleichen. Die Situation von Fluggästen verspäteter Flüge mit der von Fluggästen annullierter Flüge
sei zu vergleichen, da unter anderem der Schaden ausgeglichen werden solle, der in einem Zeitverlust der betroffenen Fluggäste bestehe.
Dieser Rechtsprechung schließt sich die Kammer insbesondere im Hinblick auf die der Verordnung vorangestellten Erwägungen an, wonach durch die
Fluggastrechte-VO ein hohes Schutzniveau für Fluggäste erreicht werden soll. Zudem sind die Grenzen zwischen einer Annullierung des vorgesehenen Fluges
und einer großen Verspätung fließend. Eine Kompetenzüberschreitung des EuGH vermag die Kammer nicht zu erkennen. Entgegen der Ansicht der Beklagten
hat der EuGH innerhalb der Vorlagefragen des BGH (Vorlagebeschluss vom 17.07.2007, NJW 2007, 3437) entschieden, da eine eingehende
Auseinandersetzung mit den Vorlagefragen und deren Auslegung erfolgt ist.
Ein Verstoß gegen Art. 29 des Montrealer Übereinkommens kann nicht angenommen werden. Denn wie der BGH zutreffend entschieden hat (NJW 2010,
1526) sind Ausgleichzahlungen gem. Art. 7 VO keine Schadensersatzansprüche im Sinne von Art. 35 Abs. 1 des Montrealer Übereinkommens. Ansprüche auf
eine pauschale und einheitliche Ausgleichszahlung gem. Art. 7 VO bestehen nämlich unabhängig von einem individuellen Schadensersatzanspruch.
Keinen Erfolg hat die Berufung mit der Argumentation, die Beklagte habe nachgewiesen, dass die Verspätung auf außergewöhnliche Umstände zurückgehe, die
sich dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären.
Nach der Rechtsprechung des BGH (NJW 2010, 1070; NJW 2010, 2281) können unerwartete Flugsicherheitsmängel nur dann als außergewöhnlich i.S. von
Art. 5 Abs. 3 VO qualifiziert werden, wenn sie ein Vorkommnis betreffen, das nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des betroffenen
Luftfahrtunternehmens ist und auf Grund seiner Natur oder Ursache von ihm tatsächlich nicht zu beherrschen ist. Daraus ergibt sich, dass technische Defekte,
wie sie beim Betrieb eines Flugzeugs typischerweise auftreten, grundsätzlich keine außergewöhnlichen Umstände begründen, und zwar auch dann nicht, wenn
das Luftfahrtunternehmen alle vorgeschriebenen oder sonst bei Beachtung der erforderlichen Sorgfalt gebotenen Wartungsarbeiten frist- und ordnungsgemäß
ausgeführt hat. Solche Defekte sind Teil der normalen Tätigkeit des betroffenen Luftfahrtunternehmens. Der BGH führt weiter aus (NJW 2010, 1070), dass ein
technisches Problem nur dann als außergewöhnlicher Umstand angesehen werden kann, wenn es beispielsweise auf versteckten Fabrikationsfehlern,
Sabotageakten oder terroristischen Angriffen beruht.
Hierfür fehlt es an Vortrag, auf die von der Beklagten vorgetragenen Wartungsarbeiten kommt es nicht an.
Die Rechtsprechung des BGH steht im Einklang mit der Rechtsprechung des EuGH, der entschieden hat, Art. 5 Abs. 3 VO sei dahin auszulegen, dass ein bei
einem Flugzeug aufgetretenes technisches Problem nicht unter den Begriff „außergewöhnliche Umstände" falle, es sei denn, das Problem gehe auf
Vorkommnisse zurück, die auf Grund ihrer Natur oder Ursache nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des betroffenen Luftfahrtunternehmens seien
und von ihm tatsächlich nicht beherrschen seien. Allein der Umstand, dass ein Luftfahrtunternehmen die gesetzlich vorgeschriebenen Mindesterfordernisse an
Wartungsarbeiten an einem Flugzeug durchgeführt hat, reiche nicht für den Nachweis, dass dieses Unternehmen „alle zumutbaren Maßnahmen" im Sinne von
Art. 5 Abs. 3 ergriffen habe (EuGH, EuZW 2009, 111 = NJW 2009, 347).
Soweit sich die Beklagte darauf beruft, ein außergewöhnlicher Umstand sei daraus herzuleiten, dass aufgrund von Gewitterzellen von der unmittelbaren
Flugroute habe abgewichen werden müssen, ist zunächst folgendes zu berücksichtigen: Nicht der streitgegenständliche Flug wurde durch ein Gewitter
verzögert, sondern betroffen war ein vorheriger Flug des Flugzeugs, das für den streitgegenständlichen Flug eingesetzt werden sollte. Wenn ein
Flugunternehmen gleich im Anschluss an einen Flug das Flugzeug für einen weiteren Flug einsetzen will, ist es bei den Planungen gehalten, ausreichende
Zeitpuffer vorzusehen. Bei den Planungen ist zu berücksichtigen, dass die Crew wegen Flugdienstzeitüberschreitung möglicherweise nicht mehr für den
anschließenden Flug eingesetzt werden kann. Entsprechende Vorkehrungen hat die Beklagten nicht vorgetragen. Die Verspätung aufgrund der Gewitterzellen
betrug zudem nur 27 Minuten, so dass hieraus keine ca. elfstündige Verspätung gerechtfertigt sein kann. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass Gewitterzellen
zu den Vorkommnissen zählen, die bei Flügen häufig auftreten, was ebenfalls gegen die Annahme eines „außergewöhnlichen Umstands" spricht.
Es besteht nach Auffassung der Kammer kein Anlass für eine eigene Vorlage an den Europäischen Gerichtshof gem. Art. 267 AEUV. Wenn nämlich die
sichere Überzeugung besteht, dass auch andere Gerichte der Mitgliedsstaaten keine andere Auslegung vornehmen würden, ist eine Vorlage nicht einmal durch
das letztinstanzlich entscheidende Gericht erforderlich (siehe BGH NJW 2009, 2740 Rn 17). Soweit die Berufungsklägerin meint, eine Vorlage an den EuGH
habe unter dem Gesichtspunkt zu erfolgen, dass der EuGH kompetenzüberschreitend und europarechtswidrig entschieden habe, ist eine Vorlage nicht von Art.
267 EU-Arbeitsweisevertrag gedeckt, da hierdurch allein Auslegungsfragen geklärt werden sollen. Auslegung ist die Ermittlung des Inhalts einer Vorschrift mit
Blick auf einen bestimmten Sachverhalt (Kotzur in Geiger/Khan/Kotzur, Kommentar zum EUV/ AEUV, 5. Aufl., Art. 267 Rn 7). Hinsichtlich der
Anwendbarkeit des Art. 7 der VO sowie hinsichtlich der Auslegung des Art. 5 Abs. der VO bei technischen Problemen hat der EuGH die Vorlagefragen jedoch
bereits erschöpfend entschieden (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 14.07.2006, 2 BvR 264/06, BVerfG, Beschluss vom 25.02.2010, NJW 2010,
1368). Die Vorlagefragen sind eindeutig beantwortet, wenngleich sich der EuGH auch nicht mit allen von der Beklagten nunmehr angeführten Argumenten
befasst haben mag.
Eine Aussetzung des Verfahrens, bis der Europäische Gerichtshof gem. Art. 1 Abs. 3 AEUV über das Vorabentscheidungsersuchen des Landgerichts Köln zu
AZ 10 S 224/10 entschieden hat, kommt nicht in Betracht. Vorgreiflichkeit ist dann anzunehmen, wenn im anderen Verfahren über ein Rechtsverhältnis
entschieden wird, dessen Bestehen für den vorliegenden Rechtsstreit präjudizielle Bedeutung hat. Der EuGH entscheidet zum einen nicht über das Bestehen
eines Rechtsverhältnisses, sondern über die Auslegung einer Norm. Zum anderen ist die Entscheidung nur für das vorlegende Gericht bindend (Kommentar
Geiger/Khan/Kotzur, EUV/AEUV, Art. 267 Rn 37). Schließlich ist zu berücksichtigen, dass der EuGH hinsichtlich der Gleichstellung von Annullierung und
großer Verspätung bereits erschöpfend entschieden hat, so dass aufgrund der Vorlage nach Einschätzung der Kammer nicht mit einer anderweitigen
Entscheidung zu rechnen ist. ...
Die Zulassung der Revision ist gem. § 543 Abs. 2 Nr. 1 und 2 ZPO zur Fortbildung des Rechts erforderlich; zudem hat die Sache auch grundsätzliche
Bedeutung. Insbesondere sind die Auslegungsfragen bezüglich Art. 3 Abs. 1 b), der VO bisher noch nicht höchstrichterlich geklärt. ..." (LG Köln, Urteil vom
21.09.2011 - 13 S 132/11)
***
„... Den Klägern steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung einer Ausgleichszahlung in Höhe von jeweils 400 € zu (Art. 5, 6, 7 Abs. 1 Buchst, b
EU-VO 261/2004).
Nach der Entscheidung des EuGH vom 19.11.2009 (Az. C-402/07, C- 432/07; RRa 09, 282 ff) stehen Fluggästen auch bei einer Verspätung eines Fluges
Ausgleichszahlungen gemäß Art 7 Abs. 1 der EU-VO 261/2004 zu. Denn die Art. 5, 6 und 7 der Verordnung Nr. 261/2004 sind dahin auszulegen, dass die
Fluggäste verspäteter Flüge im Hinblick auf die Anwendung des Ausgleichsanspruchs den Fluggästen annullierter Flüge gleichgestellt werden können und
somit den in Art. 7 dieser Verordnung vorgesehenen Ausgleichsanspruch geltend machen können, wenn sie wegen eines verspäteten Fluges einen Zeitverlust
von drei Stunden oder mehr erleiden, d. h., wenn sie ihr Endziel nicht früher als drei Stunden nach der von dem Luftfahrtunternehmen ursprünglich geplanten
Ankunftszeit erreichen. Eine solche Verspätung führt allerdings dann nicht zu einem Ausgleichsanspruch zugunsten der Fluggäste, wenn das
Luftfahrtunternehmen nachweisen kann, dass die große Verspätung auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden
lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären, also auf Umstände, die von dem Luftfahrtunternehmen tatsächlich nicht zu beherrschen sind.
Diese Voraussetzungen sind in dem vorliegenden Fall erfüllt. Der Abflug der Kläger am 3.11.2009 mit dem Flug ... erfolgte entgegen der Planung nicht um
11.25 Uhr, sondern erst um 21.00 Uhr. Die Kläger erreichten das Ziel in Frankfurt am Main anstatt 14.05 Uhr erst um 23.35 Uhr, mithin mit einer Verzögerung
von 9 ½ Stunden.
Zwar beruhte die Verzögerung auch auf außergewöhnlichen Umstände i.S.d. Art 5 Abs. 3 EU-VO 261/2004. Denn wesentlicher Grund für die Verzögerung
war der Einbau eines sog. Stretchers in das Flugzeug, damit ein erkrankter Passagier in dem Flugzeug mitbefördert werden konnte.
Allerdings entfallt eine Entschädigungspflicht des Luftfahrtunternehmens nicht allein dadurch, dass ein außergewöhnlicher Umstand vorliegt, sondern nur dann,
wenn sich die Verzögerung auch dann nicht hätte vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären (Art. 5 Abs. 3 EU-VO
261/2004).
Das bedeutet, dass das Luftfahrtunternehmen verpflichtet ist, die zumutbaren Maßnahmen zu ergreifen, damit die Verzögerung vermieden werden kann.
Nach dem zu Grunde liegenden Sachverhalt war dies jedoch nicht der Fall. Zu berücksichtigen ist, dass das Flugzeug, mit dem die Kläger nach Frankfurt am
Main hätten fliegen sollen, zuvor aus Goa/Indien gekommen und in Antalya mit einer Verspätung von 49 Minuten gelandet war. Da für den Einbau des
Stretchers eine Zeit von 60 Minuten erforderlich war, führte diese Verzögerung von 1 Stunde 49 Minuten dazu, dass die Crew, wäre sie mit dem Flugzeug
weiter geflogen, ihre maximale Dienstzeit überschritten hätte. Deswegen musste eine Ersatzcrew eingeflogen werden, was letztlich zu der Verzögerung von 9 ½
Stunden führte.
Allerdings hätte die Beklagte die Verzögerung von 9 ½ Stunden vermeiden können, wenn sie dafür gesorgt hätte, dass in Antalya eine Ersatzcrew zur
Verfügung steht. Denn damit hätte sich eine Verzögerung von weniger als 3 Stunden ergeben. Das Flugzeug hätte 60 Minuten nach der Landung zum
Weiterflug zur Verfügung gestanden.
Die Beklagte hatte auch Anlass dafür anzunehmen, dass eine Ersatzcrew benötigt wird.
Denn die Flugzeit der Crew war ausgeschöpft mit einem zeitlichen Puffer von weniger als 1 Std. 49 Minuten.
Nach ihrem eigenen Vortrag wusste die Beklagte seit dem 30.10.2009 von der Notwendigkeit eines Stretcher-Einbaus. Ihr war deshalb klar, dass von dem
Zeitpuffer 1 Stunde verbraucht wird durch den Einbau des Stretchers, weshalb sich der zeitliche Puffer auf weniger als 49 Min. verringerte. Bei einer
Flugstrecke von Goa nach Frankfurt am Main mit einer Zwischenlandung in Antalya liegt es nicht außerhalb jeder Wahrscheinlichkeit, sondern ist vielmehr
abzusehen, dass sich Verzögerungen ergeben können, die 49 Min. übersteigen werden.
In dieser konkreten Situation hätte die Beklagte deshalb dafür Sorge tragen müssen, in Antalya eine Ersatzcrew vorzuhalten, die mit dem Weiterflug nach
Frankfurt am Main betraut wird, da eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür bestand, dass die Flugzeit der Crew, die aus Goa weggeflogen war, nicht für einen
Weiterflug nach Frankfurt am Main ausreichen wird.
Das Vorhalten einer Crew in Antalya stellt auch eine zumutbare Maßnahme dar. Denn um zu vermeiden, dass jede auf dem Eintritt außergewöhnlicher
Umstände beruhende Verspätung, sei sie auch geringfügig, zwangsläufig zur Annullierung oder Verspätung des Fluges führt, muss ein vernünftig handelndes
Luftfahrtunternehmen seine Mittel rechtzeitig planen, um über eine gewisse Zeitreserve zu verfügen und den Flug möglichst bald nach dem Wegfall der
außergewöhnlichen Umstände weiter durchführen zu können (vgl EuGH Urt. v. 12.5.2011, Az. C-294/10, R 28, zit. nach juris).
Angesichts der Tatsache, dass die Notwendigkeit eines Stretcher-Einbaus bereits am 30.9.2010, mithin 4 Tage vor dem streitgegenständlichen Flug bekannt
war, hätte sie eine Crew vorsorglich nach Antalya schicken können, um den sofortigen Weiterflug nach Frankfurt am Main nach dem Einbau sicherzustellen.
Auch im Streitfall war es der Beklagten möglich, kurzfristig eine Crew nach Antalya einfliegen zu lassen.
Gegen die Höhe der Ausgleichszahlung erhebt die Beklagte in der Berufungsbegründung keine Einwendungen. Auch die Berechtigung des Klägers zu 3. wird
in der Berufungsbegründung nicht mehr in Zweifel gezogen.
Begründet ist die Berufung jedoch im Hinblick auf die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten. Solche können die Kläger nicht erstattet verlangen, weil ein
Anlass der Kläger, einen Rechtsanwalt mit einer vorgerichtlichen Tätigkeit zu beauftragen, nicht bestanden hat. Denn die Kläger haben sich zunächst eines
Inkassoinstituts, der ..., bedient, um ihre Ansprüche geltend zu machen. Diese hat mit der Beklagten eine vorgerichtliche Korrespondenz geführt, im Rahmen
dessen die Beklagte mit ihrem Schreiben vom 6.1.2010 Ansprüche eindeutig abgeleimt hat. Auf dieser Grundlage hatten die anwaltlich beratenen Kläger
hinreichenden Anlass anzunehmen, dass auch ein weiteres vorgerichtliches Schreiben nicht zu einer Zahlungsbereitschaft führt, sondern vielmehr, wie dann
letztlich auch geschehen, eine Klageerhebung notwendig ist. Auf dieser Grundlage verstoßen die Kläger gegen ihre Schadensgeringhaltungspflicht gemäß § 254
Abs. 2 BGB gegenüber der Beklagten, wenn sie trotzdem ihren Prozessbevollmächtigten noch einen Auftrag für eine vorgerichtliche Tätigkeit erteilen und
solche Kosten von der Beklagten erstattet verlangen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen, weil ihr Rechtsmittel nur in Bezug auf eine Nebenforderung erfolgreich war, die sich
insbesondere nicht auf den Streitwert auswirkt (§§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 97 ZPO; 43 GKG).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Ein Rechtsmittel gegen diese Entscheidung besteht nicht nachdem die Beschwer für eine Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 26 Nr. 8 EGZPO in der Fassung
des 2. JuMoG vom 22.12.2006 nicht erreicht wird.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer
einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 ZPO). Die Entscheidung beschränkt sich auf die Bewertung
eines Einzelfalls unter Berücksichtigung und Anwendung der aktuellen Rechtsprechung des EuGH. ..." (LG Frankfurt, Urteil vom 02.09.2011 - 24 S 47/11)
***
„... Die Kläger haben einen Anspruch auf Ausgleichsleistung in Höhe von jeweils 400,-- € für den erheblich - über drei Stunden - verspätet durchgeführten
Flug von Teneriffa Süd nach Frankfurt am Main.
Bei einer solchen großen Verspätung stehen nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 19.11.2009 und der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
dem Fluggast wie bei einer Annullierung des Flugs ein Anspruch auf eine Ausgleichszahlung nach Art. 7 zu, sofern er sein Endziel nicht früher als drei Stunden
nach der geplanten Ankunftszeit erreicht und die große Verspätung nicht auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten
vermeiden lassen, wenn von dem Luftfahrtunternehmen alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären.
Die Beklagte hat keine ausreichenden Umstände vorgetragen, wonach die Verspätung auf außergewöhnliche Umstände zurückging, die sich auch dann nicht
hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären (Art. 5 Abs. 3 EG-VO).
Ursache für die letztendliche Verspätung des Fluges sei ein technischer Defekt der für den Umlauf DE 66648/6659 vorgesehenen Maschine mit der amtlichen
Registrierung D-ABOK gewesen. An einem bereits vier Tage zuvor nach einem Flüssigkeitsaustritt (Hydraulikleckage) ausgetauschten Störklappenantrieb
(Spoiler Actuator) sei erneut eine Leckage festgestellt worden, weshalb ein weiterer Austausch erforderlich gewesen sei. Bei der danach initialisierten
Fehlersuche in dem sehr komplexen Störklappen- und Schubumkehrsystem sei dann festgestellt worden, dass ein Rückschlagventil als Teil der Komponente,
mit der ein Schubumkehrer vollständig von der hydraulischen Versorgung abgekoppelt werden kann (Isolation Valve), nicht korrekt geschlossen und deshalb
einen hydraulischen Systemdruck von 210 bar auf das Steuerungsventil der Störklappe gebracht habe, was wiederum zu einem Riss im dafür nicht ausgelegten
Gehäuse dieses Ventils und damit zur Leckage geführt habe.
Im Ergebnis hat dieser, von dem Zeugen ... in seiner schriftliche Aussage vom 29.11.2010 bestätigte, technische Defekt zu der vorliegenden Verspätung geführt.
Technische Probleme, die zu einer Verspätung führen, stellen aber keinen außergewöhnlichen Umstand im Sinne der EG-VO dar, es sei denn, das
Problem geht auf Vorkommnisse zurück, die aufgrund ihrer Natur oder Ursache nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des betroffenen
Luftfahrtunternehmens sind und von ihm tatsächlich nicht zu beherrschen sind (vgl. dazu EuGH, a.a.O., Tz. 72; EuGH, Urteil vom 22.12.2008, Az:
C-549/07, Tz. 34).
Der Wortlaut des Art. 5 Abs. 3 der Verordnung lässt zwar offen, ob zu "außergewöhnlichen Umständen" im Sinne der Verordnung auch "unvorhersehbare
technische Probleme" des Fluggeräts zählen.
Die Frage wird daher in Rechtsprechung und Literatur kontrovers behandelt. Nach einer Ansicht können technische Defekte grundsätzlich als
außergewöhnliche Umstände im Sinne von Art. 5 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 angesehen werden (vgl. OLG Köln, Urteil vom 27.05.2010, Az: 7
U 199/09, -juris-; LG Köln, Urteil vom 29.04.2008, Az: 11 S 176/07, abgedruckt in RRa 2008, 185 ff = NJW-RR 2008, 1587; LG Berlin, Urteil vom
07.02.2008, Az: 57 S 26/07, abgedruckt in RRa 2008, 89; AG Köln, Urteil vom 05.04.2006, Az: 118 C 595/05, abgedruckt in RRa 2006, 275; AG Frankfurt a.
M., Urteil vom 16.02.2007, Az: 30 C 1701/06, abgedruckt in RRa 2007, 137 mit zustimmender Anmerkung Tonner; Urteil vom 24.08.2006, Az: 31 C
1457/06-17, abgedruckt in RRa 2007, 133; Müller-Rostin, NZV 2007, 221 und NZV 2009, 430).
Zur Begründung wird angeführt, nicht haltbar sei die Behauptung, technische Mängel hätten - von Außenwirkungen abgesehen - ihre Ursache immer in
mangelnder oder mangelhafter Wartung, Bedienungsfehlern oder Ähnlichem. Trotz Einhaltung der vorgeschriebenen Wartungsintervalle lasse es sich zuweilen
nicht verhindern, dass ein Einzelteil vor der nächsten fälligen Wartung defekt wird, z. B. wegen vorzeitiger Materialermüdung oder wegen übermäßiger
Beanspruchung. Flugzeuge seien besonders komplexe technische Geräte, bei denen durchaus flug- oder sicherheitstechnisch bedeutsame Bauteile von
plötzlichen oder unvorhersehbaren technischen Defekten betroffen sein könnten. Auch verbiete sich eine Heranziehung der englischen Begriffe, denn in
Deutschland sei die deutsche Fassung der Verordnung maßgebend. Somit dürften zu "Flugsicherheitsmängeln" alle Mängel, insbesondere aber technische
Mängel zu zählen sein, die sich negativ auf die sichere Durchführung des Fluges auswirken könnten. Es müsse jedoch ein "unerwarteter Flugsicherheitsmangel"
sein, der zudem auch durch Ergreifen aller zumutbaren Maßnahmen nicht hätte verhindert werden können (vgl. Müller-Rostin, a.a.O.)
Nach anderer Ansicht ist das zur Annullierung eines Fluges führende Vorliegen eines technischen Defekts nicht geeignet, den Entlastungsbeweis im Sinne von
Art. 5 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 zu führen (vgl. LG Düsseldorf, Urteil vom 07.05.2009, Az: 22 S 215/08, abgedruckt in BeckRS 2009, 23735
= RRa 2009, S. 186 ff; AG Frankfurt a.M., Urteil vom 03.02.2010, Az: 29 C 2088/09, abgedruckt in BeckRS 2010, 11001; AG Köln, Urteil vom 10.03.2010,
Az: 132 C 304/07, -juris-; Schmid, NJW 2006, 1841, 1844). Denn technische Probleme hätten - von Außeneinwirkungen wie Vogelschlag oder Hagel
abgesehen - ihre Ursache immer in mangelnder, mangelhafter oder hinausgeschobener Wartung, in Bedienungsfehlern der Piloten oder Ähnlichem und lägen
daher allein in der besonderen Risikosphäre eines Luftfahrtunternehmens. Insbesondere seien sicherheitsrelevante Bauteile oder Instrumente stets mehrfach an
Bord, um sicherzustellen, dass das Flugzeug noch sicher fliegen könne, wenn eines davon einmal ausfällt (Redundanz). Ein "außergewöhnlicher Umstand"
könne bei technischen Problemen aber auch aus einem anderen Grund nicht angenommen werden: Im Erwägungsgrund 14 der Verordnung finde sich eine
Auflistung von "außergewöhnlichen Umständen", darunter auch die "unerwarteten Flugsicherheitsmängel" ("unexpected flight safety shortcoming"). Dem
gegenüber stehe die Lufttüchtigkeit ("airworthiness") eines Flugzeugs. Dazu bestimme § 25 LuftBO, dass ein Flugzeug stets in einem solchen technischen
Zustand sein müsse, dass es sicher fliegen kann. Nicht lufttüchtig sei ein Flugzeug immer dann, wenn technische Mängel aufträten, z. B. ein Reifen oder das
Fahrwerk beschädigt sei oder ein Leck in der Treibstoffanlage auftrete oder ein Triebwerkschaden festgestellt werde. Wenn aber der Erwägungsgrund 14 der
Verordnung nur auf "unerwartete Flugsicherheitsmängel" ("unexpected flight safety shortcomings"), nicht aber auf die Lufttüchtigkeit abstelle, ergebe sich, dass
dieser Begriff gerade nicht technische Mängel eines Flugzeugs erfasse (vgl. Schmid a.a.O, S. 1844, 1845 m. w. N.).
Die Kammer schließt sich im Ergebnis der letztgenannten Ansicht an.
Das Risiko, dass an dem Fluggerät selbst ein Defekt auftritt, fällt nämlich grundsätzlich in die betriebliche Sphäre der Beklagten. Die Beklagte hat im
vorliegenden Fall keine Gründe vorgetragen, wonach dieses technische Problem seine Ursache in von der Beklagten nicht beherrschbaren Umständen hatte; der
Fehler wurde nach intensiver Suche gefunden. Der vorliegende Defekt - nicht korrekt schließendes Rückschlagventil in der Isolation Valve-Komponente - mag
zwar, wie die Beklagte vorträgt, äußerst selten und ungewöhnlich sein. Allein die Seltenheit eines derartigen Defekts und/oder der zeitliche bzw. logistische
Aufwand zur Beseitigung dieses Mangels, vor dessen Behebung offenbar aus zwingenden Sicherheitsgründen nicht gestartet werden durfte, entlastet den
Luftfrachtführer nach Art. 5 Abs. 3 der genannten EG-VO nicht.
Es geht dabei auch nicht um subjektive Vorwerfbarkeit oder gar Vermeidbarkeit des Defekts, sondern allein darum, dass sich hier das unternehmerische Risiko
des Ausfalls eines "Arbeitsgeräts" realisiert hat. Sollte es sich um einen vom Flugzeughersteller zu vertretenden Konstruktionsfehler, Material- oder
Fabrikationsfehler handeln, bestehen möglicherweise Rückgriffsansprüche der Beklagten diesem gegenüber, den für den konkreten Flug gebuchten Passagieren
kann dies im hier entscheidungserheblichen Innenverhältnis nicht entgegengehalten werden. Der Begriff der "außergewöhnlichen Umstände" wird in der
Verordnung selbst nicht definiert, sondern nur in Ziff. 14 der Erwägungsgründe mittels einer Aufzählung (politische Instabilität, schlechte Wetterbedingungen,
Sicherheitsrisiken, unerwartete Flugsicherheitsmängel und Streiks) präzisiert. Nach Auffassung des EuGH kann zwar auch ein technischer Defekt einen
unerwarteten Flugsicherheitsmangel darstellen, weil ein solcher die Lufttüchtigkeit der Maschine beeinträchtigen kann. Im Zusammenhang mit einem solchen
technischen Defekt kann sich die Fluggesellschaft jedoch nur dann auf außergewöhnliche Umstände im Sinne des Art. 5 Abs. 3 der EG-VO berufen, wenn
dieser nicht im Rahmen der normalen Tätigkeit des Luftfahrtunternehmens aufgetreten ist und von diesem auch nicht beherrschbar war (EuGH, Urteil vom
22.12.2008, Az: C-549/07, Tz. 23; BGH, Urteil vom 12.11.2009, Az: Xa ZR 76/07). Dabei bemisst sich das Kriterium der Beherrschbarkeit insbesondere
danach, ob der betreffende Vorgang unmittelbar in den betrieblichen Ablauf der Fluggesellschaft fällt. An ihr fehlt es, wenn der Fehler oder das Problem aus
einer völlig anderen und deshalb von dem Unternehmen selbst nicht beherrschbaren Sphäre stammt (EuGH a.a.O., Tz. 26). Mithin ist die Beherrschbarkeit an
die Verantwortung für den Vorgang zu knüpfen, weshalb es unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der fraglichen EG-VO maßgeblich darauf ankommt,
in wessen Verantwortungsbereich dieser Vorgang fällt ( so auch AG Frankfurt a.M., Urteil vom 03.02.2010, 29 C 2088/09, abgedruckt in BeckRS 2010,
11001). Für das Vorliegen "außergewöhnlicher Umstände" ist danach - unabhängig von der Kategorisierung als "technischer Defekt" oder "unerwarteter
Sicherheitsmangel" - entscheidend, ob das zugrundeliegende Geschehen ein typisches und in Ausübung der betrieblichen Tätigkeit vorkommendes Ereignis
darstellt oder ob es der Beherrschbarkeit der Fluggesellschaft völlig entzogen ist. Der hier von der Beklagten geschilderte technische Defekt am Fluggerät selbst
fiel eindeutig in die betriebliche Sphäre der Beklagten und damit in ihren Einfluss- und Verantwortungsbereich.
Damit hat die Klage auf Zahlung von Ausgleichsleistungen in Höhe von insgesamt 800,-- € Erfolg.
Die Kläger können Verzugszinsen in der gesetzlichen Höhe ab 28.04.2010 verlangen. Mit Schreiben vom 06.04.2010 haben sie die Beklagte zur Zahlung mit
Fristsetzung bis zum 27.04.2010 aufgefordert; mit Fristlauf ist die Beklagte in Verzug geraten (§§ 286 Abs. 1 S. 2, 288 Abs. 1, 187 Abs. 1 entsprechend BGB).
Aufgrund dessen ist die Beklagte auch verpflichtet, den Klägern den weiteren Verzugsschaden zu ersetzen und die Kläger von den vorgerichtlichen
Anwaltskosten in Höhe von 120,67 € freizustellen. ..." (LG Darmstadt, Urteil vom 20.07.2011 - 7 S 46/11)
*** (AG)
Die Kläger machen gegen die Beklagte Ausgleichsansprüche aus der Fluggastverordnung Nr. 261/2004 geltend. Die Kläger buchten bei der Beklagten eine
Flugreise von Dakar in Senegal nach Hamburg mit einem Zwischenstopp in Brüssel/Belgien für den 12.08.2009. Dabei trat der Kläger zu 1) für seine
minderjährigen Kinder, die Kläger zu 2) und 3), als gesetzlicher Vertreter auf. Der für den 12.08.2009 um 21.50 Uhr geplante Abflug verzögerte sich um über
30 Stunden auf den 14.08.2009 3.00 Uhr nachts. Die Ankunft und Weiterbeförderung verzögerte sich entsprechend. Bereits am 16.08.2009 machte der Kläger
zu 1) entsprechende Ansprüche für die Kläger bei der Beklagten geltend. Die Kläger behaupten, sie hätten die Flugtickets über eine Agentur der Beklagten in
Dakar am 29.07.2009 erworben, ohne dass eine Einbeziehung der AGB der Beklagten erfolgt sei. Die Kläger sind zudem der Auffassung, dass vorliegend
deutsches Recht auf den Vertrag anwendbar sei, zudem stünde belgisches Recht selbst bei Anwendbarkeit desselben einer Verjährung nicht entgegen, da
insoweit das nationale Verjährungsrecht Belgiens durch das vom Senegal und Belgien unterzeichnete Warschauer Abkommen ausgeschlossen sei. Zudem
handele es sich bei den Ausgleichsansprüchen nicht um vertragliche Ansprüche. Die Kläger beantragen, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger zu 1) 600,00
€ nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2009 sowie an den Kläger zu 1) und gemeinsam als gesetzliche Vertreter
der minderjährigen Kläger zu 2) und 3) je 600,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2009 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Die Beklagte behauptet, bei Vertragsschluss seien die AGB der Beklagten einbezogen worden. Hiernach sei auf
den Beförderungsvertrag belgisches Recht anzuwenden. Gleiches ergebe sich auch unter dem Gesichtspunkt der Sachnähe, da die Beklagte ihren Sitz -
unstreitig - in Belgien habe. Ferner ist die Beklagte der Auffassung, dass etwaige Ansprüche nach belgischem Recht verjährt seien, worauf sich die Beklagte
ausdrücklich beruft. Die dortige Verjährungsfrist nach Art. 9 des Belgischen Code de Commerce belaufe sich bei Klagen auf Grundlage von
Beförderungsverträgen auf ein Jahr bei internationalen Transporten.
Ergänzend wird Bezug genommen auf die von den Parteien zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen. ...
Das Amtsgericht Hamburg ist örtlich zuständig, da es sich um einen Flug nach Hamburg gehandelt hat. Auf den Zwischenstopp in Brüssel ist insoweit nicht
abzustellen. Eine solche Klage ist nach Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. \ EuGVVO nach Wahl des Klägers das Gericht des Ortes des Abfluges oder das des Ortes der
Ankunft des Flugzeuges entsprechend der Vereinbarung dieser Orte in dem Vertrag zuständig.
Die Klage ist jedoch nicht begründet. Den Klägern stehen keine Ausgleichsansprüche nach Art. 7 der Verordnung Nr. 261/2004 gegen die Beklagte zu. Die
Ansprüche sind nach dem zugrunde zu legenden belgischen Recht verjährt.
Ausgleichsansprüche aus der Verordnung Nr. 261/2004 unterliegen vorliegend ergänzend belgischem Recht. Vereinbaren die Parteien nichts anderes, unterliegt
der Vertrag dem Sitzrecht des beklagten Luftfahrtunternehmens (vgl. BGH NJW 2011, 2056, Rn. 31 zitiert nach juris). Eine abweichende Rechtswahl ist von
den Parteien vertraglich nicht getroffen worden. Nach Art. 9 des Belgischen Code de Commerce beträgt die Verjährungsfrist für Klagen, die aus einem Vertrag
zur Beförderung von Personen entstehen bei internationalen Beförderungen ein Jahr. Zwar findet der geltend gemachte Anspruch seine Grundlage nicht
unmittelbar in den im Beförderungsvertrag getroffenen vertraglichen Abreden, sondern ist Teil der von der Verordnung zuerkannten gesetzlichen
Mindestrechte. Die vertraglichen Beziehungen zwischen dem Fluggast und dem Luftbeförderungsunternehmen oder einem anderen Unternehmen sind nur
Voraussetzung dafür, dass der Fluggast überhaupt die Mindestrechte nach der Verordnung beanspruchen kann (BGH NJW 2011, 2056, Rn. 33 zitiert nach
juris). Soweit die Verordnung keine Regelungen enthält, wie dies etwa bei den Verjährungsregelungen aber auch einer etwaigen Verzinsung der Fall ist, ist auf
das Vertragsrecht des jeweils maßgeblichen Rechtssystems abzustellen (vgl. BGH NJW 2011, 2056, Rn. 44 zitiert nach juris; EuGH RRa 2013, 17 ff). Die
Verordnung Nr. 261/2004 ist entsprechend dahin auszulegen, dass sich die Frist, innerhalb derer Klagen auf Zahlung der in den Art. 5 bis 7 der Verordnung
vorgesehenen Ausgleichsleistungen erhoben werden müssen, nach den Vorschriften der einzelnen Mitgliedsstaaten über die Klagverjährung bestimmt (EuGH
a.a.O.). Das belgische Recht stellt insoweit auf Ansprüche ab, die aus Transportverträgen hergeleitet werden, dies entspricht jedenfalls der Übersetzung des
Wortes "dérivant". Dies entspricht dem Wortlaut nach einer umfassenden Verjährungsregel im Hinblick auf Ansprüche, die in einem Vertrag ihre Grundlage
haben, wie dies bei den hier vorliegenden Ausgleichsansprüchen der Fall ist. Zudem ist nach der bereits zitierten Rechtsprechung aber auch selbst bei einer
engeren Wortwahl der nationalen Regelung auf das jeweilige Vertragsrecht abzustellen.
Letztlich kommt es auf die Differenzierung zwischen dem Vertragspartner und dem ausführenden Luftfahrtunternehmen bei Ausgleichsansprüchen nach der
Verordnung Nr. 261/2004 nicht an, da die Beklagte nicht nur Vertragspartnerin sondern darüber hinaus auch ausführendes Luftfahrtunternehmen gewesen ist.
Die Kläger können dem nicht entgegenhalten, dass der BGH auf die allgemeinen Regelungen nach § 195 BGB in derartigen Fällen bei der Anwendbarkeit
deutschen Sachrechts abstellt (vgl. BGH NJW 2010, 1526, Rn. 25 zitiert nach juris). Dies ergibt sich bereits aus dem Umstand, dass es keine spezielleren
Regelungen insoweit gibt. Insbesondere das Luftverkehrsgesetz verweist in § 39 lediglich auf die Verjährungsvorschriften für unerlaubte Handlungen des
Bürgerlichen Gesetzbuches. Darüber hinaus gibt es in § 49 a eine Ausschlussfrist, die jedoch auch keine Verjährungsfrist in diesem Sinne darstellt.
Die Regelungen des Montrealer Übereinkommens über etwaige Ausschlussfristen sind im Bereich der Fluggastrechteverordnung weder unmittelbar noch
entsprechend anwendbar (BGH NJW 2010, 1526). Soweit die Kläger auf Art. 29 des Warschauer Abkommens abstellen, vermag sich eine anderweitige
Beurteilung nicht zu ergeben. Danach kann die Klage auf Schadensersatz nur binnen einer Ausschlussfrist von zwei Jahren erhoben werden. Die Frist beginnt
mit dem Tage, an dem das Flugzeug am Bestimmungsort angekommen ist oder an dem es hätte ankommen sollen oder an dem die Beförderung abgebrochen
worden ist (Art. 29 Abs. 1 Warschauer Abkommen). Selbst bei Anwendung des Warschauer Abkommens wäre die erst am 19.11.2011 bei Gericht
eingegangene Klage nicht mehr innerhalb der Klagfrist erfolgt. Im Übrigen ist nach der Rechtsprechung des EuGH davon auszugehen, dass Art. 29 des
Warschauer Abkommens ebenso wie das Montrealer Übereinkommen nicht auf Ansprüche nach den Art. 5 bis 7 der Verordnung Nr. 261/2004 anwendbar sind
(EuGH a.a.O., Rn. 29 zitiert nach juris). ..." (AG Hamburg, Urteil vom 21.08.2013 - 8a C 386/12)
***
Das Luftfahrtunternehmen schuldet auch dann keine Ausgleichszahlung, wenn die außergewöhnlichen Umstände im Sinne des Art. 5 Abs. 3
Fluggastrechteverordnung den dem gebuchten Flugabschnitt unmittelbar vorangehenden Flugabschnitt betreffen (hier: Nebel verhindert Landeanflug der
eingeplanten Maschine am Abflugflughafen). Nach Art. 5 Abs. 3 der Fluggastrechteverordnung obliegt es dem Luftfahrtunternehmen nicht, alle zumutbaren
Maßnahmen zu ergreifen, um die Annullierung zu vermeiden bzw. das Ausmaß der Verspätung gering zu halten. Vielmehr ist zu fragen, ob die
außergewöhnlichen Umstände durch Ergreifung zumutbarer Maßnahmen vermeidbar gewesen wären (AG Bremen, Urteil vom 02.05.2013 - 9 C 523/12).
***
Ein Flugpauschalreisender kann eine Ausgleichsentschädigung wegen Nichtbeförderung von Spanien nach Deutschland am Gericht seines Wohnortes
gegen das ausführende Luftfahrtunternehmen geltend machen. Der Anwendungsbereich des Art. 5 Abs. 3 der Verordnung (EG) 261/2001 ist restriktiv
auszulegen und lässt sich nicht auf Fälle der Nichtbeförderung ausweiten (AG Gießen, Urteil vom 23.04.2013 - 49 C 381/12):
„... Der Kläger nimmt die Beklagte als ausführendes Luftfahrtunternehmen aus eigenem und abgetretenem Recht in Anspruch. Der Kläger und die Mitreisende
Zeugin ‚…' buchten bei dem Reiseveranstalter ‚…' eine Flugpauschalreise nach Andalusien (Flugstrecke 1884,5 km). Hin und Rückflug sollten von der
Beklagten durchgeführt werden. Der Rückflug sollte am 14.09.2011 von Jerez über Madrid nach Frankfurt am Main erfolgen (Abflugzeit 12:30 Uhr, geplante
Ankunftszeit: 22:25). Der Kläger und die Zeugin ‚…' verfügten jeweils über einen Fluginfovoucher für diesen Flug. Bei dem Rückflug kam es aufgrund eines
verspäteten Abflugs in Jerez (Flugnummer IB 0159) zu Unregelmäßigkeiten in Madrid. Trotz Verspätung befand sich der Anschlussflug Madrid-Frankfurt
(Flugnummer IB 3512) noch im regulären Boarding-Betrieb. Dennoch erhielt der Kläger vom Mitarbeiter am Check-in Schalter die Information, dass alle
vorgesehenen Plätze für Fluggäste der Flugstrecke Jerez-Madrid-Frankfurt bereits umgebucht wurden, und der Kläger und die Zeugin ‚…' die ursprünglich für
sie vorgesehene Flugverbindung nicht weiter antreten dürften. Andere Fluggäste durften auch weiterhin und später noch das Flugzeug besteigen. Für den Kläger
und die Zeugin ‚…' wurde stattdessen eine Ersatzbeförderung am darauffolgenden Tag per Umbuchung organisiert, so dass der Kläger und die Zeugin ‚…' etwa
12 Stunden später als ursprünglich vorgesehen in Frankfurt am Main eintrafen. Die Zeugin ‚…' trat die ihr gegenüber der Beklagten angeblich zustehenden
Ansprüche an den Kläger ab. Die Flugunregelmäßigkeiten wurden gegenüber der Beklagten mit Schreiben vom 31.08.2012 und 06.09.2012 geltend gemacht.
Die Beklagte antwortete darauf mit Schreiben vom 05.09.2012 und 12.09.2012, sie habe aufgrund von Einschränkungen des Flugverkehrs die
Startgenehmigung für den ersten Flug später als geplant erhalten, woraufhin es zu der eingetretenen Verspätung gekommen sei, die zur Unterschreitung der
Mindestumsteigzeit geführt habe. Mit dieser Begründung lehnte die Beklagte eine Entschädigungszahlung ab. ...
Die Klage ist zulässig. Die örtliche Zuständigkeit des Gerichts leitet sich unmittelbar aus Art. 15 Abs. 1 lit. c in Verbindung mit Art. 16 Abs. 1, Art. 60 Abs. 1
der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 (EuGVVO) her.
Die Verordnung ist gem. Art. 1 Abs. 1 EuGVVO anwendbar, weil es sich im Vorliegenden um eine Zivilsache im Sinne der Norm handelt. Die Begrifflichkeit
bestimmt sich nach autonomer Auslegung (Hüßtege in: Putzo, Art. 1 EuGVVO, Rn. 1), so dass der - eine Beförderungsleistung betreffende Anspruch, der ein
Rechtsverhältnis im Sinne des BGB darstellt - Streitgegenstand auf Zivilrecht beruht. Bei dem vom Kläger geltend gemachten Anspruch handelt es sich zudem
um eine Verbrauchersache nach Art. 15 EuGVVO, so dass sich der Gerichtsstand auch nach dem Wohnort des Verbrauchers begründet. Zudem macht der
Kläger hier Forderungen geltend, die nicht seiner beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit zuzurechnen sind. Der Ausschlusstatbestand des Art. 15 Abs. 3
EUGVVO greift nicht. Zwar entzieht er Beförderungsverträge dem Anwendungsbereich der Norm, ausgenommen sind ausweislich des Wortlauts jedoch
wiederum Reiseverträge, die für einen Pauschalpreis kombinierte Beförderungs- und Unterbringungsleistungen vorsehen. Einen solchen Vertrag hat der Kläger
mit der ‚…' in ‚…' geschlossen, in dessen Rahmen die von der Beklagten auszuführenden Beförderungsleistungen zu erbringen waren.
Durch Einreichung des Formblatts A der Verordnung (EG) Nr. 861/2007 (EuGFVO) bei dem zuständigen Gericht, hat der Kläger die Klage auch in der nach §
253 Abs. 1 ZPO gebotenen Form erhoben. Nach § 1097 Abs. 1 ZPO können die Formblätter als Schriftsatz (§ 130 ZPO) eingereicht werden, womit der in § 253
ZPO für die Klageschrift bestimmten Form genüge getan wurde. Das europäische Verfahren für geringfügige Forderungen ist für die klägerische
Rechtsverfolgung auch statthaft. Die Rechtssache ist grenzüberschreitend im Sinne von Art. 3 Abs. 1 EuGFVO, weil der Kläger seinen Wohnsitz in
Deutschland und die Beklagte ihren Sitz im Königreich Spanien hat. Der Streitwert der Klage überschreitet auch den in Art. 2 Abs. 1 Satz 1 EuGFVO
bestimmten Höchststreitwert von 2.000.- € nicht.
Die Klage ist auch teilweise begründet. Dem Kläger stehen Ausgleichsansprüche aus Art. 4 Abs. 3 i.V.m. Art. 7 Abs. 1 lit. a Verordnung (EG) Nr. 261/2006
(EuFlugVO) zu.
Auch wenn der Kläger mit der Beklagten nicht unmittelbar einen Beförderungsvertrag geschlossen hat, ergibt sich deren Passivlegitimation aus den Art. 4 und 7
EuFlugVO. Zwar steht der Kläger in unmittelbarer Vertragsbeziehung nur mit der Reiseveranstalterin ‚…'. Die Durchführung der Flüge oblag allerdings nicht
dieser, sondern der von ihr beauftragten Fluggesellschaft. Alleine Adressat der EuFlugVO ist schon das ausführende Luftfahrtunternehmen im Sinne von Art. 2
lit. b EuFlugVO und nicht der Veranstalter von Pauschalreisen (BGH, Beschluss vom 11.03.2008, Az. X ZR 49/07, Rn. 9 ff., zit. nach juris). Ferner ist der
Anwendungsbereich der EuFlugVO nach Art. 3 Abs. 1 lit. a eröffnet. Der Kläger hat den Flug in Madrid und damit an einem Flughafen innerhalb des Gebiets
eines Mitgliedstaats angetreten, der den Bestimmungen des Vertrags unterliegt. Die Weiteren konstitutiven Voraussetzungen des Abs. 2 liegen ebenfalls vor.
Als Fluggast besaß der Kläger eine bestätigte Buchung für den betreffenden Flug von Madrid nach Frankfurt am Main, dessen planmäßige Abflugzeit
ausweislich des von ihm in Ablichtung vorgelegten Fluginfovouchers auf 19.45 Uhr angesetzt war. Der Kläger hat sich auch rechtzeitig im Sinne von Art. 3 lit.
a 2. Gedankenstrich EuFlugVO eingefunden. Eine Abfertigung wie in der Vorschrift ausdrücklich gefordert, war hierbei entbehrlich, da es einer erneuten
Abfertigung am Flughafen des Anschlussfluges nicht bedurfte. (vgl. BGH, Urteil vom 28.08.2012, Az. X ZR 128/11,Rn. 18 ff.). Jedenfalls hat sich der Kläger
noch so rechtzeitig am Flugsteig eingefunden, dass die Boardingphase noch nicht abgeschlossen und reguläres Boarding noch möglich war. Dem Erscheinen
des Klägers am Abflugort des Anschlussfluges lässt sich entnehmen, dass er auch gewillt war, diesen zu nehmen und er an dem Flug tatsächlich teilnehmen
wollte. Dennoch wurde er unter dem Hinweis, dass alle vorgesehenen Fluggäste bereits auf einen anderen Flug umgebucht worden seien und die ursprünglich
vorgesehene Flugverbindung nicht angetreten werden könnte, abgewiesen und von einem Flug, für den er eine Buchung besaß, auf einen anderen Flug - der
dann erst am nächsten Morgen ging - verlegt. Die Zurückweisung des Klägers stellte dann eine Verweigerung der Beförderung dar (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 22,
zit. nach juris).
Die Forderung des Klägers gegen die Beklagte gründet demgemäß auf Art. 4 Abs. 3. Ihm wurde auch gegen seinen Willen die Beförderung verweigert, ohne
dass das Luftfahrtunternehmen hierfür vertretbare Gründe im Sinne von Art. 2 lit. j EuFlugVO genannt hat. Insofern die Beklagte darauf verweist, dass der
vorhergehende Flug von Jerez de la Frontera nach Madrid aufgrund der verspäteten Erteilung einer Startgenehmigung erst mit großen Verzögerungen starten
konnte und sich daher negativ auf den Anschlussflug von Madrid nach Frankfurt ausgewirkt habe, überzeugt dies nicht. Denn immerhin war in dem Zeitpunkt
als der Kläger am Flugsteig des Anschlussfluges ankam, die Boardingphase noch nicht abgeschlossen. Der Kläger hätte diesen Flug ohne weiteres antreten
können. Will sich die Beklagte mit ihrem Vorbringen dagegen auf ein Nichtbestehen der Ausgleichspflicht nach Art. 7 sogar wegen Art. 5 Abs. 3 EuFlugVO
berufen, ist dem kein Erfolg zu beschieden. Zwar sind Luftfahrtunternehmen nach letzterer Vorschrift nicht zur Ausgleichszahlung verpflichtet, wenn sie
nachweisen können, dass die Annullierung oder die große Verspätung auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden
lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären, also auf Umstände, die von dem Luftfahrtunternehmen tatsächlich nicht zu beherrschen sind
(EuGH, Urteil vom 19.11.2009, Az. C-402/07 und C-432/07, Rn. 69, zit. nach juris). Dies betrifft allerdings auch ausschließlich den Fall des Art. 5 und lässt
sich nicht auf Fälle der Nichtbeförderung ausweiten, insofern ist der Anwendungsbereich des Art. 5 Abs. 3 EuFlugVO restriktiv auszulegen (EuGH, Urteil vom
04.10.2012, Az. C-22/11, Rn. 38 ff., zit. nach juris).
Dem Kläger steht nach Art. 7 Abs. 1 lit. a EuFlugVO somit ein Ausgleichsanspruch in Höhe von 250.- € zu. Maßgeblich hierfür ist die Nichtbeförderung von
Madrid nach Frankfurt am Main, auch wenn Gegenstand der Beförderung im Ganzen eine solche von Jerez de la Frontera nach Frankfurt am Main, lediglich
mit Zwischenlandung in Madrid, war. Von der Rechtsprechung anerkannt ist, dass nicht auf den originären Abflugort abzustellen ist - hier Jerez de la Frontera -
sondern die einzelnen Flüge isoliert zu betrachten sind und damit im Vorliegenden von zwei Flügen ausgegangen werden muss (BGH, Urteil vom 13.11.2012,
Az. X ZR 12/12, Rn. 13; LG Frankfurt, Urteil vom 13.09.2012, Az. 2-24 S 95/12, 2/24, Rn. 44 ff. m.w.N., zit nach juris). Die dem Gericht bekannte Entfernung
der Flughäfen Madrid - Frankfurt am Main beläuft sich auf 1.420 Kilometer und unterfällt dem Art. 7 Abs. 1 lit. a EuFlugVO, der pro Fluggast
Ausgleichzahlungen in Höhe von 250.- € vorsieht.
Ein Anspruch auf weitere 250.-€ ergibt sich aus dem seitens der Zeugin ‚…' an den Kläger abgetretenen Recht inhaltsgleichen Anspruchs.
Der Anspruch auf Verzugszinsen ergibt sich aus §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 1 BGB. Mit Schreiben vom 06.09.2012 hat der Kläger die Beklagte unter Fristsetzung
bis zum 14.09.2012 zur Zahlung aufgefordert. Demnach befindet sich die Beklagte seit dem 15.09.2012 in Verzug. ..."
***
Bei Problemen mit dem Kabinendruck eines Flugzeugs handelt es sich um technische Probleme, die beim Betrieb eines Flugzeugs regelmäßig auftreten und
daher nicht als außergewöhnlicher Umstand anzusehen sind (AG Nürnberg, Urteil vom 05.04.2013 - 18 C 1210/13).
***
„... Ein Ausgleichsanspruch des Klägers i.H.v. 600,00 Euro aus Art. 5 Abs. 1 c) i.V.m. Art. 7 Abs. 1 c) der Verordnung scheidet bereits aufgrund fehlender
Passivlegitimation der Beklagten aus.
Gemäß Art. 5 Abs. 1 c)/ Art. 6 der Verordnung in Verbindung mit der Rechtsprechung des EuGH zur Gleichstellung von Annullierungsfällen und
Nur-Verspätungsfällen, richtet sich der Anspruch gegen "das ausführende Luftfahrtunternehmen". Nach Art. 2 b) der Verordnung ist "ausführendes
Luftfahrtunternehmen" ein Luftfahrtunternehmen, das im Rahmen eines Vertrages mit einem Fluggast oder im Namen einer anderen - juristischen oder
natürlichen - Person, die mit dem betreffenden Fluggast in einer Vertragsbeziehung steht, einen Flug durchführt oder durchzuführen beabsichtigt. Dabei besteht
zurecht Einigkeit darüber, dass grundsätzlich entscheidend ist, welches Unternehmen mit dem von ihm bereitgestellten Flugzeug und Personal die
Beförderungsleistung tatsächlich erbringt und nicht mit welchem Luftfahrtunternehmen der Vertrag über die Flugreise geschlossen wurde (vgl. BGH NJW
2010, S. 1522; Urteil des AG Bremen vom 10.10.2011, AZ: 16 C 89/11). Hintergrund dessen ist, dass das tatsächlich agierende Unternehmen aufgrund seiner
Präsens am Flughafen vor Ort in der Regel am besten dazu in der Lage ist, die Verpflichtungen zu erfüllen, vgl. hierzu BGH NJW 2010, S. 1522.
Ausführendes Luftfahrtunternehmen des verspäteten Fluges Nr. ... ... von Stuttgart nach Z Z war hier die SE AG, die zwar eine 100 %ige Tochtergesellschaft
der Beklagten darstellt, gleichwohl eine selbständige juristische Person ist und somit nicht identisch mit der Beklagten ist.
Vorliegend besteht auch kein Grund hiervon abzuweichen - etwa im Anschluss an eine vom Kläger in seinem Schriftsatz vom 23.09.2012, vgl. Bl. 22 d.GA.
angesprochene Entscheidung des AG Bremen vom 10.10.2011, AZ: 16 C 89/11 - und ausnahmsweise dennoch eine Passivlegitimation der Beklagten
anzunehmen. Entscheidend ist vielmehr, dass "ausführendes Luftfahrtunternnehmen" immer nur ein Unternehmen sein kann, weshalb auch
Eigentumsverhältnisse an dem für den Flug eingesetzten Flugzeug nichts ändern, vgl. etwa BGH NJW 2010, S. 1522 ff. Dass sich Luftfahrtunternehmen der
Praxis des sog. Codesharing bedienen oder wiederum eigene Tochtergesellschaften gründen bzw. ausgliedern und damit Einfluss auf die Durchführung anderer
"ausführender Luftfahrtunternehmen" haben, war dem Verordnungsgeber bei Erlass der Verordnung bekannt, vermag somit an der zu treffenden Bestimmung
des "ausführenden Luftfahrtunternehmens" letztlich nichts zu ändern.
So gehört etwa die Beklagte ihrerseits zum Konzern der De AG und ist Mitglied der St. Diese "Zusammengehörigkeit" hatte möglicherweise im vorliegenden
Fall insoweit für den Kläger Bedeutung, dass er am 23.02.2009 mit einer Maschine der De von F nach H fliegen konnte/musste. Dass bei diesem Flug nicht die
SI AG, die Beklagte, trotz ihrer Zugehörigkeit zum De-Konzern und trotz ursprünglich vom Kläger geplanten Fluges mit der Beklagten nach H nicht
"ausführendes Luftfahrtunternehmen" ist, bietet keinen Anlass zur Diskussion.
Des weiteren hat die Beklagte hier auch nicht bewusst verschleiert wer "ausführendes Luftfahrtunternehmen" des Fluges Stuttgart-Z ist. Zwar mag allein die
Bezeichnung auf der Bordkarte "S" in der Tat nicht hinreichend klar sein zur Bestimmung des "ausführenden Luftfahrtunternehmens", allerdings sind die
Gesamtumstände entscheidend. Insoweit konnte der Kläger sowohl seinem Reiseplan die genaue Bezeichnung des "ausführenden Luftfahrtunternehmens"
entnehmen, als auch vor Ort in Stuttgart konnte er beim Betreten des Flugzeuges erkennen, wer "ausführendes Luftfahrtunternehmen" ist. Letztlich hat auch die
- zwar uneindeutige - Bordkarte jedenfalls nicht suggeriert, die Beklagte sei "ausführendes Luftfahrtunternehmen". Vielmehr erlaubte diese lediglich keine
genauere Bestimmung.
Schließlich vermag auch die mit dem Kläger geführte Korrespondenz, vgl. Bl. 5 d. GA., nichts Gegenteiliges auszusagen. Der hinter diesem in der mündlichen
Verhandlung vom Kläger geäußerte Vortrag stehende Gedanke des widersprüchlichen Verhaltens (venire contra factum proprium) verfängt letztlich nicht, da
auch ein "möglicherweise" gemeinsamer Customer - Servie der SI AG und der SE AG nichts darüber aussagt, wer "ausführendes Luftfahrtunternehmen" im
Sinne der Verordnung ist. Entscheidend hierfür ist - wie bereits näher dargelegt - wer aufgrund seiner Präsenz auf den Flughäfen (hier Stuttgarter Flughafen) am
besten in der Lage ist, die gegenüber den Passagieren bestehenden Verpflichtungen zu erfüllen. Dies ist nach dem Willen des Verordnungsgebers und damit der
richtig passiv Legitimierte das tatsächlich ausführende Luftfahrtunternehmen, hier also nicht die Beklagte.
Unabhängig davon ist hier auch keine große Verspätung zu bejahen, sodass die Rechtsprechung des EuGH zur Gleichstellung von Nur-Verspätungsfällen mit
den in der Verordnung geregelten Annullierungsfällen auch aus diesem Grund von vornherein nicht zur Begründung des vom Kläger begehrten Anspruchs führt.
Die Gleichstellung von Fluggästen verspäteter Flüge mit Fluggästen annullierter Flüge im Hinblick auf einen Ausgleichsanspruch kommt nach der
Rechtsprechung des EuGH erst dann in Betracht, wenn die Fluggäste verspäteter Flüge einen Zeitverlust von 3 Stunden oder mehr erleiden, vgl. EuGH C -
402/07 sowie in den verbundenen Rechtssachen C - 581/10 und C - 629/10.
Vorliegend betrug die Abflugverspätung des Fluges Stuttgart-Z nach dem Klägervortrag nur ca. eine Stunde. Ein Abstellen auf die - ca. 18 Stunden verspätete -
Ankunft des Weiterfluges in H kommt schließlich nach der Verordnung nicht in Betracht.
Entscheidend ist hierbei, was unter dem Begriff "Flug" im Sinne der Verordnung zu verstehen ist. Nach neuerer Rechtsprechung des BGH, vgl. Urteil vom
13.11.2012, AZ: X ZR 14/12 ist von einer autonomen Bestimmung des Begriffs durch die Fluggastrechteverordnung auszugehen. Da diese den Begriff des
"Fluges" nicht legal definiert, muss diese aus dem Sinn und Zweck der Verordnung entwickelt werden. Der BGH weist zutreffend darauf hin, dass die
Verordnung den individuellen Reiseplan des einzelnen Fluggastes nicht in den Blick nimmt, sondern stattdessen die Fluggäste sozusagen als Kollektiv auffasst.
Deutlich wird dies daran, dass von Rechten der Fluggäste (plural) gesprochen wird. Weitergehende Schadensersatzansprüche des Einzelnen schließt die
Verordnung gleichwohl nicht aus, erfasst werden diese Schadensersatzansprüche von der Verordnung aber jedenfalls nicht, vgl. hierzu Art. 12 der Verordnung.
Bei der vom Kläger gewählten Buchungsfolge mit einem Zubringerflug Stuttgart-Z und einem daran anschliessenden Transkontinentalflug Z-H, wobei es die
Beklagte nicht von vorneherein übernommen hatte, bezüglich des Hauptfluges (Z-H ) auf alle gebuchten Passagiere der mehreren Zubringerflüge zum
Drehkreuz Z in deren Verspätungsfällen mit der Konsequenz der Verspätung des Hauptfluges zu warten, zeigt sich, dass gerade dichte Zeitabfolgen bezüglich
der Landung des Zubringerfluges und des Abfluges des Hauptfluges bei nur geringer Verzögerung des Abfluges des Zubringerfluges ( 1 Stunde ) das Erreichen
des Hauptfluges durch den Fluggast verunmöglichen.
Dieses Risiko hat jedoch der Kläger mit der von ihm bzw. des von ihm eingeschalteten Reisebüros Bo, vgl. Schriftsatz des Klägers vom 23.09.2012, Bl. 22 der
GA., selbst auf sich genommen.
Der Vortrag des Klägers bereits in der Klage vom 05.08.2012, wonach bereits durch das Bordpersonal des Fluges ... wahrheitswidrig versichert worden sei, um
Panik zu verhindern, alle Anschlussflüge würden trotz der Verspätung erreicht werden, wirft zwar ein verheerendes Licht auf das Verhalten des Bordpersonals,
vermag jedoch nicht zu einer Zusprechung der begehrten Ausgleichszahlung zu führen.
Die vom Bundesgerichtshof insoweit vorgenommene Auslegung der Verordnung überzeugt. Insbesondere lässt sich hiergegen nicht der Einwand erheben, eine
solche Auslegung widerspreche dem Zweck der Verordnung, einen hohen Schutz der Fluggäste sicherzustellen.
Die Verordnung stellt schließlich kein umfassendes Regelwerk dar, das sämtliche Fälle einer Beeinträchtigung eines Fluggastes als ausgleichwürdig erachtet, in
diesem Sinn auch bereits BGH NJW 2009, S. 2740.
Insbesondere stellt die Verordnung nicht darauf ab, ob ein einheitlicher Buchungsvorgang vorliegt oder - worauf der Kläger etwa in seinem Schriftsatz vom
07.09.2012 abstellt - ein von vornherein von ihm gegenüber der Beklagten geäußertes Interesse (pünktlich) von Stuttgart nach H befördert zu werden.
Ein Ausgleichsanspruch aufgrund einer entsprechenden Anwendung des Art. 5 Abs. 1 c) i.V.m. Art. 7 Abs. 1 c) der Verordnung auf den Fall der
Nur-Verspätung ist somit nicht schlüssig vorgetragen. Es fehlt zum einen an der Passivlegitimation der Beklagten, zum anderen liegt keine hinreichend große
Abflugverspätung vor, die eine Ausdehnung der Ausgleichsansprüche auf Nur-Verspätungsfälle erlaubt.
Dahin stehen kann zur Entscheidung dieses Rechtsstreites somit die nach wie vor aus der Sicht des Amtsgerichts Nürtingen nicht abschließend geklärte Frage,
woher der EuGH die Kompetenz nimmt, bei Nichtvorliegen einer planwidrigen Regelungslücke, gleichwohl eine (entsprechende) Anwendung des Art. 7 der
Verordnung auf Nur-Verspätungsfälle zu bejahen, vgl. zur Problematik bereits ausführlich Urteil des Amtsgerichts Nürtingen vom 27.09.2010, AZ: 11 C
1219/10, das den Parteien bekannt gemacht wurde, vgl. Bl. 10 ff. d. GA. Insoweit hält das AG Nürtingen, Referate 11 C und 46 C, an der im Urteil vom
27.09.2010 dargestellten Rechtsauffassung fest. ..." (AG Nürtingen, Urteil vom 25.01.2013 - 46 C 1399/12)
***
„... Den Klägern steht jeweils ein Anspruch in Höhe von 250,00 € gemäß Art. 4 Abs. 3 i.V.m. Art. 5 Abs. 1 c) und Art. 7 Abs. 1 a) VO (EG) 261/2004
(nachfolgend: VO) gegen die Beklagte zu.
Die Kläger sind - worauf hingewiesen wurde - auch anspruchsberechtigt. Soweit die Beklagte bestreitet, dass die Kläger entgegen Art. 3 Abs. 2 lit. a) VO
rechtzeitig zum Flug erschienen sind und rechtzeitig eingecheckt haben, so wäre insoweit ein substantiierter Vortrag der Beklagten erforderlich gewesen. Das
bloße Bestreiten genügt vorliegend nicht, da es der Beklagten - anders als den Klägern - ohne weiteres möglich ist, festzustellen, wann die Kläger eingecheckt
haben und ihr Vortrag jedweden Anhaltspunkt für eine Verspätung der Kläger vermissen lässt. Ungeachtet dessen wäre es der Beklagten nach Treu und
Glauben (§ 242 BGB) verwehrt, sich auf eine Verspätung der Kläger zu berufen, wenn sie selbst - wie vorliegend geschehen - den Flug mit enormer Verspätung
durchführt (so auch AG Köln, Urt. v. 16.02.2012, Az. 130 C 286/11).
Unstreitig mussten die Kläger mehr als drei Stunden warten, bis der Flug von Köln/Bonn nach Palma de Mallorca von der Beklagten durchgeführt wurde. Die
Ankunft erfolgte nicht wie geplant um 15.40 Uhr, sondern erst um 19.00 Uhr. Das Gericht vermag der Ansicht der Beklagten, die VO sehe einen
Ausgleichsanspruch nur im Falle der Annullierung eines Fluges - nicht jedoch bei einer Verspätung - vor, nicht zu folgen. Das Gericht schließt sich der insoweit
eindeutigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaft und des Bundesgerichtshofs an, welche Ausgleichsleistungen gem. Art. 7 der VO
nicht nur bei Annullierungen von Flügen, sondern auch in den Fällen bejaht, in denen der Fluggast wegen des verspäteten Fluges sein Endziel nicht früher als
drei Stunden nach der ursprünglich geplanten Ankunftszeit erreicht (EuGH, Urt. v. 19.11.2009, Az.: C-402/07 und C-432/07; BGH, Urt. v. 18.02.2010, Az.: Xa
ZR 95/06, jeweils zitiert nach juris). Zwar ergibt sich aus dem Wortlaut der VO nicht unmittelbar, dass den Fluggästen verspäteter Flüge ein solcher Anspruch
zusteht. Jedoch sind bei der Auslegung einer Vorschrift des Gemeinschaftsrechts nicht nur ihr Wortlaut, sondern auch ihr Zusammenhang und die Ziele zu
berücksichtigen, die mit der Regelung, zu der sie gehört, verfolgt werden. Die Situation der Fluggäste verspäteter Flüge unterscheidet sich kaum von derjenigen
der Fluggäste annullierter Flüge. Implizit wird dies durch das Ziel der VO bestätigt. Denn aus den ersten vier Erwägungsgründen, insbesondere dem zweiten,
der VO ergibt sich, dass diese darauf abzielt, ein hohes Schutzniveau für Fluggäste unabhängig davon sicherzustellen, ob sie von einer Nichtbeförderung, einer
Annullierung oder einer Verspätung eines Fluges betroffen sind, da sie alle von gleichen Ärgernissen und großen Unannehmlichkeiten betroffen sind (EuGH,
a.a.O.). Ausgangspunkt der Gleichbehandlung von Annullierungen und Verspätungen ist die vergleichbare Lage der Fluggäste und der ähnliche Schaden in
Form eines Zeitverlustes. Aufgrund dessen ist auch die von dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaft vorgenommene Analogie nicht rechtswidrig.
Demzufolge stehen den Fluggästen, deren Flug annulliert wurde, und denjenigen, die von der Verspätung eines Fluges betroffen sind, im Hinblick auf die
Anwendung des in Art. 7 der VO vorgesehenen Ausgleichsanspruchs gleiche Rechte zu.
Eine Kompetenzüberschreitung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaft vermag das Gericht nicht zu erkennen. Dieser hat innerhalb der Vorlagefrage
des Bundesgerichtshofs gemäß Vorlagebeschluss vom 17.07.2007 (NJW 2007, 3437) entschieden. Die Vorlagefrage des Bundesgerichtshofs war ihrem
Wortlaut nach auf die Auslegung des Begriffs der Annullierung gerichtet, sie zielte im Ergebnis erkennbar auf die Klärung ab, ob und wann eine zeitliche
Verzögerung zu einer Entschädigung führt. Dies wird aus den Gründen zu Ziffer III 1 des Vorlagebeschlusses deutlich (LG Köln, Urt. v. 19.10.2011, Az.: 9 S 171/11).
Auch ist die VO mit der nunmehrigen Auslegung nicht wegen mangelnder Rechtssicherheit unwirksam. Vielmehr hat das Urteil des Gerichtshofs der
Europäischen Gemeinschaft vom 19.11.2009 für Klarheit gesorgt. Dieser hat sehr wohl erkannt, dass sich aus dem Wortlaut der VO kein unmittelbarer
Anspruch von Fluggästen verspäteter Flüge auf Ausgleichsleistungen gemäß Art. 7 der VO entnehmen lässt. Er hat sich ausführlich damit auseinandergesetzt,
inwieweit der VO der Wille des Gemeinschaftsgesetzgebers zu Ausgleichsleistungen im Falle von Verspätungen zu entnehmen ist. Unter anderem hat er auf die
Erwägungsgründe, den angestrebten Schutz der Fluggäste, den Grundsatz der Gleichbehandlung, den Zweck der VO und ihre Funktion als Ausgleich der
Interessen der Fluggäste und derjenigen der Luftfahrtunternehmen Bezug genommen (LG Landshut, Urt. v. 18.12.2009, Az.: 12 S 1250/09, zitiert nach juris).
Zu der von der Beklagten angeregten erneuten Vorlage der Sache an den Gerichtshof der Europäischen Union sieht das Gericht keine Veranlassung. Der
Bundesgerichtshof hat dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaft die Streitsache zur Vorabentscheidung vorgelegt, weil er es nicht für zweifelsfrei
gehalten hat, dass den Fluggästen eines verspäteten Fluges, wie er im Streitfall vorliegt, nach der VO kein Anspruch auf Ausgleichszahlungen zusteht. Diese
Unklarheit hinsichtlich der Auslegung des Gemeinschaftsrechts ist durch das Urteil des Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaft vom 19.11.2009 beseitigt
worden. Der vorliegende Rechtsstreit wirft keine relevanten neuen Auslegungsfragen auf, die das Gericht nicht ohne erneute Vorlage beantworten könnte.
Aus diesem Grund war der Rechtsstreit entgegen der Ansicht der Beklagten auch nicht gemäß § 148 ZPO wegen Vorgreiflichkeit im Hinblick auf das von ihr
zitierte Vorabentscheidungsersuchen des Amtsgerichts Köln vom 04.10.2010 - Az. 142 C 535/08 - beim Europäischen Gerichtshof auszusetzen. Denn eine
Verfahrensaussetzung gemäß § 148 ZPO steht grundsätzlich im Ermessen des Gerichts. Eine Ermessensreduzierung auf Null mit der Folge einer
Aussetzungspflicht kommt nur dann in Betracht, wenn das Gericht eine Vorabentscheidung des EuGH nach Art. 234 Abs. 2 EGV für notwendig hält; ist dies
nicht der Fall, weil das nationale Gericht keine Zweifel an der Richtigkeit der Auslegung des EG-Rechts hat, entfällt sowohl eine Vorlagepflicht als auch die
Pflicht zur Aussetzung des Verfahrens bis zur Entscheidung über ein bereits anhängiges Vorabentscheidungsersuchen (vgl. BGH, NJW-RR 2004, 497).
Die VO ist auch mit dem Montrealer Übereinkommen (im Folgenden MÜ) vereinbar und verstößt nicht gegen Art. 29 des MÜ, denn ein Ausgleichsanspruch
nach Art. 7 der VO ist generell nicht als Schadensersatzanspruch im Sinne der Art. 19, 29 MÜ anzusehen (BGH, Urt. v. 10.12.2009, Az.: Xa ZR 61/09, zitiert
nach juris). Diese Bestimmungen legen die Voraussetzungen fest, unter denen Fluggäste, die einen Schaden aufgrund einer Verspätung geltend machen, von
den Luftfahrtunternehmen Schadensersatz verlangen können. Nach Art. 29 S. 1 MÜ kann ein Schadensersatz, auf welchem Grund er auch beruht, sei es dem
MÜ, einem Vertrag, einer unerlaubten Handlung oder einem sonstigen Rechtsgrund nur unter den Voraussetzungen und Beeinträchtigungen geltend gemacht
werden, die in dem MÜ vorgesehen sind. Nach Art. 29 S. 2 MÜ ist bei einer Klage jeder eine Strafe einschließende, verschärfte oder sonstige nicht
kompensatorische Schadensersatz ausgeschlossen. Art. 29 S. 1 MÜ betrifft nur Ansprüche für solche Schäden, deren Ersatz in den Art. 17 ff. MÜ geregelt ist.
Ansprüche auf eine pauschale und einheitliche Ausgleichszahlung nach Art. 7 Abs. 1 VO wegen der Annullierung oder Verspätung eines Fluges gehören nicht
hierzu. Sie bestehen unabhängig von einem individuellen Schadensersatzanspruch. Insoweit gelten für Ausgleichszahlungen nach der VO und für
Schadensersatzansprüche im Sinne des MÜ unterschiedliche Regelungsrahmen. Aus der bisherigen Rechtsprechung ergibt sich, dass die VO zwar die
Schutzvorschriften des MÜ ergänzt, jedoch beide Regelungswerke kein einheitliches Luftverkehrsrecht bilden, sondern mit unterschiedlich geregelten
Ansprüchen nebeneinander stehen. Daher kann das MÜ dem Gemeinschaftsgesetzgeber nicht verwehren, im Rahmen der Befugnisse der Gemeinschaft auf dem
Gebiet des Verkehrs und des Verbraucherschutzes festzulegen, unter welchen Voraussetzungen der mit den erwähnten Unannehmlichkeiten verbundene
Schaden wieder gutzumachen ist (EuGH, Urt. v. 10.01.2006, Az.: C-344/04, zitiert nach juris). Das Gericht sieht sich nicht veranlasst, die Sache dem
Gerichtshof der Europäischen Union hinsichtlich der Frage der Vereinbarkeit der VO mit dem MÜ vorzulegen, da der Bundesgerichtshof diese in seinem Urteil
vom 10.12.2009 (Az.: Xa ZR 61/09) bereits bejaht hat.
Die Beklagte kann sich vorliegend auch nicht mit Erfolg auf Art. 5 Abs. 3 der VO berufen. Eine Verspätung führt gemäß Art. 5 Abs. 3 VO dann nicht zu einem
Ausgleichsanspruch zugunsten der Fluggäste, wenn das Luftfahrtunternehmen nachweisen kann, dass die Verspätung auf außergewöhnliche Umstände
zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären. Der Ausnahmetatbestand des Art. 5
Abs. 3 der VO ist eng auszulegen. Ein bei einem Flugzeug auftretendes technisches Problem, das eine ersatzpflichtige Verspätung eines Fluges zur Folge hat,
fällt nicht unter dem Begriff "außergewöhnliche Umstände" im Sinne dieser Bestimmung, es sein denn, das Problem geht auf Vorkommnisse zurück, die
aufgrund ihrer Natur oder Ursache nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des betroffenen Luftfahrtunternehmens sind und von ihm tatsächlich nicht
zu beherrschen sind. Daraus ergibt sich, dass technische Defekte, wie sie beim Betrieb eines Flugzeugs typischerweise auftreten, grundsätzlich keine
außergewöhnlichen Umstände begründen, und zwar auch dann nicht, wenn das Luftfahrtunternehmen alle vorgeschriebenen oder sonst bei Beachtung der
erforderlichen Sorgfalt gebotenen Wartungsarbeiten frist- und ordnungsgemäß ausgeführt hat. Als außergewöhnlicher Umstand kann ein technisches Problem
nur dann angesehen werden, wenn es seine Ursache in einem der in Erwägungsgrund 14 der Verordnung genannten Umstände hat, beispielsweise also auf
versteckten Fabrikationsfehlern, Sabotageakten oder terroristischen Angriffen beruht (EuGH, Urt. v. 22.12.2008, Az.: C-549/07; BGH, Urt. v. 12.11.2009, Az.:
Xa ZR 76/07, jeweils zitiert nach juris).
Die Beklagte hat vorliegend nichts dazu vorgetragen, dass der technische Defekt, der im Streitfall zur Verspätung des Fluges geführt hat, auf einem
außergewöhnlichen Umstand im vorstehend genannten Sinne beruht.
Ein Anspruch auf Freistellung hinsichtlich der geltend gemachten außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 102,82 € besteht hingegen nicht.
Den Klägern steht kein materieller Kostenerstattungsanspruch gegen die Beklagte zu. Insbesondere ergibt sich ein solcher Anspruch nicht aus §§ 280 Abs. 1, 2,
286 BGB unter dem Gesichtspunkt des Verzugs. Denn zum Zeitpunkt des Tätigwerdens der Prozessbevollmächtigten der Kläger befand sich die Beklagte nicht
bereits in Verzug. Zwar haben die Kläger die Beklagte mit Schreiben vom 06.06.2011 zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 600,00 € aufgefordert. Dies
ist jedoch ohne eine Fristsetzung erfolgt. Dem Schreiben vom 29.08.2011 kann eine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung der Beklagten nach §
286 Abs. 2 Nr. 3 BGB nicht entnommen werden. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Kläger ihren geltend gemachten Schadensersatz in Höhe von
600,00 € nicht substantiiert dargelegt haben. So ist nicht ersichtlich, für wen wie viel Schadensersatz aufgrund welcher Umstände verlangt wurde. Auch wenn
es sich bei den Klägern um juristische Laien handeln mag, muss dem Anspruchsgegner klar ersichtlich sein, wofür Schadensersatz geltend gemacht wird, zumal
mit der vorliegenden Klage kein Schadensersatz, sondern Ausgleichsansprüche, die gerade keinen Schaden voraussetzen, geltend gemacht werden. Dem
Schreiben der Beklagten vom 29.08.2011 kann nicht entnommen werden, dass sie die nunmehr klageweise geltend gemachte Ausgleichszahlung von jeweils
250,00 € abgelehnt hat. Sie hat vielmehr angeboten, nach Vorlage entsprechender Belege zu prüfen, ob sie zusätzliche Verpflegungskosten erstattet. Wenn die
Kläger 600,00 € Schadensersatz verlangen, ohne zu spezifizieren wofür welcher Betrag verlangt wird, kann in dem Schreiben der Beklagten, keine endgültige
Erfüllungsverweigerung für den nunmehr klageweise geltend gemachten Ausgleichsanspruch, der eben kein Schadensersatzanspruch ist, gesehen werden. Auch
ist es nicht Aufgabe der Beklagten, die Kläger über den Unterschied zwischen Schadensersatz- und Ausgleichsansprüchen nach der VO aufzuklären.
Der nachfolgende Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten der Kläger vom 21.09.2011 enthält zwar die verzugsbegründende Mahnung, da die Beklagte in
diesem Schreiben unter Fristsetzung zur Leistung aufgefordert wurde. Die Kosten dieser verzugsbegründenden Mahnung sind jedoch kein kausaler
Verzugsschaden und aus diesem Grunde von der Beklagten nicht zu ersetzen.
Der geltend gemachte Zinsanspruch folgt aus §§ 288 Abs. 1, 286 BGB. Durch das Schreiben der Prozessbevollmächtigten der Kläger vom 21.09.2011 befand
sich die Beklagte seit dem 06.10.2011 in Verzug. Zinsen werden jedoch erst seit dem 07.10.2011 geltend gemacht.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Zwar wirkt sich der geltend gemachte Freistellungsanspruch nicht streitwerterhöhend aus, da
es sich hierbei um eine Nebenforderung handelt, allerdings ist dieser - ausgehend von einem fiktiven Streitwert, der sich aus der Hauptforderung, sämtlichen
Nebenforderungen und den geltend gemachten Zinsen zusammensetzt - nicht verhältnismäßig geringfügig i.S.d. § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.
Die Berufung war nicht zuzulassen, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer
einheitlichen Rechtsprechung dies erfordern, § 511 Abs. 4 Nr. 1 ZPO. Nach Ansicht des Gerichts ist die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen
Gemeinschaft und des Bundesgerichtshofs zu den maßgeblichen Rechtsfragen eindeutig. ..." (AG Köln, Urteil vom 24.02.2012 - 145 C 263/11)
***
Eine Verspätung infolge eines durch Vogelschlag verursachten technischen Defekts stellt einen außerordentlichen Umstand dar und schließt einen
Ausgleichszahlungsanspruch nach Art. 7 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 261/2004 aus. Sofern ein besonderer Umstand im Sinne des Art. 5 Abs. 3
Fluggastrechteverordnung vorliegt, kommt es nicht darauf an, ob die Verspätung durch Ergreifung zumutbarer Maßnahmen (z.B. zeitnahe Ersatzbeförderung)
hätte vermieden oder verkürzt werden können (AG Bremen, Urteil vom 29.12.2011 - 9 C 91/11).
***
„... Die Kläger haben gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von jeweils 250,- € aus Art. 5, 6 a, 7 Abs. 1 a der Verordnung (EG) Nummer
261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.2.2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs-und Unterstützungsleistungen für
Fluggäste im Fall der Beförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (GWG) Nummer 295/91.
Aus Art. 7 Abs. 1 dieser Verordnung ergibt sich ein Ausgleichsanspruch für Fluggäste in Höhe von 250,- €, wenn ein Fluggast in bei Flügen bis zu 1.500 km in
Folge von Nichtbeförderung oder Annullierung eines Fluges verspätet an seinem Ziel ankommt. Ohne Flugannullierung gem. Art. 5 sieht die Verordnung ihrem
Wortlaut nach keinen Ausgleichsanspruch vor. Der Europäische Gerichtshof legt jedoch die oben genannte Verordnung dahingehend aus, dass Fluggäste
verspäteter Flüge im Hinblick auf die Anwendung eines Ausgleichsanspruchs den Fluggästen annullierter Flüge gleich gestellt werden. In diesem Fall können
Sie auch dann einen Ausgleichsanspruch geltend machen, wenn sie wegen eines verspäteten Fluges einen Zeitverlust erleiden und sie ihr Endziel nicht als 3
Std. nach der von dem Luftfrachtunternehmen ursprünglich geplanten Ankunftszeit erreichen (BGH NJW 2010, 43). Die Kläger erreichten ihr Ziel auf der
Strecke Dortmund - Krakau, die unter 1.500 km lang ist, unstreitig mit einer Verspätung von mehr als 4 Std., so dass ihnen jeweils nach Art. 7 Absatz 1 a) der
oben genannten EG-Verordnung jeweils ein Ausgleichsanspruch in Höhe von 250,- € zusteht.
Soweit die Beklagte einen Ausgleichsanspruch aus Rechtsgründen entgegenhält, dieser neu entwickelte Anspruch stehe im Widerspruch zu Art. 29 des
Montrealer Übereinkommens, wonach ein Anspruch auf Schadensersatz unabhängig von dem Rechtsgrund auf dem er beruht, nur unter den Voraussetzungen
dieses Abkommens geltend gemacht werden, steht dies einer Verurteilung der Beklagten entgegen.
Nach Auffassung der Beklagten verletze die Entscheidung des EuGH höherrangiges Recht da das Montrealer Übereinkommen bereits in Art. 19 Einschlag
einen Schadensersatzanspruch bei verspäteter Beförderung enthalte. Dies ist nach einer aktuellen Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 13. Oktober
2011 (C-83/10) jedoch ausdrücklich nicht der Fall. Der Europäische Gerichtshof sieht zwischen den Regelungen des Montrealer Vertrages und dem Inhalt der
Verordnung Nr. 261/2004 keine Anspruchskonkurrenz, sondern eine ergänzende Regelung, den Fluggästen den Schaden zu ersetzen, der durch die Verletzung
der vertraglichen Pflichten des Luftfahrtunternehmens entstanden sind. Damit wird dem nationalen Gericht ermöglicht, das Luftfahrtunternehmen zum Ersatz
des den Fluggästen wegen der Nichterfüllung des Luftbeförderungsvertrages entstandenen Schadens auf einer anderen Rechtsgrundlage als der Verordnung Nr.
261/2004 zu verurteilen.
Auch der Einwand der Beklagten, die Beklagte werde kurzfristig ohne Anerkennung einer Rechtspflicht und unter dem Vorbehalt einer späteren Rückforderung
für den Fall, dass der EuGH aufgrund einer erneuten Vorlage durch den britischen Highcourt seine Rechtsprechung ändere, die mit der Klage geltend gemachte
Ausgleichszahlung sowie Rechtsanwaltskosten zahlen, was inzwischen unstreitig erfolgt ist, steht der Verurteilung der Beklagten ebenfalls nicht entgegen. In
der erfolgten Zahlung unter Vorbehalt sieht das Gericht hier kein erledigendes Ereignis. Der Rechtsstreit ist nach Auffassung des Gerichts durch die Zahlung
unter Vorbehalt nicht erledigt.
Zwar schließt eine Leistung unter Vorbehalt eine Erledigung nicht notwendigerweise aus (Zöller-Vollkommer, ZPO, 28. Auflage, § 91 a Rn. 58), dies ist jedoch
nur unter strengen Voraussetzungen möglich. Vorliegend sind alle anspruchsbegründenden Tatsachen unstreitig. Der Vorbehalt der Beklagten bezieht sich auf
eine rechtliche Beurteilung eines Sachverhalts durch den Europäischen Gerichtshof in der Zukunft. Zahlt die Beklagte im Hinblick darauf unter Vorbehalt, wäre
der gesamte Zahlungsvorgang gegebenenfalls rückabzuwickeln, da eine rechtskräftige Entscheidung über den Streitgegenstand nicht vorliegt. Die Kläger haben
aber ein Interesse daran, diesen Vorbehalt nicht eingreifen zu lassen und eine rechtskräftige Entscheidung zu erhalten. Sie müssen einer Erledigung insoweit
nicht zustimmen, wenn diese nicht vorbehaltlos abgegeben wird.
Da der Europäische Gerichtshof die hier für den Vorbehalt maßgebliche Rechtsfrage jedoch durch sein Urteil vom 13. Oktober 2011 bereits abschließend
entschieden hat, käme eine Rückforderung ohnehin nicht in Betracht, so dass in der Sache auch hier abschließend entschieden werden kann.
Die Kläger haben darüber hinaus einen weiteren Anspruch gemäß §§ 286,288 BGB auf Verzugszinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz, da sich die
Beklagte mit dem Anwaltsschriftsatz der Rechtsanwaltsgesellschaft S vom 1.10.2010 im Verzug befand.
Der Anspruch auf Zahlung von weiteren Anwaltskosten in Höhe von 27,18 € ergibt sich ebenfalls unter dem Gesichtspunkt des Verzuges gemäß § 286 Abs. 1
ZPO. Da die Beklagte bisher nur die Anwaltskosten für einen Kläger gezahlt hat, sind die entsprechenden Kosten für die zweite klägerische Partei in der
tenorierten Höhe noch offen. ..."
***
„... Die Beklagte kann sich vorliegend auch nicht mit Erfolg auf Art. 5 Abs. 3 der VO berufen. Eine Verspätung führt gemäß Art. 5 Abs. 3 VO dann nicht zu
einem Ausgleichsanspruch zugunsten der Fluggäste, wenn das Luftfahrtunternehmen nachweisen kann, dass die Verspätung auf außergewöhnliche Umstände
zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären. Der Ausnahmetatbestand des Art. 5
Abs. 3 der VO ist eng auszulegen. Ein bei einem Flugzeug auftretendes technisches Problem, das eine ersatzpflichtige Verspätung eines Fluges zur Folge hat,
fällt nicht unter dem Begriff "außergewöhnliche Umstände" im Sinne dieser Bestimmung, es sein denn, das Problem geht auf Vorkommnisse zurück, die
aufgrund ihrer Natur oder Ursache nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des betroffenen Luftfahrtunternehmens sind und von ihm tatsächlich nicht
zu beherrschen sind. Daraus ergibt sich, dass technische Defekte, wie sie beim Betrieb eines Flugzeugs typischerweise auftreten, grundsätzlich keine
außergewöhnlichen Umstände begründen, und zwar auch dann nicht, wenn das Luftfahrtunternehmen alle vorgeschriebenen oder sonst bei Beachtung der
erforderlichen Sorgfalt gebotenen Wartungsarbeiten frist- und ordnungsgemäß ausgeführt hat. Als außergewöhnlicher Umstand kann ein technisches Problem
nur dann angesehen werden, wenn es seine Ursache in einem der in Erwägungsgrund 14 der Verordnung genannten Umstände hat, beispielsweise also auf
versteckten Fabrikationsfehlern, Sabotageakten oder terroristischen Angriffen beruht (EuGH, Urt. v. 22.12.2008, Az.: C-549/07; BGH, Urt. v. 12.11.2009, Az.:
Xa ZR 76/07, jeweils zitiert nach juris). Aus dem Vorbringen der Beklagten ergibt sich kein Anhaltspunkt dafür, dass der technische Defekt, der im Streitfall
zur Verspätung des Fluges geführt hat, auf einem außergewöhnlichen Umstand im vorstehend genannten Sinne beruht. Vorliegend hat die Beklagte
vorgetragen, dass die Ursache für die Flugverspätung eine plötzlich durch einen Dritten rechtswidrig verursachte Verstopfung der Bordtoilette gewesen sei. Ein
solcher - auch plötzlich auftretender - Defekt, gehört jedoch zu denjenigen Ereignissen, die beim Betrieb eines Luftfahrtunternehmens typischerweise auftreten
können. Sie sind deshalb Teil des betrieblichen Alltags, auch wenn die Flugzeuge regelmäßig gewartet worden sind.
Etwas anderes gilt auch dann nicht, wenn der vorliegende Defekt aus einer vorschriftswidrigen Handlung Dritter resultiert. Bordtoiletten sind dazu bestimmt,
von den mitreisenden Passagieren während des Fluges benutzt zu werden. Unerheblich ist, ob den Fluggästen durch deutlich sichtbare Hinweise in Text und
Zeichen untersagt wird, sperrige Gegenstände in die Bordtoilette zu werfen, und es der Beklagten möglich gewesen wäre, einen Defekt wie den vorliegenden zu
vermeiden. Entscheidend ist allein, dass eine Fluggesellschaft mit einem derartigen Fehlverhalten Dritter rechnen muss. Es liegt mithin - unabhängig davon, ob
die Beklagte alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen hatte, um die Verspätung zu vermeiden - kein unberechenbarer und somit außergewöhnlicher Umstand im
Sinne des Art. 5 Abs. 3 der VO vor.
Entgegen der Auffassung der Beklagten findet die Ausschlussfrist des Art. 35 MÜ vorliegend keine Anwendung. Die dort geregelte Ausschlussfrist gilt für
Schadensersatzansprüche nach Art. 17ff. MÜ. Ausgleichsansprüche nach Art. 7 Abs. 1 der VO stellen jedoch keine Schadensersatzansprüche im Sinne des MÜ
dar (BGH, Urt. v. 10.12.2009, Xa ZR 61/09, zitiert nach juris). Die Ansprüche auf Ausgleichszahlung nach Art. 7 der VO unterliegen der regelmäßigen
Verjährung nach den §§ 194ff. BGB. Danach sind die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche nicht verjährt. Die Verjährungsfrist begann gemäß § 199
Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres 2008, da die Ansprüche in diesem Jahr entstanden sind. Die dreijährige Verjährungsfrist des § 195 BGB war im
Zeitpunkt der Klageerhebung mithin noch nicht abgelaufen. ..." (AG Köln, Urteil vom 09.12.2011 - 145 C 15/11)
***
„... Die Klägerseite hat einen Anspruch auf Leistung von Ausgleichszahlungen in der geltend gemachten Höhe gemäß Art. 7 Abs. 1 lit. c), Art. 6 Abs. 1 VO.
Nach den Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs vom 19.11.2009 (Aktenzeichen C-402/07 und C-432/07) sowie des Bundesgerichtshofs vom
18.02.2010 (Aktenzeichen Xa ZR 95/06) sind die Art. 5, 6 und 7 VO dahin auszulegen, dass die Fluggäste verspäteter Flüge im Hinblick auf die Anwendung
des Ausgleichsanspruchs den Fluggästen annullierter Flüge gleichzustellen sind, wenn sie wegen eines verspäteten Fluges einen Zeitverlust von 3 h oder mehr
erleiden, ihr Ziel also nicht früher als 3 h nach der von dem Luftfahrtunternehmen ursprünglich geplanten Ankunftszeit erreichen. Die Klägerseite kann die
Ausgleichszahlung beanspruchen, da sie ihr Ziel später als 3 h nach der geplanten Ankunftszeit erreicht hat und auch eine relevante Abflugverspätung vorlag.
Diesbezüglich bleibt es unerheblich, dass die Beklagte die Nichtvorlage einer bestätigten Buchung oder eines Flugscheins gerügt hat. Hier hätte es der
Beklagten oblegen, qualifiziert zu bestreiten, dass die Klägerseite keinen Flug bei der Beklagten gebucht hatte und diese deshalb nicht im Besitz einer
bestätigten Buchung sind; dies ist jedoch nicht geschehen.
Vorliegend ist auch eine erhebliche Abflugverspätung von über 4 h gegeben. Dem steht der Umstand nicht entgegen, dass sich das Flugzeug bei Entdecken des
Anzeigedefekts bereits auf dem Weg zur Startbahn befunden haben soll. Im Rahmen der Ermittlung von Verspätungen sind nach Auffassung des erkennenden
Gerichts grundsätzlich die Zeiten maßgeblich, zu denen das Flugzeug die Parkposition verlässt bzw. dort ankommt ({"2}On-Block-/Off-Block-Zeiten").
Allerdings liegt ein {"2}Abflug" im Sinne des Art. 6 VO - und nur auf diese Regelung kommt es an - nicht schon dann vor, wenn ein Flugzeug seine
Parkposition verlässt. Hierfür ist vielmehr - bereits begriffsnotwendig - erforderlich, dass eine Flug- und nicht nur eine Rollbewegung stattfindet (so im
Ergebnis auch Amtsgericht Rüsselsheim, Urteil vom 21.01.2011, Az. 3 C 1392/10 (31)). Hiernach kann für die Bestimmung eines Abflugs nur dann auf die
Off-Block-Zeit abgestellt werden, wenn das Flugzeug im unmittelbaren zeitlichen Nachgang - ohne dass eine (weitere) Verzögerung durch das Zutun des
ausführenden Luftfahrtunternehmens eintritt - tatsächlich von der Startbahn abhebt und eine Fortbewegung in der Luft stattfindet. Dies ist vorliegend jedoch
nicht rechtzeitig geschehen, der tatsächliche Abflug ist erst ca. 18 Stunden später erfolgt, als die Maschine erneut die Parkposition verließ und dann auch von
der Startbahn abgehoben hat.
Der Ausgleichsanspruch ist nicht entsprechend Art. 5 Abs. 3 VO ausgeschlossen; die Verspätung geht nicht auf außergewöhnliche Umstände im Sinne dieser
Vorschrift zurück. Zwar soll nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesgerichtshofs ein Ausgleichsanspruch in entsprechender
Anwendung des Art. 5 Abs. 3 VO entfallen, wenn das Luftfahrtunternehmen nachweisen kann, dass die große Verspätung auf außergewöhnliche Umstände
zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären; solche außergewöhnlichen Umstände
sind vorliegend allerdings nicht gegeben.
Der von der Beklagten behauptete Defekt der Höhenruderanzeige scheidet als außergewöhnlicher Umstand im Sinne des Art. 5 Abs. 3 VO aus; das
diesbezügliche Vorbringen der Beklagten bleibt unerheblich. Bei diesem Fehler handelt es sich ersichtlich um einen technischen Defekt. Technische Defekte
sind indes nicht schlechterdings als außergewöhnliche Umstände zu qualifizieren, die das Luftfahrtunternehmen von der Verpflichtung zur Zahlung einer
Ausgleichsleistung wegen Verspätung oder Annullierung eines Fluges befreien können (a. A. insb. OLG Köln, Urteil vom 27.5.2010, Az. 7 U 199/09).
In Erwägungsgrund 14 der VO wird erkennbar, dass der Verordnungsgeber bei den haftungsausschließenden außergewöhnlichen Umständen ersichtlich solche
im Blick hatte, die außerhalb der Sphäre des Luftfahrtunternehmens liegen und sich deren Beherrschung entziehen. Technische Probleme des Fluggeräts liegen
indes - von Außeneinwirkungen abgesehen - stets in der besonderen Risikosphäre eines Luftfahrtunternehmens. In Anlehnung an die Entscheidung des
Europäischen Gerichtshofs vom 22.12.2008 (Aktenzeichen C-549/07) kommt ein Ausschluss des Ausgleichsanspruchs wegen technischer Mängel - nicht
zuletzt wegen des sicherzustellenden hohen Schutzniveaus für Fluggäste - nur dann in Betracht, wenn die technischen Probleme auf tatsächlich unbeherrschbare
Vorkommnisse zurückzuführen sind, die nicht Teil der normalen Tätigkeit eines Luftfahrtunternehmens sind - wie beispielsweise versteckte Fabrikationsfehler,
Sabotageakte oder terroristische Handlungen. Maßgeblich ist, ob das zu Grunde liegende Geschehen ein typisches und in Ausübung der betrieblichen Tätigkeit
vorkommendes Ereignis darstellt oder ob es der Beherrschbarkeit der Fluggesellschaft völlig entzogen ist (so im Ergebnis auch die st. Rspr. des Landgerichts Darmstadt).
Der hier einzig denkbare technische Defekt - nämlich der Fehler der Höhenruderanzeige - fällt in die betriebliche Sphäre der Beklagten und liegt in deren
Verantwortungsbereich. Es ist nicht zu erkennen, inwiefern dieses technische Problem nicht im Rahmen der normalen Tätigkeiten des Luftfahrtunternehmens
aufgetreten sein und seine Ursache auch jenseits der von der Beklagten beherrschbaren Umständen gehabt haben soll.
Die von der Beklagten weiterhin behaupteten Umstände, dass sich die eingetretene Verspätung aufgrund des Wunsches einiger Passagiere, das Flugzeug zu
verlassen, in Verbindung mit der hierdurch veranlassten Überschreitung der maximalen Dienstzeit der Flugzeugbesatzung perpetuiert habe, sind unerheblich.
Die Klägerseite hat substantiiert vorgetragen, dass die fast 19-stündige Verspätung allein auf die Reparatur des Fluggeräts zurückzuführen sei, da diese nicht
innerhalb der Dienstzeit der Flugzeugbesatzung habe beendet werden können, sondern erst am nächsten Tag unmittelbar vor dem tatsächlichen Abflug
abgeschlossen gewesen sei. Diese Behauptung ist zwischen den Parteien unstreitig geblieben. Auf Nachfrage des Gerichts hat die Beklagte keine konkreten
Angaben zum Ende der vorgenommenen Reparatur machen können.
Eine Anrechnung etwaiger Zahlungen eines nicht näher benannten Reiseveranstalters nach Art. 12 VO ist nicht durchzuführen. Der diesbezügliche Vortrag der
Beklagten ist unsubstantiiert. Der Vortrag der Beklagten erfolgt ersichtlich ins Blaue hinein und ist nicht zu berücksichtigen, da überhaupt keine konkreten
Anhaltspunkte für solche Zahlungen mitgeteilt werden.
Die Klägerseite kann Freistellung von den im Rahmen der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung aufzuwendenden Kosten verlangen, §§ 280 Abs. 1, Abs. 2,
286 Abs. 1, 249 BGB. Die Beklagte befindet sich seit der Ablehnung der Ansprüche am 08.03.2011 gegenüber dem Vertreter des Klägers im Verzug. Ein
Verschulden der Beklagten am Verzug wird vermutet, § 286 Abs. 4 BGB. Die Klägerseite durfte aufgrund der Nichtzahlung der Beklagten vorgerichtlich einen
Rechtsanwalt beauftragen und diesbezüglich eine Verbindlichkeit in Form von Rechtsanwaltsgebühren eingehen. Diese stellen insoweit einen kausalen und
adäquaten Schaden der Nichtzahlung dar, als diese angemessen sind.
Es kann dahinstehen, ob seitens des Prozessbevollmächtigten der Klägerseite eine ordnungsgemäße Rechnungsstellung erfolgt ist. Die Rechnungsstellung nach
§ 10 Abs. 1 RVG ist nur für die Einforderbarkeit der Vergütung im Verhältnis zwischen Rechtsanwalt und Mandanten maßgeblich und ohne Bedeutung für die
Fälligkeit des Anspruchs - insbesondere im Hinblick auf einen materiellrechtlichen Kostenerstattungsanspruch (OLG München, Az. 10 U 2476/06, Beschluss
vom 19.07.2006). Wie sich aus § 10 Abs. 3 RVG ergibt, steht eine fehlende Rechnungsstellung einem materiellrechtlichen Anspruch des Rechtsanwalts nicht
entgegen; dieser entsteht bereits mit dem ersten Tätigwerden des Anwalts und wird gemäß § 8 Abs. 1 S. 1 RVG mit der Erledigung des Auftrags oder der
Beendigung der Angelegenheit - unabhängig von einer Rechnungsstellung - fällig.
Eine Anrechnung der Ausgleichsansprüche auf die Rechtsanwaltskosten findet nicht statt, da diese nur im Hinblick auf weitergehende Schadensersatzansprüche
in Betracht kommt, die ihre Ursache ebenfalls in der Flugverspätung haben. Grundlage des Ersatzanspruchs im Hinblick auf die Rechtsverfolgungskosten ist
allerdings der eingetretene Verzug der Beklagten und nicht die Flugverspätung selbst.
Unerheblich ist schließlich auch, dass die Beklagte die Ansprüche der Klägerseite vorgerichtlich bereits abgelehnt hatte. Nach Auffassung des erkennenden
Gerichts war die Beauftragung des Prozessbevollmächtigten durch die Klägerseite aus exante-Sicht zweckmäßig und nicht schlechterdings aussichtslos, da nach
allgemeinen Erfahrungssätzen die vorgerichtliche Beauftragung eines Rechtsanwalts auch dann erfolgversprechend ist, wenn die Gegenseite geltend gemachte
Ansprüche bereits abgelehnt hatte. ..." (AG Rüsselsheim, Urteil vom 23.11.2011 - 3 C 1552/11 (36)).
***
„... Der Kläger hat gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von 250,00 € nach Art. 5 Abs. 1c, Art. 7 der EG-Verordnung Nr. 261/2004.
Unstreitig wurde der Flug des Klägers von Paris nach Düsseldorf am 16.01.2011 mit der Abflugzeit 19:55h annulliert und der Kläger erst am nächsten Tag um
6:35h mit einem anderen Flug befördert.
Die Beklagte kann sich nicht mit Erfolg auf den Ausschlusstatbestand des Art. 5 Abs. 3 der Verordnung berufen. Hiernach ist das Luftfahrtunternehmen
von den Ausgleichszahlungen befreit, wenn es nachweisen kann, dass die Annullierung auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht
hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären. Solche außergewöhnlichen Umstände hat die darlegungs- und
beweispflichtige Beklagte nicht hinreichend vorgetragen.
Zwar behauptet sie, dass ihr Bodenpersonal in Paris in einen lediglich zwei Stunden vor dem Flug angekündigten Streik getreten sei, jedoch hat die
Beklagte nicht schlüssig dargelegt, dass sich die Annullierung auch bei Ergreifen aller zumutbaren Maßnahmen nicht hätte vermeiden lassen.
Hierzu hat die Beklagte lediglich vorgetragen, dass ihr aufgrund des Streiks nur eine Minimalbesetzung zur Abfertigung der Flüge zur Verfügung gestanden
hätte. Eine Annullierung des Fluges des Klägers sei nicht zu vermeiden gewesen. Die Beschaffung von Ersatzpersonal sei nicht möglich gewesen.
Dieser Vortrag ist nicht ausreichend, worauf auch der Kläger ausdrücklich hingewiesen hat. Die Beklagte hätte zumindest vortragen müssen, wie viele
Mitarbeiter ihr zur Verfügung standen, wie viele für die Abfertigung eines Fluges benötigt werden und warum nicht zumindest eine verspätete Abfertigung des
Fluges des Klägers möglich war. Auch ist nicht nachvollziehbar, warum nicht Bodenpersonal einer kooperierenden Airline zur Abfertigung des Fluges
eingesetzt wurde.
Der zuerkannte Zinsanspruch folgt aus §§ 280, 286, 288 BGB. Zinsen können jedoch erst ab 30 Tagen nach Zugang der Zahlungsaufforderung verlangt werden.
Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten bestehen jedoch nicht. Ein erst verzugsbegründendes Schreiben eines Rechtsanwalts löst keinen
zu ersetzenden Verzugsschaden in Höhe der hierfür entstandenen Kosten aus. ..." (AG Düsseldorf, Urteil vom 09.11.2011 - 40 C 8546/11)
***
„... Die Kläger, ein Ehepaar, machen gegen das beklagte Luftfahrtunternehmen mit Sitz in Deutschland Ausgleichsansprüche aus der Fluggastrechteverordnung
(EGV 261/2004) wegen Annullierung sowie Erstattungsansprüche für Verpflegungsmehraufwendungen, Taxikosten und Telefonkosten geltend.
Der Kläger und seine Ehefrau buchten bei der Beklagten einen Direktflug mit der Beklagten für den 24.02.2010 von Kairo nach Frankfurt am Main
(Flugnummer: LH ...). Der Flug wurde wegen eines Streiks der bei der Beklagten eingesetzten Piloten annulliert. Stattdessen wurden die Kläger mit einem
anderen Flug mit Zwischenstopp in Paris zurückbefördert. Daher kamen sie statt am 24.02.2010 um 08.05 Uhr am 24.02.2010 um 21.35 Uhr in Frankfurt am
Main an.
Die Kläger behaupten, dem Kläger zu 1. sei durch die Annullierung und den vertragswidrigen Zwischenstopp in Paris Verpflegungsmehraufwand in Höhe von
60,00 EUR und Telefonkosten in Höhe von 104,37 EUR entstanden. Beweis für die von der Beklagten in zulässiger Weise Grund und Höhe nach bestritten
Mehrposten haben die Kläger bis Schluss der mündlichen Verhandlung nicht angetreten. Mit nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingegangenem
Schriftsatz unter dem 31.10.2011 haben die Kläger weiter zu den behaupteten Telefonkosten vorgetragen und zum Beleg eine Handyabrechnung vorgelegt
(Blatt 72-73 der Akte). Ihnen seien zudem Fahrtkosten in Höhe von jeweils 139,00 EUR entstanden, da nach der verspäteten Ankunft des Ersatzflugs keine
Bahnverbindung mehr von Frankfurt am Main zu ihrem Heimatort bestanden habe und sie daher ein Taxi genommen hätten; ein Mitarbeiter der Beklagten, der
namentlich nicht bekannt sei, habe sie mit dem Taxi nach Hause gefahren und ihnen zugesagt, dass die Beklagte ihnen die Taxikosten erstatten werde. Zum
Beweis dieser von der Beklagten ebenfalls in zulässiger Weise bestrittenen Tatsache haben die Kläger vortragen lassen: ‚Beweis: Mitarbeiter der Beklagten als
Zeuge' und die Beklagte aufgefordert, anhand der Dienstpläne den Mitarbeiter namentlich zu benennen (Blatt 56 der Akte).
Die Kläger beantragen, die Beklagte zu verurteilen,
1. an den Kläger zu 1. insgesamt 704,37 EUR nebst Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15. März 2011 und an die
Klägerin zu 2. insgesamt weitere 539,00 EUR nebst Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15. März 2011 zu zahlen,
2. an die Kläger 223,72 EUR für vorgerichtlich entstandene Rechtsanwaltsgebühren zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Die Beklagte ist der Ansicht, der Streik sei ein ‚außergewöhnlicher Umstand', der zur Leistungsfreiheit nach Art.
5 Abs. 3 EGV 261/20004 führe. Hinsichtlich der Posten Taxikosten, Telefonkosten und Verpflegungsmehraufwendungen sei die Klage - ungeachtet fehlenden
Vortrags zur Rechtsgrundlage - schon deshalb abzuweisen, weil die Grund und Höhe nach in zulässiger Weise bestrittenen Posten bis Schluss der mündlichen
Verhandlung nicht unter Beweis gestellt worden seien.
Wegen Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom
28.09.2011 verwiesen. ...
Die Klage hat keinen Erfolg. Ein Ausgleichsanspruch der Kläger scheitert an Art. 5 Abs. 3 EGV 261/2004. Die Beklagte ist von einer etwaigen Verpflichtung
zur Zahlung von Ausgleichsleistungen jedenfalls freigeworden. Die Annullierung war unstreitig auf einen Streik der von der Beklagten eingesetzten Piloten
zurückzuführen. Ein solcher Streik ist ein ‚außergewöhnlicher Umstand', bei dem der Verordnungsgeber ausweislich des - klaren - Erwägungsgrundes 14 der
EGV 261/2004 generell - und damit insbesondere ohne Beleuchtung der näheren Umstände des Zustandekommens des Streiks und des Ausmaßes der
Beeinträchtigung des Betriebs des Luftfahrtunternehmens - von einer Unvermeidbarkeit ausging (ebenso AG Köln, Urt. v. 30.06.2008 - 111 C 126/08 -, juris,
Abs.-Nr. 4). Auch die in Erwägungsgrund 14 vom Verordnungsgeber vorgenommene Gleichsetzung eines den Betrieb des Luftfahrtunternehmens
beeinträchtigenden Streiks mit den anderen dort genannten, zur Leistungsfreiheit führenden Umständen (politische Instabilität, Wetterbedingungen und
Sicherheitsrisiken) belegt eindeutig, dass der Verordnungsgeber bei einem den Betrieb beeinträchtigenden Streik von einer ‚Unvermeidbarkeit' ausging, so dass
die Erwägungen der Kläger - bei denen es sich letztlich ohnehin nur um Vermutungen und damit prozessual unerhebliche Behauptungen ins Blaue hinein
handelt -, der Streik habe sich arbeitsrechtlich vermeiden lassen, unerheblich sind. Soweit dem nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingegangenen
Schriftsatz vom 31.10.2011 Tatsachenvortrag zum Streik zu entnehmen ist, war dieser Vortrag schon nach § 296a Satz 1 ZPO nicht zu berücksichtigen; ein Fall
des § 296a Satz 2 ZPO liegt - für eine auf sorgfältige Prozessführung bedachte Partei deutlich erkennbar - nicht vor. Das nach § 156 Abs. 1 ZPO eingeräumte
Ermessen übt das Gericht dahin aus, dass es die mündliche Verhandlung nicht wiedereröffnet.
Auch im Übrigen ist die Klage abzuweisen. Die Kläger haben - ungeachtet der Tatsache, dass es an Tatsachenvortrag zur Rechtsgrundlage der Ersatzansprüche
fehlt - die Grund und Höhe nach von der Beklagten in prozessual zulässiger Weise bestrittenen Posten Taxikosten, Telefonkosten und
Verpflegungsmehraufwendungen bis Schluss der mündlichen Verhandlung nicht unter Beweis gestellt. Die Kostenübernahmeerklärung der Beklagten
hinsichtlich der Taxikosten ist mit dem Verweis auf einen namentlich nicht benannten ‚Mitarbeiter der Beklagten' - für eine auf sorgfältige Prozessführung
bedachte Partei deutlich erkennbar - nicht wirksam unter Beweis gestellt (§ 373 ZPO); eine prozessuale oder materielle Pflicht der Beklagten zur Preisgabe des
Namens des Zeugens besteht nicht. Soweit dem Schriftsatz der Kläger nach Schluss der mündlichen Verhandlung Tatsachenvortrag zu den behaupteten
Mehrkosten zu entnehmen ist, gilt das oben Gesagte entsprechend: Solcher Vortrag ist nach § 296a Satz 1 ZPO nicht zu berücksichtigen; ein Fall des § 296a
Satz 2 ZPO liegt nicht vor. Sein nach § 156 Abs. 1 ZPO eingeräumtes Ermessen übt das Gericht dahin aus, dass die mündliche Verhandlung nicht
wiedereröffnet. ..." (AG Frankfurt, Urteil vom 08.11.2011 - 31 C 1700/11 (16)
***
„... Den Klägern steht der geltend gemachte Schadensersatzanspruch gemäß § 280 Abs. 1 BGB iVm. Art. 9 Satz 1 lit. a, lit. b der Verordnung (EG) NR.
261/2004 (im folgenden VO) zu.
Art. 9 VO findet im konkreten Fall gemäß Art. 5 Abs. 1 lit. b VO Anwendung, da der Flug von Miami nach Paris am 16.04.2010 aufgrund einer Störung des
Flugverkehrs durch einen Vulkanausbruch in Island annulliert wurde.
Gemäß Art. 9 VO hatte die Beklagte Betreuungsleistungen unentgeltlich den Klägern anzubieten, insbesondere für eine Verpflegung und eine
Hotelunterbringung zu sorgen. Dies ist unstrittig durch die Beklagte nicht erfolgt. Die Beklagte hat damit ihre Verpflichtung zur Erbringung von
Betreuungsleistungen gemäß Art. 9 VO verletzt und hat daher gemäß § 280 BGB Schadensersatz zu leisten, so auch AG Simmern, Urteil vom 20.04.2007, Az.
3 C 8688/06 sowie AG Rüsselsheim, Urteil vom 11.01.2011, Az. 3 C 1698/10.
Die Verpflichtung zur Erbringung von Betreuungsleistungen ist auch nicht aufgrund außergewöhnlicher Umstände entfallen. Die Sperrung des Luftraums
aufgrund des Vulkanausbruchs und der damit verbundenen Vulkanasche im Luftraum sind zwar außergewöhnliche Umstände im Sinne des Art. 5 Abs. 3 VO.
Aus Art. 5 Abs. 3 VO ergibt sich jedoch eindeutig, dass "außergewöhnliche Umstände" bei einer Annullierung die Fluggesellschaften lediglich von
Ausgleichzahlungen gemäß Art. 7 VO befreien, nicht aber von den in Art. 5 Abs. 1 VO aufgeführten Unterstützungsleistungen nach Art. 9 VO. Hierzu stellt
zwar die Begründungserwägung Nr. (14) in der Verordnung eine Abweichung dar, in der es heißt, dass "wie nach den Übereinkommen von Montreal die
Verpflichtungen für Luftfahrtunternehmen in den Fällen beschränkt oder ausgeschlossen sind, in denen ein Vorkommnis auf außergewöhnliche Umstände
zurückgeht(...)". Diese Erwägungen sind jedoch im Hinblick auf den eindeutigen Wortlaut des Art. 5 VO unbeachtlich. Insoweit hat der EuGH in seinem Urteil
vom 10.01.2006, RS C-344/04, NJW 2006, S. 351, 357 Rn. 76 bereits entschieden, dass die Begründungserwägungen eines Gemeinschaftsrechtsaktes zwar
dessen Inhalt präzisieren können, es aber nicht erlauben, von den Regelungen des Rechtsaktes abzuweichen.
In der gleichen Entscheidung hat der EuGH entschieden, dass die Regelung, dass die Fluggesellschaften Unterstützungs- und Betreuungsleistungen für die
Fluggäste zu leisten haben, als standardisierte sofortige Maßnahme nicht zu den Maßnahmen gehören, die das Montrealer Übereinkommen festlegt. Die
Regelung der Verordnung tritt somit neben die Regelungen des Übereinkommens von Montreal. Soweit sich die Beklagte auf die Entlastungsmöglichkeit nach
Art. 19 des Montrealer Übereinkommens (im folgenden MÜ) beruft, findet diese Vorschrift somit keine Anwendung. Art. 19 MÜ findet nur Anwendung auf
die individualisierte Wiedergutmachung und regelt nicht die standardisierte Wiedergutmachung nach der Fluggastrechteverordnung, vgl. EuGH, aaO, S. 357
Rn. 73 sowie BGH, NJW 2010, S. 1526.
Das Gericht hat keinen Anlass, den Rechtsstreit im Hinblick auf das Vorabentscheidungsersuchen des Dublin Metropolitan District Court vom 10.01.2011, Az.
C-12/11, an den EuGH bis zu dessen Entscheidung auszusetzen.
Nach Auffassung des Gerichts gibt es keinen Zweifel daran, dass die Fluggesellschaften nach Art. 9 VO in jedem Fall zur Erbringung von Betreuungsleistungen
verpflichtet sind. Es bestehen keine Zweifel, wie Art. 9 VO auszulegen ist. Auch hat das Gericht keine Zweifel an der Gültigkeit der Vorschrift.
Ein über außergewöhnlichen Umstand iSd der Verordnung (EG) 261/2004 hinausgehendes Ereignis ist in dem Vulkanausbruch nicht zu sehen. Die Verordnung
nennt in ihrem Erwägungsgrund Nr. (14) als außergewöhnliche Umstände gerade mit der Durchführung eines Fluges nicht zu vereinbaren Wetterbedingungen.
Dies war hier mit der Vulkanasche der Fall. Es ist daher nicht ersichtlich, weshalb im vorliegenden Fall ein über außergewöhnliche Umstände hinausgehende
Ereignis vorliegen soll. Der klare Wortlaut der Verordnung ergibt, dass die Fluggesellschaften auch bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände zur Erbringung
von Betreuungsleistungen verpflichtet sind. Diese Regelung hat der EuGH in seinem Urteil vom 10.01.2006 (aaO) geprüft und für gültig befunden.
Insbesondere hat der EuGH klargestellt, dass die Fluggastrechteverordnung neben den Regelungen des Montrealer Übereinkommens steht, nicht
diskriminierend ist und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht. Der EuGH, der sich in seinem Urteil ausführlich mit der Verpflichtung der
Fluggesellschaften zur Erbringung von Betreuungsleistungen auch im Fall des Vorliegens von außergewöhnlichen Umständen auseinandergesetzt hat, konnte
keine Ungültigkeit der Vorschriften erkennen. Dementsprechend geht auch das erkennende Gericht von einer Gültigkeit der Verordnung aus.
Eine Aussetzung bis zur Entscheidung des Vorabentscheidungsersuchens ist daher nicht veranlasst.
Nach Art. 9 Abs. 1 lit. b VO hatte die Beklagte den Klägern unentgeltlich eine Hotelunterbringung anzubieten. Nachdem dies nicht geschehen ist, haben die
Kläger gemäß § 280 BGB einen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe der verauslagten Hotelkosten. Es liegen keine Anhaltspunkte vor, dass es sich hierbei
um nicht erstattungsfähige Luxusaufwendungen handelt.
Ebenfalls haben die Kläger gemäß Art. 9 Abs. 1 lit. a VO einen Anspruch auf ein unentgeltliches Angebot von Mahlzeiten und Erfrischungen. Die Kläger haben
daher Anspruch auf Schadensersatz der verauslagten Kosten hierfür in Höhe von 50,07 €. Soweit die Beklagte einwendet, dass es sich hierbei um "sowieso"
Kosten handelt, ist dieser Einwand unbegründet. Aufwendungen für Mahlzeiten und Erfrischung stellen zwar generell ersparten Eigenaufwendungen dar.
Dessen ungeachtet wollte der Verordnungsgeber diese jedoch dennoch ersetzt sehen. Im Übrigen ist auch zu bedenken, dass eine Verpflegung an einem
fremden Ort in der Regel teurer ist als zu Hause.
Es ergibt sich folgende Schadensberechnung:
Airporthotel: 83,80 €
BestWestern Hotel 387,11 €
Verpflegung 50,07 €
gesamt 520,98 €
gezahlt 184,00 €
Rest 336,98 €
Das Gericht war gemäß § 308 ZPO an den Klageantrag in Höhe von 327,98 € gebunden.
Ebenfalls unter Schadensersatzgesichtspunkten sind den Kläger die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 102,82 € zuzusprechen. Diesbezüglich
wird auf die zutreffende Berechnung in der Klageschrift Bezug genommen.
Die Schadensersatzforderung ist aus Verzugsgesichtspunkten gemäß §§ 286, 288 Abs. 1 BGB mit 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.08.2010 zu
verzinsen. Nach alledem war der Klage vollumfänglich stattzugeben. ..." (AG Nürnberg, Urteil vom 14.09.2011 - 18 C 6053/11)
***
Bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände - hier: Fluglotsenstreik - trifft ein Luftfahrtunternehmen gleichwohl die Obliegenheit zur Sicherstellung der
frühestmöglichen Rückbeförderung der Fluggäste. Die Fluglinie ist grundsätzlich zum Schadensersatz - nicht aber zur Ausgleichszahlung - verpflichtet, wenn
der Fluggast in Eigenregie die Beförderung zum Zielort organisiert und die vom Luftfahrtunternehmen angebotene Alternativbeförderung erst zu einem
unangemessen späteren Zeitpunkt erfolgt wäre; denn das Luftfahrtunternehmen ist bei einer Flugannullierung gehalten, die Beförderungsverpflichtung notfalls
durch Inanspruchnahme von Leistungen Dritter, insbesondere anderer Fluglinien, zeitnah zu erfüllen. Ein Fluggast übt bei Rückforderung des Flugpreises sein
Wahlrecht nach Art. 8 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 im Zweifel nur dann rechtswirksam aus, wenn er zuvor auf die Rechtsfolgen seines Handelns,
insbesondere den hierin liegenden Verzicht auf weitergehende Schadensersatzansprüche, ausdrücklich hingewiesen wurde (AG Bremen, Urteil vom 04.08.2011
- 9 C 135/11).
***
Entscheidet der Pilot, dass eine Landung des Flugzeuges wegen des Wetters zu gefährlich ist, ist diese Einschätzung wegen seiner Befugnisse als
Luftfahrzeugführer nach Art. 3 Abs. 1 LuftVO grundsätzlich bindend. Sie kann vom Gericht nur eingeschränkt auf grobe Fehler überprüft werden (AG Geldern,
Urteil vom 03.08.2011 - 4 C 242/09):
„... Der Kläger buchte am 10.03.2008 für sich, seine Ehefrau und seine drei Kinder einen Flug der Beklagten von A… (Spanien) nach B… . Das Flugzeug sollte
planmäßig am 11.10.2008 um 14.55 Uhr in A… abheben. Die Beklagte annullierte den Flug Nr. … jedoch, was dem Kläger zwei Stunden vor dem geplanten
Start mitgeteilt wurde. Weil der Pilot des Zubringerfluges, Herr P…, der die einzusetzende Maschine gegen 14.20 Uhr in Alicante landen sollte, eine Landung
für zu riskant hielt, drehte er nach C… ab, nachdem er zehn Minuten über dem Flughafen A… gekreist hatte. Nach seiner Einschätzung war eine Landung
wegen einer Gewitterfront und böigen Winden mit Geschwindigkeiten von bis zu 60 km/h zu gefährlich. Er landete gegen 14.50 Uhr in C… . Weil das
Unwetter noch andauerte, wurde auch ein für 15.20 Uhr angesetzter Positionierungsflug von C… nach A… annulliert. Ein Bustransfer der Fluggäste wurde
nach der Annullierung des Positionierungsfluges nicht durchgeführt, weil es insgesamt etwa 5 Stunden gedauert hätte, einen solchen zu organisieren und
durchzuführen. Das Flugzeug hätte dann von seiner Besatzung nicht nach B… zurückgeflogen werden können, weil diese dann ihre zulässige Höchstdienstzeit
überschritten gehabt hätte. Die Maschine flog stattdessen leer nach B… zurück. Die Beklagte bot den wartenden Fluggästen keine Mahlzeiten und
Erfrischungen an. Der Kläger lehnte die Beförderung mit den von der Beklagten angebotenen Ersatzflügen am 14.10.2008 oder 18.10.2008 ab. Er fuhr
stattdessen mit seiner Familie noch am 11.10.2008 mit einem Mietwagen von A… nach Deutschland zurück, den er anschließend selbst am 15.10.2008 nach
F… zurückbrachte, weil die Mietwagenfirma diesen nur in Spanien wieder entgegennahm. Die zunächst beim Landgericht Kleve erhobene Klage verwies jenes
mit Beschluss vom 30.06.2009 an das Amtsgericht Geldern.
Der Kläger behauptet, die Annullierung beruhe nicht auf einem außergewöhnlichen Umstand, weil die Einschätzung des Piloten „unverständlich" sei.
Zahlreiche andere Maschinen seien gegen 14.49 Uhr und „zu ähnlichen Zeitpunkten" gestartet und gelandet. Überdies könne dies ohnehin allenfalls eine
Annullierung des Zubringerfluges … rechtfertigen, nicht aber des streitgegenständlichen Fluges. Der Flug sei nur wegen eines Organisationsverschuldens der
Beklagten annulliert worden, die Überschreitung der Dienstzeiten der Besatzung sei kein außergewöhnlicher Umstand. Die angebotenen Ersatzflüge seien für
ihn und seine Familie unannehmbar gewesen, da seine Kinder schulpflichtig seien und die Schule am Montag, den 13.10.2008 bereits wieder begonnen habe.
Anders als anderen Passagieren habe die Beklagte ihm keinen Flug für den 12.10.2008 angeboten. Auch sei ihm ein Honorar von 2.500,- € entgangen, da er,
von Beruf selbständiger Privatdetektiv, eine für den 12.10.2008 angesetzte 71-Stunden-Observierung nicht habe durchführen können. Das Honorar stelle auch
in voller Höhe seinen Gewinn dar, weil es sich bei der vereinbarten Entlohnung um eine Aufwandserstattung handele, die auch etwaige Fahrtkosten beinhalte
(Bl. 271 GA). Überdies habe er 155,10 € für Verpflegung aufwenden müssen; für weitere Einzelheiten wird auf die beigebrachten Belege (Bl. 18/19 GA) Bezug
genommen. ...
Sie behauptet, der Flug habe wegen außergewöhnlicher Umstände annulliert werden müssen. Der Beklagten hätten weder eine Ersatzmaschine, noch eine
Ersatzbesatzung zur Verfügung gestanden. Die Beklagte bestreitet, dass die Verpflegungsaufwendungen mit der Annullierung zusammenhängen. ...
Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 25.08.2010 (Bl. 276/277 GA) in Gestalt des Berichtigungsbeschlusses vom 07.10.2010 (Bl. 285
GA); wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten des Sachverständigen L… vom 21.02.2011 (Bl. 297-301 GA) verwiesen; auch die
Akte Amtsgericht Geldern, Az.: 17 C 192/09 wurde beigezogen. ...
I. Die Klage ist zulässig. Das Amtsgericht Geldern ist gemäß Art. 5 Nr. 1 lit. b) Spiegelstrich 2 EuGVVO als Gericht des Erfüllungsortes international
zuständig. Erfüllungsort eines Luftbeförderungsvertrages ist sowohl der Ort des (beabsichtigten) Abfluges, als auch der Ort der (beabsichtigten) Ankunft (vgl.
EuGH NJW 2009, 2801, 2803). Sachlich zuständig ist das Amtsgericht Geldern jedenfalls gemäß § 281 Abs. 2 S. 4 ZPO aufgrund der Verweisung durch das
Landgericht Kleve.
II. ... 1.) Der Kläger hat keinen Anspruch auf Ausgleichszahlungen in Höhe von 2.000,- € aus Art. 5 Abs. 1 lit. c), 7 Abs. 1 S. 1 lit. b) FluggastrechteVO gegen
die Beklagte. Zwar hat diese unstreitig den Flug … annulliert. Sie annullierte den Flug unstreitig auch nicht so rechtzeitig, dass Ausgleichsansprüche gemäß
Art. 5 Abs. 1 lit. c) FluggastrechteVO ausgeschlossen wären. Die Annullierung ist aber gemäß Art. 5 Abs. 3 FluggastrechteVO gerechtfertigt gewesen, weil sie
auf Umständen beruht hat, die die Beklagte auch bei Ergreifen aller zumutbaren Maßnahmen nicht hätte vermeiden können.
a) Die Annullierung des Fluges … beruhte darauf, dass am Flughafen A… kein Flugzeug der Beklagten vorhanden war, weil der Pilot des Zubringerfluges aus
Gründen der Flugsicherheit nicht bereit war, die Maschine in A… zu landen, sondern nach C… abdrehte und dort landete. Kann ein Flug nicht durchgeführt
werden, weil das für den Transport vorgesehene Flugzeug den Flughafen wegen ungünstiger Witterung nicht anfliegen kann, begründet dies einen
„außergewöhnlichen Umstand" im Sinne von Art. 5 Abs. 3 FluggastrechteVO (vgl. BGH NJW-RR 2010, 1641, 1641/1642; OLG Koblenz NJW-RR 2008, 1232).
b) Wegen des Wetters konnte die Maschine der Beklagten den Flughafen A… aus Sicherheitsgründen nicht anfliegen. Dies steht bindend fest, weil der
Pilot P… eine Landung wegen des Wetters als zu gefährlich eingeschätzt hat und diese Einschätzung nicht grob fehlerhaft gewesen ist. Dass der Pilot dieser
Auffassung gewesen ist, ist zwischen den Parteien unstreitig und ergibt sich auch aus der Vernehmung des Piloten P… im Verhandlungsprotokoll der
beigezogenen Akte des AG Geldern, Az.: 17 C 192/09 vom 08.06.2010. Die Einschätzung des Piloten ist grundsätzlich bindend, weil dieser in seiner
Eigenschaft als Luftfahrzeugführer gemäß § 3 Abs. 1 LuftVO allein die Entscheidungsgewalt über die Führung des Flugzeuges innehat und für dessen
Sicherheit verantwortlich ist. Dabei obliegt ihm ein weiter Ermessensspielraum, der gerichtlich nur eingeschränkt auf grobe Fehler überprüfbar ist (vgl. LG
Kleve, Urt. v. 07.04.2011 - 6 S 116/10). Im streitgegenständlichen Fall gilt § 3 Abs. 1 LuftVO zwar nicht direkt, sondern die entsprechende Regelung der
spanischen Luftverkehrsordnung, weil es sich um ein Landemanöver im spanischen Luftraum handelte und das Luftverkehrsrecht aufgrund des
Territorialitätsprinzips grundsätzlich nur innerhalb der eigenen Staatsgrenzen gilt (vgl. Faber, Rechtsfragen der Planung von Flughäfen, 1. Aufl. 2006, S. 343).
Jene spanische Regelung entspricht jedoch sachlich § 3 Abs. 1 LuftVO, da dieser nur die deutsche Umsetzung von Anhang 2 Nr. 2.4 des Chicagoer
Abkommens über die internationale Zivilluftfahrt von 07.12.1944 ist. Alle Vertragsstaaten haben sich verpflichtet, diese Regeln umzusetzen (vgl.
Schleicher/Reymann/Abraham, Das Recht der Luftfahrt, Band 2, 3. Aufl. 1966, S. 350/351). Auch Spanien ist Vertragsstaat des Chicagoer Abkommens (vgl.
Schleicher/Reymann/Abraham, Das Recht der Luftfahrt, Band 1, 3. Aufl. 1960, S. 21).
c) Der Pilot P… hat sein Ermessen nicht grob fehlerhaft ausgeübt; seine Entscheidung war vielmehr richtig, wie der Sachverständige L… in seinem Gutachten
überzeugend ausführt. Ein Landeanflug von Osten sei wegen der Windgeschwindigkeiten von 20 bis 32 Knoten (= 37 km/h - 60 km/h) nicht möglich gewesen,
weil dann die zugelassene maximale Rückenwindkomponente für die eingesetzte Maschine vom Typ Boeing 737 überschritten worden wäre. Ein Landeanflug
von Westen sei hingegen wegen der Gewitterfront zu gefährlich gewesen. Wegen der starken Bewölkung des Luftraums in der Höhe von 1.800 bis 7.000 Fuß (=
550 m - 2.150 m) sei allenfalls eine Landung im Instrumentenanflug, nicht aber im Sichtflug möglich gewesen. Die Sichtweite habe nur 4.500 Meter betragen,
so dass keine Sichtreferenz zur Landebahn habe hergestellt werden können. Ein Instrumentenanflug sei aber wegen des Gebirges in der Nähe des Flughafens
unmöglich gewesen. Für einen sicheren Landeanflug wäre erforderlich gewesen, dass das Flugzeug eine Position in 3.300 Fuß Höhe hätte einnehmen können.
Wegen des erforderlichen Sicherheitsabstandes sei jedoch nur eine Flughöhe von 3.900 bis 4.000 Fuß durch das dazu berechtigte Flugsicherheitspersonal des
Flughafens A… freigegeben worden. Angesichts dessen, dass die verbliebene Treibstoffmenge nur noch ein kurzes Kreisen über dem Flughafen A…
ermöglicht hätte, sei die auch die Entscheidung des Piloten richtig gewesen, nach C… abzudrehen. Es kann zugunsten des Klägers als wahr unterstellt werden,
dass Maschinen anderer Fluggesellschaften um 14.49 Uhr und „zu ähnlichen Zeitpunkten" auf dem Flughafen A… gelandet sind, so dass es keiner Vernehmung
der durch den Kläger dafür benannten Zeugen bedarf. Daraus lässt sich jedenfalls nicht ableiten, dass die Einschätzung des Piloten P… grob fehlerhaft gewesen
wäre. Wie der Sachverständige L… in seinem Gutachten überzeugend ausführt, kann es sich bei Gewitterfronten usw. um zeitlich und örtlich beschränkte
Wetterphänomene handeln, so dass eine sichere Landung eines anderen Flugzeuges zu einem etwas späteren Zeitpunkt durchaus möglich gewesen sein kann.
d) Die Beklagte hätte die Annullierung auch nicht vermeiden können. Auf das Wetter hat sie naturgemäß keinen Einfluss. An die Entscheidung des Piloten
P… ist auch die Beklagte gebunden, auch wenn es sich bei diesem um einen ihrer Angestellten handelt, weil dessen Befugnisse aus § 3 Abs. 1 Luft-VO bzw.
der entsprechenden ausländischen Regelung hoheitsrechtlicher Natur sind. Daran hat auch die FluggastrechteVO nichts geändert. Deren Zweck ist in der
Hauptsache der Schutz der Interessen der Flugreisenden an einem reibungslosen Luftverkehr; nicht hingegen, den Piloten (faktisch) zu riskanten
Landemanövern zu verleiten, um seinen Arbeitgeber vor Ausgleichsansprüchen zu bewahren. Dies liefe den berechtigten Sicherheitsinteressen der
Flugreisenden gerade entgegen.
e) Ob eine Annullierung nur dann gerechtfertigt ist, wenn die Fluggesellschaft alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, um die Annullierung trotz der
außergewöhnlichen unvermeidbaren Umstände im Sinne von Art. 5 Abs. 3 FluggastrechteVO zu vermeiden, kann hier offenbleiben (ebenfalls offengelassen
BGH NJW-RR 2010, 1641, 1642). Die Beklagte konnte die Annullierung durch zumutbare Maßnahmen nicht abwenden. Sie handelte im Rahmen des ihr
zustehenden „vernünftigen Ermessens" (vgl. BGH NJW-RR 2010, 1641, 1642), als sie versuchte die Annullierung durch den geplanten Positionierungsflug
abzuwenden, für den sie auch ein Zeitfenster (sog. „Slot") für 15.20 Uhr hatte reservieren lassen. Es ist nicht ersichtlich, dass dieser Versuch von vornherein
aussichtslos gewesen wäre, da Wetterphänomene wie Gewitter usw. durchaus kurzfristig enden können. Nachdem auch der Positionierungsflug annulliert
wurde, verblieben keine zumutbaren Maßnahmen mehr, durch die die Beklagte die Annullierung hätte vermeiden können. Ihr ist nicht zuzumuten, für jeden
geplanten Flug an jedem Flughafen jederzeit ein Ersatzflugzeug bereitzuhalten. Angesichts der hohen Kosten für ein Passagierflugzeug ist dies eine allenfalls
theoretische Möglichkeit, die in der Wirklichkeit am finanziellen Aufwand scheitern muss. Zumutbar sind aber nur Maßnahmen, die „für das betroffene
Luftfahrtunternehmen insbesondere in technischer und wirtschaftlicher Hinsicht tragbar" sind (EuGH RRa 2011, 125, 127). Die Beklagte war auch nicht
verpflichtet, die Passagiere in Bussen nach C… zu verbringen. Dadurch hätte sich die Annullierung nicht vermeiden lassen, weil die Beklagte auch dann den
„geplanten Flug" im Sinne von Art. 2 lit. l) FluggastrechteVO nicht durchgeführt hätte. Der Flug hätte mit C… statt A… einen anderen Ausgangspunkt als der
geplante gehabt. Er hätte damit allenfalls noch als Flug unter „vergleichbaren Reisebedingungen" angesehen werden können, wie sie in Art. 8 Abs. 1 lit. b) und
c) FluggastrechteVO erwähnt werden. Es hätte sich damit allenfalls um eine Ersatzbeförderung im Sinne von Art. 8 FluggastrechteVO gehandelt, nicht aber als
(verspätete) Durchführung des ursprünglich geplanten Fluges.
2.) Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung von 2.500,- € aus §§ 631, 280, 281, 283, 252 BGB. Die Beklagte hat die Annullierung des
Fluges nicht zu vertreten. Die Annullierung erfolgte wegen außergewöhnlicher Umstände, die die Beklagte nicht vermeiden konnte (s. unter II. 1.). Ist eine
Annullierung sogar nach dem strengen Maßstab des Art. 5 Abs. 3 FluggastrechteVO gerechtfertigt, hat die Fluggesellschaft die Annullierung erst recht nicht
nach § 280 Abs. 1 S. 2 BGB zu vertreten. Überdies hat der Kläger die Höhe des ihm entgangenen Gewinns trotz entsprechenden gerichtlichen Hinweises nicht
hinreichend dargetan. Selbst wenn als wahr unterstellt wird, dass ihm ein Honorar von 2.500,- € entgangen ist, ist damit die Höhe des entgangenen Gewinns
nicht dargetan. Die Honorarzahlung bildet nur den entgangenen Umsatz ab, von dem zur Ermittlung des Gewinns noch die anfallenden Kosten, Steuern usw.
abzuziehen sind. Dies hat der Kläger nicht dargetan. Sein auf den gerichtlichen Hinweis erfolgter Vortrag, dass kein Abzug vorzunehmen sei, weil die
Entlohnung seine Fahrtkosten mit abgelten sollte, spricht entgegen seiner Auffassung gerade dafür, dass abzuziehende Kosten angefallen wären. Auch
abzuziehende Steuern fallen für gewerbliche Tätigkeiten stets an.
3.) Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung von 2.500,- € aus §§ 631, 280 Abs. 1, 252 BGB i.V.m. Art. 8 Abs. 1 lit. b)
FluggastrechteVO. Der für eine Pflichtverletzung der Beklagten gemäß § 280 Abs. 1 S. 1 BGB beweisbelastete Kläger (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 70. Aufl.
2011, § 280 Rn. 34) hat nicht nachzuweisen vermocht, dass diese ihm nicht die frühestmögliche Ersatzbeförderung im Sinne von Art. 8 Abs. 1 lit. b)
FluggastrechteVO angeboten hätte.
a) Der Kläger hat nicht nachzuweisen vermocht, dass die Beklagte am 11.10.2008 mit dem in C… gelandeten Flugzeug einen Ersatzflug nach B… hätte
durchführen können. Sie hätte den Flug mit der vorhandenen Besatzung unbestritten nicht mehr durchführen können, weil diese dann ihre zulässige
Höchstdienstzeit überschritten hätte. Dies ist dann ein beachtlicher Einwand, wenn die Fluggesellschaft einen angemessenen zeitlichen Spielraum im Flugplan
eingeplant hat, damit nicht jede Störung im Flugbetrieb zwangsweise zu Annullierungen führt (vgl. EuGH RRa 2011, 125, 127/128 = EuZW 2011, 526, 527).
Diese Wertung gilt entsprechend bei der Frage, ob mit der andernorts gelandeten Maschine eine Ersatzbeförderung angeboten werden musste. Unbestritten hätte
die Maschine wegen des nötigen Bustransfers der Passagiere von A… nach C… erst weit mehr als 5 Stunden nach der geplanten Abflugzeit abheben können.
Einen zeitlichen Spielraum von mehr als 5 Stunden braucht eine Fluggesellschaft offensichtlich nicht einzuplanen. Eine solche Pflicht wäre angesichts der
festgelegten Höchstdienstzeit von 12 Stunden für eine Flugzeugbesatzung unzumutbar. Der Kläger ist beweisfällig dafür geblieben, dass die Beklagte den
Ersatzbeförderungsflug mit einer Ersatzmannschaft hätte durchführen können. Er bietet für seine entsprechende Behauptung keinen Beweis an. Die bloße
Tatsache, dass die Beklagte viele spanische Flughäfen anfliegt, bedeutet nicht, dass ihr im streitgegenständlichen Zeitpunkt auch eine Ersatzmannschaft zur
Verfügung stand.
b) Der Kläger hat auch nicht nachzuweisen vermocht, dass die Beklagte ihre Verpflichtung dadurch verletzt hätte, dass sie ihm und seiner Familie keinen
Ersatzflug für den 12.10.2008 angeboten hat. Die Verpflichtung des Art. 8 Abs. 1 lit. b) FluggastrechteVO trifft eine Fluggesellschaft nur in den Grenzen ihrer
eigenen Kapazitäten (Lienhard GPR 2004, 259, 263). Der Kläger hat nicht darzutun vermocht, dass der für den 14.10.2008 angebotene Flug nicht der
frühestmögliche (noch) verfügbare gewesen ist. Unstreitig hat die Beklagte anderen Passagieren des annullierten Fluges Plätze für einen Ersatzflug am
12.10.2008 angeboten. Doch sind naturgemäß auch die Kapazitäten der Ersatzflüge begrenzt. Der Kläger hat jedoch nicht einmal ausdrücklich behauptet, dass
im Flug am 12.10.2008 noch freie Plätze verfügbar waren, als ihm die Ersatzbeförderung für den 14.10.2008 angeboten wurde. Es lässt sich seinem Vortrag
nicht ansatzweise entnehmen, dass Passagieren ein Ersatzflug für den 12.10.2008 angeboten wurde, die erst nach ihm bedient wurden. Dies wäre aber
zwingend, um eine Pflichtverletzung anzunehmen. Wurden die Fluggäste hingegen vor dem Kläger bedient, scheidet eine Pflichtverletzung aus. Der Kläger und
seine Familie genossen keinen Vorrang vor anderen Passagieren bei der Zuteilung eines Ersatzfluges. Die FluggastrechteVO sieht kein Auswahlverfahren mit
Privilegien für bestimmte Passagiere beim Angebot von Ersatzbeförderungen nach Art. 8 FluggastrechteVO vor. Überdies hat der Kläger den von ihm
behaupteten entgangenen Gewinn gemäß § 252 BGB nicht hinreichend dargetan (s. unter II. 2.).
4.) Der Kläger hat gegen die Beklagte Anspruch auf Zahlung von 41,35 € gemäß §§ 631, 280 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 5 Abs. 1 lit. b), 9 Abs. 1 lit. a) FluggastrechteVO.
a) Die Beklagte hat ihre Nebenpflichten aus dem Luftbeförderungsvertrag dadurch verletzt, dass sie keine Erfrischungen und Mahlzeiten angeboten hat,
obgleich sie den Flug … annulliert hatte. Die Ansprüche auf Betreuungsleistungen sind als Nebenpflichten des Luftbeförderungsvertrages im Sinne von § 241
Abs. 2 BGB anzusehen. Die Beklagte hat die Vermutung des § 280 Abs. 1 S. 2 BGB nicht widerlegt, dass sie die Pflichtverletzung auch zu vertreten hat. Dass
sie den Flug gemäß Art. 5 Abs. 3 FluggastrechteVO annullieren durfte, befreit sie nicht von ihrer Verpflichtung, Betreuungsleistungen zu erbringen, weil diese
Pflicht verschuldensunabhängig ist. Es sind auch keine anderen Umstände dargetan oder ersichtlich, warum die Beklagte den wartenden Fluggästen keine
Mahlzeiten und Erfrischungen angeboten hat. Es ist nicht dargetan, dass dieses wegen des Gewitters unmöglich gewesen wäre. Dies erscheint innerhalb des
Flughafengebäudes auch fernliegend.
b) Ersatzfähig sind aber nur die Kosten für die Nahrungsmittel, die der Kläger und seine Familie ausweislich der vorgelegten Quittungen am 11.10.2008 gegen
13.48 Uhr und 15.32 Uhr auf dem Flughafengelände zu sich genommen haben. Für die weiteren Verpflegungsaufwendungen war nicht ursächlich, dass die
Beklagte keine Betreuungsleistungen nach Art. 9 Abs. 1 lit. a) FluggastrechteVO erbracht hat, weil der Kläger beim Kauf jener Lebens- und Genussmittel nicht
mehr auf einen späteren Flug gewartet hat. Ausweislich des Erwägungsgrundes 13 der FluggastrechteVO soll die Fluggesellschaft Betreuungsleistungen nur für
die Wartezeit bereitstellen. Die am 11.10.2008 gegen 22.00 Uhr erworbenen Lebensmittel erwarb der Kläger an einer Autobahnraststätte, also auf der Rückfahrt
nach Deutschland. Die am 15.10.2008 gekauften Lebensmittel verzehrte der Kläger ebenfalls nicht während der Wartezeit auf einen späteren Flug der
Beklagten. Diese Mehraufwendungen wurden vielmehr allein durch die vom Kläger selbst verschuldete Notwendigkeit verursacht, den Mietwagen nach
Spanien zurückzubringen. Für die Aufwendungen vom 10.10.2008 ist eine Ursächlichkeit offensichtlich ausgeschlossen, weil zu diesem Zeitpunkt keinem der
Beteiligten bekannt sein konnte, dass der streitgegenständliche Flug annulliert werden würde.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO analog. Da in der Vorschrift ein allgemeiner Rechtsgedanke zum Ausdruck kommt, ist sie über
ihren Wortlaut hinaus auch zugunsten des Beklagten anwendbar, der nur zu einem geringfügigen Teil unterliegt (vgl. RGZ 142, 83, 84). Ein verhältnismäßig
geringfügiges Abweichen der ergangenen gerichtlichen Entscheidung vom Begehren einer Partei soll dieser im Kostenpunkt nicht zum Nachteil gereichen
(RGZ 142, 83, 84). Die Beklagte ist nur zu einem geringen Teil unterlegen. Eine Verurteilung zur Zahlung von 41,35 € ist bei einer Klageforderung von mehr
als viereinhalbtausend Euro eindeutig als geringfügig anzusehen. ..."
***
„... Die Klägerseite hat einen Anspruch auf Leistung von Ausgleichszahlungen in der geltend gemachten Höhe gemäß Art. 7 Abs. 1 lit. a), Art. 6 Abs. 1
Verordnung (EG) 261/2004 (nachfolgend "VO" genannt). Nach den Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs vom 19.11.2009 (Aktenzeichen C-402/07
und C-432/07) sowie des Bundesgerichtshofs vom 18.02.2010 (Aktenzeichen Xa ZR 95/06) sind die Art. 5, 6 und 7 VO dahin auszulegen, dass die Fluggäste
verspäteter Flüge im Hinblick auf die Anwendung des Ausgleichsanspruchs den Fluggästen annullierter Flüge gleichzustellen sind, wenn sie wegen eines
verspäteten Fluges einen Zeitverlust von 3 h oder mehr erleiden, ihr Ziel also nicht früher als 3 h nach der von dem Luftfahrtunternehmen ursprünglich
geplanten Ankunftszeit erreichen. Die Klägerseite kann die Ausgleichszahlung beanspruchen, da sie ihr Ziel später als 3 h nach der geplanten Ankunftszeit
erreicht hat.
Vorliegend ist auch eine erhebliche Abflugverspätung von über 3 h gegeben. Dem steht der Umstand nicht entgegen, dass sich das Flugzeug bei Entdecken
einer möglichen Störung der Triebwerke bereits auf dem Weg zur Startbahn befand. Im Rahmen der Ermittlung von Verspätungen sind nach Auffassung des
erkennenden Gerichts grundsätzlich die Zeiten maßgeblich, zu denen das Flugzeug die Parkposition verlässt bzw. dort ankommt ("On-Block- /
Off-Block-Zeiten") - insofern folgt das Gericht dem Vortrag der Beklagtenseite im Hinblick auf die allgemein veröffentlichten und auch im Rahmen der
Slotverteilung verbindlichen Zeiten. Allerdings liegt ein "Abflug" im Sinne des Art. 6 VO - und nur auf diese Regelung kommt es an - nicht schon dann vor,
wenn ein Flugzeug seine Parkposition verlässt. Hierfür ist vielmehr - bereits begriffsnotwendig - erforderlich, dass eine Flug- und nicht nur eine Rollbewegung
stattfindet (so im Ergebnis auch Amtsgericht Rüsselsheim, Urteil vom 21.01.2011, Az. 3 C 1392/10 (31)). Hiernach kann für die Bestimmung eines Abflugs
nur dann auf die Off-Block-Zeit abgestellt werden, wenn das Flugzeug im unmittelbaren zeitlichen Nachgang - ohne dass eine (weitere) Verzögerung durch das
Zutun des ausführenden Luftfahrtunternehmens eintritt - tatsächlich von der Startbahn abhebt und eine Fortbewegung in der Luft stattfindet. Dies ist vorliegend
jedoch nicht rechtzeitig geschehen, der tatsächliche Abflug ist erst ca. 4 Stunden später erfolgt, als die Maschine erneut die Parkposition verließ und dann auch
von der Startbahn abgehoben hat.
Es bleibt auch unerheblich, dass die Beklagte die Nichtvorlage einer bestätigten Buchung gerügt hat. Hier hätte es der Beklagten oblegen, qualifiziert zu
bestreiten, dass die Kläger einen Flug bei der Beklagten gebucht hatten und diese deshalb nicht im Besitz einer bestätigten Buchung sind. Sollte die Beklagte
keine aktuelle Kenntnis darüber gehabt haben, ob ihr Prozessgegner Fluggast gewesen ist, hätte sie den Grund ihrer Unkenntnis darlegen müssen (so auch
Zöller, ZPO, § 139, Rn. 14). Die Beklagte kann sich diesbezüglich auch nicht etwa darauf zurückziehen, dass ihr keine Fluggastlisten mehr vorliegen. Der
Beklagten muss als Luftfahrtunternehmen aus eigener Wahrnehmung bekannt sein, welche Fluggäste sie tatsächlich transportiert hat. Wenn die Beklagte die
Fluggastlisten eines erst wenige Monate zurückliegenden Fluges in Kenntnis der Verspätung und der deswegen drohenden Ansprüche von Fluggästen ohne Not
bereits vernichtet haben sollte, hat sie die hieraus entstehenden prozessualen Nachteile zu tragen.
Der Ausgleichsanspruch ist nicht entsprechend Art. 5 Abs. 3 VO ausgeschlossen; die Verspätung geht nicht auf außergewöhnliche Umstände im Sinne dieser
Vorschrift zurück. Zwar soll nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesgerichtshofs ein Ausgleichsanspruch in entsprechender
Anwendung des Art. 5 Abs. 3 VO entfallen, wenn das Luftfahrtunternehmen nachweisen kann, dass die große Verspätung auf außergewöhnliche Umstände
zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären; solche außergewöhnlichen Umstände
sind vorliegend allerdings nicht gegeben.
Die von der Beklagten behauptete, aber nicht näher konkretisierte und bestätigte, sondern lediglich für möglich befundene Störung der Triebwerke scheidet als
außergewöhnlicher Umstand im Sinne des Art. 5 Abs. 3 VO aus; das diesbezügliche Vorbringen der Beklagten bleibt unerheblich. Bei diesem Fehler handelt es
sich ersichtlich um einen technischen Defekt. Technische Defekte sind indes nicht schlechterdings als außergewöhnliche Umstände zu qualifizieren, die das
Luftfahrtunternehmen von der Verpflichtung zur Zahlung einer Ausgleichsleistung wegen Verspätung oder Annullierung eines Fluges befreien können (a. A.
insb. OLG Köln, Urteil vom 27.5.2010, Az. 7 U 199/09).
In Erwägungsgrund 14 der VO wird erkennbar, dass der Verordnungsgeber bei den haftungsausschließenden außergewöhnlichen Umständen ersichtlich solche
im Blick hatte, die außerhalb der Sphäre des Luftfahrtunternehmens liegen und sich deren Beherrschung entziehen. Technische Probleme des Fluggeräts liegen
indes - von Außeneinwirkungen abgesehen - stets in der besonderen Risikosphäre eines Luftfahrtunternehmens. In Anlehnung an die Entscheidung des
Europäischen Gerichtshofs vom 22.12.2008 (Aktenzeichen C-549/07) kommt ein Ausschluss des Ausgleichsanspruchs wegen technischer Mängel - nicht
zuletzt wegen des sicherzustellenden hohen Schutzniveaus für Fluggäste - nur dann in Betracht, wenn die technischen Probleme auf tatsächlich unbeherrschbare
Vorkommnisse zurückzuführen sind, die nicht Teil der normalen Tätigkeit eines Luftfahrtunternehmens sind - wie beispielsweise versteckte Fabrikationsfehler,
Sabotageakte oder terroristische Handlungen. Maßgeblich ist, ob das zu Grunde liegende Geschehen ein typisches und in Ausübung der betrieblichen Tätigkeit
vorkommendes Ereignis darstellt oder ob es der Beherrschbarkeit der Fluggesellschaft völlig entzogen ist (so im Ergebnis auch die st. Rspr. des Landgerichts
Darmstadt).
Der hier einzig denkbare technische Defekt - nämlich die behauptete mögliche Störung der Triebwerke - fällt in die betriebliche Sphäre der Beklagten und liegt
in deren Verantwortungsbereich. Es ist nicht zu erkennen, inwiefern dieses technische Problem nicht im Rahmen der normalen Tätigkeiten des
Luftfahrtunternehmens aufgetreten sein und seine Ursache auch jenseits der von der Beklagten beherrschbaren Umständen gehabt haben soll. Vor diesem
Hintergrund kommt es nicht darauf an, dass sich die wegen des möglichen technischen Defekts entstandene Verspätung aufgrund der Notwendigkeit der
Bewegung durch einen zunächst nicht vorhandenen Flugzeugschlepper vertieft hat.
Der Klägerseite steht die Ausgleichszahlung in voller Höhe zu. Die Beklagte ist nicht berechtigt, die Ausgleichszahlung nach Art. 7 Abs. 2 VO um 50 % zu
kürzen. Art. 7 Abs. 2 VO ist nicht direkt einschlägig, da diese Vorschrift auf eine anderweitige Beförderung im Sinne des Art. 8 Abs. 1 lit. b), lit. c) VO durch
einen Alternativflug abstellt. Vorliegend wurde aber kein Alternativflug zum Endziel, sondern gerade der ursprünglich geplante Flug durchgeführt. Die direkte
Anwendung des Art. 7 Abs. 2 VO setzt erkennbar eine Nichtbeförderung oder Annullierung voraus; hier liegt indes lediglich eine Verspätung vor.
Eine analoge Anwendung der Berechtigung zur Kürzung der Ausgleichszahlung nach Art. 7 Abs. 2 lit. a) VO für Fälle der Ankunftsverspätung über 3 h
scheidet nach Auffassung des erkennenden Gerichts aus. Dem steht nicht entgegen, dass der Europäische Gerichtshof in der vorgenannten Entscheidung von
einer analogen Anwendbarkeit von Art. 7 Abs. 1 VO für die Fälle einer Flugverspätung von mehr als 3 h am Ankunftsort ausgeht und in diesem
Zusammenhang unter Rz. 63 der genannten Entscheidung - indes ohne vertiefte teleologischen oder systematischen Überlegungen - andeutet, dass auch eine
entsprechende Anwendung des Art. 7 Abs. 2 VO in Betracht gezogen werden kann. Nach den Ausführungen des Gerichtshofs und unter Berücksichtigung der
erforderlichen "großen" Ankunftsverspätung von zumindest 3 h ist eine solche Kürzung überhaupt nur nach Maßgabe von Art. 7 Abs. 2 lit. c) VO denkbar; die
Regelungen nach Art. 7 Abs. 2 lit. a) und b) VO nimmt der Gerichtshof von der Möglichkeit einer Analogie aus.
Aus der Argumentation des Gerichtshofs folgt, dass, wenn man eine Analogie des Art. 7 Abs. 2 VO vornimmt, diese unmittelbar auf die geplante Ankunftszeit
abzustellen hat und nicht auf einen fiktiven "Nullpunkt", der erst 3 h nach der geplanten Ankunftszeit liegt. Dass die Regelungen des Art. 7 Abs. 2 lit. a), lit. b)
VO im Rahmen dieser Analogie, die bereits eine Mindestverspätung von 3 h voraussetzt, faktisch unanwendbar werden, ist Ausfluss der weiten Auslegung der
VO durch den Gerichtshof und nach dessen Auffassung wohl hinzunehmen.
Für die Auffassung, dass die analoge Anwendung des Art. 7 Abs. 2 VO weit vorzunehmen und auf einen anspruchsbegründenden "Nullpunkt" von 3 h ab der
planmäßigen Ankunft abzuheben ist, finden sich weder in der VO noch in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs irgendwelche Anhaltspunkte.
Diese Ansicht überdehnt die ohnedies schon extensive analoge Anwendung des Art. 7 Abs. 1, Abs. 2 VO. Die analoge Anwendung einer Rechtsnorm setzt zum
einen eine planmäßige Regelungslücke voraus und verlangt zum anderen, dass ein zum Gesetz vergleichbarer oder ähnlich gelagerter Fall vorliegt (Palandt,
BGB, 2011, Einl., Rn. 48 m.w.N.). Beides ist vorliegend nicht gegeben. Die Fälle einer alternativen Beförderung (bei Nichtbeförderung oder Flugannullierung)
sind nicht ohne Weiteres mit der lediglich verspätet durchgeführten Beförderung zu vergleichen. Durch das Kürzungsrecht wird das ausführende
Luftfahrtunternehmen für seine (über die ursprüngliche Leistungspflicht hinausgehenden) Bemühungen "belohnt", den Fluggast trotz einer Nichtbeförderung
oder Annullierung zeitnah - nämlich innerhalb von höchstens 2 h - zum Endziel zu befördern. Im vorliegenden Fall hat die Beklagte jedoch weder Leistungen
über ihre ursprüngliche Primärleistungspflicht hinaus erbracht, noch lässt sich davon ausgehen, dass eine Verspätung von über 3 h (ausgehend von der
geplanten Ankunftszeit) als eine geringe Verspätung zu qualifizieren ist, die eine "Belohnung" rechtfertigt.
Aus der Gesamtschau der in der VO enthaltenen Vorschriften ergibt sich überdies nicht, dass die Regelung einer Kürzungsmöglichkeit bei
Ausgleichsansprüchen für Verspätungen ab 3 h (die zu den in Art. 7 Abs. 2 VO genannten Zeiten hinzuzurechnen sind) "versehentlich" unterblieben ist.
Vielmehr lässt sich aus der Verordnung entnehmen, dass ein Ausgleichsanspruch prinzipiell nur in den Fällen einer Nichtbeförderung oder Flugannullierung
geschuldet sein soll; folgerichtig sollte auch die Kürzungsmöglichkeit nach dem Willen des Verordnungsgebers nur in diesen Fällen gelten. Eine extensive
analoge Anwendung des Art. 7 Abs. 2 lit. a) VO scheitert nicht zuletzt daran, dass diese Regelung nach ihrem Wortlaut und der Systematik der VO einen
Ausnahmecharakter hat; bereits dieser Ausnahmecharakter steht der Annahme einer planwidrigen Regelungslücke für Verspätungsfälle ab 3 h entgegen.
Schließlich spricht auch die Billigkeit nicht für eine extensive analoge Anwendung des Art. 7 Abs. 2 VO. In Verspätungsfällen ist das ausführende
Luftfahrtunternehmen - anders als in den Fällen der Nichtbeförderung oder Annullierung - bereits von Gesetzes wegen verpflichtet, alle zumutbaren
Maßnahmen zu ergreifen, um die Verspätungsdauer möglichst kurz zu halten. Eines zusätzlichen finanziellen Anreizes bedarf es nicht. So ergibt sich bereits
aus Art. 5 Abs. 3 VO, dass ein Wegfall des Ausgleichsanspruchs nur dann in Betracht kommt, wenn das ausführende Luftfahrtunternehmen - auch bei
Vorliegen außergewöhnlicher Umstände - alle zumutbaren Maßnahmen ergreift, eine weitere Verspätung zu verhindern. Überdies sieht sich das ausführende
Luftfahrtunternehmen bei fortdauernden Verspätungen weiteren Ansprüchen nach Art. 9 VO (oder entsprechenden Ersatzansprüchen wegen Nichterfüllung)
oder aber weiteren Ersatzansprüchen ausgesetzt, die über eine Anrechnung nach Art. 12 VO hinausgehen.
Ein Anspruch der Kläger auf Ersatz der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten besteht indessen nicht. Den Klägern ist kein Schaden entstanden. Die Beklagte
hat bestritten, dass die Kläger die vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren gezahlt haben; dennoch haben die Kläger hierzu nicht vorgetragen und sind
beweisfällig geblieben. Ein Schaden folgt auch nicht daraus, dass die Kläger wegen der vorgerichtlichen Leistungen ihrer Rechtsanwältin möglicherweise mit
einer Verbindlichkeit belastet worden sind. Dies kann - ohne eine Verweigerung des Schuldners, die hier nicht vorgetragen wurde - überhaupt nur zu einem
Freistellungsanspruch, nicht aber zu einem Zahlungsanspruch führen (so schon Palandt, BGB, 70. Auflage, § 249, Rn. 4, § 250, Rn. 2). ...
Die Berufung war gemäß § 511 Abs. 4 ZPO zuzulassen, da die Beklagte mit nicht mehr als EUR 600,00 beschwert ist, die Rechtssache aber im Hinblick auf
Rechtsfragen, die seitens des Berufungsgerichts noch nicht entschieden sind, grundsätzliche Bedeutung hat. ..." (AG Rüsselsheim, Urteil vom 20.07.2011 - 3 C
739/11 (36))
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„... Die zulässige Klage ist unbegründet. Dem Kläger steht unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Anspruch auf Leistung einer Ausgleichszahlung
entsprechend Art. 7 Abs. 1 b der EU-Fluggastverordnung 261/2004 zu. Ebenfalls hat der Kläger keinen Anspruch auf Erstattung der Ersatzflugkosten, denn
auch dafür sind die erforderlichen Tatbestandsvoraussetzungen nach § 8 Abs. 1 EU-Fluggastverordnung in Verbindung mit § 280 ff. BGB nicht erfüllt, so dass
im Ergebnis der Kläger auch nicht auf den Verzugsschadensersatz in Form der vorgerichtlichen Anwaltskosten zurückgreifen kann, da das Schicksal der
Nebenforderung dem der Hauptforderung folgt.
Zwar ist unstreitig der streitgegenständliche Flug durch die Beklagte annulliert worden. Unstreitig erfolgte dies aus dem Mangel an Vorhandensein von
Enteisungsmittel am 10.1.2010, dem Flugtag auf dem Flughafen Schönefeld, welches wiederum darauf zurückzuführen war, dass infolge der anhaltend
schlechten Wetterbedingungen durch den harten Wintereinbruch zu diesem Zeitpunkt das bestellte Enteisungsmittel nicht rechtzeitig transportiert und
angeliefert werden konnte und bei der anhaltenden Witterungslage die angelegten Vorräte an Enteisungsmitteln nicht ausreichten. Für diese Situation hat die
Beklagte nicht einzustehen, so dass sie sich letztlich auf den Exkulpationsgrund des Art. 5 Abs. 3 der EU-Fluggastverordnung berufen kann, mithin von ihrer
Verpflichtung zum Schadensersatz und zur Ausgleichszahlung frei ist.
Nach Art. 5 Abs. 3 der EU-Fluggastverordnung ist das ausführende Luftfahrtunternehmen, hier die Beklagte, nicht verpflichtet eine Ausgleichszahlung gemäß
Art. 7 zu leisten, wenn es nachweisen kann, dass die Annullierung auf außergewöhnliche Umstände zurückzuführen ist, die sich nicht hätten vermeiden
lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären. Vorliegend ist es hier schon so, dass unstreitig die Beklagte nicht für die Besorgung und
Vorratshaltung der Enteisungsmittel für den Flughafen Schönefeld verantwortlich war, sondern dies durch die … GmbH & Co. KG zu gewährleisten ist. Eine
Personen- oder Firmenidentität zwischen diesen beiden Unternehmen besteht gerade nicht. Die … GmbH & Co. KG ist demnach nicht Erfüllungsgehilfe der
Beklagten. Dies hat die Klägerseite zwar behauptet, sie hat dies aber nicht untersetzt. Weder die vertraglichen, noch gesetzlichen Beziehungen dieser
Unternehmen sind dem Gericht bekannt. Vielmehr geht das Gericht davon aus, dass der Flughafenbetreiber selbstständig unter Umständen aus
Anordnung- und Rechtsvorschriften für den reibungslosen Betrieb des Flughafens sorge leisten muss. An dieser Verpflichtung ist aber die jeweilige
Fluggesellschaft, sofern Verträge zwischen diesen beiden Unternehmen nicht existieren, was keine der Parteien vorgetragen hat, nicht beteiligt. Unabhängig
davon geht das Gericht aber auch nach dem unstreitigen Vortrag der Prozessparteien davon aus, dass die … GmbH & Co. KG sich rechtzeitig und ausreichend
um das Anliegen von Ersatzvorräten an Enteisungsmitteln und deren Anlieferung in Folge der Witterung bemüht hat, dies aber was wiederum nicht in ihrer
Sphäre gelegen hat, auf Grund des frühzeitig eintretenden harten Winters 2010 nicht realisiert werden konnte. So dass im Ergebnis auch der … GmbH & Co.
KG eine Rechtspflichtverletzung nicht nachzuweisen ist.
Der pauschale Einwand der Klägerseite, dass es durchaus zumutbar gewesen wäre einen größeren Ersatzvorrat anzulegen, kann nicht durchdringen, da die
Beklagtenseite dezidiert vorgetragen hat, in welcher Art und Weise und in welchem Umfang die … GmbH sich um die Beschaffung von Enteisungsmittel
bemüht hat und das weitergehende Kapazitäten auf den Flughäfen nicht vorhanden waren. Dies wird auch dadurch unterstrichen, dass gerichtsbekannt ist, dass
in dem streitgegenständlichen Zeitraum sowohl auf dem Flughafen Schönefeld als auch in Tegel und anderen deutschen Flughäfen wegen der Wettersituation
insbesondere wegen mangels an Enteisungsmitteln Flüge annulliert werden mussten, die nicht nur Flüge der Beklagten betroffen hat, sondern auch andere Fluggesellschaften.
Nach alle dem war offensichtlich, dieser wetterungsbedingte Umstand bundesweit nicht derart zu händeln, dass alle geplanten Flüge hätten stattfinden können.
Darüber hinaus kann sich die Beklagte aber auch darauf berufen, dass Start- und Landebeschränkungen durch die Flugverkehrskontrolle am
streitgegenständlichen Tage auf Grund der Wetterbedingungen eingetreten sind, die darauf zurückzuführen sind, dass unter anderem bei Nichtenteisung von
Flugzeugen ein erhebliches Sicherheitsrisiko besteht. Die Beklagte hat weiterhin vorgetragen und zwar unstreitig, dass sie in angemessener Art und Weise die
Annullierung dieses Fluges vorgenommen hat um den weiteren Flugverkehr am Flughafen Berlin-Schönefeld im Wesentlichen aufrecht erhalten zu können und
damit die Entscheidung getroffen hat, die geringst mögliche Einschränkung des Flugverkehrs durch die Annullierung dieses Fluges umzusetzen. Dabei liegt es
in der Natur der Sache, dass es für die jeweils betroffenen Passagiere der Flugannullierung schwer einsehbar ist, dass gerade ihr Flug der Annullierung
unterliegen sollte, hingegen andere Flüge durchgeführt werden. Dies ist der Beklagten aber nicht zur Last zu legen, denn sie hat im Rahmen ihres
Ermessensspielraum im Rahmen der EG-Fluggastverordnung abzutasten durch welche Maßnahme die geringste Beeinträchtigung erfolgt. Diesen
Ermessensspielraum hat die Beklagte sachgemäß ausgeübt nach dem unstreitigen Vorbringen der Parteien.
Da nach den vorgenannten Umständen der Beklagten eine Rechtspflichtverletzung aus dem Beförderungsvertrag nicht vorzuwerfen ist, steht der Klägerseite ein
weitergehender Schadensersatzanspruch in Form der Erstattungskosten für den Flug mit … nicht zu, denn die Anspruchsgrundlagen des § 280 ff. BGB sind
nicht erfüllt. Auch kann sich die Klägerseite nicht auf Art. 8 Abs. 1 der EU-Fluggastverordnung berufen, denn diese Beklagte hat unstreitig der Klägerseite ein
Ersatzflug, eine Umbuchung angeboten oder die Rückerstattung des Ticketpreises, wenn die Klägerseite dies aus persönlichen Gründen oder wegen
terminlicher Schwierigkeiten nicht angenommen hat, hat sie dies aber selbst zu vertreten, denn die Beklagte ist nach den Regelungen der
EU-Fluggastverordnung nur verpflichtet im Rahmen ihrer verfügbaren Kapazitäten Ersatzflüge anzubieten, die ihren eigenen Flugverkehr betrifft. Insofern wird
auch auf die Rechtsprechung des … … vom 27.10.2010 verwiesen, wonach diese Auffassung auch vom Landgericht gestützt wird.. ..." (AG Königs
Wusterhausen, Urteil vom 08.06.2011 - 9 C 113/11)
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„... Die Kläger machen gegen das beklagte Luftfahrtunternehmen mit Sitz in Deutschland Ausgleichsansprüche aus der Fluggastrechteverordnung (EGV
261/2004) wegen erheblicher Flugverspätung geltend.
Die Kläger buchten bei der Beklagten den Flug DE ... für den ... von Antalya nach Frankfurt am Main. Die Distanz zwischen Abflugs- und Ankunftsort beträgt
ca 2.300 km. Geplante Abflugzeit war ... 20.50 Uhr. Tatsächlich flog das Flugzeug erst am Folgetag um 01.25 Uhr ab. Alle drei Kläger erreichten Frankfurt am
Main etwa 5 Stunden später als vorgesehen. Vorgerichtlich forderten die Kläger die Beklagte mit Schreiben vom 30.11.2010 (Bl. 6 d.A.) unter Fristsetzung bis
zum 10.12.2010 erfolglos zur Zahlung auf. ...
Die Beklagte hat unter Beweisantritt (Bl. 26 d.A.) behauptet, ... der Flug habe sich deshalb verspätet, weil das für den Umlauf vorgesehene Fluggerät - infolge
schlechter Wetterbedingungen auf Korfu am Vortrag - verspätet in Frankfurt am Main gelandet und von dort erst mit Verspätung nach Antalya weitergeflogen
sei, "um den geplanten Flugumlauf DE ... /DE ..." durchzuführen (Bl. 26 d.A.). Die Beklagte ist der Ansicht, daraus folge ein "außergewöhnlicher Umstand" der
Flugverspätung, der zur Leistungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 3 EGV 261/2004 führe.
Die Beklagte ist weiter der Ansicht, etwaige Ansprüche der Kläger seien analog Art. 7 Abs. 2a EGV 261/2004 um die Hälfte zu kürzen, und begründet dies wie
folgt: "Da Art 7 für den Fall, dass im Falle einer Annullierung ein Ersatzflug mit einer Ankunftsverspätung von weniger als 2 Std. angeboten wird, eine 50%ige
Kürzung des Ausgleichsanspruchs vorsieht, ist auch im Falle der Verspätung eines Fluges Art. 7 Abs. 2 analog anzuwenden und die Verspätungsdauer von 2
Std. auf den anspruchsbegründenden Nullpunkt von 3 Std. hinzuzurechnen" (Bl. 27 d.A.). ...
Die Klage ist - bis auf einen geringen Teil der Zinsen - in vollem Umfang unbegründet.
Die Kläger haben gegen die Beklagte jeweils einen Ausgleichsanspruch in Höhe von 400,00 EUR nach Art. 7 EGV 261/2004. Nach der Rechtsprechung des
EuGH haben auch Fluggäste verspäteter Flüge einen Ausgleichsanspruch nach Art. 7 EGV 261/2004, wenn sie - wie hier - wegen der Verspätung einen
Zeitverlust von drei Stunden oder mehr erleiden (EuGH, Urt. v. 19.11.2009 - Rs. C- 402/07 -, Tenor Ziffer 2). Die Beklagte ist von ihrer Verpflichtung zur
Zahlung von Ausgleichsleistungen auch nicht nach Art. 5 Abs. 3 EGV 261/2004 freigeworden. Sie hat nicht dargetan, dass die Verspätung auf
außergewöhnliche Umstände zurückging, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären. Nach
der Rechtsprechung des EuGH liegt ein "außergewöhnlicher Umstand" nur vor, wenn er auf Vorkommnisse zurückgeht, die aufgrund der Natur oder Ursache
nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des betroffenen Luftfahrtunternehmens sind und von ihm tatsächlich nicht zu beherrschen sind (EuGH, Urt. v.
22.12.2008 - Rs. C-549/07 -, juris, Abs.-Nr. 26). Ziel des strengen Art. 5 EGV 261/2004 ist, ein hohes Schutzniveau für Fluggäste sicherzustellen und den
Erfordernissen des Verbraucherschutzes im Allgemeinen Rechnung zu tragen, da die Annullierung - und entsprechend die gravierende Verspätung - von Flügen
für die Fluggäste ein Ärgernis ist und ihnen große Unannehmlichkeiten verursacht (EuGH, Urt. v. 22.12.2008 - Rs. C-549/07 -, juris, Abs.-Nr. 18).
Außergewöhnliche Umstände sind im Lichte dieser Zielsetzung nur anzunehmen, wenn sich die Umstände auch bei Ergreifen aller zumutbaren Maßnahmen
nicht vermeiden lassen (EuGH, Urt. v. 22.12.2008 - Rs. C-549/07 -, juris, Abs.-Nr. 19-20). Gemessen an diesen strengen Anforderungen hat die Beklagte einen
außergewöhnlichen Umstand schon nicht hinreichend dargetan, so dass auf ihre Beweisangebote nicht einzugehen war. Dass eine andere Maschine nicht
verfügbar war, hat sie weder behauptet noch dargelegt, zumal selbst pauschaler Vortrag zur "Nichtverfügbarkeit" einer anderen Maschine den strengen
Anforderungen an die Unzumutbarkeit von die Verspätung abwehrenden Maßnahmen (vgl. BGH, Urt. v. 14.10.2010 - Xa ZR 15/10 -, RRa 2011, S. 33 [34-35]
Abs.-Nr. 26, 28-29) ersichtlich nicht gerecht würde.
Der Anspruch der Kläger ist entgegen der Rechtsansicht der Beklagten auch nicht "analog" Art. 7 Abs. 2 a EGV 261/2004 um die Hälfte zu kürzen. Die
Analogie greift nicht. Zum einen gibt die einschlägige Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, Urt. v, 19.11.2009 - Rs. C-402/07 -, Tenor Ziffer
2) keinen Anlass zur Annahme, dass eine Anwendung von Absatz 2 der Vorschrift auf Flugverspätungen in Betracht gezogen werden sollte. Zum anderen
liegen die Voraussetzungen einer Analogie nicht vor. Dazu wäre eine Vergleichbarkeit des vorliegenden mit dem in Art. 7 Abs. 2 a EGV 261/2004 geregelten
Sachverhalt erforderlich. Der dort geregelte Sachverhalt - Annullierung, aber Ersatzflug mit weniger als zwei Stunden Ankunftsverspätung - ist mit dem hier
vorliegenden Sachverhalt - mehr als dreistündige Verspätung - nicht vergleichbar. Auch als "Erheblichkeitsschwelle" kommt eine analoge Anwendung nicht in
Betracht. Dass nicht jede Flugverspätung Ansprüche nach der Verordnung auslösen soll, hat der EuGH mit dem Erfordernis eines "mehr als dreistündigen
Zeitverlusts" klargestellt. Für die Einziehung einer darüber hinausgehenden, weiteren Erheblichkeitsschwelle, wie ihn die Beklagte mit ihrer Rückrechnung
anstellen will, besteht demnach kein Spielraum mehr.
Anspruch auf Zinsen haben die Kläger allerdings erst ab 11.12.2010, nachdem der Zugang einer früheren Mahnung von ihnen nicht substantiiert dargetan ist.
Ein Hinweis des Gerichts auf die Klageabweisung hinsichtlich dieser Nebenforderung war entbehrlich (§ 139 Abs. 2 ZPO).
Die - wegen des in GKG und RVG ab 1.200 EUR vorgesehenen Gebührensprungs - nach der Mehrkostenmethode ermittelte Entscheidung zu den Kosten
beruht - unter Annahme einer Geschäftsgebühr von 1,3, einer Terminsgebühr von 1,2, einer Pauschale von 20,00 EUR und einer daraus errechneten
Umsatzsteuer von 19% - auf § 92 Abs. 1 Satz 1, § 269 Abs. 3 ZPO, die zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 und 2, 709 Satz 2
ZPO. ... (AG Frankfurt, Urteil vom 25.05.2011 - 31 C 2/11 (16))
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„... Die Klägerin macht gegen das beklagte Luftfahrtunternehmen mit Sitz in Deutschland Ausgleichsansprüche aus der Fluggastrechteverordnung (EGV
261/2004) wegen Flugverspätung aus eigenem und aus ihr von ihrem Ehemann abgetretenem Recht geltend.
Die Klägerin und ihr Ehemann buchten bei der Beklagten einen Flug DE1062 für den 06.09.2010 von Frankfurt am Main nach Halifax (Kanada). Geplante
Abflugzeit war 06.09.2010 um 10.00 Uhr. Tatsächlich flog das Flugzeug erst am Folgetag, dem 07.09.2010 gegen 08.30 Uhr, ab und kam entsprechend später
in Halifax an. Unstreitig setzte sich das Flugzeit am geplanten Abflugstag auf der Startbahn in Bewegung; der Pilot brach aber noch auf der Startbahn und bevor
das Flugzeug sich in der Luft befand, die Fahrbewegung ab und kehrte auf die Ausgangsposition zurück.
Vorgerichtlich forderten Klägerin und ihr Ehemann die Beklagte erfolglos zur Zahlung auf, nachdem die Beklagte mit Schreiben vom 04.12.2010 eine
Regulierung endgültig abgelehnt hatte. Der Ehemann der Klägerin trat ihr vorgerichtlich seine Ansprüche aus der Verordnung ab; sie nahm die Abtretung an.
Für die Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe nach Regulierungsverweigerung stellten die Prozessbevollmächtigten der Klägerin dieser eine Kostennote für
vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 185,54 EUR in Rechnung. ...
Die Beklagte hat unter Beweisantritt (Bl. 21 ff. d.A.) behauptet, ... nachdem die Piloten ‚die Startleistung auf der Startbahn gegeben [hätten] und das Fluggerät
sich bereits in Bewegung gesetzt [habe], seien automatisch die Bremsklappen ausgefahren worden' (Bl. 21 d.A.); dies sei kontraproduktiv, da es die
Beschleunigung des Fluggeräts verlangsamt habe und nicht zur notwendigen Startgeschwindigkeit ausgereicht hätte, weshalb die Cockpitbesatzung den Start
abgebrochen habe (Bl. 21 d.A.); Grund für das automatische Ausfahren der Bremsklappen sei ‚eine Fehleinstellung eines elektronischen Schalters' (Bl. 21 f.
d.A.) gewesen, der ‚seit Inbetriebnahme des Fluggerätes im Jahr 1992 noch niemals angefasst' (Bl. 22 d.A.) worden und ‚weder ausgetauscht, noch gewartet
[worden sei], da dieses Bauteil keinem Wartungsintervall oder Austauschintervall unterliegt' (Bl. 22 d.A.); es habe sich bei Flugzeugen der vergleichbaren
Flotte ‚um den ersten Fall dieser Art seit 19 Jahren und mehreren Hunderttausend Flugstunden mit diesem Baumuster gehandelt' (Bl. 22 d.A.); ihr hätten
‚aufgrund der fehlenden Notwendigkeit, Wartungen oder einen Austausch dieses Bauteils vorzunehmen, keinerlei zumutbare Maßnahmen zur Verfügung
[gestanden], um den eingetretenen technischen Defekt zu vermeiden (Bl. 22 d.A.); vor dem Start habe ‚das bordeigene Überwachungssystem EICAS keine
Fehlermeldung des betreffenden Bauteils angezeigt' (Bl. 22 d.A.).
Die Beklagte ist der Ansicht, es liege gar keine Abflugverspätung vor, da das Flugzeug ja pünktlich ‚abgeflogen' sei; dazu sei nicht erforderlich, dass es sich in
der Luft befinde, sondern ausreichend, dass es sich auf der Startbahn bereits in Bewegung gesetzt habe; dies entspreche auch der Rechtsprechung der 24.
Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main, die Ausgleichsansprüche in vergleichbaren Fällen nicht als gegeben ansehe. Im Übrigen liege - selbst wenn
man eine Abflugverspätung annähme - ein ‚außergewöhnlicher Umstand' vor, der zur Leistungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 3 EGV 261/20004 führe. ...
Die Klage ist zulässig, insbesondere das Amtsgericht Frankfurt am Main als Gericht des Abflugortes international und örtlich zuständig, § 29 ZPO. Soll ein
Ausgleichsanspruch nach EGV 261/2004 gegen das Luftverkehrsunternehmen geltend gemacht werden, mit dem der Fluggast den Beförderungsvertrag
geschlossen hat, ist unabhängig vom Vertragsstatut Erfüllungsort im Sinne des § 29 ZPO sowohl der Ort des vertragsgemäßen Abflugs als auch der Ort der
vertragsgemäßen Ankunft des Flugzeugs (vgl. BGH, Urt. v. 18.01.2011 - X ZR 71/10 -, juris, Abs.-Nr. 35).
Die Klage ist - bis auf einen geringen Teil der Zinsen im Freistellungsanspruch - auch in vollem Umfang unbegründet.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Ausgleichsanspruch in Höhe von 600,00 EUR aus eigenem Recht und in gleicher Höhe aus abgetretenem Recht
jeweils nach Art. 7 EGV 261/2004.
Nach der Rechtsprechung des EuGH haben auch Fluggäste verspäteter Flüge einen Ausgleichsanspruch nach Art. 7 EGV 261/2004, wenn sie - wie hier - wegen
der Verspätung einen Zeitverlust von drei Stunden oder mehr erleiden (EuGH, Urt. v. 19.11.2009 - Rs. C-402/07 -, Tenor Ziffer 2). Entgegen der Ansicht der
Beklagten lag hier eine Abflugverspätung vor, denn das Flugzeug war ja gerade nicht abgeflogen. Abgeflogen ist ein Flugzeug allenfalls dann, wenn es
bereits ‚fliegt', also sich in der Luft befindet. Dies war hier unstreitig nicht der Fall, nachdem die Rollbewegung auf der Landebahn vor Erreichen der für
einen Abhebevorgang, also für einen ‚Ab-Flug', erforderlichen Geschwindigkeit abgebrochen und das Flugzeug ‚unverrichteter Dinge' wieder in die
ursprüngliche Position zurückgekehrt war. Dieser Ansicht entgegenstehende Rechtsprechung der 24. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main, die der
Vertreter der Beklagten im Termin am 27.04.2011 im Rahmen der Vergleichsverhandlungen unter Bezugnahme auf eine Entscheidung der Kammer
wiedergegeben hat, ist dem Amtsgericht nicht bekannt und - auch nach Schluss der mündlichen Verhandlung - nicht bekannt geworden.
Im Übrigen wären, selbst wenn man einen rechtzeitigen Abflug verneinte und damit nur zu einer Ankunftsverspätung gelangte, die Ausgleichsansprüche
begründet; anders als die 24. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main (vgl. Urt. v. 23.09.2010 - 2 24 S 44/10 - S. 7 f.) ist das Amtsgericht der Ansicht,
dass sich aus der Rechtsprechung des EuGH (Urt. v. 19.11.2009 - Rs. C-402/07 -, juris, Tenor Ziffer 2) mit hinreichender Deutlichkeit ergibt, dass
Ausgleichansprüche bei erheblicher Verspätung analog Art. 7 EGV 261/2004 am erheblichen Zeitverlust für den Flugpassagier anknüpfen - unabhängig davon,
ob dieser auf eine Abflug- oder Ankunftsverspätung zurückzuführen ist. Der Tenor der Entscheidung unter Ziffer 2 ist insoweit hinreichend deutlich. Danach
sind Ausgleichsansprüche gegeben, wenn die Passagiere ‚wegen eines verspäteten Fluges einen Zeitverlust von drei Stunden oder mehr erleiden, d. h., wenn sie
ihr Endziel nicht früher als drei Stunden nach der von dem Luftfahrtunternehmen ursprünglich geplanten Ankunftszeit erreichen' (EuGH, Urt. v. 19.11.2009 -
Rs. C-402/07 -, juris). Dass es darauf ankommen soll, ob dieser Zeitverlust auf einer Abflugverspätung oder - insbesondere in Fällen unwesentlich verspäteten
Abflugs, aber Versäumnisses von direkten Anschlussflügen, die auf die geringfügige ‚Ursprungsverspätung' zurückzuführen sind, relevanten - erheblichen
Ankunftsverspätungen beruht, ist dem Tenor nicht zu entnehmen, liefe andererseits der Zielrichtung dieses Anspruchs evident zuwider.
Die Beklagte ist von ihrer Verpflichtung zur Zahlung von Ausgleichsleistungen auch nicht nach Art. 5 Abs. 3 EGV 261/2004 freigeworden. Sie hat nicht
dargetan, dass der um 21,5 Stunden verspätete Abflug (bzw. die um diese Zeit verzögerte Ankunft) auf außergewöhnliche Umstände zurückging, die sich auch
dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären. Nach der Rechtsprechung des EuGH fällt ein technisches
Problem nur dann unter den Begriff des ‚außergewöhnlichen Umstands', wenn es auf Vorkommnisse zurückgeht, die aufgrund der Natur oder Ursache nicht
Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des betroffenen Luftfahrtunternehmens sind und von ihm tatsächlich nicht zu beherrschen sind (EuGH, Urt. v.
22.12.2008 - Rs. C-549/07 -, juris, Abs.-Nr. 26). Ziel des strengen Art. 5 EGV 261/2004 ist, ein hohes Schutzniveau für Fluggäste sicherzustellen und den
Erfordernissen des Verbraucherschutzes im Allgemeinen Rechnung zu tragen, da die Annullierung - und entsprechend die gravierende Verspätung - von Flügen
für die Fluggäste ein Ärgernis ist und ihnen große Unannehmlichkeiten verursacht (EuGH, Urt. v. 22.12.2008 - Rs. C-549/07 -, juris, Abs.-Nr. 18).
Außergewöhnliche Umstände sind im Lichte dieser Zielsetzung nur anzunehmen, wenn sich die Umstände auch bei Ergreifen aller zumutbaren Maßnahmen
nicht vermeiden lassen; alleine der Umstand, dass ein Luftfahrtunternehmen die gesetzlich vorgeschriebenen Mindesterfordernisse an Wartungsarbeiten an
einem Flugzeug durchgeführt hat, reicht dazu nicht aus (EuGH, Urt. v. 22.12.2008 - Rs. C-549/07 -, juris, Abs.-Nr. 19-20). Gemessen an diesen strengen
Anforderungen hat die Beklagte einen außergewöhnlichen Umstand schon nicht hinreichend dargetan, so dass auf ihre Beweisangebote nicht einzugehen war.
Als technischen Defekt hat sie ‚eine Fehleinstellung des für Bremsklappen verantwortlichen Schalters' dargetan (Bl. 21 f. d.A.). Dass eine solche
Fehleinstellung unvorhersehbar war und selbst durch übliche und zumutbare Wartungsarbeiten und -intervalle (vgl. BGH, Urt. v. 12.11.2009 - Xa ZR 76/07 -,
juris, Abs.-Nr. 14) nicht hat erkannt werden können, ist nicht dargetan. Aus der Tatsache, dass es sich möglicherweise um den ersten Fehler dieser Art in der
fraglichen Baureihe seit 19 Jahren handelt, folgt nichts anders; einen versteckten Fabrikationsfehler, der alle Flugzeuge der Baureihe betreffen müsste, ist damit
gerade nicht behauptet; die singuläre Fehleinstellung eines Schalters aber, mag er auch vom Hersteller verantwortet sein, ist von der Ausübung der Tätigkeit
eines Luftfahrtunternehmens erfasst und stellte keinen außergewöhnlichen Umstand dar (vgl. LG Frankfurt am Main, Hinweisbeschluss nach § 522 ZPO v.
15.03.2011 - 2-24 S 7/11 - S. 3). Im Übrigen käme eine Leistungsfreiheit der Beklagten auch deshalb nicht Betracht, weil ihr pauschaler Vortrag zur
‚Nichtverfügbarkeit' einer anderen Maschine den strengen Anforderungen an die Unzumutbarkeit von die Verspätung abwehrenden Maßnahmen (vgl. BGH,
Urt. v. 14.10.2010 - Xa ZR 15/10 -, RRa 2011, S. 33 [34-35] Abs.-Nr. 26, 28-29) ersichtlich nicht gerecht wird.
Der Anspruch auf Zinsen folgt aus Verzug.
Der auf Verzug beruhende Freistellungsanspruch ist bis auf die Freistellung von Zinsen, für die verzugsbegründende Tatsachen von der Klägerin nicht
vorgetragen sind, begründet. Die von der Beklagten erklärte Anrechnung der der Klägerin entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten nach Art. 12 Abs.
1 EGV 261/2004 greift nicht durch. Diese Vorschrift bezieht sich nicht auf vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten, die auf Verzug beruhen, sondern schließt - wie
sich nicht zuletzt eindeutig aus Absatz 2 der Vorschrift ergibt - lediglich weitergehende Schadensersatzansprüche des Passagiers aus, die unmittelbar auf der
Annullierung, Nichtbeförderung oder Verspätung beruhen (vgl. - in ständiger Rechtsprechung - LG Frankfurt am Main, Hinweisbeschluss nach § 522 ZPO v.
15.03.2011 - 2-24 S 7/11 - S. ..." ( AG Frankfurt, Urteil vom 20.05.2011 - 31 C 232/11 (16))
***
„... Der Kläger macht gegen das beklagte Luftfahrtunternehmen mit Sitz in Deutschland Ausgleichsansprüche aus der Fluggastrechteverordnung (EGV
261/2004) wegen erheblicher Flugverspätung aus eigenem und aus von seiner Ehefrau abgetretenem Recht geltend.
Der Kläger und seine Ehefrau buchten bei der Beklagten einen Flug mit der Beklagten für den 13.06.2010 von Las Vegas nach Frankfurt am Main. Statt - wie
vereinbart - am 13.06.2010 um 14.25 Uhr flog das Flugzeug der Beklagten erst am Folgetag, am 14.06.2010, um 10.00 Uhr ab. Grund für die Verspätung war
die "unvorhergesehene Erkrankung des Piloten ..., die vermutlich auf die Zusichnahme eines verdorbenen Shrimps-Cocktails zurückzuführen war" (Bl. 21 d.A.).
Vorgerichtlich forderten der Kläger und seine Ehefrau die Beklagte unter Fristsetzung bis 21.12.2010 erfolglos zur Zahlung auf. Die Ehefrau des Klägers trat
diesem alle ihre Rechte gegen die Beklagte aus der Fluggastrechteverordnung (EGV 261/2004) ab, der Kläger nahm die Abtretung an. ...
Die Beklagte ist der Ansicht, aus der unerwarteten Erkrankung des verantwortlichen Piloten folge ein "außergewöhnlicher Umstand" der Flugverspätung,
der zur Leistungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 3 EGV 261/20004 führe. ...
Die Klage ist zulässig, insbesondere das Amtsgericht Frankfurt am Main als Gericht des Abflugortes international und örtlich zuständig, § 29 ZPO. Soll ein
Ausgleichsanspruch nach EGV 261/2004 gegen das Luftverkehrsunternehmen geltend gemacht werden, mit dem der Fluggast den Beförderungsvertrag
geschlossen hat, ist unabhängig vom Vertragsstatut Erfüllungsort im Sinne des § 29 ZPO sowohl der Ort des vertragsgemäßen Abflugs als auch der Ort der
vertragsgemäßen Ankunft des Flugzeugs (vgl. BGH, Urt. v. 18.01.2011 - X ZR 71/10 -, juris, Abs.-Nr. 35). ...
Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Ausgleichsanspruch in Höhe von 600,00 EUR aus eigenem und in gleicher Höhe aus abgetretenem Recht nach Art. 7
EGV 261/2004. Nach der Rechtsprechung des EuGH haben auch Fluggäste verspäteter Flüge einen Ausgleichsanspruch nach Art. 7 EGV 261/2004, wenn sie -
wie hier - wegen der Verspätung einen Zeitverlust von drei Stunden oder mehr erleiden (EuGH, Urt. v. 19.11.2009 - Rs. C-402/07 -, Tenor Ziffer 2).
Die Beklagte ist von ihrer Verpflichtung zur Zahlung von Ausgleichsleistungen auch nicht nach Art. 5 Abs. 3 EGV 261/2004 freigeworden. Die Verspätung
ging hier nicht auf "außergewöhnliche Umstände" zurück. Dies wäre nur der Fall, wenn sie auf Vorkommnisse zurückging, die aufgrund der Natur oder
Ursache nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des betroffenen Luftfahrtunternehmens sind und von ihm tatsächlich nicht zu beherrschen sind (EuGH,
Urt. v. 22.12.2008 - Rs. C-549/07 -, juris, Abs.-Nr. 26). Ziel des strengen Art. 5 EGV 261/2004 ist, ein hohes Schutzniveau für Fluggäste sicherzustellen und
den Erfordernissen des Verbraucherschutzes im Allgemeinen Rechnung zu tragen, da die Annullierung - und entsprechend die gravierende Verspätung - von
Flügen für die Fluggäste ein Ärgernis ist und ihnen große Unannehmlichkeiten verursacht (EuGH, Urt. v. 22.12.2008 - Rs. C-549/07 -, juris, Abs.-Nr. 18 ff ).
Gemessen an diesen strengen Anforderungen liegt bei der (unerwarteten) Erkrankung von Flugpersonal kein Fall vor, den die Verordnung überhaupt mit der
Beschreibung eines "außergewöhnlichen" Umstands erfassen wollte; im Ausfall von Personal - auch und namentlich durch Krankheit - verwirklicht sich ein
typisches und gewöhnliches Unternehmerrisiko. Anhaltspunkte dafür, dass die Verordnung dieses gewöhnliche und typische Unternehmerrisiko auf die
Fluggäste verlagern wollte - mit der Folge der Leistungsfreiheit des Luftfahrtunternehmens - sind nicht ersichtlich und ergeben sich weder aus Wortlaut, noch
aus Zielrichtung oder Entstehungsgeschichte der Verordnung (ebenso: AG Rüsselsheim, Urt. v. 25.08.2010 - 3 C 109/10 -, juris, Abs.-Nr. 20 ff.; AG
Rüsselsheim, Urt. v. 17.09.2010 - 3 C 598/10 -, juris, Abs.-Nr. 15; in diese Richtung wohl auch, letztlich aber offen lassend: BGH, Urt. v. 18.03.2010 - Xa ZR
95/06 -, juris, Abs -Nr. 16). ..." (AG Frankfurt, Urteil vom 20.05.2011 - 31 C 245/11 (16))
***
Auch wenn ein technisches Problem als ein "außerordentlicher Umstand" i.S. des Art. 5 III der Verordnung (EG) Nr. 261/ 2004 angesehen wird, muss das
Luftfahrtunternehmen substantiiert vortragen, woraus sich ergeben könnte, dass der angegebene technische Defekt unerwartet und unvermeidbar gewesen ist.
Die Behauptung, das streitbefangene Flugzeug sei regelmäßig gewartet worden, ist ersichtlich zu pauschal gehalten, um die gem. Art. 5 III VO (EG) 261/ 2004
erforderliche Exkulpation bewirken zu können (AG Köln, Urteil vom 05.04.2006 - 118 C 595/05, RRa 2006, 275).
Artikel 6 Verspätung
(1) Ist für ein ausführendes Luftfahrtunternehmen nach vernünftigem Ermessen absehbar, dass sich der Abflug
a) bei allen Flügen über eine Entfernung von 1500 km oder weniger um zwei Stunden oder mehr oder
b) bei allen innergemeinschaftlichen Flügen über eine Entfernung von mehr als 1500 km und bei allen anderen Flügen über eine Entfernung zwischen 1500 km
und 3500 km um drei Stunden oder mehr oder
c) bei allen nicht unter Buchstabe a) oder b) fallenden Flügen um vier Stunden oder mehr
gegenüber der planmäßigen Abflugzeit verzögert, so werden den Fluggästen vom ausführenden Luftfahrtunternehmen
i) die Unterstützungsleistungen gemäß Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe a) und Absatz 2 angeboten,
ii) wenn die nach vernünftigem Ermessen zu erwartende Abflugzeit erst am Tag nach der zuvor angekündigten Abflugzeit liegt, die Unterstützungsleistungen
gemäß Artikel 9 Absatz 1 Buchstaben b) und c) angeboten und,
iii) wenn die Verspätung mindestens fünf Stunden beträgt, die Unterstützungsleistungen gemäß Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe a) angeboten.
(2) Auf jeden Fall müssen die Unterstützungsleistungen innerhalb der vorstehend für die jeweilige Entfernungskategorie vorgesehenen Fristen angeboten werden.
Hinweise:
Verzögert sich der Abflug je nach Fluglänge um mindestens zwei, drei oder vier Stunden, ist die Fluggesellschaft verpflichtet, für Mahlzeiten, Erfrischungen
und Telefongespräche zu sorgen. Kann der Flug erst am nächsten Tag stattfinden, muss eine kostenfreie Hotelunterbringung angeboten werden.
Verzögert sich der Flug um mehr als fünf Stunden, kann der Fluggast vom Vertrag zurück treten. Er hat Anspruch auf Erstattung des Flugpreises.
Entsteht dem Fluggast durch die Verspätung ein Schaden, besteht ein Schadensersatzanspruch gegen die Fluggesellschaft. Das gilt nicht, wenn die
Fluggesellschaft kein Verschulden trifft (z.B. Startverbote, Fluglotsenstreik, schlechtes Wetter). Es besteht eine Haftungsbegrenzung (ca. € 4.800,00).
Leitsätze/Entscheidungen:
„... 7. Herr Amend sowie zwei weitere Personen, die ihre Ansprüche an ihn abgetreten haben, buchten bei Germanwings einen Flug für den 21. Dezember 2009
von Dresden nach Köln. Geplante Abflugzeit war nach der Darstellung von Herrn Amend 20.05 Uhr, nach der von Germanwings 19.30 Uhr.
8. Tatsächlich fand der Abflug wegen eines technischen Defekts der von Germanwings ursprünglich für diesen Flug vorgesehenen Maschine jedoch erst gegen
23.30 Uhr statt.
9. Herr Amend und die übrigen Fluggäste erreichten Köln infolgedessen mit einer Verspätung von mehr als drei, aber weniger als vier Stunden. ...
Die vom Gerichtshof vorgenommene Auslegung der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über
eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer
Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91, die dahin geht, dass Fluggäste verspäteter Flüge, wenn sie ihr Endziel drei
Stunden oder mehr nach der ursprünglich geplanten Ankunftszeit erreichen, einen Ausgleichsanspruch haben, obwohl zum einen Art. 6 dieser Verordnung, der
Verspätungen betrifft, nur Unterstützungs- und Betreuungsleistungen vorsieht und zum anderen auf Art. 7 der Verordnung, der den Ausgleichsanspruch betrifft,
nur in den Fällen der Nichtbeförderung und der Annullierung eines Fluges Bezug genommen wird, lässt den Grundsatz der Gewaltenteilung in der Union
unberührt. ..." (EuGH, Beschluss vom 18.04.2013 - C-413/11)
***
„... Art. 7 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für
Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur
Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 ist dahin auszulegen, dass auf seiner Grundlage dem Fluggast eines Fluges mit Anschlussflügen, dessen
Verspätung zum Zeitpunkt des Abflugs unterhalb der in Art. 6 der Verordnung festgelegten Grenzen lag, der aber sein Endziel mit einer Verspätung von
drei Stunden oder mehr gegenüber der planmäßigen Ankunftszeit erreichte, eine Ausgleichszahlung zusteht, da diese Zahlung nicht vom Vorliegen einer
Verspätung beim Abflug und somit nicht von der Einhaltung der in Art. 6 aufgeführten Voraussetzungen abhängt. ..." (EuGH, Urteil vom 26.02.2013 - C-11/11)
***
Art. 5 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für
Ausgleichs - und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur
Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 ist dahin auszulegen, dass das Luftfahrtunternehmen, da es alle zumutbaren Maßnahmen zu ergreifen hat, um
außergewöhnliche Umstände zu vermeiden, die mit dem etwaigen Eintritt außergewöhnlicher Umstände verbundene Möglichkeit von Verspätungen bei der
Flugplanung angemessen berücksichtigen muss. Es muss daher eine gewisse Zeitreserve vorsehen, um den Flug insgesamt möglichst bald nach dem Wegfall
der außergewöhnlichen Umstände durchführen zu können. Dagegen kann die genannte Bestimmung nicht dahin ausgelegt werden, dass im Rahmen der
zumutbaren Maßnahmen eine Pflicht besteht, allgemein und undifferenziert eine Mindest-Zeitreserve einzuplanen, die für sämtliche Luftfahrtunternehmen
unterschiedslos in allen Situationen des Eintritts außergewöhnlicher Umstände gilt. Bei der Beurteilung der Fähigkeit des Luftfahrtunternehmens, den geplanten
Flug insgesamt unter den neuen Bedingungen aufgrund des Eintritts dieser Umstände durchzuführen, ist darauf zu achten, dass der Umfang der geforderten
Zeitreserve das Luftfahrtunternehmen nicht zu Opfern veranlasst, die angesichts seiner Kapazitäten zum jeweiligen Zeitpunkt nicht tragbar sind. Art. 6 Abs. 1
der Verordnung Nr. 261/2004 kommt bei dieser Beurteilung nicht zur Anwendung (EuGH, Urteil vom 12.05.2011 - C-294/10).
***
Art. 2 lit. l sowie die Art. 5 und 6 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. 2. 2004 über eine gemeinsame
Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen
und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 sind dahin auszulegen, dass ein verspäteter Flug unabhängig von der - auch erheblichen - Dauer der
Verspätung nicht als annulliert angesehen werden kann, wenn er entsprechend der ursprünglichen Flugplanung des Luftfahrtunternehmens durchgeführt wird.
Die Art. 5, 6 und 7 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 sind dahin auszulegen, dass die Fluggäste verspäteter Flüge im Hinblick auf die Anwendung des
Ausgleichsanspruchs den Fluggästen annullierter Flüge gleichgestellt werden können und somit den in Art. 7 dieser Verordnung vorgesehenen
Ausgleichsanspruch geltend machen können, wenn sie wegen eines verspäteten Flugs einen Zeitverlust von drei Stunden oder mehr erleiden, d.h., wenn sie ihr
Endziel nicht früher als drei Stunden nach der von dem Luftfahrtunternehmen ursprünglich geplanten Ankunftszeit erreichen. Eine solche Verspätung führt
allerdings dann nicht zu einem Ausgleichsanspruch zu Gunsten der Fluggäste, wenn das Luftfahrtunternehmen nachweisen kann, dass die große Verspätung auf
außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären, also
auf Umstände, die von dem Luftfahrtunternehmen tatsächlich nicht zu beherrschen sind. Art. 5 III der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 ist dahin auszulegen, dass
ein bei einem Flugzeug aufgetretenes technisches Problem, das zur Annullierung oder Verspätung eines Flugs führt, nicht unter den Begriff „außergewöhnliche
Umstände" im Sinne dieser Bestimmung fällt, es sei denn, das Problem geht auf Vorkommnisse zurück, die auf Grund ihrer Natur oder Ursache nicht Teil der
normalen Ausübung der Tätigkeit des betroffenen Luftfahrtunternehmens sind und von ihm tatsächlich nicht zu beherrschen sind (EuGH, Urteil vom
19.11.2009 - C-402/07, C-432/07 - Christopher Sturgeon u.a./Condor Flugdienst-GmbH und Stefan Böck u.a./Air France SA).
*** (BGH)
„... I. Das Berufungsgericht hat die Voraussetzungen für einen Ausgleichsanspruch wegen Verspätung verneint. Bei der Flugreise von Frankfurt am Main nach
Recife via Lissabon handele es sich entgegen der Auffassung des Klägers nicht um einen einheitlichen Flug; die Reise habe vielmehr aus zwei getrennt zu
betrachtenden Flügen bestanden. Selbst wenn man die beiden Flüge als Einheit betrachten wolle, löse allein eine um mehr als drei Stunden verspätete Ankunft
den Ausgleichsanspruch nicht aus. Verspätete Flüge im Sinne der Fluggastrechteverordnung seien nur solche, bei denen sich der Abflug wie hier nicht um eine
in Art. 6 FluggastrechteVO genannte Zeitdauer verzögere.
II. Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Da der Rechtsstreit auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen zur
Endentscheidung reif ist, hat der Senat in der Sache selbst zu entscheiden und die Klage zuzusprechen.
1. Die Fluggastrechteverordnung ist, wie auch das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, anwendbar, da die Reisenden auf einem Flughafen in
Deutschland einen Flug, nämlich den ersten gebuchten Flug von Frankfurt am Main nach Lissabon, angetreten haben (Art. 3 Abs. 1 Buchst. a FluggastrechteVO).
2. Der verspätete Abflug dieses Flugs hat dazu geführt, dass die Reisenden ihr Endziel Recife erst einen Tag nach der geplanten Ankunft erreicht haben. Dies
begründet den mit der Klage geltend gemachten Ausgleichsanspruch nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. c FluggastrechteVO.
Den Fluggästen eines verspäteten Flugs steht ein Ausgleichsanspruch nach Art. 7 der Verordnung zu, soweit sie infolge der Flugverspätung ihr individuelles
Endziel mit einer Verspätung von mindestens drei Stunden erreichen. Die Ausgleichsleistung ist, wie der Senat nach Erlass des Berufungsurteils entschieden
hat, davon unabhängig, ob die verspätete Erreichung des Endziels darauf beruht, dass sich der Abflug des verspäteten Flugs um die in Art. 6 Abs. 1 Buchst. a
bis c FluggastrechteVO genannten Zeiten verzögert hat, und von dem Luftverkehrsunternehmen auch dann zu erbringen, wenn die verspätete Ankunft am
Endziel darauf beruht, dass infolge der Flugverspätung ein selbst nicht verspäteter Anschlussflug verpasst worden ist (BGH, Urteil vom 7. Mai 2013 X ZR
127/11, NJW-RR 2013, 1065 im Anschluss an EuGH, Urteil vom 19. November 2009 C-402/07, NJW 2010, 43 = RRa 2009, 282 Sturgeon/; Urteil vom 23.
Oktober 2012 C581/10 Nelson/; Urteil vom 26. Februar 2013 C11/11 Air France/Folkerts). Bedenken gegen diese Auslegung der Fluggastrechteverordnung
ergeben sich weder aus dem Primärrecht der Europäischen Union noch aus dem Grundgesetz (BGH aaO Rn. 14 ff.). ..." (BGH, Urteil vom 17.09.2013 - X ZR 150/10)
***
Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden gemäß Art. 267 AEUV zur Auslegung von Art. 6 und Art. 7 der Verordnung (EG) 261/2004 des Parlaments
und des Rates über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung
oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 vom 11. Februar 2004 (ABl. EG L 46 vom 17. Februar 2004 S. 1
ff.) folgende Fragen vorgelegt:
a) Steht dem Fluggast eine Ausgleichszahlung nach Art. 7 der Verordnung zu, wenn sich der Abflug um eine Zeitspanne verzögert hat, die unterhalb der in Art.
6 Abs. 1 der Verordnung definierten Grenzen liegt, die Ankunft am letzten Zielort aber mindestens drei Stunden nach der planmäßigen Ankunftszeit erfolgt?(Rn.12)
b) Für den Fall, dass die erste Frage zu verneinen ist:
Ist für die Frage, ob eine Verspätung im Sinne von Art. 6 Abs. 1 der Verordnung vorliegt, bei einem aus mehreren Teilstrecken zusammengesetzten Flug auf die
einzelnen Teilstrecken oder auf die Entfernung zum letzten Zielort abzustellen? (BGH, EuGH-Vorlage vom 09.12.2010 - Xa ZR 80/10)
***
Bei einer großen Verspätung im Sinne des Art. 6 Abs. 1 FluggastrechteVO steht dem Fluggast wie bei einer Annullierung des Flugs ein Anspruch auf eine
Ausgleichszahlung nach Art. 7 zu, sofern er sein Endziel nicht früher als drei Stunden nach der geplanten Ankunftszeit erreicht und die große Verspätung nicht
auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn von dem Luftfahrtunternehmen alle zumutbaren
Maß-nahmen ergriffen worden wären (im Anschluss an EuGH RRa 2009, 282 = NJW 2010, 43 - Sturgeon/Condor; BGH, Urteil vom 18.02.2010 - Xa ZR
95/06 zu FluggastrechteVO Art. 6 Abs. 1, Art. 7 Abs. 1, Art. 5 Abs. 3).
***
Bei einer Pauschalreise stellt die Verspätung eines Zubringerfluges um mindestens fünf Stunden nicht schon für sich eine erhebliche Beeinträchtigung dar, die
eine Kündigung des Reisevertrags ermöglicht. Ob bei einer solchen Verspätung ein Kündigungsgrund gegeben ist, ist vielmehr auf Grund einer an Zweck und
konkreter Ausgestaltung der Reise sowie der Art und Dauer der Beeinträchtigung orientierten Gesamtwürdigung zu beurteilen (BGH, Urteil vom 07.10.2008 -
X ZR 37/08 zu BGB § 651e I 1; Verordnung (EG) Nr. 261/2004 Art. 6 lit. c, iii, 8 I lit. a, II):
„... Der Kl. buchte bei der Bekl. eine vierzehntägige Studienreise nach Island einschließlich Fluges von Düsseldorf über Amsterdam nach Reykjavik zum
Gesamtpreis von 4390 Euro. Wegen eines technischen Defekts konnte das für den Weiterflug von Amsterdam nach Reykjavik vorgesehene Flugzeug nicht
planmäßig am vorgesehenen Reisetag um 14 Uhr starten. Um 20 Uhr trat der Kl. zum Preis von 311 Euro den Rückflug von Amsterdam nach Düsseldorf an.
Das ihm am nächsten Tag von der Bekl. zweimal unterbreitete Angebot, doch noch nach Reykjavik zu fliegen und sich der Reisegruppe anzuschließen, lehnte
der Kl. ab. Die Bekl. erstattete ihm 2200 Euro. Der Kl. hat geltend gemacht, er sei zum Abbruch des Fluges und der Kündigung des Reisevertrags berechtigt
gewesen. Nachdem auf der Anzeigetafel für den Flug nach Reykjavik 22:30 Uhr als Abflugszeitpunkt angegeben worden sei, habe er vergeblich versucht, mit
der den Flug durchführenden Linie X in Kontakt zu treten. Es sei nicht absehbar gewesen, ob der Anschlussflug überhaupt stattfinden werde. Von der
Fluggesellschaft sei niemand zu erreichen gewesen. Selbst wenn die Maschine noch um 23:15 Uhr von Amsterdam abgeflogen wäre, wäre er auf Grund der
verkürzten Nachtruhe nicht mehr in der Lage gewesen, die Leistungen des ersten Tages der Rundreise in Anspruch zu nehmen. Mit seiner Klage hat der Kl. die
Erstattung des restlichen Reisepreises und der Kosten des Rückfluges verlangt.
Das AG hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Kl. ist erfolglos geblieben. Mit seiner vom BerGer. zugelassenen Revision verfolgt der Kl. seinen
Anspruch weiter verfolgt. Die Revision hatte keinen Erfolg. ...
I. Das Berufungsurteil ist entgegen der Auffassung der Revision nicht deshalb aufzuheben, weil es die im Berufungsrechtszug von den Parteien gestellten
Anträge nicht enthält. § 540 I ZPO entbindet das BerGer. zwar nicht von der Aufnahme der Berufungsanträge in das Urteil. Das muss aber nicht durch
wörtliche Wiedergabe geschehen, sondern es kann genügen, dass aus den Ausführungen des BerGer. sinngemäß deutlich wird, was der Berufungskl. mit seinem
Rechtsmittel und was der Berufungsbekl. im Berufungsverfahren erstrebt hat (BGHZ 154, 99 = NJW 2003, 1743; Senat, NJW 2005, 422). Diesen
Anforderungen genügt das Berufungsurteil. Darin verneint das BerGer. einen Anspruch auf Rückzahlung des gesamten Reisepreises. Daraus ergibt sich, dass
der Kl. diesen in voller Höhe weiterverfolgt hat. Soweit das Urteil keine zusätzlichen Ausführungen zum Anspruch auf Begleichung der Kosten für den
Rückflug enthält, ist darin schon deshalb kein Hinweis auf eine Beschränkung der Berufung zu sehen, weil im tatbestandlichen Teil der Gründe mitgeteilt wird,
das AG habe die Klage auf Erstattung des restlichen Reisepreises und der Rückflugkosten abgewiesen und der Kl. dagegen Berufung eingelegt. Dem ist
mangels gegenteiliger Anhaltspunkte nur zu entnehmen, dass der Kl. sein Rechtsmittel nicht beschränkt hat (vgl. Senat, NJW 2005, 422).
Auch der Inhalt des vom Bekl. gestellten Berufungsantrags erschließt sich aus dem Urteil. Daraus, dass das BerGer. ein streitiges Urteil, also kein
Anerkenntnis- oder Versäumnisurteil erlassen hat, ergibt sich, dass die Bekl. die Zurückweisung der kl. Berufung beantragt hat.
II. Das BerGer. hat über die von der Bekl. vorprozessual geleisteten Zahlungen hinausgehende Ansprüche des Kl. verneint. Zur Begründung hat es ausgeführt:
Ein Anspruch auf Rückzahlung des gesamten Reisepreises aus Art. 8 I lit. a, II, Art. 6 Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des
Rates über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder
großer Verspätung von Flügen (im Folgenden auch: Verordnung) bestehe nicht, weil die Verordnung nur das Rechtsverhältnis zwischen den Fluggästen und
dem ausführenden Luftfahrtunternehmen regele.
Ein Anspruch auf Rückzahlung des gesamten Reisepreises stehe dem Kl. nicht aus § 651e BGB zu. Die Verspätung des Zubringerfluges stelle keinen zur
Kündigung des Reisevertrags berechtigenden Mangel der Reise dar. Der Kl. hätte von der anschließenden zweiwöchigen Rundreise selbst bei einer längeren als
der vom AG angenommenen Verspätung der Reise nur einen oder maximal zwei Tage versäumt. Damit hätte der in der mehrstündigen Verspätung liegende
Reisemangel nicht, wie für die Kündigung nach § 651e I BGB erforderlich, zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Reise geführt.
Die Vorschrift des § 651e BGB sei auch nicht im Lichte der Verordnung dahin auszulegen, dass die Verspätung eines Zubringerfluges nach nationalem Recht
zur Kündigung des Reisevertrags berechtige. Für Ansprüche gegen den Reiseveranstalter sei allein das die Richtlinie des Rates vom 13. 6. 1990 über
Pauschalreisen 90/314/EWG umsetzende Reisevertragsrecht des BGB einschlägig, und zwar selbst dann, wenn nach der Verordnung gegen ein
Luftfahrtunternehmen Ansprüche wegen Flugverspätung bestünden. Richtigerweise hätte der Kl. auf Grund der Verspätung des Zubringerfluges und der
dadurch verursachten Beeinträchtigung des Reisegenusses den Reisepreis nach §§ 651d, 638 BGB mindern können. Die Bekl. sei ihm allerdings bereits
überobligatorisch entgegengekommen, weshalb hierauf ein weiterer Zahlungsanspruch nicht gestützt werden könne.
III. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision bleiben im Ergebnis ohne Erfolg.
1. Auf die Verordnung (EG) Nr. 261/2004 kann der Reisende Ansprüche gegen den Reiseveranstalter nicht stützen. Aus der Verordnung lassen sich lediglich
Rechte gegen das ausführende Luftfahrtunternehmen herleiten (Senat, NJW 2008, 2119, Anm. Führich, LMK 2008, 266064; Führich, Sonderbeilage, MDR
7/2007, S. 4; ders., ReiseR, 5. Aufl., § 45 Rdnr. 959; Schmid, NJW 2007, 261 [267]; Staudinger/Schmidt-Bendun, NJW 2004, 1897; Lienhard, GPR 2003-04,
259 [262]; Niehuus, ReiseR, 3. Aufl., § 16 Rdnr. 15; AG Oberhausen, RRa 2007, 91 [92]; vgl. auch Palandt/Sprau, BGB, 67. Aufl., Einf. § 631 Rdnr. 17b). Das
gilt entgegen den von der Revision angemeldeten Zweifeln auch für Art. 8 II Verordnung. Nach dieser Bestimmung gilt Art. 8 I lit. a auch für Fluggäste, deren
Flüge Bestandteil einer Pauschalreise sind, mit Ausnahme des Anspruchs auf Erstattung, sofern sich dieser aus der Richtlinie 90/314/EWG ergibt. Aus dieser
Einschränkung lässt sich eine Beschränkung der Haftung des Luftfahrtunternehmens, nicht jedoch das Bestehen von Ansprüchen gegen den Reiseveranstalter
aus der Verordnung (EG) 261/2004 herleiten.
2. Ein Anspruch auf Rückzahlung des gesamten Reisepreises nach Abbruch der Reise aus § 651e I 1 BGB steht dem Kl. nicht zu.
a) Das BerGer. hat zu Recht angenommen, dass die Voraussetzungen für eine Kündigung nach § 651e I 1 BGB nicht vorliegen.
aa) Das Kündigungsrecht setzt voraus, dass die Reise infolge eines Mangels der in § 651c BGB bezeichneten Art erheblich beeinträchtigt wird. In welchem
Maße ein Mangel die Reise beeinträchtigt, ist auf Grund einer an Zweck und konkreter Ausgestaltung der Reise sowie Art und Dauer der Beeinträchtigung
orientierten Gesamtwürdigung zu beurteilen (vgl. dazu OLG Frankfurt a.M., RRa 2006, 259 [261]; NJW-RR 2005, 132 [133]; Palandt/Sprau, § 651e Rdnr. 2).
Diese Gesamtwürdigung hat das BerGer. vorgenommen. Das Vorbringen des Kl., es habe sich um eine vierzehntägige Rundreise mit entsprechend
wechselndem täglichem Programm gehandelt, bei der ein verspätet zur Reisegruppe stoßender Teilnehmer die bis dahin absolvierten Programmpunkte
unwiederholbar versäumt habe, hat das BerGer. dabei entgegen den Vorwürfen der Revision nicht übergangen, sondern bei seiner Entscheidung berücksichtigt.
Dass ihm dabei Rechtsfehler unterlaufen wären, vermag die Revision nicht aufzuzeigen. Es besteht kein Erfahrungssatz dahin, dass eine vierzehntägige Reise
der hier in Rede stehenden Art allein dadurch, dass ein Teilnehmer ein oder maximal zwei Tage verpasst, so erheblich beeinträchtigt ist, dass eine Kündigung
nach § 651e I 1 BGB gerechtfertigt erscheint. Ob dies nach den jeweiligen Umständen im Einzelfall doch zu bejahen sein könnte, etwa wenn herausragend
attraktive Programmpunkte versäumt wurden, kann dahinstehen. Das BerGer. hat solche Umstände nicht festgestellt und Verfahrensrügen sind insoweit nicht erhoben.
bb) Ein für die Kündigung nach § 651e I 1 BGB erforderlicher erheblicher Mangel lässt sich nicht mit dem Erfordernis einer kohärenten Auslegung der
Tatbestände der Art. 4 bis 6 VO und der nationalen Bestimmungen zur Umsetzung der Richtlinie 90/314/EWG begründen.
Eine solche Auslegung wird zum Teil in der Fachliteratur mit Blick darauf befürwortet, dass der dem Pauschalreisenden gegen das Luftfahrtunternehmen
zustehende Anspruch auf Erstattung der Flugscheinkosten nach Art. 6 I lit. c, iii, Art. 8 I lit. a, II VO bei einer Verspätung, wie sie im Streitfall gegeben ist,
leerlaufe, wenn der Reisende im Verhältnis zum Reiseveranstalter nicht zur Kündigung des Reisevertrags berechtigt sei (Tonner, in: Gebauer/Wiedmann,
ZivilR unter europäischem Einfluss, Kap. 13a Rdnr. 82; ders., Reisevertrag, 5. Aufl., Rdnr. 49; vgl. auch Wagner, VuR 2006, 337 [338]).
Dem kann nicht beigetreten werden. Art. 8 II der VO regelt, dass der Erstattungsanspruch aus Art. 8 I lit. a Pauschalreisenden gegen das Luftfahrtunternehmen
nicht zusteht, sofern sich ein Erstattungsanspruch (gegen den Reiseveranstalter) aus der Richtlinie 90/314/EWG ergibt. Nach der vorstehend erwähnten
Literaturauffassung bestünde ein Erstattungsanspruch gegen den Reiseveranstalter reflexartig immer dann, wenn die Voraussetzungen des Art. 8 I lit. a VO
vorliegen. Ein Anspruch gegen das ausführende Luftfahrtunternehmen nach dieser Bestimmung wäre dann nie gegeben, weil stets ein Erstattungsanspruch
gegen den Reiseveranstalter zu bejahen wäre. Das stünde nicht nur in Widerspruch dazu, dass die Verordnung, wie ausgeführt, Ansprüche gerade nur gegen
ausführende Luftfahrtunternehmen gewährt. Vor allem berücksichtigte dies nicht hinreichend die Unterschiede zwischen einer reinen Luftbeförderung und einer
Pauschalreise, bei der das Reiseunternehmen typischerweise ein komplexes Bündel von Leistungen erbringt, zu denen die Beförderung neben Unterbringung
und verschiedenen touristischen Dienstleistungen gehören kann (vgl. Richtlinie 90/314/EWG Art. 1 Nr. 1). Die Leistungsstörung einer Flugverspätung hat im
Rahmen einer Pauschalreise nicht zwangsläufig das gleiche Gewicht wie in einem Vertragsverhältnis, das allein die Beförderung auf dem Luftweg an einen
bestimmten Zielort zum Gegenstand hat.
cc) Eine abweichende Sicht ist nicht durch Art. 15 VO veranlasst. Danach dürfen die Verpflichtungen gegenüber Fluggästen nicht - insbesondere nicht durch
abweichende oder restriktive Bestimmungen im Beförderungsvertrag - eingeschränkt oder ausgeschlossen werden. Damit ist nicht das Verständnis der
Regelungen der Verordnung selbst gemeint.
dd) Die vom Kl. befürwortete automatische Bejahung eines Kündigungsrechts bei Vorliegen einer die Unterstützungsleistung aus Art. 8 I lit. a der Verordnung
auslösenden Verspätung folgt auch nicht aus Erwägungsgrund 16 der Verordnung. Darin ist lediglich klargestellt, dass die Verordnung für Fälle, in denen eine
Pauschalreise aus anderen Gründen als der Annullierung des Fluges annulliert wird, nicht gelten sollte. Dem liegt ersichtlich lediglich das Anliegen zu Grunde,
die Haftungssphären des ausführenden Flugunternehmens auf der einen und des Reiseunternehmens auf der anderen Seite deutlich zu trennen.
ee) Die Bekl. muss sich ein Recht des Kl. auf Abbruch der Reise nach Art. 8 I lit. a, II VO entgegen der Ansicht der Revision nicht unter dem Gesichtspunkt der
Haftung für Erfüllungsgehilfen entgegenhalten lassen. Abgesehen davon, dass dieses Recht, wie ausgeführt, nur besteht, wenn ein erheblicher Reisemangel
vorliegt, was nach dem vorstehend Ausgeführten nicht der Fall ist, setzt die Haftung für das Verhalten von Erfüllungsgehilfen deren Verschulden voraus. Ein
Verschulden des ausführenden Luftfahrtunternehmens hat das BerGer. nicht festgestellt; Verfahrensrügen sind auch insoweit nicht erhoben.
ff) Der Vorlage an den EuGH bedarf es nicht. Die Vorlage nach Art. 234 EG ist entbehrlich, wenn die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts derart
offenkundig ist, dass keinerlei Raum für vernünftige Zweifel an der Entscheidung der aufgekommenen Frage bleibt (EuGH, NJW 1983, 1257 - CILFIT). So
verhält es sich hier.
b) Ohne Erfolg macht die Revision geltend, die Reise sei dem Kl. wegen des Mangels nicht zuzumuten gewesen (§ 651e I 2 BGB). Dieser Kündigungsgrund
stellt nicht auf die objektive Erheblichkeit der Beeinträchtigung ab, sondern darauf, ob der Antritt oder die Fortsetzung der Reise gerade dem betreffenden
Reisenden wegen eines in seiner Person liegenden Umstands unzumutbar ist (Palandt/Sprau, § 651e Rdnr. 3). Entsprechende Feststellungen hat das BerGer.
ebenfalls und von der Revision unbeanstandet nicht getroffen.
3. Das BerGer. hat einen weitergehenden Zahlungsanspruch des Kl. unter dem Gesichtspunkt der Minderung des Reisepreises wegen der Verspätung des
Anschlussfluges gem. §§ 651d I , 651c I, 638 III BGB verneint. Das lässt Rechtsfehler nicht erkennen und wird von der Revision auch nicht angegriffen.
4. Der Kl. kann auch keine Erstattung seiner für seinen Rückflug von Amsterdam nach Düsseldorf aufgewendeten Kosten verlangen. Dieser Anspruch bestünde
nach Lage des Sachverhalts nur, wenn auch ein Kündigungsgrund zu bejahen wäre, was nach dem vorstehend Ausgeführten (III 2a) aber nicht der Fall ist. ..."
*** (LG)
„... II. Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden zur Auslegung der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom
11.02.2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung
oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 - ABl. L 46 vom 17.02.2004, S. 1-8 - folgende Fragen zur
Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Ist Art. 5 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.02.2004 über eine gemeinsame Regelung für
Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur
Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 dahingehend auszulegen, dass ein außergewöhnlicher Umstand, der die Verspätung eines Fluges bewirkt, auch
für einen weiteren, anschließenden Flug einen außergewöhnlichen Umstand im Sinne der Vorschrift darstellt, wenn die eine Verspätung hervorrufende Wirkung
des außergewöhnlichen Umstands lediglich aufgrund der Betriebsorganisation des Luftfahrtunternehmens sich auf den späteren Flug auswirkt?
2. Ist Art. 5 Abs. 3 der VO(EG) 261/2004 dahingehend auszulegen, dass sich der Begriff der Vermeidbarkeit nicht auf die außergewöhnlichen Umstände als
solche, sondern auf die durch sie bewirkte Verspätung oder Annullierung des Flugs bezieht?
3. Ist Art. 5 Abs. 3 der VO(EG) 261/2004 dahingehend auszulegen, dass es Luftfahrtunternehmen, die ihre Flüge in einem sogenannten Umlaufsystem
durchführen, zumutbar ist, eine Mindestzeitreserve zwischen den Flügen einzukalkulieren, deren Umfang der in Art. 6 Abs. 1 lit. a-c VO(EG) 261/2004
festgelegten Zeitspannen entspricht?
4. Ist Art. 5 Abs. 3 der VO(EG) 261/2004 dahingehend auszulegen, dass es Luftfahrtunternehmen, die ihre Flüge in einem sogenannten Umlaufsystem
durchführen, zumutbar ist, Passagiere, deren Flug aufgrund eines außergewöhnlichen Ereignisses bereits erheblich verspätet ist, nicht oder später zu befördern,
um eine Verspätung von Folgeflügen zu vermeiden? ..." (LG Hannover, EuGH-Vorlage vom 29.11.2013 - 14 S 50/13)
***
„... Die Kläger haben keinen Anspruch gegen die Beklagte als ausführendes Luftfahrtunternehmen auf Zahlung einer Ausgleichsleistung wegen eines
verspäteten Fluges gem. Art. 5, 6 und 7 der Verordnung (EG) Nr. 251/2004 (Fluggastrechteverordnung) i. V. m. der Rechtsprechung des EuGH (Urteil v.
19.11.2009 - Sturgeon -, NJW 2010, 43 ff.) in Höhe der jeweils geltend gemachten 600,- Euro.
Der EuGH hat im Urteil vom 19.11.2009 entschieden, dass die Art. 5, 6 und 7 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 dahin auszulegen sind, dass die Fluggäste
verspäteter Flüge im Hinblick auf die Anwendung des Ausgleichsanspruchs den Fluggästen annullierter Flüge gleichgestellt werden können und somit den in
Art. 7 dieser Verordnung vorgesehenen Ausgleichsanspruch geltend machen können, wenn sie wegen eines verspäteten Flugs einen Zeitverlust von drei
Stunden oder mehr erleiden, d. h., wenn sie ihr Endziel nicht früher als drei Stunden nach der von dem Luftfahrtunternehmen ursprünglich geplanten
Ankunftszeit erreichen (NJW 2010, 43, 46/47 Ziffer 69).
Dies folge daraus, dass die von den Fluggästen im Fall einer Annullierung und einer Verspätung erlittenen Schäden einander entsprächen und die Fluggäste
verspäteter Flüge und annullierter Flüge deshalb nicht unterschiedlich behandelt werden könnten, ohne dass gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung
verstoßen würde. Damit hat er entschieden, dass der Ausgleichsanspruch auch Fluggästen verspäteter Flüge zustehen kann.
Der EuGH hat weiter ausgeführt, unter diesen Umständen werde den entsprechend Art. 5 I lit. c Nr. iii der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 anderweitig
beförderten Fluggästen der in Art. 7 dieser Verordnung vorgesehene Ausgleichsanspruch gewährt, wenn das Luftfahrtunternehmen sie nicht anderweitig mit
einem Flug befördert, der nicht mehr als eine Stunde vor der planmäßigen Abflugzeit startet und ihr Endziel höchstens zwei Stunden nach der planmäßigen
Ankunftszeit erreicht. Diese Fluggäste erlangen somit einen Ausgleichsanspruch, wenn sie gegenüber der ursprünglich von dem Luftfahrtunternehmen
angesetzten Dauer einen Zeitverlust von drei Stunden oder mehr erleiden (NJW 2010, 43, 46 Ziffer 69).
Es hat sich im Hinblick auf das genannte Urteil des EuGH die Frage aufgetan, ob für die Entstehung eines Ausgleichsanspruchs nach Art. 7 I FluggastrechteVO
allein die Dauer der Verspätung am letzten Zielort maßgeblich ist oder ob ein Ausgleichsanspruch wegen Verspätung zusätzlich voraussetzt, dass der
Tatbestand von Art. 6 I FluggastrechteVO erfüllt ist, also schon der Start mit einer Verzögerung erfolgt ist, die die in Art. 6 I FluggastrechteVO definierten
Grenzen übersteigt (vgl. dazu im Ganzen die Vorlage des BGH an den EuGH, Beschluss v. 09.12.2010, Az. Xa ZR 80/10, zit. nach juris).
Die Kammer vertritt in mittlerweile ständiger Rechtsprechung (Urteil vom 23.09.2010, Az. 2-24 S 44/10, RRa 2011, 44 ff.; Urteil vom 01.09.2011, Az. 2-24 S
65/11), die Auffassung, dass für die Entstehung eines Ausgleichsanspruchs nach Art. 7 I FluggastrechteVO wegen Verspätung zusätzliche
Voraussetzung ist, dass der Tatbestand von Art. 6 I FluggastrechteVO erfüllt ist, also schon der Start mit einer Verzögerung erfolgt ist, die die in Art.
6 I FluggastrechteVO definierten Grenzen übersteigt (so auch Staudinger, RRa 2010, 10, 11/12).
Der EuGH (NJW 2010, 43 ff.) hat nämlich anerkannt, dass der von der Verordnung vorgesehene Ausgleich durch verschiedene Formen von Maßnahmen
verwirklicht wird, die Gegenstand von Regelungen sind, die an die Nichtbeförderung oder die Annullierung oder große Verspätung eines Flugs anknüpfen (aaO
Rn. 51). Er hat die Gleichstellung von Fluggästen verspäteter und annullierter Flüge nicht allein mit dem Gleichheitssatz begründet, sondern aus dem
Gleichheitssatz lediglich ein zusätzliches Argument (aaO Rn. 46) für das zuvor aus der Auslegung des verfügenden Teils des Gemeinschaftsrechtsakts unter
Berücksichtigung seiner Gründe und seiner Ziele abgeleitete Ergebnis gewonnen. Der Ausgleichsanspruch folgt danach primär aus der Verknüpfung, die der
Verordnungsgeber in Erwägungsgrund 15 zwischen dem Begriff der großen Verspätung und dem Ausgleichsanspruch vorgenommen hat (aaO Rn. 43), und der
Zielsetzung der Verordnung, ein hohes Schutzniveau für Fluggäste unabhängig davon sicherzustellen, ob sie von einer Nichtbeförderung, Annullierung oder
Verspätung eines Flugs betroffen sind (aaO Rn. 44). Dies schließt es aus, der Verordnung Ansprüche zu entnehmen, die nicht an einen der Tatbestände der Art.
4 bis 6 FluggastrechteVO anknüpfen, sondern an die Ankunftsverzögerung, die nach der Verordnung lediglich für die Prüfung der Frage von Bedeutung ist, ob
der Ausgleichsanspruch entfällt (Art. 5 Abs. 1 Buchst. c FluggastrechteVO) oder gekürzt wird (Art. 7 Abs. 2 FluggastrechteVO) (vgl. auch BGH, Beschluss v.
09.12.2010, Az. Xa ZR 80/10, zit. nach juris).
Das Amtsgericht hat seiner Entscheidung die dargestellte Auffassung der Kammer zugrunde gelegt.
Eine Abflugverspätung in diesem Sinne hat am Startflughafen in Phuket unstreitig nicht vorgelegen. Dieser Abflug war planmäßig.
Weiterhin hat das Amtsgericht ausgeführt, dass für die Bestimmung der Abflugverspätung nicht auf die Abflugverspätung bei der Zwischenlandung in
Bahrain abzustellen sei. Maßgeblich sei, dass dem Abflug in Bahrain nur eine Zwischenlandung zugrunde gelegen habe.
Dieser Auffassung ist zuzustimmen.
Die Kammer hat im Urteil vom 23.09.2010 (Az. 2-24 S 44/10, RRa 2011, 44 ff.) im Zusammenhang mit der Bestimmung der Abflugverspätung angenommen,
dass bei einem innerhalb der Grenzen des Art. 6 I FluggastrechteVO erfolgten Abflug eine spätere unplanmäßige Zwischenlandung nicht dazu führt, dass eine
Abflugverspätung im oben genannten Sinne entsteht.
Nach einer Gesamtwürdigung der Umstände kann für eine planmäßige Zwischenlandung nichts Anderes gelten.
Eine Abflugverspätung im Rahmen einer planmäßigen Zwischenlandung im Rahmen eines Gesamtfluges begründet keine relevante ausgleichspflichtige
Abflugverspätung im oben genannten Sinne, wenn der Abflug am Ausgangsflughafen innerhalb der Grenzen des Art. 6 I FluggastrechteVO erfolgte.
Zutreffend hat das Amtsgericht ausgeführt, dass für die Frage einer Abflugverspätung ebenso wie für die Frage einer Ankunftsverspätung am Endziel auf die
gesamte Flugstrecke und damit auf den ursprünglichen Abflugort (hier: Phuket) abzustellen sei.
Entscheidend ist nämlich, dass es sich hier um einen Flug Phuket - Frankfurt am Main gehandelt hat und nicht um einen Flug Bahrain - Frankfurt am Main. Bei
der bloßen Zwischenlandung in Bahrain des weiterhin gleichen Fluges handelt es sich nun einmal um den einheitlichen Flug Phuket - Frankfurt am Main.
Insoweit war diese Zwischenlandung in Bahrain in den vorgelegten Reiseunterlagen auch gar nicht ausgewiesen. Wenn aber von einem einheitlichen Flug
ausgegangen werden muss, kann für die Bestimmung der Abflugverspätung nur auf eine relevante Abflugverspätung im Sinne von Art. 6 I FluggastrechteVO
am Startflughafen abgestellt werden. Die Annahme eines "gesonderten weiteren Abflugs am Flughafen der Zwischenlandung" ist bei einem zugrunde
zulegenden einheitlichen Flug nicht möglich, da dem die Einheitlichkeit des Gesamtfluges entgegensteht.
Zutreffend hat das Amtsgericht ausgeführt, dass es zu keiner anderen rechtlichen Bewertung führt, dass ggf. Fluggästen, welche ihren Flug erst in Bahrain
angetreten haben, ein Anspruch auf Ausgleichszahlungen bzw. ein Anspruch auf Unterstützungsleistungen zusteht.
Diesbezüglich liegt letztlich auch keine Ungleichbehandlung vor. Zu berücksichtigen ist nämlich, dass für zugestiegene Fluggäste allein Bahrain als Abflugort
der Flugreise maßgeblich ist. Anders als die Kläger haben diese Fluggäste noch keine Teilstrecke zum endgültigen Zielflughafen zurückgelegt.
Nach all dem liegen die Anspruchsvoraussetzungen für eine Ausgleichszahlung nach der FluggastrechteVO nicht vor.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 I, 100 I ZPO. Die Revision war zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 II ZPO vorliegen. Die Rechtssache
hat grundsätzliche Bedeutung. Weiterhin kommt gem. Art 234 II EG eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof in Betracht. Seiner Entscheidung vom
19.11.2009 lässt sich nicht sicher entnehmen, ob er in Fällen einer reinen Ankunftsverspätung die Grenzen zulässiger Rechtsfortbildung bereits abgesteckt
und eine Analogie zu den Fällen der Abflugverspätung damit ausgeschlossen hat, da er die FluggastVO für wirksam hält. Der Leitsatz 2 der Entscheidung des
Europäischen Gerichtshofs vom 19.11.09 in Verbindung mit dessen Ausführungen unter Ziffern 52, 53 könnte den Eindruck erwecken, dass schon bei einem
um mehr als 3 Stunden verspätetem Erreichen des Endziels ein Ausgleichsanspruch gegeben ist, weil nicht ausreichend deutlich wird, dass nur die Rechtsfolgen
des verspäteten Abflugs geregelt werden (vgl. dazu im Ganzen die Vorlage des BGH an den EuGH, Beschluss v. 09.12.2010, Az. Xa ZR 80/10, zit. nach juris).
Die Kammer wäre gehalten, zur dieser Frage ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften zu richten, wenn sie
rechtskräftig entscheiden würde. Da eine entscheidungserhebliche Frage durch eine Vorlage nach Art. 234 EGV zu klären ist, liegt ebenfalls ein Grund für die
Zulassung der Revision vor. ..." ( LG Frankfurt, Urteil vom 29.09.2011 - 24 S 56/11)
***
„... Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte als ausführendes Luftfahrtunternehmen auf Zahlung einer Ausgleichsleistung wegen eines verspäteten
Fluges gem. Art. 5, 6 und 7 der Verordnung (EG) Nr. 251/2004 (Fluggastrechteverordnung) i.V.m. der Rechtsprechung des EuGH (Urteil v. 19.11.2009 -
Sturgeon NJW 2010, 43ff.) in Höhe der geltend gemachten 600,- Euro.
1. Der EuGH hat im Urteil vom 19.11.2009 entschieden, dass die Art. 5, 6 und 7 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 dahin auszulegen sind, dass die Fluggäste
verspäteter Flüge im Hinblick auf die Anwendung des Ausgleichsanspruchs den Fluggästen annullierter Flüge gleichgestellt werden können und somit den in
Art. 7 dieser Verordnung vorgesehenen Ausgleichsanspruch geltend machen können, wenn sie wegen eines verspäteten Flugs einen Zeitverlust von drei
Stunden oder mehr erleiden, d.h., wenn sie ihr Endziel nicht früher als drei Stunden nach der von dem Luftfahrtunternehmen ursprünglich geplanten
Ankunftszeit erreichen (NJW 2010, 43, 46/47 Ziffer 69).
Dies folge daraus, dass die von den Fluggästen im Fall einer Annullierung und einer Verspätung erlittenen Schäden einander entsprächen und die Fluggäste
verspäteter Flüge und annullierter Flüge deshalb nicht unterschiedlich behandelt werden könnten, ohne dass gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung
verstoßen würde. Damit hat er entschieden, dass der Ausgleichsanspruch auch Fluggästen verspäteter Flüge zustehen kann.
Der EuGH hat weiter ausgeführt, unter diesen Umständen werde den entsprechend Art. 5 I lit. c Nr. iii der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 anderweitig
beförderten Fluggästen der in Art. 7 dieser Verordnung vorgesehene Ausgleichsanspruch gewährt, wenn das Luftfahrtunternehmen sie nicht anderweitig mit
einem Flug befördert, der nicht mehr als eine Stunde vor der planmäßigen Abflugzeit startet und ihr Endziel höchstens zwei Stunden nach der planmäßigen
Ankunftszeit erreicht. Diese Fluggäste erlangen somit einen Ausgleichsanspruch, wenn sie gegenüber der ursprünglich von dem Luftfahrtunternehmen
angesetzten Dauer einen Zeitverlust von drei Stunden oder mehr erleiden (NJW 2010, 43, 46 Ziffer 69).
Es hat sich im Hinblick auf das genannte Urteil des EuGH die Frage aufgetan, ob für die Entstehung eines Ausgleichsanspruchs nach Art. 7 I FluggastrechteVO
allein die Dauer der Verspätung am letzten Zielort maßgeblich ist oder ob ein Ausgleichsanspruch wegen Verspätung zusätzlich voraussetzt, dass der
Tatbestand von Art. 6 I FluggastrechteVO erfüllt ist, also schon der Start mit einer Verzögerung erfolgt ist, die die in Art. 6 I FluggastrechteVO definierten
Grenzen übersteigt (vgl. dazu im Ganzen die Vorlage des BGH an den EuGH, Beschluss v. 09.12.2010, Az. Xa ZR 80/10, zit. nach juris).
Die Kammer vertritt, wie bereits im Urteil vom 23.09.2010, Az. 2-24 S 44/10, RRa 2011, 44ff., ausführlich dargelegt, die Auffassung, dass für die Entstehung
eines Ausgleichsanspruchs nach Art. 7 I FluggastrechteVO wegen Verspätung zusätzliche Voraussetzung ist, dass der Tatbestand von Art. 6 I
FluggastrechteVO erfüllt ist, also schon der Start mit einer Verzögerung erfolgt ist, die die in Art. 6 I FluggastrechteVO definierten Grenzen übersteigt (so
auch Staudinger, RRa 2010, 10, 11/12).
Der EuGH (NJW 2010, 43ff.) hat nämlich anerkannt, dass der von der Verordnung vorgesehene Ausgleich durch verschiedene Formen von Maßnahmen
verwirklicht wird, die Gegenstand von Regelungen sind, die an die Nichtbeförderung oder die Annullierung oder große Verspätung eines Flugs anknüpfen (aaO
Rn. 51). Er hat die Gleichstellung von Fluggästen verspäteter und annullierter Flüge nicht allein mit dem Gleichheitssatz begründet, sondern aus dem
Gleichheitssatz lediglich ein zusätzliches Argument (aaO Rn. 46) für das zuvor aus der Auslegung des verfügenden Teils des Gemeinschaftsrechtsakts unter
Berücksichtigung seiner Gründe und seiner Ziele abgeleitete Ergebnis gewonnen. Der Ausgleichsanspruch folgt danach primär aus der Verknüpfung, die der
Verordnungsgeber in Erwägungsgrund 15 zwischen dem Begriff der großen Verspätung und dem Ausgleichsanspruch vorgenommen hat (aaO Rn. 43), und der
Zielsetzung der Verordnung, ein hohes Schutzniveau für Fluggäste unabhängig davon sicherzustellen, ob sie von einer Nichtbeförderung, Annullierung oder
Verspätung eines Flugs betroffen sind (aaO Rn. 44). Dies schließt es aus, der Verordnung Ansprüche zu entnehmen, die nicht an einen der Tatbestände der Art.
4 bis 6 FluggastrechteVO anknüpfen, sondern an die Ankunftsverzögerung, die nach der Verordnung lediglich für die Prüfung der Frage von Bedeutung ist, ob
der Ausgleichsanspruch entfällt (Art. 5 Abs. 1 Buchst, c FluggastrechteVO) oder gekürzt wird (Art. 7 Abs. 2 FluggastrechteVO) (vgl. auch BGH, Beschluss v.
09.12.2010, Az. Xa ZR 80/10, zit. nach juris).
Das Amtsgericht hat seiner Entscheidung die dargestellte Auffassung der Kammer zugrunde gelegt.
Die Kammer verbleibt bei der Auffassung, dass das Urteil des EuGH vom 19.11.2009 in der geschilderten Weise zu interpretieren ist, also dass neben einer
Ankunftsverspätung von mindestens drei Stunden auch eine Abflugverspätung gem. Art. 6 I FluggastrechteVO erforderlich ist.
Da vorliegend die Entfernung zwischen dem Abflugort Varadero (Kuba) und dem Zielort Frankfurt am Main über 3.500km beträgt, bedurfte es für die
Gewährung einer Ausgleichszahlung gem. Art. 7 FluggastrechteVO einer Abflugverspätung gem. Art. 6 I c) FluggastrechteVO von mindestens 4 Stunden.
Der Abflug in Varadero verspätete sich aufgrund technischer Probleme jedoch "nur" um 1 Std. 25 Min.. Danach lag keine relevante Abflugverspätung im Sinne
von Art. 6 I c) FluggastrechteVO vor.
Etwas Anderes ergibt sich auch nicht aus der unplanmäßigen Zwischenlandung in Dublin, selbst wenn man davon ausginge, dass die unplanmäßige
Zwischenlandung dem ursprünglichen technischen Defekt in Varadero geschuldet war.
Unstreitig hat auch diese Zwischenlandung in Dublin nicht dazu geführt, dass zu irgendeinem Zeitpunkt eine Abflugverspätung von mindestens vier Stunden
Vorgelegen hat. Dieser Punkt ist in der mündlichen Berufungsverhandlung auch ausdrücklich erörtert worden. Insoweit hat die Kammer dargelegt, dass von der
unstreitigen Tatsache auszugehen ist, dass zu keinem Zeitpunkt eine Verspätung von mindestens vier Stunden Vorgelegen hat. Dem sind die Parteien nicht entgegengetreten.
Selbst wenn man daher die Verzögerungen (Abflugverspätung in Varadero plus unplanmäßige Zwischenlandung in Dublin) aufgrund der Annahme eines
einheitlichen technischen Defekts zusammenaddiert, kommt man nicht auf eine Abflugverspätung von mindestens 4 Stunden.
Nach all dem liegen die Anspruchsvoraussetzungen für eine Ausgleichszahlung nach der FluggastrechteVO nicht vor.
2. Darüber hinaus ist die Klageforderung in Höhe von 300,- Euro auf der Grundlage der bereits genannten EuGH-Rechtsprechung bereits unschlüssig.
Wie bereits ausgeführt beträgt die Entfernung Zwischen Abflug- und Zielort mehr als 3.500km. Unstreitig betrug die Ankunftsverspätung 3 Std. 34 Min..
Der Ausgleichsanspruch liegt bei einer Distanz von über 3.500km zwar bei 600,- Euro. Jedoch wäre dieser Betrag vorliegend gem. Art. 7 II c) analog
FluggastrechteVO zu kürzen, da sich die Beklagte - wenn auch mit falscher Begründung - darauf berufen hat. Die Ankunftsverspätung lag nämlich bei einer
Distanz von über 3.500km unter 4 Stunden. Insoweit ist eine 50%ige Kürzung vorzunehmen (EuGH, NJW 2010, 43, 46, Ziffer 63).
Danach verbleibt von vorneherein lediglich ein Ausgleichsbetrag von maximal 300,- Euro.
III. ... Die Revision war zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 II ZPO vorliegen. Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung.
Weiterhin kommt gem. Art 234 II EG eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof in Betracht. Seiner Entscheidung vom 19.11.2009 lässt sich nicht sicher
entnehmen, ob er in Fällen einer reinen Ankunftsverspätung die Grenzen zulässiger Rechtsfortbildung bereits abgesteckt und eine Analogie zu den Fällen der
Abflugverspätung damit ausgeschlossen hat, da er die FluggastVO für wirksam hält. Der Leitsatz 2 der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom
19.11.09 in Verbindung mit dessen Ausführungen unter Ziffern 52, 53 könnte den Eindruck erwecken, dass schon bei einem um mehr als 3 Stunden
verspätetem Erreichen des Endziels ein Ausgleichsanspruch gegeben ist, weil nicht ausreichend deutlich wird, dass nur die Rechtsfolgen des verspäteten
Abflugs geregelt werden (vgl. dazu im Ganzen die Vorlage des BGH an den EuGH, Beschluss v. 09.12.2010, Az. Xa ZR 80/10, zit. nach juris).
Die Kammer wäre gehalten, zur dieser Frage ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften zu richten, wenn sie
rechtskräftig entscheiden würde. Da eine entscheidungserhebliche Frage durch eine Vorlage nach Art. 234 EGV zu klären ist, liegt ebenfalls ein Grund für die
Zulassung der Revision vor. ..." (LG Frankfurt, Urteil vom 01.09.2011 - 24 S 65/11)
*** (AG)
„... Die Klägerin buchte bei der Beklagten einen Flug von Hannover (HAJ) nach Palma de Mallorca (PMI), dessen planmäßige Ankunftszeit am 28.06.2013 um
07:30 Uhr sein sollte. Die mit der Großkreismethode berechnete Entfernung zwischen beiden Orten beträgt 1.531 Kilometer. Der Flug startete im Vergleich zur
geplanten Abflugzeit mit einer Verspätung von 3 Stunden und 8 Minuten. Die tatsächliche Ankunftszeit des Flugs ist zwischen den Parteien streitig. Die
nach der Landung und dem Stillstand des Flugzeugs eingenommene Parkposition befand sich auf einer Außenposition des Flughafens Palma de Mallorca. Nach
dem Ausstieg aus dem Flugzeug wurden die Passagiere mit einem Bus zum Flughafengebäude gebracht.
Die Klägerin ist der Ansicht, ihr stehe eine Ausgleichszahlung nach der sog. EU-Fluggastrechte-Verordnung zu, da die maßgeblichen Ereignisse für die
Beurteilung der Flugverspätung der Ausstieg aus dem Flugzeug bzw. das Erreichen des Ankunftsgates im Flughafengebäude seien und beide Zeitpunkte mehr
als drei Stunden nach der geplanten Ankunftszeit gelegen hätten. Die Klägerin hat im Schriftsatz vom 18.12.2013 zunächst vorgetragen, dass der Ausstieg aus
dem Flugzeug um 10:40 Uhr erfolgt sei. Im Schriftsatz vom 22.01.2014 hat sie dann vorgetragen, dass um 10:40 Uhr der Bus das Flughafengebäude erreicht
habe. Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 400,00 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab
Rechtshängigkeit zu zahlen. Die Beklagte beantragt, die Klage im Übrigen abzuweisen.
Die Beklagte bestreitet eine Verzögerung der planmäßigen Ankunftszeit um mehr als drei Stunden. Das Flugzeug sei um 10:23 Uhr auf der Landebahn des
Flughafens in Palma de Mallorca aufgesetzt und habe um 10:27 Uhr die Parkposition erreicht (Beweis: Zeugnis ... ...). Letzterer Zeitpunkt sei maßgeblich für
die Berechnung der Ankunftsverspätung.
Die Klägerin bestreitet die von der Beklagten vorgetragenen Zeiten mit Nichtwissen und trägt insoweit vor, dass das Flugzeug „etwa eine Minute vor Ablauf
der Dreistundenfrist" die Parkposition erreicht habe.
Die Klage ist der Beklagten am 07.11.2013 zugestellt worden. Mit Beschluss vom 06.01.2014 hat das Gericht das schriftliche Verfahren angeordnet. Am
07.02.2014 ist bei Gericht ein Schriftsatz der Klägerin vom 04.02.2014 eingegangen. ...
I. Das Gericht konnte aufgrund des Beschlusses vom 06.01.2014 gemäß § 495a Satz 1 ZPO im schriftlichen Verfahren ohne mündliche Verhandlung
entscheiden, da der Streitwert 600,00 € nicht übersteigt. Ein Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist nicht gestellt worden.
II. Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von 400,00 € nebst der geltend gemachten Zinsen.
1. Einzige in Betracht kommende Anspruchsgrundlage für den geltend gemachten Zahlungsanspruch sind die Art. 5 Abs. 1 lit. c, Art. 6 Abs. 1 lit. b und
Art. 7 Abs. 1 Satz 1 lit. b VO/EG 261/2004 (sog. Fluggastrechte-Verordnung) in der Auslegung, wie sie der EuGH in seinem Urteil vom 19.11.2009 dargelegt
hat (Rs. C-402/07 & C-432/07 - Sturgeon u.a./Condor & Böck u.a./Air France -, NJW 2010, 43; seitdem st. Rspr., vgl. zuletzt Urteil vom 26.02.2013, Rs.
C-11/11 - Air France/Folkerts -, NJW 2013, 1291). Danach besteht ein Anspruch von Flugpassagieren auf eine Ausgleichszahlung in der je nach
Flugentfernung gemäß Art. 7 Abs. 1 Satz 1 der Fluggastrechte-Verordnung zu bestimmenden Höhe, wenn die Flugpassagiere wegen eines verspäteten Flugs
einen Zeitverlust von drei Stunden oder mehr erleiden, d.h. wenn sie ihr Endziel nicht früher als drei Stunden nach der von dem Luftfahrtunternehmen
ursprünglich geplanten Ankunftszeit erreichen. Maßgeblich für das Bestehen des Anspruchs ist insoweit allein die tatsächliche Ankunftsverspätung von drei
Stunden oder mehr, wohingegen eine Abflugverspätung von drei Stunden oder mehr i.S.v. Art. 6 Abs. 1 lit. b der Fluggastrechte-Verordnung dann nicht zu
einem Anspruch auf Ausgleichszahlung führt, wenn die Ankunftsverspätung des Flugs unter drei Stunden liegt (EuGH, Urteil vom 26.02.2013, a.a.O., 1292).
Die vorgenannten Voraussetzungen liegen nicht vor. Denn die tatsächliche Ankunftsverspätung betrug bei dem streitgegenständlichen Flug nur 2
Stunden und 57 Minuten.
a. Der Begriff der „Ankunftszeit" wird in der Fluggastrechte-Verordnung nicht definiert. Denkbar sind in diesem Zusammenhang zahlreiche
Auslegungsmöglichkeiten. Frühestmöglicher Ankunftszeitpunkt kann der sog. „Touchdown" sein, also der Zeitpunkt, in dem das Flugzeug zum ersten Mal den
Boden des Flughafens berührt (Variante 1). In diesem Zusammenhang bestehen wiederum zwei Varianten, nämlich zum einen der allererste Bodenkontakt der
Räder, die sich in der Regel unterhalb der Tragflächen befinden (Variante 1a), zum anderen der Zeitpunkt des Kontakts sämtlicher Räder einschließlich des
Bugrads (Variante 1b). Ein weiterer möglicher Ankunftszeitpunkt ist der Moment, in dem das Flugzeug den Abbremsvorgang nach dem Touchdown beendet
und nur noch mit gleichmäßiger Geschwindigkeit zu seiner vorgesehenen Parkposition rollt (Variante 2). Nächstmöglicher Zeitpunkt ist anschließend das
Erreichen der Parkposition (sog. „On-Block"-Zeit) auf dem Flughafen, in der das Flugzeug nicht mehr bewegt wird (Variante 3). Zwei weitere denkbare
Zeitpunkte sind die Öffnung der Flugzeugtür, womit den Passagieren erstmals der Ausstieg aus dem Flugzeug ermöglicht wird (Variante 4), und anschließend
das tatsächliche Verlassen des Flugzeugs durch den Passagier (Variante 5). Letztmöglicher Zeitpunkt der Ankunft ist der Moment, in dem die Passagiere das
Flughafengebäude betreten (Variante 6), wobei auch hier wiederum drei Varianten bestehen. Zum einen können die Passagiere das Flugzeug über eine
Zugangsbrücke verlassen, die direkt an das Flughafengebäude gekoppelt ist (Variante 6a), zum zweiten kann ein kurzer Fußweg von einer an das Flugzeug
gestellten Zugangstreppe über das Flughafenvorfeld bis zum Flughafengebäude nötig sein (Variante 6b), und zum dritten kann es erforderlich sein, dass die
Passagiere zunächst mit einem Bus von einem auf einer Außenposition geparkten Flugzeug bis zum Flughafengebäude transportiert werden (Variante 6c).
b. Die Fluggastrechte-Verordnung enthält neben dem Begriff der „planmäßigen Ankunftszeit" keine weiteren unmittelbaren Anhaltspunkte für dessen
Auslegung. Denn auch die damit im Zusammenhang stehenden Begriffe „Flug" und „Abflug" werden in den Begriffsbestimmungen in Art. 2 der Verordnung
nicht definiert. Maßgeblich für eine sinnvolle Auslegung muss deshalb sein, dass der Zeitpunkt der Ankunft eindeutig aus technischer Sicht bestimmbar ist und
dass der Wortlaut durch die Bestimmung eines solchen Zeitpunkts eine seinem gewöhnlichen Wortsinn entsprechende Deutung erhält (vgl. zu letzterem EuGH,
Urteil vom 31.01.2013 - Rs. C-12/11 [McDonagh/Ryanair] -, NJW 2013, 921, 922; BG Salzburg, Urteil vom 26.11.2012 - 17 C 861/12y-16 -, RRa 2013, 154,
155). Bei der Auslegung sind auch der Kontext der Fluggastrechte-Verordnung, die aus den Präambel-Erwägungen ersichtlichen Beweggründe für ihren Erlass
und das vom europäischen Verordnungsgeber beabsichtigte Schutzniveau zu berücksichtigen (BGH, Urteil vom 21.08.2012 - X ZR 146/11 -, juris Rn. 11 m.w.N.)
c. Nach Auffassung des erkennenden Gerichts ist als Ankunftszeit die oben unter Buchstabe a. erläuterte Variante 3 maßgeblich, nämlich das Erreichen der
Parkposition. Allein dieser Zeitpunkt ist aus technischer Sicht eindeutig bestimmbar, kann aufgrund des vollständigen Stillstands des Flugzeugs auch im
Wortsinn als „Ankunft" verstanden werden und liegt maßgeblich in der Verantwortlichkeit des den Flug ausführenden Luftfahrtunternehmens. Demgegenüber
sind die weiteren dargelegten Varianten nicht für eine hinreichend bestimmte Ankunftszeit geeignet, die in der Verantwortung des Luftfahrtunternehmens liegt.
i. Der unter Variante 3 beschriebene Zeitpunkt des Erreichens der Parkposition, also der Moment des tatsächlichen Stillstands des Flugzeugs, ist
gleichbedeutend mit dessen Ankunft. „Ankunft" bedeutet seinem Wortsinn nach das Ankommen an einem bestimmten Ort, nachdem man zuvor unterwegs war.
Die Ankunft nach einer Flugreise erfolgt demnach durch Erreichen des Zielflughafens, denn dieser Ort wird bei der Buchung einer Flugreise als Reiseziel
angegeben, wie sich auch aus der Definition des Begriffs „Endziel" in Art. 2 lit. h der Fluggastrechte-Verordnung ergibt. Das Erreichen der Parkposition ist
auch technisch genau bestimmbar. Denn die Beklagte hat insoweit vorgetragen, dass die Zeitpunkte und Daten, die in dem als Anlage B1 (Bl. 18 d.A.)
eingereichten Auszug aus dem Flugdatenprogramm der Beklagten aufgezeichnet werden, automatisch übermittelt werden und dass dies aufgrund behördlicher
Vorgaben erfolgt. Dieses Vorbringen hat die Klägerin nicht bestritten, weshalb es gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden anzusehen ist. Ergänzend kann
insoweit der von der Europäischen Kommission erstellte Änderungsvorschlag zur Fluggastrechte-Verordnung (Kommission, COM(2013) 130 final - 2013/0072
(COD) vom 13.03.2013; abrufbar unter: <http://eur-lex.europa.eu/de/index.htm>) herangezogen werden, wonach bei den Begriffsbestimmungen ein neuer Art.
2 lit. v eingefügt werden soll mit dem Wortlaut:
„„Ankunftszeit" der Zeitpunkt, zu dem das Luftfahrzeug seine Ankunftsposition erreicht und die Parkbremsen gesetzt wurden (In-Block-Zeit);".
Auch diese vorgeschlagene Definition zeigt, dass der endgültige Stillstand des Flugzeugs nach der Flug- und anschließenden Rollbewegung auf der Landebahn
und dem Vorfeld des Zielflughafens der einzige sinnvoll und exakt bestimmbare Zeitpunkt der Ankunft eines Flugzeugs ist (so im Ergebnis auch AG
Rüsselsheim, Urteil vom 20.07.2011 - 3 C 739/11 (36) -, RRa 2011, 295).
ii. Dagegen sind die in den weiteren Varianten beschriebenen Zeitpunkte nicht für eine exakte Definition des Begriffs „Ankunftszeit" geeignet.
(1) Der unter Variante 1 beschriebene Zeitpunkt des erstmaligen Aufsetzens des Flugzeugs mit einem oder allen Rädern ist ungeeignet. Zwar wird dieser
Zeitpunkt nach dem unbestrittenen Vortrag der Beklagten ebenfalls automatisch aufgezeichnet und wäre somit technisch bestimmbar. In diesem
Zusammenhang muss nicht geklärt werden, ob die Flugdatenprogramme der Luftfahrtunternehmen den Zeitpunkt der Variante 1a oder der Variante 1b
aufzeichnen. Denn jedenfalls ist das Aufsetzen des Flugzeugs schon nicht mit der Ankunftszeit des Flugs gleichzusetzen, weil der Flug in diesem Moment noch
nicht beendet ist. Zur Landung eines Flugzeugs ist es aufgrund von dessen hoher Landegeschwindigkeit zwangsläufig notwendig, dass das Flugzeug nach dem
Aufsetzen abbremst. Solange sich das Flugzeug im Bremsvorgang befindet, fliegt es zwar nicht mehr im eigentlichen Wortsinn, doch ist dieser Bremsvorgang
ein unumgänglicher Bestandteil der Beendigung des eigentlichen Flugs. Der Touchdown selbst bewirkt deshalb noch nicht die Ankunft des Flugzeugs (so im
Ergebnis auch BG Salzburg, a.a.O., 156).
(2) Der unter Variante 2 beschriebene Zeitpunkt des gleichmäßigen Rollens des Flugzeugs nach Beendigung des Abbremsens ist ebenfalls ungeeignet.
Abgesehen davon, dass dieser Zeitpunkt nach dem Vortrag der Beklagten technisch gar nicht erfasst wird und sein genauer Eintritt damit wohl kaum jemals
sicher geklärt werden könnte, ist das Abstellen auf diesen Zeitpunkt nach dem Sinn und Zweck der Fluggastrechte-Verordnung jedenfalls unbillig. Denn gemäß
der Absätze 1 und 2 der Präambel der Verordnung soll für Fluggäste ein hohes Schutzniveau wegen der u.a. durch Verspätungen von Flügen verursachten
Unannehmlichkeiten sichergestellt werden. Dem würde es widersprechen, wenn das Vorliegen einer Ankunftsverspätung davon abhängig gemacht würde, wie
lange der Rollweg eines Flugzeugs nach dem Abbremsen wäre. Denn es ist allgemein bekannt, dass Flughäfen unterschiedlich groß sind und es gerade auf
großen Drehkreuz-Flughäfen wie beispielsweise Frankfurt am Main oder München auch nach dem Abbremsen teilweise mehrere Minuten dauern kann, bis die
Bodenfahrt des Flugzeugs mit dem Erreichen der vom Flughafen vorgesehenen Parkposition beendet ist (ähnlich BG Salzburg, a.a.O., 156). Da diese
Parkpositionen allein von den jeweiligen Flughafenbetreibern zugeteilt werden, wäre es vom Zufall abhängig, ob ein Flugzeug nach dem Abbiegen von der
Landebahn eine Parkposition in unmittelbarer Nähe hat oder beispielsweise noch eine längere Strecke wegen einer etwa erforderlichen Umfahrung des
Flughafengebäudes zurücklegen muss.
(3) Der unter Variante 4 beschriebene Zeitpunkt der Öffnung der Flugzeugtür(en) ist ebenfalls nicht geeignet. Denn wie die Beklagte unbestritten vorgetragen
hat und im Übrigen auch allgemein bekannt ist, muss vor dem Öffnen der Flugzeugtür(en) zunächst von außen sichergestellt werden, dass ein gefahrloses
Verlassen des Flugzeugs möglich ist. Dies geschieht entweder durch das Andocken von Zugangsbrücken, mit denen eine direkte Verbindung zwischen
Flugzeug und Flughafengebäude hergestellt wird, oder durch das Andocken von Zugangstreppen, auf denen die Passagiere das Flugzeug in Richtung des
Vorfelds verlassen können. Beide Vorgänge liegen jedoch nicht im Verantwortungsbereich des jeweiligen Luftfahrtunternehmens, sondern allein in dem des
Flughafenbetreibers. Entstehen in dessen Verantwortungsbereich Verzögerungen, aufgrund derer die Öffnung der Flugzeugtüren erst erhebliche Zeit nach dem
Erreichen der Parkposition möglich ist, können diese Verzögerungen dem Luftfahrtunternehmen nicht dergestalt zugerechnet werden, dass diese Verzögerung
maßgeblich für das Entstehen einer Ankunftsverspätung sein kann. Zwar zeigt die Bestimmung des Art. 13 der Fluggastrechte-Verordnung, dass der
europäische Verordnungsgeber grundsätzlich von der Möglichkeit ausging, dass Dritte für Umstände verantwortlich sein können, die für die
Luftfahrtunternehmen Pflichten nach der Fluggastrechte-Verordnung begründen. Eine Zurechnung des Verhaltens Dritter zu Lasten der Luftfahrunternehmen ist
grundsätzlich auch gemäß § 278 Satz 1 BGB möglich, wobei an dieser Stelle offen bleiben kann, ob in dem streitgegenständlichen Fall eines Anspruchs auf
Ausgleichszahlung nach Art. 7 Abs. 1 der Fluggastrechte-Verordnung eine Zurechnung möglicherweise deshalb ausgeschlossen wäre, weil dieser Anspruch
nicht als Schadensersatzanspruch zu qualifizieren ist (vgl. dazu AG Charlottenburg, Urteil vom 17.01.2014 - 234 C 237/13 -, juris Rn. 16 m.w.N.). Denn
jedenfalls sind Verzögerungen aus der Sphäre des Flughafenbetreibers dem Luftfahrtunternehmen im konkreten Fall der Bestimmung des Ankunftszeitpunkts
deshalb nicht zuzurechnen, weil dies entgegen der Intention des europäischen Verordnungsgebers zu einer uferlosen Ausdehnung der Ausgleichsansprüche aus
Art. 7 Abs. 1 der Fluggastrechte-Verordnung führen würde. Aus den gesamten Erwägungen in der Präambel der Verordnung ergibt sich, dass der
Verordnungsgeber mit der Verordnung allein die Luftfahrtunternehmen und die Stärkung der Passagierrechte gegenüber diesen Unternehmen im Blick hatte.
Umstände, die aus deren Verantwortungsbereich herrühren, sollten durch das Pflichten- und Sanktionssystem der Verordnung unterbunden oder zumindest
minimiert werden. Rechte und Pflichten gegenüber bzw. von Flughafenbetreibern werden indes an keiner Stelle der Fluggastrechte-Verordnung normiert;
Flughafenbetreiber werden nicht einmal erwähnt. Würde man Verzögerungen, die allein aus dem Betriebsablauf des Flughafens herrühren, in den
Anwendungsbereich der Tatbestandsvoraussetzungen für Passagierrechte gegenüber den Luftfahrtunternehmen mit einbeziehen, würden Flughafenbetreiber
wegen des möglichen Regresses durch die Luftfahrtunternehmen faktisch für die so überhaupt erst entstehenden „Flugverspätungen" haften, obwohl die
Fluggastrechte-Verordnung selbst keine Pflichten der Flughafenbetreiber regelt. Das Gericht geht deshalb im Ergebnis davon aus, dass Verzögerungen, die aus
dem gewöhnlichen Betriebsablauf des Flughafens herrühren, als allgemeines Lebensrisiko hinzunehmen sind und nicht durch eine entsprechende Auslegung
des Begriffs „Ankunftszeit" von der Fluggastrechte-Verordnung erfasst werden (a.A. im Ergebnis BG Salzburg, a.a.O., 156).
Das vorgenannte Ergebnis wird auch durch die folgenden beiden Kontrollüberlegungen gestützt: Erstens kann für die Berechnung der Ankunftsverspätung nur
die Differenz zwischen der tatsächlichen und der geplanten Ankunftszeit maßgeblich sein. Um diese Differenz zu berechnen, müssen die herangezogenen
Zeitpunkte vergleichbar sein, d.h. die jeweiligen Ereignisse dürfen sich nicht voneinander unterscheiden. Der Zeitpunkt der Öffnung der Flugzeugtüren kann
deshalb keine Rolle spielen, denn dieser Zeitpunkt ist dem Luftfahrtunternehmen bei seiner eigenen Planung der Flugzeiten gar nicht bekannt. Bei der Planung
kann vielmehr nur die zu erwartende Flugzeit sowie die auf den jeweiligen Flughäfen zu erwartende Rollzeit von der bzw. bis zur Parkposition kalkuliert
werden. Bei der Ermittlung der tatsächlichen Ankunftszeit darf dann aber nicht der spätere Zeitpunkt der Türöffnung zugrunde gelegt werden, weil dies die
Differenz zwischen zwei unterschiedlichen Ereignissen ist und die berechnete „Flugzeit" faktisch erhöhen würde.
Zweitens müsste - selbst wenn man entgegen der vorgenannten Auffassung davon ausginge, dass der Zeitpunkt der tatsächlichen Türöffnung maßgeblich wäre -
bei wertender Betrachtung dann jedenfalls diejenige Zeit von der Berechnung der Ankunftsverspätung ausgenommen werden, die üblicherweise vergeht, bis die
Flugzeugtüren in der Regel zur Öffnung bereit sind. Denn auch bei planmäßiger Ankunft des Flugzeugs am Flughafen müssten die Fluggäste zunächst einige
Minuten warten, bis die Brücke oder Treppe am Flugzeug angedockt und die Tür damit zum Öffnen freigegeben ist. Diese Zeitspannen wären jedenfalls dann
nicht bei der Berechnung der Verspätung zu berücksichtigen, wenn nach dem verspäteten Erreichen der Parkposition keine außergewöhnlich lange Zeit bis zur
Öffnung der Flugzeugtüren vergeht, was nach Ansicht des Gerichts jedenfalls bei Zeitspannen von bis zu zehn Minuten in der Regel nicht anzunehmen wäre.
(4) Der in Variante 5 genannte Zeitpunkt des Verlassens des Flugzeugs ist ebenfalls nicht zur Bestimmung der Ankunftszeit geeignet, weil dieser Zeitpunkt
zufallsabhängig ist und darüber hinaus erhebliche Manipulationsgefahren birgt. Denn erstens kommt es für das mögliche Verlassen des Flugzeugs maßgeblich
darauf an, in welchem Bereich der jeweilige Passagier platziert ist. Passagiere im vorderen oder - falls eine zweite Tür zum Ausstieg freigegeben ist - im
hinteren Bereich des Flugzeugs könnten dieses deutlich schneller verlassen als diejenigen mit Sitzplatz im Mittelteil. Ferner hätte es jeder Fluggast in der Hand,
die für ihn maßgebliche Ankunftszeit absichtlich hinauszuzögern, beispielsweise indem er bewusst im Flugzeug sitzen bleibt, bis alle anderen Passagiere
ausgestiegen sind, und erst dann das Flugzeug verlässt, obwohl er das Flugzeug aufgrund einer Platzierung in Türnähe auch als einer der Ersten hätte verlassen können.
(5) Schließlich ist auch der unter Variante 6 genannte Zeitpunkt des Betretens des Flughafengebäudes in den beschriebenen Konstellationen a bis c nicht zur
Bestimmung der Ankunftszeit geeignet. Dagegen spricht schon die eben unter Ziffer (4) erläuterte Manipulationsmöglichkeit durch die Passagiere. Des
Weiteren wäre diese Ankunftszeit wegen der für jeden Passagier individuell zu bestimmenden Zeit mit erheblichen Unsicherheiten verbunden. Schließlich ist
der genannte Zeitpunkt auch deshalb nicht maßgeblich, weil aufgrund der verschiedenen Art und Weise, wie die Fluggäste zum Flughafengebäude gelangen
können, ein sehr unterschiedlicher Ankunftszeitpunkt bestehen würde. Auch hier ist jedoch aus den eben unter Ziffer (3) dargelegten Gründen davon
auszugehen, dass Umstände, die aus der Sphäre des Flughafenbetreibers herrühren und auf die das Luftfahrtunternehmen keinerlei Einfluss hat, nicht für die
Berechnung der Verspätung zu berücksichtigen sind. Der Vortrag der Beklagten war hinsichtlich der technischen Aufzeichnung der Ankunftsdaten auch derart
hinreichend substantiiert, dass die Vernehmung des als Zeugen angebotenen Mitarbeiters der Beklagten nicht erforderlich war.
d. Unter Zugrundelegung der vorstehenden Voraussetzungen war der streitgegenständliche Flug nicht um drei Stunden oder mehr verspätet. Das Flugzeug der
Beklagten hat nach deren Vortrag die Parkposition um 10:27 Uhr Ortszeit und damit 2 Stunden und 57 Minuten nach der für 7:30 Uhr geplanten Ankunftszeit
erreicht. Soweit die Klägerin diesen Vortrag mit Nichtwissen bestritten hat, ist dieses Bestreiten gemäß § 138 Abs. 4 ZPO unzulässig und damit nicht zu
berücksichtigen. Denn der tatsächliche Stillstand des Flugzeugs nach der Rollbewegung auf dem Flughafen in Palma de Mallorca war Gegenstand der eigenen
Wahrnehmung der Klägerin als Passagierin dieses Flugzeugs. Ihr muss es deshalb möglich sein, eigene Angaben zum Zeitpunkt des Erreichens der Parkposition
zu machen, wenn sie die Angaben der Beklagten für unzutreffend hält. In diesem Zusammenhang ist unbeachtlich, dass sich Fluggäste in der Regel nicht
minuten- oder gar sekundengenau notieren, wann das Flugzeug auf der Landebahn aufsetzt oder die Parkposition erreicht. Dieses Versäumnis liegt jedoch allein
im Risikobereich der Klägerin, denn wie jeder Gläubiger eines Anspruchs obliegt es ausschließlich ihr selbst, die anspruchsbegründenden Tatsachen vollständig
darzulegen.
Selbst wenn man entgegen der vom Gericht vertretenen Auffassung die Ausstiegszeit aus dem Flugzeug als Zeitpunkt der Ankunft heranzöge, würden die
Umstände des streitgegenständlichen Falls im Ergebnis keine andere Bewertung zulassen. Denn die zwischen dem Erreichen der Parkposition und dem
Ausstieg aus dem Flugzeug vergangene Zeit war nicht derart lang, dass sie für die Berechnung der Verspätung zu berücksichtigen wäre. Zwischen dem
Stillstand des Flugzeugs und dem Erreichen des Flughafengebäudes nach einer zwischenzeitlichen Busfahrt sind nach dem zuletzt erfolgten und deshalb vom
Gericht zu Grunde gelegten Vortrag der Klägerin gerade einmal 13 Minuten vergangen. Rechnet man die Dauer der nach den obigen Erwägungen nicht zu
berücksichtigenden Busfahrt heraus, dürfte die bis zum Ausstieg selbst vergangene Zeit jedenfalls deutlich unter zehn Minuten liegen, da zwischen Ausstieg
und Busabfahrt sowie durch die Busfahrt selbst einige Minuten vergangen sein dürften. Der Ausstieg dauerte demnach nicht so ungewöhnlich lang, dass er bei
der Verspätung mit einzubeziehen wäre, denn auch bei planmäßigem Flugverlauf wäre diese Wartezeit bis zum Ausstieg vergangen.
e. Das Gericht war nicht verpflichtet, das Verfahren auf Antrag der Klägerin auszusetzen und gemäß Art. 267 AEUV dem Europäischen Gerichtshof im Wege
der Vorabentscheidung die Auslegungsfrage vorzulegen, auf welches tatsächliche Ereignis für den in Art. 7 Abs. 1 der Fluggastrechte-Verordnung enthaltenen
Begriff der „planmäßigen Ankunftszeit" abzustellen ist. Eine Vorlagepflicht gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV bestand nicht, da die Entscheidung des erkennenden
Gerichts aufgrund der zugelassenen Berufung noch mit Rechtsmitteln angefochten werden kann. Das den nicht letztinstanzlich entscheidenden nationalen
Gerichten in Art. 267 Abs. 2 AEUV eingeräumte Ermessen zur Vorlage hat das erkennende Gericht nach Prüfung der sich stellenden Auslegungsfrage
dahingehend ausgeübt, dass es von einer Vorlage abgesehen hat, da sich das Gericht im Rahmen des erstinstanzlichen Verfahrens selbst dazu in der Lage sah,
die streitige Auslegung unter Heranziehung der gängigen Auslegungsmethoden vorzunehmen. ..." (AG Charlottenburg, Urteil vom 12.02.2014 - 234 C 260/13)
***
Die Kläger machen gegen die Beklagte Ausgleichsansprüche aus der Fluggastverordnung Nr. 261/2004 geltend. Die Kläger buchten bei der Beklagten eine
Flugreise von Dakar in Senegal nach Hamburg mit einem Zwischenstopp in Brüssel/Belgien für den 12.08.2009. Dabei trat der Kläger zu 1) für seine
minderjährigen Kinder, die Kläger zu 2) und 3), als gesetzlicher Vertreter auf. Der für den 12.08.2009 um 21.50 Uhr geplante Abflug verzögerte sich um über
30 Stunden auf den 14.08.2009 3.00 Uhr nachts. Die Ankunft und Weiterbeförderung verzögerte sich entsprechend. Bereits am 16.08.2009 machte der Kläger
zu 1) entsprechende Ansprüche für die Kläger bei der Beklagten geltend. Die Kläger behaupten, sie hätten die Flugtickets über eine Agentur der Beklagten in
Dakar am 29.07.2009 erworben, ohne dass eine Einbeziehung der AGB der Beklagten erfolgt sei. Die Kläger sind zudem der Auffassung, dass vorliegend
deutsches Recht auf den Vertrag anwendbar sei, zudem stünde belgisches Recht selbst bei Anwendbarkeit desselben einer Verjährung nicht entgegen, da
insoweit das nationale Verjährungsrecht Belgiens durch das vom Senegal und Belgien unterzeichnete Warschauer Abkommen ausgeschlossen sei. Zudem
handele es sich bei den Ausgleichsansprüchen nicht um vertragliche Ansprüche. Die Kläger beantragen, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger zu 1) 600,00
€ nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2009 sowie an den Kläger zu 1) und gemeinsam als gesetzliche Vertreter
der minderjährigen Kläger zu 2) und 3) je 600,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2009 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Die Beklagte behauptet, bei Vertragsschluss seien die AGB der Beklagten einbezogen worden. Hiernach sei auf
den Beförderungsvertrag belgisches Recht anzuwenden. Gleiches ergebe sich auch unter dem Gesichtspunkt der Sachnähe, da die Beklagte ihren Sitz -
unstreitig - in Belgien habe. Ferner ist die Beklagte der Auffassung, dass etwaige Ansprüche nach belgischem Recht verjährt seien, worauf sich die Beklagte
ausdrücklich beruft. Die dortige Verjährungsfrist nach Art. 9 des Belgischen Code de Commerce belaufe sich bei Klagen auf Grundlage von
Beförderungsverträgen auf ein Jahr bei internationalen Transporten.
Ergänzend wird Bezug genommen auf die von den Parteien zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen. ...
Das Amtsgericht Hamburg ist örtlich zuständig, da es sich um einen Flug nach Hamburg gehandelt hat. Auf den Zwischenstopp in Brüssel ist insoweit nicht
abzustellen. Eine solche Klage ist nach Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. \ EuGVVO nach Wahl des Klägers das Gericht des Ortes des Abfluges oder das des Ortes der
Ankunft des Flugzeuges entsprechend der Vereinbarung dieser Orte in dem Vertrag zuständig.
Die Klage ist jedoch nicht begründet. Den Klägern stehen keine Ausgleichsansprüche nach Art. 7 der Verordnung Nr. 261/2004 gegen die Beklagte zu. Die
Ansprüche sind nach dem zugrunde zu legenden belgischen Recht verjährt.
Ausgleichsansprüche aus der Verordnung Nr. 261/2004 unterliegen vorliegend ergänzend belgischem Recht. Vereinbaren die Parteien nichts anderes, unterliegt
der Vertrag dem Sitzrecht des beklagten Luftfahrtunternehmens (vgl. BGH NJW 2011, 2056, Rn. 31 zitiert nach juris). Eine abweichende Rechtswahl ist von
den Parteien vertraglich nicht getroffen worden. Nach Art. 9 des Belgischen Code de Commerce beträgt die Verjährungsfrist für Klagen, die aus einem Vertrag
zur Beförderung von Personen entstehen bei internationalen Beförderungen ein Jahr. Zwar findet der geltend gemachte Anspruch seine Grundlage nicht
unmittelbar in den im Beförderungsvertrag getroffenen vertraglichen Abreden, sondern ist Teil der von der Verordnung zuerkannten gesetzlichen
Mindestrechte. Die vertraglichen Beziehungen zwischen dem Fluggast und dem Luftbeförderungsunternehmen oder einem anderen Unternehmen sind nur
Voraussetzung dafür, dass der Fluggast überhaupt die Mindestrechte nach der Verordnung beanspruchen kann (BGH NJW 2011, 2056, Rn. 33 zitiert nach
juris). Soweit die Verordnung keine Regelungen enthält, wie dies etwa bei den Verjährungsregelungen aber auch einer etwaigen Verzinsung der Fall ist, ist auf
das Vertragsrecht des jeweils maßgeblichen Rechtssystems abzustellen (vgl. BGH NJW 2011, 2056, Rn. 44 zitiert nach juris; EuGH RRa 2013, 17 ff). Die
Verordnung Nr. 261/2004 ist entsprechend dahin auszulegen, dass sich die Frist, innerhalb derer Klagen auf Zahlung der in den Art. 5 bis 7 der Verordnung
vorgesehenen Ausgleichsleistungen erhoben werden müssen, nach den Vorschriften der einzelnen Mitgliedsstaaten über die Klagverjährung bestimmt (EuGH
a.a.O.). Das belgische Recht stellt insoweit auf Ansprüche ab, die aus Transportverträgen hergeleitet werden, dies entspricht jedenfalls der Übersetzung des
Wortes "dérivant". Dies entspricht dem Wortlaut nach einer umfassenden Verjährungsregel im Hinblick auf Ansprüche, die in einem Vertrag ihre Grundlage
haben, wie dies bei den hier vorliegenden Ausgleichsansprüchen der Fall ist. Zudem ist nach der bereits zitierten Rechtsprechung aber auch selbst bei einer
engeren Wortwahl der nationalen Regelung auf das jeweilige Vertragsrecht abzustellen.
Letztlich kommt es auf die Differenzierung zwischen dem Vertragspartner und dem ausführenden Luftfahrtunternehmen bei Ausgleichsansprüchen nach der
Verordnung Nr. 261/2004 nicht an, da die Beklagte nicht nur Vertragspartnerin sondern darüber hinaus auch ausführendes Luftfahrtunternehmen gewesen ist.
Die Kläger können dem nicht entgegenhalten, dass der BGH auf die allgemeinen Regelungen nach § 195 BGB in derartigen Fällen bei der Anwendbarkeit
deutschen Sachrechts abstellt (vgl. BGH NJW 2010, 1526, Rn. 25 zitiert nach juris). Dies ergibt sich bereits aus dem Umstand, dass es keine spezielleren
Regelungen insoweit gibt. Insbesondere das Luftverkehrsgesetz verweist in § 39 lediglich auf die Verjährungsvorschriften für unerlaubte Handlungen des
Bürgerlichen Gesetzbuches. Darüber hinaus gibt es in § 49 a eine Ausschlussfrist, die jedoch auch keine Verjährungsfrist in diesem Sinne darstellt.
Die Regelungen des Montrealer Übereinkommens über etwaige Ausschlussfristen sind im Bereich der Fluggastrechteverordnung weder unmittelbar noch
entsprechend anwendbar (BGH NJW 2010, 1526). Soweit die Kläger auf Art. 29 des Warschauer Abkommens abstellen, vermag sich eine anderweitige
Beurteilung nicht zu ergeben. Danach kann die Klage auf Schadensersatz nur binnen einer Ausschlussfrist von zwei Jahren erhoben werden. Die Frist beginnt
mit dem Tage, an dem das Flugzeug am Bestimmungsort angekommen ist oder an dem es hätte ankommen sollen oder an dem die Beförderung abgebrochen
worden ist (Art. 29 Abs. 1 Warschauer Abkommen). Selbst bei Anwendung des Warschauer Abkommens wäre die erst am 19.11.2011 bei Gericht
eingegangene Klage nicht mehr innerhalb der Klagfrist erfolgt. Im Übrigen ist nach der Rechtsprechung des EuGH davon auszugehen, dass Art. 29 des
Warschauer Abkommens ebenso wie das Montrealer Übereinkommen nicht auf Ansprüche nach den Art. 5 bis 7 der Verordnung Nr. 261/2004 anwendbar sind
(EuGH a.a.O., Rn. 29 zitiert nach juris). ..." (AG Hamburg, Urteil vom 21.08.2013 - 8a C 386/12)
***
Die Klägerseite hat einen Anspruch auf Leistung von Ausgleichszahlungen in der geltend gemachten Höhe aus eigenem und abgetretenem Recht gemäß Art. 7
Abs. 1 lit. c), Art. 6 Abs. 1 VO, § 398 BGB.
Es bleibt unerheblich, dass die Beklagte mit Nichtwissen bestritten hat, dass die Klägerseite über eine bestätigte Buchung verfügt hat. Ein Bestreiten mit
Nichtwissen ist unzulässig, da eine bestätigte Buchung durch die Beklagte Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung (bzw. ihrer Mitarbeiter) gewesen ist und die
Beklagte hiervon Kenntnis haben muss (hierzu Zöller, ZPO, 28 Aufl., § 138, Rn. 14). Es hätte der Beklagten - insbesondere in Ansehung der im Verfahren
vorgelegten Unterlagen - oblegen, qualifiziert zu bestreiten, dass die Klägerseite einen Flug bei der Beklagten gebucht hatte und sie deshalb nicht im Besitz
einer bestätigten Buchung ist; dies ist jedoch nicht geschehen. Dem steht auch nicht entgegen, dass die Beklagte lediglich über den Vor- und Nachnamen der
Klägerseite verfügte. Die Beklagte führt gerichtsbekannt bei jedem Check-In eine Identitätsprüfung ihrer Fluggäste durch und muss daher wissen, wer mit ihrer
Maschine geflogen ist bzw. eingecheckt hat und wer nicht.
Es kann auch dahinstehen, ob der Flug tatsächlich mit einem Flugzeug durchgeführt worden ist, welches nicht unter dem Luftverkehrsbetreiberzeugnis der
Beklagten, sondern von einem anderen Luftfahrtunternehmen betrieben wurde, und es an einer entsprechenden Außenhautbemalung fehlte. Die Beklagte ist in
jedem Fall als ausführendes Luftfahrtunternehmen im Sinne der Art. 5, 6 und 7 VO zu betrachten.
Die Definition eines ‚ausführenden Luftfahrtunternehmens' folgt aus Art. 2 lit. b) VO. Diesbezüglich ist allerdings zu beachten, dass für die Fälle bloßer
Flugverspätungen ersichtlich allein die erste Alternative (‚durchführt') vorgesehen war und die zweite Alternative (‚durchzuführen beabsichtigt') allein Fälle
von Flugannullierungen umfassen sollte. Von einer Anwendbarkeit der zweiten Alternative (‚durchzuführen beabsichtigt') auch auf Verspätungsfälle kann
hiernach nicht ohne Weiteres ausgegangen werden, da anderenfalls die erste Alternative keinen Anwendungsbereich mehr hätte, sondern letztlich ausgehöhlt würde.
Auf diese Differenzierung kommt es vorliegend indes im Ergebnis nicht an, da die Beklagte letztlich sowohl nach dem klägerischen Vortrag als auch nach
ihrem eigenen Vortrag zur Zahlung von Ausgleichleistungen verpflichtet wäre.
Wird die Richtigkeit des klägerischen Vorbringens unterstellt, nach dem die Beklagte den Flug tatsächlich selbst (und unter eigenem
Luftverkehrsbetreiberzeugnis) durchgeführt hat, folgt hieraus eine Haftung der Beklagten analog Art. 7 Abs. 1 lit. c), Art. 6 Abs. 1 VO wegen Flugverspätung.
Die Beklagte wäre hiernach ausführendes Luftfahrtunternehmen des betroffenen Fluges im Sinne des Art. 2 lit. b) VO gewesen. Nach den Entscheidungen des
Europäischen Gerichtshofs vom 19.11.2009, 23.10.2012 und 26.02.2013 (Aktenzeichen C-402/07, C-432/07, C-581/10, C-629/10 und C-11/11) sowie des
Bundesgerichtshofs vom 18.02.2010 (Aktenzeichen Xa ZR 95/06) sind die Art. 5, 6 und 7 VO dahin auszulegen, dass die Fluggäste verspäteter Flüge im
Hinblick auf die Anwendung des Ausgleichsanspruchs den Fluggästen annullierter Flüge gleichzustellen sind, wenn sie wegen eines verspäteten Fluges einen
Zeitverlust von 3 h oder mehr erleiden, ihr Ziel also nicht früher als 3 h nach der von dem Luftfahrtunternehmen ursprünglich geplanten Ankunftszeit erreichen.
Die Klägerseite kann die Ausgleichszahlung beanspruchen, da sie ihr Ziel später als 3 h nach der geplanten Ankunftszeit erreicht hat.
Unterstellt man indessen die Richtigkeit des Beklagtenvortrags, nach dem die Fluggäste mit einer Maschine der Thomas Cook UK Airlines transportiert worden
seien, die keinen Schriftzug der Beklagten auf der Außenhülle getragen habe, so folgt hieraus im Ergebnis ebenfalls eine Haftung der Beklagten - dann
allerdings gemäß Art. 7 Abs. 1 lit. c), Art. 6 Abs. 1 VO in direkter Anwendung wegen Flugannullierung. Sollte nämlich tatsächlich nicht die Beklagte, sondern
ein anderes Luftfahrtunternehmen die Fluggäste transportiert haben, so liegt faktisch eine Annullierung des geplanten Fluges im Sinne des Art. 5, Art. 2 lit. I)
VO vor, da jedenfalls die Beklagte den Flug nicht wie geplant durchgeführt hat und eine Ersatzbeförderung nicht in den zeitlichen Grenzen des Art. 5 Abs. 1 lit.
c) iii) VO erfolgt ist.
Bezüglich des ursprünglich geplanten und dann faktisch annullierten Fluges ist die Beklagte vorliegend ausführendes Luftfahrtunternehmen gemäß Art. 2 lit. b)
2. Alternative VO, da sie unstreitig - und dies ergibt sich auch zwanglos aus den klägerseits vorgelegten Reiseunterlagen und der Verspätungsbestätigung, die
stets auf die Beklagte und eine von dieser geführten ‚DE'- Flugnummer verweisen - jedenfalls beabsichtigt hatte, diesen Flug durchzuführen.
Die klägerischen Ansprüche sind auch nicht teilweise erfüllt. Die Beklagte hat der Klägerin einen Verrechnungsscheck übersandt, der jedoch unstreitig nicht
eingelöst wurde. Eine Erfüllung bzw. die Erlangung eines anrechenbaren Vorteils tritt jedoch erst mit der Einlösung des Schecks - dieser ist eine Leistung
erfüllungshalber - ein.
Auch eine Verurteilung Zug um Zug gegen Herausgabe des von der Beklagten übersandten Schecks ist nicht geboten. Die Klägerin kann den ihr überlassenen
Scheck bereits seit geraumer Zeit nicht mehr einlösen, § 29 ScheckG.
Eine Anrechnung etwaiger Zahlungen eines Reiseveranstalters nach Art. 12 VO ist nicht durchzuführen. Der diesbezügliche Vortrag der Beklagten ist
unsubstantiiert. Der Vortrag der Beklagten erfolgt ersichtlich ins Blaue hinein und ist nicht zu berücksichtigen, da überhaupt keine konkreten Anhaltspunkte für
solche Zahlungen mitgeteilt werden.
Der Zinsanspruch ist begründet gemäß §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286, 288 Abs. 1 BGB ab dem 24.04.2012; zu diesem Zeitpunkt hat die Beklagte erstmals weitere
Zahlungen ausdrücklich abgelehnt.
Die Klägerseite kann auch Ersatz der vorgerichtlichen Anwaltskosten in angemessener Höhe als Verzugsschaden verlangen, §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 BGB.
Bei Beauftragung der Prozessbevollmächtigten der Klägerseite war die Beklagte mit der Leistung der Ausgleichszahlungen bereits im Verzug. Die
Ausgleichszahlungen waren unmittelbar fällig; der Verzug ist mit spätestens mit der Ablehnung der Ansprüche durch die Beklagte am 24.04.2012 eingetreten.
Ein Verschulden der Beklagten am Verzug wird vermutet, § 286 Abs. 4 BGB.
Die Klägerseite kann den Ersatzanspruch im Hinblick auf die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten jedenfalls im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft
geltend machen. Inhaberin der Erstattungsansprüche ist nach § 86 VVG die Rechtschutzversicherung der Klägerseite. Diese und die Klägerseite haben jeweils
ein schutzwürdiges rechtliches Interesse an der Prozessführung. Die Beklagte ist durch die Prozessführung im Rahmen gewillkürter Prozessstandschaft auch
nicht unzumutbar in ihren schutzwürdigen Belangen beeinträchtigt. Die klägerische Rechtschutzversicherung hat die Klägerseite mit Schreiben vom 07.09.2012
ausdrücklich zur Prozessführung im eigenen Namen ermächtigt. Soweit die Beklagte bezüglich der vorgerichtlichen Rechtsverfolgung pauschal einen ‚Schaden'
auf Klägerseite bestreitet, ist dieses Bestreiten angesichts des dezidierten Klägervortrags und des vorgelegten Schreibens der Rechtschutzversicherung
jedenfalls unsubstantiiert.
Es kann dahinstehen, ob seitens des Prozessbevollmächtigten der Klägerseite eine ordnungsgemäße Rechnungsstellung erfolgt ist. Die Rechnungsstellung nach
§ 10 Abs. 1 RVG ist nur für die Einforderbarkeit der Vergütung im Verhältnis zwischen Rechtsanwalt und Mandanten maßgeblich und ohne Bedeutung für die
Fälligkeit des Anspruchs - insbesondere im Hinblick auf einen materiellrechtlichen Kostenerstattungsanspruch (OLG München, Az. 10 U 2476/06, Beschluss
vom 19.07.2006). Wie sich aus § 10 Abs. 3 RVG ergibt, steht eine fehlende Rechnungsstellung einem materiellrechtlichen Anspruch des Rechtsanwalts nicht
entgegen; dieser entsteht bereits mit dem ersten Tätigwerden des Anwalts und wird gemäß § 8 Abs. 1 S. 1 RVG mit der Erledigung des Auftrags oder der
Beendigung der Angelegenheit - unabhängig von einer Rechnungsstellung - fällig.
Unerheblich ist schließlich auch, dass die Beklagte die Ansprüche der Klägerseite vorgerichtlich bereits abgelehnt hatte. Nach Auffassung des erkennenden
Gerichts war die Beauftragung des Prozessbevollmächtigten durch die Klägerin aus ex-ante-Sicht zweckmäßig und nicht schlechterdings aussichtslos, da nach
allgemeinen Erfahrungssätzen die vorgerichtliche Beauftragung eines Rechtsanwalts auch dann erfolgversprechend ist, wenn die Gegenseite geltend gemachte
Ansprüche bereits abgelehnt hatte.
Eine Anrechnung der Ausgleichsansprüche auf die Rechtsanwaltskosten findet nicht statt, da diese nur im Hinblick auf weitergehende Schadensersatzansprüche
in Betracht kommt, die ihre Ursache ebenfalls in der Flugverspätung haben. Grundlage des Ersatzanspruchs im Hinblick auf die Rechtsverfolgungskosten ist
allerdings der eingetretene Verzug der Beklagten und nicht die Flugverspätung selbst.
Die Zinsen bezüglich der Nebenforderung ergeben sich aus §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286, 288 Abs. 1 BGB.
Eine Aussetzung des Verfahrens nach § 148 ZPO ist nicht geboten. Eine Aussetzung des Verfahrens nach § 148 ZPO ist nur im Falle eines anderen anhängigen
Rechtsstreits oder einer anstehenden Entscheidung einer Verwaltungsbehörde zulässig. Ein anderer Rechtsstreit, der für den vorliegenden vorgreiflich ist, liegt
nicht vor. Der Umstand, dass eine reine Rechtsfrage in einem anderen Verfahren zu erörtern ist, reicht für eine Aussetzung nach § 148 ZPO nicht aus. Auch
eine analoge Anwendung der Vorschrift ist nicht zulässig (so auch die Auffassung des Landgerichts Darmstadt, Beschluss vom 05.12.2011, Az. 5 T 597/11).
Soweit die Zinsforderung vom 10.04.2012 bis zum 23.04.2012 betroffen ist, ist die Klage unbegründet, da die Beklagte sich vor dem 24.04.2012, an dem sie
die klägerischen Ansprüche erstmals ablehnte, nicht im Verzug befunden hat, Klägerseits wurde der Beklagten zuvor eine Zahlungsfrist bis zum 30.04.2012
gesetzt. ..." (AG Rüsselsheim, Urteil vom 11.04. 2013 - 3 C 3406/12 (33))
***
„... Ein Ausgleichsanspruch des Klägers i.H.v. 600,00 Euro aus Art. 5 Abs. 1 c) i.V.m. Art. 7 Abs. 1 c) der Verordnung scheidet bereits aufgrund fehlender
Passivlegitimation der Beklagten aus.
Gemäß Art. 5 Abs. 1 c)/ Art. 6 der Verordnung in Verbindung mit der Rechtsprechung des EuGH zur Gleichstellung von Annullierungsfällen und
Nur-Verspätungsfällen, richtet sich der Anspruch gegen "das ausführende Luftfahrtunternehmen". Nach Art. 2 b) der Verordnung ist "ausführendes
Luftfahrtunternehmen" ein Luftfahrtunternehmen, das im Rahmen eines Vertrages mit einem Fluggast oder im Namen einer anderen - juristischen oder
natürlichen - Person, die mit dem betreffenden Fluggast in einer Vertragsbeziehung steht, einen Flug durchführt oder durchzuführen beabsichtigt. Dabei besteht
zurecht Einigkeit darüber, dass grundsätzlich entscheidend ist, welches Unternehmen mit dem von ihm bereitgestellten Flugzeug und Personal die
Beförderungsleistung tatsächlich erbringt und nicht mit welchem Luftfahrtunternehmen der Vertrag über die Flugreise geschlossen wurde (vgl. BGH NJW
2010, S. 1522; Urteil des AG Bremen vom 10.10.2011, AZ: 16 C 89/11). Hintergrund dessen ist, dass das tatsächlich agierende Unternehmen aufgrund seiner
Präsens am Flughafen vor Ort in der Regel am besten dazu in der Lage ist, die Verpflichtungen zu erfüllen, vgl. hierzu BGH NJW 2010, S. 1522.
Ausführendes Luftfahrtunternehmen des verspäteten Fluges Nr. ... ... von Stuttgart nach Z Z war hier die SE AG, die zwar eine 100 %ige Tochtergesellschaft
der Beklagten darstellt, gleichwohl eine selbständige juristische Person ist und somit nicht identisch mit der Beklagten ist.
Vorliegend besteht auch kein Grund hiervon abzuweichen - etwa im Anschluss an eine vom Kläger in seinem Schriftsatz vom 23.09.2012, vgl. Bl. 22 d.GA.
angesprochene Entscheidung des AG Bremen vom 10.10.2011, AZ: 16 C 89/11 - und ausnahmsweise dennoch eine Passivlegitimation der Beklagten
anzunehmen. Entscheidend ist vielmehr, dass "ausführendes Luftfahrtunternnehmen" immer nur ein Unternehmen sein kann, weshalb auch
Eigentumsverhältnisse an dem für den Flug eingesetzten Flugzeug nichts ändern, vgl. etwa BGH NJW 2010, S. 1522 ff. Dass sich Luftfahrtunternehmen der
Praxis des sog. Codesharing bedienen oder wiederum eigene Tochtergesellschaften gründen bzw. ausgliedern und damit Einfluss auf die Durchführung anderer
"ausführender Luftfahrtunternehmen" haben, war dem Verordnungsgeber bei Erlass der Verordnung bekannt, vermag somit an der zu treffenden Bestimmung
des "ausführenden Luftfahrtunternehmens" letztlich nichts zu ändern.
So gehört etwa die Beklagte ihrerseits zum Konzern der De AG und ist Mitglied der St. Diese "Zusammengehörigkeit" hatte möglicherweise im vorliegenden
Fall insoweit für den Kläger Bedeutung, dass er am 23.02.2009 mit einer Maschine der De von F nach H fliegen konnte/musste. Dass bei diesem Flug nicht die
SI AG, die Beklagte, trotz ihrer Zugehörigkeit zum De-Konzern und trotz ursprünglich vom Kläger geplanten Fluges mit der Beklagten nach H nicht
"ausführendes Luftfahrtunternehmen" ist, bietet keinen Anlass zur Diskussion.
Des weiteren hat die Beklagte hier auch nicht bewusst verschleiert wer "ausführendes Luftfahrtunternehmen" des Fluges Stuttgart-Z ist. Zwar mag allein die
Bezeichnung auf der Bordkarte "S" in der Tat nicht hinreichend klar sein zur Bestimmung des "ausführenden Luftfahrtunternehmens", allerdings sind die
Gesamtumstände entscheidend. Insoweit konnte der Kläger sowohl seinem Reiseplan die genaue Bezeichnung des "ausführenden Luftfahrtunternehmens"
entnehmen, als auch vor Ort in Stuttgart konnte er beim Betreten des Flugzeuges erkennen, wer "ausführendes Luftfahrtunternehmen" ist. Letztlich hat auch die
- zwar uneindeutige - Bordkarte jedenfalls nicht suggeriert, die Beklagte sei "ausführendes Luftfahrtunternehmen". Vielmehr erlaubte diese lediglich keine
genauere Bestimmung.
Schließlich vermag auch die mit dem Kläger geführte Korrespondenz, vgl. Bl. 5 d. GA., nichts Gegenteiliges auszusagen. Der hinter diesem in der mündlichen
Verhandlung vom Kläger geäußerte Vortrag stehende Gedanke des widersprüchlichen Verhaltens (venire contra factum proprium) verfängt letztlich nicht, da
auch ein "möglicherweise" gemeinsamer Customer - Servie der SI AG und der SE AG nichts darüber aussagt, wer "ausführendes Luftfahrtunternehmen" im
Sinne der Verordnung ist. Entscheidend hierfür ist - wie bereits näher dargelegt - wer aufgrund seiner Präsenz auf den Flughäfen (hier Stuttgarter Flughafen) am
besten in der Lage ist, die gegenüber den Passagieren bestehenden Verpflichtungen zu erfüllen. Dies ist nach dem Willen des Verordnungsgebers und damit der
richtig passiv Legitimierte das tatsächlich ausführende Luftfahrtunternehmen, hier also nicht die Beklagte.
Unabhängig davon ist hier auch keine große Verspätung zu bejahen, sodass die Rechtsprechung des EuGH zur Gleichstellung von Nur-Verspätungsfällen mit
den in der Verordnung geregelten Annullierungsfällen auch aus diesem Grund von vornherein nicht zur Begründung des vom Kläger begehrten Anspruchs führt.
Die Gleichstellung von Fluggästen verspäteter Flüge mit Fluggästen annullierter Flüge im Hinblick auf einen Ausgleichsanspruch kommt nach der
Rechtsprechung des EuGH erst dann in Betracht, wenn die Fluggäste verspäteter Flüge einen Zeitverlust von 3 Stunden oder mehr erleiden, vgl. EuGH C -
402/07 sowie in den verbundenen Rechtssachen C - 581/10 und C - 629/10.
Vorliegend betrug die Abflugverspätung des Fluges Stuttgart-Z nach dem Klägervortrag nur ca. eine Stunde. Ein Abstellen auf die - ca. 18 Stunden verspätete -
Ankunft des Weiterfluges in H kommt schließlich nach der Verordnung nicht in Betracht.
Entscheidend ist hierbei, was unter dem Begriff "Flug" im Sinne der Verordnung zu verstehen ist. Nach neuerer Rechtsprechung des BGH, vgl. Urteil vom
13.11.2012, AZ: X ZR 14/12 ist von einer autonomen Bestimmung des Begriffs durch die Fluggastrechteverordnung auszugehen. Da diese den Begriff des
"Fluges" nicht legal definiert, muss diese aus dem Sinn und Zweck der Verordnung entwickelt werden. Der BGH weist zutreffend darauf hin, dass die
Verordnung den individuellen Reiseplan des einzelnen Fluggastes nicht in den Blick nimmt, sondern stattdessen die Fluggäste sozusagen als Kollektiv auffasst.
Deutlich wird dies daran, dass von Rechten der Fluggäste (plural) gesprochen wird. Weitergehende Schadensersatzansprüche des Einzelnen schließt die
Verordnung gleichwohl nicht aus, erfasst werden diese Schadensersatzansprüche von der Verordnung aber jedenfalls nicht, vgl. hierzu Art. 12 der Verordnung.
Bei der vom Kläger gewählten Buchungsfolge mit einem Zubringerflug Stuttgart-Z und einem daran anschliessenden Transkontinentalflug Z-H, wobei es die
Beklagte nicht von vorneherein übernommen hatte, bezüglich des Hauptfluges (Z-H ) auf alle gebuchten Passagiere der mehreren Zubringerflüge zum
Drehkreuz Z in deren Verspätungsfällen mit der Konsequenz der Verspätung des Hauptfluges zu warten, zeigt sich, dass gerade dichte Zeitabfolgen bezüglich
der Landung des Zubringerfluges und des Abfluges des Hauptfluges bei nur geringer Verzögerung des Abfluges des Zubringerfluges ( 1 Stunde ) das Erreichen
des Hauptfluges durch den Fluggast verunmöglichen.
Dieses Risiko hat jedoch der Kläger mit der von ihm bzw. des von ihm eingeschalteten Reisebüros Bo, vgl. Schriftsatz des Klägers vom 23.09.2012, Bl. 22 der
GA., selbst auf sich genommen.
Der Vortrag des Klägers bereits in der Klage vom 05.08.2012, wonach bereits durch das Bordpersonal des Fluges ... wahrheitswidrig versichert worden sei, um
Panik zu verhindern, alle Anschlussflüge würden trotz der Verspätung erreicht werden, wirft zwar ein verheerendes Licht auf das Verhalten des Bordpersonals,
vermag jedoch nicht zu einer Zusprechung der begehrten Ausgleichszahlung zu führen.
Die vom Bundesgerichtshof insoweit vorgenommene Auslegung der Verordnung überzeugt. Insbesondere lässt sich hiergegen nicht der Einwand erheben, eine
solche Auslegung widerspreche dem Zweck der Verordnung, einen hohen Schutz der Fluggäste sicherzustellen.
Die Verordnung stellt schließlich kein umfassendes Regelwerk dar, das sämtliche Fälle einer Beeinträchtigung eines Fluggastes als ausgleichwürdig erachtet, in
diesem Sinn auch bereits BGH NJW 2009, S. 2740.
Insbesondere stellt die Verordnung nicht darauf ab, ob ein einheitlicher Buchungsvorgang vorliegt oder - worauf der Kläger etwa in seinem Schriftsatz vom
07.09.2012 abstellt - ein von vornherein von ihm gegenüber der Beklagten geäußertes Interesse (pünktlich) von Stuttgart nach H befördert zu werden.
Ein Ausgleichsanspruch aufgrund einer entsprechenden Anwendung des Art. 5 Abs. 1 c) i.V.m. Art. 7 Abs. 1 c) der Verordnung auf den Fall der
Nur-Verspätung ist somit nicht schlüssig vorgetragen. Es fehlt zum einen an der Passivlegitimation der Beklagten, zum anderen liegt keine hinreichend große
Abflugverspätung vor, die eine Ausdehnung der Ausgleichsansprüche auf Nur-Verspätungsfälle erlaubt.
Dahin stehen kann zur Entscheidung dieses Rechtsstreites somit die nach wie vor aus der Sicht des Amtsgerichts Nürtingen nicht abschließend geklärte Frage,
woher der EuGH die Kompetenz nimmt, bei Nichtvorliegen einer planwidrigen Regelungslücke, gleichwohl eine (entsprechende) Anwendung des Art. 7 der
Verordnung auf Nur-Verspätungsfälle zu bejahen, vgl. zur Problematik bereits ausführlich Urteil des Amtsgerichts Nürtingen vom 27.09.2010, AZ: 11 C
1219/10, das den Parteien bekannt gemacht wurde, vgl. Bl. 10 ff. d. GA. Insoweit hält das AG Nürtingen, Referate 11 C und 46 C, an der im Urteil vom
27.09.2010 dargestellten Rechtsauffassung fest. ..." (AG Nürtingen, Urteil vom 25.01.2013 - 46 C 1399/12)
***
„... Die Parteien streiten um die Zahlung von Ausgleichsansprüchen nach der Verordnung (EG) 261/2004 (nachfolgend ‚VO' genannt) sowie um den Ersatz
vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten.
Die Kläger buchten eine Pauschalreise bei dem Reiseveranstalter ..., in deren Rahmen die Beklagte den Transport von Phuket, Thailand, nach Frankfurt am
Main am 25.11.2009, 9:35 Uhr (Flug DE 2369), durchführen sollte. Für die Flugbeförderung war planmäßig vorgesehen, dass die Maschine zunächst von
Phuket nach Bahrain und von dort um 13:55 Uhr weiter nach Frankfurt am Main fliegen sollte, wo die Ankunft für 18:40 Uhr vorgesehen war. Die Kläger
verfügten für den Flug von Bahrain nach Frankfurt am Main über Sitzplatzreservierungen, für die sie jeweils EUR 15,00 aufgewendet hatten.
Der Flug von Phuket nach Bahrain erfolgte pünktlich. Der Weiterflug von Bahrain nach Frankfurt am Main wurde mit einer Abflugverspätung von
13 h und einer entsprechenden Ankunftsverspätung durchgeführt. Hierbei wurden die Sitzplätze nicht entsprechend den Reservierungen vergeben. Die
Flugentfernung von Bahrain nach Frankfurt am Main betrug über 3500 km.
Die Kläger machten ihre Ansprüche mit Schreiben vom 21.12.2009 außergerichtlich gegenüber Beklagten geltend. Die Beklagte lehnte Ansprüche der Kläger
mit Schreiben vom 10.02.2010 weitestgehend ab, übersandte aber einen Scheck über EUR 120,00, welchen die Kläger nicht eingelösten. Der
Prozessbevollmächtigte der Kläger machte die Ansprüche sodann mit Schreiben vom 08.11.2011 geltend.
Die Kläger behaupten, dass ihnen aus der vorgerichtlichen Rechtsverfolgung ein Schaden in Form ordnungsgemäß abgerechneter Rechtsanwaltsgebühren -
einschließlich einer 0,3 Erhöhungsgebühr nach Nr. 1008 VV-RVG - in Höhe von EUR 185,64 entstanden sei. Die Rechtsschutzversicherung der Kläger habe
diese Gebühr - dies unstreitig - an den Prozessbevollmächtigten der Kläger gezahlt und die Geltendmachung durch die Kläger im eigenen Namen gestattet.
Die Kläger haben zunächst beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie jeweils EUR 615,00 nebst Zinsen zu zahlen und sie von Kosten ihres vorgerichtlichen
tätigen Prozessbevollmächtigten in Höhe von EUR 185,64 freizustellen. Die Kläger beantragen, die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger jeweils EUR 615,00
nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 11.02.2010 zu zahlen, an den Kläger zu 1) EUR 185,64 zu zahlen. Die
Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte erklärt die Anrechnung im Hinblick auf die geltend gemachten Schadensersatzansprüche, auf die vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten, auf
vom Reiseveranstalter etwaig gezahlte Minderungsbeträge sowie auf vorgerichtlich per Scheck zur Verfügung gestellte EUR 120,00 nach Art. 12 VO. Sie
meint, dass es an einer Abflugverspätung fehle, da der Flug in Phuket pünktlich gestartet sei. ...
Die Klägerseite hat einen Anspruch auf Leistung von Ausgleichszahlungen in der geltend gemachten Höhe gemäß Art. 7 Abs. 1 lit. c), Art. 6 Abs. 1
Verordnung (EG) 261/2004 (nachfolgend {‚2}VO' genannt). Nach den Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs vom 19.11.2009 (Aktenzeichen
C-402/07 und C-432/07) sowie des Bundesgerichtshofs vom 18.02.2010 (Aktenzeichen Xa ZR 95/06) sind die Art. 5, 6 und 7 VO dahin auszulegen, dass die
Fluggäste verspäteter Flüge im Hinblick auf die Anwendung des Ausgleichsanspruchs den Fluggästen annullierter Flüge gleichzustellen sind, wenn sie wegen
eines verspäteten Fluges einen Zeitverlust von 3 h oder mehr erleiden, ihr Ziel also nicht früher als 3 h nach der von dem Luftfahrtunternehmen ursprünglich
geplanten Ankunftszeit erreichen. Die Klägerseite kann die Ausgleichszahlung beanspruchen, da sie ihr Ziel später als 3 h nach der geplanten Ankunftszeit
erreicht hat.
Vorliegend ist auch eine erhebliche Abflugverspätung von über 3 h gegeben. Dem steht nicht entgegen, dass Gegenstand der Buchung eine Beförderung von
Phuket nach Frankfurt am Main via Bahrain war und dass der Flug von Phuket nach Bahrain ohne Verspätung gestartet ist. Als {‚2}Flug' im Sinne der VO
ist vorliegend nicht die Reise von Phuket nach Frankfurt am Main via Bahrain, sondern die Beförderung von Phuket nach Frankfurt am Main zu erblicken.
Ein {‚2}Flug' im Sinne der VO ist nicht mit der Flugreise gleichzusetzen, die der jeweilige Fluggast unternimmt. Vielmehr ist unter einem {‚2}Flug' im Sinne
der VO die einzelne {‚2}Einheit' an der Luftbeförderung, die von einem Luftfahrtunternehmen durchgeführt wird, zu verstehen (so auch BGH NJW 2009,
2740 ff., BGH NJW 2009, 2743 ff., EuGH C-173/07, Rz. 32, 40, im Ergebnis wohl auch BGH, Urteil vom 14.10.2010, Xa ZR 15/10, Rz. 32 ff.).
Die VO selbst definiert den Begriff des Fluges nicht. Aus der Verwendung des Begriffes {‚2}Flug' in Art. 2 h) VO wird jedoch deutlich, dass die Verordnung
von einer Segmentierung einer Reise in {‚2}(Erst-)Flug' und {‚2}Anschlussflug' ausgeht. Der Begriff {‚2}Endziel' wird unter ausdrücklicher
Berücksichtigung von {‚2}Anschlussflügen' als Zielort des {‚2}letzten' Fluges definiert, so dass eine Reise mit Endziel begriffsnotwendig in mehrere
{‚2}Flüge' zu zerteilen ist. Dass es bei der Bestimmung eines {‚2}Fluges' im Sinne der VO auf eine identische Flugnummer oder aber den Hintergrund der
Zwischenlandung (Betankung, Zu- oder Ausstieg von Fluggästen etc.) oder darauf ankommt, welches Unternehmen den Flug durchführt, lässt sich der VO nicht
entnehmen.
Nichts anderes ergibt sich auch aus dem allgemeinen Sprachgebrauch, der unter dem Begriff {‚2}Flug' nicht in die gesamte (Hin- oder Rück-)Reise, sondern
den Transport mit einem Fluggerät von Flughafen A nach Flughafen B versteht. Erfolgt hierauf ein Weitertransport von Flughafen B nach Flughafen C, ist
allgemein vom {‚2}Anschluss-‚ bzw. {‚2}Folgeflug' oder auch schlicht vom {‚2}nächsten Flug' die Rede.
Nicht ausschlaggebend für die Bestimmung des Begriffs {‚2}Flug' ist, dass Erst- und Folgeflug hier Teil eines Vertrags waren und gemeinsam gebucht wurden.
Dieser Umstand führt nicht dazu, dass der Erst- und Folgeflug in einem besonders engen und unauflöslichen Verhältnis zueinander stehen (so auch AG
Düsseldorf, Urteil vom 08.04.2008, 23 C 14910/07). Nach den allgemeinen Erfahrungen ist es regelmäßig möglich, die einzelnen Einheiten einer Flugreise
separat oder auch zeitlich versetzt - mit einem längeren Aufenthalt am Ort der Zwischenlandung - zu buchen.
Ein über die Ausgleichsansprüche hinausgehender Schadensersatzanspruch in Höhe von jeweils EUR 15,00 steht den Klägern nicht zu. Von der Beklagten
geschuldeten Ausgleichsansprüche der Kläger sind auf weitergehende Ersatzansprüche nach Art. 12 Abs. 1 S. 2 VO anzurechnen.
Dies führt dazu, dass von den behaupteten Schadenersatzansprüchen die zu erbringenden Ausgleichsleistungen - hier insgesamt EUR 1200,00 - in Abzug zu
bringen sind. Dieser Abzug hat unabhängig davon zu erfolgen, ob die Schadensersatzansprüche die Gesamthöhe der zu gewährenden Ausgleichsleistung
übersteigen. Der in Art. 12 Abs. 1 S. 1 VO verwendete Terminus {‚2}weitergehend' ist nicht betragsmäßig zu verstehen, sondern bezieht sich - wie sich aus den
anderen Sprachfassungen der Verordnung in der Gesamtschau mit S. 2 dieser Vorschrift deutlicher ergibt (englisch: {‚2}further
compensation'/{‚2}compensation granted under this Regulation'; französisch: {‚2}indemnisation complémentaire'/{‚2}L{'1}indemnisation accordée en vertu du
présent règlement'; niederländisch: {‚2}verdere compensatie'/{‚2}van deze verordening toegekende compensatie') - auf einen inhaltlich {‚2}weiteren' und damit
unabhängig von der VO bestehenden Schadenersatz. Entsprechendes gilt im Hinblick auf den vorzunehmenden Abzug, der in der deutschen Sprachfassung
missverständlich als {‚2}Anrechnung' bezeichnet wird, in den anderen Sprachfassungen aber ausdrücklich als Abzug der Ausgleichsleistung vom (inhaltlich)
weitergehenden Schadenersatz benannt ist (englisch: {‚2}be deducted'; französisch: {‚2}etre deduite'; niederländisch: {‚2}in mindering worden gebracht').
Auch aus dem Sinn und Zweck von Art. 12 VO folgt, dass ein Abzug der Ausgleichsleistung vom Schadenersatzanspruch zu erfolgen hat und dass es auf die
{‚2}Richtung' der Anrechnung nicht ankommen kann. Dabei ist hinzunehmen, dass der Abzug der Ausgleichsleistung von einem betragsmäßig geringeren
Schadenersatz gegebenenfalls zu einem negativen Ergebnis kommt; in diesem Fall ist nur die Ausgleichsleistung zu gewähren. Sollte man anders verfahren und
eine Anrechung nach Art. 12 VO nur {‚2}in eine Richtung' bei einem betragsmäßig höheren Schadenersatzanspruch zulassen, wäre es vom bloßen Zufall
abhängig, ob die Anrechnung durchzuführen ist oder nicht; bei einem eingetretenen Schaden von EUR 599,00 würde ein Fluggast diesen Betrag sowie eine
Ausgleichszahlung von EUR 600,00 erhalten und wäre trotz eines geringeren Schadens und entgegen der Zielrichtung der Norm gegenüber dem Fluggast
bevorteilt, der bei einem eingetretenen Schaden von EUR 601,00 aufgrund der durchzuführenden Anrechnung nach Art. 12 VO insgesamt nur diesen Betrag
erhalten würde.
Eine Anrechnung etwaiger Zahlungen des Reiseveranstalters nach Art. 12 VO ist indessen nicht durchzuführen. Der diesbezügliche Vortrag der Beklagten ist
unsubstantiiert. Der Vortrag der Beklagten erfolgt ersichtlich ins Blaue hinein und ist nicht zu berücksichtigen, da überhaupt keine konkreten Anhaltspunkte für
solche Zahlungen mitgeteilt werden. Der übersandte Verrechnungsscheck ist ebenfalls nicht nach Art. 12 VO zu berücksichtigen, da die Kläger dessen
Einlösung abgelehnt haben.
Die Kläger können auch Ersatz der vorgerichtlichen Anwaltskosten in angemessenem Rahmen als Verzugsschaden verlangen, §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 BGB.
Bei Beauftragung des Prozessbevollmächtigten der Klägerseite war die Beklagte mit der Leistung der Ausgleichszahlungen bereits im Verzug. Die
Ausgleichszahlungen waren unmittelbar fällig; der Verzug ist spätestens durch die Ablehnung der Ansprüche durch die Beklagte am 10.02.2010 eingetreten.
Ein Verschulden der Beklagten am Verzug wird vermutet, § 286 Abs. 4 BGB.
Die Klägerseite hat den Ersatzanspruch im Hinblick auf die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten zulässigerweise im Wege der gewillkürten
Prozessstandschaft geltend gemacht. Inhaberin der Erstattungsansprüche ist nach § 86 VVG die ... Rechtsschutzversicherung AG. Diese und die Klägerseite
haben jeweils ein schutzwürdiges rechtliches Interesse an der Prozessführung. Die Beklagte ist durch die Prozessführung im Rahmen gewillkürter
Prozessstandschaft auch nicht unzumutbar in ihren schutzwürdigen Belangen beeinträchtigt. Die ... Rechtsschutzversicherung AG hat den Kläger ausdrücklich
zur Prozessführung im eigenen Namen ermächtigt.
Die geltend gemachten Rechtsanwaltskosten überschreiten allerdings die Kosten einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung und stellen nur teilweise einen
kausalen und adäquaten Verzugsschaden dar. Die Voraussetzungen einer Erhöhung der Geschäftsgebühr um 0,3 nach Nr. 1008 RVG-VV sind nicht gegeben, da
diese voraussetzt, dass der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit für die verschiedenen Auftraggeber derselbe sein muss. Hier liegen verschiedene
Gegenstände vor, da die geltend gemachten Ausgleichsleistungen unabhängig voneinander geschuldet werden. Mit der Bestimmung der Rechtsanwaltsgebühren
auf insgesamt 1,6 Gebühren im vorliegenden Fall wird das billige Ermessen des Rechtsanwalts überschritten. Selbst bei Berücksichtigung des allgemein
anerkannten Toleranzspielraums von 20 % (Mayer/Kroiß, RVG, 2009, § 14, Rn. 54 m. w. N.) ist die Bestimmung der Rechtsanwaltsgebühren vorliegend
überzogen und die Billigkeitsgrenze in der Gesamtabwägung überschritten. Die Frage der Angemessenheit/Billigkeit der festgesetzten Rechtsanwaltsgebühren
konnte das Gericht selbst entscheiden; der Einholung eines Gutachtens der Rechtsanwaltskammer bedurfte es im vorliegenden Rechtsstreit mit einem
erstattungspflichtigen Dritten nicht (so auch OLG Düsseldorf, Az. 1 U 198/07, Urteil vom 10.03.2008; Mayer/Kroiß, RVG, 2009, § 14, Rn. 59 m. w. N.)
Es kann dahinstehen, ob seitens des Prozessbevollmächtigten der Kläger eine ordnungsgemäße Rechnungsstellung erfolgt ist. Die Rechnungsstellung nach § 10
Abs. 1 RVG ist nur für die Einforderbarkeit der Vergütung im Verhältnis zwischen Rechtsanwalt und Mandanten maßgeblich und ohne Bedeutung für die
Fälligkeit des Anspruchs - insbesondere im Hinblick auf einen materiellrechtlichen Kostenerstattungsanspruch (OLG München, Az. 10 U 2476/06, Beschluss
vom 19.07.2006). Wie sich aus § 10 Abs. 3 RVG ergibt, steht eine fehlende Rechnungsstellung einem materiellrechtlichen Anspruch des Rechtsanwalts nicht
entgegen; dieser entsteht bereits mit dem ersten Tätigwerden des Anwalts und wird gemäß § 8 Abs. 1 S. 1 RVG mit der Erledigung des Auftrags oder der
Beendigung der Angelegenheit - unabhängig von einer Rechnungsstellung - fällig.
Eine Anrechnung der Ausgleichsansprüche auf die Rechtsanwaltskosten findet nicht statt, da diese nur im Hinblick auf weitergehende Schadensersatzansprüche
in Betracht kommt, die ihre Ursache ebenfalls in der Flugverspätung haben. Grundlage des Ersatzanspruchs im Hinblick auf die Rechtsverfolgungskosten ist
allerdings der eingetretene Verzug der Beklagten und nicht die Flugverspätung selbst. ..."AG Rüsselsheim, Urteil vom 17.08.2011 - 3 C 374/11 (36)
***
„... Die Klägerseite hat einen Anspruch auf Leistung von Ausgleichszahlungen in der geltend gemachten Höhe gemäß Art. 7 Abs. 1 lit. a), Art. 6 Abs. 1
Verordnung (EG) 261/2004 (nachfolgend "VO" genannt). Nach den Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs vom 19.11.2009 (Aktenzeichen C-402/07
und C-432/07) sowie des Bundesgerichtshofs vom 18.02.2010 (Aktenzeichen Xa ZR 95/06) sind die Art. 5, 6 und 7 VO dahin auszulegen, dass die Fluggäste
verspäteter Flüge im Hinblick auf die Anwendung des Ausgleichsanspruchs den Fluggästen annullierter Flüge gleichzustellen sind, wenn sie wegen eines
verspäteten Fluges einen Zeitverlust von 3 h oder mehr erleiden, ihr Ziel also nicht früher als 3 h nach der von dem Luftfahrtunternehmen ursprünglich
geplanten Ankunftszeit erreichen. Die Klägerseite kann die Ausgleichszahlung beanspruchen, da sie ihr Ziel später als 3 h nach der geplanten Ankunftszeit
erreicht hat.
Vorliegend ist auch eine erhebliche Abflugverspätung von über 3 h gegeben. Dem steht der Umstand nicht entgegen, dass sich das Flugzeug bei Entdecken
einer möglichen Störung der Triebwerke bereits auf dem Weg zur Startbahn befand. Im Rahmen der Ermittlung von Verspätungen sind nach Auffassung des
erkennenden Gerichts grundsätzlich die Zeiten maßgeblich, zu denen das Flugzeug die Parkposition verlässt bzw. dort ankommt ("On-Block- /
Off-Block-Zeiten") - insofern folgt das Gericht dem Vortrag der Beklagtenseite im Hinblick auf die allgemein veröffentlichten und auch im Rahmen der
Slotverteilung verbindlichen Zeiten. Allerdings liegt ein "Abflug" im Sinne des Art. 6 VO - und nur auf diese Regelung kommt es an - nicht schon dann vor,
wenn ein Flugzeug seine Parkposition verlässt. Hierfür ist vielmehr - bereits begriffsnotwendig - erforderlich, dass eine Flug- und nicht nur eine Rollbewegung
stattfindet (so im Ergebnis auch Amtsgericht Rüsselsheim, Urteil vom 21.01.2011, Az. 3 C 1392/10 (31)). Hiernach kann für die Bestimmung eines Abflugs
nur dann auf die Off-Block-Zeit abgestellt werden, wenn das Flugzeug im unmittelbaren zeitlichen Nachgang - ohne dass eine (weitere) Verzögerung durch das
Zutun des ausführenden Luftfahrtunternehmens eintritt - tatsächlich von der Startbahn abhebt und eine Fortbewegung in der Luft stattfindet. Dies ist vorliegend
jedoch nicht rechtzeitig geschehen, der tatsächliche Abflug ist erst ca. 4 Stunden später erfolgt, als die Maschine erneut die Parkposition verließ und dann auch
von der Startbahn abgehoben hat.
Es bleibt auch unerheblich, dass die Beklagte die Nichtvorlage einer bestätigten Buchung gerügt hat. Hier hätte es der Beklagten oblegen, qualifiziert zu
bestreiten, dass die Kläger einen Flug bei der Beklagten gebucht hatten und diese deshalb nicht im Besitz einer bestätigten Buchung sind. Sollte die Beklagte
keine aktuelle Kenntnis darüber gehabt haben, ob ihr Prozessgegner Fluggast gewesen ist, hätte sie den Grund ihrer Unkenntnis darlegen müssen (so auch
Zöller, ZPO, § 139, Rn. 14). Die Beklagte kann sich diesbezüglich auch nicht etwa darauf zurückziehen, dass ihr keine Fluggastlisten mehr vorliegen. Der
Beklagten muss als Luftfahrtunternehmen aus eigener Wahrnehmung bekannt sein, welche Fluggäste sie tatsächlich transportiert hat. Wenn die Beklagte die
Fluggastlisten eines erst wenige Monate zurückliegenden Fluges in Kenntnis der Verspätung und der deswegen drohenden Ansprüche von Fluggästen ohne Not
bereits vernichtet haben sollte, hat sie die hieraus entstehenden prozessualen Nachteile zu tragen.
Der Ausgleichsanspruch ist nicht entsprechend Art. 5 Abs. 3 VO ausgeschlossen; die Verspätung geht nicht auf außergewöhnliche Umstände im Sinne dieser
Vorschrift zurück. Zwar soll nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesgerichtshofs ein Ausgleichsanspruch in entsprechender
Anwendung des Art. 5 Abs. 3 VO entfallen, wenn das Luftfahrtunternehmen nachweisen kann, dass die große Verspätung auf außergewöhnliche Umstände
zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären; solche außergewöhnlichen Umstände
sind vorliegend allerdings nicht gegeben.
Die von der Beklagten behauptete, aber nicht näher konkretisierte und bestätigte, sondern lediglich für möglich befundene Störung der Triebwerke scheidet als
außergewöhnlicher Umstand im Sinne des Art. 5 Abs. 3 VO aus; das diesbezügliche Vorbringen der Beklagten bleibt unerheblich. Bei diesem Fehler handelt es
sich ersichtlich um einen technischen Defekt. Technische Defekte sind indes nicht schlechterdings als außergewöhnliche Umstände zu qualifizieren, die das
Luftfahrtunternehmen von der Verpflichtung zur Zahlung einer Ausgleichsleistung wegen Verspätung oder Annullierung eines Fluges befreien können (a. A.
insb. OLG Köln, Urteil vom 27.5.2010, Az. 7 U 199/09).
In Erwägungsgrund 14 der VO wird erkennbar, dass der Verordnungsgeber bei den haftungsausschließenden außergewöhnlichen Umständen ersichtlich solche
im Blick hatte, die außerhalb der Sphäre des Luftfahrtunternehmens liegen und sich deren Beherrschung entziehen. Technische Probleme des Fluggeräts liegen
indes - von Außeneinwirkungen abgesehen - stets in der besonderen Risikosphäre eines Luftfahrtunternehmens. In Anlehnung an die Entscheidung des
Europäischen Gerichtshofs vom 22.12.2008 (Aktenzeichen C-549/07) kommt ein Ausschluss des Ausgleichsanspruchs wegen technischer Mängel - nicht
zuletzt wegen des sicherzustellenden hohen Schutzniveaus für Fluggäste - nur dann in Betracht, wenn die technischen Probleme auf tatsächlich unbeherrschbare
Vorkommnisse zurückzuführen sind, die nicht Teil der normalen Tätigkeit eines Luftfahrtunternehmens sind - wie beispielsweise versteckte Fabrikationsfehler,
Sabotageakte oder terroristische Handlungen. Maßgeblich ist, ob das zu Grunde liegende Geschehen ein typisches und in Ausübung der betrieblichen Tätigkeit
vorkommendes Ereignis darstellt oder ob es der Beherrschbarkeit der Fluggesellschaft völlig entzogen ist (so im Ergebnis auch die st. Rspr. des Landgerichts
Darmstadt).
Der hier einzig denkbare technische Defekt - nämlich die behauptete mögliche Störung der Triebwerke - fällt in die betriebliche Sphäre der Beklagten und liegt
in deren Verantwortungsbereich. Es ist nicht zu erkennen, inwiefern dieses technische Problem nicht im Rahmen der normalen Tätigkeiten des
Luftfahrtunternehmens aufgetreten sein und seine Ursache auch jenseits der von der Beklagten beherrschbaren Umständen gehabt haben soll. Vor diesem
Hintergrund kommt es nicht darauf an, dass sich die wegen des möglichen technischen Defekts entstandene Verspätung aufgrund der Notwendigkeit der
Bewegung durch einen zunächst nicht vorhandenen Flugzeugschlepper vertieft hat.
Der Klägerseite steht die Ausgleichszahlung in voller Höhe zu. Die Beklagte ist nicht berechtigt, die Ausgleichszahlung nach Art. 7 Abs. 2 VO um 50 % zu
kürzen. Art. 7 Abs. 2 VO ist nicht direkt einschlägig, da diese Vorschrift auf eine anderweitige Beförderung im Sinne des Art. 8 Abs. 1 lit. b), lit. c) VO durch
einen Alternativflug abstellt. Vorliegend wurde aber kein Alternativflug zum Endziel, sondern gerade der ursprünglich geplante Flug durchgeführt. Die direkte
Anwendung des Art. 7 Abs. 2 VO setzt erkennbar eine Nichtbeförderung oder Annullierung voraus; hier liegt indes lediglich eine Verspätung vor.
Eine analoge Anwendung der Berechtigung zur Kürzung der Ausgleichszahlung nach Art. 7 Abs. 2 lit. a) VO für Fälle der Ankunftsverspätung über 3 h
scheidet nach Auffassung des erkennenden Gerichts aus. Dem steht nicht entgegen, dass der Europäische Gerichtshof in der vorgenannten Entscheidung von
einer analogen Anwendbarkeit von Art. 7 Abs. 1 VO für die Fälle einer Flugverspätung von mehr als 3 h am Ankunftsort ausgeht und in diesem
Zusammenhang unter Rz. 63 der genannten Entscheidung - indes ohne vertiefte teleologischen oder systematischen Überlegungen - andeutet, dass auch eine
entsprechende Anwendung des Art. 7 Abs. 2 VO in Betracht gezogen werden kann. Nach den Ausführungen des Gerichtshofs und unter Berücksichtigung der
erforderlichen "großen" Ankunftsverspätung von zumindest 3 h ist eine solche Kürzung überhaupt nur nach Maßgabe von Art. 7 Abs. 2 lit. c) VO denkbar; die
Regelungen nach Art. 7 Abs. 2 lit. a) und b) VO nimmt der Gerichtshof von der Möglichkeit einer Analogie aus.
Aus der Argumentation des Gerichtshofs folgt, dass, wenn man eine Analogie des Art. 7 Abs. 2 VO vornimmt, diese unmittelbar auf die geplante Ankunftszeit
abzustellen hat und nicht auf einen fiktiven "Nullpunkt", der erst 3 h nach der geplanten Ankunftszeit liegt. Dass die Regelungen des Art. 7 Abs. 2 lit. a), lit. b)
VO im Rahmen dieser Analogie, die bereits eine Mindestverspätung von 3 h voraussetzt, faktisch unanwendbar werden, ist Ausfluss der weiten Auslegung der
VO durch den Gerichtshof und nach dessen Auffassung wohl hinzunehmen.
Für die Auffassung, dass die analoge Anwendung des Art. 7 Abs. 2 VO weit vorzunehmen und auf einen anspruchsbegründenden "Nullpunkt" von 3 h ab der
planmäßigen Ankunft abzuheben ist, finden sich weder in der VO noch in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs irgendwelche Anhaltspunkte.
Diese Ansicht überdehnt die ohnedies schon extensive analoge Anwendung des Art. 7 Abs. 1, Abs. 2 VO. Die analoge Anwendung einer Rechtsnorm setzt zum
einen eine planmäßige Regelungslücke voraus und verlangt zum anderen, dass ein zum Gesetz vergleichbarer oder ähnlich gelagerter Fall vorliegt (Palandt,
BGB, 2011, Einl., Rn. 48 m.w.N.). Beides ist vorliegend nicht gegeben. Die Fälle einer alternativen Beförderung (bei Nichtbeförderung oder Flugannullierung)
sind nicht ohne Weiteres mit der lediglich verspätet durchgeführten Beförderung zu vergleichen. Durch das Kürzungsrecht wird das ausführende
Luftfahrtunternehmen für seine (über die ursprüngliche Leistungspflicht hinausgehenden) Bemühungen "belohnt", den Fluggast trotz einer Nichtbeförderung
oder Annullierung zeitnah - nämlich innerhalb von höchstens 2 h - zum Endziel zu befördern. Im vorliegenden Fall hat die Beklagte jedoch weder Leistungen
über ihre ursprüngliche Primärleistungspflicht hinaus erbracht, noch lässt sich davon ausgehen, dass eine Verspätung von über 3 h (ausgehend von der
geplanten Ankunftszeit) als eine geringe Verspätung zu qualifizieren ist, die eine "Belohnung" rechtfertigt.
Aus der Gesamtschau der in der VO enthaltenen Vorschriften ergibt sich überdies nicht, dass die Regelung einer Kürzungsmöglichkeit bei
Ausgleichsansprüchen für Verspätungen ab 3 h (die zu den in Art. 7 Abs. 2 VO genannten Zeiten hinzuzurechnen sind) "versehentlich" unterblieben ist.
Vielmehr lässt sich aus der Verordnung entnehmen, dass ein Ausgleichsanspruch prinzipiell nur in den Fällen einer Nichtbeförderung oder Flugannullierung
geschuldet sein soll; folgerichtig sollte auch die Kürzungsmöglichkeit nach dem Willen des Verordnungsgebers nur in diesen Fällen gelten. Eine extensive
analoge Anwendung des Art. 7 Abs. 2 lit. a) VO scheitert nicht zuletzt daran, dass diese Regelung nach ihrem Wortlaut und der Systematik der VO einen
Ausnahmecharakter hat; bereits dieser Ausnahmecharakter steht der Annahme einer planwidrigen Regelungslücke für Verspätungsfälle ab 3 h entgegen.
Schließlich spricht auch die Billigkeit nicht für eine extensive analoge Anwendung des Art. 7 Abs. 2 VO. In Verspätungsfällen ist das ausführende
Luftfahrtunternehmen - anders als in den Fällen der Nichtbeförderung oder Annullierung - bereits von Gesetzes wegen verpflichtet, alle zumutbaren
Maßnahmen zu ergreifen, um die Verspätungsdauer möglichst kurz zu halten. Eines zusätzlichen finanziellen Anreizes bedarf es nicht. So ergibt sich bereits
aus Art. 5 Abs. 3 VO, dass ein Wegfall des Ausgleichsanspruchs nur dann in Betracht kommt, wenn das ausführende Luftfahrtunternehmen - auch bei
Vorliegen außergewöhnlicher Umstände - alle zumutbaren Maßnahmen ergreift, eine weitere Verspätung zu verhindern. Überdies sieht sich das ausführende
Luftfahrtunternehmen bei fortdauernden Verspätungen weiteren Ansprüchen nach Art. 9 VO (oder entsprechenden Ersatzansprüchen wegen Nichterfüllung)
oder aber weiteren Ersatzansprüchen ausgesetzt, die über eine Anrechnung nach Art. 12 VO hinausgehen.
Ein Anspruch der Kläger auf Ersatz der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten besteht indessen nicht. Den Klägern ist kein Schaden entstanden. Die Beklagte
hat bestritten, dass die Kläger die vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren gezahlt haben; dennoch haben die Kläger hierzu nicht vorgetragen und sind
beweisfällig geblieben. Ein Schaden folgt auch nicht daraus, dass die Kläger wegen der vorgerichtlichen Leistungen ihrer Rechtsanwältin möglicherweise mit
einer Verbindlichkeit belastet worden sind. Dies kann - ohne eine Verweigerung des Schuldners, die hier nicht vorgetragen wurde - überhaupt nur zu einem
Freistellungsanspruch, nicht aber zu einem Zahlungsanspruch führen (so schon Palandt, BGB, 70. Auflage, § 249, Rn. 4, § 250, Rn. 2). ...
Die Berufung war gemäß § 511 Abs. 4 ZPO zuzulassen, da die Beklagte mit nicht mehr als EUR 600,00 beschwert ist, die Rechtssache aber im Hinblick auf
Rechtsfragen, die seitens des Berufungsgerichts noch nicht entschieden sind, grundsätzliche Bedeutung hat. ..." (AG Rüsselsheim, Urteil vom 20.07.2011 - 3 C
739/11 (36))
***
Die VO (EG) Nr. 261/ 2004 findet auch Anwendung, wenn zwar der Vertragsschluss des Beförderungsvertrages vor Inkrafttreten dieser Verordnung erfolgte,
die Nichtbeförderung (hier ersatzweise Beförderung) jedoch erfolgte, nachdem die Verordnung in Kraft getreten war. Die Begriffsbestimmung einer
"Nichtbeförderung" im Sinne von Art. 2 lit. j der VO liegt auch dann vor, wenn eine ersatzweise Beförderung durch ein anderes Fluggerät erfolgt und dabei die
Verspätungstoleranzgrenzen des Art. 6 dieser Verordnung überschritten sind. Technische Defekte des zur ersatzweisen Beförderung herangezogenen
Fluggerätes vermögen den Luftfrachtführer dann nicht zu entlasten, wenn dieser auf Grund einer disponierten Entscheidung Passagiere auf dieses (defekte)
Fluggerät umbucht und die daraufhin erfolgende Verspätung auf technischen Defekten beruht (AG Düsseldorf, Urteil vom 20.01.2006 - 41 C 12316/05,
NJW-RR 2006, 1561).
***
Eine Flugverspätung im Rahmen einer Pauschalreise ist ein Mangel gemäß § 651 c BGB, wenn die Verspätung bei einem Transatlantikflug mehr als fünf
Stunden beträgt. Als Orientierungsmaßstab dient Art. 6 I VO (EG) Nr. 261/ 2004, der eine "große Verspätung" als Verspätung von mindestens fünf Stunden
definiert (AG Duisburg, Urteil vom 11.01.2006 - 73 C 4598/05, RRa 2006, 13).
Artikel 7 Ausgleichsanspruch
(1) Wird auf diesen Artikel Bezug genommen, so erhalten die Fluggäste Ausgleichszahlungen in folgender Höhe:
a) 250 EUR bei allen Flügen über eine Entfernung von 1500 km oder weniger,
b) 400 EUR bei allen innergemeinschaftlichen Flügen über eine Entfernung von mehr als 1500 km und bei allen anderen Flügen über eine Entfernung zwischen
1500 km und 3500 km,
c) 600 EUR bei allen nicht unter Buchstabe a) oder b) fallenden Flügen.
Bei der Ermittlung der Entfernung wird der letzte Zielort zugrunde gelegt, an dem der Fluggast infolge der Nichtbeförderung oder der Annullierung später als
zur planmäßigen Ankunftszeit ankommt.
(2) Wird Fluggästen gemäß Artikel 8 eine anderweitige Beförderung zu ihrem Endziel mit einem Alternativflug angeboten, dessen Ankunftszeit
a) bei allen Flügen über eine Entfernung von 1500 km oder weniger nicht später als zwei Stunden oder
b) bei allen innergemeinschaftlichen Flügen über eine Entfernung von mehr als 1500 km und bei allen anderen Flügen über eine Entfernung zwischen 1500 und
3500 km nicht später als drei Stunden oder
c) bei allen nicht unter Buchstabe a) oder b) fallenden Flügen nicht später als vier Stunden
nach der planmäßigen Ankunftszeit des ursprünglich gebuchten Fluges liegt, so kann das ausführende Luftfahrtunternehmen die Ausgleichszahlungen nach
Absatz 1 um 50 % kürzen.
(3) Die Ausgleichszahlungen nach Absatz 1 erfolgen durch Barzahlung, durch elektronische oder gewöhnliche Überweisung, durch Scheck oder, mit
schriftlichem Einverständnis des Fluggasts, in Form von Reisegutscheinen und/oder anderen Dienstleistungen.
(4) Die in den Absätzen 1 und 2 genannten Entfernungen werden nach der Methode der Großkreisentfernung ermittelt.
Leitsätze/Entscheidungen:
„... 7. Herr Amend sowie zwei weitere Personen, die ihre Ansprüche an ihn abgetreten haben, buchten bei Germanwings einen Flug für den 21. Dezember 2009
von Dresden nach Köln. Geplante Abflugzeit war nach der Darstellung von Herrn Amend 20.05 Uhr, nach der von Germanwings 19.30 Uhr.
8. Tatsächlich fand der Abflug wegen eines technischen Defekts der von Germanwings ursprünglich für diesen Flug vorgesehenen Maschine jedoch erst gegen
23.30 Uhr statt.
9. Herr Amend und die übrigen Fluggäste erreichten Köln infolgedessen mit einer Verspätung von mehr als drei, aber weniger als vier Stunden. ...
Die vom Gerichtshof vorgenommene Auslegung der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über
eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer
Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91, die dahin geht, dass Fluggäste verspäteter Flüge, wenn sie ihr Endziel drei
Stunden oder mehr nach der ursprünglich geplanten Ankunftszeit erreichen, einen Ausgleichsanspruch haben, obwohl zum einen Art. 6 dieser Verordnung, der
Verspätungen betrifft, nur Unterstützungs- und Betreuungsleistungen vorsieht und zum anderen auf Art. 7 der Verordnung, der den Ausgleichsanspruch betrifft,
nur in den Fällen der Nichtbeförderung und der Annullierung eines Fluges Bezug genommen wird, lässt den Grundsatz der Gewaltenteilung in der Union
unberührt. ..." (EuGH, Beschluss vom 18.04.2013 - C-413/11)
***
„... Art. 7 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für
Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur
Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 ist dahin auszulegen, dass auf seiner Grundlage dem Fluggast eines Fluges mit Anschlussflügen, dessen
Verspätung zum Zeitpunkt des Abflugs unterhalb der in Art. 6 der Verordnung festgelegten Grenzen lag, der aber sein Endziel mit einer Verspätung von
drei Stunden oder mehr gegenüber der planmäßigen Ankunftszeit erreichte, eine Ausgleichszahlung zusteht, da diese Zahlung nicht vom Vorliegen einer
Verspätung beim Abflug und somit nicht von der Einhaltung der in Art. 6 aufgeführten Voraussetzungen abhängt. ..." (EuGH, Urteil vom 26.02.2013 - C-11/11)
***
Die Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und
Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der
Verordnung (EWG) Nr. 295/91 ist dahin auszulegen, dass sich die Frist, innerhalb deren Klagen auf Zahlung der in den Art. 5 und 7 dieser Verordnung
vorgesehenen Ausgleichsleistung erhoben werden müssen, nach den Vorschriften der einzelnen Mitgliedstaaten über die Klageverjährung bestimmt
(EuGH, Urteil vom 22.11.2012 - C-139/11).
***
Die Art. 5 bis 7 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für
Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur
Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 sind dahin auszulegen, dass den Fluggästen verspäteter Flüge ein Ausgleichsanspruch nach dieser Verordnung
zusteht, wenn sie aufgrund dieser Flüge einen Zeitverlust von drei Stunden oder mehr erleiden, d. h., wenn sie ihr Endziel nicht früher als drei Stunden nach
der vom Luftfahrtunternehmen ursprünglich geplanten Ankunftszeit erreichen. Eine solche Verspätung begründet jedoch dann keinen
Ausgleichsanspruch der Fluggäste, wenn das Luftfahrtunternehmen nachweisen kann, dass die große Verspätung auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht,
die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären, also auf Umstände, die von dem
Luftfahrtunternehmen tatsächlich nicht zu beherrschen sind. Die Prüfung der Vorlagefragen hat nichts ergeben, was die Gültigkeit der Art. 5 bis 7 der
Verordnung Nr. 261/2004 berühren könnte ( EuGH, Urteil vom 23.10.2012 - C-581/10 und C-629/10, C-581/10, C-629/10).
***
Art. 2 lit. l sowie die Art. 5 und 6 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. 2. 2004 über eine gemeinsame
Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen
und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 sind dahin auszulegen, dass ein verspäteter Flug unabhängig von der - auch erheblichen - Dauer der
Verspätung nicht als annulliert angesehen werden kann, wenn er entsprechend der ursprünglichen Flugplanung des Luftfahrtunternehmens durchgeführt wird.
Die Art. 5, 6 und 7 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 sind dahin auszulegen, dass die Fluggäste verspäteter Flüge im Hinblick auf die Anwendung des
Ausgleichsanspruchs den Fluggästen annullierter Flüge gleichgestellt werden können und somit den in Art. 7 dieser Verordnung vorgesehenen
Ausgleichsanspruch geltend machen können, wenn sie wegen eines verspäteten Flugs einen Zeitverlust von drei Stunden oder mehr erleiden, d.h.,
wenn sie ihr Endziel nicht früher als drei Stunden nach der von dem Luftfahrtunternehmen ursprünglich geplanten Ankunftszeit erreichen. Eine
solche Verspätung führt allerdings dann nicht zu einem Ausgleichsanspruch zu Gunsten der Fluggäste, wenn das Luftfahrtunternehmen nachweisen kann, dass
die große Verspätung auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen
ergriffen worden wären, also auf Umstände, die von dem Luftfahrtunternehmen tatsächlich nicht zu beherrschen sind. Art. 5 III der Verordnung (EG) Nr.
261/2004 ist dahin auszulegen, dass ein bei einem Flugzeug aufgetretenes technisches Problem, das zur Annullierung oder Verspätung eines Flugs führt, nicht
unter den Begriff „außergewöhnliche Umstände" im Sinne dieser Bestimmung fällt, es sei denn, das Problem geht auf Vorkommnisse zurück, die auf Grund
ihrer Natur oder Ursache nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des betroffenen Luftfahrtunternehmens sind und von ihm tatsächlich nicht zu
beherrschen sind (EuGH, Urteil vom 19.11.2009 - C-402/07, C-432/07 - Christopher Sturgeon u.a./Condor Flugdienst-GmbH und Stefan Böck u.a./Air France SA).
***
Art. 5 Nr. 1 lit. b zweiter Gedankenstrich der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. 12. 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die
Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ist dahin auszulegen, dass im Fall einer Beförderung von Personen im
Luftverkehr von einem Mitgliedstaat in einen anderen Mitgliedstaat auf der Grundlage eines mit einer einzigen Luftfahrtgesellschaft, dem ausführenden
Luftfahrtunternehmen, geschlossenen Vertrags für eine auf diesen Beförderungsvertrag und die Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments
und des Rates vom 11. 2. 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und
bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 gestützte Klage auf Ausgleichszahlungen nach
Wahl des Kl. das Gericht des Ortes des Abflugs oder das des Ortes der Ankunft des Flugzeugs entsprechend der Vereinbarung dieser Orte in dem Vertrag
zuständig ist (EuGH, Urteil vom 09.7.2009 - C-204/08 zu Verordnung (EG) Nr. 44/2001 Art. 5 Nr. 1 lit. b zweiter Gedankenstrich; Verordnung (EG) Nr.
261/2004 Art. 5 I lit. c, 7 I lit. a; Übereinkommen von Montreal Art. 33 I, NJW 2009, 2801 ff).
*** (BGH)
„... Die Kläger verlangen Ausgleichszahlungen nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. b, Art. 5 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen
Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der
Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 (ABl. EU L 46 vom 17.
Februar 2004, S. 1 ff.; nachfolgend: Verordnung). Sie buchten bei der Beklagten eine Pauschalreise, die Flüge von Hannover nach Fuerteventura und zurück
umfasste. Der Rückflug sollte am 10. Mai 2011 um 19.05 Uhr stattfinden. Während des Startvorgangs gerieten Vögel ins Triebwerk, so dass der Start
abgebrochen werden musste. Die Kläger wurden am Tag darauf von einer anderen Fluggesellschaft nach Gran Canaria geflogen, von dort aus nach Hamburg
und schließlich mit dem Bus nach Hannover befördert, wo sie etwa 24 Stunden später als geplant ankamen. ...
1. Zutreffend ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen, dass den Klägern nach Art. 5 Abs. 3 der Verordnung wegen Annullierung des von ihnen
gebuchten Flugs von Fuerteventura nach Hannover ein Anspruch auf eine Ausgleichszahlung nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. b, Art. 5 Abs. 1 Buchst. c der
Verordnung zusteht, wenn sich die Beklagte nicht auf außergewöhnliche Umstände im Sinne des Art. 5 Abs. 3 der Verordnung berufen kann, die diesen
Anspruch ausschließen.
Der Flug der Kläger von Fuerteventura nach Hannover wurde annulliert. Nach Art. 2 Buchst. l der Verordnung bezeichnet der Ausdruck "Annullierung" die
Nichtdurchführung eines geplanten Flugs, für den zumindest ein Platz reserviert war. Eine Annullierung ist auch dann anzunehmen, wenn das Flugzeug zwar
gestartet ist, aber anschließend, aus welchen Gründen auch immer, zum Ausgangsflughafen zurückkehren muss und die Fluggäste auf andere Flüge umgebucht
werden (EuGH, Urteil vom 13. Oktober 2011 C83/10, NJW 2011, 3776 = RRa 2011, 282 Rodríguez u.a./Air France Rn. 25 bis 35). Dies trifft hier zu. Der
gestartete Rückflug von Fuerteventura nach Hannover musste abgebrochen werden und die Kläger wurden auf den Flug einer anderen Gesellschaft umgebucht.
2. Das Berufungsgericht hat auch zutreffend angenommen, dass ein durch Vogelschlag verursachter Turbinenschaden, der den Abbruch eines Starts erzwingt
oder den erneuten Einsatz des beim Landeanflug beschädigten Flugzeugs hindert, außergewöhnliche Umstände im Sinne des Art. 5 Abs. 3 der Verordnung begründet.
a) Der Begriff der außergewöhnlichen Umstände, der weder in Art. 2 noch in sonstigen Vorschriften der Verordnung definiert ist, bedeutet nach seinem
Wortlaut, dass die gegebenenfalls zu einem Wegfall der Ausgleichspflicht führenden Umstände außergewöhnlich sind, d.h. nicht dem gewöhnlichen Lauf der
Dinge entsprechen, sondern außerhalb dessen liegen, was üblicherweise mit dem Ablauf der Personenbeförderung im Luftverkehr verbunden ist oder verbunden
sein kann. Es sollen Ereignisse erfasst werden, die nicht zum Luftverkehr gehören, sondern als jedenfalls in der Regel von außen kommende besondere
Umstände seine ordnungs- und plangemäße Durchführung beeinträchtigen oder unmöglich machen können. Umstände, die im Zusammenhang mit einem den
Luftverkehr störenden Vorfall wie einem technischen Defekt auftreten, können nur dann als außergewöhnlich im Sinne von Art. 5 Abs. 3 der Verordnung
qualifiziert werden, wenn sie auf ein Vorkommnis zurückgehen, das wie die in Erwägungsgrund 14 der Verordnung aufgezählten nicht Teil der normalen
Ausübung der Tätigkeit des betroffenen Luftfahrtunternehmens und aufgrund seiner Natur oder Ursache von diesem tatsächlich nicht zu beherrschen ist (EuGH,
Urteil vom 22. Dezember 2008 C549/07, NJW 2009, 347 = RRa 2009, 35 Rn. 23 Wallentin-Hermann/; Urteil vom 19. November 2009 C-402/07, NJW 2010,
43 = RRa 2009, 282 Sturgeon u.a./Condor; Urteil vom 31. Januar 2013 C-12/11, NJW 2013, 921 = RRa 2013, 81 - McDonagh/Ryanair). Der
Bundesgerichtshof hat hieraus abgeleitet, dass technische Defekte, wie sie beim Betrieb eines Flugzeugs typischerweise auftreten, grundsätzlich keine
außergewöhnlichen Umstände begründen, und zwar auch dann nicht, wenn das Luftverkehrsunternehmen alle vorgeschriebenen oder sonst gebotenen
Wartungsarbeiten frist- und ordnungsgemäß ausgeführt hat. Solche Defekte sind Teil der normalen Tätigkeit des betroffenen Luftverkehrsunternehmens (BGH,
Urteil vom 12. November 2009 X ZR 76/07, NJW 2010, 1070 = RRa 2010, 34 Rn. 23; Urteil vom 21. August 2012 X ZR 138/11, BGHZ 194, 258 Rn. 16).
Die Prüfung, ob ein technisches Problem auf ein Vorkommnis zurückzuführen ist, das nicht Teil der normalen Ausführung der Tätigkeit des betroffenen
Luftverkehrsunternehmens und von ihm tatsächlich nicht zu beherrschen ist, obliegt dem nationalen Richter (EuGH - Wallentin-Hermann/Alitalia Rn. 27); sie
ist grundsätzlich Aufgabe des Tatrichters (BGHZ 194, 258 Rn. 17).
b) Zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass ein Vogelschlag, der wie im Streitfall zum Abbruch des Starts führt, in diesem Sinne
außergewöhnliche Umstände begründet.
aa) Vogelschlag ist ein Ereignis, das von außen auf den Flugverkehr einwirkt und dessen Ablauf beeinflusst. Er tritt wie ein Naturereignis beliebig auf, wie z.B.
die in Erwägungsgrund 14 der Verordnung angeführten, mit der Durchführung des betreffenden Flugs nicht zu vereinbarenden Wetterbedingungen, und ist von
dem Luftfahrtunternehmen nicht vorhersehbar und innerhalb der betrieblichen Sphäre des Unternehmens von diesem auch nicht beherrschbar, weil das
Luftfahrtunternehmen weder den Vogelflug beeinflussen noch verhindern kann, dass beim Start oder Landeanflug in die Nähe des Flugzeugs geratende Vögel
durch den Turbinensog angesaugt werden und Schäden an der Turbine verursachen können.
bb) Die Rüge der Revision, das Problem eines möglichen Vogelschlags sei für das Luftfahrtunternehmen beherrschbar, weil Maßnahmen zur Verhinderung
erhöhten Vogelaufkommens im Bereich des Flughafens und somit zur Vermeidung eines Vogelschlags getroffen werden könnten, greift nicht durch. Das
Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass Vogelvergrämungsmaßnahmen auf dem Flughafen und in seiner Umgebung nicht im Einfluss- und
Verantwortungsbereich des Luftfahrtunternehmens liegen.
Zu der normalen Durchführung des Flugbetriebs, die von den außergewöhnliche Umstände begründenden Ereignissen abzugrenzen ist, die es kennzeichnet,
dass sie entweder objektiv überhaupt nicht oder aber jedenfalls nicht durch das Luftfahrtunternehmen zu beherrschen sind, gehört nicht die Durchführung von
Vogelvergrämungsmaßnahmen auf dem Gebiet eines jeden angeflogenen Flughafens. Solche Maßnahmen betreffen nicht den einzelnen Flug eines
Luftfahrtunternehmens und auch nicht den sicheren Zu- oder Abgang des Passagiers zum und von dem gebuchten Flug, sondern die Sicherheit der Flughäfen
und Flugwege und damit die Sicherheit des allgemeinen Luftverkehrs. Sie fallen deshalb grundsätzlich nicht in den Verantwortungsbereich des einzelnen
Luftfahrtunternehmens, sondern obliegen gegebenenfalls dem Flughafenbetreiber, der nicht anders als bei anderen Einrichtungen des Flughafens die
Notwendigkeit entsprechender Maßnahmen zu beurteilen und gegebenenfalls die geeigneten und wirksamen Mittel auszuwählen hat.
cc) Unerheblich ist auch, dass das Berufungsgericht zur Häufigkeit von Triebwerksschäden durch Vogelschlag keine Feststellungen getroffen hat. Die
Verordnung trifft weder in Art. 5 Abs. 3 noch in den korrespondierenden Erwägungsgründen 14 und 15 eine Aussage darüber, ob die Einordnung eines
Ereignisses als außergewöhnlich von der Häufigkeit seines Auftretens in der täglichen Praxis des Flugverkehrs abhängt. Gegen die Annahme einer solchen
Abhängigkeit spricht Erwägungsgrund 14, der widrige Witterungsbedingungen, die der Durchführung eines Flugs entgegenstehen, als außergewöhnliche
Umstände qualifiziert. Solche Witterungsbedingungen können bei entsprechender Wetterlage auch öfter innerhalb kurzer Zeiträume auftreten; sie verlieren
dadurch nicht ihren Charakter als außergewöhnliches Ereignis. Der Umstand, dass Beschädigungen an Flugzeugen durch Vogelschlag gelegentlich vorkommen,
ändert deshalb nichts an dessen Einordnung als außergewöhnliches Ereignis.
3. Durch seine Feststellungen nicht in vollem Umfang getragen wird jedoch die Annahme des Berufungsgerichts, die Annullierung des von den Klägern
gebuchten Flugs sei durch den Vogelschlag verursacht worden.
a) Im Streitfall hat der Vogelschlag während des Startvorgangs zu einer Beschädigung des Triebwerks und folglich zu einem technischen Defekt geführt, der
einen Abbruch des Starts und eine Reparatur des Schadens vor dem erneuten Start erforderlich machte. Die Annullierung oder Verspätung des Flugs ging
mithin auf einen außergewöhnlichen Umstand zurück.
b) Das Berufungsgericht hat jedoch nicht geprüft, ob die Beklagte alle zumutbaren Maßnahmen im Sinne des Art. 5 Abs. 3 der Verordnung ergriffen hat, um die
Annullierung des von den Klägern gebuchten Flugs wenn möglich zu vermeiden.
aa) Welche Maßnahmen einem ausführenden Luftfahrtunternehmen zuzumuten sind, um zu vermeiden, dass außergewöhnliche Umstände zu einer erheblichen
Verspätung eines Flugs führen oder Anlass zu seiner Annullierung geben, bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalls. Das Luftfahrtunternehmen hat
darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, dass sich die Annullierung oder erhebliche Verspätung jedenfalls nicht durch der Situation angepasste Maßnahmen
hätte vermeiden lassen, d.h. solche, die zu dem Zeitpunkt, zu dem die außergewöhnlichen Umstände auftreten, für das betroffene Luftfahrtunternehmen
insbesondere in persönlicher, technischer und wirtschaftlicher Hinsicht tragbar sind (EuGH Wallentin-Hermann/Alitalia Rn. 40, 42; Urteil vom 12. Mai 2011
C-294/10, NJW 2011, 2865 = RRa 2011, 125 Egli-tis und Ratnieks/Air Baltic Rn. 29). Der Gerichtshof der Europäischen Union geht dabei von einem flexiblen
und vom Einzelfall abhängigen Begriff der zumutbaren Maßnahme aus. Es ist Sache des nationalen Gerichts zu beurteilen, ob im Einzelfall angenommen
werden kann, dass das Luftfahrtunternehmen die der Situation angemessenen Maßnahmen getroffen hat (EuGH - Egli-tis und Ratnieks/Air Baltic Rn. 30); auch
hierzu ist in erster Linie der Tatrichter berufen.
Danach hat das Luftfahrtunternehmen darzutun, dass es auf Störungen seines Flugplans, die als Folge eines außergewöhnlichen Ereignisses oder aus anderen
Gründen, insbesondere wegen auftretender technischer Defekte, eintreten können, angemessen vorbereitet ist und die im Personenluftverkehr üblichen
Vorkehrungen getroffen hat, um auf solche Störungen reagieren und die Annullierung oder erhebliche Verspätung eines hiervon betroffenen Flugs wenn
möglich vermeiden zu können.
bb) Das Berufungsgericht hat keine Feststellungen dazu getroffen, ob die Beklagte die Annullierung durch die Nutzung der von ihr getroffenen oder im
Personenluftverkehr üblicher Vorkehrungen gegen die Folgen von Störungen des Flugbetriebs hätte vermeiden können. Seine allgemeine Bemerkung, das von
den Klägern für notwendig gehaltene Vorhalten von Ersatzflugzeugen sei für ein Luftfahrtunternehmen aus wirtschaftlichen Gründen unzumutbar, reicht nicht
aus. ..." (BGH, Urteil vom 24.09.2013 - X ZR 129/12)
***
„... I. Das Berufungsgericht hat die Voraussetzungen für einen Ausgleichsanspruch wegen Verspätung verneint. Bei der Flugreise von Frankfurt am Main nach
Recife via Lissabon handele es sich entgegen der Auffassung des Klägers nicht um einen einheitlichen Flug; die Reise habe vielmehr aus zwei getrennt zu
betrachtenden Flügen bestanden. Selbst wenn man die beiden Flüge als Einheit betrachten wolle, löse allein eine um mehr als drei Stunden verspätete Ankunft
den Ausgleichsanspruch nicht aus. Verspätete Flüge im Sinne der Fluggastrechteverordnung seien nur solche, bei denen sich der Abflug wie hier nicht um eine
in Art. 6 FluggastrechteVO genannte Zeitdauer verzögere.
II. Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Da der Rechtsstreit auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen zur
Endentscheidung reif ist, hat der Senat in der Sache selbst zu entscheiden und die Klage zuzusprechen.
1. Die Fluggastrechteverordnung ist, wie auch das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, anwendbar, da die Reisenden auf einem Flughafen in
Deutschland einen Flug, nämlich den ersten gebuchten Flug von Frankfurt am Main nach Lissabon, angetreten haben (Art. 3 Abs. 1 Buchst. a FluggastrechteVO).
2. Der verspätete Abflug dieses Flugs hat dazu geführt, dass die Reisenden ihr Endziel Recife erst einen Tag nach der geplanten Ankunft erreicht haben. Dies
begründet den mit der Klage geltend gemachten Ausgleichsanspruch nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. c FluggastrechteVO.
Den Fluggästen eines verspäteten Flugs steht ein Ausgleichsanspruch nach Art. 7 der Verordnung zu, soweit sie infolge der Flugverspätung ihr individuelles
Endziel mit einer Verspätung von mindestens drei Stunden erreichen. Die Ausgleichsleistung ist, wie der Senat nach Erlass des Berufungsurteils entschieden
hat, davon unabhängig, ob die verspätete Erreichung des Endziels darauf beruht, dass sich der Abflug des verspäteten Flugs um die in Art. 6 Abs. 1 Buchst. a
bis c FluggastrechteVO genannten Zeiten verzögert hat, und von dem Luftverkehrsunternehmen auch dann zu erbringen, wenn die verspätete Ankunft am
Endziel darauf beruht, dass infolge der Flugverspätung ein selbst nicht verspäteter Anschlussflug verpasst worden ist (BGH, Urteil vom 7. Mai 2013 X ZR
127/11, NJW-RR 2013, 1065 im Anschluss an EuGH, Urteil vom 19. November 2009 C-402/07, NJW 2010, 43 = RRa 2009, 282 Sturgeon/; Urteil vom 23.
Oktober 2012 C581/10 Nelson/; Urteil vom 26. Februar 2013 C11/11 Air France/Folkerts). Bedenken gegen diese Auslegung der Fluggastrechteverordnung
ergeben sich weder aus dem Primärrecht der Europäischen Union noch aus dem Grundgesetz (BGH aaO Rn. 14 ff.). ..." (BGH, Urteil vom 17.09.2013 - X ZR 150/10)
***
„... I. Das Berufungsgericht hat Ansprüche der Kläger auf Ausgleichszahlung für begründet gehalten und seine Entscheidung wie folgt begründet: Den Klägern
stünden gemäß § 4 Abs. 3 FluggastrechteVO wegen Nichtbeförderung Ansprüche auf Ausgleichszahlungen nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. c FluggastrechteVO zu.
Die Kläger hätten über eine Buchung für die Flugreise von Miami über Madrid nach Düsseldorf verfügt. Da sie auch bereits Bordkarten für den Flug von
Madrid nach Düsseldorf erhalten hätten, habe die Beklagte, indem sie gleichwohl das Flugzeug in Madrid habe starten lassen, ohne auf das Eintreffen der
Kläger zu warten, diesen den Einstieg verweigert.
II. Dies hält der Nachprüfung nicht stand. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht angenommen, den Klägern stehe ein Anspruch wegen Nichtbeförderung (Art. 4
Abs. 3 FluggastrechteVO) zu. Eine Nichtbeförderung liegt nach Art. 2 Buchst. j FluggastrechteVO vor, wenn das Luftfahrtunternehmen sich weigert, Fluggäste
zu befördern, obwohl sie sich unter den in Art. 3 Abs. 2 FluggastrechteVO genannten Bedingungen am Flugsteig eingefunden haben. Der Ausgleichsanspruch
nach dieser Vorschrift setzt mithin voraus, dass dem am Flugsteig erschienenen Fluggast der Einstieg ("Boarding") gegen seinen Willen verweigert worden ist
(BGH, Urteil vom 30. April 2009 Xa ZR 78/08, RRa 2009, 239 = NJW 2009, 2740 Rn. 7; Beschluss vom 9. Dezember 2010 Xa ZR 80/10, RRa 2011, 84 Rn.
11). Diese Voraussetzung liegt nicht vor. Die Kläger sind wenngleich ohne ihr Verschulden vor Abflug des vorgesehenen Anschlussflugs nicht am Flugsteig
erschienen. Eine Verweigerung der Beförderung scheidet damit aus.
III. Das Berufungsurteil ist im Ergebnis gleichwohl zutreffend, da die Klageforderung unter dem Gesichtspunkt der Verspätung begründet ist. Den Fluggästen
eines verspäteten, wie im Streitfall nach Art. 3 Abs. 1 in den Anwendungsbereich der Flugastrechteverordnung fallenden Flugs steht ein Ausgleichsanspruch
nach Art. 7 zu, soweit sie wie die Kläger infolge der Flugverspätung ihr individuelles Endziel mit einer Verspätung von mindestens drei Stunden erreichen.
Dies gilt auch, wenn die verspätete Ankunft am Endziel darauf beruht, dass infolge der Flugverspätung ein selbst nicht verspäteter Anschlussflug verpasst wird
(BGH, Urteil vom 7. Mai 2013 X ZR 127/11, NJW-RR 2013, 1065 im Anschluss an EuGH, Urteil vom 19. November 2009 C-402/07, NJW 2010, 43 = RRa
2009, 282 Sturgeon/Condor; Urteil vom 23. Oktober 2012 C581/10 Nelson/; Urteil vom 26. Februar 2013 C11/11 Air France/Folkerts). Bedenken gegen diese
Auslegung der Fluggastrechteverordnung ergeben sich weder aus dem Primärrecht der Europäischen Union noch aus dem Grundgesetz (BGH, aaO Rn. 14 ff.).
..." (BGH, Urteil vom 17.09.2013 - X ZR 123/10)
***
Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden gemäß Art. 267 AEUV zur Auslegung von Art. 7 und Art. 12 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des
Parlaments und des Rates über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei
Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 vom 11. Februar 2004 (ABl. EG L 46 vom 17.
Februar 2004 S. 1 ff.) folgende Fragen vorgelegt:
1. Kann ein vom nationalen Recht gewährter Schadensersatzanspruch, der auf die Erstattung von zusätzlichen Reisekosten gerichtet ist, die wegen Annullierung
eines gebuchten Fluges angefallen sind, auf den Ausgleichsanspruch aus Art. 7 der Verordnung angerechnet werden, wenn das Luftfahrtunternehmen seine
Verpflichtungen nach Art. 8 Abs. 1 der Verordnung erfüllt hat?
2. Wenn eine Anrechnung möglich ist: Gilt dies auch für die Kosten der Ersatzbeförderung zum Endziel der Flugreise?
3. Soweit eine Anrechnung möglich ist: Kann das Luftfahrtunternehmen sie stets vornehmen oder ist sie davon abhängig, inwiefern das nationale Recht sie zulässt oder das Gericht sie für angemessen erachtet?
4. Soweit nationales Recht maßgeblich ist oder das Gericht eine Ermessensentscheidung zu treffen hat: Sollen durch die Ausgleichszahlung nach Art. 7 der
Verordnung nur die Unannehmlichkeiten und der von den Fluggästen infolge der Annullierung erlittene Zeitverlust oder auch materielle Schäden ausgeglichen
werden? (BGH, EuGH-Vorlage vom 30.07.2013 - X ZR 111/12).
***
Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden gemäß Art. 267 AEUV zur Auslegung von Art. 7 und Art. 12 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des
Parlaments und des Rates über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei
Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 vom 11. Februar 2004 (ABl. EG L 46 vom 17.
Februar 2004 S. 1 ff.) folgende Fragen vorgelegt:
1. Kann ein vom nationalen Recht gewährter Schadensersatzanspruch, der auf die Erstattung von zusätzlichen Reisekosten gerichtet ist, die wegen
Annullierung eines gebuchten Fluges angefallen sind, auf den Ausgleichsanspruch aus Art. 7 der Verordnung angerechnet werden, wenn das
Luftfahrtunternehmen seine Verpflichtungen nach Art. 8 Abs. 1 und Art. 9 Abs. 1 der Verordnung erfüllt hat?
2. Wenn eine Anrechnung möglich ist: Gilt dies auch für die Kosten der Ersatzbeförderung zum Endziel der Flugreise?
3. Soweit eine Anrechnung möglich ist: Kann das Luftfahrtunternehmen sie stets vornehmen oder ist sie davon abhängig, inwiefern das nationale Recht sie
zulässt oder das Gericht sie für angemessen erachtet?
4. Soweit nationales Recht maßgeblich ist oder das Gericht eine Ermessensentscheidung zu treffen hat: Sollen durch die Ausgleichszahlung nach Art. 7 der
Verordnung nur die Unannehmlichkeiten und der von den Fluggästen infolge der Annullierung erlittene Zeitverlust oder auch materielle Schäden ausgeglichen
werden? (BGH, EuGH-Vorlage vom 30.07.2013 - X ZR 113/12)
***
Den Fluggästen eines verspäteten, nach Art. 3 Abs. 1 in den Anwendungsbereich der Fluggastrechteverordnung fallenden Flugs steht ein Ausgleichsanspruch
nach Art. 7 zu, soweit sie infolge der Verspätung ihr individuelles Endziel mit einer Verspätung von mindestens drei Stunden erreichen. Dies gilt auch,
wenn die verspätete Ankunft am Endziel darauf beruht, dass infolge der Flugverspätung ein selbst nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung fallender
oder selbst nicht verspäteter Anschlussflug verpasst wird (BGH, Urteil vom 07.05.2013 - X ZR 127/11):
„... 1. Die Fluggastrechteverordnung ist anwendbar, da die Reisenden auf einem Flughafen in Deutschland einen Flug, nämlich den ersten gebuchten Flug von
Berlin nach Madrid, angetreten haben (Art. 3 Abs. 1 Buchst. a FluggastrechteVO).
2. Der verspätete Abflug dieses Flugs hat dazu geführt, dass die Reisenden ihr Endziel San José erst einen Tag nach der geplanten Ankunft erreicht haben. Dies
begründet auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen den mit der Klage geltend gemachten Ausgleichsanspruch nach Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Buchst. c Satz
2 FluggastrechteVO; die Voraussetzungen des Art. 7 Abs. 2 Buchst. c FluggastrechteVO für eine Kürzung des Ausgleichsanspruchs liegen nicht vor.
a) Wie der Unionsgerichtshof in der Rechtssache C-402/07 (Urteil vom 19. November 2009, NJW 2010, 43 = RRa 2009, 282 - Sturgeon/Condor) auf die
Vorlage des Bundesgerichtshofs entschieden und die Große Kammer mit Urteil vom 23. Oktober 2012 (C581/10 - Nelson/Lufthansa) bestätigt hat, können
nicht nur die Fluggäste annullierter Flüge, sondern auch die Fluggäste verspäteter Flüge den in Art. 7 der Verordnung vorgesehenen Anspruch auf Ausgleich
geltend machen, wenn sie infolge der Verspätung einen Zeitverlust von drei Stunden oder mehr erleiden, weil sie ihr Endziel nicht früher als drei Stunden nach
der von dem Luftverkehrsunternehmen ursprünglich geplanten Ankunftszeit erreichen. Auf eine weitere Vorlage des Senats hat der Unionsgerichtshof mit
Urteil vom 26. Februar 2013 (C-11/11 - Air France/Folkerts) ferner entschieden, dass dieser Anspruch nicht voraussetzt, dass die verspätete Erreichung des
Endziels darauf beruht, dass sich der Abflug des verspäteten Flugs um die in Art. 6 Abs. 1 Buchst. a bis c FluggastrechteVO genannten Zeiten verzögert hat. Es
genügt daher, dass der verspätete Abflug in Berlin dafür ursächlich war, dass die Reisenden den Anschlussflug von Madrid nach San José nicht mehr erreichen
konnten und infolgedessen ihr Endziel erst mit eintägiger Verspätung erreicht haben.
b) Entgegen der Auffassung der Revision beruht dieses Ergebnis nicht darauf, dass die Flugreise von Berlin nach San José als ein einziger Flug anzusehen wäre.
Flug im Sinne der Verordnung ist vielmehr, wie der Bundesgerichtshof im Einzelnen begründet hat, der Luftbeförderungsvorgang, mit dem ein
Luftverkehrsunternehmen die Gesamtheit der Fluggäste dieses Luftbeförderungsvorgangs auf einer von ihm angebotenen und zur Buchung zur Verfügung
gestellten Flugroute von dem Startflughafen zum Landeflughafen befördert (BGH, Urteil vom 13. November 2012 - X ZR 12/12, NJW 2013, 682 = RRa 2013,
19; Urteil vom 28. Mai 2009 - Xa ZR 113/08, NJW 2009, 2743). Der Flug von Berlin nach Madrid ist mithin im Ausgangspunkt von dem (Anschluss-)Flug von
Madrid nach San José zu unterscheiden. Hiervon geht auch das Urteil des Unionsgerichtshofs vom 23. Februar 2013 aus (s. nur Rn. 16, 18).
Die Selbständigkeit der Flüge ändert indessen nichts daran, dass nach Art. 7 Abs. 1 Satz 2 FluggastrechteVO für die Beurteilung der Frage, ob die Verspätung
den für eine Ausgleichszahlung vorausgesetzten Umfang erreicht hat und in welcher Höhe hierfür ein Ausgleich zu erbringen ist, nicht das Ziel des einzelnen
Flugs, sondern der letzte Zielort oder (gleichbedeutend) das Endziel (Art. 2 Buchst. h FluggastrechteVO) maßgeblich ist, an dem der Fluggast infolge der
Verspätung später als zur planmäßigen Ankunftszeit ankommt. Hiermit trägt die Verordnung dem Umstand Rechnung, dass die Annullierung oder Verspätung
eines Flugs die einzelnen Fluggäste unterschiedlich stark beeinträchtigen kann, je nachdem, wie sie sich auf die Erreichung des individuellen Endziels ihrer
Flugreise auswirkt (BGH, Urteil vom 13. November 2012, aaO Rn. 15)
c) Den von der Klägerin geltend gemachten Ausgleichsansprüchen steht es auch nicht entgegen, dass der Anschlussflug von Madrid nach San José, dem
Endziel der Flugreise, selbst nicht verspätet war.
Zwar hat der Unionsgerichtshof in seinem Urteil vom 23. Februar 2013 gemeint, dass die Fluggastrechteverordnung ‚zwei unterschiedliche Fälle der
Verspätung eines Flugs' betreffe (aaO Rn. 28) und aus der Definition des Endziels gefolgert, dass es im Fall eines Fluges mit Anschlussflügen für die Zwecke
der in Art. 7 FluggastrechteVO vorgesehenen Ausgleichszahlung allein auf die Verspätung ankomme, die gegenüber der planmäßigen Ankunftszeit am Endziel,
d. h. dem Zielort des letzten Fluges des betreffenden Fluggasts, festgestellt werde (aaO Rn. 35). Er hat demgemäß in seiner Antwort auf die Vorlagefrage
ausgeführt, dass die Zahlung nicht vom Vorliegen einer Verspätung beim Abflug und somit nicht von der Einhaltung der in Art. 6 FluggastrechteVO
aufgeführten Voraussetzungen abhänge. Dies bedeutet jedoch nur, dass eine Abflugverspätung und insbesondere eine Abflugverspätung, die das in Art. 6
bezeichnete Ausmaß überschreitet, nicht notwendige Voraussetzung des Ausgleichsanspruchs ist, und darf nicht dahin missverstanden werden, dass die
Abflugverspätung den Ausgleichsanspruch nicht begründen könnte, wenn der Anschlussflug zum Endziel für sich genommen nicht in den Anwendungsbereich
der Verordnung fällt oder selbst nicht mit Verspätung ausgeführt worden ist. Vielmehr hat der Gerichtshof seine Rechtsprechung zum Ausgleichsanspruch bei
Verspätung gerade für den Fall des infolge einer solchen Verspätung verpassten Anschlussflugs weiterentwickelt. Das Urteil vom 23. Februar 2013 ändert
mithin nichts daran, dass Fluggäste, die auf einem Flughafen auf dem Gebiet eines Mitgliedstaats der Union einen Flug antreten, eine Ausgleichszahlung
beanspruchen können, wenn der verspätete Abflug dieses Flugs zur Folge hat, dass das Endziel mit einer Verspätung von mindestens drei Stunden erreicht
wird. Der gleiche Anspruch besteht, wenn der Flug zwar pünktlich abgeht, aber - etwa wegen einer außerplanmäßigen Zwischenlandung - gleichwohl
unpünktlich ankommt und dies wiederum dazu führt, dass das Endziel mit einer Verspätung von mindestens drei Stunden erreicht wird; auch dann liegt nach
dem Urteil Air France/Folkerts ein verspäteter (Erst-)Flug vor. Hingegen kann eine Störung, die erst bei einem Anschlussflug auftritt, für den die Verordnung
nach Art. 3 Abs. 1 nicht gilt, einen Ausgleichsanspruch auch dann nicht begründen, wenn sie dazu führt, dass das Endziel mit erheblicher Verspätung erreicht
wird (BGH, Urteil vom 13. November 2012, aaO Rn. 17).
3. Der Einwand der Revisionsbeklagten, die Auslegung der Fluggastrechteverordnung durch die Rechtsprechung des Unionsgerichtshofs sei von den der
Europäischen Union zugewiesenen Kompetenzen nicht mehr gedeckt und deshalb von Verfassungs wegen nicht zu befolgen, führt zu keiner anderen Beurteilung.
a) Zunächst stellt sich im Streitfall nicht die Frage nach den Grenzen der Zuständigkeit der Europäischen Union, die hinsichtlich der Fluggastrechteverordnung
und der in ihr geregelten Rechte und Pflichten der Luftverkehrsunternehmen und der Fluggäste außer Zweifel steht. Es ist auch nicht zweifelhaft, dass das
Unionsrecht einen Ausgleichsanspruch für den Fall einer großen Verspätung vorsehen kann, so dass nicht in Betracht kommt, dass der Unionsgerichtshof durch
die entsprechende Auslegung der Fluggastrechteverordnung in der Union nicht übertragene Kompetenzen der Mitgliedstaaten eingegriffen haben könnte.
b) Der Senat könnte daher die Fluggastrechteverordnung nicht anders auslegen, ohne dem Unionsgerichtshof die Frage der Vereinbarkeit seiner Rechtsprechung
mit dem Primärrecht der Europäischen Union vorzulegen. Hierzu besteht jedoch keine Veranlassung.
In ihrem Urteil vom 23. Oktober 2012 (C-581/10 - Nelson/Lufthansa) hat die Große Kammer des Gerichtshofs die Gleichstellung der durch große
Verspätungen betroffenen Passagiere mit den Passagieren annullierter Flüge nochmals ausführlich begründet. Sie hat insbesondere darauf hingewiesen, dass
Art. 5 Abs. 1 Buchst. c Nr. iii der Verordnung dem Luftverkehrsunternehmen einen gewissen Spielraum einräume, dem Fluggast eines spät annullierten Fluges
eine anderweitige Beförderung anbieten zu können, ohne ihm einen Ausgleich zahlen zu müssen. Auch wenn das Luftverkehrsunternehmen die ihm
eingeräumten Möglichkeiten in vollem Umfang nutze, dürfe jedoch die Gesamtdauer der angebotenen anderweitigen Beförderung die planmäßige Dauer des
annullierten Fluges nicht um drei Stunden oder mehr übersteigen; bei Überschreitung dieser Grenze seien dem Fluggast zwingend Ausgleichszahlungen zu
leisten. Dagegen räume keine Bestimmung der Fluggastrechteverordnung ausdrücklich den Fluggästen verspäteter Flüge einen solchen Anspruch auf eine
Ausgleichsleistung ein, auch wenn sie ihr Endziel erst drei Stunden nach der geplanten Ankunftszeit und noch später erreichten. Der (primärrechtliche)
Grundsatz der Gleichbehandlung verlange indessen, dass vergleichbare Sachverhalte nicht unterschiedlich und unterschiedliche Sachverhalte nicht
gleichbehandelt werden, sofern eine solche Behandlung nicht - wie hier nicht - objektiv gerechtfertigt sei (aaO Rn. 31-33).
Aus der - allerdings nicht maßgeblichen - Sicht des deutschen Rechts handelt es sich hierbei um eine durch das Primärrecht zusätzlich gestützte Analogie. Der
Bundesgerichtshof hat es in seinem Vorlagebeschluss im Fall ‚Sturgeon' für möglich gehalten, dass eine erhebliche Verzögerung des Abflugs als Annullierung
des Flugs anzusehen sein könne und den Ausgleichsanspruch wegen Annullierung auslöse, da eine nicht erkennbar vom Verordnungsgeber gewollte
Schutzlücke aufträte, wenn auch eine erhebliche, im Vorlagefall mehr als 24 Stunden betragende Verspätung keinen Ausgleichsanspruch auslöse und es die
Luftverkehrsunternehmen jedenfalls in gewissem Umfang in der Hand hätten, die Rechtsfolgen einer Annullierung durch - in der Dauer nicht begrenzte -
Verschiebungen der Abflugzeit zu umgehen (BGH, Beschluss vom 17. Juli 2007 - X ZR 95/06, NJW 2007, 3437 Rn. 18 ff.). Diesem Ansatz ist der
Unionsgerichtshof nicht gefolgt, weil die Verordnung eine zeitliche Grenze für Verspätungen nicht bestimmt hat, hat aber gleichwohl die Rechtsfolgen einer
Annullierung in angepasster Form für anwendbar erklärt. Diese methodische Differenz ist nicht geeignet, den Vorwurf einer Missachtung der Bindung des
Richters an das Gesetz zu begründen. Vielmehr hat sich der Unionsgerichtshof der richterlichen Aufgabe gestellt, diejenige Lücke zu füllen, die der
Verordnungstext dadurch gelassen hat, dass er einerseits auch für erheblich verspätete Flüge keinen Ausgleichsanspruch vorsieht und andererseits kein
objektives, dem Einfluss des betroffenen Luftverkehrsunternehmens entzogenes Kriterium dafür formuliert, wann eine Verspätung unter Berücksichtigung des
Schutzzwecks der Verordnung wie oder als eine Annullierung angesehen werden muss. Dementsprechend sieht nunmehr auch der Vorschlag der Kommission
vom 13. März 2013 für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rats zur Änderung der Fluggastrechteverordnung (COM (2013) 130 final) vor,
für große Verspätungen in Art. 6 Abs. 2 und für verpasste Anschlussflüge in einem neuen Art. 6a zeitliche Grenzen für die verzögerte Ankunft am Endziel zu
bestimmen, jenseits deren ein Ausgleichsanspruch nach Art. 7 FluggastrechteVO bestehen soll.
Vor diesem Hintergrund ist es nur folgerichtig, wenn der Unionsgerichtshof in seinem Urteil vom 26. Februar 2013 (C-11/11 - Air France/Folkerts) bei
verspäteten Flügen für den Ausgleichsanspruch nur die verspätete Ankunft in den Blick nimmt. Mit der Schaffung eines von der Verordnung nicht
vorgesehenen Tatbestands der Ankunftsverspätung hat dies nichts zu tun. Vielmehr entspricht es dem Regelungskonzept der Fluggastrechteverordnung, dass es
bei einem erheblich verspäteten Flug für die am Abflugort zu erbringenden Unterstützungsleistungen nach den Art. 8 und 9 auf die Abflugzeit, beim
Ausgleichsanspruch aber - nicht anders als bei der Annullierung - auf die für das Maß der Beeinträchtigung maßgebliche Ankunftszeit ankommt. ..."
***
Eine Weigerung, den Fluggast zu befördern, kann grundsätzlich nur dann angenommen werden, wenn sie diesem gegenüber auch zum Ausdruck gebracht wird
(BGH, Beschluss vom 16.04.2013 - X ZR 83/12).
***
Besteht eine Flugreise aus zwei oder mehr Flügen, die jeweils von einer Fluggesellschaft unter einer bestimmten Flugnummer für eine bestimmte Route
angeboten werden, ist die Anwendbarkeit der Fluggastrechteverordnung für jeden Flug gesondert zu prüfen. Dies gilt auch dann, wenn die Flüge von
derselben Fluggesellschaft durchgeführt werden und als Anschlussverbindung gemeinsam gebucht werden können (Bestätigung von BGH, Urteil vom
28. Mai 2009, Xa ZR 113/08, NJW 2009, 2743; BGH, Urteil vom 13.11.2012 - X ZR 12/12).
***
„... Die Kläger begehren jeweils eine Ausgleichszahlung in Höhe von 600 € gemäß § 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen
Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der
Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/2001, ABl. Nr. L 46 S. 1
(nachfolgend: Fluggastrechteverordnung FluggastrechteVO), pauschalen Schadenersatz von jeweils 20 € für nicht gewährte Betreuungsleistungen sowie
Freistellung von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten.
Die Kläger buchten bei der Beklagten, einem Luftverkehrsunternehmen mit Sitz im Sultanat Oman, einen Flug von Frankfurt am Main nach Bangkok über
Maskat und zurück. Der Hinflug von Frankfurt am Main nach Maskat mit der Flugnummer … erfolgte planmäßig. In Maskat traten die Kläger den
Anschlussflug mit der Flugnummer … nach Bangkok an, der jedoch erst rund 8 Stunden später als vorgesehen startete, so dass die Fluggäste etwa 8 Stunden
später als geplant in Bangkok eintrafen.
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Kläger ist ohne Erfolg geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgen
die Kläger ihren Berufungsantrag weiter. ...
1. Die auch vom Revisionsgericht von Amts wegen zu prüfende internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte ist mit dem Berufungsgericht zu bejahen.
Sie ergibt sich in entsprechender Anwendung des § 39 ZPO jedenfalls daraus, dass die Beklagte in der mündlichen Verhandlung die erhobene Rüge mangelnder
internationaler Zuständigkeit ausdrücklich nicht aufrechterhalten und die Sachentscheidung des Berufungsgerichts verteidigt hat.
2. Das Berufungsgericht hat den Klägern zu Recht einen Ausgleichsanspruch nach Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Buchst. c FluggastrechteVO wegen der Verspätung des
Flugs von Maskat nach Bangkok versagt.
a) Ein Ausgleichsanspruch nach dieser Vorschrift steht den Fluggästen eines Flugs zu, wenn in einer anderen Vorschrift der Verordnung auf Art. 7 Bezug
genommen wird (Art. 7 Abs. 1 Satz 1). Art 5 Abs. 1 Buchst. c FluggastrechteVO bestimmt insoweit, dass das ausführende Luftverkehrsunternehmen bei
Annullierung eines Fluges den betroffenen Fluggästen grundsätzlich eine Ausgleichsleistung nach Art. 7 schuldet. Eine entsprechende Ausgleichsleistung ist
nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH, Urteil vom 19. November 2009 C-402/07, Slg. 2009, I-10923 = NJW 2010, 43 =
RRa 2010, 93 Sturgeon/Condor; Urteil vom 23. Oktober 2012 C-581/10 Nelson/Lufthansa), der der Bundesgerichtshof beigetreten ist (BGH, Urteil vom 18.
Februar 2010 Xa ZR 95/06, NJW 2010, 2281 = RRa 2010, 93), gegenüber den Fluggästen eines verspäteten Fluges zu erbringen, wenn diese infolge der
Verspätung einen erheblichen Zeitverlust bei der Ankunft an ihrem letzten Zielort erleiden (Art. 7 Abs. 1 Satz 2 FluggastrechteVO).
b) Der Begriff des Fluges ist nicht nach nationalem Luftbeförderungsrecht zu bestimmen, sondern wird von der Fluggastrechteverordnung autonom definiert.
Sie enthält allerdings keine ausdrückliche Definition, insbesondere nicht in Art. 2, der die Bedeutung verschiedener Begriffe bestimmt. Die Definition des Flugs
ist daher aus Sinn und Zweck der Fluggastrechteverordnung und insbesondere derjenigen Vorschriften der Verordnung zu entwickeln, die sich dieses Begriffs
bedienen (EuGH, Urteil vom 10. Juli 2008 C-173/07, Slg. 2008 I-5252 = NJW 2008, 2697 = RRa 2008, 237 Rn. 28 Emirates/Schenkel).
Einen entscheidenden Hinweis darauf, was Flug im Sinne der Verordnung ist, gibt dabei bereits Art. 3 Abs. 1 FluggastrechteVO, der bestimmt, dass die
Verordnung für Fluggäste gilt, die auf Flughäfen auf dem Gebiet der Europäischen Union einen Flug antreten oder die sofern das ausführende
Luftverkehrsunternehmen ein Luftverkehrsunternehmen der Gemeinschaft ist von einem Flughafen eines Drittstaates einen Flug zu einem Flughafen auf dem
Gebiet der Union antreten. Die Verordnung bezieht sich damit auf die (Gesamtheit der) Fluggäste eines Fluges, der von einem bestimmten
Luftverkehrsunternehmen auf einer bestimmten Flugroute ausgeführt wird und mit dem die Fluggäste von einem Flughafen A zu einem Flughafen B befördert
werden (BGH, Urteil vom 28. Mai 2009 Xa ZR 113/08, NJW 2009, 2743). Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den weiteren Sprachfassungen der
Verordnung (so bereits EuGH, Urteil vom 10. Juli 2008 C-173/07 Rn. 24 f. Emirates/Schenkel), die zwar etwa in der englischen oder französischen Fassung in
Art. 3 Abs. 1 selbst den Begriff des Fluges nicht erwähnen, jedoch in Art. 3 Abs. 2 auf ihn Bezug nehmen ("the flight concerned"; "le vol concerné"). Der
Gerichtshof der Europäischen Union hat dies dahin ausgedrückt, dass es bei einem Flug im Sinne der Verordnung im Wesentlichen um einen
Luftbeförderungsvorgang handele, der in gewisser Weise eine "Einheit" dieser Beförderung darstelle, die von einem Luftfahrtunternehmen durchgeführt werde,
das die entsprechende Flugroute festlege (EuGH, Urteil vom 10. Juli 2008 C-173/07 Rn. 40 Emirates/). Eine einheitliche Buchung wirkt sich auf die
Eigenständigkeit zweier Flüge nicht aus (EuGH, Urteil vom 10. Juli 2008 C-173/07 Rn. 51 Emirates/Schenkel).
Den individuellen Reiseplan des einzelnen Fluggastes und den von ihm abgeschlossenen Beförderungsvertrag nimmt die Verordnung nicht in den Blick,
sondern betrachtet die Fluggäste eines Flugs sozusagen als Kollektiv, dessen Mitgliedern bei einem in den Anwendungsbereich der Verordnung fallenden Flug
bestimmte Rechte eingeräumt werden, die grundsätzlich unabhängig davon sind, ob die einzelnen Fluggäste nur diesen Flug oder auch weitere, dem
betreffenden Flug vorangehende oder sich an ihn anschließende Flüge gebucht haben und von welchem Luftverkehrsunternehmen diese weiteren Flüge
durchgeführt werden. Die Verordnung spricht deswegen auch regelmäßig nicht von (individuellen) Ansprüchen des einzelnen Fluggastes, sondern von Rechten
der Fluggäste. Auch inhaltlich sind diese Rechte auf die Gesamtheit der Fluggäste eines Fluges, bezogen, wie etwa Art. 5 deutlich macht, nach dem bei
Annullierung eines Flugs gegenüber den Fluggästen dieses Flugs, d.h. denjenigen, die wie immer ihr individueller Reiseplan aussehen mag über eine bestätigte
Buchung für die unter einer bestimmten Flugnummer von einem bestimmten Luftverkehrsunternehmen auszuführende "Luftbeförderungseinheit" verfügen,
Unterstützungsleistungen nach Art. 8 und Betreuungsleistungen nach Art. 9 der Verordnung sowie Ausgleichszahlungen zu erbringen sind. Ähnliches gilt nach
Art. 6 im Verspätungsfall. Die Verpflichtung zu Betreuungsleistungen nach Art. 9 knüpft daran an, dass für ein ausführendes Luftverkehrsunternehmen
vernünftigerweise absehbar ist, dass sich der Abflug gegenüber der planmäßigen Abflugzeit erheblich verzögern wird. Sie kann nicht anders verstanden werden
als eine Verpflichtung gegenüber der Gesamtheit der von der Abflugverspätung eines konkreten Fluges betroffenen Fluggäste. Der Gerichtshof der
Europäischen Union hat in diesem Zusammenhang auch darauf hingewiesen, dass die Verordnung davon ausgehe, dass die Störungen des vorgesehenen
Flugablaufs, an die die Verpflichtungen des Luftverkehrsunternehmens anknüpfen, bei einem Flug nur einmal auftreten könnten, und die Fluggäste deshalb den
ihnen gewährten Schutz nur einmal in Anspruch nehmen könnten (EuGH, Urteil vom 10. Juli 2008 C-173/07 Rn. 36 Emirates/Schenkel); auch dazu stünde es
in Widerspruch, wenn bei einer Anschlussverbindung die Verspätungen des Erst- und des Zweitfluges als zwei Verspätungen ein- und desselben Flugs gewertet
würden oder die zweite Verspätung als nicht den Abflug eines einheitlichen Flugs betreffend außer Betracht gelassen werden müsste.
Für Ausgleichszahlungen gilt nichts anderes. Der Ausgleichsanspruch knüpft ebenso wie die anderen Fluggastrechte an den Flug an, der annulliert oder
verspätet durchgeführt worden ist oder auf dem Fluggästen die Beförderung verweigert worden ist. Lediglich bei der Höhe der Ausgleichszahlung
berücksichtigt die Verordnung (in pauschalierter Weise), dass die einzelnen Fluggäste durch die Annullierung eines Fluges oder durch die Verweigerung der
Beförderung in unterschiedlicher Weise betroffen sein können, je nachdem, wie sich diese Maßnahme auf die Erreichung ihres individuellen Endziels auswirkt.
Nach Art. 7 Abs. 1 Satz 2 FluggastrechteVO wird deshalb bei der Ermittlung der für die Höhe der Ausgleichszahlung maßgeblichen Entfernung der letzte
Zielort zugrunde gelegt, an dem der Fluggast (hier und nur hier verwendet die Verordnung im erörterten Zusammenhang den Singular) infolge der
Nichtbeförderung oder der Annullierung später als zur planmäßigen Ankunftszeit ankommt.
Der Senat kann diese Auslegung seiner Entscheidung zugrunde legen, ohne eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union einzuholen. Der
Gerichtshof hat zwar ausdrücklich nur entschieden, dass bei einer einheitlichen Buchung eines Hin- und Rückflugs zwei Flüge im Sinne der Verordnung
vorliegen. Die hierfür vom Gerichtshof gegebene Begründung gilt jedoch gleichermaßen für eine Flugreise, die sich aus zwei unterschiedlichen Flügen im
Sinne von jeweils von einem Luftverkehrsunternehmen unter einer bestimmten Flugnummer auf einer bestimmten Route durchgeführten
Luftbeförderungsvorgängen zusammensetzt, und entspricht, wie ausgeführt, dem Grundkonzept der Verordnung, zu dem die Zusammenfassung zweier oder
mehrerer Flüge zu einem aus der Sicht des einzelnen Fluggastes und seiner Reiseroute definierten einzigen "Flug" in einen unheilbaren Widerspruch träte.
c) Danach hat das Berufungsgericht zutreffend angenommen, dass den Klägern ein Ausgleichsanspruch nicht zusteht. Dem Anwendungsbereich der
Verordnung unterfällt nur der Flug von Frankfurt am Main nach Maskat. Er wurde weder annulliert, noch war er verspätet oder wurde den Klägern die
Beförderung verweigert. Auf den erheblich verspäteten Flug von Maskat nach Bangkok kann die Verordnung hingegen weder nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. a noch
nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. b FluggastrechteVO angewendet werden. ..." (BGH, Urteil vom 13.11.2012 - X ZR 14/12)
***
Ruft eine Gewerkschaft im Rahmen einer Tarifauseinandersetzung die Piloten eines Luftverkehrsunternehmens zur Arbeitsniederlegung auf, kann dies
außergewöhnliche Umstände im Sinne des Art. 5 Abs. 3 der Fluggastrechtsverordnung zur Folge haben. Das Luftverkehrsunternehmen ist in diesem Fall davon
befreit, Ausgleichszahlungen für die Annullierung derjenigen Flüge zu leisten, die es absagt, um den Flugplan an die zu erwartenden Auswirkungen des
Streikaufrufs anzupassen (BGH, Urteil vom 21.08.2012 - X ZR 138/11).
***
Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden gemäß Art. 267 AEUV zur Auslegung von Art. 6 und Art. 7 der Verordnung (EG) 261/2004 des Parlaments
und des Rates über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung
oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 vom 11. Februar 2004 (ABl. EG L 46 vom 17. Februar 2004 S. 1
ff.) folgende Fragen vorgelegt:
a) Steht dem Fluggast eine Ausgleichszahlung nach Art. 7 der Verordnung zu, wenn sich der Abflug um eine Zeitspanne verzögert hat, die unterhalb der in Art.
6 Abs. 1 der Verordnung definierten Grenzen liegt, die Ankunft am letzten Zielort aber mindestens drei Stunden nach der planmäßigen Ankunftszeit erfolgt?(Rn.12)
b) Für den Fall, dass die erste Frage zu verneinen ist:
Ist für die Frage, ob eine Verspätung im Sinne von Art. 6 Abs. 1 der Verordnung vorliegt, bei einem aus mehreren Teilstrecken zusammengesetzten Flug auf die
einzelnen Teilstrecken oder auf die Entfernung zum letzten Zielort abzustellen? (BGH, EuGH-Vorlage vom 09.12.2010 - Xa ZR 80/10)
***
Dem Gerichtshof der Europäischen Union wird gemäß Art. 267 AEUV zur Auslegung von Art. 6 und Art. 7 der Verordnung (EG) 261/2004 des Parlaments und
des Rates über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder
großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 vom 11. Februar 2004 (ABl. EG L 46 vom 17. Februar 2004 S. 1 ff.)
folgende Frage vorgelegt:
Steht dem Fluggast eine Ausgleichszahlung nach Art. 7 der Verordnung zu, wenn sich der Abflug um eine Zeitspanne verzögert hat, die unterhalb der in Art. 6
Abs. 1 der Verordnung definierten Grenzen liegt, die Ankunft am letzten Zielort aber mindestens drei Stunden nach der planmäßigen Ankunftszeit
erfolgt? (BGH, Beschluss vom 16.06.2011 - X ZR 123/10 & X ZR 150/10)
***
Bei einer großen Verspätung im Sinne des Art. 6 Abs. 1 FluggastrechteVO steht dem Fluggast wie bei einer Annullierung des Flugs ein Anspruch auf eine
Ausgleichszahlung nach Art. 7 zu, sofern er sein Endziel nicht früher als drei Stunden nach der geplanten Ankunftszeit erreicht und die große Verspätung nicht
auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn von dem Luftfahrtunternehmen alle zumutbaren
Maßnahmen ergriffen worden wären (im Anschluss an EuGH RRa 2009, 282 = NJW 2010, 43 - Sturgeon/Condor; BGH, Urteil vom 18.02.2010 - Xa ZR 95/06
zu FluggastrechteVO Art. 6 Abs. 1, Art. 7 Abs. 1, Art. 5 Abs. 3).
***
Auf Ansprüche auf Ausgleichszahlungen nach der Fluggastrechteverordnung ist die Ausschlussfrist des Art. 35 I des Montrealer Übereinkommens weder
unmittelbar noch entsprechend anzuwenden. Solche Ansprüche unterliegen, wenn deutsches Sachrecht anwendbar ist, der Regelverjährung nach § 195 BGB
(BGH, Urteil vom 10.12.2009 - Xa ZR 61/09).
***
Im Falle des Code-Sharing ist nur dasjenige Luftfahrtunternehmen, das den Flug tatsächlich durchführt, ausführendes Luftfahrtunternehmen i.S. des Art. 2 lit. b
Fluggastrechteverordnung und damit im Falle der Annullierung des Flugs zu Unterstützungsleistungen und Ausgleichsleistungen verpflichtet (BGH, Urteil vom
26.11.2009 - Xa ZR 132/08).
***
Technische Defekte, wie sie beim Betrieb eines Flugzeugs gelegentlich auftreten können, begründen für sich gesehen keine außergewöhnlichen Umstände, die
das Luftfahrtunternehmen von der Verpflichtung befreien können, bei einer aufgrund des Defekts erforderlichen Annullierung des Flugs die nach Art. 7 der
Verordnung (EG) Nr. 261/2004 vorgesehene Ausgleichszahlung zu leisten. Dies gilt auch dann, wenn das Luftfahrtunternehmen alle vorgeschriebenen oder
sonst bei Beachtung der erforderlichen Sorgfalt gebotenen Wartungsarbeiten frist- und ordnungsgemäß ausgeführt hat (BGH, Urteil vom 12.11.2009 - Xa ZR
76/07 zu FluggastrechteVO Art. 5 Abs. 3).
***
Dem EuGH werden zur Auslegung von Art. 5 III der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. 2. 2004 über eine
gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung
von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 (ABlEG Nr. L 46, S. 1) folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Kann ein technischer Defekt, auf den eine Annullierung zurückgeht, ein außergewöhnlicher Umstand i.S. des Art. 5 III sein?
2. Falls ja: Schließt der Begriff des außergewöhnlichen Umstands als technischen Defekt auch solche Mängel ein, die die Lufttüchtigkeit des Flugzeugs oder die
sichere Durchführung des Flugs beeinträchtigen?
3. Hätte das ausführende Luftfahrtunternehmen alle zumutbaren Maßnahmen getroffen, wenn es das für das betroffene Flugzeug geltende Wartungs- und
Instandhaltungsprogramm des Herstellers sowie Sicherheitsnormen und Auflagen der zuständigen Behörden oder Hersteller eingehalten hat oder sich der Fehler
auch dann nicht hätte vermeiden lassen, wenn es dieses Programm oder die Anweisung eingehalten bzw. beachtet hätte?
4. Falls Frage 3 bejaht wird: Ist dies ausreichend, um das Luftfahrtunternehmen von der Verpflichtung zur Leistung von Ausgleichszahlungen zu befreien oder
ist weitergehend der Nachweis zu verlangen, dass auch die Annullierung, das heißt die Außerbetriebsetzung des betroffenen Flugzeugs und die Streichung des
Flugs wegen Fehlens einer Ersatzmaschine bei Ergreifen aller zumutbaren Maßnahmen nicht vermieden worden wäre? (BGH, Vorlagebeschluss vom
14.10.2008 - X ZR 35/08 zu Verordnung (EG) Nr. 261/2004 Art. 5 I lit.c, III, Art. 7 I 1 lit.a)
***
Ansprüche auf Ausgleichszahlungen gemäß Art. 7 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates über eine gemeinsame
Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen
(kurz: Verordnung) können nicht gegen den Reiseveranstalter, sondern nur gegen das ausführende Luftfahrtunternehmen geltend gemacht werden, das
gegebenenfalls nach Art. 13 der Verordnung Regress nehmen kann. Dass nur das ausführende Luftfahrtunternehmen zur Ausgleichszahlung gemäß Art. 7
verpflichtet ist, ergibt sich zunächst aus dem Wortlaut der Verordnung. Denn Art. 4 Abs. 3 und Art. 5 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung bestimmen
ausdrücklich, dass im Fall der Nichtbeförderung oder Annullierung eines Flugs das ausführende Luftfahrtunternehmen neben Unterstützungsleistungen auch
Ausgleichsleistungen gemäß Art. 7 zu erbringen hat. Reiseunternehmen nennt die Verordnung in diesem Zusammenhang nicht. Nach der Legaldefinition des
Art. 2 Buchst. b der Verordnung ist "ausführendes Luftfahrtunternehmen" ein Luftfahrtunternehmen, das im Rahmen eines Vertrages mit einem Fluggast oder
im Namen einer anderen - juristischen oder natürlichen - Person, die mit dem betreffenden Fluggast in einer Vertragsbeziehung steht, einen Flug durchführt
oder durchzuführen beabsichtigt. Demgegenüber bezeichnet die Verordnung gemäß Art. 2 Buchst. d mit "Reiseunternehmen" einen Veranstalter i.S. von Art. 2
Nr. 2 der Richtlinie 90/314/EWG des Rates vom 13. Juni 1990 über Pauschalreisen mit Ausnahme von Luftfahrtunternehmen. Nach der Legaldefinition der
Verordnung sind mithin Pauschalreiseveranstalter gerade keine ausführenden Luftfahrtunternehmen; vielmehr unterscheidet die Verordnung in Art. 2
ausdrücklich zwischen ausführenden Luftfahrtunternehmen und Reiseunternehmen und legt im folgenden nur den ausführenden Luftfahrtunternehmen die
Verpflichtung zu Ausgleichszahlungen auf. Dass Anspruchsgegner nur das ausführende Luftfahrtunternehmen ist, ergibt sich nicht zuletzt auch aus dem
Schutzzweck der Verordnung, wie er in den Erwägungsgründen beschrieben ist. Danach soll ein hohes Schutzniveau für Fluggäste sichergestellt und den
Erfordernissen des Verbraucherschutzes in vollem Umfang Rechnung getragen werden. Die Verordnung ersetzt die Verordnung (EWG) 295/91 des Rates vom
4. Februar 1991 über eine gemeinsame Regelung für ein System von Ausgleichsleistungen bei Nichtbeförderung im Linienflugverkehr, die bereits Ansprüche
gegen Luftfahrtunternehmen regelte, jedoch noch nicht Annullierungen und Verspätungen umfasste. Mit der Neuregelung beabsichtigte der Verordnungsgeber,
die vorhandenen Schutzstandards zu erhöhen und die Geschäftstätigkeit der Luftfahrtunternehmen zu harmonisieren (Erwägungsgrund 4). Auch sollte der
Schutz der Fluggäste auf den Bedarfsflugverkehr einschließlich der Flüge bei Pauschalreisen erweitert werden (Erwägungsgrund 5). Durch die Neuregelung
sollte also der Anwendungsbereich der Verordnung gegenüber der Vorgängerverordnung erweitert werden, nicht aber der Kreis der Anspruchsgegner (BGH,
Beschluss vom 11.03.2008 - X ZR 49/07).
*** (OLG)
„... I. Die Parteien streiten um Ausgleichsansprüche nach Artikel 7 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlamentes und des Rates
vom 11.02.2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei
Annullierung oder großer Verspätung von Flügen (im Folgenden: die Verordnung) wegen der Annullierung eines vom Kläger für den 10.12.2010 für 24
Passagiere gebuchten Fluges von Berlin nach Rom. ...
Das Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung von 6.000,00 € nebst Zinsen und zur Zahlung vorgerichtlicher Anwaltskosten in Höhe von 603,93 € nebst Zinsen
verurteilt und ausgesprochen, dass die Klage im Übrigen abgewiesen werde. Der Kläger habe einen Anspruch auf Entschädigung in Höhe von 250,00 € je
Fluggast aus Art. 7 Abs. 1 b, 5 Abs. 1 c der Verordnung. Der von der Beklagten als Ursache für die Annullierung behauptete Mangel an Enteisungsmitteln sei
kein den Anspruch ausschließender „außergewöhnlicher Umstand" im Sinne des Art. 5 Abs. 3 der Verordnung, denn die Beschaffung von Enteisungsmitteln sei
ein von der Beklagten beherrschbarer Vorgang gewesen. Ein Anspruch auf Ersatz der vom Kläger im Einzelnen dargelegten Schäden bestehe daneben nicht, da
der Fluggast nur entweder den pauschalen oder den konkreten Ausgleich beanspruchen könne. ...
II. Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 517, 519, 520 ZPO).
Soweit die Beklagte die Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils beantragt, war dies im Lichte der Berufungsbegründung als Antrag auf Abänderung zu
verstehen, weil die Beklagte nichts vorträgt, was eine Aufhebung nach § 538 Abs. 2 Satz 1 ZPO rechtfertigen würde, und auch die Zurückverweisung nicht beantragt.
A. Hinsichtlich der Verurteilung zur Zahlung vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten ist die Berufung begründet, weil diese Verurteilung erstinstanzlich nicht
mehr beantragt war.
B. Hinsichtlich der Verurteilung zur Zahlung einer pauschalen Entschädigung in Höhe von 6.000,00 € ist die Berufung unbegründet. Das Landgericht hat dem
Kläger im Ergebnis zu Recht einen Anspruch auf Ausgleichszahlung aus Artikel 7 Abs. 1 Buchst. a) i. V. m. Artikel 5 Abs. 1 Buchst. c) der Verordnung i. V.
m. § 398 BGB zugesprochen. Nach diesen Vorschriften hat der Fluggast im Fall der Annullierung eines Fluges bei Flügen über eine Entfernung von 1.500 km
oder weniger einen Anspruch auf Ausgleichszahlungen in Höhe von 250,00 €, wenn nicht eine der Ausnahmeregelungen aus Artikel 5 Abs. 1 c) oder Abs. 3 der
Verordnung gilt.
Die Beklagte hat keine Tatsachen vorgetragen, auf deren Grundlage sie gemäß Art. 5 Abs. 3 oder Abs. 1 c) iii) der Verordnung von ihrer Verpflichtung zum
Schadensersatz aus Artikel 7 der Verordnung befreit wäre.
1) Artikel 5 Abs. 3 der Verordnung
Nach Artikel 5 Abs. 3 der VO ist ‚ein ausführendes Luftfahrtunternehmen […] nicht verpflichtet, Ausgleichszahlungen gemäß Artikel 7 zu leisten, wenn es
nachweisen kann, dass
[1)] die Annullierung auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich
[2)] auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären'.
Darlegungs- und beweisbelastet für diese Ausnahme ist schon nach dem Wortlaut der Vorschrift („wenn es nachweisen kann") die Beklagte. Die Beklagte hat
nicht dargelegt, dass die Annullierung des streitgegenständlichen Fluges auf „außergewöhnliche Umstände" im Sinne der Vorschrift zurückging.
a) Außergewöhnliche Umstände
Nach der vom Landgericht zutreffend zitierten Rechtsprechung des EuGH können Umstände im Zusammenhang mit der Annullierung eines Fluges nur dann als
„außergewöhnlich" im Sinne von Art. 5 Abs. 3 der Verordnung qualifiziert werden, wenn sie ein Vorkommnis betreffen, das
a) nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des betroffenen Luftfahrtunternehmens ist und
b) aufgrund seiner Natur oder Ursache von ihm tatsächlich nicht zu beherrschen ist
(vgl. EuGH Urteil vom 22.12.2008, Az. C 549-07 - Wallenthin-Herman/Alitalia - Rdnr. 23; BGH Urteil vom 12.11.2009, Az. Xa ZR 76/07, zitiert nach Juris,
dort Rdnr. 13).
aa) Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des betroffenen Luftfahrtunternehmens
Der EuGH hat technische Probleme, die der Betrieb technologisch komplexer Flugzeuge unausweichlich mit sich bringe, nicht als „außergewöhnliche
Umstände" in diesem Sinne angesehen (EuGH a. a. O. Rdnr. 24 f.). Die Behebung eines technischen Problems, das auf eine fehlerhafte Wartung
zurückzuführen sei oder sich bei einer Wartung zeige, sei Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des Luftfahrtunternehmens. Technische Probleme könnten
dann zu solchen außergewöhnlichen Umständen gerechnet werden, wenn sie auf Vorkommnisse zurückzuführen seien, die nicht Teil der normalen Ausübung
der Tätigkeit des betroffenen Luftfahrtunternehmens seien und von ihm tatsächlich nicht beherrscht werden können (EuGH a. a. O., Rdnr. 26), wie etwa
Sabotage oder Terroranschläge.
Nach diesen Maßstäben ist das Urteil des Landgerichts in der Hauptsache im Ergebnis nicht zu beanstanden. Es stellt keinen „außergewöhnlichen Umstand" im
Sinne des Art. 5 Abs. 3 der Verordnung dar, dass die Flugzeuge der Beklagten mangels Enteisungsmittels nicht enteist werden konnten, wie sie behauptet. Nach
dem eigenen unbestrittenen Vortrag der Beklagten müssen Flugzeuge bei winterlichen Wetterbedingungen vor dem Start auf Anordnung des Piloten enteist
werden. Damit zählt die Enteisung vor Flügen unter winterlichen Wetterbedingungen zu den zu erwartenden technischen Voraussetzungen für den Start wie
etwa die Betankung mit Kraftstoff. So wie ein technischer Fehler, der sich auch bei ordnungsgemäßer Wartung nicht vermeiden lässt, stellt sich ein Mangel an
Betriebsstoffen wie Enteisungsmittel, der sich auch bei angemessener Bevorratung nicht vermeiden lässt, als Teil der normalen Tätigkeit eines
Luftfahrtunternehmens dar. So wie ein Luftfahrtunternehmen sicherstellen muss, dass das von ihm für einen Flug eingesetzte Flugzeug frei von technischen
Mängeln ist, die die Flugtauglichkeit beeinträchtigen, muss es dafür sorgen, dass die für den Flug erforderlichen Betriebsstoffe bereitstehen.
Die Beklagte kann sich hier auch nicht darauf berufen, dass die Enteisung im konkreten Fall nicht Teil ihrer eigenen Tätigkeit gewesen sei, weil die Enteisung
am Flughafen … allein durch die G… GmbH & Co KG im Auftrag der Flughafengesellschaft durchgeführt worden sei. Nach dem Zweck der Verordnung, die
Fluggastrechte zu stärken (vgl. den 1. und 4. Erwägungsgrund), kann es keine Rolle spielen, dass die Beschaffung und Bereitstellung des Enteisungsmittels an
dem betroffenen Flughafen einem Dritten oblag, wie die Beklagte behauptet. Aus dem 7. Erwägungsgrund der Verordnung ergibt sich, dass das
Luftfahrtunternehmen nicht einmal dann von seinen durch die Verordnung geschaffenen Verpflichtungen frei werden soll, wenn es das Flugzeug samt
Besatzung mietet. Wenn sich das Luftfahrtunternehmen aber beispielsweise nicht haftungsbefreiend darauf berufen kann, dass das gemietete Flugzeug einen
von dem Vermieter zu verantwortenden Defekt aufwies, dann kann es erst recht nicht von der Haftung befreit sein, wenn ein beauftragter Dritter für den Flug
notwendige Leistungen nicht erbracht hat. Für dieses Verständnis spricht auch, dass bei der Auslegung des Begriffs „außergewöhnliche Umstände" der
Grundsatz zu beachten ist, dass Ausnahmen von Bestimmungen, die Fluggästen Rechte gewähren, eng auszulegen sind (vgl. EuGH, a. a. O. Rdnr. 20 und Urteil
vom 04.10.2012, Az. C-22/11 - Lassooy/ Finnair Oyi - Rdnr. 38).
Es kann deshalb hier dahinstehen, ob die Enteisung am Flughafen … ausschließlich durch die von der Flughafengesellschaft beauftragte G… GmbH & Co KG
durchgeführt wurde und die Beklagte daher keinen direkten Einfluss auf deren Tätigkeit hatte, wie sie behauptet. Auf die Beeinflussbarkeit der Enteisung durch
die Beklagte kommt es nach der Definition des EuGH nur an, wenn die Enteisung nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit eines Luftfahrtunternehmens ist.
Das bis zum Tag der Verkündung des vorliegenden Urteils nicht veröffentlichte Urteil des BGH vom 26.09.2013, Az. X ZR 160/12, zwingt nach dem Inhalt der
dazu herausgegebenen Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs Nr. 155/2013 nicht zu einer abweichenden Bewertung. Laut der Pressemitteilung soll der BGH
entschieden haben, dass eine Beschädigung des Triebwerks durch Vogelschlag beim Landeanflug einen außergewöhnlichen Umstand darstelle. Vogelschlag
wirke von außen auf den Flugverkehr ein, sei für das Luftverkehrsunternehmen nicht vorhersehbar und auch nicht beherrschbar. Etwa mögliche
Vogelvergrämungsmaßnahmen fielen nicht in den Verantwortungsbereich des Luftverkehrsunternehmens, sondern des Flughafenbetreibers.
Der Fall des Vogelschlags erscheint nicht vergleichbar mit dem vorliegenden. Vogelschlag ist ein Vorkommnis, das von außen in den Flugbetrieb eingreift und
nicht zu seiner ordnungsgemäßen Durchführung zählt. Maßnahmen zur Vermeidung von Vogelschlag können nicht bezogen auf einen konkreten Flug getroffen
werden, weil nicht absehbar ist, wo Vögel die Flugbahn eines bestimmten Flugzeuges kreuzen. Vogelvergrämungsmaßnahmen, die Vögel vom Gebiet eines
Flughafens fernhalten, zählen ihrer Natur nach nicht zu dem Betrieb der Flugzeuge, die den Flughafen ansteuern, sondern zu dem Betrieb des Flughafens. Im
Gegensatz dazu gehört die Enteisung zur vorhersehbar notwendigen Vorbereitung eines Fluges unter winterlichen Bedingungen.
bb) Fehlende Beherrschbarkeit
Selbst wenn man der Ansicht wäre, dass es sich bei dem Mangel an Enteisungsmittel um ein Vorkommnis handelte, das nicht zur normalen Tätigkeit einer
Fluggesellschaft zählt, läge kein außergewöhnliches Ereignis im Sinne des Art. 5 Abs. 3 der Verordnung vor. Nach der Definition des EuGH wäre hierfür
nämlich zusätzlich erforderlich, dass der Mangel an Enteisungsmitteln aufgrund seiner Natur oder Ursache von der Beklagten tatsächlich nicht zu beherrschen
war (vgl. EuGH, Urteil vom 22.12.2008, Az. C 549-07 - Wallenthin-Herman/ - Rdnr. 23). Auch dies ergibt sich aus dem Vortrag der Beklagten nicht. Auf der
Grundlage der zitierten Rechtsprechung ist für die Frage, ob ein Vorkommnis seiner Natur oder Ursache nach tatsächlich zu beherrschen ist, ein
generalisierender Maßstab anzulegen. Dementsprechend hat der EuGH (a. a. O.) technische Mängel, die sich trotz der vorgeschriebenen turnusmäßigen
Wartung zeigen, nicht als außergewöhnlich betrachtet, obwohl sie - bezogen auf den Einzelfall - als tatsächlich nicht vermeidbar angesehen werden müssten.
Ein Mangel an Betriebsstoffen, die für einen Flug benötigt werden, ist nach dem vorstehend beschriebenen generalisierenden Maßstab seiner Natur nach
tatsächlich beherrschbar, denn er lässt sich im Regelfall durch eine rechtzeitige Beschaffung und Vorratshaltung in ausreichender Menge vermeiden. Ein im
Einzelfall auftretender Lieferengpass lässt einen Mangel an Enteisungsmittel daher nicht seiner Natur nach als unbeherrschbar erscheinen.
Der Mangel an Enteisungsmittel war auch nicht aufgrund seiner Ursache nicht beherrschbar. Auch wenn die Ursachen des Mangels im konkreten Fall eine
durch die Wetterlage begründete stark erhöhte Nachfrage nach Enteisungsmittel und gleichzeitige Lieferschwierigkeiten waren, wie die Beklagte behauptet, so
waren zwar diese Ursachen als solche nicht beeinflussbar. Bei der gebotenen engen Auslegung des Ausnahmetatbestandes kann allerdings nicht schon dann ein
nicht beherrschbares Vorkommnis angenommen werden, wenn seine Ursache als solche nicht beeinflussbar ist. Anderenfalls wäre jedes durch Wetter
verursachtes Vorkommnis als nicht beherrschbar anzusehen. Damit wäre Frost als nicht beherrschbares Flughindernis einzustufen, obwohl er durch Enteisung
ohne weiteres bewältigt werden kann. Entscheidend erscheint vor diesem Hintergrund vielmehr, ob die Wirkung einer bestimmten Ursache beherrschbar ist,
wobei für die Feststellung der Beherrschbarkeit nicht auf den konkreten Fall abzustellen, sondern ein generalisierender Maßstab anzulegen ist. In diesem Sinne
waren die Wirkungen der behaupteten erhöhten Nachfrage und Lieferschwierigkeiten beherrschbar, denn ihnen hätte im Vorhinein durch die Einlagerung
entsprechend großer Vorräte an Enteisungsmittel begegnet werden können.
Gegen die hier vertretene Auffassung spricht auch nicht, dass die Unterhaltung von Vorräten an Enteisungsmitteln, die auch bei Lieferschwierigkeiten jede
denkbare Nachfrage abdecken können, zusätzliche Kosten für die Dienstleister und in der Folge für die Luftfahrtunternehmen verursachen würde. Nach der
Rechtsprechung des EuGH kann nämlich die Bedeutung, die dem Ziel des Schutzes der Verbraucher und somit auch der Fluggäste zukommt, negative
wirtschaftliche Folgen selbst beträchtlichen Ausmaßes für bestimmte Wirtschaftsteilnehmer rechtfertigen (vgl. EuGH, Urteil vom 23.10.2012, Az. C-581/10
und C-629/10 - Nelson u. a./ Deutsche Lufthansa und The Queen/Civil Aviation Authority - Rdnr. 81 m. w. N.).
Auch hier kann sich die Beklagte nicht darauf berufen, dass der Mangel für sie deshalb tatsächlich nicht beherrschbar gewesen sei, weil sie aufgrund der
organisatorischen Verhältnisse am Flughafen … die Enteisung nicht selbst habe vornehmen können. Käme es für die Frage der Beherrschbarkeit darauf an, ob
das Luftfahrtunternehmen an dem konkreten Flughafen für die Bereitstellung notwendiger Betriebsstoffe eigene Versorgungseinrichtungen unterhält oder auf
Dienstleistungen Dritter angewiesen ist, dann wären die Ausgleichsansprüche des Fluggastes nach Artikel 7 der Verordnung davon abhängig, ob er eine
Fluggesellschaft nutzt, die selbst in Versorgungsanlagen investiert hat und weiter davon, dass sich diese Versorgungsanlagen gerade an dem genutzten
Flughafen befinden. Im Ergebnis wären die Fluggesellschaften, die in eine eigene Infrastruktur investiert haben, bei deren Versagen gegenüber den Fluggästen
ausgleichspflichtig, während die Fluggesellschaften, die sich auf Dienstleistungen Dritter verlassen, von der Ausgleichspflicht befreit wären. Dieses Ergebnis
widerspräche der Zielrichtung der Verordnung, den Fluggästen im Fall der Annullierung ihres Fluges wirkungsvolle Rechte zu sichern.
Dem lässt sich nicht entgegenhalten, dass die Luftfahrtunternehmen damit unbegrenzt für jede Dienstleistung Dritter hafteten. Ihre Haftung ist durch das
Erfordernis, dass es sich um ein Vorkommnis im Zusammenhang mit ihrem normalen Betrieb handeln muss, begrenzt. Danach haften sie nicht, wenn die
Dienstleistung Dritter ihrer Natur nach nicht zum normalen Betrieb eines Luftfahrtunternehmens zählt, sondern zum Beispiel zum Betrieb des Flughafens, wie
etwa die Vergrämung von Vögeln, die Reinigung der Start- und Landebahn oder die Befeuerung. Auch steht es ihnen frei, im Fall der Schlechtleistung durch
den Dienstleister von jenem Schadensersatz zu verlangen.
b) Vermeidbarkeit
Auf die Frage, ob sich der Mangel an Enteisungsmittel auch dann nicht hätte vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären im
Sinne des Artikel 5 Abs. 3 der Verordnung, kommt es nach dem Vorstehenden nicht an, weil sich der Mangel an Enteisungsmittel bereits nicht als
außergewöhnlicher Umstand darstellt.
2) Artikel 5 Abs. 1 c) iii) der Verordnung
Der Anspruch aus Artikel 7 der Verordnung ist auch nicht durch Artikel 5 Abs. 1 c) iii) der Verordnung ausgeschlossen.
Nach Artikel 5 Abs. 1 c) iii) der Verordnung besteht dann kein Ausgleichsanspruch, wenn ein Fluggast - wie hier - weniger als sieben Tage vor der
planmäßigen Abflugzeit von der Annullierung unterrichtet wurde und der Fluggast ein Angebot zur anderweitigen Beförderung erhält, das es ihm ermöglicht,
nicht mehr als eine Stunde vor der planmäßigen Abflugzeit abzufliegen und sein Endziel höchstens zwei Stunden nach der planmäßigen Abflugzeit zu
erreichen. Die insoweit darlegungs- und beweisbelastete Beklagte hat nicht vorgetragen, dass sie dem Kläger eine anderweitige Beförderung innerhalb dieses
Zeitrahmens angeboten hat. Vielmehr will sie ihm nur die kostenlose Umbuchung „zum frühestmöglichen Zeitpunkt" angeboten haben. Nach ihrem eigenen
Vortrag waren am 10. Dezember 2010 keine Plätze auf einem Flug der Beklagten mehr verfügbar. Dazu, Plätze in Flügen anderer Luftfahrtunternehmen
anzubieten, hält sie sich nicht verpflichtet und hat deshalb auch kein entsprechendes Angebot vorgetragen.
III. Über den hilfsweise geltend gemachten Anspruch auf Ersatz des konkret berechneten Schadens aus §§ 280 Abs. 1, 281, 631 BGB bzw. §§ 280 Abs. 1, 281,
283, 275, 631 BGB war nicht zu entscheiden, da dem Antrag in der Hauptsache stattgegeben wurde.
IV. Der Kläger hat gegen die Beklagte aufgrund des Anwaltsschreibens vom 10.01.2011 (Anlage K 6) einen Anspruch auf Verzugszinsen auf die
Hauptforderung aus § 288 Abs. 1 i. V. m. § 286 Abs. 1 Satz 1 BGB. Der Klageantrag war dahingehend auszulegen, dass der Kläger nicht eine einmalige
Zinszahlung, sondern Zinsen in Höhe von jährlich fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz begehrt, denn er hat sich in der Klagebegründung auf den
gesetzlichen Zinsanspruch bezogen.
Die Kostenentscheidung erster Instanz war aufrecht zu erhalten, obwohl die Verurteilung zur Zahlung der Rechtsverfolgungskosten abgeändert wurde, denn die
Klägerin hat in Höhe von etwa der Hälfte des ursprünglich geltend gemachten Betrages von 11.979,14 € obsiegt. Die Rechtsverfolgungskosten stellen sich als
Nebenforderung dar, die den für die Quotelung maßgeblichen Streitwert nicht berührt.
Die Kostenentscheidung zweiter Instanz beruht auf §§ 91, 92 Abs. 2 ZPO. Danach waren die Kosten im vorliegenden Fall ganz der Beklagten aufzuerlegen,
weil sie hinsichtlich der Hauptforderung in vollem Umfang unterliegt.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 709 Satz 2, 711 Satz 1 und 2 ZPO.
Die Revision war zuzulassen. Die Frage, ob ein Mangel an für einen Flug notwendigen Betriebsstoffen, die von Dritten im Auftrag des Flughafenbetreibers
bereitzustellen und anzuwenden sind, einen „außergewöhnlichen Umstand" im Sinne von Art. 5 Abs. 3 der Verordnung darstellt, ist eine Rechtsfrage von
grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO, die in dieser Form bisher nicht höchstrichterlich geklärt ist. ..." (OLG Brandenburg,
Urteil vom 19.11.2013 - 2 U 3/13)
***
Zur Frage, ob ein Ausgleichsanspruch wegen Nichtbeförderung gem. Art. 4 Abs. 3 i.V.m. Art. 7 Verordnung (EG) 261/2004 voraussetzt, dass es dem
Reisenden, auch wenn er bereits vor dem Zubringerflug die Boardingkarten für den Weiterflug erhalten hat, möglich gewesen wäre, sich mit seinem
Gepäckstück spätestens 45 Minuten vor der veröffentlichten Abflugszeit des Weiterfluges zur Abfertigung einzufinden (OLG Frankfurt, Urteil vom 08.09.2011
- 16 U 220/10):
„... I. Der Kläger nimmt die beklagte A-gesellschaft aus eigenem und aus abgetretenem Recht seiner acht Mitreisenden auf eine Ausgleichszahlung i.H.v.
jeweils 600 € nach Art. 4 Abs. 3, Art. 7 der Verordnung (EG) 261/2004 (im Folgenden: Verordnung) sowie auf Schadensersatz in Anspruch.
Der Kläger und seine Mitreisenden, die ihm ihre Ansprüche abtraten, buchten über das Reisebüro B GmbH & Co. KG eine Pauschalreise ab O1 via O2 nach
O3; die Flüge sollte die Beklagte durchführen. Den Reisenden wurden bereits in O1 die Bordkarten für den Anschlussflug von O2 nach O3 ausgehändigt. Die
Ankunft des Zubringerfluges ... in O2 war am ... 2009 für 11.15 Uhr vorgesehen, erfolgte aber erst um 11.35 Uhr. Die Abflugzeit des Weiterfluges ... war 12.05
Uhr; die Ankunft war für 17.10 Uhr vorgesehen. Obwohl die Reisenden noch innerhalb der Boardingtime am Gate erschienen, wurde ihnen die Mitnahme mit
der Begründung verweigert, dass ein "Security"-Problem vorliege, weil das Gepäck noch nicht von dem Flugzeug aus O1 in das Flugzeug nach O3 verladen
worden sei. Erst am Folgetag gegen 14.00 Uhr konnten die Reisenden mit C, einem Tochterunternehmen der Beklagten, nach O3 weiterfliegen.
Gegenstand der Klage sind:
- Hotelkosten für die Übernachtung in O2 1.338,24 €
- Verpflegungskosten 112,86 €
- Getränkekosten während des Weiterfluges, die während des verpassten Fluges nicht angefallen wären 18 €
- Kosten für Hygieneartikel und Wäsche angesichts der kofferlosen Übernachtung 95,03 €
- 9 × 600 € Ausgleichsansprüche wegen Nichtbeförderung gem. Art. 4 Abs. 3 i.V.m. Art. 7 Abs. 1c der Verordnung 5.400 €
Hinsichtlich weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird gem. § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 72, 73 d.A.)
Bezug genommen.
Das LG hat die auf Zahlung i.H.v. 6.964,13 € nebst Zinsen sowie Erstattung außergerichtlicher Anwaltskosten i.H.v. 603,93 € gerichtete Klage abgewiesen. Zur
Begründung hat das LG im Wesentlichen ausgeführt, dass die Beklagte mit der Nichtbeförderung der Reisenden keine Pflichtverletzung begangen habe, weil
diese zu spät zur Abfertigung erschienen seien; auch wenn die Reisenden ihre Flugtickets und Boardingpässe bereits in O1 auch für den Weiterflug von O2
erhalten hätten, sei entscheidend, dass ihr Gepäck noch nicht zur Weiterbeförderung bereit gewesen, aus Sicherheitsgründen aber eine getrennte Beförderung
von Passagier und Gepäck nicht zugelassen sei. Gegen eine Überbuchung spreche auch, dass auf dem Weiterflug noch zehn Plätze frei geblieben seien.
Überdies fehle es an der Voraussetzung des Ausgleichsanspruchs, dass sich der Fluggast 45 Minuten vor dem planmäßigen Abflug zur Abfertigung eingefunden
habe, weil zwischen der vorgesehen Ankunft des Zubringerfluges und dem Weiterflug von Anfang an nur 50 Minuten eingeplant waren.
Hinsichtlich weiterer Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Bl. 73, 74 d.A.) verwiesen.
Gegen das ihm am 15.11.2010 zugestellte Urteil hat der Kläger mit einer am 15.12.2010 bei Gericht eingegangenen Schrift Berufung eingelegt, die nach
entsprechender Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist mit einer am 15.2.2011 bei Gericht eingegangenen Schrift begründet worden ist. Der Kläger rügt
unzutreffende Tatsachenfeststellungen und Rechtsfehler.
Zum Einen ist er der Ansicht, das LG habe verkannt, dass kein Sicherheitsrisiko für die Beförderung des Klägers und seiner Mitreisenden bestanden habe, da
die separate Beförderung von Passagieren und Koffern möglich sei. Zum Anderen ist der Kläger der Meinung, dass die Beklagte zur Entlastung des von ihm
erhobenen Vorwurfs der Überbuchung hätte vortragen müssen, dass die zehn freien Sitzplätze für ihn und seine Mitreisenden bestimmt gewesen seien, zumal er
ja auch vorgetragen und unter Beweis gestellt habe, dass weiteren Fluggästen die Mitnahme im Flugzeug verweigert worden sei; diesem Vortrag hätte das LG
nachgehen müssen.
Der Kläger beantragt, unter Abänderung des Urteils des LG Frankfurt/M. vom 11.11.2010 - 2/20 O 405/09 - die Beklagte zu verurteilen, an ihn 6.964,13 € nebst
Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1.4.2009 sowie nicht anrechnungsfähige Gebühren i.H.v. 603,93 € zu zahlen. Die Beklagte
beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Sie hält die Berufung für unzulässig, da sich der Kläger in seiner
Berufungsbegründung nicht mit der Hauptargumentation des LG auseinandergesetzt habe, in der geringen Transferzeit liege der Grund für die
Nichtbeförderung. Im Übrigen bestreitet sie die Notwendigkeit der Aufwendungen für die Übernachtung in O2 und den Eintritt der Schäden.
Hinsichtlich weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst
Anlagen Bezug genommen.
II. Die Berufung ist zulässig, da sie Gründe für die Rechtsverletzung gem. § 520 Abs. 3 Nr. 2 ZPO nennt. In der Sache hat die Berufung jedoch keinen Erfolg.
Zu Recht hat das LG die Klage abgewiesen.
1. Nach Auffassung des Senats scheidet ein Ausgleichsanspruch des Klägers und seiner Mitreisenden nach Art. 4 Abs. 3 i.V.m. Art. 7 der Verordnung aus, da
es an den Voraussetzungen einer "Nichtbeförderung" fehlt.
"Nichtbeförderung" bedeutet gem. Art. 2j der Verordnung die Weigerung, Fluggäste zu befördern, obwohl sie sich unter den in Art. 3 Abs. 2 genannten
Bedingungen am Flugsteig eingefunden haben, sofern keine vertretbaren Gründe für die Nichtbeförderung gegeben sind, z.B. im Zusammenhang mit der
Gesundheit oder der allgemeinen oder betrieblichen Sicherheit oder unzureichenden Reiseunterlagen.
Art. 3 Abs. 2a der Verordnung verlangt, dass die Fluggäste sich wie vorgegeben und zu der zuvor schriftlich angegebenen Zeit zur Abfertigung einfinden oder,
falls keine Zeit angegeben wurde, spätestens 45 Minuten vor der veröffentlichten Abflugzeit zur Abfertigung einfinden.
Der Kläger und seine Mitreisenden haben sich nicht spätestens 45 Minuten vor der veröffentlichten Abflugzeit zur Abfertigung eingefunden.
Dass sie sich rechtzeitig während der Boardingtime am Gate eingefunden haben, reicht nicht, da die Reisenden über Gepäck verfügten, dass noch nicht in die
Maschine für den Weiterflug verbracht werden konnte. Unerheblich ist, dass den Reisenden bereits die Boardingkarten in O1 ausgehändigt worden sind.
Hierbei handelt es sich um einen reinen Service der Beklagten, der nicht zugleich das Beförderungsrisiko auf die Fluggesellschaft verlegt. Der Service, dass
sich die Reisenden bei einem Zubringer- und Anschlussflug nicht um ihr Gepäck kümmern müssen, bedeutet nicht, dass sie unter erleichterten Voraussetzungen
Ansprüche nach der Fluggastrechte-Verordnung herleiten können. Vielmehr müssen sie sich so behandeln lassen, als wäre ihnen das Gepäck bei Ankunft des
Zubringerfluges ausgehändigt worden. Nur wenn dann die "45 Minuten vor Abflugzeit" einzuhalten gewesen wären, sie also 45 Minuten vorher zum
Einchecken mit Koffer bereit stehen konnten, sind die Voraussetzungen einer Nichtbeförderung gegeben. Im vorliegenden Fall war dies aber unmöglich. Selbst
bei planmäßiger Ankunft des Zubringerfluges standen nur 50 Minuten bis zur Abflugzeit des Anschlussfluges zur Verfügung, so dass die 45 Minuten des Art. 3
Abs. 2a der Verordnung nicht einzuhalten gewesen sind.
Eine andere Wertung ergibt sich auch nicht auf Grund der Entscheidung des BGH vom 30.4.2009 (Xa ZR 78/08, MDR 2009, 1033 = zitiert nach juris Rz. 19),
dass - entsprechend der Entscheidung des OLG Hamburg (RRa 2008, 139) - eine Verweigerung des Einstiegs vorliegen kann, wenn Reisenden, die bereits über
Bordkarten verfügen, der Zugang zum Anschlussflug verweigert wurde, weil sie von den Luftverkehrsunternehmen im Hinblick auf ihren verspäteten
Zubringerflug bereits ohne ihre Kenntnis auf einen anderen Anschlussflug umgebucht worden waren. Darüber verhält sich der Sachvortrag im vorliegenden
Verfahren aber nicht. Von einer Umbuchung als Grund für die Einstiegsverweigerung ist keine Rede. Deshalb kommt es allein darauf an, ob sich die Passagiere
rechtzeitig zum Weiterflug einfanden, was angesichts der Zeitumstände nicht möglich war.
Im Übrigen fehlt es nach Auffassung des Senats auch nicht an einem vertretbaren Grund für eine angebliche Nichtbeförderung. Auch wenn die Beförderung von
Passagieren ohne Koffer möglich ist, soll die Trennung von Passagieren und Koffern im Flugbetrieb die Ausnahme bleiben und ist daher nicht als üblich
anzusehen, da herrenlose Koffer ein Sicherheitsproblem darstellen und grundsätzlich zu vermeiden sind. Das Kriterium der allgemeinen oder betrieblichen
Sicherheit als vertretbarer Grund für die Nichtbeförderung ist daher gegeben.
Ohne Erfolg trägt der Kläger weiter vor, dass zwar zehn Sitzplätze in der Maschine frei gewesen sein mögen, die Beklagte aber nicht vorgetragen habe, dass
diese genau für den Kläger und seine Mitreisenden vorgesehen gewesen seien. Entscheidend ist vielmehr, dass in dem Moment, als die Flugzeugtüren
schlossen, weniger Plätze frei gewesen sein müssten, als der Kläger und seine Mitreisenden gebraucht haben. Ohne Erfolg macht der Kläger schließlich auch
geltend, dass weiteren Fluggästen die Mitnahme im Flugzeug verweigert worden sei. Ob Fluggästen die Mitnahme im Flugzeug verweigert wurde, kann
dahingestellt bleiben, da es entscheidend darauf ankäme, aus welchen Gründen deren angebliche Zurückweisung erfolgte. Da das ebenfalls vertretbare Gründe
gewesen sein können, wäre dies kein Beweis für die behauptete Überbuchung.
2. Was die Ansprüche auf Ersatz der Hotelkosten, Verpflegungsaufwendungen und Kosten für die Anschaffung einiger Hygieneartikel für die erforderlich
gewordene Übernachtung anbetrifft, so können diese nicht über Art. 9 der Verordnung abgerechnet werden, weil die Voraussetzungen des Art. 4 Abs. 3 der
Verordnung aus den genannten Gründen nicht erfüllt sind. Zu den Betreuungsleistungen i.S.d. Art. 9 der Verordnung war die Beklagte mangels
"Nichtbeförderung" nicht verpflichtet, so dass ihre Nichterbringung keine Pflichtwidrigkeit darstellt und keinen Schadensersatzanspruch auslöst.
Ein Anspruch aus Art. 19 des Montrealer Übereinkommens kommt ebenfalls nicht in Betracht, weil die Verspätung des Zubringerfluges nur 20 Minuten betrug.
Hierfür müsste die Verspätung mindestens 3 Stunden betragen haben (vgl. Führich, Reiserecht, 6. Aufl., Rz. 1101). 20 Minuten sind hingegen noch ein objektiv
angemessener Zeitraum, welchen ein vernünftiger Fluggast in seine Überlegungen einbeziehen muss.
Vertragliche Schadensersatzansprüche des Klägers scheiden ebenfalls aus, weil es sich bei den Flügen um Elemente einer Pauschalreise handelte, bei denen der
Luftfrachtführer nicht Vertragspartner der Reisenden ist, sondern des Veranstalters.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 S. 2, 709 S. 2 ZPO.
Die Revision war gem. § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen, weil die Rechtsache grundsätzliche Bedeutung hat. Grundsätzliche Bedeutung hat die Frage, ob ein
Ausgleichsanspruch wegen Nichtbeförderung gem. Art. 4 Abs. 3 i.V.m. Art. 7 der Verordnung voraussetzt, dass es dem Reisenden, auch wenn er bereits vor
dem Zubringerflug die Boardingkarten für den Weiterflug erhalten hat, möglich gewesen wäre, sich mit seinem Gepäckstück spätestens 45 Minuten vor der
veröffentlichten Abflugzeit des Weiterfluges zur Abfertigung einzufinden. ..."
***
Ein Anspruch des Fluggastes auf Zahlung eines Ausgleichbetrages in entsprechender Anwendung von Art 7 Abs. 1 FluggastrechteVO wegen Verspätung eines
Fluges kommt nur in Betracht, wenn die Verspätung mehr als drei Stunden betragen hat. Wenn der Fluggast infolge der Verspätung einen Anschlussflug
verpasst hat, kann im Hinblick auf das Überschreiten der genannten Erheblichkeitsgrenze auf den Zeitpunkt der Ankunft am Zielort des Anschlussfluges
abzustellen sein. Beträgt die Verspätung danach mehr als drei Stunden, kann der Fluggast eine Ausgleichzahlung allerdings nur dann beanspruchen, wenn er
den Anschlussflug bei demselben Luftfahrtunternehmen ("ausführendes Unternehmen" gem. Art. 2b) FluggastrechteVO) gebucht hatte (OLG Köln, Beschluss
vom 14.07.2011 - 17 U 25/11 zu BGB §§ 823, 254; FluggastrechteVO Art. 5, 6, 7 Abs. 1).
***
Wird ein Linienflug aufgrund außergewöhnlicher Umstände (hier: Nebel) annulliert und verzögert sich die Rückkehr des Fluggastes aus dem Ausland deshalb
um zwei Tage, hat der Fluggast in der Zwischenzeit Anspruch auf Betreuungsleistungen, es sei denn die Annullierung ist auf außergewöhnlich Umstände
zurückzuführen (OLG Koblenz, Urteil vom 11.01.2008 - 10 U 385/07).
*** (LG)
Keine Verpflichtung der Fluggesellschaft zur Ausgleichsleistung wegen Flugverspätung nach Art. 7 der EG-VO Nr. 261/2004, wenn der Passagier während
des Wartens vom Reisevertrag zurücktritt oder selbst eine Umbuchung auf eine andere Fluggesellschaft vornimmt (LG Darmstadt, Urteil vom
18.12.2013 - 7 S 120/13).
***
„... Wie der EuGH in der Rechtssache C-402/07 (Urteil vom 19. November 2009, NJW 2010, 43 = RRa 2009, 282 - Sturgeon/Condor) auf die Vorlage des
Bundesgerichtshofs entschieden und die Große Kammer des EuGH mit Urteil vom 23. Oktober 2012 (C581/10 - Nelson/Lufthansa) bestätigt hat, können nicht
nur die Fluggäste annullierter Flüge, sondern auch die Fluggäste verspäteter Flüge den in Art. 7 der Verordnung vorgesehenen Anspruch auf Ausgleich geltend
machen, wenn sie infolge der Verspätung einen Zeitverlust von drei Stunden oder mehr erleiden, weil sie ihr Endziel nicht früher als drei Stunden nach der von
dem Luftverkehrsunternehmen ursprünglich geplanten Ankunftszeit erreichen.
Wie der EuGH in seiner Entscheidung vom 26.2.2013 (Az. C-11/11- Folkerts/Air France) zudem entschieden hat, kommt es für einen Ausgleichsanspruch
gemäß Art. 5, 7 EU-VO 261/2004 nicht auf eine Abflugverspätung an (Rn. 33). Vielmehr ist allein maßgebend, ob der Fluggast den Zielort mit einer
Verzögerung von mehr als 3 Stunden erreicht. Dies gilt nach der genannten Entscheidung auch dann, wenn die Verzögerung der Ankunft darauf
zurückzuführen ist, dass der Fluggast wegen einer Verzögerung des ersten Fluges einen geplanten Anschlussflug verpasst (Rn. 35.).
Auf der Grundlage dieser Auslegung der EU-VO 261/2004 durch den EuGH schuldet die Beklagte eine Ausgleichsleistung, weil die Kläger das Endziel in
Frankfurt am Main erst mit einer Verzögerung von ca. 4 ½ Stunden erreicht haben.
Nach der zugrunde liegenden Buchung sollte die Beklagte die Kläger am 12.8.2011 mit dem Flug x1 von Lissabon nach Madrid und mit dem Flug X2 von
Madrid nach Frankfurt am Main befördern. Der Flug von Lissabon nach Frankfurt am Main sollte in Madrid um 14.50 Uhr landen. Der Weiterflug nach
Frankfurt am Main sollte um 15.50 Uhr starten. Allerdings landete der Flug von Lissabon in Madrid erst um 15.40 Uhr, weshalb die Kläger den Flug nach
Frankfurt am Main nicht mehr erreichen konnten. Statt um 18.30 Uhr erreichten sie Frankfurt am Main mit einem anderen Flug der Beklagten (X 2) erst um
23.00 Uhr.
Aufgrund der Entfernung zwischen Lissabon und Frankfurt am Main von über 1.500 km steht den Klägern gemäß Art 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EG)
261/2004 eine Ausgleichsleistung von jeweils 400,00 € zu. ...
Zwar kann nach der Entscheidung des EuGH vom 31.1.2013 (Az. C-12/11 - McDonagh/Ryanair) ein Fluggast als Entschädigung dafür, dass das
Luftfahrtunternehmen seiner Betreuungspflicht nach den Art 5 Abs. 1 Buchst. b und 9 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 nicht nachgekommen ist, solche
Beträge erstattet bekommen, die sich in Anbetracht der dem jeweiligen Fall eigenen Umstände als notwendig, angemessen und zumutbar erweisen, um den
Ausfall der Betreuung des Fluggastes durch das Luftfahrtunternehmen auszugleichen.
Allerdings ist dem Vortrag der Kläger nicht in einer konkreten und für das Gericht nachvollziehbaren Weise zu entnehmen, dass solche Kosten in der Person
der jeweiligen Kläger angefallen sind. Insofern ist nicht nachvollziehbar, dass alle Kläger in gleicher Weise telefonieren mussten. Insbesondere für die
minderjährigen Kläger zu 3. und zu 4. ist es wenig plausibel, dass diese eigene Telefonate geführt haben. Ferner ist nicht vorgetragen, welche einzelnen
Verpflegungsleistungen die Kläger während der Wartezeit in Madrid selbst bezahlt haben. Selbst wenn Raum für eine Schadensschätzung gemäß § 287 ZPO
eröffnet wäre, so bedarf es konkreter Anhaltspunkte dafür, dass tatsächlich Getränke und Mahlzeiten erworben wurden. Solche Einzelheiten tragen die Kläger
indes nicht vor.
Da kein konkreter Schaden dargelegt wird, kann die Frage, ob auf einen solchen Schadensersatzanspruch gemäß Art 12 Abs. 1 S. 2 der Verordnung (EG)
261/2004 die Ausgleichsleistung anzurechnen ist, dahingestellt bleiben. ..." (LG Frankfurt, Urteil vom 26.07.2013 - 2/24 S 47/12)
***
Fluggäste verspäteter Flüge werden im Hinblick auf die Anwendung des Ausgleichsanspruches gem. Art. 7 VO EG Nr. 241/2004 den Fluggästen annulierter
Flüge gleich gestellt, wenn sie wegen eines verspäteten Fluges einen Zeitverlust von drei Stunden oder mehr erleiden (LG Stuttgart, Urteil vom 07.11.2012 -
13 S 95/12).
***
Voraussetzung eines Ausgleichsanspruchs wegen großer Flugverspätung ist neben der Ankunftsverspätung von mehr als drei Stunden auch eine
Abflugverspätung i.S.d. Art. 6 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 (Festhaltung LG Frankfurt, 23. September 2010, 2/24 S 44/00, RRa 2011, 44). Bei einem aus
mehreren separaten Flügen bestehenden Flug (hier: von Frankfurt nach Paris und von Paris nach Madagaskar) ist auf den Abflugort abzustellen, an dem die
große Verspätung aufgetreten ist. Nicht ausschlaggebend für die Bestimmung des Begriffs "Flug" ist, dass Erstflug und Folgeflug Teil eines Vertrages waren
und gemeinsam gebucht wurden. War der Abflug des Erstfluges pünktlich, während der Folgeflug mit großer Verspätung abflog und dementsprechend auch mit
großer Verspätung am Ankunftsflughafen ankam, so begründet dies einen Anspruch des Fluggastes auf Zahlung einer Ausgleichsleistung (Festhaltung LG
Fankfurt, 5. Januar 2012, 2/24 S 145/11, RRa 2012, 87; vergleiche EuGH, 19. November 2009, C-402/07, RRa 2009, 282 und BGH, 9. Dezember 2010, Xa ZR
80/10, RRa 201, 84). Die Kammer sieht nach dem derzeitigen Stand der Rechtsprechung keinerlei Veranlassung, von der Rechtsprechung des EuGH und des
BGH zu Ausgleichszahlungen wegen eines verspäteten Fluges nach Art. 5, 6 und 7 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 abzuweichen; dies gilt schon im
Hinblick auf die Gleichbehandlung aller Rechtssuchenden in vergleichbaren Fällen (LG Frankfurt, Urteil vom 13.09.2012 - juris - Orientierungssätze).
***
"... Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Amtsgerichts Frankfurt a/M vom 14.6.12 (Au.:30 C 1 187112 - 45) abgeändert: Dem
Kläger wird für den ersten Rechtszug Prozesskostenhilfe für die gesamte Klageforderung vom 15.5.12 (jedoch unter Berücksichtigung der Rücknahme vom
19.6.1 2 (25.-)) gewährt unter Beiordnung von RA Döhmer zu den Bedingungen eines ortsansässigen Rechtsanwalts. ...
Die sofortige Beschwerde des Klägers hat in der Sache Erfolg. Die Beschwerde ist zulässig, da der gesamte Streitwert der Hauptsache berufungsfähig ist (§ 127
II ZPO). Darauf, dass die Beschwer des Klägers die Berufungssumme nicht erreicht, kommt es nicht an. Gegenstand der Klage sind Ausgleichsansprüche für
die annullierten Flüge Nr. lB 3513 und lB 0358 am 4.4.12 sowie Nr. lB 0353 und lB 3512 am 14.4.12. Das Amtsgericht hat die jeweils hin und zurück
gebuchten Teilstrecken Frankfurt a/M - Madrid, Madrid - Alicante als einen Flug gewertet und geht davon aus, dass für die Annullierung der beiden
Teilstrecken. jeweils nur ein Ausgleichsanspruch gem. Art 7 der Fluggastrechteverordnung besteht. Der Kläger verlangt getrennt für jede Teilstrecke einen
Ausgleichsanspruch. Der Bundesgerichtshof hat die Frage, ob bei der Bemessung der Ausgleichszahlung jede Teilstrecke gesondert zu betrachten ist, offen
gelassen. Leitsatz 2 der Entscheidung vom 14.10.10 (Xa ZR 15110 zit. nach juris) erweckt zwar den Eindruck, dass nur auf die Gesamtstrecke abzustellen ist
und nur hieraus ein Ausgleichsanspruch zu berechnen ist. Die Ausführung unter Rz 41 zeigen aber, dass diese Frage offen gelassen wurde. In jener
Entscheidung hatte der Fluggast 250.- wegen der Annullierung des Fluges Berlin - Amsterdam verlangt und weitere 600.-, weil wegen der Annullierung der
ersten Teilstrecke die gebuchte Weiterbeförderung von Amsterdam nach Aruba gescheitert war. Der Bundesgerichtshof hat wegen der Annullierung des Fluges
Berlin - Amsterdam 600.- zuerkannt (Rz 14). Dabei hat er auf die Gesamtstrecke abgestellt, aber ausdrücklich offen gelassen, ob ein weitergehender Anspruch
wegen der Nichtbeförderung auf der Teilstrecke von Amsterdam nach Aruba besteht.
Da das Prozesskostenhilfeverfahren nicht dem Zweck dient, über zweifelhafte Rechtsfragen vorweg zu entscheiden, darf eine Unterinstanz die
Erfolgsaussichten nicht verneinen, wenn, wie das hier der Fall ist, eine schwierige, entscheidungserhebliche Rechtsfrage nicht geklärt ist (Zöller-Geimer § 114
Rz 21). ..." (LG Frankfurt, Beschluss vom 02.08.2012 - 2-24 T 14/12)
***
Bei der Frage der Abflugverspätung kommt es im Falle der Rückkehr des Flugzeuges zum Ausgangsflughafen nicht auf den ersten Start, sondern auf den
zweiten Start mit Beförderung der Passagiere zum Zielflughafen an (LG Darmstadt, Urteil vom 18.04.2012 - 7 S 216/11):
„... Die Kläger verlangen mit der am 27.07.2011 zugestellten Klage von der beklagten Charterfluggesellschaft Ausgleichsansprüche nach Art. 7 der
EG-Verordnung Nr. 261/2004, weil der für den 22.12.2010 gebuchte Flug […] von Frankfurt a.M. nach Male (Malediven) mit vorgesehener Abflugzeit um
20:20 Uhr nicht wie geplant durchgeführt wurde. Nach pünktlichem Start war das Flugzeug bereits in der Luft und auf dem Weg zum Bestimmungsort, wegen
eines technischen Defekts kehrte die Maschine jedoch nach Frankfurt a.M. zurück. Der erneute Start erfolgte dann am Folgetag (23.12.10) um 17:00 Uhr. Die
Kläger begehren nunmehr jeweils 600,-- € nebst Rechtshängigkeitszinsen.
Das Amtsgericht Rüsselsheim hat mit Urteil vom 16.09.2011 die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, eine nach der EG-VO allein relevante
erhebliche Abflugverzögerung liege nicht vor, da der Flug pünktlich gestartet sei. Die danach erfolgte Umkehr des Fluggerätes und die daraus resultierende
weitere Verzögerung ändere hieran nichts, zumal nicht allein auf die Ankunftsverzögerung am Zielort abgestellt werden könne.
Hiergegen haben die Kläger Berufung eingelegt mit dem Antrag, das amtsgerichtliche Urteil abzuändern und nach den erstinstanzlichen Klageanträgen zu
entscheiden. Zur Begründung wird vorgetragen, wegen der Rückkehr der Maschine komme es nicht auf den ersten Startversuch, sondern auf den zweiten Start
an, der um über 20 Stunden verspätet erfolgt sei.
Die Beklagte verteidigt das amtsgerichtliche Urteil und beantragt, die Berufung zurückzuweisen. ...
Vorab wird gemäß § 540 Abs. 1 Ziff. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen in dem erstinstanzlichen Urteil des Amtsgerichts Rüsselsheim verwiesen.
Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit dieser entscheidungserheblichen Feststellungen (§ 529 Abs. 1 Ziff.1 ZPO) sind mit
Ausnahme des dort wie schon von den Klägern falsch mitgeteilt mit 05:00 Uhr angegebenen Zeitpunkts des zweiten Starts (richtig: 17:00 Uhr) nicht ersichtlich.
Auf Grund dieser rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen und des weiteren Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz ist die Klage in Höhe von
600,-- € für jeden der Kläger begründet.
Auch die erkennende Kammer hält an ihrer Rechtsauffassung fest, daß es für die Ausgleichsansprüche nach Art. 7 der EG-VO 261/2004 auf eine
Abflugverspätung ankommt und eine Verzögerung lediglich der Ankunft am Zielflughafen nicht ausreicht.
Entgegen der vom Amtsgericht vertretenen Auffassung kommt es hierbei im Falle der Rückkehr an den Ausgangsflughafen allerdings nicht auf den ersten Start
an, der hier offenbar pünktlich stattgefunden hat. Der Klägervertreter hat bereits mit der Berufungsbegründungsschrift auf das Urteil des Europäischen
Gerichtshofs vom 13.10.2011 (C-83/10, „Sousa-Rodriguez u.a.") hingewiesen. Dort wird unter Ziff. 28 der Entscheidungsgründe ausgeführt, daß ein Start allein
nicht ausreiche, um einen Flug anzunehmen, da hierfür auch das Erreichen des Bestimmungsortes erforderlich ist. Daraus ergibt sich, daß mit dem ersten
rechtzeitigen Start der von den Klägern gebuchte Flug noch nicht durchgeführt wurde. Wenn aber dieser erste „Versuch" noch kein Flug im Sinne der
einschlägigen EG-Verordnung war, verbleibt hier nur die Annahme, daß es allein auf den dann auch mit Start und Landung am Zielflughafen erheblich
verspäteten zweiten und letztlich auch erfolgreichen Abflug ankommen kann. Dabei ist der Grund für die Umkehr zum Ausgangsflughafen, wie sich aus
Textziffer 34 dieses EuGH-Urteils ergibt, unerheblich. Zwar weist die Beklagte im Rahmen der Berufungserwiderung vom 08.02.2012 zutreffend darauf hin,
daß es bei der dem EuGH zur Entscheidung anstehenden Fallkonstellation um eine Annullierung ging, weil dort die Planung des ursprünglichen Fluges
aufgegeben wurde und die Passagiere auf andere Flüge umgebucht wurden. Wegen der in der Grundsatzentscheidung des EuGH vom 19.11.2009 (C-402/07
und C-432/07, „Sturgeon") unter Hinweis auf die vergleichbaren Auswirkungen für die Passagiere vorgenommenen Analogie von Annullierung und erheblicher
Verspätung kommt es jedoch vorliegend auf diesen Unterschied nicht entscheidungserheblich an. Wenn es, wie die Beklagte in einem Parallelverfahren 7 S
198/11 (-[…]-) weiter richtig ausführt, bei dem Flug um eine Gesamtleistung geht und die Beförderung von A nach B geschuldet wird, kommt es eben darauf
an, wann diese Beförderungsleistung tatsächlich erbracht wurde, und zwar durchgängig vom Startflughafen zum Zielflughafen. Es ist deshalb auf den Zeitpunkt
des erneuten Abfluges abzustellen, weil der erste Flug nicht wirklich als durchgeführt bezeichnet werden kann (ebenso Schmid, RRa 2012, S. 2, 3). Diese
Durchführung des geplanten Fluges war mit dem ersten Start gerade noch nicht erfolgt, sondern erst nach Umkehr zum Ausgangsflughafen dann mit dem
zweiten Start. Auch das Landgericht Frankfurt a.M. hat mit Urteil vom 29.11.2011 (2-24 S 130/11, zitiert nach juris) entschieden und insoweit die
erstinstanzliche Entscheidung des Amtsgerichts Frankfurt a.M. vom 20.05.2011 (31 C 232/11) bestätigt, daß bei einer vergleichbaren Fallkonstellation
maßgeblich auf den Flug abzustellen ist, der „die Klägerin und ihren Ehemann tatsächlich zum Zielort befördert hat". Dort heißt es in Textziffer 19 weiter, daß
für die Frage der Abflugverspätung der erste Startversuch, „der abgebrochen werden musste mit der Folge, dass das Flugzeug wieder zum Ausgangspunkt
zurückkehrte", keine Rolle spielt. Ob der Abbruch des ersten Fluges, wie in diesem Fall des Landgerichts Frankfurt a.M., bereits während der
Beschleunigungs-phase noch auf der Startbahn des Ausgangsflughafens erfolgt oder sich der Pilot nach dem Abheben dort zu einer Rückkehr und einer
Sicherheitslandung auf diesem Ausgangsflughafen entschließt, erscheint für die Beurteilung insoweit nicht entscheidungserheblich. Es kann für die Frage der
Startverspätung nicht darauf ankommen, ob das Flugzeug zunächst wegen eines beim Check am Boden festgestellten Defekts überhaupt nicht „off-block" geht,
auf dem Weg zur Startbahn umkehrt, der Startvorgang selbst vor dem Abheben abgebrochen wird oder das Flugzeug nach dem Abheben wieder auf dem
Ausgangsflughafen landet. Vorliegend hat die Beklagte daher auch folgerichtig gegenüber den Passagieren des Fluges […] eine „Flugunregelmäßigkeit" unter
Angabe sowohl des planmäßigen Abflugs (22.12.10 um 20:20 Uhr) als auch des aktuellen Abflugs (23.12.10 um 17:00 Uhr) bescheinigt (Bl. 14 d.A.).
Zwischen den Parteien ist unstreitig, daß der nach alledem allein maßgebliche zweite Start des Flugzeugs erst mit über 20-stündiger Verspätung nach der
planmäßigen Abflugzeit erfolgte mit einer dann auch entsprechenden Ankunftsverzögerung in Male.
Der EuGH hat mit Urteil vom 19.11.2009 (Az: C-402/07 und C-432/07) im Hinblick auf die Anwendung des Ausgleichsanspruchs nach Art. 7 der EG-VO Nr.
261/2004 Fluggäste eines verspäteten Fluges mit einem Zeitverlust von drei Stunden oder mehr - bezogen auf die ursprüngliche Ankunftszeit - denjenigen
eines annullierten Fluges gleichgestellt. Dieser Rechtsprechung hat sich der BGH angeschlossen (Urteile vom 18.02.2010, Az: Xa ZR 95/06, Xa ZR 106/06,
Xa ZR 64/07, Xa ZR 164/07 und Xa ZR 166/07). Eine nochmalige Aussetzung aller derartiger Verfahren, wie nunmehr von der Beklagten angeregt, erscheint
deshalb nicht veranlaßt.
Aufgrund der Entfernung von über 3.500 km zwischen Frankfurt am Main und Male schuldet die Beklagte den drei Klägern eine Ausgleichszahlung von
jeweils 600,-- €.
Es lag bei dem streitgegenständlichen Flug […] auch kein außergewöhnlicher Umstand vor, der ausnahmsweise die Verpflichtung zur Ausgleichsleistung
entfallen lassen würde. Die Beklagte hat in beiden Instanzen keinerlei Sachvortrag zu etwaigen Umständen gehalten, wonach die Verspätung auf
außergewöhnliche Umstände zurückgegangen sein könnte, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen
worden wären (Art. 5 Abs. 3 EG-VO).
Der Zinsanspruch in der gesetzlichen Höhe ergibt sich entsprechend § 187 Abs. 1 BGB ab dem Tag nach Zustellung der Klage aus §§ 286 Abs. 1 Satz 2, 288,
291 BGB.
Als unterlegene Partei hat die Beklagte gemäß § 91 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Die Bemessung des Gegenstandswertes folgt dem Umfang der Anfechtung des amtsgerichtlichen Urteils in der Addition der drei von den Klägern jeweils
beanspruchten Beträge, wobei Zinsen als Nebenforderungen gemäß § 4 Abs. 1 ZPO außer Betracht zu bleiben hatten. Die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung, aber mit Abwendungsbefugnis, ergibt sich aus § 708 Ziff. 10 ZPO in Verbindung mit § 711 ZPO.
Auch ohne Anregung der Parteien war gemäß § 543 ZPO von Amts wegen die Revision zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat und
die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert. Die Frage, ob bei einem zweiten Start nach Rückkehr zum
Ausgangsflughafen auf den Zeitpunkt des ersten oder des zweiten Abflugs abzustellen ist, wurde soweit ersichtlich noch nicht höchstrichterlich entschieden.
Dies ist (gemeinsam mit der allerdings einen anderen Flug betreffenden Sache 7 S 198/11 -[…]-) auch für das erkennende Berufungsgericht der erste insoweit
streitig entschiedene Fall. Wegen des sich aus dem vorliegenden Verfahren ergebenden unterschiedlichen Meinungsstandes bedarf die Frage einer Klärung
durch den Bundesgerichtshof. Es ist auch zu erwarten, daß diese Frage künftig in einer Vielzahl von Fällen zur Entscheidung anstehen wird, so daß auch unter
diesem Gesichtspunkt eine Klärung erforderlich ist. Deshalb hat auch das LG Frankfurt im Urteil vom 29.11.2011 (a.a.O.) die Revision zugelassen Die
Kammer hat davon abgesehen, das Verfahren hier auszusetzen und die Sache direkt dem Europäischen Gerichtshof zur Entscheidung vorzulegen, wie dies das
Landgericht Frankfurt a.M. in einer anderen Sache mit Beschluss vom 03.03.2011 (2-24 S 108/10) entschieden hat. Nachdem dort die Berufung
zurückgenommen wurde, hatte sich die Beantwortung der Vorlagefrage erledigt. Wegen der hier zugelassenen Revision entscheidet das Berufungsgericht im
vorliegenden Verfahren nicht als letztinstanzliches Gericht. Es erscheint auch wenig sachdienlich, wenn vor einer Prüfung und ggf. Klärung durch den
Bundesgerichtshof nunmehr verschiedene Instanzgerichte eigene Vorlagefragen an den Europäischen Gerichtshof richten. ..."
***
Vogelschlag steht einer Entschädigung nach Art. 7 der FluggastrechteVO jedenfalls insoweit nicht entgegen, als im Flugumlaufverfahren der Folgeflug von
einer der Annullierung gleichstehenden Verspätung (vgl. BGH, Urteil vom 18. Februar 2010, Xa ZR 164/07, juris, Rn. 15) betroffen ist; es sei denn, die
Folgeverspätung konnte durch zumutbare Maßnahmen nicht verhindert werden (LG Hannover, Urteil vom 18.01.2012 - 14 S 52/11)
„... Die nach § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO statthafte und auch im Übrigen (§§ 517, 519 Abs. 1 und 2, 520 Abs. 1 bis 3 ZPO) zulässige Berufung ist unbegründet. Im
Ergebnis zu Recht hat das Amtsgericht den Klägerin eine Entschädigung nach Art. 7 Abs. 1 Buchstabe b FluggastrechteVO zugesprochen und das Vorliegen
eines außergewöhnlichen Umstands nach Art. 5 Abs. 3 FluggastrechteVO verneint.
1. Das Amtsgericht Hannover ist örtlich zuständig. Soll ein Ausgleichsanspruch nach der FluggastrechteVO der Europäischen Union gegen das
Luftverkehrsunternehmen geltend gemacht werden, mit dem der Fluggast den Beförderungsvertrag geschlossen hat, ist unabhängig vom Vertragsstatut
Erfüllungsort im Sinne des § 29 ZPO sowohl der Ort des vertragsgemäßen Abflugs als auch der Ort der vertragsgemäßen Ankunft des Flugzeugs (vgl. BGH,
Urteil vom 18. Januar 2011 - X ZR 71/10, juris, Rn. 35). Vertraglich vorgesehener Abflugort war Hannover-Langenhagen.
2. Den Klägerin steht der Ausgleichsanspruch in Höhe von jeweils 400 € nach Art. 5 Abs. 1 Buchst. c, Art. 7 Abs. 1 Buchst. b FluggastrechteVO zu.
a) Hinsichtlich des Anspruchs des Klägers zu 4 schließt sich die Kammer mit Blick auf Art. 3 Abs. 3 FluggastrechteVO den zutreffenden Erwägungen des
Amtsgerichts an, die mit der Berufung nicht angegriffen werden.
b) Eine Verspätung von mehr als drei Stunden - wie hier - steht einer Annullierung im Sinne der FluggastrechteVO gleich (vgl. BGH, Urteil vom 18. Februar
2010 - Xa ZR 164/07, juris, Rn. 15). Denn die Art. 5, 6 und 7 FluggastrechteVO sind dahin auszulegen, dass die Fluggäste verspäteter Flüge im Hinblick auf
die Anwendung des Ausgleichsanspruchs den Fluggästen annullierter Flüge gleichgestellt werden können und somit den in Art. 7 dieser Verordnung
vorgesehenen Ausgleichsanspruch geltend machen können, wenn sie wegen eines verspäteten Flugs einen Zeitverlust von drei Stunden oder mehr erleiden, das
heißt, wenn sie ihr Endziel nicht früher als drei Stunden nach der von dem Luftfahrtunternehmen ursprünglich geplanten Ankunftszeit erreichen (EuGH, Urteil
vom 19. November 2009 - C-402/07, juris, Tz. 50 bis 62, 69).
c) Aufgrund der Erwägungen, die der EuGH zu den Leistungen nach Art. 6 FluggastrechteVO vor dem Hintergrund der in dem Übereinkommen von Montreal
zur Vereinheitlichung bestimmter Vorschriften über die Beförderung im internationalen Luftverkehr (BGBl. II 2004 S. 458; fortan Montrealer Übereinkommen)
aufgestellten Voraussetzungen angestellt hat (EuGH, Urteil vom 10. Januar 2006 - C-344/04, juris, Tz. 41 48) ist auch nicht davon auszugehen, dass die
Entschädigungsleistung nach Art. 7 FluggastrechteVO durch Art. 29 S. 2 des Montrealer Übereinkommens als nicht kompensatorischer
Schadensersatzanspruch untersagt wäre (vgl. BGH, Urteil vom 10. Dezember 2009 - Xa ZR 61/09, juris, Rn. 12 ff.; siehe aber Vorabentscheidungsvorlage
durch das AG Geldern, Vorlagebeschluss vom 18. Mai 2011- 4 C 599/10, juris). Der Ausgleichsanspruch kompensiert als Entschädigung den Zeitverlust der
betroffenen Fluggäste, der angesichts dessen irreversiblen Charakters nur mit einer Ausgleichszahlung ersetzt werden kann (vgl. EuGH, Urteil vom 19.
November 2009 - C-402/07, juris, Tz. 50). Art. 12 Abs. 1 FluggastrechteVO steht dem nicht entgegen. Es ist denkbar, dass der Zeitverlust einen höheren
Schaden bewirken kann, auf den die pauschalierte und daher im Regelfall unproblematisch zu ermittelnde Ausgleichsleistung zweifelsohne anzurechnen wäre.
So behielte die Vorschrift ihren Sinn.
d) Der Entschädigungsanspruch ist nicht nach Art. 5 Abs. 3 der FluggastrechteVO ausgeschlossen. Danach muss eine Entschädigung nicht geleistet werden,
wenn die Annullierung auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen
ergriffen worden wären. Das gilt entsprechend im Fall der einer Annullierung gleichstehenden Verspätung. Eine solche Verspätung führt dann nicht zu einem
Ausgleichsanspruch zugunsten der Fluggäste, wenn das Luftfahrtunternehmen nachweisen kann, dass die große Verspätung auf außergewöhnliche Umstände
zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären, also auf Umstände, die von dem
Luftfahrtunternehmen tatsächlich nicht zu beherrschen sind (EuGH, Urteil vom 19. November 2009 - C-402/07, juris, Tz. 69).
aa) Technische Defekte, wie sie beim Betrieb eines Flugzeugs gelegentlich auftreten können, begründen für sich gesehen keine außergewöhnlichen Umstände,
die das Luftfahrtunternehmen von der Verpflichtung befreien können, bei einer aufgrund des Defekts erforderlichen Annullierung des Flugs die nach Art. 7 der
Verordnung vorgesehene Ausgleichszahlung zu leisten. Dies gilt auch dann, wenn das Luftfahrtunternehmen alle vorgeschriebenen oder sonst bei Beachtung
der erforderlichen Sorgfalt gebotenen Wartungsarbeiten frist- und ordnungsgemäß ausgeführt hat (BGH, Urteil vom 12. November 2009 - Xa ZR 76/07, RRa
2010, 34 Rn. 13).
bb) Als außergewöhnlicher Umstand kann ein technisches Problem nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union nur dann angesehen
werden, wenn es seine Ursache in einem der in Erwägungsgrund 14 der Verordnung genannten Umstände hat. Derartige Umstände sind insbesondere politische
Instabilität, Wetterbedingungen, Sicherheitsrisiken, unerwartete Flugsicherheitsmängel, oder Streik, also Umstände, die nicht in die beherrschbare betriebliche
Sphäre des Luftfahrtunternehmens fallen. Technische Gründe sind regelmäßig kein Entlastungsgrund, weil diese in der besonderen Risikosphäre des
Flugunternehmens liegen (EuGH, Urteil v. 22. Dezember 2008, - C-597/07, RRa 2009, 35, RRa 2009, 35, Rn. 24 f.). Indessen lässt sich nicht ausschließen,
dass auch technische Probleme zu solchen "außergewöhnlichen Umständen" zu rechnen sind, soweit sie auf Vorkommnisse zurückzuführen sind, die nicht Teil
der normalen Ausübung der Tätigkeit des betroffenen Luftfahrtunternehmens sind und von ihm tatsächlich nicht zu beherrschen sind (EuGH, Urteil vom 22.
Dezember 2008 - Rs. 549/07, juris, Tz. 23, 26). So verhielte es sich z.B. dann, wenn der Hersteller der Maschinen, aus denen die Flotte des betroffenen
Luftfahrtunternehmens besteht, oder eine zuständige Behörde entdeckte, dass diese bereits in Betrieb genommenen Maschinen mit einem versteckten
Fabrikationsfehler behaftet sind, der die Flugsicherheit beeinträchtigt. Gleiches würde bei durch Sabotageakte oder terroristische Handlungen verursachten
Schäden an den Flugzeugen gelten. (EuGH, Urteil vom 22. Dezember 2008 - C-597/07, aaO., Rn. 26; BGH, Urteil vom 12. November 2009 - Xa ZR 76/07,
RRa 2010, 34 Rn. 14).
cc) Ob ein Triebwerksschaden infolge Vogelschlags als solch ein außergewöhnlicher und daher das Flugunternehmen entlastender Umstand anzusehen ist, wird
unterschiedlich beurteilt (bejahend LG Frankfurt a. M., Beschluss vom 10. November 2010 - 24 S 143/10, Umdruck Seite 4 f.; AG Leipzig, Urteil vom 7. Juli
2010 - 109 C 7651/09, BeckRS 2010, 17165; AG Rüsselsheim, Urteil vom 26. Oktober 2010 - 3 C 1400/09, Umdruck Seite 3 f.; Müller-Rostin, NZV 2009,
430, 432; wohl auch LG Darmstadt, Urteil vom 1. Dezember 2010 - 7 S 66/10, juris, Rn. 27 f.; aA KG, Beschluss vom 30. April 2009 - 8 U 15/09, juris, Rn. 4
ff., zu § 651j Abs. 1 BGB; Bartlik, RRa 2009, 272, 278; offengelassen AG Erding, Beschluss vom 3. Januar 2011 - 5 C 1059/10, juris, Rn. 3). Die Kammer
neigt dazu, dies anzunehmen. Die Frage kann hier indessen offenbleiben und es bedarf hierzu auch keiner Beweisaufnahme.
Denn selbst wenn man das Vorbringen der Beklagten als wahr unterstellt, ist als Grund für die Verspätung des von den Klägern gebuchten Fluges nicht der
Vogelschlag anzusehen. Die Beklagte führt ihre Flüge im so genannten Umlaufverfahren durch und hatte nach dem Ausfall der Maschine D-AICE entschieden,
die Ersatzmaschine, deren Ankunft in Hannover einen pünktlichen Abflug der Kläger ermöglicht hätte, unter Beibehaltung des geplanten Flugumlaufs für den
gescheiterten Frühflug nach Mallorca einzusetzen. Damit beruhte die Verspätung des Fluges nach Las Palmas im Wesentlichen auf der
Organisationsentscheidung der Beklagten, mit den Folgen eines Flugzeugausfalls die Passagiere sämtlicher Flüge des Umlaufs zu belasten, statt den
Nachmittagsflug pünktlich auszuführen.
Zwar legt der 15. Erwägungsgrund zur FluggastrechteVO durchaus den Gedanken nahe, dass hinsichtlich der Folgeverspätungen ein außergewöhnlicher
Umstand stets fortwirken könne. Denn danach sollte vom Vorliegen eines außergewöhnlichen Umstands ausgegangen werden, wenn - allerdings anders als hier
- eine Entscheidung des Flugverkehrsmanagements zu einem einzelnen Flugzeug an einem bestimmten Tag zur Folge hat, dass es bei einem oder mehreren
Flügen des betreffenden Flugzeugs zu einer großen Verspätung, einer Verspätung bis zum nächsten Tag oder zu einer Annullierung kommt, obgleich vom
betreffenden Luftfahrtunternehmen alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen wurden, um die Verspätungen oder Annullierungen zu verhindern.
Hier verhält es sich jedoch so, dass die Beklagte mit ihren Entscheidungen, in welcher Anzahl Reservemaschinen bereitgehalten und für welchen Flug sie
gegebenenfalls eingesetzt werden sowie das Umlaufverfahren beizubehalten, eine betriebswirtschaftliche Entscheidung getroffen hat. Dass die Beklagte in
diesen Fällen abzuwägen hat, ob sie den Frühflug bis auf Weiteres nicht durchführt und dafür den zweiten Flug des Umlaufs pünktlich durchführt, oder, wie
geschehen, die Verspätung durchreicht, ist in ihrer Planung angelegt und wird von den Kosten abhängen sowie davon, wie viele Reservemaschinen sie an
welchen Standorten bereithält. Mit Blick auf die in den Erwägungsgründen Nr. 1 bis 4 zur FluggastrechteVO hervorgehobene Zielsetzung, die Rechte der
Fluggäste zu stärken, sieht es die Kammer als nicht vereinbar an, dass das Flugunternehmen allein mit Blick auf den in seiner Organisation und Ablaufplanung
angelegten Entscheidungskonflikt entlastet wird.
Richtig ist zwar, dass die Beklagte nicht für jede planmäßig im Einsatz befindliche Maschine eine Reservemaschine bereithalten kann. Insoweit kommt als
Korrektiv der im 15. Erwägungsgrund angesprochene und auch in Art. 5 Abs. 3 FluggastrechteVO (vgl. auch EuGH, Urteil vom 19. November 2009 -
C-402/07, juris, Tz. 69) enthaltene Gedanke, der Zumutbarkeit in Betracht. Das Luftfahrtunternehmen hat darzulegen und zu beweisen, dass die
Folgeverspätung durch zumutbare Maßnahmen nicht habe verhindert werden können. Indessen hat die Beklagte weder erstinstanzlich noch im
Berufungsverfahren dargelegt, dass sie den an die Bemühungen zur Vermeidung der Verspätung zu stellenden Anforderungen gerecht geworden ist. Hierzu
hätte die Beklagte, nachdem die Kläger bestritten haben, dass die Beschaffung des konkreten Ersatzflugzeugs die einzige Möglichkeit war, beide Flüge noch
zeitnah durchzuführen, darlegen und unter Beweis stellen müssen, dass die eingesetzte Reservemaschine das einzig verfügbare Flugzeug an diesem Tag war. ..."
***
„... Das Amtsgericht hat die Beklagte zur Zahlung von 1.200,- € nebst Zinsen sowie zur Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten verurteilt. ...
Die Beklagte ist der Ansicht, maßgeblich sei, dass das Flugzeug pünktlich abgeflogen sei. Dass der Start abgebrochen worden sei, sei unerheblich. Zudem seien
Art. 5 und 9 der EU-VO Nr. 261/2004 ungültig. Ferner könne die Klägerin nicht Ansprüche ihres Ehemanns geltend machen. Schließlich seien vorgerichtliche
Anwaltskosten nicht erstattungsfähig. Die Beklagte beantragt, unter Aufhebung des Urteils des Amtsgerichts vom 20.5.2011 (Az. 31 C 232/11-16) die Klage
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil. Sie ist der Ansicht, dass vorgerichtliche Anwaltskosten
erstattungsfähig seien, weil sie berechtigt gewesen sei, Hilfe eines Rechtsanwalts in Anspruch zu nehmen.
II. Die zulässige, insbesondere fristgemäß eingelegte und fristgemäß begründete Berufung der Beklagten hat in der Sache nur geringen Erfolg. Das Amtsgericht
hat die Beklagte zu Recht zur Zahlung von 1.200,- € nebst Zinsen an die Klägerin verurteilt. Der Klägerin steht ein Anspruch auf Ausgleichszahlung nach der
EU-VO 261/2004 zu.
Der EuGH hat im Urteil vom 19.11.2009 entschieden, dass die Art. 5, 6 und 7 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 dahin auszulegen sind, dass die Fluggäste
verspäteter Flüge im Hinblick auf die Anwendung des Ausgleichsanspruchs den Fluggästen annullierter Flüge gleichgestellt werden können und somit den in
Art. 7 dieser Verordnung vorgesehenen Ausgleichsanspruch geltend machen können, wenn sie wegen eines verspäteten Flugs einen Zeitverlust von drei
Stunden oder mehr erleiden, d.h., wenn sie ihr Endziel nicht früher als drei Stunden nach der von dem Luftfahrtunternehmen ursprünglich geplanten
Ankunftszeit erreichen (NJW 2010, 43, 46/47 Ziffer 69).
Dies folge daraus, dass die von den Fluggästen im Fall einer Annullierung und einer Verspätung erlittenen Schäden einander entsprächen und die Fluggäste
verspäteter Flüge und annullierter Flüge deshalb nicht unterschiedlich behandelt werden könnten, ohne dass gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung
verstoßen würde. Damit hat er entschieden, dass der Ausgleichsanspruch auch Fluggästen verspäteter Flüge zustehen kann. Der EuGH hat weiter ausgeführt,
unter diesen Umständen werde den entsprechend Art. 5 I lit. c Nr. iii der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 anderweitig beförderten Fluggästen der in Art. 7 dieser
Verordnung vorgesehene Ausgleichsanspruch gewährt, wenn das Luftfahrtunternehmen sie nicht anderweitig mit einem Flug befördert, der nicht mehr als eine
Stunde vor der planmäßigen Abflugzeit startet und ihr Endziel höchstens zwei Stunden nach der planmäßigen Ankunftszeit erreicht. Diese Fluggäste erlangen
somit einen Ausgleichsanspruch, wenn sie gegenüber der ursprünglich von dem Luftfahrtunternehmen angesetzten Dauer einen Zeitverlust von drei Stunden
oder mehr erleiden (NJW 2010, 43, 46 Ziffer 69).
Nach dieser Rechtsprechung des EuGH, die zu hinterfragen das Gericht keinen Anlass sieht, nachdem auch der BGH dieser Entscheidung des EuGH gefolgt ist
(vgl. BGH, Urt. v. 18.2.2010, RRa 10, 93), steht der Klägerin ein Anspruch auf Ausgleichszahlung zu, weil der gebuchte Flug mit einer Verspätung von über 21
Stunden durchgeführt wurde.
Maßgeblich ist dabei auf den Flug abzustellen, der die Klägerin und ihren Ehemann tatsächlich zum Zielort befördert hat. Der Startversuch am 6.9.2010, der
abgebrochen werden musste mit der Folge, dass das Flugzeug wieder zum Ausgangspunkt zurückkehrte, spielt für die Frage, ob eine Abflugverspätung vorliegt,
keine Rolle.
Hierzu hat der EuGH in seinem Urteil vom 13.10.2011 (Az. C-83/10, R. 36, zit. nach juris) entschieden, dass der Begriff der Annullierung dahingehend
auszulegen ist, dass er nicht nur den Fall betrifft, dass das betreffende Flugzeug überhaupt nicht startet, sondern auch den Fall umfasst, dass das Flugzeug
gestartet ist, aber anschließend, aus welchen Gründen auch immer, zum Ausgangsflughafen zurückkehren musste, und die Fluggäste auf andere Flüge
umgebucht wurden.
Denn entsprechend der Schlussanträgen der Generalanwältin ... vom 28.6.2011 zu diesem Verfahren hat sich durch den Startversuch nichts, was das Wesen
einer Flugbeförderung ausmacht, verwirklicht (vgl. RRa 11, 185, 187).
Die Auslegung des EuGH zum Begriff der Annullierung kann auf die Auslegung des Begriffs der Verspätung übertragen werden, da nach der Entscheidung des
EuGH vom 19.11.2009 die Fluggäste verspäteter Flüge im Hinblick auf die Anwendung des Ausgleichsanspruchs den Fluggästen annullierter Flüge
gleichgestellt werden müssen. Denn in gleicher Weise, wie die Gäste annullierter Flüge nicht an den Zielort befördert werden, werden auch die Gäste
verspäteter Flüge im Falle eines erfolglosen Startversuchs nicht rechtzeitig an den Zielort befördert.
Soweit die Kammer in ihrer Entscheidung vom 23,9.2010 (Az. 2-24 S 44/10, zit. nach juris) eine Ausgleichszahlung für den Fall abgelehnt hat, dass ein Flug,
der pünktlich abgeflogen ist, sich durch eine Zwischenlandung verzögert, wirkt sich diese Entscheidung auf den hier zu entscheidenden Fall nicht aus. In ihrem
Urteil vom 23.9.2010 ist die Kammer davon ausgegangen, dass notwendige Voraussetzung einer Ausgleichszahlung eine Abflugverspätung ist (vgl.
Kammerurteil vom 23.9.2010, a.a.O., R 20, zit. nach juris). Diese liegt dann nicht vor, wenn ein pünktlicher Abflug vorliegt und der Grund für eine verzögerte
Ankunft durch Ereignisse begründet wird, die während des Fluges entstanden sind. In einem solchen Fall werden jedenfalls Teile der geschuldeten Beförderung
erbracht. Die Fluggäste befinden sich näher am Zielort als im Zeitpunkt des Starts. Hierin liegt der entscheidende Unterschied zu der Konstellation dieses
Falles, in dem kein Teil der Beförderungsleistung erbracht ist, nachdem die Klägerin und ihr Ehemann nach dem Startversuch wieder an den Ausgangspunkt
zurückgekehrt sind.
Auf dieser Grundlage stehen sowohl der Klägerin als auch ihrem Ehemann eine Ausgleichszahlung in Höhe von jeweils 600,- € zu. Gegen die vom Amtsgericht
zutreffend dargelegt Auffassung, dass der von der Beklagten in erster Instanz vorgetragene technische Defekt des Flugzeuges keinen außergewöhnlichen
Umstand i.S.d. Art 5 Abs. 3 EU-VO 261/2004 darstellt, wendet die Beklagte in der Berufungsbegründung nichts ein.
Die Klägerin ist auch berechtigt, den Ausgleichsanspruch ihres Ehemanns geltend zu machen, nachdem der Ehemann ihr den Anspruch abgetreten hat. Die
Klägerin hat bereits mit der Klageschrift als Anlage K 4 die Abtretungserklärung ihres Ehemanns vorgelegt. Gründe, die gegen eine Abtretung des Anspruches
sprechen, sind nicht ersichtlich. Insbesondere hindert der Umstand, dass ein Ausgleichsanspruch nach der EU-VO 261/2004 jedem Fluggast zusteht, nicht, dass
der Anspruch abgetreten werden könnte. Der Ausgleichsanspruch ist nicht in einer Weise "höchstpersönlich", als dass eine Abtretung ausgeschlossen wäre.
Gegen den Zinsanspruch, den das Amtsgericht zutreffend zuerkannt hat, wehrt sich die Beklagte nicht. Die Berufung ist begründet, soweit das Amtsgericht die
Beklagte zur Freistellung von den vorgerichtlichen Anwaltskosten verurteilt hat. Ein Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten besteht nicht,
weil aus dem vorgerichtlichen anwaltlichen Mahnschreiben folgt, dass die Klägerin ihrem Prozessbevollmächtigten bereits Klageauftrag erteilt hatte. In ihrem
Mahnschreiben vom 9.12.2010 haben die Prozessbevollmächtigten angekündigt, dass "im Falle des Verstreichenlassens der Frist bzw. einer weiteren
Ablehnung sämtlicher Ansprüche der Mandanten wir umgehend und ohne weitere Vorankündigung gerichtliche Schritte gegen Sie einleiten". Insbesondere
angesichts der Tatsache, dass die Beklagte in ihrem Schreiben vom 4.12.2010 jegliche Ansprüche des Ehemanns der Klägerin auch im Hinblick auf die
Klägerin selbst endgültig abgelehnt haben, deutet die Formulierung in dem nochmaligen anwaltlichem Mahnschreiben darauf hin, dass auch die
Prozessbevollmächtigten die Ablehnung als endgültig angesehen und vielmehr die Notwendigkeit einer Klageerhebung gesehen haben. Das letzte
vorgerichtliche Mahnschreiben dient jedoch bereits als Vorbereitung der Klage i.S.d. § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 RVG und gehört damit zum Klageverfahren, zumal
die Prozessbevollmächtigten der Klägerin auch zeitnahe nach Ablauf der gesetzten Frist Klage erhoben haben.
Die gegenteiligen Ausführungen in der Berufungserwiderung überzeugen nicht. Zwar mag ein Gläubiger berechtigt sein, sich auch zur außergerichtlichen
Durchsetzung seiner Ansprüche anwaltlicher Hilfe zu bedienen. Hier hatten die Parteien allerdings vorgerichtlich schon zweimal miteinander korrespondiert,
denn die Beklagte nimmt in ihrem Ablehnungsschreiben vom 4.12.2010 auf zuvor übersandte Schreiben Bezug. Mit ihrem Schreiben signalisierte die Beklagte
keine weitere Gesprächsbereitschaft, weshalb offensichtlich ist, dass eine Klageerhebung unausweichlich ist. Auch die relativ kurze Zahlungsfrist in dem
Schreiben vom 9.12.2010 zeigt, dass die Prozessbevollmächtigten nicht ernsthaft mit einer Zahlung der Beklagten gerechnet haben. ..." (LG Frankfurt, Urteil
vom 29.11.2011 - 2-24 S 130/11).
***
„... Die Kläger haben keinen Anspruch gegen die Beklagte als ausführendes Luftfahrtunternehmen auf Zahlung einer Ausgleichsleistung wegen eines
verspäteten Fluges gem. Art. 5, 6 und 7 der Verordnung (EG) Nr. 251/2004 (Fluggastrechteverordnung) i. V. m. der Rechtsprechung des EuGH (Urteil v.
19.11.2009 - Sturgeon -, NJW 2010, 43 ff.) in Höhe der jeweils geltend gemachten 600,- Euro.
Der EuGH hat im Urteil vom 19.11.2009 entschieden, dass die Art. 5, 6 und 7 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 dahin auszulegen sind, dass die Fluggäste
verspäteter Flüge im Hinblick auf die Anwendung des Ausgleichsanspruchs den Fluggästen annullierter Flüge gleichgestellt werden können und somit den in
Art. 7 dieser Verordnung vorgesehenen Ausgleichsanspruch geltend machen können, wenn sie wegen eines verspäteten Flugs einen Zeitverlust von drei
Stunden oder mehr erleiden, d. h., wenn sie ihr Endziel nicht früher als drei Stunden nach der von dem Luftfahrtunternehmen ursprünglich geplanten
Ankunftszeit erreichen (NJW 2010, 43, 46/47 Ziffer 69).
Dies folge daraus, dass die von den Fluggästen im Fall einer Annullierung und einer Verspätung erlittenen Schäden einander entsprächen und die Fluggäste
verspäteter Flüge und annullierter Flüge deshalb nicht unterschiedlich behandelt werden könnten, ohne dass gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung
verstoßen würde. Damit hat er entschieden, dass der Ausgleichsanspruch auch Fluggästen verspäteter Flüge zustehen kann.
Der EuGH hat weiter ausgeführt, unter diesen Umständen werde den entsprechend Art. 5 I lit. c Nr. iii der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 anderweitig
beförderten Fluggästen der in Art. 7 dieser Verordnung vorgesehene Ausgleichsanspruch gewährt, wenn das Luftfahrtunternehmen sie nicht anderweitig mit
einem Flug befördert, der nicht mehr als eine Stunde vor der planmäßigen Abflugzeit startet und ihr Endziel höchstens zwei Stunden nach der planmäßigen
Ankunftszeit erreicht. Diese Fluggäste erlangen somit einen Ausgleichsanspruch, wenn sie gegenüber der ursprünglich von dem Luftfahrtunternehmen
angesetzten Dauer einen Zeitverlust von drei Stunden oder mehr erleiden (NJW 2010, 43, 46 Ziffer 69).
Es hat sich im Hinblick auf das genannte Urteil des EuGH die Frage aufgetan, ob für die Entstehung eines Ausgleichsanspruchs nach Art. 7 I FluggastrechteVO
allein die Dauer der Verspätung am letzten Zielort maßgeblich ist oder ob ein Ausgleichsanspruch wegen Verspätung zusätzlich voraussetzt, dass der
Tatbestand von Art. 6 I FluggastrechteVO erfüllt ist, also schon der Start mit einer Verzögerung erfolgt ist, die die in Art. 6 I FluggastrechteVO definierten
Grenzen übersteigt (vgl. dazu im Ganzen die Vorlage des BGH an den EuGH, Beschluss v. 09.12.2010, Az. Xa ZR 80/10, zit. nach juris).
Die Kammer vertritt in mittlerweile ständiger Rechtsprechung (Urteil vom 23.09.2010, Az. 2-24 S 44/10, RRa 2011, 44 ff.; Urteil vom 01.09.2011, Az. 2-24 S
65/11), die Auffassung, dass für die Entstehung eines Ausgleichsanspruchs nach Art. 7 I FluggastrechteVO wegen Verspätung zusätzliche
Voraussetzung ist, dass der Tatbestand von Art. 6 I FluggastrechteVO erfüllt ist, also schon der Start mit einer Verzögerung erfolgt ist, die die in Art.
6 I FluggastrechteVO definierten Grenzen übersteigt (so auch Staudinger, RRa 2010, 10, 11/12).
Der EuGH (NJW 2010, 43 ff.) hat nämlich anerkannt, dass der von der Verordnung vorgesehene Ausgleich durch verschiedene Formen von Maßnahmen
verwirklicht wird, die Gegenstand von Regelungen sind, die an die Nichtbeförderung oder die Annullierung oder große Verspätung eines Flugs anknüpfen (aaO
Rn. 51). Er hat die Gleichstellung von Fluggästen verspäteter und annullierter Flüge nicht allein mit dem Gleichheitssatz begründet, sondern aus dem
Gleichheitssatz lediglich ein zusätzliches Argument (aaO Rn. 46) für das zuvor aus der Auslegung des verfügenden Teils des Gemeinschaftsrechtsakts unter
Berücksichtigung seiner Gründe und seiner Ziele abgeleitete Ergebnis gewonnen. Der Ausgleichsanspruch folgt danach primär aus der Verknüpfung, die der
Verordnungsgeber in Erwägungsgrund 15 zwischen dem Begriff der großen Verspätung und dem Ausgleichsanspruch vorgenommen hat (aaO Rn. 43), und der
Zielsetzung der Verordnung, ein hohes Schutzniveau für Fluggäste unabhängig davon sicherzustellen, ob sie von einer Nichtbeförderung, Annullierung oder
Verspätung eines Flugs betroffen sind (aaO Rn. 44). Dies schließt es aus, der Verordnung Ansprüche zu entnehmen, die nicht an einen der Tatbestände der Art.
4 bis 6 FluggastrechteVO anknüpfen, sondern an die Ankunftsverzögerung, die nach der Verordnung lediglich für die Prüfung der Frage von Bedeutung ist, ob
der Ausgleichsanspruch entfällt (Art. 5 Abs. 1 Buchst. c FluggastrechteVO) oder gekürzt wird (Art. 7 Abs. 2 FluggastrechteVO) (vgl. auch BGH, Beschluss v.
09.12.2010, Az. Xa ZR 80/10, zit. nach juris).
Das Amtsgericht hat seiner Entscheidung die dargestellte Auffassung der Kammer zugrunde gelegt.
Eine Abflugverspätung in diesem Sinne hat am Startflughafen in Phuket unstreitig nicht vorgelegen. Dieser Abflug war planmäßig.
Weiterhin hat das Amtsgericht ausgeführt, dass für die Bestimmung der Abflugverspätung nicht auf die Abflugverspätung bei der Zwischenlandung in
Bahrain abzustellen sei. Maßgeblich sei, dass dem Abflug in Bahrain nur eine Zwischenlandung zugrunde gelegen habe.
Dieser Auffassung ist zuzustimmen.
Die Kammer hat im Urteil vom 23.09.2010 (Az. 2-24 S 44/10, RRa 2011, 44 ff.) im Zusammenhang mit der Bestimmung der Abflugverspätung angenommen,
dass bei einem innerhalb der Grenzen des Art. 6 I FluggastrechteVO erfolgten Abflug eine spätere unplanmäßige Zwischenlandung nicht dazu führt, dass eine
Abflugverspätung im oben genannten Sinne entsteht.
Nach einer Gesamtwürdigung der Umstände kann für eine planmäßige Zwischenlandung nichts Anderes gelten.
Eine Abflugverspätung im Rahmen einer planmäßigen Zwischenlandung im Rahmen eines Gesamtfluges begründet keine relevante ausgleichspflichtige
Abflugverspätung im oben genannten Sinne, wenn der Abflug am Ausgangsflughafen innerhalb der Grenzen des Art. 6 I FluggastrechteVO erfolgte.
Zutreffend hat das Amtsgericht ausgeführt, dass für die Frage einer Abflugverspätung ebenso wie für die Frage einer Ankunftsverspätung am Endziel auf die
gesamte Flugstrecke und damit auf den ursprünglichen Abflugort (hier: Phuket) abzustellen sei.
Entscheidend ist nämlich, dass es sich hier um einen Flug Phuket - Frankfurt am Main gehandelt hat und nicht um einen Flug Bahrain - Frankfurt am Main. Bei
der bloßen Zwischenlandung in Bahrain des weiterhin gleichen Fluges handelt es sich nun einmal um den einheitlichen Flug Phuket - Frankfurt am Main.
Insoweit war diese Zwischenlandung in Bahrain in den vorgelegten Reiseunterlagen auch gar nicht ausgewiesen. Wenn aber von einem einheitlichen Flug
ausgegangen werden muss, kann für die Bestimmung der Abflugverspätung nur auf eine relevante Abflugverspätung im Sinne von Art. 6 I FluggastrechteVO
am Startflughafen abgestellt werden. Die Annahme eines "gesonderten weiteren Abflugs am Flughafen der Zwischenlandung" ist bei einem zugrunde
zulegenden einheitlichen Flug nicht möglich, da dem die Einheitlichkeit des Gesamtfluges entgegensteht.
Zutreffend hat das Amtsgericht ausgeführt, dass es zu keiner anderen rechtlichen Bewertung führt, dass ggf. Fluggästen, welche ihren Flug erst in Bahrain
angetreten haben, ein Anspruch auf Ausgleichszahlungen bzw. ein Anspruch auf Unterstützungsleistungen zusteht.
Diesbezüglich liegt letztlich auch keine Ungleichbehandlung vor. Zu berücksichtigen ist nämlich, dass für zugestiegene Fluggäste allein Bahrain als Abflugort
der Flugreise maßgeblich ist. Anders als die Kläger haben diese Fluggäste noch keine Teilstrecke zum endgültigen Zielflughafen zurückgelegt.
Nach all dem liegen die Anspruchsvoraussetzungen für eine Ausgleichszahlung nach der FluggastrechteVO nicht vor.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 I, 100 I ZPO. Die Revision war zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 II ZPO vorliegen. Die Rechtssache
hat grundsätzliche Bedeutung. Weiterhin kommt gem. Art 234 II EG eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof in Betracht. Seiner Entscheidung vom
19.11.2009 lässt sich nicht sicher entnehmen, ob er in Fällen einer reinen Ankunftsverspätung die Grenzen zulässiger Rechtsfortbildung bereits abgesteckt und
eine Analogie zu den Fällen der Abflugverspätung damit ausgeschlossen hat, da er die FluggastVO für wirksam hält. Der Leitsatz 2 der Entscheidung des
Europäischen Gerichtshofs vom 19.11.09 in Verbindung mit dessen Ausführungen unter Ziffern 52, 53 könnte den Eindruck erwecken, dass schon bei einem
um mehr als 3 Stunden verspätetem Erreichen des Endziels ein Ausgleichsanspruch gegeben ist, weil nicht ausreichend deutlich wird, dass nur die Rechtsfolgen
des verspäteten Abflugs geregelt werden (vgl. dazu im Ganzen die Vorlage des BGH an den EuGH, Beschluss v. 09.12.2010, Az. Xa ZR 80/10, zit. nach juris).
Die Kammer wäre gehalten, zur dieser Frage ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften zu richten, wenn sie
rechtskräftig entscheiden würde. Da eine entscheidungserhebliche Frage durch eine Vorlage nach Art. 234 EGV zu klären ist, liegt ebenfalls ein Grund für die
Zulassung der Revision vor. ..." ( LG Frankfurt, Urteil vom 29.09.2011 - 24 S 56/11)
***
„... Dem Gerichtshof der Europäischen Union wird zur Auslegung von Art. 5, 6 und 7 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 (VO 261/2004 EG) des Europäischen
Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der
Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 folgende Frage zur
Vorabentscheidung vorgelegt:
Ist es mit dem Grundsatz der Gewaltenteilung in der Europäischen Union vereinbar, wenn die VO 261/2004 EG vom EuGH zur Beseitigung einer sonst
gegebenen Ungleichbehandlung dahingehend ausgelegt wird, dass einem von einer bloßen Verspätung von mehr als 3 Stunden betroffenen Fluggast eine
Ausgleichszahlung nach Art. 7 der Verordnung zusteht, obwohl die Verordnung dies nur im Falle einer Beförderungsverweigerung oder Annullierung des
gebuchten Fluges vorsieht, die Ansprüche des Fluggastes im Falle einer Verspätung aber auf Unterstützungsleistungen nach Art. 9 der Verordnung und - wenn
die Verspätung mehr als fünf Stunden dauert - auch auf Unterstützungsleistungen nach Art. 8 Abs. 1 Buchstabe a) der Verordnung beschränkt? ...
I. Der Kläger sowie zwei weitere Personen, die ihre Ansprüche an den Kläger abgetreten haben, machen gegen das beklagte Luftfahrtunternehmen Ansprüche
aus der VO 261/2004 EG geltend.
Sie buchten bei der Beklagten einen Flug für den 21.12.2009 von E nach L. Geplante Abflugzeit war nach der Darstellung des Klägers 20:05 Uhr, nach der der
Beklagten 19:30 Uhr. Tatsächlich fand der Abflug jedoch erst gegen 23:30 Uhr statt.
Ursache dafür war ein trotz Einhaltung des behördlich vorgeschriebenen Wartungs- und Instandsetzungsprogrammes aufgetretener technischer Defekt im
Düsentriebwerk 1 der ursprünglich von der Beklagten für die Durchführung des gebuchten Fluges vorgesehenen Maschine. Da deren Kontrollsystem bei den
Startvorbereitungen plötzlich eine Fehlermeldung im Schutzsystem des Düsentriebwerks 1 gegen zu hohe Drehzahlen anzeigte und ein Flugzeug nach dem
Betriebshandbuch des Herstellers in einem solchen Fall am Boden bleiben muss, bis die Ursache dieser Fehlermeldung beseitigt worden ist, entschied sich die
Beklagte, den gebuchten Flug mit einem anderen Flugzeug durchzuführen, nachdem sie festgestellt hatte, dass sich der aufgetretene Defekt nicht ganz
kurzfristig beseitigen lassen würde. Das andere Flugzeug (Ersatzflugzeug) befand sich zu diesem Zeitpunkt jedoch noch auf einem Flug von F nach L und
konnte auch nach seiner Landung in L um 20:10 Uhr nicht sofort nach E verbracht werden, weil zunächst noch die Crew ausgetauscht werden musste. Ein
Weiterflug nach E mit der bisherigen Crew war deshalb nicht möglich, weil dies zu einer Überschreitung der höchstzulässigen Flugdienstzeiten geführt hätte.
Da die Zusammenstellung einer neuen Crew etwa anderthalb Stunden in Anspruch nahm, konnte die Ersatzmaschine erst um 21:57 Uhr zu dem Leerflug nach
E starten, wo sie dann um 22:50 Uhr landete und zunächst noch die Fluggäste und deren Gepäck aufnehmen musste, bevor sie nach L starten konnte.
Der Kläger und seine Mitreisenden erreichten L daher mit einer Verspätung von mehr als drei (aber weniger als vier) Stunden.
II. Der Kläger hat beantragt, die Beklagte wegen dieser Verspätung zu verurteilen, an ihn eine Ausgleichszahlung in Höhe von (3 x 250 € =) 700 € gemäß Art. 7
Abs. 1 Buchstabe a der VO 261/2004 EG in Verbindung mit dem Urteil des EuGH in den verbundenen Rechtssachen C-402/07 und C-432/07 vom 19.11.2009
zu leisten. Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Gegen das amtsgerichtliche Urteil hat die Beklagte das Rechtsmittel der Berufung eingelegt, über deren
Begründetheit die Kammer nun zu befinden hat.
Wie schon in der ersten Instanz ist die Beklagte der Ansicht, dass die EuGH-Entscheidung, auf die der Kläger seinen Anspruch stützt, rechtswidrig
sei. Dies begründet sie unter anderem damit, dass die vom EuGH vorgenommene Auslegung der VO 261/2004 EG, die Fluggäste verspäteter Flüge könnten im
Hinblick auf die Anwendung des in Art. 7 vorgesehenen Ausgleichsanspruchs den Fluggästen annullierter Flüge gleichgestellt werden, contra legem erfolgt sei
und gegen die europarechtliche Gewaltenteilung verstoße. Abgesehen davon sei sie - die Beklagte - aber auch deshalb nicht verpflichtet, eine
Ausgleichszahlung zu leisten, weil die Verspätung auf außergewöhnliche Umstände zurückgegangen sei, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen,
wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären.
III. 1. Der Erfolg der Berufung hängt davon ab, ob die durch den EuGH in der Entscheidung vom 19.11.2009 (AZ C-402/07) vorgenommene, von der
Beklagten kritisierte Auslegung der VO 261/2004 EG gegen den Grundsatz der Gewaltenteilung in der Europäischen Union verstößt.
Wäre dies der Fall, müsste der Berufung stattgegeben und die Klage abgewiesen werden, weil es dann an einer Anspruchsgrundlage fehlen würde.
Wäre die streitgegenständliche Auslegung dagegen von der dem EuGH zustehenden Befugnis zur richterlichen Rechtsfortbildung gedeckt, müsste die Berufung
zurückgewiesen werden, weil das Amtsgericht der Klage dann zu Recht stattgegeben hätte. Ebenso wie das Amtsgericht ist die Kammer nämlich der
Auffassung, dass die Beklagte nicht nachgewiesen hat, dass die mehr als dreistündige Verspätung hier auf außergewöhnliche Umstände zurückging, die sich
auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären. Denn bei einem aufgrund drohender Überschreitung der
höchstzulässigen Flugdienstzeiten erforderlichen Crew-Wechsel handelt es sich nicht um einen außergewöhnlichen Umstand, sondern um ein Vorkommnis, das
Teil der normalen Tätigkeit der Beklagten ist, und dass sie alle zumutbaren Maßnahmen getroffen hat, um den technischen Defekt, der zur Verspätung des vom
Kläger und seinen Mitreisenden gebuchten Fluges führte, zu vermeiden, hat die Beklagte nicht hinreichend dargelegt.
2. Ob sich die vom EuGH vorgenommene Auslegung mit dem Grundsatz der Gewaltenteilung in der Europäischen Union vereinbaren lässt, vermag die
Kammer nicht zu beurteilen.
a) Zweifelhaft ist dies zunächst deshalb, weil die Generalanwältin T in ihren Schlussanträgen im Verfahren C-402/07 unter Randnummer 64 ausgeführt hat,
dass es Sache des Gemeinschaftsgesetzgebers sei, zu entscheiden, wie er eine gegebene Ungleichbehandlung beseitige, und weil jedenfalls in der
Bundesrepublik Deutschland der Grundsatz der richterlichen Selbstbeschränkung (judicial self-restraint) gilt, nach dem durch die Rechtsprechung keine
Gestaltungsfragen beantwortet oder vorweggenommen werden sollen, die in den originären Bereich der legislativen oder exekutiven Staatsgewalt fallen.
b) Sollte dies in der Europäischen Union anders, der EuGH also grundsätzlich befugt sein, zu entscheiden, dass ein Anspruch auf weitere Fälle ausgedehnt wird,
um eine aus seiner Sicht ungerechtfertigte Ungleichbehandlung zu vermeiden, fragt sich, ob die Voraussetzungen für eine solche Ausdehnung im konkreten Fall
erfüllt waren. Nach deutschem Recht darf die Übertragung der für einen Tatbestand vorgesehenen Rechtsfolge auf einen anderen, rechtsähnlichen Tatbestand
(Analogie) nämlich nur dann vorgenommen werden, wenn für den nicht geregelten Tatbestand keine Rechtsnorm existiert (Regelungslücke) und diese
Regelungslücke vom Gesetzgeber auch nicht beabsichtigt (planwidrig) war.
Zwar hat der EuGH in seiner Entscheidung vom 19.11.2009 (C-402/07) ausgeführt, dass sich aus dem Wortlaut der VO 261/2004 EG nicht unmittelbar ergebe,
dass den Fluggästen verspäteter Flüge ein Anspruch auf Ausgleichsleistungen nach Art. 7 dieser Verordnung zustehe, und dass die Situation von Fluggästen
verspäteter Flüge mit der von Fluggästen annullierter Flüge vergleichbar sei, weil beide einen ähnlichen Schaden in Form eines Zeitverlustes erleiden würden.
Auf die Frage, ob die demnach bestehende Regelungslücke für einen rechtsähnlichen Tatbestand planwidrig war, ist er aber allenfalls mittelbar eingegangen,
indem er darauf verwiesen hat, dass angesichts der im 15. Erwägungsgrund der VO 261/2004 EG erfolgten Nennung des Begriffes der großen Verspätung im
Kontext der außergewöhnlichen Umstände davon auszugehen sei, dass der Gesetzgeber auch ihn mit dem Ausgleichsanspruch verknüpft habe.
Möglicherweise beruhte diese Schlussfolgerung jedoch auf einem Irrtum. Die Beklagte hat nämlich in einem anderen vor der Kammer geführten Verfahren
vorgetragen, dass die Formulierung in Erwägungsgrund Nr. 15 wie folgt zu erklären sei:
Der ‚Vorschlag der Kommission für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rats über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und
Betreuungsleistungen für Fluggäste im Falle der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen' (KOM(2001)784), auf den die VO
261/2004 EG zurückgehe, habe im ursprünglichen Entwurf für Verspätungsfälle lediglich Unterstützungsleistungen vorgesehen, Betreuungsleistungen dagegen
ausschließlich für Behinderte und unbegleitet reisende Minderjährige. Aufgrund von Änderungswünschen des Parlaments habe die Kommission ihren
Vorschlag dann dahingehend abgeändert, dass alle Fluggäste bei Verspätungen Anspruch auf Betreuungsleistungen haben sollten, dies allerdings - wie die
Verpflichtungen der Luftfahrtunternehmen bei Annullierungen insgesamt - davon abhängen sollte, dass sich das Luftfahrtunternehmen nicht exkulpieren könne.
Daraufhin habe das Parlament am 03.07.2003 einen Änderungsvorschlag für einen gemeinsamen Standpunkt unterbreitet, in dem es die Erwägungsgründe wie
folgt formuliert habe:
‚(15) Wie nach dem Übereinkommen von Montreal sollten die Verpflichtungen für ausführende Luftfahrtunternehmen in den Fällen beschränkt oder
ausgeschlossen sein, in denen ein Vorkommnis auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle
zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären. Solche Umstände können insbesondere bei politischer Instabilität, mit der Durchführung des betreffenden
Fluges nicht zu vereinbarenden Wetterbedingungen, Sicherheitsrisiken, unerwarteten Flugsicherheitsmängeln und den Betrieb eines ausführenden
Luftfahrtunternehmens beeinträchtigenden Streiks eintreten.
(16) Vom Vorliegen außergewöhnlicher Umstände sollte ausgegangen werden, wenn eine Entscheidung der Flugverkehrsleitung zu einem bestimmten
Flugzeug an einem bestimmten Tag zur Folge hat, dass es bei einem oder mehreren Flügen des betreffenden Flugzeuges zu einer großen Verspätung, einer
Verspätung bis zum nächsten Tag oder zu einer Annullierung kommt, obgleich vom betreffenden Luftfahrtunternehmen alle zumutbaren Anstrengungen
unternommen wurden, um die Verspätungen oder Annullierungen zu verhindern.
(17)….
(18 ) Desgleichen soll es Fluggästen, deren Flüge sich um eine bestimmte Zeit verspäten, möglich sein, ihre Flüge unter Rückerstattung des Flugpreises zu
stornieren oder diese unter zufrieden stellenden Bedingungen fortzusetzen und sie sollten angemessen betreut werden, während sie auf einen späteren Flug
warten; auszunehmen ist der Fall, dass die Verspätung auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn
alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären.'
Der Erwägungsgrund 16 habe nunmehr fast den Wortlaut wie der in die VO 261/2004 EG übernommene Erwägungsgrund 15 gehabt. Wie sich insbesondere
aus dem Erwägungsgrund Nr. 18 ergäbe, hätten die Unterstützungsleistungen zu diesem Zeitpunkt weiterhin unter dem Vorbehalt fehlender Exkulpation stehen sollen.
Die Exkulpationsmöglichkeit für Betreuungsleistungen bei Verspätungen sei dann später gestrichen worden und damit auch der Erwägungsgrund 18.
Erwägungsgrund Nr. 16 sei dagegen - abgesehen von einer redaktionellen Änderung - als Nr. 15 beibehalten worden.
Sollten die Ausführungen der Beklagten zum Gesetzgebungsverfahren nicht in einem wesentlichen Punkt unvollständig sein, lässt die Nennung des Begriffes
der großen Verspätung im Kontext der außergewöhnlichen Umstände im Erwägungsgrund 15 also nicht darauf schließen, dass der Gesetzgeber ihn mit dem
Ausgleichsanspruch verknüpft hat.
Vielmehr scheint es so zu sein, dass er sich bewusst für eine unterschiedliche Behandlung von Annullierungs- und Verspätungsfällen entscheiden hat.
Nach Darstellung der Beklagten sollen nämlich bereits in der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 über eine gemeinsame Regelung für ein System von
Ausgleichsleistungen bei Nichtbeförderung im Linienflugverkehr Ausgleichszahlungen für den Fall vorgesehen gewesen sein, dass ein Fluggast wegen
Überbuchung nicht befördert werden konnte, die ausweislich der Begründung dieser Verordnung dazu dienten, einer verbreiteten Unsitte der Fluggesellschaften
entgegenzuwirken, Flüge in der Erwartung zu überbuchen, dass ohnehin nicht alle Fluggäste zum Abflug erscheinen werden. Diese der Abschreckung dienende
Sanktion sei dann in der VO 261/2004 (EG) beibehalten und auf Fälle der Annullierung ausgedehnt worden, um damit einer ähnlichen Unsitte, nämlich der
Streichung schwach ausgelasteter Flüge entgegen zu wirken. Den Fluggesellschaften habe damit der wirtschaftliche Anreiz für die beiden genannten
Verhaltensweisen genommen werden sollen, indem sie in diesen Fällen hohe Strafzahlungen an die Fluggäste zu erbringen hätten. Für eine Ausdehnung auch
auf Verspätungsfälle habe demgegenüber kein rechtfertigender Grund bestanden. Während eine Annullierung - zumindest häufig - auf der unmittelbar
wirtschaftlich begründeten Entscheidung der Luftfahrtgesellschaft beruhe, die Kosten der Durchführung des Fluges zu sparen, scheide dieses Motiv bei einer
Verspätung nämlich aus. Denn die Kosten eines Fluges würden nicht dadurch geringer, dass der Flug später als vorgesehen durchgeführt werde.
Selbst wenn diese Interpretation der Beklagten unzutreffend sein sollte, spricht aber jedenfalls der ‚Vorschlag der Kommission für eine Verordnung des
Europäischen Parlaments und des Rats über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Betreuungsleistungen für Fluggäste im Falle der Nichtbeförderung
und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen' (KOM(2001)784) dafür, dass der Verordnungsgeber Annullierungs- und Verspätungsfälle in
Kenntnis der vergleichbaren Folgen für die Fluggäste ungleich behandelt hat. Dort heißt es nämlich unter Randnummer 23:
‚Obwohl Fluggäste bei Verspätungen vergleichbaren Umständen ausgesetzt sind wie in Fällen von Nichtbeförderung oder Flugannullierung, besteht ein
Unterschied darin, dass Luftfahrt- und Reiseunternehmen für Nichtbeförderung und Annullierungen verantwortlich sind (es sei denn, sie hätten die Gründe
hierfür nicht selbst zu vertreten), jedoch nicht immer für Verspätungen. Andere häufige Ursachen sind im Flugverkehrsmanagement und in begrenzten
Flughafenkapazitäten begründet. Die Kommission hatte bereits in ihrer Mitteilung über den Schutz der Fluggäste zum Ausdruck gebracht, dass Luftfahrt- und
Reiseunternehmen in der gegenwärtigen Situation nicht verpflichtet werden sollten, Fluggäste bei Verspätungen zu entschädigen.'
Wenn sich der Gesetzgeber tatsächlich bewusst dagegen entschieden hat, Fluggästen im Falle von Verspätungen Ausgleichsansprüche gegen die
Fluggesellschaften einzuräumen, es also an einer planwidrigen Regelungslücke fehlt, stellt sich aber die (Vorlage-)Frage, ob es nicht gegen den Grundsatz der
Gewaltenteilung verstößt, wenn der EuGH ihn dennoch auf Verspätungsfälle ausdehnt. ..." (LG Köln, EuGH-Vorlage vom 26.07.2011 - 10 S 224/10)
*** (AG)
„... Die Klägerin hat einen Anspruch gemäß Art. 4 Abs. 3, 7 Abs. 1 lit b) der Verordnung EG Nr. 261/2004 auf eine Ausgleichszahlung in Höhe von 400,00 Euro.
Die Beklagte hat den ursprünglich für die Klägerin gebuchten Flug unstreitig wie vorgesehen durchgeführt. Nach Ansicht des Gerichts stellt die von der
Reiseveranstalterin veranlasste Umbuchung der Klägerin auf einen anderen Flug eine Beförderungsverweigerung im Sinne von Art. 4 Abs. 3 der Verordnung
hinsichtlich des ursprünglichen Rückflugs dar, die die Beklagte als ausführendes Luftfahrtunternehmen zu einer Ausgleichszahlung gemäß Art. 7 der
Verordnung verpflichtet.
Eine Umbuchung, die wie hier gegen den ausdrücklichen Willen des Fluggastes am Vortag des Reisetags erfolgt, stellt nach Ansicht des Gerichts eine
Nichtbeförderung im Sinne des Art. 4 Abs. 3 der Verordnung dar (vgl. AG Bremen, RRa 2011, 207; AG Rüsselsheim RRa 2006, 92; offengelassen von BGH
NJW 2009, 285). Dem Vorbringen der Klägerin, dass ihr eine Umbuchung erst am Vortag mitgeteilt wurde, ist die Beklagte nicht erheblich entgegengetreten,
jedenfalls für eine Kenntnis zu einem früheren Zeitpunkt beweisfällig.
Der Umstand, dass die Beklagte die Umbuchung nicht selbst vorgenommen oder veranlasst hat, steht einer Haftung der Beklagten nach Art. 4 Abs. 3 der
Verordnung vorliegend nicht entgegen. Eine Haftung des ausführenden Luftfahrtunternehmen ergibt sich auch, wenn ein Reiseveranstalter, der den Flug für den
Fluggast bei dem Luftfahrtunternehmen gebucht hat, eine Umbuchung vornimmt (wie hier LG Düsseldorf RRa 2008, 45; a.A. LG Darmstadt RRa 2006, 228;
offengelassen von BGH NJW 2009, 285).
Das AG Bremen, Urteil vom 14.12.2010, Az. 18 C 73/10 führt dazu aus:
‚a) Für diese Ansicht spricht bereits der deutsche Wortlaut des Art. 4 Abs. 3 der Verordnung, der unbestimmt im passiv formuliert ist "wird Fluggästen ... die
Beförderung verweigert" und nicht explizit verlangt, dass das ausführende Luftfahrtunternehmen die Beförderung verweigert. Auch der englische Wortlaut der
Verordnung spricht für diese Auslegung. Selbst wenn man berücksichtigt, dass der spanische und französische Wortlaut des Art. 4 Abs. 3 nicht passiv
formuliert ist (vgl. Wiedergabe des spanischen und französischen Wortlauts bei BGH NJW 2009, 285), spricht dies nicht entscheidend gegen die hier vertretene
Ansicht.
b) Für die Bestimmung der Reichweite des Art 4 Abs. 3 der Verordnung ist eine Auslegung geboten, die nach der Rechtsprechung des EuGH nicht nur den
Wortlaut einer Vorschrift berücksichtigt, sondern auch ihren Zusammenhang und die mit der Regelung verfolgen Ziele, wie sie sich insbesondere aus den
Erwägungsgründen ergeben (EuGH NJW 2010, 43). Das Gemeinschaftsrecht ist zudem im Sinne einer Wahrung der praktischen Wirksamkeit des
Gemeinschaftsrechts, hier der Verordnung, auszulegen. Bei der gebotenen Auslegung ist außerdem zu berücksichtigen, dass die Vorschriften der Verordnung,
mit denen den Fluggästen Ansprüche eingeräumt werden, einschließlich derjenigen, die einen Ausgleichsanspruch vorsehen, weit auszulegen sind (vgl. EuGH
NJW 2010, 43 m.w.N.).
Eine Auslegung des Art. 4 Abs. 3 der Verordnung nach diesen Maßgaben führt zu dem Ergebnis, dass das ausführende Luftfahrtunternehmen auch dann bei
einer Nichtbeförderung Ausgleich zu leisten hat, wenn es die Nichtbeförderung nicht selbst veranlasst hat, sondern diese durch ein mit dem
Luftfahrtunternehmen in Vertragsbeziehungen stehenden Reiseunternehmen vorgenommen wurde.
aa) Der Verordnungsgeber hat bei Erlass der Verordnung durchaus erkannt, dass das ausführende Luftfahrtunternehmen nach den Vorschriften der Verordnung
gegenüber Fluggästen auch dann zur Ausgleichszahlung verpflichtet sein kann, wenn die Verantwortung bei einem Reiseveranstalter liegt. Dies zeigt die
Existenz des Art. 13 der Verordnung, der explizit Regressansprüche des Luftfahrtunternehmens gegenüber einem Reiseunternehmen unberührt lässt (vgl. auch
Erwägungsgrund 8 der Verordnung). Dennoch hat der Verordnungsgeber ausweislich des Erwägungsgrundes 7 der Verordnung den Grundsatz aufgestellt, dass
die durch die Verordnung begründeten Verpflichtungen dem ausführenden Luftfahrtunternehmen obliegen. Der Verordnung lässt sich daher der Grundsatz
entnehmen, dass gegenüber den Fluggästen das ausführende Luftfahrtunternehmen auch dann verpflichtet sein soll, wenn vom Reiseunternehmen die
Nichtbeförderung zu verantworten ist.
bb) Dass dies als Grundsatz gewollt ist, lässt sich auch aus dem Verlauf des legislativen Verfahrens entnehmen. Der ursprüngliche Vorschlag der Kommission
für die Verordnung sah im Artikel 5 Abs. 3 noch folgenden Wortlaut vor: "Falls Fluggästen die Beförderung verweigert wird, muss das Luftfahrt- oder
Reiseunternehmen diesen unverzüglich die Ausgleichsleistungen gemäß Artikel 7 und die Betreuungsleistungen gemäß Artikel 8 und 9 erbringen" (vgl.
Kommissionsvorschlag KOM (2001) 784 vom 21.12.2001, ABl. EG C 103 vom 30.04.2002, S. 225). Erst durch die Stellungnahme des Rates der EU wurde
diese Regelung dahingehend geändert, dass nur noch das Luftfahrtunternehmen verpflichtet ist, die Ausgleichs- und Betreuungsleistungen zu erbringen (vgl.
Stellungnahme des Rates 2001/0305 (COD) vom 11.03.2003). Diese Änderung wurde damit begründet, dass das ausführende Luftfahrtunternehmen aufgrund
seiner Präsenz am Flughafen in der Regel am besten geeignet ist, die Verpflichtungen nach der Verordnung zu erfüllen. Außerdem könne das ausführende
Luftfahrtunternehmen Regress nehmen, insbesondere der Regress gegenüber dem Reiseunternehmen sei nicht durch die Verordnung ausgeschlossen (vgl.
Stellungnahme des Rates, a.a.O).
cc) Dem dargestellten Grundsatz der Verordnung und der Vorgabe, die anspruchsbegründenden Vorschriften der Verordnung weit auszulegen, wird eine
Auslegung des Art. 4 Abs. 3 der Verordnung am besten gerecht, die eine Verpflichtung des ausführenden Luftfahrtunternehmens unabhängig davon annimmt,
ob das Luftfahrtunternehmen oder der mit diesem vertraglich verbundenen Reiseveranstalter die Umbuchung veranlasst hat.
dd) Diese Auslegung wahrt auch die praktische Wirksamkeit der Verordnung. Denn für den Fluggast wird oftmals überhaupt nicht erkennbar sein, wer die
konkrete Ursache für eine Flugumbuchung tatsächlich gesetzt hat. Müsste er dies ggf. während der Reise vor der Geltendmachung der Unterstützungsleistungen
gemäß Art. 4 Abs. 3, Art. 9 der Verordnung aufklären, wäre der Fluggast an einer effektiven Wahrnehmung seiner Rechte gehindert und das ausweislich des
Erwägungsgrundes 4 der Verordnung angestrebte hohe Schutzniveau für Fluggäste könnte nicht erreicht werden. Daher ist ein Anspruch gegen das ausführende
Luftfahrtunternehmen aus Art. 4 Abs. 3 der Verordnung unabhängig davon anzunehmen, ob dieses oder der Reiseveranstalter, mit dem das
Luftfahrtunternehmen eine vertragliche Beziehung hat, die Ursache für eine Nichtbeförderung gesetzt hat.
ee) Die hier befürwortete Auslegung führt zudem zu der gemeinschaftsrechtlich und grundgesetzlich gebotenen Gleichbehandlung vergleichbarer Fälle. Denn
für die Unannehmlichkeiten des Fluggastes ist es unbedeutend, ob eine Umbuchung durch den Reiseveranstalter oder das ausführende Luftfahrtunternehmen
veranlasst wurde. Daher ist es geboten, ihm auch in beiden Fällen die Rechte aus Art. 4 Abs. 3 gegenüber dem Luftfahrtunternehmen zu gewähren.'
Dieser Auffassung, die im Übrigen mit der Berufungsinstanz des hiesigen Gerichtes übereinstimmt, schließt sich das Gericht an. ..." (AG Düsseldorf, Urteil
vom 10.10.2013 - 23 C 6252/13)
***
Fluggast-VO: Ausgleichszahlung bei Nichtbeförderung wegen Reduzierung der Passagieranzahl bei Erkrankung eines Crewmitgliedes (AG Köln, Urteil vom
30.09.2013 - 142 C 83/13):
„... Die Kläger buchten bei der Beklagten eine Flugbeförderung am 31.12.2012 von dem Flughafen Palma de Mallorca nach Köln/Bonn. Der Start des Fluges 5
V ... war geplant für 15:00 Uhr. Sie zahlten neben dem Flugpreis eine Sitzplatz - Reservierungsgebühr in Höhe von 45,00 Euro. Die Kläger fanden sich
pünktlich zum Einchecken ein. Die Kläger wurden nicht befördert sondern wurden umgebucht auf einen Flug der Fluggesellschaft BC ab Palma Mallorca nach
Düsseldorf. Dieser startete um 19:53 Uhr und erreichte Düsseldorf um 22.00 Uhr. Mit diesem Flug gelangten die Kläger mit einer Verspätung von über vier
Stunden gegenüber der geplanten Ankunftszeit des Fluges 5 V ... nach Düsseldorf. Die Kläger behaupten, dass sie nach Ankunft in Düsseldorf ein Taxi für
140,00 Euro nach Köln genommen haben.
Gegen die im Termin vom 13.05.2013 säumige Beklagte ist auf Antrag der Kläger ein Versäumnisurteil ergangen, mit dem die Beklagte verurteilt worden ist,
an den Kläger zu 1.) 435,00 Euro, an die Kläger zu 2.) und 3.) jeweils 250,00 Euro jeweils nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen
Basiszinssatz seit dem 18.03.2013 zu zahlen. Gegen das ihr am 24.05.2013 zugestellte Versäumnisurteil hat die Beklagte mit am 04.06.2013 bei Gericht
eingegangen Schriftsatz vom selben Tag Einspruch eingelegt. ...
I. Zunächst steht den Klägern aus Art. 7 Abs. 1 lit. a, Art 4 Abs. 3 der VO(EG) 261/2004 (Fluggast-VO) jeweils ein Anspruch auf eine Ausgleichszahlung in
Höhe von jeweils 250,00 Euro zu.
Es ist zwischen den Parteien unstreitig, dass ein Fall der Nichtbeförderung gemäß Art. 4 Abs. 3 der Fluggast-VO vorlag, da die Kläger, die sich am 31.12.2012
rechtzeitig zum Antritt des Fluges 5 V ... in Palma einfanden von der Beklagten gegen deren Willen nicht befördert und stattdessen auf einen späteren Flug
einer anderen Fluggesellschaft umgebucht wurden. Dass es sich hierbei nicht um eine Überbuchungssituation handelte sondern nach dem Vortrag der Beklagten
sicherheitstechnische Erwägungen zur Reduzierung der Passagierzahl führten, von der die Kläger betroffen waren, ist dabei nach der Rechtsprechung des EuGH
unerheblich (EuGH, RRa, 2012, 281 f.), denn die Nichtbeförderung, die in Art 4 Abs. 3 nicht auf Überbuchungsfälle beschränkt wurde kann auch auf anderen
Gründen z.B. betrieblichen Gründen beruhen.
Gegenüber dem damit dem Grunde nach entstandenen Anspruch auf Ausgleichzahlung kann sich die Beklagte in Hinblick auf die Erkrankung eines
Flugbegleiters und einer dadurch bedingten Begrenzung der Passagierzahl nicht auf einen außergewöhnlichen Umstand gemäß Art. 5 Abs. 3 Fluggast VO
berufen. Im Anwendungsbereich des Art. 4 Abs. 3 der Fluggast-VO ist Art. 5 Abs. 3 Fluggast VO nicht anwendbar. Art. 5 Abs. 3 Fluggast VO nimmt lediglich
Bezug auf die Annullierung und ist in Gefolge der Rechtsprechung des EuGH zu Ausgleichzahlungen bei großer Verspätung auch auf diese Fälle anwendbar.
Die Regelung der Nichtbeförderung enthält keine dem Art. 5 Abs. 3 Fluggast-VO entsprechenden Ausnahmetatbestand. Es ist davon auszugehen, dass dem
Verordnungsgeber diese Abweichung bei Fassung des Art. 4 und des Art. 5 der Fluggast VO bewusst war. Für eine entsprechende Regelung bestand aus Sicht
des Verordnungsgebers auch kein Bedürfnis, da er die Nichtbeförderung bereits in Art. 2 lit. j der Fluggast VO definitorisch mit Ausschlussgründen versehen
hat. Danach liegt bereits qua definitionem keine Nichtbeförderung vor, wenn vertretbare Gründe für die Nichtbeförderung vorliegen.
Die Begrenzung der Passagiere wegen zu weniger Flugbegleiter aufgrund eines Krankheitsfalles stellt sich nicht als ein Grund im Sinne des Art. 2 lit. j der
Fluggast VO dar.
Nach der nicht abschließenden aber Beispiele erfassenden Definition in Art. 2 lit. j Fluggast VO liegen vertretbare Gründe für eine Nichtbeförderung vor, wenn
sie im Zusammenhang mit der Gesundheit oder mit unzureichenden Reiseunterlagen stehen. Ein solcher Grund liegt hier bei den Klägern und den weiteren
nicht beförderten Personen erkennbar nicht vor.
Vertretbare Gründe können aber auch gegeben sein, wenn sie im Zusammenhang mit einem allgemeinen oder betrieblichen Sicherheitsrisiko stehen, dass sich
im Zusammenhang mit der Beförderung des Fluggastes ergeben würde. ‚Vertretbar" ist eine Zurückweisung aus Sicherheitsgründen in diesem Fall dann, wenn
diese den gesetzlichen oder behördlichen Sicherheitsvorschriften entspricht, die das Luftfahrtunternehmen am Abflugort, am Ankunftsort oder nach den
Bestimmungen am Unternehmenssitz zu beachten hat. Sie kommt ferner dann in Betracht, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass von einem
Reisenden eine Gefahr für die Sicherheit des Fluges oder die Mitreisenden ausgeht (BGH, Urteil vom 28.08.2012 - X ZR NZV 2013, 185). Mit dieser
Auslegung ist aber noch nicht sicher geklärt, ob das allgemeine oder betriebliche Sicherheitsrisiko im Zusammenhang in Bezug auf den abgewiesenen Fluggast
bzw. den abgewiesenen Fluggästen stehen muss oder ob es genügt, dass Gründe außerhalb der Person oder der des Fluggastes als ‚vertretbare Gründe'
herangezogen werden können.
Würde letzteres zutreffen, kann die behördliche Anordnung nur eine bestimmte Anzahl von Fluggästen aufzunehmen, wenn nur eine bestimmte Anzahl von
Flugbegleitern vorhanden ist, einen solchen Grund darstellen; denn diese Regelung dient der Sicherheit der Fluggäste, damit im Notfall eine ausreichende
Anzahl von Flugbegleitern zur Koordinierung der Notfallmaßnahmen vorhanden ist.
Die sich damit stellende Auslegungsfrage hat das LG Frankfurt (RRa 2012, 122) dem EuGH zur Beantwortung vorgelegt. Das Vorlageverfahren C - 316/12
wurde indes gestrichen, so dass die Frage durch den EuGH noch nicht beantwortet ist. Das erkennende Gericht erachtet eine Vorlage für nicht geboten, da die
Auslegung im Sinne der personenbezogenen Gründe, wie sie auch der BGH in der genannten Entscheidung vom 28.08.2012 vornimmt, eindeutig ist und eine
Vorlage nicht erforderlich ist, wenn die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts so offenkundig ist, dass für vernünftige Zweifel kein Raum bleibt (BGHZ
153, 82, 92).
Es ist in der deutschen reiserechtlichen Literatur allgemeine Auffassung, dass ‚vertretbare Gründe' nach Art. 2 lit j. j FluggastVO nur in der Person des
Fluggastes liegende Gründe sein können, die den Luftverkehr oder andere Passagiere in ihrer Sicherheit gefährden oder sonstige, öffentliche oder vertragliche
Belange berühren (vgl. Führich, Reiserecht, 6. Aufl., 2010, Seite 880, Rn. 1023 m. w. N.; Staudinger/Schmidt-Benduhn, NJW 2004, 1897, 1898). Dafür spricht
bereits der Wortlaut, der in seinen Beispielen mit Gesundheit und Reiseunterlagen eindeutig auf in der Person des Fluggastes liegende Umstände abstellt;
Anhaltspunkte dafür, dass dies gerade bei dem Beispiel allgemeine Sicherheit oder betriebliche Sicherheit anders sein soll, gibt es nicht. Gegen von der Person
des Fluggastes losgelöste Gründe als Rechtfertigung für eine Nichtbeförderung spricht aber weiter die bereits erwähnte unterschiedliche Ausgestaltung von Art.
4 und Art. 5 Fluggast-VO. Nur in Art. 5 Fluggast VO werden außergewöhnliche von der Person des Fluggastes losgelöste Umstände als Rechtfertigung
zugelassen. Das Weglassen einer entsprechenden Regelung oder eines Verweises aus sie in Art. 4 Abs. 3 sowie in Art. 2 lit. j Fluggast VO durch den
Verordnungsgeber zeigt, dass solche Gründe bei der Nichtbeförderung unberücksichtigt bleiben. Entscheidend gegen eine Ausdehnung der Ausschlussgründe
auch auf von der Person des Fluggast losgelöste Gründe in Anlehnung an Art. 5 Abs. 3 Fluggast VO ist aber gerade auch der von dem EuGH in der Sturgeon
und Nelson Entscheidung hervorgehobene Gleichbehandlungsgrundsatz. (EuGH, NJW 2010, 43; EuGH, NJW 2013, 671 ff). Denn es ist kein Grund ersichtlich,
warum der Fluggast, der nicht befördert wird bereits bei vertretbaren in der allgemeinen oder betrieblichen Sicherheit gelegenen Gründen ohne Anspruch
bleiben soll, während der von einer Annullierung oder großen Verspätung betroffene Fluggast erst dann ohne Ausgleich nach Art. 7 Fluggast VO bleibt, wenn
außergewöhnliche Umstände vorliegen, die nach der Rechtsprechung des EuGH auch nur vorliegen, wenn sie nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit
des betroffenen Luftfahrtunternehmens und aufgrund ihrer Natur oder Ursache von diesem tatsächlich nicht zu beherrschen sind (EuGH, NJW 2009, 347
(Wallentin) und zudem nicht zu vermeiden waren.
Damit kann die Beklagte sich im vorliegenden Fall der Nichtbeförderung nicht darauf berufen, dass bedingt durch die Erkrankung des Flugbegleiters die
Sicherheitsbestimmungen nur einzuhalten waren, wenn die Passagierzahl begrenzt wird, denn hierbei handelt es sich um keinen Grund der in der Person der
Kläger und der weiteren Fluggäste lag, die von der Begrenzung betroffen waren.
Der Höhe nach beläuft sich der Anspruch gemäß Art. 7 Abs. 1 lit. a Fluggast VO auf jeweils 250,00 Euro. Die Entfernung zwischen Palma und Köln liegt unter
1.500 km. Auf eine Kürzung des Anspruches nach Art. 7 Abs. 2 FluggastVO kann sich die Beklagte nicht berufen, da die Ankunft mit dem anderen Flug nicht
unterhalb einer Verspätung von zwei Stunden lag, sondern über vier Stunden betrug.
Weiter hat der Kläger zu 1.) Anspruch auf Schadenersatz gemäß §§ 634 Nr. 4, 636, 280, 281 BGB wegen einer mangelhaften Durchführung des zwischen den
Parteien geschlossenen Luftbeförderungsvertrages in Höhe von 185,00 Euro.
Das Werkvertragsrecht der §§ 631 ff BGB ist anwendbar. Auf die Nichtbeförderung in zurechenbarer Weise zurückzuführende Vermögensschäden des
Fluggastes werden von der Fluggast VO nicht erfasst. Sie sind nach Art. 12 Fluggast VO auch nicht ausgeschlossen. Als Anspruchsgrundlagen für solche
Schäden kommen vor allen das Montrealer Übereinkommen bei Verspätungsfällen in Betracht oder aber das nationale Recht wie das bei
Luftbeförderungsverträgen anwendbare Werkvertragsrecht. Das Montrealer Übereinkommen ist indes nur bei echten Verspätungsfällen nach Art. 19 MÜ
einschlägig, wenn der konkrete Flug nicht rechtzeitig am Zielort eintrifft. Für Fluggäste die nicht befördert werden und auf einen anderen Flug zu einem
anderen Zielort verlegt werden, greift diese Regelung nicht. Hier verbleibt es bei der Anwendbarkeit der §§ 631 ff BGB.
Die Nichtbeförderung des Klägers zu 1.) im gebuchten Flug nebst Verlegung auf einen anderen Flug stellte sich als mangelhafte Beförderungsleistung dar, sie
entsprach nicht der vereinbarten Beschaffenheit. Angesichts der Verweigerung der Beklagten, die Kläger vertragsgemäß zu befördern bedurfte es auch keiner Fristsetzung.
Dem Kläger zu 1.) ist ein Schaden in Höhe von 185,00 Euro bestehend aus den Kosten für die Sitzplatzreservierung in Höhe von 45,00 Euro und den
Taxikosten in Höhe von 140,00 Euro entstanden.
An dem Eintritt des Schadens beim Kläger zu 1.) bestehen keine Zweifel. Ausweislich der Buchung ist er Vertragspartner der Beklagten geworden. Dass er den
Flugpreis neben Gebühren auch für die Sitzplatzreservierung für sich und seine Familienmitglieder bezahlte, wird von der Beklagten nicht in Zweifel gezogen.
Die Sitzplatzreservierung galt nur für den gebuchten Flug, den der Kläger nicht antreten konnte. Die Reservierung ist, ohne dass er und seine Familie sie nutzen
konnte, verfallen. Dass der Kläger zu 1.) in dem Ersatzflug auch saß, ändert nichts daran, dass die Reservierungskosten umsonst waren. Auch die Taxikosten
sind erstattungsfähig. Die Beklagte schuldete den Transport nach Köln nicht nach Düsseldorf. Dass der Kläger zu 1.) 140,00 Euro für die Taxifahrt von
Düsseldorf nach Köln zahlte ist durch die vorgelegte Quittung substantiiert dargetan, das pauschale Bestreiten der Beklagten ist angesichts dessen unbeachtlich.
Die Beklagte ist auch den Schaden weiter substantiierenden Vorbringen der Kläger aus dem Schriftsatz vom 03.05.2013 nicht mehr entgegengetreten.
Eine Anrechnung der Ausgleichszahlung auf diesen Schadenersatz nach Art. 12 Flugast VO kommt nicht in Betracht. Bei der Ausgleichzahlung handelt es sich
nach Maßgabe der o.g. Entscheidung des EuGH um einen Ausgleich für die mit der Nichtbeförderung einhergehenden Unannehmlichkeiten, er ist damit
immateriellen Charakters. Eine Anrechnung auf einen materiellen Schadenersatz kommt daher bereits wegen des unterschiedlichen Rechtscharakters nicht in
Betracht. ..." (AG Köln, Urteil vom 30.09.2013 - 142 C 83/13)
***
Die Kläger machen gegen die Beklagte Ausgleichsansprüche aus der Fluggastverordnung Nr. 261/2004 geltend. Die Kläger buchten bei der Beklagten eine
Flugreise von Dakar in Senegal nach Hamburg mit einem Zwischenstopp in Brüssel/Belgien für den 12.08.2009. Dabei trat der Kläger zu 1) für seine
minderjährigen Kinder, die Kläger zu 2) und 3), als gesetzlicher Vertreter auf. Der für den 12.08.2009 um 21.50 Uhr geplante Abflug verzögerte sich um über
30 Stunden auf den 14.08.2009 3.00 Uhr nachts. Die Ankunft und Weiterbeförderung verzögerte sich entsprechend. Bereits am 16.08.2009 machte der Kläger
zu 1) entsprechende Ansprüche für die Kläger bei der Beklagten geltend. Die Kläger behaupten, sie hätten die Flugtickets über eine Agentur der Beklagten in
Dakar am 29.07.2009 erworben, ohne dass eine Einbeziehung der AGB der Beklagten erfolgt sei. Die Kläger sind zudem der Auffassung, dass vorliegend
deutsches Recht auf den Vertrag anwendbar sei, zudem stünde belgisches Recht selbst bei Anwendbarkeit desselben einer Verjährung nicht entgegen, da
insoweit das nationale Verjährungsrecht Belgiens durch das vom Senegal und Belgien unterzeichnete Warschauer Abkommen ausgeschlossen sei. Zudem
handele es sich bei den Ausgleichsansprüchen nicht um vertragliche Ansprüche. Die Kläger beantragen, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger zu 1) 600,00
€ nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2009 sowie an den Kläger zu 1) und gemeinsam als gesetzliche Vertreter
der minderjährigen Kläger zu 2) und 3) je 600,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2009 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Die Beklagte behauptet, bei Vertragsschluss seien die AGB der Beklagten einbezogen worden. Hiernach sei auf
den Beförderungsvertrag belgisches Recht anzuwenden. Gleiches ergebe sich auch unter dem Gesichtspunkt der Sachnähe, da die Beklagte ihren Sitz -
unstreitig - in Belgien habe. Ferner ist die Beklagte der Auffassung, dass etwaige Ansprüche nach belgischem Recht verjährt seien, worauf sich die Beklagte
ausdrücklich beruft. Die dortige Verjährungsfrist nach Art. 9 des Belgischen Code de Commerce belaufe sich bei Klagen auf Grundlage von
Beförderungsverträgen auf ein Jahr bei internationalen Transporten.
Ergänzend wird Bezug genommen auf die von den Parteien zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen. ...
Das Amtsgericht Hamburg ist örtlich zuständig, da es sich um einen Flug nach Hamburg gehandelt hat. Auf den Zwischenstopp in Brüssel ist insoweit nicht
abzustellen. Eine solche Klage ist nach Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. \ EuGVVO nach Wahl des Klägers das Gericht des Ortes des Abfluges oder das des Ortes der
Ankunft des Flugzeuges entsprechend der Vereinbarung dieser Orte in dem Vertrag zuständig.
Die Klage ist jedoch nicht begründet. Den Klägern stehen keine Ausgleichsansprüche nach Art. 7 der Verordnung Nr. 261/2004 gegen die Beklagte zu. Die
Ansprüche sind nach dem zugrunde zu legenden belgischen Recht verjährt.
Ausgleichsansprüche aus der Verordnung Nr. 261/2004 unterliegen vorliegend ergänzend belgischem Recht. Vereinbaren die Parteien nichts anderes, unterliegt
der Vertrag dem Sitzrecht des beklagten Luftfahrtunternehmens (vgl. BGH NJW 2011, 2056, Rn. 31 zitiert nach juris). Eine abweichende Rechtswahl ist von
den Parteien vertraglich nicht getroffen worden. Nach Art. 9 des Belgischen Code de Commerce beträgt die Verjährungsfrist für Klagen, die aus einem Vertrag
zur Beförderung von Personen entstehen bei internationalen Beförderungen ein Jahr. Zwar findet der geltend gemachte Anspruch seine Grundlage nicht
unmittelbar in den im Beförderungsvertrag getroffenen vertraglichen Abreden, sondern ist Teil der von der Verordnung zuerkannten gesetzlichen
Mindestrechte. Die vertraglichen Beziehungen zwischen dem Fluggast und dem Luftbeförderungsunternehmen oder einem anderen Unternehmen sind nur
Voraussetzung dafür, dass der Fluggast überhaupt die Mindestrechte nach der Verordnung beanspruchen kann (BGH NJW 2011, 2056, Rn. 33 zitiert nach
juris). Soweit die Verordnung keine Regelungen enthält, wie dies etwa bei den Verjährungsregelungen aber auch einer etwaigen Verzinsung der Fall ist, ist auf
das Vertragsrecht des jeweils maßgeblichen Rechtssystems abzustellen (vgl. BGH NJW 2011, 2056, Rn. 44 zitiert nach juris; EuGH RRa 2013, 17 ff). Die
Verordnung Nr. 261/2004 ist entsprechend dahin auszulegen, dass sich die Frist, innerhalb derer Klagen auf Zahlung der in den Art. 5 bis 7 der Verordnung
vorgesehenen Ausgleichsleistungen erhoben werden müssen, nach den Vorschriften der einzelnen Mitgliedsstaaten über die Klagverjährung bestimmt (EuGH
a.a.O.). Das belgische Recht stellt insoweit auf Ansprüche ab, die aus Transportverträgen hergeleitet werden, dies entspricht jedenfalls der Übersetzung des
Wortes "dérivant". Dies entspricht dem Wortlaut nach einer umfassenden Verjährungsregel im Hinblick auf Ansprüche, die in einem Vertrag ihre Grundlage
haben, wie dies bei den hier vorliegenden Ausgleichsansprüchen der Fall ist. Zudem ist nach der bereits zitierten Rechtsprechung aber auch selbst bei einer
engeren Wortwahl der nationalen Regelung auf das jeweilige Vertragsrecht abzustellen.
Letztlich kommt es auf die Differenzierung zwischen dem Vertragspartner und dem ausführenden Luftfahrtunternehmen bei Ausgleichsansprüchen nach der
Verordnung Nr. 261/2004 nicht an, da die Beklagte nicht nur Vertragspartnerin sondern darüber hinaus auch ausführendes Luftfahrtunternehmen gewesen ist.
Die Kläger können dem nicht entgegenhalten, dass der BGH auf die allgemeinen Regelungen nach § 195 BGB in derartigen Fällen bei der Anwendbarkeit
deutschen Sachrechts abstellt (vgl. BGH NJW 2010, 1526, Rn. 25 zitiert nach juris). Dies ergibt sich bereits aus dem Umstand, dass es keine spezielleren
Regelungen insoweit gibt. Insbesondere das Luftverkehrsgesetz verweist in § 39 lediglich auf die Verjährungsvorschriften für unerlaubte Handlungen des
Bürgerlichen Gesetzbuches. Darüber hinaus gibt es in § 49 a eine Ausschlussfrist, die jedoch auch keine Verjährungsfrist in diesem Sinne darstellt.
Die Regelungen des Montrealer Übereinkommens über etwaige Ausschlussfristen sind im Bereich der Fluggastrechteverordnung weder unmittelbar noch
entsprechend anwendbar (BGH NJW 2010, 1526). Soweit die Kläger auf Art. 29 des Warschauer Abkommens abstellen, vermag sich eine anderweitige
Beurteilung nicht zu ergeben. Danach kann die Klage auf Schadensersatz nur binnen einer Ausschlussfrist von zwei Jahren erhoben werden. Die Frist beginnt
mit dem Tage, an dem das Flugzeug am Bestimmungsort angekommen ist oder an dem es hätte ankommen sollen oder an dem die Beförderung abgebrochen
worden ist (Art. 29 Abs. 1 Warschauer Abkommen). Selbst bei Anwendung des Warschauer Abkommens wäre die erst am 19.11.2011 bei Gericht
eingegangene Klage nicht mehr innerhalb der Klagfrist erfolgt. Im Übrigen ist nach der Rechtsprechung des EuGH davon auszugehen, dass Art. 29 des
Warschauer Abkommens ebenso wie das Montrealer Übereinkommen nicht auf Ansprüche nach den Art. 5 bis 7 der Verordnung Nr. 261/2004 anwendbar sind
(EuGH a.a.O., Rn. 29 zitiert nach juris). ..." (AG Hamburg, Urteil vom 21.08.2013 - 8a C 386/12)
***
„... Für den Ausgleichsanspruch nach Art. 5 Abs. 1 lit c), Art. 7 Abs. 1 FluggastrechteVO ergibt sich die Zuständigkeit aus § 29 Abs. 1 ZPO. Es handelt sich
vorliegend um eine Streitigkeit ‚aus einem Vertragsverhältnis'. Der Kläger macht einen Ausgleichsanspruch nach Art. 5 Abs. 1 fit c), Art. 7 Abs. 1
FluggastrechteVO geltend; dieser Anspruch beruht auf einer vertraglichen Grundlage, wie der BGH mehrfach entschieden hat (BGH NJW 2010, 1070 - Rz.
18-; BGH, Urteil v. 18.01.2011, Az. X ZR 71/10, Rz. 25 f.). Dieser Ansicht ist zu folgen. Die FluggastrechteVO setzt das Bestehen eines
Luftbeförderungsvertrages voraus, wie sich insbesondere aus Art. 3 Abs. 2 lit a), Abs. 5 der Verordnung ergibt, und gestaltet die Rechte aus diesem Vertrag in
besonderer Weise aus.
Erfüllungsort der streitigen Verpflichtung ist (auch) Frankfurt am Main, der bestimmungsgemäße Abflugort des gebuchten Fluges. Denn im Fall einer
Beförderung von Personen im Luftverkehr sind sowohl der Ort des vertragsgemäßen Abfluges als auch der Ort der vertragsgemäßen Ankunft des Flugzeugs
gleichermaßen als Orte anzusehen, an denen die Leistungen, die Gegenstand des Beförderungsvertrages im Luftverkehr sind, hauptsächlich erbracht werden
(EuGH, Urt. v. 9.7.2009, EuZW 2009, 569; BGH, Urteil v. 18.01.2011, a.a.O., Rz. 35). Diese Aussage hat der EuGH zwar in Auslegung von Art. 5 Nr. 1
EuGVVO getroffen, sie ist jedoch auf alle Konstellationen anzuwenden, in denen der Kunde ein Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft oder aus einem
Drittstaat nach der FluggastrechteVO in Anspruch nimmt. Denn jedenfalls für die vom Unionsrecht einheitlich ausgestalteten Mindestrechte nach der
FluggastrechteVO ist für die Bestimmung des Erfüllungsortes der im Unionsrecht angelegte Rechtsgedanke maßgebend (BGH, Urteil v. 18.01.2011, a.a.O., Rz. 34).
Für den Gepäckverspätungsschaden ergibt sich die örtliche und internationale Zuständigkeit aus Art. 33 Abs. 1 des Montrealer Übereinkommens (MÜ), da die
Kläger ausgehend von Frankfurt am Main einen Hin-und Rückflug gebucht hatten; Bestimmungsort im Sinne von Art. 33 Abs. 1 MÜ ist der Endpunkt des
einheitlich gebuchten Fluges (vgl. Pokrant, in: Ebenroth/Boujon/Joost/Strohn, HGB, 2. Aufl. 2009 Art. 33 MÜ Rn. 14 m.w.N.), hier daher der Zielort des Rückfluges.
Die Klage ist jedoch nur teilweise begründet. Die Kläger haben keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Ausgleichsleistung nach Art. 5 Abs. 1 lit c), Art. 7
Abs. 1 FluggastrechteVO. Denn die Beklagte ist infolge des Vorliegens eines außergewöhnlichen Umstandes nach Art. 5 Abs. 3 der Verordnung von der Pflicht
zur Ausgleichsleistung befreit. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass zum Zeitpunkt des ursprünglich geplanten Fluges der Flughafen in Mailand infolge
eines Generalstreiks funktionsunfähig war und der Flug somit infolge für das Luftfahrtunternehmen nicht beeinflussbarer Umstände nicht planmäßig
durchgeführt werden konnte. Der durch einen Streik bewirkte Funktionsausfall des Zielflughafens stellt einen außergewöhnlichen Umstand i.S.v. Art. 5 Abs. 3
und Nr. 14 der Erwägungsgründe der Verordnung dar (vgl. BGH NJW 2013, 374 ff., Rz. 18 ff.). Für diese Qualifikation als außergewöhnlicher Umstand
kommt es nicht darauf an, ob der Beklagten das erhöhte Risiko des Flugausfalls zuvor bekannt war, denn es ist weder ersichtlich noch von den Klägern
vorgetragen, dass der Streik bzw. der Ausfall des Zielflughafens sich infolge der Kenntnis der Beklagten von dem bevorstehenden Streik unter Ergreifung
zumutbarer Maßnahmen hätten vermeiden lassen.
Der Kläger zu 1) hat gegen die Beklagte - nach erfolgter Abtretung der diesbezüglichen Ansprüche durch die Klägerin zu 2 - Anspruch auf Schadensersatz für
die getätigten Ersatzanschaffungen infolge des zeitweisen Kofferverlustes aus Art. 19 MÜ i.V.m. § 249 BGB. Dass das Gepäck verspätet ausgeliefert wurde,
hat die Beklagte nach Vorlage der Gepäckverlustanzeige (Anlage K2) nicht mehr bestritten, weswegen dieser Umstand als unstreitig zu werten ist. Die Beklagte
ist insoweit auch passivlegitimiert. Durch die Buchung vom 04.06.2012 ist zwischen den Parteien ein Luftbeförderungsvertrag abgeschlossen worden (Anlage
K1). Dieser verpflichtete die Beklagte zur Beförderung der Kläger zu den vereinbarten Terminen von Frankfurt nach Bari und zurück. Es spricht nichts dafür,
dass das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien infolge der von der Beklagten vorgenommenen Umorganisation aufgehoben worden wäre. Die Beklagte ist
damit vertraglicher Luftfrachtführer geblieben und als solcher gem. Art. 40,45 MÜ nach Wahl der Kläger neben dem ausführenden Luftfrachtführer für den
Verspätungsschaden passivlegitimiert.
Der Anspruch besteht jedoch nicht in der geltend gemachten Höhe. Die Ersatzpflicht besteht nicht unbeschränkt, sondern nur für solche Ersatzanschaffungen,
die notwendig und angemessen sind (vgl. Führich, Reiserecht, 5. Aufl. 2005, Rn. 1046). Bei einer mehrtägigen Verzögerung sämtlicher Gepäckstücke ist die
ersatzweise Anschaffung einer vollständigen Grundgarderobe (Über- und Unterkleidung) als notwendig und angemessen anzusehen. Die Kosten für jeweils
einen Satz Unterwäsche und Oberbekleidung sowie Badebekleidung und Schuhe sind daher zu ersetzen. Die darüber hinausgehenden Anschaffungen waren
nicht als notwendig anzusehen, da auch bei einer mehrtägigen Verzögerung die jeweils nicht getragene Ausstattung gereinigt werden kann; ein Neuerwerb
scheint nicht erforderlich. Von der Ersatzliste des Klägers zu 1) waren daher ein Hut, eine Shorts, ein T-Shirt, eine Badehose, ein Gürtel, ein Satz Unterwäsche,
eine Hose und ein Paar Flip-Flops ersatzfähig, von derjenigen der Klägerin zu 2) ein Kleid, alternativ: ein T-Shirt und eine Shorts, ein Bikini und ein Satz
Unterwäsche. Für die Notwendigkeit des Erwerbs von speziellen Abendschuhen ist nichts vorgetragen. Auch die Benutzung einer Strandtasche erscheint nicht
so wesentlich, dass eine Ersatzanschaffung bei einer Gepäckverzögerung erforderlich wäre. Für die Anschaffung einer solchen einfachen Grundausstattung
erscheint unter Berücksichtigung der aufgelisteten Gegenstände und der Gesamtpreise sowie des Zeitdrucks bei Suche und Auswahl ein Betrag von jeweils
250,00 EUR für angemessen, aber auch notwendig. Für einen Abzug neu für alt ist im Rahmen dieser Schätzung kein Raum. Denn durch die Ersatzanschaffung
werden die vorhandenen Kleidungsstücke nicht dauerhaft ersetzt; nach ihrer Wiedererlangung sind die ersatzweise angeschafften Stücke überflüssig.
Kein Ersatzanspruch besteht hinsichtlich der von Klägerseite nicht weiter konkretisierten Reinigungskosten für die behauptete Verschmutzung der Wäsche in
den verspäteten Koffern; es ist weder vorgetragen, dass die Wäsche gereinigt wurde, noch welche Kosten hierbei entstanden sind. Ebensowenig ist zur
Notwendigkeit einer Reinigung konkret vorgetragen worden.
Die Zinsforderung ist aus §§ 286 Abs.1 Satz 1, 288 Abs. 1 BGB begründet. Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten waren nicht zuzusprechen, da ein Schaden des
Klägers insoweit nicht dargelegt wurde. Nach den Erklärungen der Parteien in der mündlichen Verhandlung ist davon auszugehen, dass die
Rechtsschutzversicherung die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten ausgeglichen hat. ..." (AG Frankfurt, Urteil vom 13.06.2013 - 29 C 2518/12 (19)).
***
„... Die Verpflichtung zur Zahlung von 400 Euro pro Fluggast - demnach für den Anspruch des Klägers zu 1 aus eigenem Recht und aus abgetretenem Recht
der Ehefrau 800 Euro und für den Anspruch des Klägers zu 2 400 Euro - folgt aus Art. 7 Abs. 1 b iVm Art. 5 Abs. 1c VO (EG) Nr. 261/2004. Die Verordnung
ist nach ständiger Rechtsprechung des EuGH so auszulegen, dass eine Flugverspätung von mehr als drei Stunden im Hinblick auf die ähnlichen Folgen
für den Fluggast der Annulierung gleichsteht (EuGH NJW 2010, 43). Dies gilt auch dann, wenn - wie hier - der Abflug zwar pünktlich erfolgt ist und eine
Ankunftsverspätung dadurch entsteht, dass wegen eines im Flug auftretenden technischen Defekts das Flugzeug zum Ausgangsflughafen zurückkehren muss
und sodann mit deutlicher Verzögerung ein Ersatzflug angeboten wird. Die hier einschlägige VO (EG) Nr. 261/2004 ist nach den Vorgaben des Europäischen
Gerichtshof nach dem Sinn und Zweck auszulegen, Fluggäste für die Folgen eines irreversiblen Zeitverlustes und damit verbundener Unannehmlichkeiten nach
Möglichkeit so zu entschädigen, dass gleiche Unannehmlichkeiten auch gleich abgegolten werden. Die Unannehmlichkeiten eines Fluggastes am Zielort,
dessen Flugzeug pünktlich abfliegt, jedoch verspätet eintrifft, sind keine anderen als diejenigen des Fluggastes, dessen Flugzeug unter Beibehaltung der
Verspätung bereits verspätet abgeflogen ist. Daher macht es keinen Unterschied, ob der Flug bereits verspätet gestartet ist oder die Verspätung erst wegen eines
Ereignisses zwischen dem Abflug und der Landung am Zielort entsteht, denn in beiden Fällen haben die betroffenen Fluggäste dieselben Unannehmlichkeiten
erlitten, die sich allein aus der Verspätung am Zielort ergeben. (so EuGH C 11/11 vom 26.02.2013 für den Fall einer durch Anschlussverlust entstandenen
größeren Verspätung; nichts anderes gilt bei einer Vergrößerung der Verspätung durch zwischengeschalteten Rückflug zum Ausgangsflughafen). Da somit auf
die Ankunftsverspätung am Ziel abzustellen ist, das der zunächst vorgesehene Flug nie erreicht hatte, kann also nur auf die Ankunftszeit des zweiten Fluges
abgestellt werden (so im Ergebnis auch LG Frankfurt, Urteil vom 06. Februar 2012 - 2-24 O 219/11, 2/24 O 219/11, Randnummer 34 -, juris).
Ein Wegfall der Leistungspflicht der Beklagten gemäß Art. 5 Abs. 3 VO (EG) Nr. 261/2004 ist nicht gegeben, zu außergewöhnlichen Umständen im Sinne
dieser Vorschrift trägt die Beklagte nicht vor.
Soweit die Beklagte sich weiter dahingehend einlässt, der Reiseveranstalter habe auch in ihrem Namen eine Teilzahlung erbracht, fehlt es hierfür an jeglichem Beweisangebot.
Die Beklagte ist auch zur Freistellung der Kläger von der Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten verpflichtet. Dies ergibt sich aus § 280 Abs. 1 BGB
iVm Art. 14 Abs. 2 VO (EG) Nr. 261/2004. Entgegen Art. 14 Abs. 2 VO (EG) Nr. 261/2004 hat die Beklagte zu 1 es versäumt, die Kläger bereits im Flugzeug
schriftlich darauf hinzuweisen, dass ihnen auch im Verspätungsfall die Rechte aus Art. 5 Abs. 1 VO (EG) Nr. 261/2004 zustehen. Die Beauftragung eines
Rechtsanwalts durch die Klägerseite mit der Geltendmachung der Forderung ist adäquat kausale Folge dieser Pflichtverletzung, auf einen Verzug kommt es
nicht an. Eine Anrechnung des Entschädigungsanspruchs nach Art. 7 Abs. 1 VO (EG) Nr. 261/2004 auf die Pflicht zur Erstattung der vorgerichtlichen
Rechtsanwaltskosten kommt dem Sinn und Zweck nach nicht in Frage, denn es ist nicht Zweck von Art. 12 Abs. 1 VO (EG) Nr. 261/2004, die Fluggesellschaft
von den Folgen mangelnder Information der Flugreisenden über ihre Rechte zu entlasten, sondern die Vorschrift bezieht sich auf weitergehende
Schadenersatzansprüche mit Grundlage außerhalb der Verordnung (AG Rüsselsheim 3 C 237/11 vom 10.08.2011; www.juris.de). ..." (AG Düsseldorf, Urteil
vom 11.06.2013 - 43 C 15606/12)
***
Die Klägerseite hat einen Anspruch auf Leistung von Ausgleichszahlungen in der geltend gemachten Höhe aus eigenem und abgetretenem Recht gemäß Art. 7
Abs. 1 lit. c), Art. 6 Abs. 1 VO, § 398 BGB.
Es bleibt unerheblich, dass die Beklagte mit Nichtwissen bestritten hat, dass die Klägerseite über eine bestätigte Buchung verfügt hat. Ein Bestreiten mit
Nichtwissen ist unzulässig, da eine bestätigte Buchung durch die Beklagte Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung (bzw. ihrer Mitarbeiter) gewesen ist und die
Beklagte hiervon Kenntnis haben muss (hierzu Zöller, ZPO, 28 Aufl., § 138, Rn. 14). Es hätte der Beklagten - insbesondere in Ansehung der im Verfahren
vorgelegten Unterlagen - oblegen, qualifiziert zu bestreiten, dass die Klägerseite einen Flug bei der Beklagten gebucht hatte und sie deshalb nicht im Besitz
einer bestätigten Buchung ist; dies ist jedoch nicht geschehen. Dem steht auch nicht entgegen, dass die Beklagte lediglich über den Vor- und Nachnamen der
Klägerseite verfügte. Die Beklagte führt gerichtsbekannt bei jedem Check-In eine Identitätsprüfung ihrer Fluggäste durch und muss daher wissen, wer mit ihrer
Maschine geflogen ist bzw. eingecheckt hat und wer nicht.
Es kann auch dahinstehen, ob der Flug tatsächlich mit einem Flugzeug durchgeführt worden ist, welches nicht unter dem Luftverkehrsbetreiberzeugnis der
Beklagten, sondern von einem anderen Luftfahrtunternehmen betrieben wurde, und es an einer entsprechenden Außenhautbemalung fehlte. Die Beklagte ist in
jedem Fall als ausführendes Luftfahrtunternehmen im Sinne der Art. 5, 6 und 7 VO zu betrachten.
Die Definition eines ‚ausführenden Luftfahrtunternehmens' folgt aus Art. 2 lit. b) VO. Diesbezüglich ist allerdings zu beachten, dass für die Fälle bloßer
Flugverspätungen ersichtlich allein die erste Alternative (‚durchführt') vorgesehen war und die zweite Alternative (‚durchzuführen beabsichtigt') allein Fälle
von Flugannullierungen umfassen sollte. Von einer Anwendbarkeit der zweiten Alternative (‚durchzuführen beabsichtigt') auch auf Verspätungsfälle kann
hiernach nicht ohne Weiteres ausgegangen werden, da anderenfalls die erste Alternative keinen Anwendungsbereich mehr hätte, sondern letztlich ausgehöhlt würde.
Auf diese Differenzierung kommt es vorliegend indes im Ergebnis nicht an, da die Beklagte letztlich sowohl nach dem klägerischen Vortrag als auch nach
ihrem eigenen Vortrag zur Zahlung von Ausgleichleistungen verpflichtet wäre.
Wird die Richtigkeit des klägerischen Vorbringens unterstellt, nach dem die Beklagte den Flug tatsächlich selbst (und unter eigenem
Luftverkehrsbetreiberzeugnis) durchgeführt hat, folgt hieraus eine Haftung der Beklagten analog Art. 7 Abs. 1 lit. c), Art. 6 Abs. 1 VO wegen Flugverspätung.
Die Beklagte wäre hiernach ausführendes Luftfahrtunternehmen des betroffenen Fluges im Sinne des Art. 2 lit. b) VO gewesen. Nach den Entscheidungen des
Europäischen Gerichtshofs vom 19.11.2009, 23.10.2012 und 26.02.2013 (Aktenzeichen C-402/07, C-432/07, C-581/10, C-629/10 und C-11/11) sowie des
Bundesgerichtshofs vom 18.02.2010 (Aktenzeichen Xa ZR 95/06) sind die Art. 5, 6 und 7 VO dahin auszulegen, dass die Fluggäste verspäteter Flüge im
Hinblick auf die Anwendung des Ausgleichsanspruchs den Fluggästen annullierter Flüge gleichzustellen sind, wenn sie wegen eines verspäteten Fluges einen
Zeitverlust von 3 h oder mehr erleiden, ihr Ziel also nicht früher als 3 h nach der von dem Luftfahrtunternehmen ursprünglich geplanten Ankunftszeit erreichen.
Die Klägerseite kann die Ausgleichszahlung beanspruchen, da sie ihr Ziel später als 3 h nach der geplanten Ankunftszeit erreicht hat.
Unterstellt man indessen die Richtigkeit des Beklagtenvortrags, nach dem die Fluggäste mit einer Maschine der Thomas Cook UK Airlines transportiert worden
seien, die keinen Schriftzug der Beklagten auf der Außenhülle getragen habe, so folgt hieraus im Ergebnis ebenfalls eine Haftung der Beklagten - dann
allerdings gemäß Art. 7 Abs. 1 lit. c), Art. 6 Abs. 1 VO in direkter Anwendung wegen Flugannullierung. Sollte nämlich tatsächlich nicht die Beklagte, sondern
ein anderes Luftfahrtunternehmen die Fluggäste transportiert haben, so liegt faktisch eine Annullierung des geplanten Fluges im Sinne des Art. 5, Art. 2 lit. I)
VO vor, da jedenfalls die Beklagte den Flug nicht wie geplant durchgeführt hat und eine Ersatzbeförderung nicht in den zeitlichen Grenzen des Art. 5 Abs. 1 lit.
c) iii) VO erfolgt ist.
Bezüglich des ursprünglich geplanten und dann faktisch annullierten Fluges ist die Beklagte vorliegend ausführendes Luftfahrtunternehmen gemäß Art. 2 lit. b)
2. Alternative VO, da sie unstreitig - und dies ergibt sich auch zwanglos aus den klägerseits vorgelegten Reiseunterlagen und der Verspätungsbestätigung, die
stets auf die Beklagte und eine von dieser geführten ‚DE'- Flugnummer verweisen - jedenfalls beabsichtigt hatte, diesen Flug durchzuführen.
Die klägerischen Ansprüche sind auch nicht teilweise erfüllt. Die Beklagte hat der Klägerin einen Verrechnungsscheck übersandt, der jedoch unstreitig nicht
eingelöst wurde. Eine Erfüllung bzw. die Erlangung eines anrechenbaren Vorteils tritt jedoch erst mit der Einlösung des Schecks - dieser ist eine Leistung
erfüllungshalber - ein.
Auch eine Verurteilung Zug um Zug gegen Herausgabe des von der Beklagten übersandten Schecks ist nicht geboten. Die Klägerin kann den ihr überlassenen
Scheck bereits seit geraumer Zeit nicht mehr einlösen, § 29 ScheckG.
Eine Anrechnung etwaiger Zahlungen eines Reiseveranstalters nach Art. 12 VO ist nicht durchzuführen. Der diesbezügliche Vortrag der Beklagten ist
unsubstantiiert. Der Vortrag der Beklagten erfolgt ersichtlich ins Blaue hinein und ist nicht zu berücksichtigen, da überhaupt keine konkreten Anhaltspunkte für
solche Zahlungen mitgeteilt werden.
Der Zinsanspruch ist begründet gemäß §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286, 288 Abs. 1 BGB ab dem 24.04.2012; zu diesem Zeitpunkt hat die Beklagte erstmals weitere
Zahlungen ausdrücklich abgelehnt.
Die Klägerseite kann auch Ersatz der vorgerichtlichen Anwaltskosten in angemessener Höhe als Verzugsschaden verlangen, §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 BGB.
Bei Beauftragung der Prozessbevollmächtigten der Klägerseite war die Beklagte mit der Leistung der Ausgleichszahlungen bereits im Verzug. Die
Ausgleichszahlungen waren unmittelbar fällig; der Verzug ist mit spätestens mit der Ablehnung der Ansprüche durch die Beklagte am 24.04.2012 eingetreten.
Ein Verschulden der Beklagten am Verzug wird vermutet, § 286 Abs. 4 BGB.
Die Klägerseite kann den Ersatzanspruch im Hinblick auf die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten jedenfalls im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft
geltend machen. Inhaberin der Erstattungsansprüche ist nach § 86 VVG die Rechtschutzversicherung der Klägerseite. Diese und die Klägerseite haben jeweils
ein schutzwürdiges rechtliches Interesse an der Prozessführung. Die Beklagte ist durch die Prozessführung im Rahmen gewillkürter Prozessstandschaft auch
nicht unzumutbar in ihren schutzwürdigen Belangen beeinträchtigt. Die klägerische Rechtschutzversicherung hat die Klägerseite mit Schreiben vom 07.09.2012
ausdrücklich zur Prozessführung im eigenen Namen ermächtigt. Soweit die Beklagte bezüglich der vorgerichtlichen Rechtsverfolgung pauschal einen ‚Schaden'
auf Klägerseite bestreitet, ist dieses Bestreiten angesichts des dezidierten Klägervortrags und des vorgelegten Schreibens der Rechtschutzversicherung
jedenfalls unsubstantiiert.
Es kann dahinstehen, ob seitens des Prozessbevollmächtigten der Klägerseite eine ordnungsgemäße Rechnungsstellung erfolgt ist. Die Rechnungsstellung nach
§ 10 Abs. 1 RVG ist nur für die Einforderbarkeit der Vergütung im Verhältnis zwischen Rechtsanwalt und Mandanten maßgeblich und ohne Bedeutung für die
Fälligkeit des Anspruchs - insbesondere im Hinblick auf einen materiellrechtlichen Kostenerstattungsanspruch (OLG München, Az. 10 U 2476/06, Beschluss
vom 19.07.2006). Wie sich aus § 10 Abs. 3 RVG ergibt, steht eine fehlende Rechnungsstellung einem materiellrechtlichen Anspruch des Rechtsanwalts nicht
entgegen; dieser entsteht bereits mit dem ersten Tätigwerden des Anwalts und wird gemäß § 8 Abs. 1 S. 1 RVG mit der Erledigung des Auftrags oder der
Beendigung der Angelegenheit - unabhängig von einer Rechnungsstellung - fällig.
Unerheblich ist schließlich auch, dass die Beklagte die Ansprüche der Klägerseite vorgerichtlich bereits abgelehnt hatte. Nach Auffassung des erkennenden
Gerichts war die Beauftragung des Prozessbevollmächtigten durch die Klägerin aus ex-ante-Sicht zweckmäßig und nicht schlechterdings aussichtslos, da nach
allgemeinen Erfahrungssätzen die vorgerichtliche Beauftragung eines Rechtsanwalts auch dann erfolgversprechend ist, wenn die Gegenseite geltend gemachte
Ansprüche bereits abgelehnt hatte.
Eine Anrechnung der Ausgleichsansprüche auf die Rechtsanwaltskosten findet nicht statt, da diese nur im Hinblick auf weitergehende Schadensersatzansprüche
in Betracht kommt, die ihre Ursache ebenfalls in der Flugverspätung haben. Grundlage des Ersatzanspruchs im Hinblick auf die Rechtsverfolgungskosten ist
allerdings der eingetretene Verzug der Beklagten und nicht die Flugverspätung selbst.
Die Zinsen bezüglich der Nebenforderung ergeben sich aus §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286, 288 Abs. 1 BGB.
Eine Aussetzung des Verfahrens nach § 148 ZPO ist nicht geboten. Eine Aussetzung des Verfahrens nach § 148 ZPO ist nur im Falle eines anderen anhängigen
Rechtsstreits oder einer anstehenden Entscheidung einer Verwaltungsbehörde zulässig. Ein anderer Rechtsstreit, der für den vorliegenden vorgreiflich ist, liegt
nicht vor. Der Umstand, dass eine reine Rechtsfrage in einem anderen Verfahren zu erörtern ist, reicht für eine Aussetzung nach § 148 ZPO nicht aus. Auch
eine analoge Anwendung der Vorschrift ist nicht zulässig (so auch die Auffassung des Landgerichts Darmstadt, Beschluss vom 05.12.2011, Az. 5 T 597/11).
Soweit die Zinsforderung vom 10.04.2012 bis zum 23.04.2012 betroffen ist, ist die Klage unbegründet, da die Beklagte sich vor dem 24.04.2012, an dem sie
die klägerischen Ansprüche erstmals ablehnte, nicht im Verzug befunden hat, Klägerseits wurde der Beklagten zuvor eine Zahlungsfrist bis zum 30.04.2012
gesetzt. ..." (AG Rüsselsheim, Urteil vom 11.04. 2013 - 3 C 3406/12 (33))
***
Bucht ein Fluggast bei einem Luftfahrtunternehmen einen Flug nach einem Ort und gleichzeitig einen weiteren, anschließenden von dort nach einem anderen
Ort, kommen Ausgleichsleistungen entsprechend Art. 7 EuFlugVO wegen großer Verspätung nicht in Betracht, wenn eine solche bei dem ersten Flug nicht
gegeben war, diese jedoch groß genug war, dass der zweite Flug nicht mehr angetreten werden konnte und wegen der Notwendigkeit eines späteren
Anschlussfluges am Endziel eine große Verspätung vorlag (AG Köln, Urteil vom 01.10.2012 - 137 C 166/12).
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Macht ein in Deutschland wohnhafter Passagier Rechte nach der Fluggastrechteverordnung EG Nr. 261/2004 gegenüber einem im Ausland ansässigen
Luftfahrtunternehmen geltend, ist regelmäßig Deutsches Recht anwendbar, sofern ein Deutsches Gericht am Gerichtsstand des Erfüllungsortes örtlich zuständig
ist ( AG Bremen, Urteil vom 27.09.2012 - 9 C 146/12).
***
„... Den Klägern steht jeweils ein Anspruch in Höhe von 250,00 € gemäß Art. 4 Abs. 3 i.V.m. Art. 5 Abs. 1 c) und Art. 7 Abs. 1 a) VO (EG) 261/2004
(nachfolgend: VO) gegen die Beklagte zu.
Die Kläger sind - worauf hingewiesen wurde - auch anspruchsberechtigt. Soweit die Beklagte bestreitet, dass die Kläger entgegen Art. 3 Abs. 2 lit. a) VO
rechtzeitig zum Flug erschienen sind und rechtzeitig eingecheckt haben, so wäre insoweit ein substantiierter Vortrag der Beklagten erforderlich gewesen. Das
bloße Bestreiten genügt vorliegend nicht, da es der Beklagten - anders als den Klägern - ohne weiteres möglich ist, festzustellen, wann die Kläger eingecheckt
haben und ihr Vortrag jedweden Anhaltspunkt für eine Verspätung der Kläger vermissen lässt. Ungeachtet dessen wäre es der Beklagten nach Treu und
Glauben (§ 242 BGB) verwehrt, sich auf eine Verspätung der Kläger zu berufen, wenn sie selbst - wie vorliegend geschehen - den Flug mit enormer Verspätung
durchführt (so auch AG Köln, Urt. v. 16.02.2012, Az. 130 C 286/11).
Unstreitig mussten die Kläger mehr als drei Stunden warten, bis der Flug von Köln/Bonn nach Palma de Mallorca von der Beklagten durchgeführt wurde. Die
Ankunft erfolgte nicht wie geplant um 15.40 Uhr, sondern erst um 19.00 Uhr. Das Gericht vermag der Ansicht der Beklagten, die VO sehe einen
Ausgleichsanspruch nur im Falle der Annullierung eines Fluges - nicht jedoch bei einer Verspätung - vor, nicht zu folgen. Das Gericht schließt sich der insoweit
eindeutigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaft und des Bundesgerichtshofs an, welche Ausgleichsleistungen gem. Art. 7 der VO
nicht nur bei Annullierungen von Flügen, sondern auch in den Fällen bejaht, in denen der Fluggast wegen des verspäteten Fluges sein Endziel nicht früher als
drei Stunden nach der ursprünglich geplanten Ankunftszeit erreicht (EuGH, Urt. v. 19.11.2009, Az.: C-402/07 und C-432/07; BGH, Urt. v. 18.02.2010, Az.: Xa
ZR 95/06, jeweils zitiert nach juris). Zwar ergibt sich aus dem Wortlaut der VO nicht unmittelbar, dass den Fluggästen verspäteter Flüge ein solcher Anspruch
zusteht. Jedoch sind bei der Auslegung einer Vorschrift des Gemeinschaftsrechts nicht nur ihr Wortlaut, sondern auch ihr Zusammenhang und die Ziele zu
berücksichtigen, die mit der Regelung, zu der sie gehört, verfolgt werden. Die Situation der Fluggäste verspäteter Flüge unterscheidet sich kaum von derjenigen
der Fluggäste annullierter Flüge. Implizit wird dies durch das Ziel der VO bestätigt. Denn aus den ersten vier Erwägungsgründen, insbesondere dem zweiten,
der VO ergibt sich, dass diese darauf abzielt, ein hohes Schutzniveau für Fluggäste unabhängig davon sicherzustellen, ob sie von einer Nichtbeförderung, einer
Annullierung oder einer Verspätung eines Fluges betroffen sind, da sie alle von gleichen Ärgernissen und großen Unannehmlichkeiten betroffen sind (EuGH,
a.a.O.). Ausgangspunkt der Gleichbehandlung von Annullierungen und Verspätungen ist die vergleichbare Lage der Fluggäste und der ähnliche Schaden in
Form eines Zeitverlustes. Aufgrund dessen ist auch die von dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaft vorgenommene Analogie nicht rechtswidrig.
Demzufolge stehen den Fluggästen, deren Flug annulliert wurde, und denjenigen, die von der Verspätung eines Fluges betroffen sind, im Hinblick auf die
Anwendung des in Art. 7 der VO vorgesehenen Ausgleichsanspruchs gleiche Rechte zu.
Eine Kompetenzüberschreitung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaft vermag das Gericht nicht zu erkennen. Dieser hat innerhalb der Vorlagefrage
des Bundesgerichtshofs gemäß Vorlagebeschluss vom 17.07.2007 (NJW 2007, 3437) entschieden. Die Vorlagefrage des Bundesgerichtshofs war ihrem
Wortlaut nach auf die Auslegung des Begriffs der Annullierung gerichtet, sie zielte im Ergebnis erkennbar auf die Klärung ab, ob und wann eine zeitliche
Verzögerung zu einer Entschädigung führt. Dies wird aus den Gründen zu Ziffer III 1 des Vorlagebeschlusses deutlich (LG Köln, Urt. v. 19.10.2011, Az.: 9 S 171/11).
Auch ist die VO mit der nunmehrigen Auslegung nicht wegen mangelnder Rechtssicherheit unwirksam. Vielmehr hat das Urteil des Gerichtshofs der
Europäischen Gemeinschaft vom 19.11.2009 für Klarheit gesorgt. Dieser hat sehr wohl erkannt, dass sich aus dem Wortlaut der VO kein unmittelbarer
Anspruch von Fluggästen verspäteter Flüge auf Ausgleichsleistungen gemäß Art. 7 der VO entnehmen lässt. Er hat sich ausführlich damit auseinandergesetzt,
inwieweit der VO der Wille des Gemeinschaftsgesetzgebers zu Ausgleichsleistungen im Falle von Verspätungen zu entnehmen ist. Unter anderem hat er auf die
Erwägungsgründe, den angestrebten Schutz der Fluggäste, den Grundsatz der Gleichbehandlung, den Zweck der VO und ihre Funktion als Ausgleich der
Interessen der Fluggäste und derjenigen der Luftfahrtunternehmen Bezug genommen (LG Landshut, Urt. v. 18.12.2009, Az.: 12 S 1250/09, zitiert nach juris).
Zu der von der Beklagten angeregten erneuten Vorlage der Sache an den Gerichtshof der Europäischen Union sieht das Gericht keine Veranlassung. Der
Bundesgerichtshof hat dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaft die Streitsache zur Vorabentscheidung vorgelegt, weil er es nicht für zweifelsfrei
gehalten hat, dass den Fluggästen eines verspäteten Fluges, wie er im Streitfall vorliegt, nach der VO kein Anspruch auf Ausgleichszahlungen zusteht. Diese
Unklarheit hinsichtlich der Auslegung des Gemeinschaftsrechts ist durch das Urteil des Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaft vom 19.11.2009 beseitigt
worden. Der vorliegende Rechtsstreit wirft keine relevanten neuen Auslegungsfragen auf, die das Gericht nicht ohne erneute Vorlage beantworten könnte.
Aus diesem Grund war der Rechtsstreit entgegen der Ansicht der Beklagten auch nicht gemäß § 148 ZPO wegen Vorgreiflichkeit im Hinblick auf das von ihr
zitierte Vorabentscheidungsersuchen des Amtsgerichts Köln vom 04.10.2010 - Az. 142 C 535/08 - beim Europäischen Gerichtshof auszusetzen. Denn eine
Verfahrensaussetzung gemäß § 148 ZPO steht grundsätzlich im Ermessen des Gerichts. Eine Ermessensreduzierung auf Null mit der Folge einer
Aussetzungspflicht kommt nur dann in Betracht, wenn das Gericht eine Vorabentscheidung des EuGH nach Art. 234 Abs. 2 EGV für notwendig hält; ist dies
nicht der Fall, weil das nationale Gericht keine Zweifel an der Richtigkeit der Auslegung des EG-Rechts hat, entfällt sowohl eine Vorlagepflicht als auch die
Pflicht zur Aussetzung des Verfahrens bis zur Entscheidung über ein bereits anhängiges Vorabentscheidungsersuchen (vgl. BGH, NJW-RR 2004, 497).
Die VO ist auch mit dem Montrealer Übereinkommen (im Folgenden MÜ) vereinbar und verstößt nicht gegen Art. 29 des MÜ, denn ein Ausgleichsanspruch
nach Art. 7 der VO ist generell nicht als Schadensersatzanspruch im Sinne der Art. 19, 29 MÜ anzusehen (BGH, Urt. v. 10.12.2009, Az.: Xa ZR 61/09, zitiert
nach juris). Diese Bestimmungen legen die Voraussetzungen fest, unter denen Fluggäste, die einen Schaden aufgrund einer Verspätung geltend machen, von
den Luftfahrtunternehmen Schadensersatz verlangen können. Nach Art. 29 S. 1 MÜ kann ein Schadensersatz, auf welchem Grund er auch beruht, sei es dem
MÜ, einem Vertrag, einer unerlaubten Handlung oder einem sonstigen Rechtsgrund nur unter den Voraussetzungen und Beeinträchtigungen geltend gemacht
werden, die in dem MÜ vorgesehen sind. Nach Art. 29 S. 2 MÜ ist bei einer Klage jeder eine Strafe einschließende, verschärfte oder sonstige nicht
kompensatorische Schadensersatz ausgeschlossen. Art. 29 S. 1 MÜ betrifft nur Ansprüche für solche Schäden, deren Ersatz in den Art. 17 ff. MÜ geregelt ist.
Ansprüche auf eine pauschale und einheitliche Ausgleichszahlung nach Art. 7 Abs. 1 VO wegen der Annullierung oder Verspätung eines Fluges gehören nicht
hierzu. Sie bestehen unabhängig von einem individuellen Schadensersatzanspruch. Insoweit gelten für Ausgleichszahlungen nach der VO und für
Schadensersatzansprüche im Sinne des MÜ unterschiedliche Regelungsrahmen. Aus der bisherigen Rechtsprechung ergibt sich, dass die VO zwar die
Schutzvorschriften des MÜ ergänzt, jedoch beide Regelungswerke kein einheitliches Luftverkehrsrecht bilden, sondern mit unterschiedlich geregelten
Ansprüchen nebeneinander stehen. Daher kann das MÜ dem Gemeinschaftsgesetzgeber nicht verwehren, im Rahmen der Befugnisse der Gemeinschaft auf dem
Gebiet des Verkehrs und des Verbraucherschutzes festzulegen, unter welchen Voraussetzungen der mit den erwähnten Unannehmlichkeiten verbundene
Schaden wieder gutzumachen ist (EuGH, Urt. v. 10.01.2006, Az.: C-344/04, zitiert nach juris). Das Gericht sieht sich nicht veranlasst, die Sache dem
Gerichtshof der Europäischen Union hinsichtlich der Frage der Vereinbarkeit der VO mit dem MÜ vorzulegen, da der Bundesgerichtshof diese in seinem Urteil
vom 10.12.2009 (Az.: Xa ZR 61/09) bereits bejaht hat.
Die Beklagte kann sich vorliegend auch nicht mit Erfolg auf Art. 5 Abs. 3 der VO berufen. Eine Verspätung führt gemäß Art. 5 Abs. 3 VO dann nicht zu einem
Ausgleichsanspruch zugunsten der Fluggäste, wenn das Luftfahrtunternehmen nachweisen kann, dass die Verspätung auf außergewöhnliche Umstände
zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären. Der Ausnahmetatbestand des Art. 5
Abs. 3 der VO ist eng auszulegen. Ein bei einem Flugzeug auftretendes technisches Problem, das eine ersatzpflichtige Verspätung eines Fluges zur Folge hat,
fällt nicht unter dem Begriff "außergewöhnliche Umstände" im Sinne dieser Bestimmung, es sein denn, das Problem geht auf Vorkommnisse zurück, die
aufgrund ihrer Natur oder Ursache nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des betroffenen Luftfahrtunternehmens sind und von ihm tatsächlich nicht
zu beherrschen sind. Daraus ergibt sich, dass technische Defekte, wie sie beim Betrieb eines Flugzeugs typischerweise auftreten, grundsätzlich keine
außergewöhnlichen Umstände begründen, und zwar auch dann nicht, wenn das Luftfahrtunternehmen alle vorgeschriebenen oder sonst bei Beachtung der
erforderlichen Sorgfalt gebotenen Wartungsarbeiten frist- und ordnungsgemäß ausgeführt hat. Als außergewöhnlicher Umstand kann ein technisches Problem
nur dann angesehen werden, wenn es seine Ursache in einem der in Erwägungsgrund 14 der Verordnung genannten Umstände hat, beispielsweise also auf
versteckten Fabrikationsfehlern, Sabotageakten oder terroristischen Angriffen beruht (EuGH, Urt. v. 22.12.2008, Az.: C-549/07; BGH, Urt. v. 12.11.2009, Az.:
Xa ZR 76/07, jeweils zitiert nach juris).
Die Beklagte hat vorliegend nichts dazu vorgetragen, dass der technische Defekt, der im Streitfall zur Verspätung des Fluges geführt hat, auf einem
außergewöhnlichen Umstand im vorstehend genannten Sinne beruht.
Ein Anspruch auf Freistellung hinsichtlich der geltend gemachten außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 102,82 € besteht hingegen nicht.
Den Klägern steht kein materieller Kostenerstattungsanspruch gegen die Beklagte zu. Insbesondere ergibt sich ein solcher Anspruch nicht aus §§ 280 Abs. 1, 2,
286 BGB unter dem Gesichtspunkt des Verzugs. Denn zum Zeitpunkt des Tätigwerdens der Prozessbevollmächtigten der Kläger befand sich die Beklagte nicht
bereits in Verzug. Zwar haben die Kläger die Beklagte mit Schreiben vom 06.06.2011 zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 600,00 € aufgefordert. Dies
ist jedoch ohne eine Fristsetzung erfolgt. Dem Schreiben vom 29.08.2011 kann eine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung der Beklagten nach §
286 Abs. 2 Nr. 3 BGB nicht entnommen werden. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Kläger ihren geltend gemachten Schadensersatz in Höhe von
600,00 € nicht substantiiert dargelegt haben. So ist nicht ersichtlich, für wen wie viel Schadensersatz aufgrund welcher Umstände verlangt wurde. Auch wenn
es sich bei den Klägern um juristische Laien handeln mag, muss dem Anspruchsgegner klar ersichtlich sein, wofür Schadensersatz geltend gemacht wird, zumal
mit der vorliegenden Klage kein Schadensersatz, sondern Ausgleichsansprüche, die gerade keinen Schaden voraussetzen, geltend gemacht werden. Dem
Schreiben der Beklagten vom 29.08.2011 kann nicht entnommen werden, dass sie die nunmehr klageweise geltend gemachte Ausgleichszahlung von jeweils
250,00 € abgelehnt hat. Sie hat vielmehr angeboten, nach Vorlage entsprechender Belege zu prüfen, ob sie zusätzliche Verpflegungskosten erstattet. Wenn die
Kläger 600,00 € Schadensersatz verlangen, ohne zu spezifizieren wofür welcher Betrag verlangt wird, kann in dem Schreiben der Beklagten, keine endgültige
Erfüllungsverweigerung für den nunmehr klageweise geltend gemachten Ausgleichsanspruch, der eben kein Schadensersatzanspruch ist, gesehen werden. Auch
ist es nicht Aufgabe der Beklagten, die Kläger über den Unterschied zwischen Schadensersatz- und Ausgleichsansprüchen nach der VO aufzuklären.
Der nachfolgende Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten der Kläger vom 21.09.2011 enthält zwar die verzugsbegründende Mahnung, da die Beklagte in
diesem Schreiben unter Fristsetzung zur Leistung aufgefordert wurde. Die Kosten dieser verzugsbegründenden Mahnung sind jedoch kein kausaler
Verzugsschaden und aus diesem Grunde von der Beklagten nicht zu ersetzen.
Der geltend gemachte Zinsanspruch folgt aus §§ 288 Abs. 1, 286 BGB. Durch das Schreiben der Prozessbevollmächtigten der Kläger vom 21.09.2011 befand
sich die Beklagte seit dem 06.10.2011 in Verzug. Zinsen werden jedoch erst seit dem 07.10.2011 geltend gemacht.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Zwar wirkt sich der geltend gemachte Freistellungsanspruch nicht streitwerterhöhend aus, da
es sich hierbei um eine Nebenforderung handelt, allerdings ist dieser - ausgehend von einem fiktiven Streitwert, der sich aus der Hauptforderung, sämtlichen
Nebenforderungen und den geltend gemachten Zinsen zusammensetzt - nicht verhältnismäßig geringfügig i.S.d. § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.
Die Berufung war nicht zuzulassen, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer
einheitlichen Rechtsprechung dies erfordern, § 511 Abs. 4 Nr. 1 ZPO. Nach Ansicht des Gerichts ist die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen
Gemeinschaft und des Bundesgerichtshofs zu den maßgeblichen Rechtsfragen eindeutig. ..." (AG Köln, Urteil vom 24.02.2012 - 145 C 263/11)
***
Eine Verspätung infolge eines durch Vogelschlag verursachten technischen Defekts stellt einen außerordentlichen Umstand dar und schließt einen
Ausgleichszahlungsanspruch nach Art. 7 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 261/2004 aus. Sofern ein besonderer Umstand im Sinne des Art. 5 Abs. 3
Fluggastrechteverordnung vorliegt, kommt es nicht darauf an, ob die Verspätung durch Ergreifung zumutbarer Maßnahmen (z.B. zeitnahe Ersatzbeförderung)
hätte vermieden oder verkürzt werden können (AG Bremen, Urteil vom 29.12.2011 - 9 C 91/11).
***
„... Die Kläger haben gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von jeweils 250,- € aus Art. 5, 6 a, 7 Abs. 1 a der Verordnung (EG) Nummer
261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.2.2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs-und Unterstützungsleistungen für
Fluggäste im Fall der Beförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (GWG) Nummer 295/91.
Aus Art. 7 Abs. 1 dieser Verordnung ergibt sich ein Ausgleichsanspruch für Fluggäste in Höhe von 250,- €, wenn ein Fluggast in bei Flügen bis zu 1.500 km
in Folge von Nichtbeförderung oder Annullierung eines Fluges verspätet an seinem Ziel ankommt. Ohne Flugannullierung gem. Art. 5 sieht die Verordnung
ihrem Wortlaut nach keinen Ausgleichsanspruch vor. Der Europäische Gerichtshof legt jedoch die oben genannte Verordnung dahingehend aus, dass Fluggäste
verspäteter Flüge im Hinblick auf die Anwendung eines Ausgleichsanspruchs den Fluggästen annullierter Flüge gleich gestellt werden. In diesem Fall können
Sie auch dann einen Ausgleichsanspruch geltend machen, wenn sie wegen eines verspäteten Fluges einen Zeitverlust erleiden und sie ihr Endziel nicht als 3
Std. nach der von dem Luftfrachtunternehmen ursprünglich geplanten Ankunftszeit erreichen (BGH NJW 2010, 43). Die Kläger erreichten ihr Ziel auf der
Strecke Dortmund - Krakau, die unter 1.500 km lang ist, unstreitig mit einer Verspätung von mehr als 4 Std., so dass ihnen jeweils nach Art. 7 Absatz 1 a) der
oben genannten EG-Verordnung jeweils ein Ausgleichsanspruch in Höhe von 250,- € zusteht.
Soweit die Beklagte einen Ausgleichsanspruch aus Rechtsgründen entgegenhält, dieser neu entwickelte Anspruch stehe im Widerspruch zu Art. 29 des
Montrealer Übereinkommens, wonach ein Anspruch auf Schadensersatz unabhängig von dem Rechtsgrund auf dem er beruht, nur unter den Voraussetzungen
dieses Abkommens geltend gemacht werden, steht dies einer Verurteilung der Beklagten entgegen.
Nach Auffassung der Beklagten verletze die Entscheidung des EuGH höherrangiges Recht da das Montrealer Übereinkommen bereits in Art. 19 Einschlag
einen Schadensersatzanspruch bei verspäteter Beförderung enthalte. Dies ist nach einer aktuellen Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 13. Oktober
2011 (C-83/10) jedoch ausdrücklich nicht der Fall. Der Europäische Gerichtshof sieht zwischen den Regelungen des Montrealer Vertrages und dem Inhalt der
Verordnung Nr. 261/2004 keine Anspruchskonkurrenz, sondern eine ergänzende Regelung, den Fluggästen den Schaden zu ersetzen, der durch die Verletzung
der vertraglichen Pflichten des Luftfahrtunternehmens entstanden sind. Damit wird dem nationalen Gericht ermöglicht, das Luftfahrtunternehmen zum Ersatz
des den Fluggästen wegen der Nichterfüllung des Luftbeförderungsvertrages entstandenen Schadens auf einer anderen Rechtsgrundlage als der Verordnung Nr.
261/2004 zu verurteilen.
Auch der Einwand der Beklagten, die Beklagte werde kurzfristig ohne Anerkennung einer Rechtspflicht und unter dem Vorbehalt einer späteren Rückforderung
für den Fall, dass der EuGH aufgrund einer erneuten Vorlage durch den britischen Highcourt seine Rechtsprechung ändere, die mit der Klage geltend gemachte
Ausgleichszahlung sowie Rechtsanwaltskosten zahlen, was inzwischen unstreitig erfolgt ist, steht der Verurteilung der Beklagten ebenfalls nicht entgegen. In
der erfolgten Zahlung unter Vorbehalt sieht das Gericht hier kein erledigendes Ereignis. Der Rechtsstreit ist nach Auffassung des Gerichts durch die Zahlung
unter Vorbehalt nicht erledigt.
Zwar schließt eine Leistung unter Vorbehalt eine Erledigung nicht notwendigerweise aus (Zöller-Vollkommer, ZPO, 28. Auflage, § 91 a Rn. 58), dies ist jedoch
nur unter strengen Voraussetzungen möglich. Vorliegend sind alle anspruchsbegründenden Tatsachen unstreitig. Der Vorbehalt der Beklagten bezieht sich auf
eine rechtliche Beurteilung eines Sachverhalts durch den Europäischen Gerichtshof in der Zukunft. Zahlt die Beklagte im Hinblick darauf unter Vorbehalt, wäre
der gesamte Zahlungsvorgang gegebenenfalls rückabzuwickeln, da eine rechtskräftige Entscheidung über den Streitgegenstand nicht vorliegt. Die Kläger haben
aber ein Interesse daran, diesen Vorbehalt nicht eingreifen zu lassen und eine rechtskräftige Entscheidung zu erhalten. Sie müssen einer Erledigung insoweit
nicht zustimmen, wenn diese nicht vorbehaltlos abgegeben wird.
Da der Europäische Gerichtshof die hier für den Vorbehalt maßgebliche Rechtsfrage jedoch durch sein Urteil vom 13. Oktober 2011 bereits abschließend
entschieden hat, käme eine Rückforderung ohnehin nicht in Betracht, so dass in der Sache auch hier abschließend entschieden werden kann.
Die Kläger haben darüber hinaus einen weiteren Anspruch gemäß §§ 286,288 BGB auf Verzugszinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz, da sich die
Beklagte mit dem Anwaltsschriftsatz der Rechtsanwaltsgesellschaft S vom 1.10.2010 im Verzug befand.
Der Anspruch auf Zahlung von weiteren Anwaltskosten in Höhe von 27,18 € ergibt sich ebenfalls unter dem Gesichtspunkt des Verzuges gemäß § 286 Abs. 1
ZPO. Da die Beklagte bisher nur die Anwaltskosten für einen Kläger gezahlt hat, sind die entsprechenden Kosten für die zweite klägerische Partei in der
tenorierten Höhe noch offen. ..." (AG Dortmund, Urteil vom 12.12.2011 - 421 C 4246/11).
***
„... Die Klägerseite hat einen Anspruch auf Leistung von Ausgleichszahlungen in der geltend gemachten Höhe gemäß Art. 7 Abs. 1 lit. c), Art. 6 Abs. 1 VO.
Nach den Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs vom 19.11.2009 (Aktenzeichen C-402/07 und C-432/07) sowie des Bundesgerichtshofs vom
18.02.2010 (Aktenzeichen Xa ZR 95/06) sind die Art. 5, 6 und 7 VO dahin auszulegen, dass die Fluggäste verspäteter Flüge im Hinblick auf die Anwendung
des Ausgleichsanspruchs den Fluggästen annullierter Flüge gleichzustellen sind, wenn sie wegen eines verspäteten Fluges einen Zeitverlust von 3 h oder mehr
erleiden, ihr Ziel also nicht früher als 3 h nach der von dem Luftfahrtunternehmen ursprünglich geplanten Ankunftszeit erreichen. Die Klägerseite kann die
Ausgleichszahlung beanspruchen, da sie ihr Ziel später als 3 h nach der geplanten Ankunftszeit erreicht hat und auch eine relevante Abflugverspätung vorlag.
Diesbezüglich bleibt es unerheblich, dass die Beklagte die Nichtvorlage einer bestätigten Buchung oder eines Flugscheins gerügt hat. Hier hätte es der
Beklagten oblegen, qualifiziert zu bestreiten, dass die Klägerseite keinen Flug bei der Beklagten gebucht hatte und diese deshalb nicht im Besitz einer
bestätigten Buchung sind; dies ist jedoch nicht geschehen.
Vorliegend ist auch eine erhebliche Abflugverspätung von über 4 h gegeben. Dem steht der Umstand nicht entgegen, dass sich das Flugzeug bei Entdecken des
Anzeigedefekts bereits auf dem Weg zur Startbahn befunden haben soll. Im Rahmen der Ermittlung von Verspätungen sind nach Auffassung des erkennenden
Gerichts grundsätzlich die Zeiten maßgeblich, zu denen das Flugzeug die Parkposition verlässt bzw. dort ankommt ({‚2}On-Block-/Off-Block-Zeiten').
Allerdings liegt ein {‚2}Abflug' im Sinne des Art. 6 VO - und nur auf diese Regelung kommt es an - nicht schon dann vor, wenn ein Flugzeug seine
Parkposition verlässt. Hierfür ist vielmehr - bereits begriffsnotwendig - erforderlich, dass eine Flug- und nicht nur eine Rollbewegung stattfindet (so im
Ergebnis auch Amtsgericht Rüsselsheim, Urteil vom 21.01.2011, Az. 3 C 1392/10 (31)). Hiernach kann für die Bestimmung eines Abflugs nur dann auf die
Off-Block-Zeit abgestellt werden, wenn das Flugzeug im unmittelbaren zeitlichen Nachgang - ohne dass eine (weitere) Verzögerung durch das Zutun des
ausführenden Luftfahrtunternehmens eintritt - tatsächlich von der Startbahn abhebt und eine Fortbewegung in der Luft stattfindet. Dies ist vorliegend jedoch
nicht rechtzeitig geschehen, der tatsächliche Abflug ist erst ca. 18 Stunden später erfolgt, als die Maschine erneut die Parkposition verließ und dann auch von
der Startbahn abgehoben hat.
Der Ausgleichsanspruch ist nicht entsprechend Art. 5 Abs. 3 VO ausgeschlossen; die Verspätung geht nicht auf außergewöhnliche Umstände im Sinne dieser
Vorschrift zurück. Zwar soll nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesgerichtshofs ein Ausgleichsanspruch in entsprechender
Anwendung des Art. 5 Abs. 3 VO entfallen, wenn das Luftfahrtunternehmen nachweisen kann, dass die große Verspätung auf außergewöhnliche Umstände
zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären; solche außergewöhnlichen Umstände
sind vorliegend allerdings nicht gegeben.
Der von der Beklagten behauptete Defekt der Höhenruderanzeige scheidet als außergewöhnlicher Umstand im Sinne des Art. 5 Abs. 3 VO aus; das
diesbezügliche Vorbringen der Beklagten bleibt unerheblich. Bei diesem Fehler handelt es sich ersichtlich um einen technischen Defekt. Technische Defekte
sind indes nicht schlechterdings als außergewöhnliche Umstände zu qualifizieren, die das Luftfahrtunternehmen von der Verpflichtung zur Zahlung einer
Ausgleichsleistung wegen Verspätung oder Annullierung eines Fluges befreien können (a. A. insb. OLG Köln, Urteil vom 27.5.2010, Az. 7 U 199/09).
In Erwägungsgrund 14 der VO wird erkennbar, dass der Verordnungsgeber bei den haftungsausschließenden außergewöhnlichen Umständen ersichtlich solche
im Blick hatte, die außerhalb der Sphäre des Luftfahrtunternehmens liegen und sich deren Beherrschung entziehen. Technische Probleme des Fluggeräts liegen
indes - von Außeneinwirkungen abgesehen - stets in der besonderen Risikosphäre eines Luftfahrtunternehmens. In Anlehnung an die Entscheidung des
Europäischen Gerichtshofs vom 22.12.2008 (Aktenzeichen C-549/07) kommt ein Ausschluss des Ausgleichsanspruchs wegen technischer Mängel - nicht
zuletzt wegen des sicherzustellenden hohen Schutzniveaus für Fluggäste - nur dann in Betracht, wenn die technischen Probleme auf tatsächlich unbeherrschbare
Vorkommnisse zurückzuführen sind, die nicht Teil der normalen Tätigkeit eines Luftfahrtunternehmens sind - wie beispielsweise versteckte Fabrikationsfehler,
Sabotageakte oder terroristische Handlungen. Maßgeblich ist, ob das zu Grunde liegende Geschehen ein typisches und in Ausübung der betrieblichen Tätigkeit
vorkommendes Ereignis darstellt oder ob es der Beherrschbarkeit der Fluggesellschaft völlig entzogen ist (so im Ergebnis auch die st. Rspr. des Landgerichts Darmstadt).
Der hier einzig denkbare technische Defekt - nämlich der Fehler der Höhenruderanzeige - fällt in die betriebliche Sphäre der Beklagten und liegt in deren
Verantwortungsbereich. Es ist nicht zu erkennen, inwiefern dieses technische Problem nicht im Rahmen der normalen Tätigkeiten des Luftfahrtunternehmens
aufgetreten sein und seine Ursache auch jenseits der von der Beklagten beherrschbaren Umständen gehabt haben soll.
Die von der Beklagten weiterhin behaupteten Umstände, dass sich die eingetretene Verspätung aufgrund des Wunsches einiger Passagiere, das Flugzeug zu
verlassen, in Verbindung mit der hierdurch veranlassten Überschreitung der maximalen Dienstzeit der Flugzeugbesatzung perpetuiert habe, sind unerheblich.
Die Klägerseite hat substantiiert vorgetragen, dass die fast 19-stündige Verspätung allein auf die Reparatur des Fluggeräts zurückzuführen sei, da diese nicht
innerhalb der Dienstzeit der Flugzeugbesatzung habe beendet werden können, sondern erst am nächsten Tag unmittelbar vor dem tatsächlichen Abflug
abgeschlossen gewesen sei. Diese Behauptung ist zwischen den Parteien unstreitig geblieben. Auf Nachfrage des Gerichts hat die Beklagte keine konkreten
Angaben zum Ende der vorgenommenen Reparatur machen können.
Eine Anrechnung etwaiger Zahlungen eines nicht näher benannten Reiseveranstalters nach Art. 12 VO ist nicht durchzuführen. Der diesbezügliche Vortrag der
Beklagten ist unsubstantiiert. Der Vortrag der Beklagten erfolgt ersichtlich ins Blaue hinein und ist nicht zu berücksichtigen, da überhaupt keine konkreten
Anhaltspunkte für solche Zahlungen mitgeteilt werden.
Die Klägerseite kann Freistellung von den im Rahmen der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung aufzuwendenden Kosten verlangen, §§ 280 Abs. 1, Abs. 2,
286 Abs. 1, 249 BGB. Die Beklagte befindet sich seit der Ablehnung der Ansprüche am 08.03.2011 gegenüber dem Vertreter des Klägers im Verzug. Ein
Verschulden der Beklagten am Verzug wird vermutet, § 286 Abs. 4 BGB. Die Klägerseite durfte aufgrund der Nichtzahlung der Beklagten vorgerichtlich einen
Rechtsanwalt beauftragen und diesbezüglich eine Verbindlichkeit in Form von Rechtsanwaltsgebühren eingehen. Diese stellen insoweit einen kausalen und
adäquaten Schaden der Nichtzahlung dar, als diese angemessen sind.
Es kann dahinstehen, ob seitens des Prozessbevollmächtigten der Klägerseite eine ordnungsgemäße Rechnungsstellung erfolgt ist. Die Rechnungsstellung nach
§ 10 Abs. 1 RVG ist nur für die Einforderbarkeit der Vergütung im Verhältnis zwischen Rechtsanwalt und Mandanten maßgeblich und ohne Bedeutung für die
Fälligkeit des Anspruchs - insbesondere im Hinblick auf einen materiellrechtlichen Kostenerstattungsanspruch (OLG München, Az. 10 U 2476/06, Beschluss
vom 19.07.2006). Wie sich aus § 10 Abs. 3 RVG ergibt, steht eine fehlende Rechnungsstellung einem materiellrechtlichen Anspruch des Rechtsanwalts nicht
entgegen; dieser entsteht bereits mit dem ersten Tätigwerden des Anwalts und wird gemäß § 8 Abs. 1 S. 1 RVG mit der Erledigung des Auftrags oder der
Beendigung der Angelegenheit - unabhängig von einer Rechnungsstellung - fällig.
Eine Anrechnung der Ausgleichsansprüche auf die Rechtsanwaltskosten findet nicht statt, da diese nur im Hinblick auf weitergehende Schadensersatzansprüche
in Betracht kommt, die ihre Ursache ebenfalls in der Flugverspätung haben. Grundlage des Ersatzanspruchs im Hinblick auf die Rechtsverfolgungskosten ist
allerdings der eingetretene Verzug der Beklagten und nicht die Flugverspätung selbst.
Unerheblich ist schließlich auch, dass die Beklagte die Ansprüche der Klägerseite vorgerichtlich bereits abgelehnt hatte. Nach Auffassung des erkennenden
Gerichts war die Beauftragung des Prozessbevollmächtigten durch die Klägerseite aus exante-Sicht zweckmäßig und nicht schlechterdings aussichtslos, da nach
allgemeinen Erfahrungssätzen die vorgerichtliche Beauftragung eines Rechtsanwalts auch dann erfolgversprechend ist, wenn die Gegenseite geltend gemachte
Ansprüche bereits abgelehnt hatte. ..." (AG Rüsselsheim, Urteil vom 23.11.2011 - 3 C 1552/11 (36)).
***
„... Der Kläger hat gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von 250,00 € nach Art. 5 Abs. 1c, Art. 7 der EG-Verordnung Nr. 261/2004.
Unstreitig wurde der Flug des Klägers von Paris nach Düsseldorf am 16.01.2011 mit der Abflugzeit 19:55h annulliert und der Kläger erst am nächsten Tag um
6:35h mit einem anderen Flug befördert.
Die Beklagte kann sich nicht mit Erfolg auf den Ausschlusstatbestand des Art. 5 Abs. 3 der Verordnung berufen. Hiernach ist das Luftfahrtunternehmen
von den Ausgleichszahlungen befreit, wenn es nachweisen kann, dass die Annullierung auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht
hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären. Solche außergewöhnlichen Umstände hat die darlegungs- und
beweispflichtige Beklagte nicht hinreichend vorgetragen.
Zwar behauptet sie, dass ihr Bodenpersonal in Paris in einen lediglich zwei Stunden vor dem Flug angekündigten Streik getreten sei, jedoch hat die
Beklagte nicht schlüssig dargelegt, dass sich die Annullierung auch bei Ergreifen aller zumutbaren Maßnahmen nicht hätte vermeiden lassen.
Hierzu hat die Beklagte lediglich vorgetragen, dass ihr aufgrund des Streiks nur eine Minimalbesetzung zur Abfertigung der Flüge zur Verfügung gestanden
hätte. Eine Annullierung des Fluges des Klägers sei nicht zu vermeiden gewesen. Die Beschaffung von Ersatzpersonal sei nicht möglich gewesen.
Dieser Vortrag ist nicht ausreichend, worauf auch der Kläger ausdrücklich hingewiesen hat. Die Beklagte hätte zumindest vortragen müssen, wie viele
Mitarbeiter ihr zur Verfügung standen, wie viele für die Abfertigung eines Fluges benötigt werden und warum nicht zumindest eine verspätete Abfertigung des
Fluges des Klägers möglich war. Auch ist nicht nachvollziehbar, warum nicht Bodenpersonal einer kooperierenden Airline zur Abfertigung des Fluges
eingesetzt wurde.
Der zuerkannte Zinsanspruch folgt aus §§ 280, 286, 288 BGB. Zinsen können jedoch erst ab 30 Tagen nach Zugang der Zahlungsaufforderung verlangt werden.
Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten bestehen jedoch nicht. Ein erst verzugsbegründendes Schreiben eines Rechtsanwalts löst keinen
zu ersetzenden Verzugsschaden in Höhe der hierfür entstandenen Kosten aus. ..." (AG Düsseldorf, Urteil vom 09.11.2011 - 40 C 8546/11)
***
„... Die zulässige Klage ist begründet. Der Kläger hat aufgrund der um 3 Stunden und 55 Minuten verspäteten Ankunft in Bremen am 20.11.2010 nach
einem bei der Beklagten gebuchten Flug gegen die Beklagte einen Anspruch auf die Zahlung in Höhe von 250 Euro aus Art. 7 Abs. 1 a) der Verordnung (EG)
Nr. 261/2004.
Es fehlt bei der Beklagten insbesondere nicht die Passivlegitimation für diesen Anspruch. Anspruchsgegner ist unstreitig ausschließlich das ‚ausführende
Luftfahrtunternehmen' im Sinne der genannten Verordnung. Zwar ist für den Begriff des ausführenden Luftfahrtunternehmens grundsätzlich allein maßgeblich,
welches Unternehmen mit dem von ihm bereitgestellten Flugzeug und Personal die Beförderungsleistung tatsächlich erbringt, und nicht, mit welchem
Luftfahrtunternehmen der Vertrag über die Flugreise geschlossen worden ist (vgl. BGH NJW 2010, 1522). Diesem Verständnis der Verordnung liegt letztlich
die Annahme zu Grunde, dass das die Leistung tatsächlich erbringende Unternehmen auf Grund seiner Präsenz auf den Flughäfen in der Regel am Besten in der
Lage ist, die Verpflichtungen zu erfüllen, wohingegen der Vertragspartner in diesen Fällen auf die Durchführung keinen Einfluss hat. Diese Überlegungen
treffen in dem vorliegenden Fall jedoch gerade nicht in dem Maße zu wie bei anderen Code-Share-Flügen. Der Fall unterscheidet sich vielmehr dadurch
erheblich, dass hier mit der L. GmbH zwar eine von der Beklagten abweichende juristische Person mit eigenem IATA Code die Durchführung des Fluges
übernommen hat. Das genannte Unternehmen ist jedoch eine einhundertprozentige Tochterfirma der Beklagten und gehört zum selben Konzern. Die genutzten
Flugzeuge gehören zur Flotte der Beklagten und das Personal ist ebenfalls ihr zuzurechnen. Dadurch ist der Einfluss der Beklagten auf die Durchführung des
durch die L. GmbH übertragenen Fluges faktisch in großem Maße gegeben und die Möglichkeit der ordnungsgemäßen Erfüllung der Verpflichtungen nicht
derart eingeschränkt, als wenn sich die Beklagte eines ‚fremden' Luftfahrtunternehmens zur Durchführung eines Fluges bedient hätte. Insoweit kann das
Innenverhältnis der L. GmbH zu der Beklagten bei der Beurteilung nicht außer Betracht bleiben. Die L. GmbH ist dem ‚Unternehmen' der Beklagten
zuzurechnen, weshalb es sich bei der Beklagten auch um das ‚ausführende Luftfahrtunternehmen' im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 handelt.
Es ist vorliegend ferner von einer Verspätung von mehr als 3 Stunden im Sinne des Artikels 7 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 auszugehen. Entscheidend
für die Beurteilung ist hierbei die eingetretene Verspätung am Endziel, so dass es unerheblich ist, dass die Verspätung des Fluges für die gebuchte Teilstrecke
von Krakau nach München lediglich 48 Minuten betragen hat. Durch die gleichzeitige Buchung des Anschlussfluges und durch das Verpassen desselben betrug
die Verspätung bei der Ankunft am Endziel Bremen schließlich 3 Stunden und 55 Minuten.
Die übrigen Voraussetzungen für den Anspruch liegen nach dem schlüssigen Klägervortrag, dem die Beklagte insoweit nicht entgegengetreten ist, ebenfalls vor.
..." (AG Bremen, Urteil vom 10.10.2011 - 16 C 89/11)
***
Erfüllungsort der von der Fluggesellschaft zu erbringenden Ausgleichszahlung wegen Flugverspätung ist der Abflugort. Entscheidungserheblich für die
Bemessung einer Flugverzögerung ist nicht der Zeitpunkt des Ablegens des Flugzeugs vom Gate bzw. von der Parkposition, sondern der des
bestimmungsgemäßen Abhebens von der Startbahn (AG Düsseldorf, Urteil vom 23.07.2011 - 37 C 3495/11):
„... I. ... Der geltend gemachte Anspruch auf eine Entschädigungszahlung nach Art. 7 Verordnung (EG) 261/04 ist aus einem Vertragsverhältnis im Sinne dieser
Vorschrift entstanden. Dieses Erfordernis ist weit auszulegen; es ist bereits dann erfüllt, wenn die Streitigkeit im Zusammenhang mit einem Vertrag steht und
aus einem Vertragsverhältnis herrührt. Zwar handelt es sich um einen gesetzlichen Anspruch, der nicht unmittelbar aus einem Beförderungs- oder Reisevertrag
folgt. Er hat aber zumindest eine vertragliche Grundlage, da Art. 3 Abs. 2 lit. a) Verordnung (EG) 261/04 eine bestätigte Buchung des Reisenden voraussetzt,
was wiederum das Bestehen eines Beförderungsvertrages erfordert (BGH, Urt. v. 18.01.2011, Az. X ZR 71/10, Rn. 26; BGH, Urt. v. 12.11.2009, Az. Xa ZR
76/07, Rn. 18).
Unschädlich ist auch, dass der Kläger nicht selbst Vertragspartner der Beklagten geworden ist, sondern ein unmittelbares Vertragsverhältnis nur mit dem
Reiseveranstalter bestand, welcher seinerseits einen Beförderungsvertrag mit der Beklagten abgeschlossen hat. § 29 ZPO gilt bei Verträgen zu Gunsten Dritter
auch für Klagen des Dritten (Zöller/Vollkommer, § 29 Rn. 7); der Beförderungsvertrag stellt einen solchen Vertrag zugunsten des Reisenden als Dritten dar
(BGH, Urt. v. 17.01.1985, Az. VII ZR 63/84, Rn. 7 ff.).
Erfüllungsort für die von der Beklagten vertraglich geschuldeten Leistung ist Düsseldorf, da am hiesigen Flughafen der Flug beginnen und somit
wesentlicher Teil der Leistung erbracht werden sollte.
II. Die Klage ist teilweise begründet.
1) Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 400,- € gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. b) i.V.m. Art. 7 Abs. 1 lit. b) Verordnung (EG) 261/04.
a) Bezüglich der generellen Anwendbarkeit von Art. 7 der Verordnung auf nicht annullierte, sondern nur verspätete Flüge wird auf die Urteile des Europäischen
Gerichtshofs vom 19.11.2009, Az. C-402/07 & 432/07 sowie des Bundesgerichtshofs vom 18.02.2010, Az. Xa ZR 95/06 Bezug genommen.
b) Es kann dahinstehen, ob es für die Anwendbarkeit des Art. 7 überhaupt erforderlich ist, dass die Voraussetzungen des Art. 6 erfüllt sind, oder ob
ausschließlich auf eine mindestens dreistündige Verzögerung am Ankunftsort abzustellen ist; dementsprechend muss die Beantwortung der entsprechenden
Vorlagefrage des Bundesgerichtshofs (EuGH-Vorlage v. 09.12.2010, Az. Xa ZR 80/10) an den Europäischen Gerichtshof nicht abgewartet werden. Der Flug
des Klägers von Düsseldorf nach Teneriffa war nämlich verspätet im Sinne des Art. 6 Abs. 1 lit. b) der Verordnung. Der Abflug hatte sich um mindestens drei
Stunden gegenüber der planmäßigen Abflugzeit verzögert, sich mithin die Reisedauer um mindestens drei Stunden verzögert.
aa) Entscheidungserheblich für die Bemessung der Verzögerung ist dabei nicht der Zeitpunkt des Ablegens des Flugzeugs vom Gate bzw. von der Parkposition,
sondern der des bestimmungsgemäßen Abhebens von der Startbahn, was unstreitig erst mehr als 16 Stunden verspätet erfolgte.
Zu diesem Ergebnis führt eine grammatikalische Auslegung der entsprechenden Vorschrift der Verordnung. Art. 6 Abs. 1 stellt ausdrücklich auf die Differenz
zwischen dem "Abflug" und der "planmäßigen Abflugzeit" ab. Dem Wortlaut nach setzt ein Abflug voraus, dass das Fluggerät fliegt, also nicht nur vom Gate
abgelegt hat und rollt, sondern vielmehr der eigentlichen Bestimmung nach in Bewegung ist, demnach bereits den Boden verlassen hat. Die ganz überwiegende
Allgemeinheit misst dem Begriff eine solche Bedeutung bei. So stellt der Abflug grundsätzlich den Beginn eines Fluges dar. Die vorhergehenden Schritte,
insbesondere das Abdocken und Rollen bzw. Verbringen zur Startbahn, werden im allgemeinen Verständnis eher als Vorbereitungshandlungen für den
bevorstehenden Abflug angesehen, wobei auch unerheblich ist, ob das Flugzeug duch eigenen Antrieb die Bewegungen am Boden vornimmt oder dies mit Hilfe
weiteren Gerätes geschieht. Dementsprechend wird bis zum Abheben im Allgemeinen davon gesprochen, dass das Luftfahrzeug rollt; dagegen würde man die
Bewegung zur Startposition noch nicht als Flug oder Fliegen bezeichnen.
Gegen dieses Verständnis des Wortlauts spricht auch nicht die Bedeutung der sogenannten Blockzeit. Die Beklagte stellt zwar darauf ab, dass diese u.a. in der
1. DV zur LuftPersV legal definiert sei als der Zeitraum zwischen dem erstmaligen Abrollen des Luftfahrzeugs vom Gate oder der sonstigen Parkposition bis
zum Abstellen der Triebwerke am Endziel. Des Weiteren bezieht sie sich darauf, dass der Luftfahrzeugführer sowohl in das Logbuch als auch in das Bordbuch
gerade diese Blockzeiten einzutragen hat. Die entsprechenden Bestimmungen und Vorgehensweise betreffen allerdings nur interne Abläufe des Flugpersonals.
Es ist dagegen weder vorgetragen noch sind irgendwelche Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der europäische Verordnungsgeber gerade die Blockzeit
beziehungsweise entsprechende Anordnungen zu deren Anwendung als Grundlage für die Bestimmung des Zeitpunkts des Abflugs heranziehen wollte, zumal
es sich bei der 1. DV zur LuftPersV um Vorschriften des nationalen Rechts handelt, und dieses grundsätzlich nicht zur Definition von Gemeinschaftsrecht
herangezogen werden kann.
Auch bei einer teleologischen Auslegung ergibt sich, dass als Abflug im Sinne der Verordnung (EG) 261/04 jedenfalls nicht der Moment zu verstehen ist, in
dem das Flugzeug seine Parkposition oder das ihm zugewiesene Gate verlässt. Bei verschiedenen möglichen Auslegungen einer Vorschrift des
Gemeinschaftsrechts ist derjenigen der Vorzug zu geben, die die praktische Wirksamkeit der Vorschrift zu wahren geeignet ist (vgl. EuGH, Urt. v. 22.09.1988 -
187/87, Slg. 1988 = NJW 1988, 3088, Rn. 19 - Saarland u.a.; Urt. v. 24.02.2000 - C-434/97, Slg. 2000 = BeckRS 2004, 77234, Rn. 21 -
Kommission/Frankreich). Sinn und Zweck der Verordnung (EG) 261/04 ist es unter anderem, den Schaden auszugleichen, der in einem Zeitverlust der
betroffenen Fluggäste besteht und der angesichts seines irreversiblen Charakters nur mit einer Ausgleichszahlung ersetzt werden kann (EuGH, Urt. v.
19.11.2009 - C-402, 432/07 = EuZW 2009, 890 Rn. 48 - Sturgeon u.a./Condor und Böck/Air France SA). Dann aber ist der Begriff des Abfluges weit
auszulegen und die Auslegung vorzuziehen, die den größtmöglichen Passagierschutz bietet. Dies ist nur bei einem Abstellen auf das tatsächliche Abheben des
Flugzeuges gegeben, denn andernfalls ist es nicht ausgeschlossen, dass durch die entstehende Lücke im Hinblick auf die Anwendung der Verordnung bezüglich
des Zeitabschnittes zwischen dem Verlassen der Parkposition bzw. des Gates und dem tatsächlichen bestimmungsgemäßen Abheben des Flugzeuges Rechte
und Interessen der Fluggäste nicht gewahrt werden können. Es besteht die Gefahr der Umgehung der Schutzvorschriften. So wäre es für den Fluggast
nachträglich so gut wie unmöglich festzustellen, ob der Verzögerungsgrund tatsächlich erst nach dem Losrollen eingetreten ist oder nicht schon vorher vorlag.
In einem Fall, in dem beispielsweise vor dem Start die Überschreitung der zulässigen Einsatzzeit der Besatzung während des Fluges absehbar ist oder ein
Defekt bereits von Beginn an angezeigt wird, könnte dennoch veranlasst werden, dass die Maschine kurzfristig losrollt und dann zum Ausgangspunkt
zurückkehrt. Dies würde nach der hier nicht vertretenen Auffassung die Voraussetzungen eines pünktlichen Abflugs erfüllen und Entschädigungszahlungen
vermeiden, obwohl tatsächlich nie ein Start beabsichtigt und zulässig gewesen war. Nach dem Abheben dürfte sich dagegen auch das Interesse des
Luftfahrtunternehmens vorrangig darauf richten, dass der Flug möglichst schnell und auch am vorgesehenen Zielort endet; jede Verzögerung im Flug oder
Landung an einem nicht planmäßigen Flughafen würde naturgemäß zu höheren Kosten führen. Dementsprechend gebietet auch der Schutzzweck der
Verordnung, entscheidend auf das tatsächliche Abheben abzustellen. Für einen Fluggast macht es zudem keinen großen Unterschied, ob seine Maschine zu dem
Zeitpunkt, in dem die Entscheidung gefällt wird, nicht zu starten, bereits losgerollt war oder sich noch in der Ausgangsposition befand.
bb) Nicht entscheidungserheblich ist, ob die Beklagte und andere Fluggesellschaften zur "planmäßigen Abflugzeit", die in Flugplänen, im Internet oder in
anderen Medien veröffentlicht wird, üblicherweise das erste Abrollen vom Gate oder bereits das Abheben des Flugzeugs vorsehen. In jedem Fall hätte die
Verzögerung die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 lit. b) EG-VO 261/2004 erfüllt, da beide Zeitpunkte deutlich mehr als drei Stunden vor dem tatsächlichen
Abheben und damit - aus den vorgenannten Gründen - vor dem Abflug lagen.
c) Die vom Europäischen Gerichtshof (a.a.O.) ausdrücklich aufgestellte Voraussetzung, dass in Anlehnung an Art. 5 Abs. 1 lit. c) iii) der Verordnung eine
Verzögerung der Ankunft von mindestens drei Stunden gegenüber der geplanten Ankunftszeit eingetreten sein muss, ist angesichts des um mehr als 16 Stunden
verspäteten Starts unzweifelhaft zu bejahen.
d) Außergewöhnliche Umstände im Sinne von Art 5 Abs. 3 der Norm wurden von Beklagtenseite nicht vorgetragen. Außergewöhnliche Umstände im Sinne
dieser Bestimmung sind allenfalls Probleme, welche auf Vorkommnisse zurückgehen, die auf Grund ihrer Natur oder Ursache nicht Teil der normalen
Ausübung der Tätigkeit des betroffenen Luftfahrtunternehmens und von ihm tatsächlich nicht zu beherrschen sind (vgl. EuGH NJW 2009, 347). Als
"außergewöhnlicher Umstand" kann ein technisches Problem nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs nur dann angesehen werden, wenn es seine Ursache in
einem der im Erwägungsgrund 14 der Verordnung genannten Umstände hat, z.B. auf versteckten Fabrikationsfehlern, Sabotageakten oder terroristischen
Angriffen beruht. Ein solches ist von der Beklagten nicht hinreichend dargelegt.
2) Ein Anspruch auf Erstattung der Taxikosten ergibt sich aus Art. 12 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung i.V. mit §§ 631, 280 Abs. 1, 249 BGB. Das Verschulden
der Beklagten wird vermutet. Der Vortrag der Beklagten wird einer Exkulpation nicht gerecht, s.o., insbesondere der Vortrag zu den durchzuführenden und
durchgeführten Wartungsarbeiten ist nicht hinreichend substantiiert.
Der Anspruch ist auch nicht durch Art. 12 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung zu mindern. Eine bindende Anrechnung erfolgt nur dann, wenn der Schuldner
außergerichtlich die Anrechnung vorgenommen hat. Vorliegend hat aber die Beklagte außergerichtlich keine Leistungen nach der Verordnung an den Kläger
erbracht die angerechnet werden könnten. Es können nach dem Wortlaut der Norm nur gewährte - im Sinne von bereits gewährte - Ausgleichszahlungen
angerechnet werden. Noch zu gewährende Zahlungen sind nicht anzurechnen.
3) Der Zinsanspruch folgt aus den §§ 280 Abs. 1, 2, 286 Abs. 2 BGB. Zinsen sind jedoch erst ab dem 20.10.2010 zuzusprechen, da die Beklagte erst mit Ablauf
der von dem Kläger gesetzten Zahlungsfrist, welche einer Mahnung gleichkommt, in Verzug geraten ist. Von einer vorherigen Erfüllungsverweigerung durch
die Beklagte ist von dem Kläger nicht hinreichend schlüssig vorgetragen.
4) Ein Anspruch auf Erstattung der außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten besteht nicht; mangels Verzugs der Beklagten zum Zeitpunkt der Beauftragung
der Bevollmächtigten durch den Kläger sind die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten nicht erstattungsfähig. Zu einer besonderen Schwierigkeit der Sache
hat der Kläger nicht vorgetragen, so dass auch nicht auf §§ 280 Abs. 1, 249 BGB abzustellen ist. ...
IV. Die Berufung war zuzulassen, da in Bezug auf die Frage der Auslegung des Begriffs "Abflug" eine Entscheidung des Berufungsgerichts geboten ist. Die
Frage zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt ist in der Rechtsprechung bisher offensichtlich nicht geklärt worden; sie wäre im hier zu entscheidenden Fall
zumindest dann entscheidungserheblich, wenn der Europäische Gerichtshof die oben erwähnte Vorlagefrage dahingehend beantworten sollte, dass auch die in
Art. 6 Abs. 1 der Verordnung definierte Verzögerung beim Abflug vorliegen muss. ..."
***
„... Die Klägerseite hat einen Anspruch auf Leistung von Ausgleichszahlungen in der geltend gemachten Höhe gemäß Art. 7 Abs. 1 lit. a), Art. 6 Abs. 1
Verordnung (EG) 261/2004 (nachfolgend "VO" genannt). Nach den Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs vom 19.11.2009 (Aktenzeichen C-402/07
und C-432/07) sowie des Bundesgerichtshofs vom 18.02.2010 (Aktenzeichen Xa ZR 95/06) sind die Art. 5, 6 und 7 VO dahin auszulegen, dass die Fluggäste
verspäteter Flüge im Hinblick auf die Anwendung des Ausgleichsanspruchs den Fluggästen annullierter Flüge gleichzustellen sind, wenn sie wegen eines
verspäteten Fluges einen Zeitverlust von 3 h oder mehr erleiden, ihr Ziel also nicht früher als 3 h nach der von dem Luftfahrtunternehmen ursprünglich
geplanten Ankunftszeit erreichen. Die Klägerseite kann die Ausgleichszahlung beanspruchen, da sie ihr Ziel später als 3 h nach der geplanten Ankunftszeit
erreicht hat.
Vorliegend ist auch eine erhebliche Abflugverspätung von über 3 h gegeben. Dem steht der Umstand nicht entgegen, dass sich das Flugzeug bei Entdecken
einer möglichen Störung der Triebwerke bereits auf dem Weg zur Startbahn befand. Im Rahmen der Ermittlung von Verspätungen sind nach Auffassung des
erkennenden Gerichts grundsätzlich die Zeiten maßgeblich, zu denen das Flugzeug die Parkposition verlässt bzw. dort ankommt ("On-Block- /
Off-Block-Zeiten") - insofern folgt das Gericht dem Vortrag der Beklagtenseite im Hinblick auf die allgemein veröffentlichten und auch im Rahmen der
Slotverteilung verbindlichen Zeiten. Allerdings liegt ein "Abflug" im Sinne des Art. 6 VO - und nur auf diese Regelung kommt es an - nicht schon dann vor,
wenn ein Flugzeug seine Parkposition verlässt. Hierfür ist vielmehr - bereits begriffsnotwendig - erforderlich, dass eine Flug- und nicht nur eine Rollbewegung
stattfindet (so im Ergebnis auch Amtsgericht Rüsselsheim, Urteil vom 21.01.2011, Az. 3 C 1392/10 (31)). Hiernach kann für die Bestimmung eines Abflugs
nur dann auf die Off-Block-Zeit abgestellt werden, wenn das Flugzeug im unmittelbaren zeitlichen Nachgang - ohne dass eine (weitere) Verzögerung durch das
Zutun des ausführenden Luftfahrtunternehmens eintritt - tatsächlich von der Startbahn abhebt und eine Fortbewegung in der Luft stattfindet. Dies ist vorliegend
jedoch nicht rechtzeitig geschehen, der tatsächliche Abflug ist erst ca. 4 Stunden später erfolgt, als die Maschine erneut die Parkposition verließ und dann auch
von der Startbahn abgehoben hat.
Es bleibt auch unerheblich, dass die Beklagte die Nichtvorlage einer bestätigten Buchung gerügt hat. Hier hätte es der Beklagten oblegen, qualifiziert zu
bestreiten, dass die Kläger einen Flug bei der Beklagten gebucht hatten und diese deshalb nicht im Besitz einer bestätigten Buchung sind. Sollte die Beklagte
keine aktuelle Kenntnis darüber gehabt haben, ob ihr Prozessgegner Fluggast gewesen ist, hätte sie den Grund ihrer Unkenntnis darlegen müssen (so auch
Zöller, ZPO, § 139, Rn. 14). Die Beklagte kann sich diesbezüglich auch nicht etwa darauf zurückziehen, dass ihr keine Fluggastlisten mehr vorliegen. Der
Beklagten muss als Luftfahrtunternehmen aus eigener Wahrnehmung bekannt sein, welche Fluggäste sie tatsächlich transportiert hat. Wenn die Beklagte die
Fluggastlisten eines erst wenige Monate zurückliegenden Fluges in Kenntnis der Verspätung und der deswegen drohenden Ansprüche von Fluggästen ohne Not
bereits vernichtet haben sollte, hat sie die hieraus entstehenden prozessualen Nachteile zu tragen.
Der Ausgleichsanspruch ist nicht entsprechend Art. 5 Abs. 3 VO ausgeschlossen; die Verspätung geht nicht auf außergewöhnliche Umstände im Sinne dieser
Vorschrift zurück. Zwar soll nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesgerichtshofs ein Ausgleichsanspruch in entsprechender
Anwendung des Art. 5 Abs. 3 VO entfallen, wenn das Luftfahrtunternehmen nachweisen kann, dass die große Verspätung auf außergewöhnliche Umstände
zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären; solche außergewöhnlichen Umstände
sind vorliegend allerdings nicht gegeben.
Die von der Beklagten behauptete, aber nicht näher konkretisierte und bestätigte, sondern lediglich für möglich befundene Störung der Triebwerke scheidet als
außergewöhnlicher Umstand im Sinne des Art. 5 Abs. 3 VO aus; das diesbezügliche Vorbringen der Beklagten bleibt unerheblich. Bei diesem Fehler handelt es
sich ersichtlich um einen technischen Defekt. Technische Defekte sind indes nicht schlechterdings als außergewöhnliche Umstände zu qualifizieren, die das
Luftfahrtunternehmen von der Verpflichtung zur Zahlung einer Ausgleichsleistung wegen Verspätung oder Annullierung eines Fluges befreien können (a. A.
insb. OLG Köln, Urteil vom 27.5.2010, Az. 7 U 199/09).
In Erwägungsgrund 14 der VO wird erkennbar, dass der Verordnungsgeber bei den haftungsausschließenden außergewöhnlichen Umständen ersichtlich solche
im Blick hatte, die außerhalb der Sphäre des Luftfahrtunternehmens liegen und sich deren Beherrschung entziehen. Technische Probleme des Fluggeräts liegen
indes - von Außeneinwirkungen abgesehen - stets in der besonderen Risikosphäre eines Luftfahrtunternehmens. In Anlehnung an die Entscheidung des
Europäischen Gerichtshofs vom 22.12.2008 (Aktenzeichen C-549/07) kommt ein Ausschluss des Ausgleichsanspruchs wegen technischer Mängel - nicht
zuletzt wegen des sicherzustellenden hohen Schutzniveaus für Fluggäste - nur dann in Betracht, wenn die technischen Probleme auf tatsächlich unbeherrschbare
Vorkommnisse zurückzuführen sind, die nicht Teil der normalen Tätigkeit eines Luftfahrtunternehmens sind - wie beispielsweise versteckte Fabrikationsfehler,
Sabotageakte oder terroristische Handlungen. Maßgeblich ist, ob das zu Grunde liegende Geschehen ein typisches und in Ausübung der betrieblichen Tätigkeit
vorkommendes Ereignis darstellt oder ob es der Beherrschbarkeit der Fluggesellschaft völlig entzogen ist (so im Ergebnis auch die st. Rspr. des Landgerichts
Darmstadt).
Der hier einzig denkbare technische Defekt - nämlich die behauptete mögliche Störung der Triebwerke - fällt in die betriebliche Sphäre der Beklagten und liegt
in deren Verantwortungsbereich. Es ist nicht zu erkennen, inwiefern dieses technische Problem nicht im Rahmen der normalen Tätigkeiten des
Luftfahrtunternehmens aufgetreten sein und seine Ursache auch jenseits der von der Beklagten beherrschbaren Umständen gehabt haben soll. Vor diesem
Hintergrund kommt es nicht darauf an, dass sich die wegen des möglichen technischen Defekts entstandene Verspätung aufgrund der Notwendigkeit der
Bewegung durch einen zunächst nicht vorhandenen Flugzeugschlepper vertieft hat.
Der Klägerseite steht die Ausgleichszahlung in voller Höhe zu. Die Beklagte ist nicht berechtigt, die Ausgleichszahlung nach Art. 7 Abs. 2 VO um 50 % zu
kürzen. Art. 7 Abs. 2 VO ist nicht direkt einschlägig, da diese Vorschrift auf eine anderweitige Beförderung im Sinne des Art. 8 Abs. 1 lit. b), lit. c) VO durch
einen Alternativflug abstellt. Vorliegend wurde aber kein Alternativflug zum Endziel, sondern gerade der ursprünglich geplante Flug durchgeführt. Die direkte
Anwendung des Art. 7 Abs. 2 VO setzt erkennbar eine Nichtbeförderung oder Annullierung voraus; hier liegt indes lediglich eine Verspätung vor.
Eine analoge Anwendung der Berechtigung zur Kürzung der Ausgleichszahlung nach Art. 7 Abs. 2 lit. a) VO für Fälle der Ankunftsverspätung über 3 h
scheidet nach Auffassung des erkennenden Gerichts aus. Dem steht nicht entgegen, dass der Europäische Gerichtshof in der vorgenannten Entscheidung von
einer analogen Anwendbarkeit von Art. 7 Abs. 1 VO für die Fälle einer Flugverspätung von mehr als 3 h am Ankunftsort ausgeht und in diesem
Zusammenhang unter Rz. 63 der genannten Entscheidung - indes ohne vertiefte teleologischen oder systematischen Überlegungen - andeutet, dass auch eine
entsprechende Anwendung des Art. 7 Abs. 2 VO in Betracht gezogen werden kann. Nach den Ausführungen des Gerichtshofs und unter Berücksichtigung der
erforderlichen "großen" Ankunftsverspätung von zumindest 3 h ist eine solche Kürzung überhaupt nur nach Maßgabe von Art. 7 Abs. 2 lit. c) VO denkbar; die
Regelungen nach Art. 7 Abs. 2 lit. a) und b) VO nimmt der Gerichtshof von der Möglichkeit einer Analogie aus.
Aus der Argumentation des Gerichtshofs folgt, dass, wenn man eine Analogie des Art. 7 Abs. 2 VO vornimmt, diese unmittelbar auf die geplante Ankunftszeit
abzustellen hat und nicht auf einen fiktiven "Nullpunkt", der erst 3 h nach der geplanten Ankunftszeit liegt. Dass die Regelungen des Art. 7 Abs. 2 lit. a), lit. b)
VO im Rahmen dieser Analogie, die bereits eine Mindestverspätung von 3 h voraussetzt, faktisch unanwendbar werden, ist Ausfluss der weiten Auslegung der
VO durch den Gerichtshof und nach dessen Auffassung wohl hinzunehmen.
Für die Auffassung, dass die analoge Anwendung des Art. 7 Abs. 2 VO weit vorzunehmen und auf einen anspruchsbegründenden "Nullpunkt" von 3 h ab der
planmäßigen Ankunft abzuheben ist, finden sich weder in der VO noch in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs irgendwelche Anhaltspunkte.
Diese Ansicht überdehnt die ohnedies schon extensive analoge Anwendung des Art. 7 Abs. 1, Abs. 2 VO. Die analoge Anwendung einer Rechtsnorm setzt zum
einen eine planmäßige Regelungslücke voraus und verlangt zum anderen, dass ein zum Gesetz vergleichbarer oder ähnlich gelagerter Fall vorliegt (Palandt,
BGB, 2011, Einl., Rn. 48 m.w.N.). Beides ist vorliegend nicht gegeben. Die Fälle einer alternativen Beförderung (bei Nichtbeförderung oder Flugannullierung)
sind nicht ohne Weiteres mit der lediglich verspätet durchgeführten Beförderung zu vergleichen. Durch das Kürzungsrecht wird das ausführende
Luftfahrtunternehmen für seine (über die ursprüngliche Leistungspflicht hinausgehenden) Bemühungen "belohnt", den Fluggast trotz einer Nichtbeförderung
oder Annullierung zeitnah - nämlich innerhalb von höchstens 2 h - zum Endziel zu befördern. Im vorliegenden Fall hat die Beklagte jedoch weder Leistungen
über ihre ursprüngliche Primärleistungspflicht hinaus erbracht, noch lässt sich davon ausgehen, dass eine Verspätung von über 3 h (ausgehend von der
geplanten Ankunftszeit) als eine geringe Verspätung zu qualifizieren ist, die eine "Belohnung" rechtfertigt.
Aus der Gesamtschau der in der VO enthaltenen Vorschriften ergibt sich überdies nicht, dass die Regelung einer Kürzungsmöglichkeit bei
Ausgleichsansprüchen für Verspätungen ab 3 h (die zu den in Art. 7 Abs. 2 VO genannten Zeiten hinzuzurechnen sind) "versehentlich" unterblieben ist.
Vielmehr lässt sich aus der Verordnung entnehmen, dass ein Ausgleichsanspruch prinzipiell nur in den Fällen einer Nichtbeförderung oder Flugannullierung
geschuldet sein soll; folgerichtig sollte auch die Kürzungsmöglichkeit nach dem Willen des Verordnungsgebers nur in diesen Fällen gelten. Eine extensive
analoge Anwendung des Art. 7 Abs. 2 lit. a) VO scheitert nicht zuletzt daran, dass diese Regelung nach ihrem Wortlaut und der Systematik der VO einen
Ausnahmecharakter hat; bereits dieser Ausnahmecharakter steht der Annahme einer planwidrigen Regelungslücke für Verspätungsfälle ab 3 h entgegen.
Schließlich spricht auch die Billigkeit nicht für eine extensive analoge Anwendung des Art. 7 Abs. 2 VO. In Verspätungsfällen ist das ausführende
Luftfahrtunternehmen - anders als in den Fällen der Nichtbeförderung oder Annullierung - bereits von Gesetzes wegen verpflichtet, alle zumutbaren
Maßnahmen zu ergreifen, um die Verspätungsdauer möglichst kurz zu halten. Eines zusätzlichen finanziellen Anreizes bedarf es nicht. So ergibt sich bereits
aus Art. 5 Abs. 3 VO, dass ein Wegfall des Ausgleichsanspruchs nur dann in Betracht kommt, wenn das ausführende Luftfahrtunternehmen - auch bei
Vorliegen außergewöhnlicher Umstände - alle zumutbaren Maßnahmen ergreift, eine weitere Verspätung zu verhindern. Überdies sieht sich das ausführende
Luftfahrtunternehmen bei fortdauernden Verspätungen weiteren Ansprüchen nach Art. 9 VO (oder entsprechenden Ersatzansprüchen wegen Nichterfüllung)
oder aber weiteren Ersatzansprüchen ausgesetzt, die über eine Anrechnung nach Art. 12 VO hinausgehen.
Ein Anspruch der Kläger auf Ersatz der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten besteht indessen nicht. Den Klägern ist kein Schaden entstanden. Die Beklagte
hat bestritten, dass die Kläger die vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren gezahlt haben; dennoch haben die Kläger hierzu nicht vorgetragen und sind
beweisfällig geblieben. Ein Schaden folgt auch nicht daraus, dass die Kläger wegen der vorgerichtlichen Leistungen ihrer Rechtsanwältin möglicherweise mit
einer Verbindlichkeit belastet worden sind. Dies kann - ohne eine Verweigerung des Schuldners, die hier nicht vorgetragen wurde - überhaupt nur zu einem
Freistellungsanspruch, nicht aber zu einem Zahlungsanspruch führen (so schon Palandt, BGB, 70. Auflage, § 249, Rn. 4, § 250, Rn. 2). ...
Die Berufung war gemäß § 511 Abs. 4 ZPO zuzulassen, da die Beklagte mit nicht mehr als EUR 600,00 beschwert ist, die Rechtssache aber im Hinblick auf
Rechtsfragen, die seitens des Berufungsgerichts noch nicht entschieden sind, grundsätzliche Bedeutung hat. ..." (AG Rüsselsheim, Urteil vom 20.07.2011 - 3 C
739/11 (36))
***
Der Kläger hatte eine Flugpauschalreise für die Zeit vom 08.10.2010 bis zum 18.10.2010 nach Kreta/Griechenland bei der X GmbH für sich, seine Ehefrau und
seine beiden Kinder gebucht. Die X GmbH übersandte dem Kläger die am 06.09.2010 ausgestellten Reiseunterlagen, die unter anderem die von der Beklagten
bestätigte Flugreservierung für den Flug von Düsseldorf nach Heraklion am 08.10.2010 enthielten. Die planmäßige Abflugzeit sollte in Düsseldorf um 15:20
Uhr sein. Die Beklagte verschob den Flug um 6 Stunden. Die Ansprüche seiner beiden Kinder und seiner Ehefrau wurden an den Kläger abgetreten. Mit
anwaltlichem Schriftsatz vom 02.12.2010 hat der Kläger die Beklagte vergeblich unter Fristsetzung bis zum 20.12.2010 zur Zahlung von 1.600,00 €
aufgefordert. Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.600,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem
21.12.2010 zu zahlen. Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Die Beklagte rügt die örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts Düsseldorf. Darüber hinaus
vertritt die Beklagte die Auffassung, dass der Kläger keine Zahlung von Ausgleichsansprüchen geltend machen kann. In den allgemeinen
Geschäftsbedingungen der X GmbH werde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Flugzeiten für Pauschalgäste unverbindlich seien. Ferner sei das
Reisebüro des Klägers am 06.10.2010 über die Flugzeitänderung informiert worden. Schließlich stehe jedenfalls der Tochter des Klägers Xx kein
Ausgleichsanspruch zu, da diese zum Zeitpunkt der Reise erst 1 Jahr alt gewesen und für sie kein eigener Sitzplatz reserviert worden sei. ...
Die Klage ist zulässig. Im vorliegenden Fall ist Düsseldorf als vereinbarter Abflugort auch als der Ort der Erfüllung im Sinne von § 29 ZPO zu betrachten und
begründet den dortigen Gerichtsstand für die Klage auf pauschalierten Ausgleich nach der Verordnung. Denn im Fall einer Beförderung von Personen im
Luftverkehr sind sowohl der Ort des vertragsgemäßen Abfluges als auch der Ort der vertragsgemäßen Ankunft des Flugzeugs gleichermaßen als die Orte
anzusehen, an denen die Leistungen, die Gegenstand des Beförderungsvertrags im Luftverkehr sind, hauptsächlich erbracht werden (vgl. BGH, Urteil vom
18.01.2011, Az.: X ZR 71/10).
Die Klage ist auch begründet. Dem Kläger steht gemäß Artikel 7 Abs. 1 b der Verordnung (EG) 261/2004 in Verbindung mit § 398 BGB ein Anspruch auf
Ausgleichszahlung in Höhe von 1.600,00 € (4 x 400,00 €) gegen die Beklagte zu.
Die Beklagte hat den Flug von Düsseldorf nach Heraklion am 08.10.2010 um 6 Stunden verspätet durchgeführt. Dies begründet einen Anspruch auf
Ausgleichszahlung, obwohl keine Annullierung vorliegt (vgl. EuGH, Urteil vom 19.11.2009, Az.: C-402/07 und C-432/07).
Es kann dahingestellt bleiben, ob die Beklagte das Reisebüro des Klägers am 06.10.2010 - zwei Tage vor Abflug - über die Flugzeitänderung informiert hat.
Gemäß Art. 5 Abs. 1 Buchst. c) der Verordnung (EG) 261/2004 führt eine Information hinsichtlich der geplanten Annullierung (vorliegend der Verspätung) nur
dann dazu, dass keine Ausgleichsleistungen eingeräumt werden, wenn diese entweder zwei Wochen vor der planmäßigen Abflugzeit mitgeteilt wird oder ein
Ersatzflug angeboten wird. Beides war hier nicht der Fall.
Ein Anspruch auf Ausgleichszahlung besteht auch hinsichtlich der zum Zeitpunkt des Fluges einjährigen Tochter des Klägers. Auch diese ist Fluggast im Sinne
der Verordnung (EG) 261/2004. Fluggast ist jeder, der als Flugzeuginsasse nicht zum fliegenden Personal oder zum Flugpersonal zählt. Auf die Reservierung
eines Sitzplatzes kommt es insoweit nicht an. Für die Tochter war jedenfalls der entsprechende Flug gebucht worden.
Die Abtretungen der Ansprüche der Kinder sowie der Ehefrau des Klägers ergeben sich aus der mit Schriftsatz vom 03.05.2011 vorgelegten
Abtretungserklärung. ..." (AG Düsseldorf, Urteil vom 30.06.2011 - 40 C 1745/11)
***
„... Die Kläger machen gegen das beklagte Luftfahrtunternehmen mit Sitz in Deutschland Ausgleichsansprüche aus der Fluggastrechteverordnung (EGV
261/2004) wegen Flugverspätung geltend.
Die Kläger buchten bei der Beklagten zum Normaltarif einen Flug Nr. ... für den 20.02.2011 von Las Vegas (USA) nach Frankfurt am Main. Geplante
Abflugzeit war 20.02.2011 um 16.55 Uhr. Tatsächlich flog das Flugzeug erst am Folgetag, dem 21.02.2011 um 12.10 Uhr, ab und kam entsprechend später in
Frankfurt am Main an. Unstreitig setzte sich das Flugzeit am geplanten Abflugstag auf der Startbahn in Bewegung; der Pilot brach aber noch auf der Startbahn
und bevor das Flugzeug sich in der Luft befand, die Fahrbewegung ab und kehrte auf die Ausgangsposition zurück.
Vorgerichtlich forderten die Kläger die Beklagte erfolglos zur Zahlung auf, nachdem die Beklagte mit Schreiben vom 09.03.2011 eine Regulierung endgültig
abgelehnt hatte. ...
Die Beklagte hat unter Beweisantritt (Bl. 20 f. d.A.) behauptet, die Cockpitbesatzung habe ‚auf dem Weg zur Startbahn einen Defekt an der Höhenruderanzeige
fest[gestellt]', woraufhin das Fluggerät ‚zurück zur Parkposition [kehrte] und ein Techniker begann, den technischen Defekt zu beheben'. Es heißt in der
Klageerwiderung (Bl. 20 f. d.A.) weiter:
‚Aus nicht nachvollziehbaren Gründen wollten mehrere Fluggäste an dem Flug nicht mehr teilnehmen und sind auf ihren Wunsch ausgestiegen. Dies hatte zur
Folge, dass deren Gepäckstücke aus Sicherheitsgründen aus dem Fluggerät ausgeladen werden mussten. Dies nahm über 1 Std. Zeit in Anspruch, so dass der
Flug mit der Crew (Anm. des Gerichts: wegen Überschreitung der Dienstzeit) nicht mehr durchgeführt werden konnte... Eine andere Ersatzcrew, die eine
Zulassung für den betreffenden Flugzeugtyp besaß, war am Flughafen Las Vegas nicht ‚vorrätig' und musste von der Beklagten auch nicht vorrätig gehalten
werden, da es für die Beklagte nicht zumutbar ist, an jedem von ihr angeflogenen Auslandsflughafen für jeden von ihr betriebenen Flugzeugtyp eine
entsprechende ‚frische' Ersatzcrew vorrätig zu halten.'
Die Beklagte ist der Ansicht, es liege gar keine Abflugverspätung vor, da das Flugzeug ja pünktlich ‚abgeflogen' sei; in der Sache ist sie dabei der Ansicht, dass
es für einen ‚Abflug' nicht erforderlich sei, dass sich das Fluggerät bereits in der Luft befinde, sondern ausreiche, dass es sich auf der Startbahn bereits in
Bewegung gesetzt habe; dies entspreche auch der - nicht weiter konkretisierten - Rechtsprechung des Landgerichts Darmstadt. Im Übrigen liege - selbst wenn
man eine Abflugverspätung annähme - ein ‚außergewöhnlicher Umstand' vor, der zur Leistungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 3 EGV 261/20004 führe.
Wegen Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom
24.06.2011 verwiesen. ...
Die Kläger haben gegen die Beklagte einen Ausgleichsanspruch in Höhe von 600,00 EUR jeweils nach Art. 7 EGV 261/2004.
Nach der Rechtsprechung des EuGH haben auch Fluggäste verspäteter Flüge einen Ausgleichsanspruch nach Art. 7 EGV 261/2004, wenn sie - wie hier - wegen
der Verspätung einen Zeitverlust von drei Stunden oder mehr erleiden (EuGH, Urt. v. 19.11.2009 - Rs. C-402/07 -, Tenor Ziffer 2). Entgegen der Ansicht der
Beklagten lag hier eine Abflugverspätung vor, denn das Flugzeug war ja gerade nicht abgeflogen. Abgeflogen ist ein Flugzeug allenfalls dann, wenn es bereits
‚fliegt', also sich in der Luft befindet (in diesem Sinne bereits: AG Frankfurt am Main, Urt. v. 27.04.2011 - 31 C 232/11 noch unveröffentl.) Dies war hier
unstreitig nicht der Fall, nachdem die Rollbewegung auf der Landebahn vor Erreichen der für einen Abhebevorgang, also für einen ‚Ab-Flug', erforderlichen
Geschwindigkeit abgebrochen und das Flugzeug ‚unverrichteter Dinge' wieder in die ursprüngliche Position zurückgekehrt war. Dieser Ansicht
entgegenstehende Rechtsprechung des Landgerichts Darmstadt, auf die sich die Beklagte in der Klageerwiderung bezogen hat, ist dem Amtsgericht nicht
bekannt (geworden).
Im Übrigen wären, selbst wenn man einen rechtzeitigen Abflug verneinte und damit nur zu einer Ankunftsverspätung gelangte, die Ausgleichsansprüche im
selben Umfang begründet; anders als die 24. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main (vgl. Urt. v. 23.09.2010 - 2.24 S 44/10 - S. 7 f.) ist das
erkennende Gericht der Ansicht, dass sich aus der Rechtsprechung des EuGH (Urt. v. 19.11.2009 - Rs. C-402/07 -, juris, Tenor Ziffer 2) eindeutig
ergibt, dass Ausgleichansprüche bei erheblicher Verspätung analog Art. 7 EGV 261/2004 am erheblichen Zeitverlust für den Flugpassagier
anknüpfen - unabhängig davon, ob dieser auf eine Abflug- oder Ankunftsverspätung zurückzuführen ist. Der Tenor der Entscheidung des EuGH unter
Ziffer 2 kann insoweit gar nicht anders verstanden werden. Danach sind Ausgleichsansprüche gegeben, wenn die Passagiere ‚wegen eines verspäteten Fluges
einen Zeitverlust von drei Stunden oder mehr erleiden, d. h., wenn sie ihr Endziel nicht früher als drei Stunden nach der von dem Luftfahrtunternehmen
ursprünglich geplanten Ankunftszeit erreichen' (EuGH, Urt. v. 19.11.2009 - Rs. C-402/07 juris). Dass es darauf ankommen soll, ob dieser Zeitverlust auf einer
Abflugverspätung oder - insbesondere in Fällen unwesentlich verspäteten Abflugs, aber Versäumnisses von direkten Anschlussflügen, die auf die geringfügige
‚Ursprungsverspätung' zurückzuführen sind, relevanten - erheblichen Ankunftsverspätungen beruht, ist dem Tenor nicht nur nicht zu entnehmen, sondern liefe
der Zielrichtung dieses Anspruchs, der gerade an dem ‚Zeitverlust' des Passagiers anknüpft, sogar evident zuwider. In diesem Fall ist auch eine Aussetzung des
Verfahrens nicht angezeigt.
Entgegen dem Bundesgerichtshof (EuGH-Vorlage vom 09.12.2010 - Xa ZR 80/10 zitiert nach juris) bestehen gerade keine Anhaltspunkte dafür, dass
der EuGH bei der Entschädigung nach Abflug- oder Ankunftsverzögerung differenzieren wollte. Der Bundesgerichtshof selbst führt zunächst zutreffend
aus, dass der fragliche Schaden für die Passagiere gerade den Fluggästen verspäteter Flüge entstehen, ‚die vor dem Erreichen ihres Zielorts eine längere
Beförderungszeit als die ursprünglich von dem Luftfahrtunternehmen angesetzte hinnehmen müssen' (Rn. 16) und damit nach der Zielrichtung unabhängig von
Abflug- oder Ankunftsverspätung greifen muss. Weshalb andererseits nach der weiteren Begründung des Bundesgerichtshofs gerade das vom
Verordnungsgeber gewollte hohe Schutzniveau für die Passagiere (!) es ‚ausschließen [könnte]' - und damit wird die Vorlage tragend begründet - ‚der
Verordnung Ansprüche zu entnehmen, die nicht an einen der Tatbestände der Art. 4 bis 6 FluggastrechteVO anknüpfen, sondern an die Ankunftsverzögerung,
die nach der Verordnung lediglich für die Prüfung der Frage von Bedeutung ist, ob der Ausgleichsanspruch entfällt... oder gekürzt wird ...', (Rn. 17), ist vor dem
Hintergrund der Entscheidung des EuGH, Ausgleichsansprüche analog Art. 7 EGV 261/2004 auch bei erheblichem Zeitverlust der Passagiere zu gewähren, unverständlich.
Die Beklagte ist von ihrer Verpflichtung zur Zahlung von Ausgleichsleistungen auch nicht nach Art. 5 Abs. 3 EGV 261/2004 freigeworden. Sie hat nicht
dargetan, dass der verspätete Abflug (bzw. die um diese Zeit verzögerte Ankunft) auf außergewöhnliche Umstände zurückging, die sich auch dann nicht hätten
vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären. Nach der Rechtsprechung des EuGH fällt ein technisches Problem nur dann
unter den Begriff des ‚außergewöhnlichen Umstands', wenn es auf Vorkommnisse zurückgeht, die aufgrund der Natur oder Ursache nicht Teil der normalen
Ausübung der Tätigkeit des betroffenen Luftfahrtunternehmens sind und von ihm tatsächlich nicht zu beherrschen sind (EuGH, Urt. v. 22.12.2008 - Rs.
C-549/07 -, juris, Abs.-Nr 26). Ziel des strengen Art. 5 EGV 261/2004 ist, ein hohes Schutzniveau für Fluggäste sicherzustellen und den Erfordernissen des
Verbraucherschutzes im Allgemeinen Rechnung zu tragen, da die Annullierung - und entsprechend die gravierende Verspätung - von Flügen für die Fluggäste
ein Ärgernis ist und ihnen große Unannehmlichkeiten verursacht (EuGH, Urt. v. 22.12.2008 - Rs. C-549/07 -, juris, Abs.-Nr. 18). Außergewöhnliche Umstände
sind im Lichte dieser Zielsetzung nur anzunehmen, wenn sich die Umstände auch bei Ergreifen aller zumutbaren Maßnahmen nicht vermeiden lassen; alleine
der Umstand, dass ein Luftfahrtunternehmen die gesetzlich vorgeschriebenen Mindesterfordernisse an Wartungsarbeiten an einem Flugzeug durchgeführt hat,
reicht dazu nicht aus (EuGH, Urt. v. 22.12.2008 - Rs. C-549/07 juris, Abs.-Nr. 19-20). Gemessen an diesen strengen Anforderungen hat die Beklagte einen
außergewöhnlichen Umstand schon nicht hinreichend dargetan, so dass auf ihre Beweisangebote nicht einzugehen war. Als technischen Defekt hat sie einen
nicht weiter präzisierten ‚Defekt an der Höhenruderanzeige' (Bl. 20 d.A.) dargetan. Dass eine solche Fehleinstellung unvorhersehbar war und selbst durch
übliche und zumutbare Wartungsarbeiten und -intervalle (vgl. BGH, Urt. v. 12.11.2009 - Xa ZR 76/07 juris, Abs.-Nr. 14) nicht hat erkannt werden können, ist
damit nicht dargelegt. Aus der Tatsache, dass es sich möglicherweise um den - von der Beklagten allerdings schon nicht behaupteten - ersten Fehler dieser Art
in der fraglichen Baureihe handelt, folgte nichts anders; einen versteckten Fabrikationsfehler, der alle Flugzeuge der Baureihe betreffen müsste, ist damit gerade
nicht behauptet; eine singuläre Fehleinstellung aber, mag er auch vom Hersteller verantwortet sein, ist von der Ausübung der Tätigkeit eines
Luftfahrtunternehmens erfasst und stellte keinen außergewöhnlichen Umstand dar (vgl. LG Frankfurt am Main, Hinweisbeschluss nach § 522 ZPO v.
15.03.2011 - 2-24 S 7/11 - S. 3). Auf die von der Beklagten vorgetragene Mindestruhezeit kommt es nicht an. Sie war nicht kausal für die Verspätung, sondern
ergab sich ja erst aus der entscheidenden Ursache des ‚technischen Defekts' und der - freiwilligen - Entscheidung der Beklagten, die flugunwilligen Passagiere
vor Abflug von Bord zu lassen. Damit kommt es nicht darauf an, dass auch die Überschreitung von Mindestruhezeiten kein ‚außergewöhnlicher Umstand' im
Sinne der Verordnung ist, da ein solcher Personalausfall - nicht anders als der Ausfall des Flugpersonals infolge Erkrankung - typisches Unternehmerrisiko ist
und keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Verordnungsgeber die Flugunternehmen über Art. 5 der Verordnung überhaupt von der Haftung für typische
Unternehmerrisiken freistellen wollte (vgl. dazu: AG Frankfurt am Main, Urt. v. 27.04.2011 - 31 C 245/11 -, noch unveröffentl. m. zahlr. Nachw.; in der Sache
ebenso: AG Rüsselsheim, Urt. v. 25.08.2010 - 3 C 109/10 -, juris, Abs.-Nr. 20 ff.; AG Rüsselsheim, Urt. v. 17.09.2010 - 3 C 598/10-, juris, Abs.-Nr. 15; in
diese Richtung wohl auch, letztlich aber offen lassend: BGH, Urt. v. 18.03 2010-Xa ZR 95/06 -, juris, Abs.-Nr. 16. ..."
***
„... Die Kläger machen gegen das beklagte Luftfahrtunternehmen mit Sitz in Deutschland Ausgleichsansprüche aus der Fluggastrechteverordnung (EGV
261/2004) wegen erheblicher Flugverspätung geltend.
Die Kläger buchten bei der Beklagten den Flug DE ... für den ... von Antalya nach Frankfurt am Main. Die Distanz zwischen Abflugs- und Ankunftsort beträgt
ca 2.300 km. Geplante Abflugzeit war ... 20.50 Uhr. Tatsächlich flog das Flugzeug erst am Folgetag um 01.25 Uhr ab. Alle drei Kläger erreichten Frankfurt am
Main etwa 5 Stunden später als vorgesehen. Vorgerichtlich forderten die Kläger die Beklagte mit Schreiben vom 30.11.2010 (Bl. 6 d.A.) unter Fristsetzung bis
zum 10.12.2010 erfolglos zur Zahlung auf. ...
Die Beklagte hat unter Beweisantritt (Bl. 26 d.A.) behauptet, ... der Flug habe sich deshalb verspätet, weil das für den Umlauf vorgesehene Fluggerät - infolge
schlechter Wetterbedingungen auf Korfu am Vortrag - verspätet in Frankfurt am Main gelandet und von dort erst mit Verspätung nach Antalya weitergeflogen
sei, "um den geplanten Flugumlauf DE ... /DE ..." durchzuführen (Bl. 26 d.A.). Die Beklagte ist der Ansicht, daraus folge ein "außergewöhnlicher Umstand" der
Flugverspätung, der zur Leistungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 3 EGV 261/2004 führe.
Die Beklagte ist weiter der Ansicht, etwaige Ansprüche der Kläger seien analog Art. 7 Abs. 2a EGV 261/2004 um die Hälfte zu kürzen, und begründet dies wie
folgt: "Da Art 7 für den Fall, dass im Falle einer Annullierung ein Ersatzflug mit einer Ankunftsverspätung von weniger als 2 Std. angeboten wird, eine 50%ige
Kürzung des Ausgleichsanspruchs vorsieht, ist auch im Falle der Verspätung eines Fluges Art. 7 Abs. 2 analog anzuwenden und die Verspätungsdauer von 2
Std. auf den anspruchsbegründenden Nullpunkt von 3 Std. hinzuzurechnen" (Bl. 27 d.A.). ...
Die Klage ist - bis auf einen geringen Teil der Zinsen - in vollem Umfang unbegründet.
Die Kläger haben gegen die Beklagte jeweils einen Ausgleichsanspruch in Höhe von 400,00 EUR nach Art. 7 EGV 261/2004. Nach der Rechtsprechung des
EuGH haben auch Fluggäste verspäteter Flüge einen Ausgleichsanspruch nach Art. 7 EGV 261/2004, wenn sie - wie hier - wegen der Verspätung einen
Zeitverlust von drei Stunden oder mehr erleiden (EuGH, Urt. v. 19.11.2009 - Rs. C- 402/07 -, Tenor Ziffer 2). Die Beklagte ist von ihrer Verpflichtung zur
Zahlung von Ausgleichsleistungen auch nicht nach Art. 5 Abs. 3 EGV 261/2004 freigeworden. Sie hat nicht dargetan, dass die Verspätung auf
außergewöhnliche Umstände zurückging, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären. Nach
der Rechtsprechung des EuGH liegt ein "außergewöhnlicher Umstand" nur vor, wenn er auf Vorkommnisse zurückgeht, die aufgrund der Natur oder Ursache
nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des betroffenen Luftfahrtunternehmens sind und von ihm tatsächlich nicht zu beherrschen sind (EuGH, Urt. v.
22.12.2008 - Rs. C-549/07 -, juris, Abs.-Nr. 26). Ziel des strengen Art. 5 EGV 261/2004 ist, ein hohes Schutzniveau für Fluggäste sicherzustellen und den
Erfordernissen des Verbraucherschutzes im Allgemeinen Rechnung zu tragen, da die Annullierung - und entsprechend die gravierende Verspätung - von Flügen
für die Fluggäste ein Ärgernis ist und ihnen große Unannehmlichkeiten verursacht (EuGH, Urt. v. 22.12.2008 - Rs. C-549/07 -, juris, Abs.-Nr. 18).
Außergewöhnliche Umstände sind im Lichte dieser Zielsetzung nur anzunehmen, wenn sich die Umstände auch bei Ergreifen aller zumutbaren Maßnahmen
nicht vermeiden lassen (EuGH, Urt. v. 22.12.2008 - Rs. C-549/07 -, juris, Abs.-Nr. 19-20). Gemessen an diesen strengen Anforderungen hat die Beklagte einen
außergewöhnlichen Umstand schon nicht hinreichend dargetan, so dass auf ihre Beweisangebote nicht einzugehen war. Dass eine andere Maschine nicht
verfügbar war, hat sie weder behauptet noch dargelegt, zumal selbst pauschaler Vortrag zur "Nichtverfügbarkeit" einer anderen Maschine den strengen
Anforderungen an die Unzumutbarkeit von die Verspätung abwehrenden Maßnahmen (vgl. BGH, Urt. v. 14.10.2010 - Xa ZR 15/10 -, RRa 2011, S. 33 [34-35]
Abs.-Nr. 26, 28-29) ersichtlich nicht gerecht würde.
Der Anspruch der Kläger ist entgegen der Rechtsansicht der Beklagten auch nicht "analog" Art. 7 Abs. 2 a EGV 261/2004 um die Hälfte zu kürzen. Die
Analogie greift nicht. Zum einen gibt die einschlägige Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, Urt. v, 19.11.2009 - Rs. C-402/07 -, Tenor Ziffer
2) keinen Anlass zur Annahme, dass eine Anwendung von Absatz 2 der Vorschrift auf Flugverspätungen in Betracht gezogen werden sollte. Zum anderen
liegen die Voraussetzungen einer Analogie nicht vor. Dazu wäre eine Vergleichbarkeit des vorliegenden mit dem in Art. 7 Abs. 2 a EGV 261/2004 geregelten
Sachverhalt erforderlich. Der dort geregelte Sachverhalt - Annullierung, aber Ersatzflug mit weniger als zwei Stunden Ankunftsverspätung - ist mit dem hier
vorliegenden Sachverhalt - mehr als dreistündige Verspätung - nicht vergleichbar. Auch als "Erheblichkeitsschwelle" kommt eine analoge Anwendung nicht in
Betracht. Dass nicht jede Flugverspätung Ansprüche nach der Verordnung auslösen soll, hat der EuGH mit dem Erfordernis eines "mehr als dreistündigen
Zeitverlusts" klargestellt. Für die Einziehung einer darüber hinausgehenden, weiteren Erheblichkeitsschwelle, wie ihn die Beklagte mit ihrer Rückrechnung
anstellen will, besteht demnach kein Spielraum mehr.
Anspruch auf Zinsen haben die Kläger allerdings erst ab 11.12.2010, nachdem der Zugang einer früheren Mahnung von ihnen nicht substantiiert dargetan ist.
Ein Hinweis des Gerichts auf die Klageabweisung hinsichtlich dieser Nebenforderung war entbehrlich (§ 139 Abs. 2 ZPO).
Die - wegen des in GKG und RVG ab 1.200 EUR vorgesehenen Gebührensprungs - nach der Mehrkostenmethode ermittelte Entscheidung zu den Kosten
beruht - unter Annahme einer Geschäftsgebühr von 1,3, einer Terminsgebühr von 1,2, einer Pauschale von 20,00 EUR und einer daraus errechneten
Umsatzsteuer von 19% - auf § 92 Abs. 1 Satz 1, § 269 Abs. 3 ZPO, die zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 und 2, 709 Satz 2
ZPO. ..." (AG Frankfurt, Urteil vom 25.05.2011 - 31 C 2/11 (16))
***
„... Die Klägerin macht gegen das beklagte Luftfahrtunternehmen mit Sitz in Deutschland Ausgleichsansprüche aus der Fluggastrechteverordnung (EGV
261/2004) wegen Flugverspätung aus eigenem und aus ihr von ihrem Ehemann abgetretenem Recht geltend.
Die Klägerin und ihr Ehemann buchten bei der Beklagten einen Flug DE1062 für den 06.09.2010 von Frankfurt am Main nach Halifax (Kanada). Geplante
Abflugzeit war 06.09.2010 um 10.00 Uhr. Tatsächlich flog das Flugzeug erst am Folgetag, dem 07.09.2010 gegen 08.30 Uhr, ab und kam entsprechend später
in Halifax an. Unstreitig setzte sich das Flugzeit am geplanten Abflugstag auf der Startbahn in Bewegung; der Pilot brach aber noch auf der Startbahn und bevor
das Flugzeug sich in der Luft befand, die Fahrbewegung ab und kehrte auf die Ausgangsposition zurück.
Vorgerichtlich forderten Klägerin und ihr Ehemann die Beklagte erfolglos zur Zahlung auf, nachdem die Beklagte mit Schreiben vom 04.12.2010 eine
Regulierung endgültig abgelehnt hatte. Der Ehemann der Klägerin trat ihr vorgerichtlich seine Ansprüche aus der Verordnung ab; sie nahm die Abtretung an.
Für die Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe nach Regulierungsverweigerung stellten die Prozessbevollmächtigten der Klägerin dieser eine Kostennote für
vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 185,54 EUR in Rechnung. ...
Die Beklagte hat unter Beweisantritt (Bl. 21 ff. d.A.) behauptet, ... nachdem die Piloten ‚die Startleistung auf der Startbahn gegeben [hätten] und das Fluggerät
sich bereits in Bewegung gesetzt [habe], seien automatisch die Bremsklappen ausgefahren worden' (Bl. 21 d.A.); dies sei kontraproduktiv, da es die
Beschleunigung des Fluggeräts verlangsamt habe und nicht zur notwendigen Startgeschwindigkeit ausgereicht hätte, weshalb die Cockpitbesatzung den Start
abgebrochen habe (Bl. 21 d.A.); Grund für das automatische Ausfahren der Bremsklappen sei ‚eine Fehleinstellung eines elektronischen Schalters' (Bl. 21 f.
d.A.) gewesen, der ‚seit Inbetriebnahme des Fluggerätes im Jahr 1992 noch niemals angefasst' (Bl. 22 d.A.) worden und ‚weder ausgetauscht, noch gewartet
[worden sei], da dieses Bauteil keinem Wartungsintervall oder Austauschintervall unterliegt' (Bl. 22 d.A.); es habe sich bei Flugzeugen der vergleichbaren
Flotte ‚um den ersten Fall dieser Art seit 19 Jahren und mehreren Hunderttausend Flugstunden mit diesem Baumuster gehandelt' (Bl. 22 d.A.); ihr hätten
‚aufgrund der fehlenden Notwendigkeit, Wartungen oder einen Austausch dieses Bauteils vorzunehmen, keinerlei zumutbare Maßnahmen zur Verfügung
[gestanden], um den eingetretenen technischen Defekt zu vermeiden (Bl. 22 d.A.); vor dem Start habe ‚das bordeigene Überwachungssystem EICAS keine
Fehlermeldung des betreffenden Bauteils angezeigt' (Bl. 22 d.A.).
Die Beklagte ist der Ansicht, es liege gar keine Abflugverspätung vor, da das Flugzeug ja pünktlich ‚abgeflogen' sei; dazu sei nicht erforderlich, dass es sich in
der Luft befinde, sondern ausreichend, dass es sich auf der Startbahn bereits in Bewegung gesetzt habe; dies entspreche auch der Rechtsprechung der 24.
Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main, die Ausgleichsansprüche in vergleichbaren Fällen nicht als gegeben ansehe. Im Übrigen liege - selbst wenn
man eine Abflugverspätung annähme - ein ‚außergewöhnlicher Umstand' vor, der zur Leistungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 3 EGV 261/20004 führe. ...
Die Klage ist zulässig, insbesondere das Amtsgericht Frankfurt am Main als Gericht des Abflugortes international und örtlich zuständig, § 29 ZPO. Soll ein
Ausgleichsanspruch nach EGV 261/2004 gegen das Luftverkehrsunternehmen geltend gemacht werden, mit dem der Fluggast den Beförderungsvertrag
geschlossen hat, ist unabhängig vom Vertragsstatut Erfüllungsort im Sinne des § 29 ZPO sowohl der Ort des vertragsgemäßen Abflugs als auch der Ort der
vertragsgemäßen Ankunft des Flugzeugs (vgl. BGH, Urt. v. 18.01.2011 - X ZR 71/10 -, juris, Abs.-Nr. 35).
Die Klage ist - bis auf einen geringen Teil der Zinsen im Freistellungsanspruch - auch in vollem Umfang unbegründet.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Ausgleichsanspruch in Höhe von 600,00 EUR aus eigenem Recht und in gleicher Höhe aus abgetretenem Recht
jeweils nach Art. 7 EGV 261/2004.
Nach der Rechtsprechung des EuGH haben auch Fluggäste verspäteter Flüge einen Ausgleichsanspruch nach Art. 7 EGV 261/2004, wenn sie - wie hier - wegen
der Verspätung einen Zeitverlust von drei Stunden oder mehr erleiden (EuGH, Urt. v. 19.11.2009 - Rs. C-402/07 -, Tenor Ziffer 2). Entgegen der Ansicht der
Beklagten lag hier eine Abflugverspätung vor, denn das Flugzeug war ja gerade nicht abgeflogen. Abgeflogen ist ein Flugzeug allenfalls dann, wenn es
bereits ‚fliegt', also sich in der Luft befindet. Dies war hier unstreitig nicht der Fall, nachdem die Rollbewegung auf der Landebahn vor Erreichen der für
einen Abhebevorgang, also für einen ‚Ab-Flug', erforderlichen Geschwindigkeit abgebrochen und das Flugzeug ‚unverrichteter Dinge' wieder in die
ursprüngliche Position zurückgekehrt war. Dieser Ansicht entgegenstehende Rechtsprechung der 24. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main, die der
Vertreter der Beklagten im Termin am 27.04.2011 im Rahmen der Vergleichsverhandlungen unter Bezugnahme auf eine Entscheidung der Kammer
wiedergegeben hat, ist dem Amtsgericht nicht bekannt und - auch nach Schluss der mündlichen Verhandlung - nicht bekannt geworden.
Im Übrigen wären, selbst wenn man einen rechtzeitigen Abflug verneinte und damit nur zu einer Ankunftsverspätung gelangte, die Ausgleichsansprüche
begründet; anders als die 24. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main (vgl. Urt. v. 23.09.2010 - 2 24 S 44/10 - S. 7 f.) ist das Amtsgericht der Ansicht,
dass sich aus der Rechtsprechung des EuGH (Urt. v. 19.11.2009 - Rs. C-402/07 -, juris, Tenor Ziffer 2) mit hinreichender Deutlichkeit ergibt, dass
Ausgleichansprüche bei erheblicher Verspätung analog Art. 7 EGV 261/2004 am erheblichen Zeitverlust für den Flugpassagier anknüpfen - unabhängig davon,
ob dieser auf eine Abflug- oder Ankunftsverspätung zurückzuführen ist. Der Tenor der Entscheidung unter Ziffer 2 ist insoweit hinreichend deutlich. Danach
sind Ausgleichsansprüche gegeben, wenn die Passagiere ‚wegen eines verspäteten Fluges einen Zeitverlust von drei Stunden oder mehr erleiden, d. h., wenn sie
ihr Endziel nicht früher als drei Stunden nach der von dem Luftfahrtunternehmen ursprünglich geplanten Ankunftszeit erreichen' (EuGH, Urt. v. 19.11.2009 -
Rs. C-402/07 -, juris). Dass es darauf ankommen soll, ob dieser Zeitverlust auf einer Abflugverspätung oder - insbesondere in Fällen unwesentlich verspäteten
Abflugs, aber Versäumnisses von direkten Anschlussflügen, die auf die geringfügige ‚Ursprungsverspätung' zurückzuführen sind, relevanten - erheblichen
Ankunftsverspätungen beruht, ist dem Tenor nicht zu entnehmen, liefe andererseits der Zielrichtung dieses Anspruchs evident zuwider.
Die Beklagte ist von ihrer Verpflichtung zur Zahlung von Ausgleichsleistungen auch nicht nach Art. 5 Abs. 3 EGV 261/2004 freigeworden. Sie hat nicht
dargetan, dass der um 21,5 Stunden verspätete Abflug (bzw. die um diese Zeit verzögerte Ankunft) auf außergewöhnliche Umstände zurückging, die sich auch
dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären. Nach der Rechtsprechung des EuGH fällt ein technisches
Problem nur dann unter den Begriff des ‚außergewöhnlichen Umstands', wenn es auf Vorkommnisse zurückgeht, die aufgrund der Natur oder Ursache nicht
Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des betroffenen Luftfahrtunternehmens sind und von ihm tatsächlich nicht zu beherrschen sind (EuGH, Urt. v.
22.12.2008 - Rs. C-549/07 -, juris, Abs.-Nr. 26). Ziel des strengen Art. 5 EGV 261/2004 ist, ein hohes Schutzniveau für Fluggäste sicherzustellen und den
Erfordernissen des Verbraucherschutzes im Allgemeinen Rechnung zu tragen, da die Annullierung - und entsprechend die gravierende Verspätung - von Flügen
für die Fluggäste ein Ärgernis ist und ihnen große Unannehmlichkeiten verursacht (EuGH, Urt. v. 22.12.2008 - Rs. C-549/07 -, juris, Abs.-Nr. 18).
Außergewöhnliche Umstände sind im Lichte dieser Zielsetzung nur anzunehmen, wenn sich die Umstände auch bei Ergreifen aller zumutbaren Maßnahmen
nicht vermeiden lassen; alleine der Umstand, dass ein Luftfahrtunternehmen die gesetzlich vorgeschriebenen Mindesterfordernisse an Wartungsarbeiten an
einem Flugzeug durchgeführt hat, reicht dazu nicht aus (EuGH, Urt. v. 22.12.2008 - Rs. C-549/07 -, juris, Abs.-Nr. 19-20). Gemessen an diesen strengen
Anforderungen hat die Beklagte einen außergewöhnlichen Umstand schon nicht hinreichend dargetan, so dass auf ihre Beweisangebote nicht einzugehen war.
Als technischen Defekt hat sie ‚eine Fehleinstellung des für Bremsklappen verantwortlichen Schalters' dargetan (Bl. 21 f. d.A.). Dass eine solche
Fehleinstellung unvorhersehbar war und selbst durch übliche und zumutbare Wartungsarbeiten und -intervalle (vgl. BGH, Urt. v. 12.11.2009 - Xa ZR 76/07 -,
juris, Abs.-Nr. 14) nicht hat erkannt werden können, ist nicht dargetan. Aus der Tatsache, dass es sich möglicherweise um den ersten Fehler dieser Art in der
fraglichen Baureihe seit 19 Jahren handelt, folgt nichts anders; einen versteckten Fabrikationsfehler, der alle Flugzeuge der Baureihe betreffen müsste, ist damit
gerade nicht behauptet; die singuläre Fehleinstellung eines Schalters aber, mag er auch vom Hersteller verantwortet sein, ist von der Ausübung der Tätigkeit
eines Luftfahrtunternehmens erfasst und stellte keinen außergewöhnlichen Umstand dar (vgl. LG Frankfurt am Main, Hinweisbeschluss nach § 522 ZPO v.
15.03.2011 - 2-24 S 7/11 - S. 3). Im Übrigen käme eine Leistungsfreiheit der Beklagten auch deshalb nicht Betracht, weil ihr pauschaler Vortrag zur
‚Nichtverfügbarkeit' einer anderen Maschine den strengen Anforderungen an die Unzumutbarkeit von die Verspätung abwehrenden Maßnahmen (vgl. BGH,
Urt. v. 14.10.2010 - Xa ZR 15/10 -, RRa 2011, S. 33 [34-35] Abs.-Nr. 26, 28-29) ersichtlich nicht gerecht wird.
Der Anspruch auf Zinsen folgt aus Verzug.
Der auf Verzug beruhende Freistellungsanspruch ist bis auf die Freistellung von Zinsen, für die verzugsbegründende Tatsachen von der Klägerin nicht
vorgetragen sind, begründet. Die von der Beklagten erklärte Anrechnung der der Klägerin entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten nach Art. 12 Abs.
1 EGV 261/2004 greift nicht durch. Diese Vorschrift bezieht sich nicht auf vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten, die auf Verzug beruhen, sondern schließt - wie
sich nicht zuletzt eindeutig aus Absatz 2 der Vorschrift ergibt - lediglich weitergehende Schadensersatzansprüche des Passagiers aus, die unmittelbar auf der
Annullierung, Nichtbeförderung oder Verspätung beruhen (vgl. - in ständiger Rechtsprechung - LG Frankfurt am Main, Hinweisbeschluss nach § 522 ZPO v.
15.03.2011 - 2-24 S 7/11 - S. ..." ( AG Frankfurt, Urteil vom 20.05.2011 - 31 C 232/11 (16))
***
Bucht ein Reisender eine Flugreise für sich und seine Ehefrau, ist er auch aktivlegitimiert, den Anspruch seiner Ehefrau auf Ausgleichszahlung geltend zu
machen (zu V 261/04 Art. 7). Erbringt das ausführende Luftfahrtunternehmen keine Betreuungsleistungen, obwohl es dazu verpflichtet wäre, hat der Fluggast
einen Anspruch auf Schadensersatz (§ 281 ff. BGB; AG Simmern, Urteil vom 20.04.2007, RRa 2008, 51). ..."
***
Die VO (EG) Nr. 261/ 2004 findet auch Anwendung, wenn zwar der Vertragsschluss des Beförderungsvertrages vor Inkrafttreten dieser Verordnung erfolgte,
die Nichtbeförderung (hier ersatzweise Beförderung) jedoch erfolgte, nachdem die Verordnung in Kraft getreten war. Die Begriffsbestimmung einer
"Nichtbeförderung" im Sinne von Art. 2 lit. j der VO liegt auch dann vor, wenn eine ersatzweise Beförderung durch ein anderes Fluggerät erfolgt und dabei die
Verspätungstoleranzgrenzen des Art. 6 dieser Verordnung überschritten sind. Technische Defekte des zur ersatzweisen Beförderung herangezogenen
Fluggerätes vermögen den Luftfrachtführer dann nicht zu entlasten, wenn dieser auf Grund einer disponierten Entscheidung Passagiere auf dieses (defekte)
Fluggerät umbucht und die daraufhin erfolgende Verspätung auf technischen Defekten beruht (AG Düsseldorf, Urteil vom 20.01.2006 - 41 C 12316/05,
NJW-RR 2006, 1561).
Artikel 8 Anspruch auf Erstattung oder anderweitige Beförderung
(1) Wird auf diesen Artikel Bezug genommen, so können Fluggäste wählen zwischen
a) - der binnen sieben Tagen zu leistenden vollständigen Erstattung der Flugscheinkosten nach den in Artikel 7 Absatz 3 genannten Modalitäten zu dem Preis,
zu dem der Flugschein erworben wurde, für nicht zurückgelegte Reiseabschnitte sowie für bereits zurückgelegte Reiseabschnitte, wenn der Flug im Hinblick
auf den ursprünglichen Reiseplan des Fluggastes zwecklos geworden ist, gegebenenfalls in Verbindung mit
- einem Rückflug zum ersten Abflugort zum frühestmöglichen Zeitpunkt,
b) anderweitiger Beförderung zum Endziel unter vergleichbaren Reisebedingungen zum frühestmöglichen Zeitpunkt oder
c) anderweitiger Beförderung zum Endziel unter vergleichbaren Reisebedingungen zu einem späteren Zeitpunkt nach Wunsch des Fluggastes, vorbehaltlich
verfügbarer Plätze.
(2) Absatz 1 Buchstabe a) gilt auch für Fluggäste, deren Flüge Bestandteil einer Pauschalreise sind, mit Ausnahme des Anspruchs auf Erstattung, sofern dieser
sich aus der Richtlinie 90/314/EWG ergibt.
(3) Befinden sich an einem Ort, in einer Stadt oder Region mehrere Flughäfen und bietet ein ausführendes Luftfahrtunternehmen einem Fluggast einen Flug zu
einem anderen als dem in der ursprünglichen Buchung vorgesehenen Zielflughafen an, so trägt das ausführende Luftfahrtunternehmen die Kosten für die
Beförderung des Fluggastes von dem anderen Flughafen entweder zu dem in der ursprünglichen Buchung vorgesehenen Zielflughafen oder zu einem sonstigen
nahe gelegenen, mit dem Fluggast vereinbarten Zielort.
Leitsätze/Entscheidungen:
„... 7. Herr Amend sowie zwei weitere Personen, die ihre Ansprüche an ihn abgetreten haben, buchten bei Germanwings einen Flug für den 21. Dezember 2009
von Dresden nach Köln. Geplante Abflugzeit war nach der Darstellung von Herrn Amend 20.05 Uhr, nach der von Germanwings 19.30 Uhr.
8. Tatsächlich fand der Abflug wegen eines technischen Defekts der von Germanwings ursprünglich für diesen Flug vorgesehenen Maschine jedoch erst gegen
23.30 Uhr statt.
9. Herr Amend und die übrigen Fluggäste erreichten Köln infolgedessen mit einer Verspätung von mehr als drei, aber weniger als vier Stunden. ...
Die vom Gerichtshof vorgenommene Auslegung der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über
eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer
Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91, die dahin geht, dass Fluggäste verspäteter Flüge, wenn sie ihr Endziel drei
Stunden oder mehr nach der ursprünglich geplanten Ankunftszeit erreichen, einen Ausgleichsanspruch haben, obwohl zum einen Art. 6 dieser Verordnung, der
Verspätungen betrifft, nur Unterstützungs- und Betreuungsleistungen vorsieht und zum anderen auf Art. 7 der Verordnung, der den Ausgleichsanspruch betrifft,
nur in den Fällen der Nichtbeförderung und der Annullierung eines Fluges Bezug genommen wird, lässt den Grundsatz der Gewaltenteilung in der Union
unberührt. ..." (EuGH, Beschluss vom 18.04.2013 - C-413/11)
***
Der in Art. 2 Buchst. l der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung
für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur
Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 definierte Begriff "Annullierung" ist dahin auszulegen, dass er in einer Situation wie der des
Ausgangsverfahrens nicht ausschließlich den Fall betrifft, dass das betreffende Flugzeug überhaupt nicht startet, sondern auch den Fall umfasst, dass dieses
Flugzeug gestartet ist, aber anschließend, aus welchen Gründen auch immer, zum Ausgangsflughafen zurückkehren musste, und die Fluggäste auf
andere Flüge umgebucht wurden. Der Begriff "weiter gehender Schadensersatz" in Art. 12 der Verordnung Nr. 261/2004 ist dahin auszulegen, dass er es dem
nationalen Gericht ermöglicht, unter den Voraussetzungen des Übereinkommens zur Vereinheitlichung bestimmter Vorschriften über die Beförderung im
internationalen Luftverkehr oder des nationalen Rechts Ersatz für den wegen der Nichterfüllung des Luftbeförderungsvertrags entstandenen Schaden,
einschließlich des immateriellen Schadens, zu gewähren. Hingegen kann der Begriff "weiter gehender Schadensersatz" dem nationalen Gericht nicht als
Rechtsgrundlage dafür dienen, ein Luftfahrtunternehmen zu verurteilen, den Fluggästen, deren Flug verspätet war oder annulliert wurde, die Kosten zu
erstatten, die ihnen durch die Verletzung der diesem Unternehmen nach den Art. 8 und 9 der Verordnung obliegenden Unterstützungs- und Betreuungspflichten
entstanden sind (EuGH, Urteil vom 13.10.2011 - C-83/10 zu Verordnung (EG) Nr. 261/2004 Art. 2 lit. l, 8, 9, 12).
*** (BGH)
Bei einer Pauschalreise stellt die Verspätung eines Zubringerfluges um mindestens fünf Stunden nicht schon für sich eine erhebliche Beeinträchtigung dar, die
eine Kündigung des Reisevertrags ermöglicht. Ob bei einer solchen Verspätung ein Kündigungsgrund gegeben ist, ist vielmehr auf Grund einer an Zweck und
konkreter Ausgestaltung der Reise sowie der Art und Dauer der Beeinträchtigung orientierten Gesamtwürdigung zu beurteilen (BGH, Urteil vom 07.10.2008 -
X ZR 37/08 zu BGB § 651e I 1; Verordnung (EG) Nr. 261/2004 Art. 6 lit. c, iii, 8 I lit. a, II):
„... Der Kl. buchte bei der Bekl. eine vierzehntägige Studienreise nach Island einschließlich Fluges von Düsseldorf über Amsterdam nach Reykjavik zum
Gesamtpreis von 4390 Euro. Wegen eines technischen Defekts konnte das für den Weiterflug von Amsterdam nach Reykjavik vorgesehene Flugzeug nicht
planmäßig am vorgesehenen Reisetag um 14 Uhr starten. Um 20 Uhr trat der Kl. zum Preis von 311 Euro den Rückflug von Amsterdam nach Düsseldorf an.
Das ihm am nächsten Tag von der Bekl. zweimal unterbreitete Angebot, doch noch nach Reykjavik zu fliegen und sich der Reisegruppe anzuschließen, lehnte
der Kl. ab. Die Bekl. erstattete ihm 2200 Euro. Der Kl. hat geltend gemacht, er sei zum Abbruch des Fluges und der Kündigung des Reisevertrags berechtigt
gewesen. Nachdem auf der Anzeigetafel für den Flug nach Reykjavik 22:30 Uhr als Abflugszeitpunkt angegeben worden sei, habe er vergeblich versucht, mit
der den Flug durchführenden Linie X in Kontakt zu treten. Es sei nicht absehbar gewesen, ob der Anschlussflug überhaupt stattfinden werde. Von der
Fluggesellschaft sei niemand zu erreichen gewesen. Selbst wenn die Maschine noch um 23:15 Uhr von Amsterdam abgeflogen wäre, wäre er auf Grund der
verkürzten Nachtruhe nicht mehr in der Lage gewesen, die Leistungen des ersten Tages der Rundreise in Anspruch zu nehmen. Mit seiner Klage hat der Kl. die
Erstattung des restlichen Reisepreises und der Kosten des Rückfluges verlangt.
Das AG hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Kl. ist erfolglos geblieben. Mit seiner vom BerGer. zugelassenen Revision verfolgt der Kl. seinen
Anspruch weiter verfolgt. Die Revision hatte keinen Erfolg. ...
I. Das Berufungsurteil ist entgegen der Auffassung der Revision nicht deshalb aufzuheben, weil es die im Berufungsrechtszug von den Parteien gestellten
Anträge nicht enthält. § 540 I ZPO entbindet das BerGer. zwar nicht von der Aufnahme der Berufungsanträge in das Urteil. Das muss aber nicht durch
wörtliche Wiedergabe geschehen, sondern es kann genügen, dass aus den Ausführungen des BerGer. sinngemäß deutlich wird, was der Berufungskl. mit seinem
Rechtsmittel und was der Berufungsbekl. im Berufungsverfahren erstrebt hat (BGHZ 154, 99 = NJW 2003, 1743; Senat, NJW 2005, 422). Diesen
Anforderungen genügt das Berufungsurteil. Darin verneint das BerGer. einen Anspruch auf Rückzahlung des gesamten Reisepreises. Daraus ergibt sich, dass
der Kl. diesen in voller Höhe weiterverfolgt hat. Soweit das Urteil keine zusätzlichen Ausführungen zum Anspruch auf Begleichung der Kosten für den
Rückflug enthält, ist darin schon deshalb kein Hinweis auf eine Beschränkung der Berufung zu sehen, weil im tatbestandlichen Teil der Gründe mitgeteilt wird,
das AG habe die Klage auf Erstattung des restlichen Reisepreises und der Rückflugkosten abgewiesen und der Kl. dagegen Berufung eingelegt. Dem ist
mangels gegenteiliger Anhaltspunkte nur zu entnehmen, dass der Kl. sein Rechtsmittel nicht beschränkt hat (vgl. Senat, NJW 2005, 422).
Auch der Inhalt des vom Bekl. gestellten Berufungsantrags erschließt sich aus dem Urteil. Daraus, dass das BerGer. ein streitiges Urteil, also kein
Anerkenntnis- oder Versäumnisurteil erlassen hat, ergibt sich, dass die Bekl. die Zurückweisung der kl. Berufung beantragt hat.
II. Das BerGer. hat über die von der Bekl. vorprozessual geleisteten Zahlungen hinausgehende Ansprüche des Kl. verneint. Zur Begründung hat es ausgeführt:
Ein Anspruch auf Rückzahlung des gesamten Reisepreises aus Art. 8 I lit. a, II, Art. 6 Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des
Rates über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder
großer Verspätung von Flügen (im Folgenden auch: Verordnung) bestehe nicht, weil die Verordnung nur das Rechtsverhältnis zwischen den Fluggästen und
dem ausführenden Luftfahrtunternehmen regele.
Ein Anspruch auf Rückzahlung des gesamten Reisepreises stehe dem Kl. nicht aus § 651e BGB zu. Die Verspätung des Zubringerfluges stelle keinen zur
Kündigung des Reisevertrags berechtigenden Mangel der Reise dar. Der Kl. hätte von der anschließenden zweiwöchigen Rundreise selbst bei einer längeren als
der vom AG angenommenen Verspätung der Reise nur einen oder maximal zwei Tage versäumt. Damit hätte der in der mehrstündigen Verspätung liegende
Reisemangel nicht, wie für die Kündigung nach § 651e I BGB erforderlich, zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Reise geführt.
Die Vorschrift des § 651e BGB sei auch nicht im Lichte der Verordnung dahin auszulegen, dass die Verspätung eines Zubringerfluges nach nationalem Recht
zur Kündigung des Reisevertrags berechtige. Für Ansprüche gegen den Reiseveranstalter sei allein das die Richtlinie des Rates vom 13. 6. 1990 über
Pauschalreisen 90/314/EWG umsetzende Reisevertragsrecht des BGB einschlägig, und zwar selbst dann, wenn nach der Verordnung gegen ein
Luftfahrtunternehmen Ansprüche wegen Flugverspätung bestünden. Richtigerweise hätte der Kl. auf Grund der Verspätung des Zubringerfluges und der
dadurch verursachten Beeinträchtigung des Reisegenusses den Reisepreis nach §§ 651d, 638 BGB mindern können. Die Bekl. sei ihm allerdings bereits
überobligatorisch entgegengekommen, weshalb hierauf ein weiterer Zahlungsanspruch nicht gestützt werden könne.
III. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision bleiben im Ergebnis ohne Erfolg.
1. Auf die Verordnung (EG) Nr. 261/2004 kann der Reisende Ansprüche gegen den Reiseveranstalter nicht stützen. Aus der Verordnung lassen sich lediglich
Rechte gegen das ausführende Luftfahrtunternehmen herleiten (Senat, NJW 2008, 2119, Anm. Führich, LMK 2008, 266064; Führich, Sonderbeilage, MDR
7/2007, S. 4; ders., ReiseR, 5. Aufl., § 45 Rdnr. 959; Schmid, NJW 2007, 261 [267]; Staudinger/Schmidt-Bendun, NJW 2004, 1897; Lienhard, GPR 2003-04,
259 [262]; Niehuus, ReiseR, 3. Aufl., § 16 Rdnr. 15; AG Oberhausen, RRa 2007, 91 [92]; vgl. auch Palandt/Sprau, BGB, 67. Aufl., Einf. § 631 Rdnr. 17b). Das
gilt entgegen den von der Revision angemeldeten Zweifeln auch für Art. 8 II Verordnung. Nach dieser Bestimmung gilt Art. 8 I lit. a auch für Fluggäste, deren
Flüge Bestandteil einer Pauschalreise sind, mit Ausnahme des Anspruchs auf Erstattung, sofern sich dieser aus der Richtlinie 90/314/EWG ergibt. Aus dieser
Einschränkung lässt sich eine Beschränkung der Haftung des Luftfahrtunternehmens, nicht jedoch das Bestehen von Ansprüchen gegen den Reiseveranstalter
aus der Verordnung (EG) 261/2004 herleiten.
2. Ein Anspruch auf Rückzahlung des gesamten Reisepreises nach Abbruch der Reise aus § 651e I 1 BGB steht dem Kl. nicht zu.
a) Das BerGer. hat zu Recht angenommen, dass die Voraussetzungen für eine Kündigung nach § 651e I 1 BGB nicht vorliegen.
aa) Das Kündigungsrecht setzt voraus, dass die Reise infolge eines Mangels der in § 651c BGB bezeichneten Art erheblich beeinträchtigt wird. In welchem
Maße ein Mangel die Reise beeinträchtigt, ist auf Grund einer an Zweck und konkreter Ausgestaltung der Reise sowie Art und Dauer der Beeinträchtigung
orientierten Gesamtwürdigung zu beurteilen (vgl. dazu OLG Frankfurt a.M., RRa 2006, 259 [261]; NJW-RR 2005, 132 [133]; Palandt/Sprau, § 651e Rdnr. 2).
Diese Gesamtwürdigung hat das BerGer. vorgenommen. Das Vorbringen des Kl., es habe sich um eine vierzehntägige Rundreise mit entsprechend
wechselndem täglichem Programm gehandelt, bei der ein verspätet zur Reisegruppe stoßender Teilnehmer die bis dahin absolvierten Programmpunkte
unwiederholbar versäumt habe, hat das BerGer. dabei entgegen den Vorwürfen der Revision nicht übergangen, sondern bei seiner Entscheidung berücksichtigt.
Dass ihm dabei Rechtsfehler unterlaufen wären, vermag die Revision nicht aufzuzeigen. Es besteht kein Erfahrungssatz dahin, dass eine vierzehntägige Reise
der hier in Rede stehenden Art allein dadurch, dass ein Teilnehmer ein oder maximal zwei Tage verpasst, so erheblich beeinträchtigt ist, dass eine Kündigung
nach § 651e I 1 BGB gerechtfertigt erscheint. Ob dies nach den jeweiligen Umständen im Einzelfall doch zu bejahen sein könnte, etwa wenn herausragend
attraktive Programmpunkte versäumt wurden, kann dahinstehen. Das BerGer. hat solche Umstände nicht festgestellt und Verfahrensrügen sind insoweit nicht erhoben.
bb) Ein für die Kündigung nach § 651e I 1 BGB erforderlicher erheblicher Mangel lässt sich nicht mit dem Erfordernis einer kohärenten Auslegung der
Tatbestände der Art. 4 bis 6 VO und der nationalen Bestimmungen zur Umsetzung der Richtlinie 90/314/EWG begründen.
Eine solche Auslegung wird zum Teil in der Fachliteratur mit Blick darauf befürwortet, dass der dem Pauschalreisenden gegen das Luftfahrtunternehmen
zustehende Anspruch auf Erstattung der Flugscheinkosten nach Art. 6 I lit. c, iii, Art. 8 I lit. a, II VO bei einer Verspätung, wie sie im Streitfall gegeben ist,
leerlaufe, wenn der Reisende im Verhältnis zum Reiseveranstalter nicht zur Kündigung des Reisevertrags berechtigt sei (Tonner, in: Gebauer/Wiedmann,
ZivilR unter europäischem Einfluss, Kap. 13a Rdnr. 82; ders., Reisevertrag, 5. Aufl., Rdnr. 49; vgl. auch Wagner, VuR 2006, 337 [338]).
Dem kann nicht beigetreten werden. Art. 8 II der VO regelt, dass der Erstattungsanspruch aus Art. 8 I lit. a Pauschalreisenden gegen das Luftfahrtunternehmen
nicht zusteht, sofern sich ein Erstattungsanspruch (gegen den Reiseveranstalter) aus der Richtlinie 90/314/EWG ergibt. Nach der vorstehend erwähnten
Literaturauffassung bestünde ein Erstattungsanspruch gegen den Reiseveranstalter reflexartig immer dann, wenn die Voraussetzungen des Art. 8 I lit. a VO
vorliegen. Ein Anspruch gegen das ausführende Luftfahrtunternehmen nach dieser Bestimmung wäre dann nie gegeben, weil stets ein Erstattungsanspruch
gegen den Reiseveranstalter zu bejahen wäre. Das stünde nicht nur in Widerspruch dazu, dass die Verordnung, wie ausgeführt, Ansprüche gerade nur gegen
ausführende Luftfahrtunternehmen gewährt. Vor allem berücksichtigte dies nicht hinreichend die Unterschiede zwischen einer reinen Luftbeförderung und einer
Pauschalreise, bei der das Reiseunternehmen typischerweise ein komplexes Bündel von Leistungen erbringt, zu denen die Beförderung neben Unterbringung
und verschiedenen touristischen Dienstleistungen gehören kann (vgl. Richtlinie 90/314/EWG Art. 1 Nr. 1). Die Leistungsstörung einer Flugverspätung hat im
Rahmen einer Pauschalreise nicht zwangsläufig das gleiche Gewicht wie in einem Vertragsverhältnis, das allein die Beförderung auf dem Luftweg an einen
bestimmten Zielort zum Gegenstand hat.
cc) Eine abweichende Sicht ist nicht durch Art. 15 VO veranlasst. Danach dürfen die Verpflichtungen gegenüber Fluggästen nicht - insbesondere nicht durch
abweichende oder restriktive Bestimmungen im Beförderungsvertrag - eingeschränkt oder ausgeschlossen werden. Damit ist nicht das Verständnis der
Regelungen der Verordnung selbst gemeint.
dd) Die vom Kl. befürwortete automatische Bejahung eines Kündigungsrechts bei Vorliegen einer die Unterstützungsleistung aus Art. 8 I lit. a der Verordnung
auslösenden Verspätung folgt auch nicht aus Erwägungsgrund 16 der Verordnung. Darin ist lediglich klargestellt, dass die Verordnung für Fälle, in denen eine
Pauschalreise aus anderen Gründen als der Annullierung des Fluges annulliert wird, nicht gelten sollte. Dem liegt ersichtlich lediglich das Anliegen zu Grunde,
die Haftungssphären des ausführenden Flugunternehmens auf der einen und des Reiseunternehmens auf der anderen Seite deutlich zu trennen.
ee) Die Bekl. muss sich ein Recht des Kl. auf Abbruch der Reise nach Art. 8 I lit. a, II VO entgegen der Ansicht der Revision nicht unter dem Gesichtspunkt der
Haftung für Erfüllungsgehilfen entgegenhalten lassen. Abgesehen davon, dass dieses Recht, wie ausgeführt, nur besteht, wenn ein erheblicher Reisemangel
vorliegt, was nach dem vorstehend Ausgeführten nicht der Fall ist, setzt die Haftung für das Verhalten von Erfüllungsgehilfen deren Verschulden voraus. Ein
Verschulden des ausführenden Luftfahrtunternehmens hat das BerGer. nicht festgestellt; Verfahrensrügen sind auch insoweit nicht erhoben.
ff) Der Vorlage an den EuGH bedarf es nicht. Die Vorlage nach Art. 234 EG ist entbehrlich, wenn die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts derart
offenkundig ist, dass keinerlei Raum für vernünftige Zweifel an der Entscheidung der aufgekommenen Frage bleibt (EuGH, NJW 1983, 1257 - CILFIT). So
verhält es sich hier.
b) Ohne Erfolg macht die Revision geltend, die Reise sei dem Kl. wegen des Mangels nicht zuzumuten gewesen (§ 651e I 2 BGB). Dieser Kündigungsgrund
stellt nicht auf die objektive Erheblichkeit der Beeinträchtigung ab, sondern darauf, ob der Antritt oder die Fortsetzung der Reise gerade dem betreffenden
Reisenden wegen eines in seiner Person liegenden Umstands unzumutbar ist (Palandt/Sprau, § 651e Rdnr. 3). Entsprechende Feststellungen hat das BerGer.
ebenfalls und von der Revision unbeanstandet nicht getroffen.
3. Das BerGer. hat einen weitergehenden Zahlungsanspruch des Kl. unter dem Gesichtspunkt der Minderung des Reisepreises wegen der Verspätung des
Anschlussfluges gem. §§ 651d I , 651c I, 638 III BGB verneint. Das lässt Rechtsfehler nicht erkennen und wird von der Revision auch nicht angegriffen.
4. Der Kl. kann auch keine Erstattung seiner für seinen Rückflug von Amsterdam nach Düsseldorf aufgewendeten Kosten verlangen. Dieser Anspruch bestünde
nach Lage des Sachverhalts nur, wenn auch ein Kündigungsgrund zu bejahen wäre, was nach dem vorstehend Ausgeführten (III 2a) aber nicht der Fall ist. ..."
*** (OLG)
Wurde ein Flugreisender für einen Gefahrerforschungseingriff gemäß § 5 Abs.1, 2 und 3 i.V.m. § 11 Abs. 1 des Luftsicherheitsgesetzes (LuftSiG) als
Verantwortlicher in Anspruch genommen, weil der durch Tatsachen begründete, letztlich aber nicht bestätigte Verdacht bestand, dass von seinem Handgepäck
eine Gefahr ausgehe, so kann er, wenn er die Entstehung des Gefahrenverdachts nicht zu verantworten hat und wegen der Sicherheitskontrolle seinen Flug
versäumt, weil spezielles Sicherheitspersonal aus Haushaltsgründen nachts nur in Rufbereitschaft vorgehalten wurde und erst nach längerem Aufenthalt am
Flughafen eintraf, nach Aufopferungsgrundsätzen die Kosten eines Ersatztickets ersetzt verlangen (OLG Frankfurt, Urteil vom 12.08.2013 - 1 U 276/12):
„... Die Klage ist begründet. Der Kläger kann von der Beklagten wegen der Kontrollmaßnahme vom 27. Juli 2011 eine Entschädigung in Höhe von 911,98 Euro
verlangen. Er wurde von der Beklagten für einen Gefahrerforschungseingriff gemäß § 5 Abs. 1, 2 und 3 i. V. m. § 11 Abs. 1 des Luftsicherheitsgesetzes
(LuftSiG) als Verantwortlicher in Anspruch genommen, weil der durch Tatsachen begründete, letztlich aber nicht bestätigte Verdacht bestand, dass von seinem
- einer Röntgenkontrolle unterzogenen - Handgepäck eine Gefahr ausgehe. Für den durch die Kontrolle erlittenen Nachteil, die Versäumung eines von ihm für
zwei Personen gebuchten Fluges und den Verfall der hierfür erworbenen Flugtickets, kann er nach aufopferungsrechtlichen Grundsätzen wie ein
Nichtverantwortlicher Entschädigung verlangen, weil er die Entstehung des Gefahrenverdachts nicht zu verantworten hat.
a. aa. Nach dem von der Rechtsprechung aus §§ 74, 75 der Einleitung des Preußischen Allgemeinen Landrechts (Einl. ALR) abgeleiteten, inzwischen
gewohnheitsrechtlich verfestigten Aufopferungsgedanken kann derjenigen, dem durch einen Eingriff der Staatsgewalt in eines seiner Rechts- oder Lebensgüter
ein Sonderopfer auferlegt wurde, Entschädigung verlangen (vgl. Staudinger/Wurm, BGB 2012, § 839 Rn. 498 ff.; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 17.
Auflage, § 28 Rn. 1 ff.). Entsprechendes gilt für hoheitliche Einwirkungen auf eigentumsrechtlich, durch Art. 14 Abs. 1 GG, geschützte Rechtspositionen, etwa
auf vermögenswerte Forderungsrechte (vgl. Staudinger/Wurm, BGB 2012, § 839 Rn. 437 ff., 465 ff.). Eine gesetzliche Regelung hat der Aufopferungsgedanke
in den Polizeigesetzen der Länder erfahren, unter anderem in § 64 Abs. 1 Satz 1 HSOG. Nach dieser Vorschrift ist demjenigen, der infolge einer
polizeirechtlichen Inanspruchnahme als Nichtverantwortlicher einen Schaden erleidet, ein angemessener Ausgleich zu gewähren. Bei der Inanspruchnahme
eines Nichtverantwortlichen handelt es sich um einen zielgerichteten hoheitlichen Grundrechtseingriff, der dem Betroffenen, weil er für das Bestehen der
Gefahrenlage keine Verantwortung trägt, ein Sonderopfer auferlegt (vgl. Schiffahrtsobergericht Karlsruhe, Urteil vom 3 Juli 2013, 22 U 1/13 BSch, juris Rn. 17
mit weiteren Nachweisen). Entsprechendes gilt, wenn der Eigentümer einer Sache rechtmäßig als Störer in Anspruch genommen wird, weil ein durch Tatsachen
begründeter Verdacht besteht, dass von der Sache eine Gefahr ausgeht: Auch er kann für die dadurch erlittenen Nachteile wie ein Nichtverantwortlicher
(Nichtstörer) Entschädigung verlangen, wenn sich nachträglich herausstellt, dass die Gefahr in Wirklichkeit nicht bestand, soweit er die Verdacht begründenden
Umstände nicht zu verantworten hat (vgl. Bundesgerichtshof, Urteil vom 11. Juli 1996, NJW 1996, S. 3151, 3152, juris Rn. 16; Schiffahrtsobergericht
Karlsruhe, Urteil vom 3 Juli 2013, 22 U 1/13 BSch, juris Rn. 17). Abzustellen ist insoweit nicht auf den Zeitpunkt des Eingriffs. Entscheidend sind vielmehr
die tatsächlichen Umstände, wie sie sich bei späterer rückschauender Betrachtung (ex tunc) objektiv darstellen; denn bei der Frage der Entschädigung geht es
nicht um die Möglichkeit des Eingriffs zur Verhütung von Gefahren, sondern um einen sachgerechten Ausgleich der erbrachten Opfer (vgl. Bundesgerichtshof,
Urteil vom 12. März 1992, BGHZ 117, S. 303 ff. = NJW 1992, S. 2639). Soweit die vorstehenden Grundsätze nicht spezialgesetzlich geregelt sind, gelten sie -
wie oben ausgeführt - gewohnheitsrechtlich mit verfassungsrechtlichem Rang (vgl. Maurer, ebenda).
bb. Der Kläger wurde nach einer Röntgenuntersuchung seines als Handgepäck mitgeführten Rucksacks im Sicherheitskontrollbereich des Flughafens O1 gemäß
§ 5 Abs. 1, 2 und 3 i. V. m. § 11 Abs. 1 LuftSiG aufgehalten, weil der durch Tatsachen begründete Verdacht entstanden war, in dem Rucksack könnten sich
gefährliche Gegenstände befinden. Nachträglich hat sich allerdings herausgestellt, dass dies nicht der Fall war. Die Annahme, in dem Rucksack seien
möglicherweise gefährliche Gegenstände, war nicht etwa dadurch entstanden, dass der Kläger gefährlich aussehende Gegenstände mitführte, sondern durch
gewisse ‚Überlagerungen' auf dem Röntgenbild, d. h. durch Besonderheiten der Kontrolltechnik. Der Kläger hat die den Verdacht begründenden Umstände
daher nicht zu verantworten.
Auch die erhebliche zeitliche Verzögerung, die dazu führte, dass er und sein Reisebegleiter den gebuchten Flug versäumten, hat der Kläger nicht zu
verantworten. Die Verzögerung beruhte darauf, dass die Beklagte aufgrund von Haushaltserwägungen nachts ihren ‚Entschärfertrupp' nur in Rufbereitschaft
vorhielt und die herbeigerufenen Beamten deshalb erst nach längerer Anfahrt am Flughafen eintrafen.
Unter diesen Umständen stellt der vom Kläger als unmittelbare Folge der streitgegenständlichen Sicherheitsmaßnahme erlittene Nachteil - der Verfall der
beiden von ihm für den versäumten Flug erworbenen Tickets, d. h. der durch diese verkörperten vermögenswerten Forderungsrechte - ein Sonderopfer dar, für
das er von der beklagten Bundesrepublik zu entschädigen ist. Insoweit hat die Allgemeinheit für die Nachteile einer in ihrem Interesse ergriffenen
Gefahrenabwehrmaßnahme einzustehen, nachdem sich der ursprüngliche Gefahrenverdacht nicht bestätigt hat. Der Kläger musste zwar im Sicherheitsinteresse
aller die Kontrollmaßnahme und den damit verbundenen Grundrechtseingriff hinnehmen. Es ist ihm aber nicht zumutbar, den ihm infolge der
Kontrollmaßnahme entstandenen zusätzlichen Nachteil - den Verfall seiner Flugtickets und die Kosten zweier Ersatztickets - zu tragen. Ein solcher Nachteil
entsteht anderen Fluggästen bei Sicherheitskontrollen im regulären Tagesbetrieb in der Regel nicht, stellt also entgegen der Auffassung der Beklagten kein
allgemeines Lebensrisiko dar, sondern belastet den Kläger insoweit ungleich und erlegt ihm ein besonderes Opfer auf. Für dieses Sonderopfer kann der Kläger
eine Entschädigung verlangen.
b. Nach den mit der Berufung nicht angegriffenen Feststellungen des Landgerichts musste der Kläger für den Erwerb neuer Flugtickets 911,98 Euro aufwenden.
In Höhe dieses Betrages hat ihn die Beklagte nach aufopferungsrechtlichen Grundsätzen zu entschädigen.
c. Ob die Beklagte gehalten gewesen wäre, durch organisatorische Maßnahmen entweder die Anzahl von Verdachtsfällen im Sinne des § 5 Abs. 1, 2 und 3 i. V.
m. § 11 Abs. 1 LuftSiG zu verringern oder jederzeit ortsnah Personal zur alsbaldigen Ausräumung eines entsprechenden Verdachts vorzuhalten, und ihre
Bediensteten deshalb ein Schuldvorwurf im Sinne des § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB trifft - wie das Landgericht angenommen hat -, kann nach den vorstehenden
Ausführungen dahinstehen. ..."
*** (AG)
Bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände - hier: Fluglotsenstreik - trifft ein Luftfahrtunternehmen gleichwohl die Obliegenheit zur Sicherstellung der
frühestmöglichen Rückbeförderung der Fluggäste. Die Fluglinie ist grundsätzlich zum Schadensersatz - nicht aber zur Ausgleichszahlung - verpflichtet, wenn
der Fluggast in Eigenregie die Beförderung zum Zielort organisiert und die vom Luftfahrtunternehmen angebotene Alternativbeförderung erst zu einem
unangemessen späteren Zeitpunkt erfolgt wäre; denn das Luftfahrtunternehmen ist bei einer Flugannullierung gehalten, die Beförderungsverpflichtung notfalls
durch Inanspruchnahme von Leistungen Dritter, insbesondere anderer Fluglinien, zeitnah zu erfüllen. Ein Fluggast übt bei Rückforderung des Flugpreises
sein Wahlrecht nach Art. 8 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 im Zweifel nur dann rechtswirksam aus, wenn er zuvor auf die Rechtsfolgen seines Handelns,
insbesondere den hierin liegenden Verzicht auf weitergehende Schadensersatzansprüche, ausdrücklich hingewiesen wurde (AG Bremen, Urteil vom 04.08.2011
- 9 C 135/11).
***
Entscheidet der Pilot, dass eine Landung des Flugzeuges wegen des Wetters zu gefährlich ist, ist diese Einschätzung wegen seiner Befugnisse als
Luftfahrzeugführer nach Art. 3 Abs. 1 LuftVO grundsätzlich bindend. Sie kann vom Gericht nur eingeschränkt auf grobe Fehler überprüft werden (AG Geldern,
Urteil vom 03.08.2011 - 4 C 242/09):
„... Der Kläger buchte am 10.03.2008 für sich, seine Ehefrau und seine drei Kinder einen Flug der Beklagten von A… (Spanien) nach B… . Das Flugzeug sollte
planmäßig am 11.10.2008 um 14.55 Uhr in A… abheben. Die Beklagte annullierte den Flug Nr. … jedoch, was dem Kläger zwei Stunden vor dem geplanten
Start mitgeteilt wurde. Weil der Pilot des Zubringerfluges, Herr P…, der die einzusetzende Maschine gegen 14.20 Uhr in Alicante landen sollte, eine Landung
für zu riskant hielt, drehte er nach C… ab, nachdem er zehn Minuten über dem Flughafen A… gekreist hatte. Nach seiner Einschätzung war eine Landung
wegen einer Gewitterfront und böigen Winden mit Geschwindigkeiten von bis zu 60 km/h zu gefährlich. Er landete gegen 14.50 Uhr in C… . Weil das
Unwetter noch andauerte, wurde auch ein für 15.20 Uhr angesetzter Positionierungsflug von C… nach A… annulliert. Ein Bustransfer der Fluggäste wurde
nach der Annullierung des Positionierungsfluges nicht durchgeführt, weil es insgesamt etwa 5 Stunden gedauert hätte, einen solchen zu organisieren und
durchzuführen. Das Flugzeug hätte dann von seiner Besatzung nicht nach B… zurückgeflogen werden können, weil diese dann ihre zulässige Höchstdienstzeit
überschritten gehabt hätte. Die Maschine flog stattdessen leer nach B… zurück. Die Beklagte bot den wartenden Fluggästen keine Mahlzeiten und
Erfrischungen an. Der Kläger lehnte die Beförderung mit den von der Beklagten angebotenen Ersatzflügen am 14.10.2008 oder 18.10.2008 ab. Er fuhr
stattdessen mit seiner Familie noch am 11.10.2008 mit einem Mietwagen von A… nach Deutschland zurück, den er anschließend selbst am 15.10.2008 nach
F… zurückbrachte, weil die Mietwagenfirma diesen nur in Spanien wieder entgegennahm. Die zunächst beim Landgericht Kleve erhobene Klage verwies jenes
mit Beschluss vom 30.06.2009 an das Amtsgericht Geldern.
Der Kläger behauptet, die Annullierung beruhe nicht auf einem außergewöhnlichen Umstand, weil die Einschätzung des Piloten „unverständlich" sei.
Zahlreiche andere Maschinen seien gegen 14.49 Uhr und „zu ähnlichen Zeitpunkten" gestartet und gelandet. Überdies könne dies ohnehin allenfalls eine
Annullierung des Zubringerfluges … rechtfertigen, nicht aber des streitgegenständlichen Fluges. Der Flug sei nur wegen eines Organisationsverschuldens der
Beklagten annulliert worden, die Überschreitung der Dienstzeiten der Besatzung sei kein außergewöhnlicher Umstand. Die angebotenen Ersatzflüge seien für
ihn und seine Familie unannehmbar gewesen, da seine Kinder schulpflichtig seien und die Schule am Montag, den 13.10.2008 bereits wieder begonnen habe.
Anders als anderen Passagieren habe die Beklagte ihm keinen Flug für den 12.10.2008 angeboten. Auch sei ihm ein Honorar von 2.500,- € entgangen, da er,
von Beruf selbständiger Privatdetektiv, eine für den 12.10.2008 angesetzte 71-Stunden-Observierung nicht habe durchführen können. Das Honorar stelle auch
in voller Höhe seinen Gewinn dar, weil es sich bei der vereinbarten Entlohnung um eine Aufwandserstattung handele, die auch etwaige Fahrtkosten beinhalte
(Bl. 271 GA). Überdies habe er 155,10 € für Verpflegung aufwenden müssen; für weitere Einzelheiten wird auf die beigebrachten Belege (Bl. 18/19 GA) Bezug
genommen. ...
Sie behauptet, der Flug habe wegen außergewöhnlicher Umstände annulliert werden müssen. Der Beklagten hätten weder eine Ersatzmaschine, noch eine
Ersatzbesatzung zur Verfügung gestanden. Die Beklagte bestreitet, dass die Verpflegungsaufwendungen mit der Annullierung zusammenhängen. ...
Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 25.08.2010 (Bl. 276/277 GA) in Gestalt des Berichtigungsbeschlusses vom 07.10.2010 (Bl. 285
GA); wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten des Sachverständigen L… vom 21.02.2011 (Bl. 297-301 GA) verwiesen; auch die
Akte Amtsgericht Geldern, Az.: 17 C 192/09 wurde beigezogen. ...
I. Die Klage ist zulässig. Das Amtsgericht Geldern ist gemäß Art. 5 Nr. 1 lit. b) Spiegelstrich 2 EuGVVO als Gericht des Erfüllungsortes international
zuständig. Erfüllungsort eines Luftbeförderungsvertrages ist sowohl der Ort des (beabsichtigten) Abfluges, als auch der Ort der (beabsichtigten) Ankunft (vgl.
EuGH NJW 2009, 2801, 2803). Sachlich zuständig ist das Amtsgericht Geldern jedenfalls gemäß § 281 Abs. 2 S. 4 ZPO aufgrund der Verweisung durch das
Landgericht Kleve.
II. ... 1.) Der Kläger hat keinen Anspruch auf Ausgleichszahlungen in Höhe von 2.000,- € aus Art. 5 Abs. 1 lit. c), 7 Abs. 1 S. 1 lit. b) FluggastrechteVO gegen
die Beklagte. Zwar hat diese unstreitig den Flug … annulliert. Sie annullierte den Flug unstreitig auch nicht so rechtzeitig, dass Ausgleichsansprüche gemäß
Art. 5 Abs. 1 lit. c) FluggastrechteVO ausgeschlossen wären. Die Annullierung ist aber gemäß Art. 5 Abs. 3 FluggastrechteVO gerechtfertigt gewesen, weil sie
auf Umständen beruht hat, die die Beklagte auch bei Ergreifen aller zumutbaren Maßnahmen nicht hätte vermeiden können.
a) Die Annullierung des Fluges … beruhte darauf, dass am Flughafen A… kein Flugzeug der Beklagten vorhanden war, weil der Pilot des Zubringerfluges aus
Gründen der Flugsicherheit nicht bereit war, die Maschine in A… zu landen, sondern nach C… abdrehte und dort landete. Kann ein Flug nicht durchgeführt
werden, weil das für den Transport vorgesehene Flugzeug den Flughafen wegen ungünstiger Witterung nicht anfliegen kann, begründet dies einen
„außergewöhnlichen Umstand" im Sinne von Art. 5 Abs. 3 FluggastrechteVO (vgl. BGH NJW-RR 2010, 1641, 1641/1642; OLG Koblenz NJW-RR 2008, 1232).
b) Wegen des Wetters konnte die Maschine der Beklagten den Flughafen A… aus Sicherheitsgründen nicht anfliegen. Dies steht bindend fest, weil der
Pilot P… eine Landung wegen des Wetters als zu gefährlich eingeschätzt hat und diese Einschätzung nicht grob fehlerhaft gewesen ist. Dass der Pilot dieser
Auffassung gewesen ist, ist zwischen den Parteien unstreitig und ergibt sich auch aus der Vernehmung des Piloten P… im Verhandlungsprotokoll der
beigezogenen Akte des AG Geldern, Az.: 17 C 192/09 vom 08.06.2010. Die Einschätzung des Piloten ist grundsätzlich bindend, weil dieser in seiner
Eigenschaft als Luftfahrzeugführer gemäß § 3 Abs. 1 LuftVO allein die Entscheidungsgewalt über die Führung des Flugzeuges innehat und für dessen
Sicherheit verantwortlich ist. Dabei obliegt ihm ein weiter Ermessensspielraum, der gerichtlich nur eingeschränkt auf grobe Fehler überprüfbar ist (vgl. LG
Kleve, Urt. v. 07.04.2011 - 6 S 116/10). Im streitgegenständlichen Fall gilt § 3 Abs. 1 LuftVO zwar nicht direkt, sondern die entsprechende Regelung der
spanischen Luftverkehrsordnung, weil es sich um ein Landemanöver im spanischen Luftraum handelte und das Luftverkehrsrecht aufgrund des
Territorialitätsprinzips grundsätzlich nur innerhalb der eigenen Staatsgrenzen gilt (vgl. Faber, Rechtsfragen der Planung von Flughäfen, 1. Aufl. 2006, S. 343).
Jene spanische Regelung entspricht jedoch sachlich § 3 Abs. 1 LuftVO, da dieser nur die deutsche Umsetzung von Anhang 2 Nr. 2.4 des Chicagoer
Abkommens über die internationale Zivilluftfahrt von 07.12.1944 ist. Alle Vertragsstaaten haben sich verpflichtet, diese Regeln umzusetzen (vgl.
Schleicher/Reymann/Abraham, Das Recht der Luftfahrt, Band 2, 3. Aufl. 1966, S. 350/351). Auch Spanien ist Vertragsstaat des Chicagoer Abkommens (vgl.
Schleicher/Reymann/Abraham, Das Recht der Luftfahrt, Band 1, 3. Aufl. 1960, S. 21).
c) Der Pilot P… hat sein Ermessen nicht grob fehlerhaft ausgeübt; seine Entscheidung war vielmehr richtig, wie der Sachverständige L… in seinem Gutachten
überzeugend ausführt. Ein Landeanflug von Osten sei wegen der Windgeschwindigkeiten von 20 bis 32 Knoten (= 37 km/h - 60 km/h) nicht möglich gewesen,
weil dann die zugelassene maximale Rückenwindkomponente für die eingesetzte Maschine vom Typ Boeing 737 überschritten worden wäre. Ein Landeanflug
von Westen sei hingegen wegen der Gewitterfront zu gefährlich gewesen. Wegen der starken Bewölkung des Luftraums in der Höhe von 1.800 bis 7.000 Fuß (=
550 m - 2.150 m) sei allenfalls eine Landung im Instrumentenanflug, nicht aber im Sichtflug möglich gewesen. Die Sichtweite habe nur 4.500 Meter betragen,
so dass keine Sichtreferenz zur Landebahn habe hergestellt werden können. Ein Instrumentenanflug sei aber wegen des Gebirges in der Nähe des Flughafens
unmöglich gewesen. Für einen sicheren Landeanflug wäre erforderlich gewesen, dass das Flugzeug eine Position in 3.300 Fuß Höhe hätte einnehmen können.
Wegen des erforderlichen Sicherheitsabstandes sei jedoch nur eine Flughöhe von 3.900 bis 4.000 Fuß durch das dazu berechtigte Flugsicherheitspersonal des
Flughafens A… freigegeben worden. Angesichts dessen, dass die verbliebene Treibstoffmenge nur noch ein kurzes Kreisen über dem Flughafen A…
ermöglicht hätte, sei die auch die Entscheidung des Piloten richtig gewesen, nach C… abzudrehen. Es kann zugunsten des Klägers als wahr unterstellt werden,
dass Maschinen anderer Fluggesellschaften um 14.49 Uhr und „zu ähnlichen Zeitpunkten" auf dem Flughafen A… gelandet sind, so dass es keiner Vernehmung
der durch den Kläger dafür benannten Zeugen bedarf. Daraus lässt sich jedenfalls nicht ableiten, dass die Einschätzung des Piloten P… grob fehlerhaft gewesen
wäre. Wie der Sachverständige L… in seinem Gutachten überzeugend ausführt, kann es sich bei Gewitterfronten usw. um zeitlich und örtlich beschränkte
Wetterphänomene handeln, so dass eine sichere Landung eines anderen Flugzeuges zu einem etwas späteren Zeitpunkt durchaus möglich gewesen sein kann.
d) Die Beklagte hätte die Annullierung auch nicht vermeiden können. Auf das Wetter hat sie naturgemäß keinen Einfluss. An die Entscheidung des Piloten
P… ist auch die Beklagte gebunden, auch wenn es sich bei diesem um einen ihrer Angestellten handelt, weil dessen Befugnisse aus § 3 Abs. 1 Luft-VO bzw.
der entsprechenden ausländischen Regelung hoheitsrechtlicher Natur sind. Daran hat auch die FluggastrechteVO nichts geändert. Deren Zweck ist in der
Hauptsache der Schutz der Interessen der Flugreisenden an einem reibungslosen Luftverkehr; nicht hingegen, den Piloten (faktisch) zu riskanten
Landemanövern zu verleiten, um seinen Arbeitgeber vor Ausgleichsansprüchen zu bewahren. Dies liefe den berechtigten Sicherheitsinteressen der
Flugreisenden gerade entgegen.
e) Ob eine Annullierung nur dann gerechtfertigt ist, wenn die Fluggesellschaft alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, um die Annullierung trotz der
außergewöhnlichen unvermeidbaren Umstände im Sinne von Art. 5 Abs. 3 FluggastrechteVO zu vermeiden, kann hier offenbleiben (ebenfalls offengelassen
BGH NJW-RR 2010, 1641, 1642). Die Beklagte konnte die Annullierung durch zumutbare Maßnahmen nicht abwenden. Sie handelte im Rahmen des ihr
zustehenden „vernünftigen Ermessens" (vgl. BGH NJW-RR 2010, 1641, 1642), als sie versuchte die Annullierung durch den geplanten Positionierungsflug
abzuwenden, für den sie auch ein Zeitfenster (sog. „Slot") für 15.20 Uhr hatte reservieren lassen. Es ist nicht ersichtlich, dass dieser Versuch von vornherein
aussichtslos gewesen wäre, da Wetterphänomene wie Gewitter usw. durchaus kurzfristig enden können. Nachdem auch der Positionierungsflug annulliert
wurde, verblieben keine zumutbaren Maßnahmen mehr, durch die die Beklagte die Annullierung hätte vermeiden können. Ihr ist nicht zuzumuten, für jeden
geplanten Flug an jedem Flughafen jederzeit ein Ersatzflugzeug bereitzuhalten. Angesichts der hohen Kosten für ein Passagierflugzeug ist dies eine allenfalls
theoretische Möglichkeit, die in der Wirklichkeit am finanziellen Aufwand scheitern muss. Zumutbar sind aber nur Maßnahmen, die „für das betroffene
Luftfahrtunternehmen insbesondere in technischer und wirtschaftlicher Hinsicht tragbar" sind (EuGH RRa 2011, 125, 127). Die Beklagte war auch nicht
verpflichtet, die Passagiere in Bussen nach C… zu verbringen. Dadurch hätte sich die Annullierung nicht vermeiden lassen, weil die Beklagte auch dann den
„geplanten Flug" im Sinne von Art. 2 lit. l) FluggastrechteVO nicht durchgeführt hätte. Der Flug hätte mit C… statt A… einen anderen Ausgangspunkt als der
geplante gehabt. Er hätte damit allenfalls noch als Flug unter „vergleichbaren Reisebedingungen" angesehen werden können, wie sie in Art. 8 Abs. 1 lit. b) und
c) FluggastrechteVO erwähnt werden. Es hätte sich damit allenfalls um eine Ersatzbeförderung im Sinne von Art. 8 FluggastrechteVO gehandelt, nicht aber als
(verspätete) Durchführung des ursprünglich geplanten Fluges.
2.) Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung von 2.500,- € aus §§ 631, 280, 281, 283, 252 BGB. Die Beklagte hat die Annullierung des
Fluges nicht zu vertreten. Die Annullierung erfolgte wegen außergewöhnlicher Umstände, die die Beklagte nicht vermeiden konnte (s. unter II. 1.). Ist eine
Annullierung sogar nach dem strengen Maßstab des Art. 5 Abs. 3 FluggastrechteVO gerechtfertigt, hat die Fluggesellschaft die Annullierung erst recht nicht
nach § 280 Abs. 1 S. 2 BGB zu vertreten. Überdies hat der Kläger die Höhe des ihm entgangenen Gewinns trotz entsprechenden gerichtlichen Hinweises nicht
hinreichend dargetan. Selbst wenn als wahr unterstellt wird, dass ihm ein Honorar von 2.500,- € entgangen ist, ist damit die Höhe des entgangenen Gewinns
nicht dargetan. Die Honorarzahlung bildet nur den entgangenen Umsatz ab, von dem zur Ermittlung des Gewinns noch die anfallenden Kosten, Steuern usw.
abzuziehen sind. Dies hat der Kläger nicht dargetan. Sein auf den gerichtlichen Hinweis erfolgter Vortrag, dass kein Abzug vorzunehmen sei, weil die
Entlohnung seine Fahrtkosten mit abgelten sollte, spricht entgegen seiner Auffassung gerade dafür, dass abzuziehende Kosten angefallen wären. Auch
abzuziehende Steuern fallen für gewerbliche Tätigkeiten stets an.
3.) Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung von 2.500,- € aus §§ 631, 280 Abs. 1, 252 BGB i.V.m. Art. 8 Abs. 1 lit. b)
FluggastrechteVO. Der für eine Pflichtverletzung der Beklagten gemäß § 280 Abs. 1 S. 1 BGB beweisbelastete Kläger (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 70. Aufl.
2011, § 280 Rn. 34) hat nicht nachzuweisen vermocht, dass diese ihm nicht die frühestmögliche Ersatzbeförderung im Sinne von Art. 8 Abs. 1 lit. b)
FluggastrechteVO angeboten hätte.
a) Der Kläger hat nicht nachzuweisen vermocht, dass die Beklagte am 11.10.2008 mit dem in C… gelandeten Flugzeug einen Ersatzflug nach B… hätte
durchführen können. Sie hätte den Flug mit der vorhandenen Besatzung unbestritten nicht mehr durchführen können, weil diese dann ihre zulässige
Höchstdienstzeit überschritten hätte. Dies ist dann ein beachtlicher Einwand, wenn die Fluggesellschaft einen angemessenen zeitlichen Spielraum im Flugplan
eingeplant hat, damit nicht jede Störung im Flugbetrieb zwangsweise zu Annullierungen führt (vgl. EuGH RRa 2011, 125, 127/128 = EuZW 2011, 526, 527).
Diese Wertung gilt entsprechend bei der Frage, ob mit der andernorts gelandeten Maschine eine Ersatzbeförderung angeboten werden musste. Unbestritten hätte
die Maschine wegen des nötigen Bustransfers der Passagiere von A… nach C… erst weit mehr als 5 Stunden nach der geplanten Abflugzeit abheben können.
Einen zeitlichen Spielraum von mehr als 5 Stunden braucht eine Fluggesellschaft offensichtlich nicht einzuplanen. Eine solche Pflicht wäre angesichts der
festgelegten Höchstdienstzeit von 12 Stunden für eine Flugzeugbesatzung unzumutbar. Der Kläger ist beweisfällig dafür geblieben, dass die Beklagte den
Ersatzbeförderungsflug mit einer Ersatzmannschaft hätte durchführen können. Er bietet für seine entsprechende Behauptung keinen Beweis an. Die bloße
Tatsache, dass die Beklagte viele spanische Flughäfen anfliegt, bedeutet nicht, dass ihr im streitgegenständlichen Zeitpunkt auch eine Ersatzmannschaft zur
Verfügung stand.
b) Der Kläger hat auch nicht nachzuweisen vermocht, dass die Beklagte ihre Verpflichtung dadurch verletzt hätte, dass sie ihm und seiner Familie keinen
Ersatzflug für den 12.10.2008 angeboten hat. Die Verpflichtung des Art. 8 Abs. 1 lit. b) FluggastrechteVO trifft eine Fluggesellschaft nur in den Grenzen ihrer
eigenen Kapazitäten (Lienhard GPR 2004, 259, 263). Der Kläger hat nicht darzutun vermocht, dass der für den 14.10.2008 angebotene Flug nicht der
frühestmögliche (noch) verfügbare gewesen ist. Unstreitig hat die Beklagte anderen Passagieren des annullierten Fluges Plätze für einen Ersatzflug am
12.10.2008 angeboten. Doch sind naturgemäß auch die Kapazitäten der Ersatzflüge begrenzt. Der Kläger hat jedoch nicht einmal ausdrücklich behauptet, dass
im Flug am 12.10.2008 noch freie Plätze verfügbar waren, als ihm die Ersatzbeförderung für den 14.10.2008 angeboten wurde. Es lässt sich seinem Vortrag
nicht ansatzweise entnehmen, dass Passagieren ein Ersatzflug für den 12.10.2008 angeboten wurde, die erst nach ihm bedient wurden. Dies wäre aber
zwingend, um eine Pflichtverletzung anzunehmen. Wurden die Fluggäste hingegen vor dem Kläger bedient, scheidet eine Pflichtverletzung aus. Der Kläger und
seine Familie genossen keinen Vorrang vor anderen Passagieren bei der Zuteilung eines Ersatzfluges. Die FluggastrechteVO sieht kein Auswahlverfahren mit
Privilegien für bestimmte Passagiere beim Angebot von Ersatzbeförderungen nach Art. 8 FluggastrechteVO vor. Überdies hat der Kläger den von ihm
behaupteten entgangenen Gewinn gemäß § 252 BGB nicht hinreichend dargetan (s. unter II. 2.).
4.) Der Kläger hat gegen die Beklagte Anspruch auf Zahlung von 41,35 € gemäß §§ 631, 280 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 5 Abs. 1 lit. b), 9 Abs. 1 lit. a) FluggastrechteVO.
a) Die Beklagte hat ihre Nebenpflichten aus dem Luftbeförderungsvertrag dadurch verletzt, dass sie keine Erfrischungen und Mahlzeiten angeboten hat,
obgleich sie den Flug … annulliert hatte. Die Ansprüche auf Betreuungsleistungen sind als Nebenpflichten des Luftbeförderungsvertrages im Sinne von § 241
Abs. 2 BGB anzusehen. Die Beklagte hat die Vermutung des § 280 Abs. 1 S. 2 BGB nicht widerlegt, dass sie die Pflichtverletzung auch zu vertreten hat. Dass
sie den Flug gemäß Art. 5 Abs. 3 FluggastrechteVO annullieren durfte, befreit sie nicht von ihrer Verpflichtung, Betreuungsleistungen zu erbringen, weil diese
Pflicht verschuldensunabhängig ist. Es sind auch keine anderen Umstände dargetan oder ersichtlich, warum die Beklagte den wartenden Fluggästen keine
Mahlzeiten und Erfrischungen angeboten hat. Es ist nicht dargetan, dass dieses wegen des Gewitters unmöglich gewesen wäre. Dies erscheint innerhalb des
Flughafengebäudes auch fernliegend.
b) Ersatzfähig sind aber nur die Kosten für die Nahrungsmittel, die der Kläger und seine Familie ausweislich der vorgelegten Quittungen am 11.10.2008 gegen
13.48 Uhr und 15.32 Uhr auf dem Flughafengelände zu sich genommen haben. Für die weiteren Verpflegungsaufwendungen war nicht ursächlich, dass die
Beklagte keine Betreuungsleistungen nach Art. 9 Abs. 1 lit. a) FluggastrechteVO erbracht hat, weil der Kläger beim Kauf jener Lebens- und Genussmittel nicht
mehr auf einen späteren Flug gewartet hat. Ausweislich des Erwägungsgrundes 13 der FluggastrechteVO soll die Fluggesellschaft Betreuungsleistungen nur für
die Wartezeit bereitstellen. Die am 11.10.2008 gegen 22.00 Uhr erworbenen Lebensmittel erwarb der Kläger an einer Autobahnraststätte, also auf der Rückfahrt
nach Deutschland. Die am 15.10.2008 gekauften Lebensmittel verzehrte der Kläger ebenfalls nicht während der Wartezeit auf einen späteren Flug der
Beklagten. Diese Mehraufwendungen wurden vielmehr allein durch die vom Kläger selbst verschuldete Notwendigkeit verursacht, den Mietwagen nach
Spanien zurückzubringen. Für die Aufwendungen vom 10.10.2008 ist eine Ursächlichkeit offensichtlich ausgeschlossen, weil zu diesem Zeitpunkt keinem der
Beteiligten bekannt sein konnte, dass der streitgegenständliche Flug annulliert werden würde.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO analog. Da in der Vorschrift ein allgemeiner Rechtsgedanke zum Ausdruck kommt, ist sie über
ihren Wortlaut hinaus auch zugunsten des Beklagten anwendbar, der nur zu einem geringfügigen Teil unterliegt (vgl. RGZ 142, 83, 84). Ein verhältnismäßig
geringfügiges Abweichen der ergangenen gerichtlichen Entscheidung vom Begehren einer Partei soll dieser im Kostenpunkt nicht zum Nachteil gereichen
(RGZ 142, 83, 84). Die Beklagte ist nur zu einem geringen Teil unterlegen. Eine Verurteilung zur Zahlung von 41,35 € ist bei einer Klageforderung von mehr
als viereinhalbtausend Euro eindeutig als geringfügig anzusehen. ..."
Artikel 9 Anspruch auf Betreuungsleistungen
(1) Wird auf diesen Artikel Bezug genommen, so sind Fluggästen folgende Leistungen unentgeltlich anzubieten:
a) Mahlzeiten und Erfrischungen in angemessenem Verhältnis zur Wartezeit,
b) Hotelunterbringung, falls
- ein Aufenthalt von einer Nacht oder mehreren Nächten notwendig ist oder
- ein Aufenthalt zusätzlich zu dem vom Fluggast beabsichtigten Aufenthalt notwendig ist,
c) Beförderung zwischen dem Flughafen und dem Ort der Unterbringung (Hotel oder Sonstiges).
(2) Außerdem wird den Fluggästen angeboten, unentgeltlich zwei Telefongespräche zu führen oder zwei Telexe oder Telefaxe oder E-Mails zu versenden.
(3) Bei der Anwendung dieses Artikels hat das ausführende Luftfahrtunternehmen besonders auf die Bedürfnisse von Personen mit eingeschränkter Mobilität
und deren Begleitpersonen sowie auf die Bedürfnisse von Kindern ohne Begleitung zu achten.
Leitsätze/Entscheidungen:
Der in Art. 2 Buchst. l der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung
für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur
Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 definierte Begriff "Annullierung" ist dahin auszulegen, dass er in einer Situation wie der des
Ausgangsverfahrens nicht ausschließlich den Fall betrifft, dass das betreffende Flugzeug überhaupt nicht startet, sondern auch den Fall umfasst, dass dieses
Flugzeug gestartet ist, aber anschließend, aus welchen Gründen auch immer, zum Ausgangsflughafen zurückkehren musste, und die Fluggäste auf andere Flüge
umgebucht wurden. Der Begriff "weiter gehender Schadensersatz" in Art. 12 der Verordnung Nr. 261/2004 ist dahin auszulegen, dass er es dem nationalen
Gericht ermöglicht, unter den Voraussetzungen des Übereinkommens zur Vereinheitlichung bestimmter Vorschriften über die Beförderung im internationalen
Luftverkehr oder des nationalen Rechts Ersatz für den wegen der Nichterfüllung des Luftbeförderungsvertrags entstandenen Schaden, einschließlich des
immateriellen Schadens, zu gewähren. Hingegen kann der Begriff "weiter gehender Schadensersatz" dem nationalen Gericht nicht als Rechtsgrundlage dafür
dienen, ein Luftfahrtunternehmen zu verurteilen, den Fluggästen, deren Flug verspätet war oder annulliert wurde, die Kosten zu erstatten, die ihnen durch die
Verletzung der diesem Unternehmen nach den Art. 8 und 9 der Verordnung obliegenden Unterstützungs- und Betreuungspflichten entstanden sind (EuGH,
Urteil vom 13.10.2011 - C-83/10 zu Verordnung (EG) Nr. 261/2004 Art. 2 lit. l, 8, 9, 12).
*** (BGH)
Wird der Reisende mit seinem Reisegepäck bereits am Abflugort des Zubringerfluges auch für den Anschlussflug abgefertigt, setzt eine Ausgleichszahlung
wegen Nichtbeförderung auf dem Anschlussflug weder eine erneute Abfertigung am Umsteigeflughafen noch eine Ankunft 45 Minuten vor dem Abflug des
Anschlussfluges voraus. Die Teilnahme an einem Anschlussflug kann grundsätzlich nicht deshalb verweigert werden, weil das Reisegepäck vom Zubringerflug
nicht in das Flugzeug des Anschlussfluges verladen werden konnte. Die Nichterfüllung der Pflicht gemäß Art. 9 FluggastrechteVO zur Bereitstellung einer
Hotelunterbringung sowie von Mahlzeiten und Getränken für die Zeit bis zur Teilnahme an einem Ersatzflug führt mit dem Verfehlen der Leistungszeit ohne
Weiteres zu einer dauerhaften Unmöglichkeit im Sinne eines absoluten Fixgeschäftes (BGH, Urteil vom 28.08.2012 - X ZR 128/11).
*** (AG)
„... Den Klägern steht der geltend gemachte Schadensersatzanspruch gemäß § 280 Abs. 1 BGB iVm. Art. 9 Satz 1 lit. a, lit. b der Verordnung (EG) NR.
261/2004 (im folgenden VO) zu.
Art. 9 VO findet im konkreten Fall gemäß Art. 5 Abs. 1 lit. b VO Anwendung, da der Flug von Miami nach Paris am 16.04.2010 aufgrund einer Störung des
Flugverkehrs durch einen Vulkanausbruch in Island annulliert wurde.
Gemäß Art. 9 VO hatte die Beklagte Betreuungsleistungen unentgeltlich den Klägern anzubieten, insbesondere für eine Verpflegung und eine
Hotelunterbringung zu sorgen. Dies ist unstrittig durch die Beklagte nicht erfolgt. Die Beklagte hat damit ihre Verpflichtung zur Erbringung von
Betreuungsleistungen gemäß Art. 9 VO verletzt und hat daher gemäß § 280 BGB Schadensersatz zu leisten, so auch AG Simmern, Urteil vom 20.04.2007, Az.
3 C 8688/06 sowie AG Rüsselsheim, Urteil vom 11.01.2011, Az. 3 C 1698/10.
Die Verpflichtung zur Erbringung von Betreuungsleistungen ist auch nicht aufgrund außergewöhnlicher Umstände entfallen. Die Sperrung des Luftraums
aufgrund des Vulkanausbruchs und der damit verbundenen Vulkanasche im Luftraum sind zwar außergewöhnliche Umstände im Sinne des Art. 5 Abs. 3 VO.
Aus Art. 5 Abs. 3 VO ergibt sich jedoch eindeutig, dass "außergewöhnliche Umstände" bei einer Annullierung die Fluggesellschaften lediglich von
Ausgleichzahlungen gemäß Art. 7 VO befreien, nicht aber von den in Art. 5 Abs. 1 VO aufgeführten Unterstützungsleistungen nach Art. 9 VO. Hierzu stellt
zwar die Begründungserwägung Nr. (14) in der Verordnung eine Abweichung dar, in der es heißt, dass "wie nach den Übereinkommen von Montreal die
Verpflichtungen für Luftfahrtunternehmen in den Fällen beschränkt oder ausgeschlossen sind, in denen ein Vorkommnis auf außergewöhnliche Umstände
zurückgeht(...)". Diese Erwägungen sind jedoch im Hinblick auf den eindeutigen Wortlaut des Art. 5 VO unbeachtlich. Insoweit hat der EuGH in seinem Urteil
vom 10.01.2006, RS C-344/04, NJW 2006, S. 351, 357 Rn. 76 bereits entschieden, dass die Begründungserwägungen eines Gemeinschaftsrechtsaktes zwar
dessen Inhalt präzisieren können, es aber nicht erlauben, von den Regelungen des Rechtsaktes abzuweichen.
In der gleichen Entscheidung hat der EuGH entschieden, dass die Regelung, dass die Fluggesellschaften Unterstützungs- und Betreuungsleistungen für die
Fluggäste zu leisten haben, als standardisierte sofortige Maßnahme nicht zu den Maßnahmen gehören, die das Montrealer Übereinkommen festlegt. Die
Regelung der Verordnung tritt somit neben die Regelungen des Übereinkommens von Montreal. Soweit sich die Beklagte auf die Entlastungsmöglichkeit nach
Art. 19 des Montrealer Übereinkommens (im folgenden MÜ) beruft, findet diese Vorschrift somit keine Anwendung. Art. 19 MÜ findet nur Anwendung auf
die individualisierte Wiedergutmachung und regelt nicht die standardisierte Wiedergutmachung nach der Fluggastrechteverordnung, vgl. EuGH, aaO, S. 357
Rn. 73 sowie BGH, NJW 2010, S. 1526.
Das Gericht hat keinen Anlass, den Rechtsstreit im Hinblick auf das Vorabentscheidungsersuchen des Dublin Metropolitan District Court vom 10.01.2011, Az.
C-12/11, an den EuGH bis zu dessen Entscheidung auszusetzen.
Nach Auffassung des Gerichts gibt es keinen Zweifel daran, dass die Fluggesellschaften nach Art. 9 VO in jedem Fall zur Erbringung von Betreuungsleistungen
verpflichtet sind. Es bestehen keine Zweifel, wie Art. 9 VO auszulegen ist. Auch hat das Gericht keine Zweifel an der Gültigkeit der Vorschrift.
Ein über außergewöhnlichen Umstand iSd der Verordnung (EG) 261/2004 hinausgehendes Ereignis ist in dem Vulkanausbruch nicht zu sehen. Die Verordnung
nennt in ihrem Erwägungsgrund Nr. (14) als außergewöhnliche Umstände gerade mit der Durchführung eines Fluges nicht zu vereinbaren Wetterbedingungen.
Dies war hier mit der Vulkanasche der Fall. Es ist daher nicht ersichtlich, weshalb im vorliegenden Fall ein über außergewöhnliche Umstände hinausgehende
Ereignis vorliegen soll. Der klare Wortlaut der Verordnung ergibt, dass die Fluggesellschaften auch bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände zur Erbringung
von Betreuungsleistungen verpflichtet sind. Diese Regelung hat der EuGH in seinem Urteil vom 10.01.2006 (aaO) geprüft und für gültig befunden.
Insbesondere hat der EuGH klargestellt, dass die Fluggastrechteverordnung neben den Regelungen des Montrealer Übereinkommens steht, nicht
diskriminierend ist und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht. Der EuGH, der sich in seinem Urteil ausführlich mit der Verpflichtung der
Fluggesellschaften zur Erbringung von Betreuungsleistungen auch im Fall des Vorliegens von außergewöhnlichen Umständen auseinandergesetzt hat, konnte
keine Ungültigkeit der Vorschriften erkennen. Dementsprechend geht auch das erkennende Gericht von einer Gültigkeit der Verordnung aus.
Eine Aussetzung bis zur Entscheidung des Vorabentscheidungsersuchens ist daher nicht veranlasst.
Nach Art. 9 Abs. 1 lit. b VO hatte die Beklagte den Klägern unentgeltlich eine Hotelunterbringung anzubieten. Nachdem dies nicht geschehen ist, haben die
Kläger gemäß § 280 BGB einen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe der verauslagten Hotelkosten. Es liegen keine Anhaltspunkte vor, dass es sich hierbei
um nicht erstattungsfähige Luxusaufwendungen handelt.
Ebenfalls haben die Kläger gemäß Art. 9 Abs. 1 lit. a VO einen Anspruch auf ein unentgeltliches Angebot von Mahlzeiten und Erfrischungen. Die Kläger haben
daher Anspruch auf Schadensersatz der verauslagten Kosten hierfür in Höhe von 50,07 €. Soweit die Beklagte einwendet, dass es sich hierbei um "sowieso"
Kosten handelt, ist dieser Einwand unbegründet. Aufwendungen für Mahlzeiten und Erfrischung stellen zwar generell ersparten Eigenaufwendungen dar.
Dessen ungeachtet wollte der Verordnungsgeber diese jedoch dennoch ersetzt sehen. Im Übrigen ist auch zu bedenken, dass eine Verpflegung an einem
fremden Ort in der Regel teurer ist als zu Hause.
Es ergibt sich folgende Schadensberechnung:
Airporthotel: 83,80 €
BestWestern Hotel 387,11 €
Verpflegung 50,07 €
gesamt 520,98 €
gezahlt 184,00 €
Rest 336,98 €
Das Gericht war gemäß § 308 ZPO an den Klageantrag in Höhe von 327,98 € gebunden.
Ebenfalls unter Schadensersatzgesichtspunkten sind den Kläger die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 102,82 € zuzusprechen. Diesbezüglich
wird auf die zutreffende Berechnung in der Klageschrift Bezug genommen.
Die Schadensersatzforderung ist aus Verzugsgesichtspunkten gemäß §§ 286, 288 Abs. 1 BGB mit 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.08.2010 zu
verzinsen. Nach alledem war der Klage vollumfänglich stattzugeben. ..." (AG Nürnberg, Urteil vom 14.09.2011 - 18 C 6053/11)
***
Entscheidet der Pilot, dass eine Landung des Flugzeuges wegen des Wetters zu gefährlich ist, ist diese Einschätzung wegen seiner Befugnisse als
Luftfahrzeugführer nach Art. 3 Abs. 1 LuftVO grundsätzlich bindend. Sie kann vom Gericht nur eingeschränkt auf grobe Fehler überprüft werden (AG Geldern,
Urteil vom 03.08.2011 - 4 C 242/09):
„... Der Kläger buchte am 10.03.2008 für sich, seine Ehefrau und seine drei Kinder einen Flug der Beklagten von A… (Spanien) nach B… . Das Flugzeug sollte
planmäßig am 11.10.2008 um 14.55 Uhr in A… abheben. Die Beklagte annullierte den Flug Nr. … jedoch, was dem Kläger zwei Stunden vor dem geplanten
Start mitgeteilt wurde. Weil der Pilot des Zubringerfluges, Herr P…, der die einzusetzende Maschine gegen 14.20 Uhr in Alicante landen sollte, eine Landung
für zu riskant hielt, drehte er nach C… ab, nachdem er zehn Minuten über dem Flughafen A… gekreist hatte. Nach seiner Einschätzung war eine Landung
wegen einer Gewitterfront und böigen Winden mit Geschwindigkeiten von bis zu 60 km/h zu gefährlich. Er landete gegen 14.50 Uhr in C… . Weil das
Unwetter noch andauerte, wurde auch ein für 15.20 Uhr angesetzter Positionierungsflug von C… nach A… annulliert. Ein Bustransfer der Fluggäste wurde
nach der Annullierung des Positionierungsfluges nicht durchgeführt, weil es insgesamt etwa 5 Stunden gedauert hätte, einen solchen zu organisieren und
durchzuführen. Das Flugzeug hätte dann von seiner Besatzung nicht nach B… zurückgeflogen werden können, weil diese dann ihre zulässige Höchstdienstzeit
überschritten gehabt hätte. Die Maschine flog stattdessen leer nach B… zurück. Die Beklagte bot den wartenden Fluggästen keine Mahlzeiten und
Erfrischungen an. Der Kläger lehnte die Beförderung mit den von der Beklagten angebotenen Ersatzflügen am 14.10.2008 oder 18.10.2008 ab. Er fuhr
stattdessen mit seiner Familie noch am 11.10.2008 mit einem Mietwagen von A… nach Deutschland zurück, den er anschließend selbst am 15.10.2008 nach
F… zurückbrachte, weil die Mietwagenfirma diesen nur in Spanien wieder entgegennahm. Die zunächst beim Landgericht Kleve erhobene Klage verwies jenes
mit Beschluss vom 30.06.2009 an das Amtsgericht Geldern.
Der Kläger behauptet, die Annullierung beruhe nicht auf einem außergewöhnlichen Umstand, weil die Einschätzung des Piloten „unverständlich" sei.
Zahlreiche andere Maschinen seien gegen 14.49 Uhr und „zu ähnlichen Zeitpunkten" gestartet und gelandet. Überdies könne dies ohnehin allenfalls eine
Annullierung des Zubringerfluges … rechtfertigen, nicht aber des streitgegenständlichen Fluges. Der Flug sei nur wegen eines Organisationsverschuldens der
Beklagten annulliert worden, die Überschreitung der Dienstzeiten der Besatzung sei kein außergewöhnlicher Umstand. Die angebotenen Ersatzflüge seien für
ihn und seine Familie unannehmbar gewesen, da seine Kinder schulpflichtig seien und die Schule am Montag, den 13.10.2008 bereits wieder begonnen habe.
Anders als anderen Passagieren habe die Beklagte ihm keinen Flug für den 12.10.2008 angeboten. Auch sei ihm ein Honorar von 2.500,- € entgangen, da er,
von Beruf selbständiger Privatdetektiv, eine für den 12.10.2008 angesetzte 71-Stunden-Observierung nicht habe durchführen können. Das Honorar stelle auch
in voller Höhe seinen Gewinn dar, weil es sich bei der vereinbarten Entlohnung um eine Aufwandserstattung handele, die auch etwaige Fahrtkosten beinhalte
(Bl. 271 GA). Überdies habe er 155,10 € für Verpflegung aufwenden müssen; für weitere Einzelheiten wird auf die beigebrachten Belege (Bl. 18/19 GA) Bezug
genommen. ...
Sie behauptet, der Flug habe wegen außergewöhnlicher Umstände annulliert werden müssen. Der Beklagten hätten weder eine Ersatzmaschine, noch eine
Ersatzbesatzung zur Verfügung gestanden. Die Beklagte bestreitet, dass die Verpflegungsaufwendungen mit der Annullierung zusammenhängen. ...
Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 25.08.2010 (Bl. 276/277 GA) in Gestalt des Berichtigungsbeschlusses vom 07.10.2010 (Bl. 285
GA); wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten des Sachverständigen L… vom 21.02.2011 (Bl. 297-301 GA) verwiesen; auch die
Akte Amtsgericht Geldern, Az.: 17 C 192/09 wurde beigezogen. ...
I. Die Klage ist zulässig. Das Amtsgericht Geldern ist gemäß Art. 5 Nr. 1 lit. b) Spiegelstrich 2 EuGVVO als Gericht des Erfüllungsortes international
zuständig. Erfüllungsort eines Luftbeförderungsvertrages ist sowohl der Ort des (beabsichtigten) Abfluges, als auch der Ort der (beabsichtigten) Ankunft (vgl.
EuGH NJW 2009, 2801, 2803). Sachlich zuständig ist das Amtsgericht Geldern jedenfalls gemäß § 281 Abs. 2 S. 4 ZPO aufgrund der Verweisung durch das
Landgericht Kleve.
II. ... 1.) Der Kläger hat keinen Anspruch auf Ausgleichszahlungen in Höhe von 2.000,- € aus Art. 5 Abs. 1 lit. c), 7 Abs. 1 S. 1 lit. b) FluggastrechteVO gegen
die Beklagte. Zwar hat diese unstreitig den Flug … annulliert. Sie annullierte den Flug unstreitig auch nicht so rechtzeitig, dass Ausgleichsansprüche gemäß
Art. 5 Abs. 1 lit. c) FluggastrechteVO ausgeschlossen wären. Die Annullierung ist aber gemäß Art. 5 Abs. 3 FluggastrechteVO gerechtfertigt gewesen, weil sie
auf Umständen beruht hat, die die Beklagte auch bei Ergreifen aller zumutbaren Maßnahmen nicht hätte vermeiden können.
a) Die Annullierung des Fluges … beruhte darauf, dass am Flughafen A… kein Flugzeug der Beklagten vorhanden war, weil der Pilot des Zubringerfluges aus
Gründen der Flugsicherheit nicht bereit war, die Maschine in A… zu landen, sondern nach C… abdrehte und dort landete. Kann ein Flug nicht durchgeführt
werden, weil das für den Transport vorgesehene Flugzeug den Flughafen wegen ungünstiger Witterung nicht anfliegen kann, begründet dies einen
„außergewöhnlichen Umstand" im Sinne von Art. 5 Abs. 3 FluggastrechteVO (vgl. BGH NJW-RR 2010, 1641, 1641/1642; OLG Koblenz NJW-RR 2008, 1232).
b) Wegen des Wetters konnte die Maschine der Beklagten den Flughafen A… aus Sicherheitsgründen nicht anfliegen. Dies steht bindend fest, weil der
Pilot P… eine Landung wegen des Wetters als zu gefährlich eingeschätzt hat und diese Einschätzung nicht grob fehlerhaft gewesen ist. Dass der Pilot dieser
Auffassung gewesen ist, ist zwischen den Parteien unstreitig und ergibt sich auch aus der Vernehmung des Piloten P… im Verhandlungsprotokoll der
beigezogenen Akte des AG Geldern, Az.: 17 C 192/09 vom 08.06.2010. Die Einschätzung des Piloten ist grundsätzlich bindend, weil dieser in seiner
Eigenschaft als Luftfahrzeugführer gemäß § 3 Abs. 1 LuftVO allein die Entscheidungsgewalt über die Führung des Flugzeuges innehat und für dessen
Sicherheit verantwortlich ist. Dabei obliegt ihm ein weiter Ermessensspielraum, der gerichtlich nur eingeschränkt auf grobe Fehler überprüfbar ist (vgl. LG
Kleve, Urt. v. 07.04.2011 - 6 S 116/10). Im streitgegenständlichen Fall gilt § 3 Abs. 1 LuftVO zwar nicht direkt, sondern die entsprechende Regelung der
spanischen Luftverkehrsordnung, weil es sich um ein Landemanöver im spanischen Luftraum handelte und das Luftverkehrsrecht aufgrund des
Territorialitätsprinzips grundsätzlich nur innerhalb der eigenen Staatsgrenzen gilt (vgl. Faber, Rechtsfragen der Planung von Flughäfen, 1. Aufl. 2006, S. 343).
Jene spanische Regelung entspricht jedoch sachlich § 3 Abs. 1 LuftVO, da dieser nur die deutsche Umsetzung von Anhang 2 Nr. 2.4 des Chicagoer
Abkommens über die internationale Zivilluftfahrt von 07.12.1944 ist. Alle Vertragsstaaten haben sich verpflichtet, diese Regeln umzusetzen (vgl.
Schleicher/Reymann/Abraham, Das Recht der Luftfahrt, Band 2, 3. Aufl. 1966, S. 350/351). Auch Spanien ist Vertragsstaat des Chicagoer Abkommens (vgl.
Schleicher/Reymann/Abraham, Das Recht der Luftfahrt, Band 1, 3. Aufl. 1960, S. 21).
c) Der Pilot P… hat sein Ermessen nicht grob fehlerhaft ausgeübt; seine Entscheidung war vielmehr richtig, wie der Sachverständige L… in seinem Gutachten
überzeugend ausführt. Ein Landeanflug von Osten sei wegen der Windgeschwindigkeiten von 20 bis 32 Knoten (= 37 km/h - 60 km/h) nicht möglich gewesen,
weil dann die zugelassene maximale Rückenwindkomponente für die eingesetzte Maschine vom Typ Boeing 737 überschritten worden wäre. Ein Landeanflug
von Westen sei hingegen wegen der Gewitterfront zu gefährlich gewesen. Wegen der starken Bewölkung des Luftraums in der Höhe von 1.800 bis 7.000 Fuß (=
550 m - 2.150 m) sei allenfalls eine Landung im Instrumentenanflug, nicht aber im Sichtflug möglich gewesen. Die Sichtweite habe nur 4.500 Meter betragen,
so dass keine Sichtreferenz zur Landebahn habe hergestellt werden können. Ein Instrumentenanflug sei aber wegen des Gebirges in der Nähe des Flughafens
unmöglich gewesen. Für einen sicheren Landeanflug wäre erforderlich gewesen, dass das Flugzeug eine Position in 3.300 Fuß Höhe hätte einnehmen können.
Wegen des erforderlichen Sicherheitsabstandes sei jedoch nur eine Flughöhe von 3.900 bis 4.000 Fuß durch das dazu berechtigte Flugsicherheitspersonal des
Flughafens A… freigegeben worden. Angesichts dessen, dass die verbliebene Treibstoffmenge nur noch ein kurzes Kreisen über dem Flughafen A…
ermöglicht hätte, sei die auch die Entscheidung des Piloten richtig gewesen, nach C… abzudrehen. Es kann zugunsten des Klägers als wahr unterstellt werden,
dass Maschinen anderer Fluggesellschaften um 14.49 Uhr und „zu ähnlichen Zeitpunkten" auf dem Flughafen A… gelandet sind, so dass es keiner Vernehmung
der durch den Kläger dafür benannten Zeugen bedarf. Daraus lässt sich jedenfalls nicht ableiten, dass die Einschätzung des Piloten P… grob fehlerhaft gewesen
wäre. Wie der Sachverständige L… in seinem Gutachten überzeugend ausführt, kann es sich bei Gewitterfronten usw. um zeitlich und örtlich beschränkte
Wetterphänomene handeln, so dass eine sichere Landung eines anderen Flugzeuges zu einem etwas späteren Zeitpunkt durchaus möglich gewesen sein kann.
d) Die Beklagte hätte die Annullierung auch nicht vermeiden können. Auf das Wetter hat sie naturgemäß keinen Einfluss. An die Entscheidung des Piloten
P… ist auch die Beklagte gebunden, auch wenn es sich bei diesem um einen ihrer Angestellten handelt, weil dessen Befugnisse aus § 3 Abs. 1 Luft-VO bzw.
der entsprechenden ausländischen Regelung hoheitsrechtlicher Natur sind. Daran hat auch die FluggastrechteVO nichts geändert. Deren Zweck ist in der
Hauptsache der Schutz der Interessen der Flugreisenden an einem reibungslosen Luftverkehr; nicht hingegen, den Piloten (faktisch) zu riskanten
Landemanövern zu verleiten, um seinen Arbeitgeber vor Ausgleichsansprüchen zu bewahren. Dies liefe den berechtigten Sicherheitsinteressen der
Flugreisenden gerade entgegen.
e) Ob eine Annullierung nur dann gerechtfertigt ist, wenn die Fluggesellschaft alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, um die Annullierung trotz der
außergewöhnlichen unvermeidbaren Umstände im Sinne von Art. 5 Abs. 3 FluggastrechteVO zu vermeiden, kann hier offenbleiben (ebenfalls offengelassen
BGH NJW-RR 2010, 1641, 1642). Die Beklagte konnte die Annullierung durch zumutbare Maßnahmen nicht abwenden. Sie handelte im Rahmen des ihr
zustehenden „vernünftigen Ermessens" (vgl. BGH NJW-RR 2010, 1641, 1642), als sie versuchte die Annullierung durch den geplanten Positionierungsflug
abzuwenden, für den sie auch ein Zeitfenster (sog. „Slot") für 15.20 Uhr hatte reservieren lassen. Es ist nicht ersichtlich, dass dieser Versuch von vornherein
aussichtslos gewesen wäre, da Wetterphänomene wie Gewitter usw. durchaus kurzfristig enden können. Nachdem auch der Positionierungsflug annulliert
wurde, verblieben keine zumutbaren Maßnahmen mehr, durch die die Beklagte die Annullierung hätte vermeiden können. Ihr ist nicht zuzumuten, für jeden
geplanten Flug an jedem Flughafen jederzeit ein Ersatzflugzeug bereitzuhalten. Angesichts der hohen Kosten für ein Passagierflugzeug ist dies eine allenfalls
theoretische Möglichkeit, die in der Wirklichkeit am finanziellen Aufwand scheitern muss. Zumutbar sind aber nur Maßnahmen, die „für das betroffene
Luftfahrtunternehmen insbesondere in technischer und wirtschaftlicher Hinsicht tragbar" sind (EuGH RRa 2011, 125, 127). Die Beklagte war auch nicht
verpflichtet, die Passagiere in Bussen nach C… zu verbringen. Dadurch hätte sich die Annullierung nicht vermeiden lassen, weil die Beklagte auch dann den
„geplanten Flug" im Sinne von Art. 2 lit. l) FluggastrechteVO nicht durchgeführt hätte. Der Flug hätte mit C… statt A… einen anderen Ausgangspunkt als der
geplante gehabt. Er hätte damit allenfalls noch als Flug unter „vergleichbaren Reisebedingungen" angesehen werden können, wie sie in Art. 8 Abs. 1 lit. b) und
c) FluggastrechteVO erwähnt werden. Es hätte sich damit allenfalls um eine Ersatzbeförderung im Sinne von Art. 8 FluggastrechteVO gehandelt, nicht aber als
(verspätete) Durchführung des ursprünglich geplanten Fluges.
2.) Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung von 2.500,- € aus §§ 631, 280, 281, 283, 252 BGB. Die Beklagte hat die Annullierung des
Fluges nicht zu vertreten. Die Annullierung erfolgte wegen außergewöhnlicher Umstände, die die Beklagte nicht vermeiden konnte (s. unter II. 1.). Ist eine
Annullierung sogar nach dem strengen Maßstab des Art. 5 Abs. 3 FluggastrechteVO gerechtfertigt, hat die Fluggesellschaft die Annullierung erst recht nicht
nach § 280 Abs. 1 S. 2 BGB zu vertreten. Überdies hat der Kläger die Höhe des ihm entgangenen Gewinns trotz entsprechenden gerichtlichen Hinweises nicht
hinreichend dargetan. Selbst wenn als wahr unterstellt wird, dass ihm ein Honorar von 2.500,- € entgangen ist, ist damit die Höhe des entgangenen Gewinns
nicht dargetan. Die Honorarzahlung bildet nur den entgangenen Umsatz ab, von dem zur Ermittlung des Gewinns noch die anfallenden Kosten, Steuern usw.
abzuziehen sind. Dies hat der Kläger nicht dargetan. Sein auf den gerichtlichen Hinweis erfolgter Vortrag, dass kein Abzug vorzunehmen sei, weil die
Entlohnung seine Fahrtkosten mit abgelten sollte, spricht entgegen seiner Auffassung gerade dafür, dass abzuziehende Kosten angefallen wären. Auch
abzuziehende Steuern fallen für gewerbliche Tätigkeiten stets an.
3.) Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung von 2.500,- € aus §§ 631, 280 Abs. 1, 252 BGB i.V.m. Art. 8 Abs. 1 lit. b)
FluggastrechteVO. Der für eine Pflichtverletzung der Beklagten gemäß § 280 Abs. 1 S. 1 BGB beweisbelastete Kläger (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 70. Aufl.
2011, § 280 Rn. 34) hat nicht nachzuweisen vermocht, dass diese ihm nicht die frühestmögliche Ersatzbeförderung im Sinne von Art. 8 Abs. 1 lit. b)
FluggastrechteVO angeboten hätte.
a) Der Kläger hat nicht nachzuweisen vermocht, dass die Beklagte am 11.10.2008 mit dem in C… gelandeten Flugzeug einen Ersatzflug nach B… hätte
durchführen können. Sie hätte den Flug mit der vorhandenen Besatzung unbestritten nicht mehr durchführen können, weil diese dann ihre zulässige
Höchstdienstzeit überschritten hätte. Dies ist dann ein beachtlicher Einwand, wenn die Fluggesellschaft einen angemessenen zeitlichen Spielraum im Flugplan
eingeplant hat, damit nicht jede Störung im Flugbetrieb zwangsweise zu Annullierungen führt (vgl. EuGH RRa 2011, 125, 127/128 = EuZW 2011, 526, 527).
Diese Wertung gilt entsprechend bei der Frage, ob mit der andernorts gelandeten Maschine eine Ersatzbeförderung angeboten werden musste. Unbestritten hätte
die Maschine wegen des nötigen Bustransfers der Passagiere von A… nach C… erst weit mehr als 5 Stunden nach der geplanten Abflugzeit abheben können.
Einen zeitlichen Spielraum von mehr als 5 Stunden braucht eine Fluggesellschaft offensichtlich nicht einzuplanen. Eine solche Pflicht wäre angesichts der
festgelegten Höchstdienstzeit von 12 Stunden für eine Flugzeugbesatzung unzumutbar. Der Kläger ist beweisfällig dafür geblieben, dass die Beklagte den
Ersatzbeförderungsflug mit einer Ersatzmannschaft hätte durchführen können. Er bietet für seine entsprechende Behauptung keinen Beweis an. Die bloße
Tatsache, dass die Beklagte viele spanische Flughäfen anfliegt, bedeutet nicht, dass ihr im streitgegenständlichen Zeitpunkt auch eine Ersatzmannschaft zur
Verfügung stand.
b) Der Kläger hat auch nicht nachzuweisen vermocht, dass die Beklagte ihre Verpflichtung dadurch verletzt hätte, dass sie ihm und seiner Familie keinen
Ersatzflug für den 12.10.2008 angeboten hat. Die Verpflichtung des Art. 8 Abs. 1 lit. b) FluggastrechteVO trifft eine Fluggesellschaft nur in den Grenzen ihrer
eigenen Kapazitäten (Lienhard GPR 2004, 259, 263). Der Kläger hat nicht darzutun vermocht, dass der für den 14.10.2008 angebotene Flug nicht der
frühestmögliche (noch) verfügbare gewesen ist. Unstreitig hat die Beklagte anderen Passagieren des annullierten Fluges Plätze für einen Ersatzflug am
12.10.2008 angeboten. Doch sind naturgemäß auch die Kapazitäten der Ersatzflüge begrenzt. Der Kläger hat jedoch nicht einmal ausdrücklich behauptet, dass
im Flug am 12.10.2008 noch freie Plätze verfügbar waren, als ihm die Ersatzbeförderung für den 14.10.2008 angeboten wurde. Es lässt sich seinem Vortrag
nicht ansatzweise entnehmen, dass Passagieren ein Ersatzflug für den 12.10.2008 angeboten wurde, die erst nach ihm bedient wurden. Dies wäre aber
zwingend, um eine Pflichtverletzung anzunehmen. Wurden die Fluggäste hingegen vor dem Kläger bedient, scheidet eine Pflichtverletzung aus. Der Kläger und
seine Familie genossen keinen Vorrang vor anderen Passagieren bei der Zuteilung eines Ersatzfluges. Die FluggastrechteVO sieht kein Auswahlverfahren mit
Privilegien für bestimmte Passagiere beim Angebot von Ersatzbeförderungen nach Art. 8 FluggastrechteVO vor. Überdies hat der Kläger den von ihm
behaupteten entgangenen Gewinn gemäß § 252 BGB nicht hinreichend dargetan (s. unter II. 2.).
4.) Der Kläger hat gegen die Beklagte Anspruch auf Zahlung von 41,35 € gemäß §§ 631, 280 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 5 Abs. 1 lit. b), 9 Abs. 1 lit. a) FluggastrechteVO.
a) Die Beklagte hat ihre Nebenpflichten aus dem Luftbeförderungsvertrag dadurch verletzt, dass sie keine Erfrischungen und Mahlzeiten angeboten hat,
obgleich sie den Flug … annulliert hatte. Die Ansprüche auf Betreuungsleistungen sind als Nebenpflichten des Luftbeförderungsvertrages im Sinne von § 241
Abs. 2 BGB anzusehen. Die Beklagte hat die Vermutung des § 280 Abs. 1 S. 2 BGB nicht widerlegt, dass sie die Pflichtverletzung auch zu vertreten hat. Dass
sie den Flug gemäß Art. 5 Abs. 3 FluggastrechteVO annullieren durfte, befreit sie nicht von ihrer Verpflichtung, Betreuungsleistungen zu erbringen, weil diese
Pflicht verschuldensunabhängig ist. Es sind auch keine anderen Umstände dargetan oder ersichtlich, warum die Beklagte den wartenden Fluggästen keine
Mahlzeiten und Erfrischungen angeboten hat. Es ist nicht dargetan, dass dieses wegen des Gewitters unmöglich gewesen wäre. Dies erscheint innerhalb des
Flughafengebäudes auch fernliegend.
b) Ersatzfähig sind aber nur die Kosten für die Nahrungsmittel, die der Kläger und seine Familie ausweislich der vorgelegten Quittungen am 11.10.2008 gegen
13.48 Uhr und 15.32 Uhr auf dem Flughafengelände zu sich genommen haben. Für die weiteren Verpflegungsaufwendungen war nicht ursächlich, dass die
Beklagte keine Betreuungsleistungen nach Art. 9 Abs. 1 lit. a) FluggastrechteVO erbracht hat, weil der Kläger beim Kauf jener Lebens- und Genussmittel nicht
mehr auf einen späteren Flug gewartet hat. Ausweislich des Erwägungsgrundes 13 der FluggastrechteVO soll die Fluggesellschaft Betreuungsleistungen nur für
die Wartezeit bereitstellen. Die am 11.10.2008 gegen 22.00 Uhr erworbenen Lebensmittel erwarb der Kläger an einer Autobahnraststätte, also auf der Rückfahrt
nach Deutschland. Die am 15.10.2008 gekauften Lebensmittel verzehrte der Kläger ebenfalls nicht während der Wartezeit auf einen späteren Flug der
Beklagten. Diese Mehraufwendungen wurden vielmehr allein durch die vom Kläger selbst verschuldete Notwendigkeit verursacht, den Mietwagen nach
Spanien zurückzubringen. Für die Aufwendungen vom 10.10.2008 ist eine Ursächlichkeit offensichtlich ausgeschlossen, weil zu diesem Zeitpunkt keinem der
Beteiligten bekannt sein konnte, dass der streitgegenständliche Flug annulliert werden würde.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO analog. Da in der Vorschrift ein allgemeiner Rechtsgedanke zum Ausdruck kommt, ist sie über
ihren Wortlaut hinaus auch zugunsten des Beklagten anwendbar, der nur zu einem geringfügigen Teil unterliegt (vgl. RGZ 142, 83, 84). Ein verhältnismäßig
geringfügiges Abweichen der ergangenen gerichtlichen Entscheidung vom Begehren einer Partei soll dieser im Kostenpunkt nicht zum Nachteil gereichen
(RGZ 142, 83, 84). Die Beklagte ist nur zu einem geringen Teil unterlegen. Eine Verurteilung zur Zahlung von 41,35 € ist bei einer Klageforderung von mehr
als viereinhalbtausend Euro eindeutig als geringfügig anzusehen. ..."
***
Ein Luftfahrtunternehmen, das wegen einer Annullierung dem Fluggast entgegen seiner Verpflichtung nach Art. 9 VO (EG) Nr. 261/2004 keine
Hotelübernachtung gewährt, schuldet dem Fluggast Schadensersatz für die von diesem aufgewendeten Übernachtungskosten. Der Schadensersatzanspruch ist
nicht auf die Ausgleichszahlung nach Art. 7 VO (EG) Nr. 261/2004 anzurechnen (AG Dortmund, Urteil vom 04.03.2008 - 431 C 11621/07, RRa 2008, 188).
Artikel 10 Höherstufung und Herabstufung
(1) Verlegt ein ausführendes Luftfahrtunternehmen einen Fluggast in eine höhere Klasse als die, für die der Flugschein erworben wurde, so darf es dafür
keinerlei Aufschlag oder Zuzahlung erheben.
(2) Verlegt ein ausführendes Luftfahrtunternehmen einen Fluggast in eine niedrigere Klasse als die, für die der Flugschein erworben wurde, so erstattet es
binnen sieben Tagen nach den in Artikel 7 Absatz 3 genannten Modalitäten
a) bei allen Flügen über eine Entfernung von 1500 km oder weniger 30 % des Preises des Flugscheins oder
b) bei allen innergemeinschaftlichen Flügen über eine Entfernung von mehr als 1500 km, mit Ausnahme von Flügen zwischen dem europäischen Hoheitsgebiet
der Mitgliedstaaten und den französischen überseeischen Departements, und bei allen anderen Flügen über eine Entfernung zwischen 1500 km und 3500 km 50
% des Preises des Flugscheins oder
c) bei allen nicht unter Buchstabe a) oder b) fallenden Flügen, einschließlich Flügen zwischen dem europäischen Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten und den
französischen überseeischen Departements, 75 % des Preises des Flugscheins.
Artikel 11 Personen mit eingeschränkter Mobilität oder mit besonderen Bedürfnissen
(1) Die ausführenden Luftfahrtunternehmen geben Personen mit eingeschränkter Mobilität und deren Begleitpersonen oder Begleithunden mit entsprechender
Bescheinigung sowie Kindern ohne Begleitung bei der Beförderung Vorrang.
(2) Im Fall einer Nichtbeförderung, Annullierung oder Verspätung von beliebiger Dauer haben Personen mit eingeschränkter Mobilität und deren
Begleitpersonen sowie Kinder ohne Begleitung Anspruch auf baldmögliche Betreuung gemäß Artikel 9.
Artikel 12 Weiter gehender Schadensersatz
(1) Diese Verordnung gilt unbeschadet eines weiter gehenden Schadensersatzanspruchs des Fluggastes. Die nach dieser Verordnung gewährte
Ausgleichsleistung kann auf einen solchen Schadensersatzanspruch angerechnet werden.
(2) Unbeschadet der einschlägigen Grundsätze und Vorschriften des einzelstaatlichen Rechts, einschließlich der Rechtsprechung, gilt Absatz 1 nicht für
Fluggäste, die nach Artikel 4 Absatz 1 freiwillig auf eine Buchung verzichtet haben.
Leitsätze/Entscheidungen:
Der in Art. 2 Buchst. l der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung
für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur
Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 definierte Begriff "Annullierung" ist dahin auszulegen, dass er in einer Situation wie der des
Ausgangsverfahrens nicht ausschließlich den Fall betrifft, dass das betreffende Flugzeug überhaupt nicht startet, sondern auch den Fall umfasst, dass dieses
Flugzeug gestartet ist, aber anschließend, aus welchen Gründen auch immer, zum Ausgangsflughafen zurückkehren musste, und die Fluggäste auf andere Flüge
umgebucht wurden. Der Begriff "weiter gehender Schadensersatz" in Art. 12 der Verordnung Nr. 261/2004 ist dahin auszulegen, dass er es dem nationalen
Gericht ermöglicht, unter den Voraussetzungen des Übereinkommens zur Vereinheitlichung bestimmter Vorschriften über die Beförderung im internationalen
Luftverkehr oder des nationalen Rechts Ersatz für den wegen der Nichterfüllung des Luftbeförderungsvertrags entstandenen Schaden, einschließlich des
immateriellen Schadens, zu gewähren. Hingegen kann der Begriff "weiter gehender Schadensersatz" dem nationalen Gericht nicht als Rechtsgrundlage dafür
dienen, ein Luftfahrtunternehmen zu verurteilen, den Fluggästen, deren Flug verspätet war oder annulliert wurde, die Kosten zu erstatten, die ihnen durch die
Verletzung der diesem Unternehmen nach den Art. 8 und 9 der Verordnung obliegenden Unterstützungs- und Betreuungspflichten entstanden sind (EuGH,
Urteil vom 13.10.2011 - C-83/10 zu Verordnung (EG) Nr. 261/2004 Art. 2 lit. l, 8, 9, 12).
*** (OLG)
„... Der Kläger begehrt von der Beklagten Schadensersatz aus einem Fluggast-Beförderungsvertrag. Auf die tatbestandlichen Feststellungen im
landgerichtlichen Urteil wird Bezug genommen, § 540 Abs. 1 ZPO. Das Landgericht hat der Klage zum Teil stattgegeben.
Das Landgericht hat die Klage für begründet erachtet hinsichtlich der geltend gemachten Kosten von 3.034,-- € nebst Zinsen für den Ersatzflug. Das weiter
begehrte Schmerzensgeld hat es abgewiesen. Auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils wird Bezug genommen.
Der Kläger wendet sich gegen das Urteil des Landgerichts, soweit es den Ersatz des immateriellen Schadens (Schmerzensgeld) abgewiesen hat. Er führt aus,
wegen der dargelegten Verletzung der Würde und Ehre des Klägers, welcher Gesellschafter/Geschäftsführer eines mittelständischen Unternehmens und eine in
der Automobilbranche bekannte Persönlichkeit sei, sei ihm auch ein angemessenes Schmerzensgeld zuzusprechen. Der geltend gemachte Anspruch könne sich
auch auf Art. 2 Buchstabe 1 und Art. 12 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 und das hierzu ergangene und den Senat bindende Urteil des Gerichtshofes der
Europäischen Union vom 13.10.2011 (Az. C-83/10) stützen; dieser Anspruch erfordere insbesondere auch nicht, dass sonstige Rechte des Klägers, wie etwa
sein Persönlichkeitsrecht, besonders schwerwiegend verletzt worden sein müssen. Entscheidend sei allein, dass die Beklagte ihre Beförderungspflicht
gegenüber dem Kläger und seiner Familie nicht erfüllt habe.
Der Kläger beantragt daher: Das Urteil des Landgerichts München I vom 23.08.2011 wird dahingehend abgeändert, dass die Beklagte entsprechend dem
erstinstanzlichen Klageantrag zu II. verurteilt wird, an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Senats gestellt wird,
mindestens jedoch 5.000,-- € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu bezahlen hat. Die Beklagte
wendet sich mit ihrer Anschlussberufung gegen das Ersturteil, soweit es den Flugpreis zuerkannt hat. Sie beantragt daher Aufhebung des Ersturteils und Klageabweisung.
Die Beklagte führt u.a. aus, der Kläger habe bereits den tatsächlichen Flugpreis von 633,44 € zurückerstattet erhalten und erhalte durch das Urteil nunmehr
zusätzlich die fiktiven Flugkosten von 3.044,-- € erstattet.
Die Berufung des Klägers ist durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, da sie offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, die
Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung aufweist und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine
Entscheidung des Berufungsgerichts aufgrund mündlicher Verhandlung erfordern. Eine mündliche Verhandlung ist insbesondere auch nicht deshalb geboten,
weil die Rechtverfolgung für den Berufungsführer existentielle Bedeutung hat oder weil das Urteil erster Instanz zwar im Ergebnis richtig, aber unzutreffend
begründet ist.
Auf den Hinweis des Senats vom 12.12.2011 wird Bezug genommen. Aus den dort näher ausgeführten Gründen, in denen auch und insbesondere auf das
Berufungsvorbringen des Klägers im Einzelnen eingegangen wird, sieht der Senat die Berufung als nicht begründet an. Dem Berufungsführer wurde
Gelegenheit zur Äußerung auf die Hinweise bis 27.1.2012 gegeben, Stellungnahmen erfolgten mit Schriftsätzen vom 26.1.2012und 27.3.2012. Die hierin
erhobenen Einwände des Klägers geben zu keiner von der im Hinweis geäußerten Rechtsansicht abweichenden Beurteilung Anlass. Lediglich ergänzend ist
Folgendes anzumerken:
Der Kläger kann den geltend gemachten Anspruch auf Schmerzensgeld nicht aus Art. 12 der Verordnung (EG Nr. 261/2004) herleiten. Der Europäische
Gerichtshof hat mit Urteil vom 13.10.2011 (Az. C-83/10) festgestellt, dass Art. 12 der Verordnung Nr. 261/2004 nicht als Rechtsgrundlage für immateriellen
Schadensersatz gilt. Vielmehr stellt der Gerichtshof klar, dass der Begriff "weitergehender Schadensersatz" es dem nationalen Gericht ermöglicht, Ersatz für
den wegen der Nichterfüllung des Luftbeförderungsvertrags entstandenen immateriellen Schaden zu gewähren und zwar unter den Voraussetzungen des
Übereinkommens von Montreal oder des nationalen Rechts. Die Frage des immateriellen Schadensersatzes bemisst sich daher hier nach deutschem Recht.
Dieser Schmerzensgeldanspruch war aus den zutreffenden Gründen des Erstgerichts zu versagen, da es an einer schwerwiegenden Verletzung des
Persönlichkeitsrechts fehlt, worauf der Senat bereits in seinem Hinweisbeschluss vom 12.12.2011 hingewiesen hat.
Soweit der Kläger ausführt, er sei ein sich ganz normal verhaltender Passagier gewesen, der den Anweisungen der Besatzung des Flugzeugs auch stets und
umgehend Folge geleistet habe, hat der Senat bereits darauf hingewiesen, dass selbst die Ehefrau des Klägers angegeben hat, ihr Mann sei nicht ganz ungenervt
gewesen. Auch der völlig unbeteiligte Fluggast G. führte in seiner schriftlichen Einvernahme aus, der Kläger habe relativ aggressiv reagiert und es sei zu einer
hitzigen Diskussion gekommen. Der Kläger sei sehr erregt gewesen und seine Frau habe ihn immer wieder beruhigen wollen.
Soweit sich der Kläger gegen die Verwertung dieser schriftlichen Aussage wendet, ist die dem Erstgericht insoweit zustehende Ermessensentscheidung nach §
377 Abs. 3 ZPO nicht zu beanstanden. Die Beweisfrage war für eine schriftliche Aussage geeignet. Auch aus der schriftlichen Aussage ergaben sich keine
Anhaltspunkte dafür, dass eine ergänzende Vernehmung des Zeugen angebracht gewesen wäre.
Der Kläger hat auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Erstgericht lediglich angegeben, er beantrage die Einvernahme des Zeugen, wenn das, was der
Zeuge G. niedergelegt habe, für das Gericht entscheidungsrelevant sei.
Der Kläger hat aber hiermit nicht zum Ausdruck gebracht, dass er an den Zeugen noch Fragen stellen wolle, so dass eine persönliche Einvernahme des Zeugen
nicht in Betracht kam.
Die durch die Beklagte erhobene Anschlussberufung verliert ihre Wirkung, wenn die Berufung des Klägers durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO
zurückgewiesen wird.
Die Entscheidung über die Kosten ergibt sich aus § 97 ZPO. Den Kläger treffen auch die Kosten der wirkungslos gewordenen Anschlussberufung (vgl. Zöller,
ZPO, 29. Aufl., § 524 Rdnr. 44,43). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des landgerichtlichen Urteils und des Beschlusses ergibt sich aus §
708 Nr. 10, § 711 ZPO. ..." (OLG München, Beschluss vom 12.04.2012 - 7 U 4007/11)
***
I. Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 29.08.2011, Az. 10 O 10079/10, durch einstimmigen
Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
II. Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme bis 9.1.2012 ...
Die Berufung des Klägers hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Weder weist der Rechtsstreit grundsätzliche Bedeutung auf noch erscheint eine
Entscheidung des Berufungsgerichts aufgrund mündlicher Verhandlung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung
erforderlich. Eine mündliche Verhandlung ist nicht geboten. ...
Nach höchstrichterlicher ständiger Rechtsprechung vermag nicht jede Verletzung des Persönlichkeitsrechts eines Betroffenen einen Anspruch auf immaterielle
Geldentschädigung auszulösen. Ein solcher Anspruch kommt vielmehr nur dann in Betracht, wenn es sich um einen schwerwiegenden Eingriff handelt und die
Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend aufgefangen werden kann. Dabei hängt die Entscheidung, ob eine hinreichende schwerwiegende
Verletzung des Persönlichkeitsrechts vorliegt, insbesondere von der Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, ferner auch von Anlass und Beweggrund des
Handelnden sowie von dem Grad seines Verschuldens ab (vgl. BGH VI ZR 386/94 = BGHZ 132, 13 m. w. N., Sprau in Palandt BGB 70. Aufl. § 823 Rz. 124).
Ein derartig schwerwiegender Eingriff ist hier nicht feststellbar.
Es mag für den Kläger und seine Familie eine äußerst unangenehme Lage gewesen sein. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass auch dem Kläger ein Beitrag zur
Eskalation der Situation nicht abgesprochen werden kann. Immerhin gibt selbst die Ehefrau des Klägers an, ihr Mann sei nicht ganz ungenervt gewesen. Auch
der völlig unbeteiligte Fluggast G. führte in seiner schriftlichen Einvernahme aus, der Kläger habe relativ aggressiv reagiert und es sei zu einer hitzigen
Diskussion gekommen. Der Kläger sei sehr erregt gewesen und seine Frau habe ihn immer wieder beruhigen wollen.
Das Erstgericht hat hierbei auch zu Recht berücksichtigt, dass auf Seiten der Beklagten ein schwerwiegendes Verschulden nicht anzunehmen ist, sich die
Situation wohl eher "hochgeschaukelt" und sich die Beeinträchtigung nicht auf einen längeren Zeitraum erstreckt hat. Die tatsächlich festgestellte Lage hat den
Bereich des Alltäglichen noch nicht verlassen.
Der Senat regt daher an, die Berufung zur Meidung weiterer Kosten zurückzunehmen, im Fall der Rechtsmittelrücknahme ermäßigen sich die zweitinstanziellen
Gerichtsgebühren um die Hälfte.
Der Kläger wird darauf hingewiesen, dass durch die Rücknahme seiner Berufung auch die Anschlussberufung der Beklagten ihre Wirkung verlieren würde.
Diese wäre zum jetzigen Zeitpunkt zumindest in Höhe eines Betrages von 633,44 Euro begründet. Dies entspricht dem tatsächlichen Flugpreis, der bereits
seitens der Beklagten dem Kläger zurückerstattet worden ist. Dieser Betrag wäre auf die Klageforderung anzurechnen (OLG München, Beschluss vom
12.12.2011 - 7 U 4007/11).
*** (AG)
„... Im Hinblick auf einen Betrag von jeweils EUR 75,00, insgesamt EUR 150,00, war die Hauptforderung indes unbegründet. Die Beklagte hat der aus
insgesamt 5 Personen bestehenden Reisegruppe der Kläger vorgerichtlich unstreitig einen Betrag in Höhe von EUR 375,00 erstattet; hierauf entfallen - dies
ebenfalls unstreitig - zwei Fünftel, insgesamt EUR 150,00, auf die Kläger. Bezüglich dieses Betrages kann sich die Beklagte auf Erfüllung gemäß § 362 Abs. 1
BGB berufen.
Dem steht nicht entgegen, dass dieser Betrag bezüglich einer anerkannten Minderung wegen der Flugverspätung geleistet worden sein soll. Auf der Grundlage
einer erklärten Minderung konnten die Kläger die Zahlung des geleisteten Betrages nicht verlangen. Die Kläger haben neben den Ausgleichsansprüchen keinen
darüber hinausgehenden Anspruch auf Flugpreisminderung wegen der eingetretenen Flugverspätung; die Verspätung eines Fluges begründet schon keinen
Sachmangel der Beförderungsleistung (so auch BGH NJW 2009, 2743 f.).
Den Klägern stehen über das Anerkenntnis hinausgehende Forderungen auch nicht deswegen zu, weil ihnen und ihren Mitreisenden infolge der Verspätung
Schäden in Höhe von insgesamt EUR 398,50 entstanden sind. Die seitens der Beklagten im Ergebnis vollständig anerkannten Ausgleichsansprüche der
Kläger sind jedenfalls auf etwaige diesbezügliche Ersatzansprüche nach Art. 12 Abs. 1 S. 2 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 (nachstehend "VO"
genannt) anzurechnen.
Dies führt dazu, dass von dem behaupteten Schadensersatzanspruch die zu erbringenden Ausgleichsleistungen - hier insgesamt EUR 1200,00 - in Abzug zu
bringen sind. Dieser Abzug hat unabhängig davon zu erfolgen, ob der Schadensersatzanspruch die Gesamthöhe der zu gewährenden Ausgleichsleistung
übersteigt. Der in Art. 12 Abs. 1 S. 1 VO verwendete Terminus "weitergehend" ist nicht betragsmäßig zu verstehen, sondern bezieht sich - wie sich aus den
anderen Sprachfassungen der Verordnung in der Gesamtschau mit S. 2 dieser Vorschrift deutlicher ergibt (englisch: "further compensation" / "compensation
granted under this Regulation"; französisch: "indemnisation complémentaire" / "L'indemnisation accordée en vertu du présent règlement"; niederländisch:
"verdere compensatie" / "van deze verordening toegekende compensatie") - auf einen inhaltlich "weiteren" und damit unabhängig von der VO bestehenden
Schadenersatz. Entsprechendes gilt im Hinblick auf den vorzunehmenden Abzug, der in der deutschen Sprachfassung missverständlich als "Anrechnung"
bezeichnet wird, in den anderen Sprachfassungen aber ausdrücklich als Abzug der Ausgleichsleistung vom (inhaltlich) weitergehenden Schadenersatz benannt
ist (englisch: "be deducted"; französisch: "etre deduite"; niederländisch: "in mindering worden gebracht").
Auch aus dem Sinn und Zweck von Art. 12 VO folgt, dass ein Abzug der Ausgleichsleistung vom Schadenersatzanspruch zu erfolgen hat und dass es auf die
"Richtung" der Anrechnung nicht ankommen kann. Dabei ist hinzunehmen, dass der Abzug der Ausgleichsleistung von einem betragsmäßig geringeren
Schadenersatz gegebenenfalls zu einem negativen Ergebnis kommt; in diesem Fall ist nur die Ausgleichsleistung zu gewähren. Sollte man anders verfahren und
eine Anrechung nach Art. 12 VO nur "in eine Richtung" bei einem betragsmäßig höheren Schadenersatzanspruch zulassen, wäre es vom bloßen Zufall
abhängig, ob die Anrechnung durchzuführen ist oder nicht; bei einem eingetretenen Schaden von EUR 599,00 würde ein Fluggast diesen Betrag sowie eine
Ausgleichszahlung von EUR 600,00 erhalten und wäre trotz eines geringeren Schadens und entgegen der Zielrichtung der Norm gegenüber dem Fluggast
bevorteilt, der bei einem eingetretenen Schaden von EUR 601,00 aufgrund der durchzuführenden Anrechnung nach Art. 12 VO insgesamt nur diesen Betrag
erhalten würde.
Hiernach kann es dahinstehen, dass seitens der Kläger zu den Schäden im Einzelnen nicht hinreichend substantiiert vorgetragen worden ist.
Die Kläger können auch Ersatz der im Rahmen der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung aufgewendeten Kosten nach §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 Abs. 1
BGB verlangen. Die Beklagte befand sich spätestens seit dem 04.04.2009 im Verzug; ein Verschulden wird gesetzlich vermutet. Auch ein ersatzfähiger
Schaden liegt vor. Die Beklagte hat zwar in substantiierter Weise mit Nichtwissen bestritten, dass die Kläger die vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren
gezahlt haben und ihnen hieraus ein Schaden entstanden ist.
Auf einer Beweisaufnahme kommt es vorliegend jedoch nicht an. Die Belastung der Kläger mit der Gebührenforderung ihrer Prozessvertreter - unabhängig
davon, ob diese durch die Kläger gezahlt wurde oder nicht - stellt hier einen ersatzfähigen Schaden im Sinne des § 249 ff. BGB dar. Der anfängliche Anspruch
auf Naturalrestitution (Freistellung) nach § 249 BGB ist gemäß § 250 BGB in einen Ersatzanspruch übergegangen, da die Beklagte auf die auch diesbezügliche
Fristsetzung des Klägervertreters vom 20.04.2009 nicht geleistet hat.
Es kann auch dahinstehen, ob seitens der Prozessbevollmächtigten der Kläger eine ordnungsgemäße Rechnungsstellung erfolgt ist. Die Rechnungsstellung nach
§ 10 Abs. 1 RVG ist nur für die Einforderbarkeit der Vergütung im Verhältnis zwischen Rechtsanwalt und Mandanten maßgeblich und ohne Bedeutung für die
Fälligkeit des Anspruchs - insbesondere im Hinblick auf einen materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch (OLG München, Az. 10 U 2476/06, Beschluss
vom 19.07.2006). Wie sich aus § 10 Abs. 3 RVG ergibt, steht eine fehlende Rechnungsstellung einem materiell-rechtlichen Anspruch des Rechtsanwalts nicht
entgegen; dieser entsteht bereits mit dem ersten Tätigwerden des Anwalts und wird gemäß § 8 Abs. 1 S. 1 RVG mit der Erledigung des Auftrags oder der
Beendigung der Angelegenheit - unabhängig von einer Rechnungsstellung - fällig.
Unerheblich ist schließlich auch, dass die Beklagte die Ansprüche der Kläger vorgerichtlich bereits abgelehnt hatte. Nach Auffassung des erkennenden Gerichts
war die Beauftragung der Prozessbevollmächtigten durch die Kläger aus ex-ante-Sicht zweckmäßig und nicht schlechterdings aussichtslos, da nach allgemeinen
Erfahrungssätzen die vorgerichtliche Beauftragung eines Rechtsanwalts auch dann erfolgversprechend ist, wenn die Gegenseite geltend gemachte Ansprüche
bereits abgelehnt hatte.
Eine Anrechnung der Ausgleichsansprüche auf die Rechtsanwaltskosten findet nicht statt, da diese nur im Hinblick auf weitergehende
Schadensersatzansprüche in Betracht kommt, die ihre Ursache im Ergebnis ebenfalls in der Flugverspätung haben, aber ihre Grundlage jenseits der VO finden.
Grundlage des Ersatzanspruchs im Hinblick auf die Rechtsverfolgungskosten ist allerdings der eingetretene Verzug der Beklagten und nicht die Flugverspätung selbst.
Der Zinsanspruch ab dem 04.04.2009 ist begründet gemäß §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286, 288 Abs. 1 BGB; im Übrigen ist er unbegründet, da ein Schuldnerverzug
vorliegend erst mit dem Ablauf der vom Kläger zu 1) im März 2009 gesetzten Frist eingetreten ist. Schuldnerverzug tritt nicht bereits mit dem
anspruchsbegründenden Vorfall selbst ein, § 286 BGB. Weder dem klägerischen Vortrag noch dem klägerischen Schreiben vom März 2009 selbst lässt sich
entnehmen, wann die Mahnung erstellt und der Beklagten zugegangen ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 1, Nr. 11, 713 ZPO.
Die Berufung war gemäß § 511 Abs. 4 ZPO zuzulassen, da die Kläger mit nicht mehr als EUR 600,00 beschwert sind, die Rechtssache aber im Hinblick auf die
Rechtsfrage der Anrechnung nach Art. 12 VO grundsätzliche Bedeutung hat. ..." (AG Rüsselsheim, Urteil vom 10.08.2011 - 3 C 237/11 (36))
Artikel 13 Regressansprüche
In Fällen, in denen ein ausführendes Luftfahrtunternehmen eine Ausgleichszahlung leistet oder die sonstigen sich aus dieser Verordnung ergebenden
Verpflichtungen erfüllt, kann keine Bestimmung dieser Verordnung in dem Sinne ausgelegt werden, dass sie das Recht des Luftfahrtunternehmens beschränkt,
nach geltendem Recht bei anderen Personen, auch Dritten, Regress zu nehmen. Insbesondere beschränkt diese Verordnung in keiner Weise das Recht des
ausführenden Luftfahrtunternehmens, Erstattung von einem Reiseunternehmen oder einer anderen Person zu verlangen, mit der es in einer Vertragsbeziehung
steht. Gleichfalls kann keine Bestimmung dieser Verordnung in dem Sinne ausgelegt werden, dass sie das Recht eines Reiseunternehmens oder eines nicht zu
den Fluggästen zählenden Dritten, mit dem das ausführende Luftfahrtunternehmen in einer Vertragsbeziehung steht, beschränkt, vom ausführenden
Luftfahrtunternehmen gemäß den anwendbaren einschlägigen Rechtsvorschriften eine Erstattung oder Entschädigung zu verlangen.
Artikel 14 Verpflichtung zur Information der Fluggäste über ihre Rechte
(1) Das ausführende Luftfahrtunternehmen stellt sicher, dass bei der Abfertigung ein klar lesbarer Hinweis mit folgendem Wortlaut für die Fluggäste deutlich
sichtbar angebracht wird: "Wenn Ihnen die Beförderung verweigert wird oder wenn Ihr Flug annulliert wird oder um mindestens zwei Stunden verspätet ist,
verlangen Sie am Abfertigungsschalter oder am Flugsteig schriftliche Auskunft über ihre Rechte, insbesondere über Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen."
(2) Ein ausführendes Luftfahrtunternehmen, das Fluggästen die Beförderung verweigert oder einen Flug annulliert, händigt jedem betroffenen Fluggast einen
schriftlichen Hinweis aus, in dem die Regeln für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen gemäß dieser Verordnung dargelegt werden. Ferner wird allen von
einer Verspätung um mindestens zwei Stunden betroffenen Fluggästen ein entsprechender Hinweis ausgehändigt. Die für die Kontaktaufnahme notwendigen
Angaben zu der benannten einzelstaatlichen Stelle nach Artikel 16 werden dem Fluggast ebenfalls in schriftlicher Form ausgehändigt.
(3) Bei blinden oder sehbehinderten Personen sind die Bestimmungen dieses Artikels durch den Einsatz geeigneter alternativer Mittel anzuwenden.
Artikel 15 Ausschluss der Rechtsbeschränkung
(1) Die Verpflichtungen gegenüber Fluggästen gemäß dieser Verordnung dürfen - insbesondere durch abweichende oder restriktive Bestimmungen im
Beförderungsvertrag - nicht eingeschränkt oder ausgeschlossen werden.
(2) Wird dennoch eine abweichende oder restriktive Bestimmung bei einem Fluggast angewandt oder wird der Fluggast nicht ordnungsgemäß über seine Rechte
unterrichtet und hat er aus diesem Grund einer Ausgleichsleistung zugestimmt, die unter der in dieser Verordnung vorgesehenen Leistung liegt, so ist der
Fluggast weiterhin berechtigt, die erforderlichen Schritte bei den zuständigen Gerichten oder Stellen zu unternehmen, um eine zusätzliche Ausgleichsleistung
zu erhalten.
Artikel 16 Verstöße
(1) Jeder Mitgliedstaat benennt eine Stelle, die für die Durchsetzung dieser Verordnung in Bezug auf Flüge von in seinem Hoheitsgebiet gelegenen Flughäfen
und Flüge von einem Drittland zu diesen Flughäfen zuständig ist. Gegebenenfalls ergreift diese Stelle die notwendigen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass
die Fluggastrechte gewahrt werden. Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission mit, welche Stelle gemäß diesem Absatz benannt worden ist.
(2) Unbeschadet des Artikels 12 kann jeder Fluggast bei einer gemäß Absatz 1 benannten Stelle oder einer sonstigen von einem Mitgliedstaat benannten
zuständigen Stelle Beschwerde wegen eines behaupteten Verstoßes gegen diese Verordnung erheben, der auf einem Flughafen im Gebiet eines Mitgliedstaats
begangen wurde oder einen Flug von einem Drittstaat zu einem Flughafen in diesem Gebiet betrifft.
(3) Die von den Mitgliedstaaten für Verstöße gegen diese Verordnung festgelegten Sanktionen müssen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein.
Artikel 17 Bericht
Die Kommission erstattet dem Europäischen Parlament und dem Rat bis zum 1. Januar 2007 über die Anwendung und die Ergebnisse dieser Verordnung
Bericht, insbesondere über Folgendes:
- die Häufigkeit von Fällen der Nichtbeförderung und der Annullierung von Flügen;
- die mögliche Ausweitung des Anwendungsbereichs dieser Verordnung auf Fluggäste, die in Vertragsbeziehung mit einem Luftfahrtunternehmen der
Gemeinschaft stehen oder eine Buchung für einen Flug als Teil einer Pauschalreise besitzen, für die die Richtlinie 90/314/EWG gilt, und die von einem
Flughafen in einem Drittland einen Flug zu einem Flughafen in einem Mitgliedstaat antreten, der nicht von einem Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft
durchgeführt wird;
- die mögliche Überprüfung der Ausgleichsbeträge nach Artikel 7 Absatz 1.
Dem Bericht sind, soweit erforderlich, Legislativvorschläge beizufügen.
Artikel 18 Aufhebung
Die Verordnung (EWG) Nr. 295/91 wird aufgehoben.
Artikel 19 Inkrafttreten
Diese Verordnung tritt am 17. Februar 2005 in Kraft. Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat.
Geschehen zu Straßburg am 11. Februar 2004. ...
Leitsätze/Entscheidungen:
„... Auf Grund der vorstehenden Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof vor, die vom High Court of Justice of England and Wales, Queen's Bench Division,
vorgelegten Fragen wie folgt zu beantworten:
Die Prüfung der ersten sieben Fragen hat nichts ergeben, was die Gültigkeit der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates
vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei
Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 in Frage stellen könnte.
Im Rahmen der gerichtlichen Zusammenarbeit gemäß Artikel 234 EG ist es Sache des nationalen Gerichts, die Notwendigkeit der Vorlage einer Frage an den
Gerichtshof zu beurteilen, wobei gegebenenfalls die vom Gerichtshof in den Rechtssachen CILFIT und Foto-Frost ermittelten Grundsätze zu berücksichtigen
sind. ..." (Schlussanträge des Generalanwalts L. A. Geelhoed vom 8. September 2005 im EuGH-Verfahren C 344/04).
Erklärung der Kommission
Die Kommission erinnert an ihre Absicht, freiwillige Verpflichtungen zu fördern oder Vorschläge zu unterbreiten, die dazu dienen, die
Gemeinschaftsmaßnahmen zum Schutz der Passagiere auf andere Verkehrsträger außerhalb des Luftverkehrs, namentlich auf den Schienen- und Seeverkehr, auszudehnen.
***
Warschauer Abkommen
Art. 17 Warschauer Abk
Art. 25 Warschauer Abk
Art. 17 Warschauer Abk
Der Luftfrachtführer hat den Schaden zu ersetzen, der dadurch entsteht, dass ein Reisender getötet, körperlich verletzt oder sonst gesundheitlich geschädigt
wird, wenn der Unfall, durch den der Schaden verursacht wurde, sich an Bord des Luftfahrzeugs oder beim Ein- oder Aussteigen ereignet hat.
Leitsätze/Entscheidungen:
Ein Luftfrachtführer haftet nur für Unfälle, bei denen sich eine luftfahrttypische Gefahr realisiert hat. Das versehentliche Herabstoßen einer Kaffekanne vom
Servierwagen auf Grund einer Schusseligkeit ist keine solche Gefahr. Der Fluggast hat in einem solchen Fall gem. §§ 823, 831, 847 BGB a. F. einen Anspruch
gegen den Luftfrachtführer auf Schmerzensgeld. Eine durch den Unfall ausgelöste extreme Angst, mit heißem Wasser in Berührung zu kommen, ist nicht
schmerzensgelderhöhend zu berücksichtigen (LG Düsseldorf, Urteil vom 31.01.2003 - 22 S 266/03, RRa 2003, 172).
*** (LG)
Die Haftung des Luftfrachtführers für eine Erkrankung eines Passagiers, die dieser sich möglicherweise an Bord zugezogen hat, richtet sich nach nationalem
Beförderungsvertragsrecht, nicht nach dem Warschauer Abkommen. Zur Haftung des Luftfrachtführers für den durch eine Thromboembolie verursachten Tod
eines Fluggastes (LG München I, Urteil vom 07.03.2001 - 29 O 20354/00, RRa 2001, 165).
***
Der Luftfrachtführer haftet nach Warschauer Abkommen nur für Unfälle, bei denen sich eine dem Luftverkehr eigentümliche Gefahr verwirklicht hat. Die
durch Feuchtigkeit auf dem Boden eines Flugsteigs bedingte Rutschgefahr steht in keinem inneren Zusammenhang mit den Gefahren der Luftfahrt (OLG
München, Urteil vom 04.04.2000 - 18 U 4736/99, RRa 2003, 269).
***
Art. 25 Warschauer Abk
Die in Artikel 22 vorgesehenen Haftungsbeschränkungen gelten nicht, wenn nachgewiesen wird, dass der Schaden durch eine Handlung oder Unterlassung des
Luftfrachtführers oder seiner Leute verursacht worden ist, die entweder in der Absicht, Schaden herbeizuführen, oder leichtfertig und in dem Bewusstsein
begangen wurde, dass ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde. Im Fall einer Handlung oder Unterlassung der Leute ist außerdem zu beweisen, dass
diese in Ausführung ihrer Verrichtungen gehandelt haben.
Leitsätze/Entscheidungen:
Auch wenn der vom Luftfrachtführer eingeschaltete Bodendienst eine Ausgangskontrolle der einzelnen Frachtgüter beim Verbringen zum Flugzeug nicht
durchführt, ist eine volle Haftung des Luftfrachtführers gem. Art. 25 WA dann nicht gegeben, wenn der Bodendienst vorher das Luftfrachtgut getrennt nach
Fluglinien und Flügen geordnet und aufgestapelt und anschließend die Richtigkeit der Flugfrachtzusammenstellung kontrolliert hat (OLG München, Urteil vom
07.05.1999 - 23 U 6113/98, VersR 2000, 1567).
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Internetadressen - Links
www.adv.aero (ARGE Deutscher Flughäfen)
www.aea.de (Association of European Airlines - Informationen zu Gepäckverlust und Pünktlichkeit)
www.eurocontrol.int (Informationen zu Pünktlichkeit)
www.eu-verbraucher.de (Broschüre zu Fluggastrechten)
www.flightontime.info (Informationen zu Pünktlichkeit)
www.jacdec.de (Unfallstatistik)
www.skyscanner.net (Flugsuche und Preisvergleich)
https://soep-online.de/ (SÖP Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr e.V. - vmtl. keine Alternative zur Klage!)
www.swoodoo.com (Flugsuche und Preisvergleich)
... bearbeitet bis 31.12.2013